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vermiſchte
botaniſche Abhandlungen,

herausgegeben
und mit einer Vorrede verſehen

von
D. Karl Abraham Gerhard
Koͤnigl. Preußiſchen Geheimen Ober-Finanz-Kriegs- und
Domainenrath.

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Erſter Band.


Berlin,: 1789.
In Commiſſion bey Siegismund Friedrich Heſſe.

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[figure]

Vorbericht.


Schon in einer Vorrede zu einigen kleinen
Abhandlungen des verſtorbenen Hofrath und
Profeſſor Gleditſch, welche ſich noch unter der
Preſſe befinden, habe ich dem gelehrten Publi-
kum verſprochen, die noch vorgefundenen Ar-
beiten des ſeligen Mannes durch den Druck be-
kannt zu machen.


Dieſes ſoll jezt mit einigen botaniſchen Ab-
handlungen geſchehen, welche den erſten Band
ausmachen werden. Dieſen werden noch ei-
nige kleine vermiſchte Schriften folgen, um da-
durch Liebhabern in dieſem Fache Gelegenheit
zu geben, ihren angefangenen Fleiß und Arbeit
weiter auszufuͤhren und fortzuſetzen.


Es
[]

Es iſt in dieſen Abhandlungen keine Ver-
aͤnderung vorgenommen, ſondern alles nach des
ſeligen Mannes eigenen Aufſatz beybehalten wor-
den. Die mehreſten Aufſaͤtze ſind bey der Koͤnigl.
Akademie der Wiſſenſchaften vorgeleſen, groͤß-
tentheils aber in den Memoiren der Akademie
noch nicht gedruckt worden.


Gerhard
Koͤnigl. Geheimer Oberfinanz-Kriegs-
und Domainenrath.

[figure]
Inhalt.
[]

Inhalt.


  • Zufaͤllige Gedanken uͤber den Blumenſtaub, und die
    durch ihn bewirkt werdende Befruchtung bey den Pflan-
    zen. S. 1
  • Phyſikaliſche Beobachtung des Blumengriffels, als ei-
    nes zur Befruchtung des Saamens gehoͤrigen Haupt-
    theils. S. 40
  • Beytrag zur natuͤrlichen Geſchichte der Mooſe. S. 60
  • Fortſetzung des Beytrags zur natuͤrlichen Geſchichte
    der Mooſe. S. 89
  • Beſchluß des Beytrags zur natuͤrlichen Geſchichte
    der Mooſe. S. 125
  • Zufaͤllige Gedanken uͤber einige Verſuche, Beobachtun-
    gen und Meynungen der neuern Naturforſcher, die natuͤr-
    liche Befruchtung der Gewaͤchſe betreffend. S. 145
  • Neueſte Nachrichten von einem ſchaͤdlichen nordameri-
    kaniſchen Gewaͤchſe, und denen hier im Lande dadurch ver-
    urſachten beſondern [Zufaͤllen]. S. 162

Gedan-
[]
  • Gedanken uͤber die phyſikaliſchen Kennzeichen der wah
    ren Kraͤuter, und der davon verſchiedenen Staudengewaͤchſe,
    inſofern ſie ſich aus der Naturordnung und Erfahrung be-
    ſtimmen laſſen. S. 200
  • Phyſi[ſ]jch- oͤkonomiſche Gedanken uͤber die ſichere Wir-
    kung der ſauern Arzeneymittel bey heftigen Viehſeuchen
    und Zufaͤllen, die ihren Grund in einer boͤsartigen, zur
    innern Faͤulniß, Entzuͤndung und Ausſchlaͤgen geneigten
    Schaͤrfe des Blutes und einer verdorbenen Galle haben,
    nach den neueſten daruͤber angeſtellten Verſuchen. S. 222
  • Neuer Beytrag zur Geſchichte der natuͤrlichen Fort-
    pflanzung der Landeichen in unſern Forſten, durch Ver-
    ſuche und Bemerkungen begruͤndet. S. 241


[[1]]
[figure]

Zufaͤllige Gedanken
uͤber den
Blumen-Staub,
und die durch ihm
bewirkt werdende Befruchtung
bey denen Pflanzen.



Der Blumenſtaub, welcher ſonſt unter dem Na-
men des beſchwaͤngernden oder befruchtenden Stau-
bes, wie auch des Blumenmehls bekannt iſt, wird an-
derweit genitura florum aut plantarum, ſemen
maſculum et florale,
ferner pollen, pollen anthe-
rarum, pulvis floralis et antherarum,
und endlich
eſſentia florum von etlichen genennet. Er beſtehet
aus einer Menge von uͤberaus kleinen und hohlen
ASaa-
[2] Saamengefaͤßen, wie die Vergroͤßerungsglaͤſer zei-
gen, in denen eine hoͤchſt zarte Subſtanz von ganz
beſonderer wirkſamer Art enthalten iſt, deren Un-
terſuchung und wahre Beſtimmung unſern Sinnen
wo nicht ganz, doch zum Theil faſt unmoͤglich, oder
wenigſtens uͤberaus ſchwer faͤllt, und dahero, wie
es ſcheinet, noch lange Zeit, auch wohl groͤßten-
theils, verborgen bleiben duͤrfte. Dieſes nur er-
waͤhnte vegetabiliſche befruchtende Saamenweſen
wird in denjenigen kleinen beſondern organiſchen
Blumentheilchen erzeuget, ernaͤhret und zu ſeiner
Vollkommenheit gebracht, welche durch ihre erſtau-
nende Menge den ſogenannten Blumenſtaub eigent-
lich ausmachen, und in ihnen ſo lange aufbehalten,
bis es endlich bey gewiſſer Gelegenheit und auf ei-
nen beſtimmten Zeitpunkt mit eben ſolcher Gewalt
und Geſchwindigkeit partienweiſe heraus faͤhret,
als das verduͤnnte Waſſer aus einer erhitzten
Dampfkugel.


Angezeigte kleine Saamengefaͤßgen ſind alle-
zeit hohl, und ſitzen nach einer beſondern regelmaͤßi-
gen Ordnung auf uͤberaus kurzen und zarten Faͤden
an der ganzen innern Flaͤche der Blumen-Staub-
kapſeln, (antherarum) dermaßen dicke an einan-
der, daß ſie dieſelbe voͤllig bedecken. Bey der na-
tuͤrlichen Eroͤfnung der antherarum werden ſie un-
ter der Geſtalt eines Rauches oder Staubes, in dem
ſie ploͤtzlich herausſchnellen, mit einiger Gewalt und
Geſchwindigkeit in großen Partien davon abgeriſ-
ſen,
[3] ſen, welches ſo oft wiederholt wird, bis die ganze
Blumenſtaubkapſel davon leer geworden iſt. Die
Geſtalt mehr gedachter kleiner Saamengefaͤßgen
findet ſich bey verſchiedenen Blumengeſchlechtern
auch etwas verſchieden, und bey den aͤhnlichen zei-
get ſich bald eine groͤßere bald eine geringere Gleich-
heit. Insgemein beſtehet aller Blumenſtaub aus
ſolchen kleinen Saamengeſaͤßchen, Blaͤschen, oder
Kuͤgelchen, wie man ſie nennen will, welche voll-
kommen rund, und dabey mit zarten Stacheln und
Haͤkgen verſehen ſind. In etlichen Arten beſtehet
er aus doppelten Blaͤschen, oder auch laͤnglichrun-
den, eyfoͤrmigen, durchbrochenen Platten und da-
bey gezackten, ferner aus nierenfoͤrmigen, eckigten
und irregulaͤrgewundenen Blaͤschen.


Derjenige Blumenſtaub aber, welcher in einer
jeden einzelnen Saamenſtaubkapſel beyſammen ge-
funden wird, oder auch in einer ganzen Blume
oder Gattung von dieſem Geſchlechte, dieſer iſt bey
natuͤrlichen Umſtaͤnden allemahl von einerley Ge-
ſtalt, Groͤße und Eigenſchaft, ohne, daß ſich von
dem, was ich hier angegeben habe, jemahls das
Gegentheil finden ließe; wie man ſich denn da-
von durch die Vergroͤßerungsglaͤſer ſehr leicht uͤber-
zeugen kann.


Was das in oftgenannten Gefaͤßchen enthal-
tene hoͤchſt zarte, wirkſame und befruchtende Saa-
menweſen betrift, das man im eigentlichen Ver-
ſtande und mit mehrerem Rechte genituram flora-
A 2lem
[4]lem nennen koͤnnte, als, daß man deſſen Huͤlſe zu-
gleich mit unter dieſen Namen begreift; ſo zeigen
die Vergroͤßerungsglaͤſer ebenfalls, daß es eine ſehr
feine, durchſichtige, ſchleimige, etwas membranoͤſe
und wohl temperirte Maſſe ſey, in welcher eine
große Menge der allerzarteſten und dunkelſten run-
den Staͤubchen oder Koͤrperchen gleichſam einge-
wickelt iſt, die dem Auge durch ein gemeines Glas
als die allerkleinſten Punkte vorkommen. Wenn
nun die Staubkuͤgelchen von einer Feuchtigkeit be-
ruͤhrt werden, ſo nimmt man gar bald wahr, daß
das in ihnen verſchloſſene Saamenweſen in we-
nigen Augenblicken innerhalb derſelben in eine
ſchnelle und heftige Bewegung geraͤth, im Heraus-
ſchnellen die Kuͤgelchen dermaßen auseinander ſtoͤ-
ßet, und, daß dieſe ſelbſt nach Art der Billardku-
geln gegen, an und untereinander fahren, im Her-
umwalzen aber zerplatzen, ihre Geſtalt und Groͤße
zugleich in etwas veraͤndern, und mitten unter die-
ſer Revolution das ſchleimige und haͤutige Saa-
menweſen von ſich ſpruͤtzen, welches alsdenn außer
denenſelben dem Saamen einiger Waſſerthiere uͤber-
aus gleichet, wie ſolches von Mr. Needham ganz
richtig bemerket worden iſt; und wie ich verſchiede-
ne mahl wahrgenommen, ſo hat es ſich eine Weile
nach dem Herausſprutzen als eine ſehr ſubtile, oͤhlige,
punktirte Haut uͤber das Waſſer gezogen, in wel-
ches die Kuͤgelchen gelegt worden waren. Mr.
Juſſien hat auch von dem Staubmehle des Hanfs
einen
[5] einen ſchwimmenden fetten Saft im Waſſer aufſpruͤ-
tzen ſehen.


Ich muß geſtehen, daß ſich bey Betrachtung
ſolcher Erſcheinungen, und bey Ueberlegung ſo vieler
uͤbereinſtimmenden Umſtaͤnde der Befruchtung, in
der That viele Spuren von Aehnlichkeit und noch
groͤßere Gruͤnde vor die Gleichheit der Generation
zwiſchen denen Thieren und Pflanzen finden, ſogar
daß hitzige Naturforſcher Muͤhe haben, ihre Ver-
muthungen von gewiſſen Wahrheiten zu unterſchei-
den. Indeſſen werde ich ganz aufrichtig hier das-
jenige vorlegen, und mit einigen gegruͤndeten
Muthmaßungen unterſtuͤtzen, was mir bey mei-
nen Verſuchen vorgekommen iſt. Vielleicht wer-
den dieſe die Meynungen, welche andere von der
Befruchtung und dem befruchtenden Blumenſtaube
ſchon vor mir, oder mit mir zugleich gehabt, ent-
weder in groͤßeres Licht ſetzen, oder doch wenigſtens
die dabey vorkommenden Uebereilungen und
Schwierigkeiten mehr und mehr entdecken. Denn
was iſt wohl bey einigen Gelehrten leichter, oder
vielmehr gewoͤhnlicher, als ſich bey dergleichen Ver-
ſuchen im Obſerviren und Schließen zu uͤbereilen,
und aus Vergnuͤgen uͤber eine ungewoͤhnliche
Neuigkeit Vermuthungen mit Wahrheiten zu ver-
wechſeln.


Die eigentliche Befruchtung des Ovarii, wel-
ches bey den Pflanzen durch den Blumenſtaub in
ihren Blumen geſchiehet, iſt eine Sache, die die
A 3Natur-
[6] Naturforſcher ſowohl in unſern gegenwaͤrtigen als
kurz vorhergehenden Zeiten zu mancherley Verſu-
chen verleitet hat, unter welchen ihnen einige wohl
gelungen ſind, an vielen aber kann man aus ſichern
Gruͤnden zweifeln. Verſchiedene haben uns zwar
ſehr vieles bereden wollen, das uns in Erſtaunen
ſetzen koͤnnte, wenn es wuͤrklich erwieſen waͤre;
allein, bey genauerer Unterſuchung ihrer Schrif-
ten hat ſich gefunden, daß die auctores, wie ge-
woͤhnlich, zum Theil nicht ſelbſt, oder ohne die
Verſchiedenheit des wahren Baues in denen [Blu-
men]
zu kennen, zum Theil aber, nicht mit der ge-
hoͤrigen Vorſicht gearbeitet haben, ſondern viel-
mehr mit fremden Augen geſehen, und, aus an-
derer Scribenten noch nie erwieſenen Verſuchen
uͤbereilte Schluͤſſe gezogen, ſo, wie es der Vor-
theil und die Beſchaffenheit ihrer verſchiedenen
Lehrgebaͤude etwa zu erfordern geſchienen.


So gewiß indeſſen die Befruchtung des
Ovarii durch den Blumenſtaub bey den Pflan-
zen an und vor ſich iſt, ſo iſt ſie dennoch noch lange
nicht dermaßen ausgemacht, daß man von einer
richtigen und ungezweifelten Theorie ſprechen duͤrf-
te? Das, was ich hier ſage, wird niemand in
Zweifel ziehen, der da weiß, daß wir zur Zeit we-
der die wahren Eigenſchaften, Kraͤfte und Actio-
nen des befruchtenden Blumenſtaubes, noch die
wahre Beſchaffenheit des Ovarii, nebſt deſſen Zu-
behoͤr und andern Umſtaͤnden recht gehoͤrig [kennen],
wel-
[7] welche ſich insbeſondere in dieſem organiſchen Blu-
mentheile, bey und nach der vigoureuſen Pro-
jection des Blumenſtaubes, nebſt der uns noch
nicht voͤllig bekannten Art des Eindringens dieſes
hoͤchſt ſubtilen und wuͤrkſamen befruchtenden Saa-
menweſens nach einander zutragen. Vielleicht er-
fahren wir von allen dieſen kuͤnftighin nach aller an-
gewandten Muͤhe nur das wenigſte, vielleicht aber
niemals das weſentliche?


Was Malpighius, Jungius, Camerarius,
Burghart, Rajus, Grewius, Vaillant, Mor-
land
und deren Nachfolger von allen Blumenthei-
len ſowohl uͤberhaupt, als von dem befruchtenden
Blumenſtaube und dem Unterſchiede des Geſchlech-
tes bey den Pflanzen insbeſondere vermuthet, geur-
theilet und in oͤffentlichen Schriften abgehandelt,
iſt bekannt, und gar leicht abzuſehen, wie dieſe
Maͤnner aus der nach und nach mehr entdeckten
Blumenſtructur, und Unterſuchung derer un-
fruchtbaren und fruchtbaren Blumen, wenn ſie
auch nur ganz gemeine Erfahrungen dabey zu Huͤlfe
genommen, auf ihre davon gehabte Gedanken ver-
fallen muͤſſen. Dieſen Vorgaͤngern bin ich behut-
ſam gefolget, und habe durch Verſuche ſo viel gefun-
den, welches das, was ſie davon ſchon vor mir ver-
muthet gehabt, groͤßtentheils bekraͤftiget. Zu an-
derer Zeit habe ich Entdeckungen gemacht, welche
den erſtern Erfindungen offenbar widerſprechen;
wenigſtens habe ich aus ihren Erfahrungen und
A 4Ver-
[8] Vermuthungen diejenigen Schluͤſſe nicht allezeit zie-
hen koͤnnen, die ſie geglaubet. Ich kann nicht ſa-
gen, welche von beyderley Erfahrungen, nehmlich
denen bekraͤftigenden oder verneinenden, mir die an-
genehmſten geweſen ſind, da ich von ihnen den Nu-
tzen gehabt, daß ich keiner Obſervation getrauet,
wenn ſie von mir nicht etlichemahl wiederholet wer-
den koͤnnen, und daß ich mich vor unrichtigen
Schluͤſſen in Acht genommen. Demnach habe ich
es gewagt, an vielen dergleichen Umſtaͤnden, wel-
che ſo oft vor ganz unſtreitig ausgegeben worden
ſind, bis zu einem richtigern Erweiſe, noch auf ei-
nige Zeit mit Grunde zu zweifeln.


Mr. Needham, welcher ſeine Verſuche mit
vieler Vorſicht angeſtellet, und ſeine mikroſkopiſchen
Entdeckungen mit großer Beſcheidenheit mitgethei-
let hat, ſcheint den Eifer derer Forſchenden uͤber
vorerzaͤhlte Umſtaͤnde ganz von neuem rege gemacht
zu haben, da er allem Anſehen nach, zu einer meh-
rern Erkenntniß des Blumenſtaubes und der daher
entſtehenden Pflanzenbefruchtung einen ſo guten
Beytrag gethan hat, faſt zu gleicher Zeit, da ich
mit eben dergleichen Arbeiten beſchaͤftiget geweſen
bin. Dahero glaube ich nichts uͤberfluͤßiges zu
thun, wenn ich deſſen Entdeckungen und Muthma-
ßungen in gegenwaͤrtiger Abhandlung mit den mei-
nigen vergleiche, und mich uͤber diejenigen Punkte
erklaͤre, in denen ich mich vor der Hand noch
von
[9] von ihm in etwas abzugehen genoͤthiget geſehen
habe.


Wenn man nun alſo das, was der beruͤhmte
Leuwenhoek ſchon ehemals von ſeinen ſogenannten
Saamenthierchen bey verſchiedenen maͤnnlichen
Thieren wahrgenommen, und, was Mr. Needham
von den Milchgefaͤßen des Calmars entdeckt hat,
hier annimmt, und als gewiß vorausſetzt, und bey-
derley Entdeckungen mit den Umſtaͤnden von dem
befruchtenden Blumenſtaube, in ſo weit uns ſolche
bekannt worden ſind, behutſam vergleichet; ſo
wird man an der Aehnlichkeit der Generation, die
ſich zwiſchen den Koͤrpern des Thier- und Kraͤuter-
reichs findet, wenige Urſache zu zweifeln haben,
wie oben bereits gedacht worden iſt. Denn, man
beliebe nur das, was uns Mr. Needham von den
Milchgefaͤßen des Calmars geſaget, wohl zu er-
waͤgen, und gegen die Umſtaͤnde zu halten, welche
ſich bey denen mit Waſſer angefeuchteten Blumen-
ſtaube oder Staubkuͤgelchen ereignen, als:

  • 1) Die bey beyderley Saamenkoͤrperchen an-
    gemerkte innerliche und aͤußerliche Bewe-
    gung.
  • 2) Das Auseinanderwickeln und Zerreißen
    dieſer Koͤrperchen.
  • 3) Die drauf folgende Veraͤnderung ihrer Ge-
    ſtalt und Lage;


ſo wird man von ſelbſt auf eine gewiſſe Ueberein-
ſtimmung eines innerlichen verborgenen Baues
A 5oder
[10] oder Mechaniſmi verfallen, der ſich wahrſcheinli-
cherweiſe bey beyden befinden muß; folglich wird
man kaum zweifeln, daß der Blumenſtaub mit den
Milchgefaͤßen des Calmars, ingleichen den Leuwen-
hoͤckiſchen Saamenthierchen einen ſehr aͤhnlichen
Nutzen und Gebrauch haben koͤnnen.


Daß indeſſen nur gedachte Bewegung, nebſt
dem Auseinanderwickeln, Zerreißen und der Ver-
aͤnderung der Geſtalt und Lage bey den Saamen-
thierchen nach Leuwenhoͤks Vermuthung von der
großen Subtilitaͤt derſelben entſtehen ſollte, dage-
gen ſtreitet deſſen eigener Verſuch, nach welchem
er dieſelben 5 Monate hindurch auf einer Glaßtafel
conſervirt haben will, wie ihm Mr. Needham ganz
recht zur Laſt leget. Auch bey den Staubkuͤgel-
chen koͤnnte dieſer Umſtand nicht dargethan, noch we-
niger aber als ein Grund von ihrer Bewegung an-
gegeben werden, weil ſie nehmlich, wenn ſie nicht
mit Waſſer befeuchtet werden, uͤberaus dauerhaft
ſind; wovon man den Umſtand beſonders zu mer-
ken hat, welchen Hr. Prof. Ludwig zu Leipzig in
Diſſert. de Sexu Plantarum, von der bey den Moh-
ren gewoͤhnlichen Art die Palmen zu befruchten,
anfuͤhrt, und in meiner Abhandlung de foecundatione
artificiali in Palma dactylifera foemina, folio fla-
belliformi ſuſeepta
ein mehreres finden wird. So-
bald aber die Kuͤgelchen ins Waſſer kommen,
und in Bewegung gerathen, ſo ſcheinet es, als ob
ſich die Menge von hoͤchſt ſubtilen athomis ſper-
mati-
[11]maticis auf einmahl auf das ſchnellſte aus ihrer
ſchleimig membranoͤſen Matrize und mit Gewalt ab-
reißen und auswickeln wollte, welches in einer
feuchten Luft nicht geſchiehet, und alſo ihre Dauer-
haftigkeit mehr beſtaͤtiget.


Was aber die oft erwaͤhnte Aehnlichkeit der
Generation bey dem Thier- und Pflanzenreiche be-
trift, welche ſich ſo verſchiedentlich offenbaret, ſo
iſt es gut, wenn man weder dieſelben weiter an-
nimmt, noch extendirt, als ſie wuͤrklich erwieſen iſt,
und alſo mit den Obſervationen behutſam verfaͤhrt, ſo
wie man denn den weſentlichen Unterſchied beyder
Naturreiche beſtaͤndig vor Augen haben muß, um
ſich eben dadurch in ſeiner Unterſuchung und Beur-
theilung dieſer Aehnlichkeit richtige und der Natur
gemaͤße Grenzen zu ſetzen; außerdem wird uns die
Einbildung leicht auf falſche und unnatuͤrliche Vor-
ſtellungen von einer ſolchen Aehnlichkeit leiten, wel-
che im eigentlichen Verſtande niemahls exiſtirt, und
wir muͤſſen endlich auf das Laͤcherliche verfallen,
zuletzt aber gar außer den Zirkel der Naturlehre ge-
rathen, nicht zu gedenken v. gr. gaudia florum,
Sponſalia plantarum legitima, aperta
und clande-
ſtina, aeſtruvenerem plantarum, adveterium ne-
ceſſarium mariti, coniuges, meretrices vegetabiles
cet.
dergleichen etlichen an ſich ſonſt großen
und verdienten Maͤnnern, als zu weit getriebene
Fiktionen noch dann und wann vorgeworfen werden
wollen; welche Umſtaͤnde ſich indeſſen auf ziemlich
leb-
[12] lebhafte Vergleichungen und Gleichheiten gruͤnden,
wenn man davon etwas freundlicher und beſcheide-
ner urtheilen will.


Unterdeſſen da die Erzeugung der Pflanzen
und ihre Befruchtung durch den Blumenſtaub in
der Naturlehre einen wichtigen Punkt ausmacht,
ſo muß ſie ſich nothwendig auf wichtige Obſervatio-
nen gruͤnden, und durch dergleichen beſtimmt wer-
den, indem bloße Conjecturen oder auch an-
dere nur ſcheinbar mit einander uͤbereinſtimmende
Fictionen, die mit Gewalt herbeygezogen werden,
hier nicht gelten koͤnnen; es mag im uͤbrigen mit den
Entdeckungen in einer ſo wichtigen Sache ſo ſparſam
hergehen, als es immer will. Vor allen Dingen
muͤſſen wir, um des rechten Zwecks nicht zu verfeh-
len, uns anlegen ſeyn laſſen, diejenigen Theile in
den Blumen, mit denen in ihnen enthaltenen we-
ſentlichen Subſtanzen, und ihren Functionen, wel-
che zur Foͤcundation bey denen Pflanzen das ihrige
beytragen, genauer kennen lernen; denn dieſe ſind
uns noch nicht ſo, wie man ſich etwa einbilden koͤnnte,
und ſo weit es zu unſerem Endzweck noͤthig iſt, be-
kannt genug.


Was den Blumenſtaub insbeſondere angehet,
hat Mr. Needham meinen Beduͤnken nach nicht
uͤbel geurtheilet, wenn er ſaget, daß man die
Vermuthung wegen einer ſo ſcheinbaren Aehn-
lichkeit, die ſich bey der Generation zwiſchen den
Thieren und Pflanzen findet, bald zu mehrerer Ge-
wiß-
[13] wißheit bringen wuͤrde, wenn man eine groͤſſere Art
deſſelben zur Unterſuchung haben koͤnnte, oder, wie
er ſich eigentlich daruͤber auszudruͤcken beliebet:
„er zweifle nicht, daß ſeine Conjectur nicht
„ſollte zu verſchiedenen Aufſchluͤſſen dienen,
„mit welchen man dieſelbe ins kuͤnftige wuͤrde
„vermehren koͤnnen, wenn man dahin gelan-
„gen ſollte, auf etliche Pflanzen einen ſolchen
„Staub (pollen antherarum) zu entdecken,
„welcher in Abſicht auf denjenigen, den man
„gemeiniglich auf den Pflanzen bemerket, eben
„ſo groß waͤren, als die Milchgefaͤße des Cal-
mars, in Abſicht auf die Saamenthierchen
„ſind. Alsdenn (faͤhrt er fort) wuͤrde man
„im Stande ſeyn, weit richtigere Obſervatio-
„nen uͤber die Beſchaffenheit des Blumenſtau-
„bes zu machen, und mit ſeinen eigenen Au-
„gen ſo etwas zu ſehen, worauf man jetzo kei-
„ne andere als nur noch muthmaßliche Schluͤſſe
„ziehen kann, NB.wegen der Kleinigkeit
der Kuͤgelchen, woraus dieſer Staub be-
ſtehet.


Wenn man bey der Unterſuchung und Er-
kenntniß des Blumenſtaubes blos allein beruhen
kann und will, ſo wird hier wenig zu erinnern ſeyn,
nicht aber, wenn es von der ganzen Foͤcundation
und Generation gelten ſoll, als, wozu das piſtil-
lum
mit ſeinen Theilen gehoͤrt, und dennoch werden
ſich dabey ſolche Schwierigkeiten ereignen, die ſich
durch
[14] durch mikroſkopiſche Entdeckungen wohl nicht alle-
zeit heben laſſen duͤrften; wie die Arbeiten einem
jeden, der ſie ohne Vorurtheile unternimmt, leicht
zeigen werden. In Anſehung des Blumenſtaubes
muß die Erfahrung allerdings vor die Needhamiſche
Meynung ſprechen, indem die bekannten Arten
deſſelben, ſie moͤgen fein oder auch etwas groͤber ſeyn,
nicht deutlich und hinreichend genug ſind, daß ſich
durch ſie etwas genau beſtimmen ließe, wenn ſie auch
gleich eine blaue, dunkelrothe, braune oder ſchwarze
Farbe haben; denn, hier muß die Groͤße allerdings
nothwendig ſeyn.


Es ſind mir zwar mit einigen Arten des fei-
nen Blumenſtaubes, als von Chelidonio und Aqui-
legia officinali
auch andern noch feinern, die Ver-
ſuche ſo wohl gelungen, daß ich die Bewegung und
Veraͤnderung der Kuͤgelchen im Waſſer habe ſehen
koͤnnen, indem ich etliche Tropfen mit einigen Vor-
theil darauf gebracht habe, ohne, daß mein Auge
waͤre verhindert worden, diejenigen wenigen Au-
genblicke genau zu bemerken, in welchen die bewun-
derungswuͤrdige Bewegung und Veraͤnderung an
denen ins Waſſer gebrachten Staubkuͤgelchen ſich
zu ereignen und ſogleich wieder zu endigen pfleget.
Aber, ſo etwas deutlich zu beſtimmen, als hier ei-
gentlich verlangt wird, dazu habe ich noch keine un-
ter allen von mir zeithero unterſuchten Arten des
Blumenſtaubes hinreichend gefunden.


Es
[15]

Es hat mich unterdeſſen eben wegen Erman-
gelung einer ſolchen groͤßern Art des Blumenſtau-
bes ſowohl die Cultur der Pflanzen, als meine Auf-
merkſamkeit bey dem jaͤhrlichen Einſammlen derſel-
ben auf die Gedanken gebracht: ob man nicht etwa
durch Kunſt gewiſſe Arten von Pflanzen dahin brin-
gen koͤnnte, daß ſie groͤßere Blumen truͤgen, und
in dieſen groͤßere antheras und piſtilla bekaͤmen?
Unter denen Gartenpflanzen finden ſich ſchon ver-
ſchiedene, welche von Natur nicht allein große
Blumen bringen, ſondern auch in ſolche Abaͤnde-
rungen (varietates) ausarten, welche noch weit
mehr vergroͤßerte Blumen haben; dergleichen fin-
den ſich unter denen Tulipanen, Lilien, Kayſerkro-
nen, Kuͤrbiſſen, Glocken, Malven und andern,
welche aus den Saamen beſonders erzogen werden;
auch ſogar, unter denen Fruchttragenden Baͤumen,
beſonders dem Steinobſte. Bey etlichen faͤllt dieſe
Vergroͤßerung auf die ganze Blume uͤberhaupt, bey
andern auf die Blumenblaͤtter oder auch dem Kelch,
manchmahl alleine auf die antheras und den Blu-
menſtaub, oder nur auf das piſtillum insbeſondere,
ohne, daß man dabey Mißgewaͤchſe wahrnehmen
koͤnnte.


Ich muß bekennen, daß mir ſolche Varietaͤ-
ten von vergroͤßerten Blumen bey mikroſkopiſchen
Verſuchen die beſten Dienſte geleiſtet haben, beſon-
ders deswegen, weil ich bey ihnen das Ova-
rium
nicht allein viel beſſer beobachten koͤnnen, als
bey
[16] bey andern, ſondern auch, weil es mir verſchiedene-
mahle gegluͤckt, den Eingang in das Ovarium und
ſelbſt die unten im Stylo zunaͤchſt am Ovario im
Eindringen begriffene befruchtende Saamenſubſtanz
aus den Staubkuͤgelchen genauer zu betrachten.
Dieſe letztere Obſervation verdienet ihrer Wichtig-
keit halber bey vielerley Blumenarten mit Vorſicht
ſehr oft wiederholet zu werden; denn, wenn ſie
von andern geſchickten Maͤnnern verificirt werden
ſollte, ſo haͤtte man dadurch in der That in einer
ſehr wichtigen Sache einen großen Schritt gethan!


Unter den wilden Pflanzen finden ſich oͤfters
auch beſondere Abaͤnderungen, welche geringe, nie-
drige Stauden, kleine magere Stiele und Blaͤtter,
aber dabey 3 bis 4mahl ſo große Blumen als bey
ihren natuͤrlichen Gattungen gewoͤhnlich ſind, her-
vorbringen; dergleichen finden ſich insbeſondere un-
ter denen Gewaͤchſen, welche in Gebirgen und zwar
in einer Gegend mehr, als in der andern, leben.
Selbſt die Betrachtung uͤber unſere Getreidearten
beſtaͤrken mich in meinen Gedanken, die ich von der
durch die Kunſt zu bewirkenden Blumenvergroͤſſe-
rung gehabt hatte, da ſich durch die Cultur ihre
Buͤſchel, Aehren, Blumen und Saamen vergroͤſ-
ſern, welche bey verabſaͤumter Cultur wieder ge-
ringer und kleiner werden, daß daher die Fa-
bel entſtanden iſt, der Weitzen und Rocken veraͤndre
ſich in Treſpe.


Da
[17]

Da ich alſo in dieſer Sache einige nicht unge-
gruͤndete Beobachtungen vor mir habe, nach welcher
die Pflanzen durch Cultur in allerley Erdboden,
und durch verſchiedene zufaͤllige Umſtaͤnde dahin
gebracht werden koͤnnen, daß ſie bald ihre ganzen
Blumen und Fruͤchte, bald nur deren einzelne Theile,
gegen die ſonſt natuͤrliche Proportion, ſehr anſehnlich
vergroͤßern; da es auch ferner ſeine Richtigkeit hat,
daß einige Blumen 1) Wegen der poroͤſen Textur
ihrer Pflanzen, 2) eines in ihnen uͤberfluͤßigen kraͤf-
tigen Nahrungszweiges halber, 3) in einem ſehr
fetten und wohltemperirten Boden, 4) insbeſon-
dere, unter denen, welche ſich in den beſten Fruͤh-
lingsmonaten oͤfnen, vielmehr als andre zu einer
Vergroͤßerung oder Extenſion geneigt ſind; da man
endlich aus der Erfahrung noch dieſes beyfuͤgen
kann, daß Baͤume welche ſonſt wegen Menge der
Blumen und Fruͤchte dermaßen geſchwaͤchet wor-
den ſind, daß ſie kleinere Fruͤchte getragen, ſobald
ihnen zu rechter Zeit entweder das uͤberfluͤßige Tra-
geholz genommen, oder die mehreſten Bluͤthknospen
ausgebrochen werden, groͤßere Fruͤchte und neue
Zweige bringen: ſo fraͤgt es ſich, ob man ihnen
nicht durch Handgriffe in etwas zu Huͤlfe kommen
koͤnnte, damit ſie ſich beſonders im Ovario antheris
und dem Blumenſtaube vergroͤßerten?


Da nun die Erfahrung gezeiget, daß dieſes
unterweilen von ſelbſt geſchehe, ſo wuͤrde man durch
Verſuche nach und nach vielleicht auf diejenigen
BSpu-
[18] Spuren geleitet werden, die die Gelegenheit und
wahren Urſachen einer ſolchen ſpecialen Abaͤnde-
rung der Blume endlich entdecken muͤſten. Dieſe
Bemuͤhung wuͤrde in ihrer Art ſich reichlicher ver-
gelten, als viele andere, und durch die Entdeckung
die groͤßeſten Naturforſcher uͤberaus verbinden, we-
gen der gluͤcklichen Folgen, von denen uns Mr.
Needham im vorhergehenden gleichſam einen Vor-
ſchmack gegeben hat.


Aus dem, was ich in dieſer Abhandlung von
dem Blumenſtaube bereits angezeiget habe, wird
man ſich eines Theils von denen Urſachen leicht
uͤberzeugen koͤnnen, welche eigentlich die Naturfor-
ſcher antreiben, ſich einen ſo merkwuͤrdigen Blu-
mentheil ſo genau als moͤglich bekannt zu machen;
anderntheils wird man auf die Nothwendigkeit die-
ſer Erkenntniß daraus ſchließen. Sobald man
nun von oftgedachten Blumenſtaube durch richtige
Verſuche eine naͤhere Kenntniß erlanget, ſo wird
man bald einſehen, daß die Meynung, welche der
beruͤhmte Tournefort zu ſeiner Zeit, ehe nehmlich
noch der Nutzen der Blumentheile beſſer bekannt
war, und nach ihm einige Anhaͤnger davon gehabt,
dermaßen ſchlecht gegruͤndet ſey, daß ſie, wie ich
aus der Betrachtung uͤber etliche Blumenarten
bald zeigen werde, keiner muͤhſamen Widerlegung
von noͤthen habe.


Denn, woher laͤßet ſich nach Mr. Tourne-
forts
Vorgeben behaupten, daß die Stamina oder
Blu-
[19] Blumenſtaubgefaͤße nichts anders bey den Blu-
men ſind, als eine Art von (excernirenden) ausfuͤh-
renden Gefaͤßen? Woher weiß man ferner, daß die
in ihnen befindlichen Staubkuͤgelchen nichts anders
waͤren oder ſeyn koͤnnten, als ein Excrement oder
Auswurf desjenigen Saftes, welcher ſonſt zur
Nahrung der zarten Frucht beſtimmt iſt? Gewiß
dieſe Meynung ſtehet auf ſchwachen Gruͤnden,
nach welchen aber, wenn ſie dennoch guͤltig ſeyn
ſollten, eben niemand beſonders verdacht werden
koͤnnte, wenn er das Ovarium auch vor ein vas
excretorium florale
hielte, und die darinnen befind-
liche Saamen gleichfalls vor beſondere Blumenex-
cremente ausgaͤbe.


Eine etwas aͤhnliche Beſchaffenheit hat es
beynahe mit einer ganz neuerlich bekannt geworde-
nen Meynung, da man ſich nicht geſcheuet, von
denen Blumen und Blumentheilen vorzugeben,
als waͤren ſie keine ſolche Partieen, welche natuͤrli-
cherweiſe von den Pflanzen hervorgebracht werden
muͤſten, ſondern vielmehr ſolche, die aus einer feh-
lerhaften Eigenſchaft der Pflanzen entſtuͤnden.
Man muß ſich billig wundern, daß bey ſo aufge-
klaͤrten Zeiten, da nehmlich der Bau der Blumen
zuſammt ihren Nutzen, den ſie bey der Befruch-
tung, bey der Nahrung und der Erhaltung des
Saamens haben, bekannter worden iſt, wider ſol-
che Wahrheiten gehandelt wird, welche mehr na-
tuͤrlich uͤbereinſtimmendes enthalten, als daß ſie
B 2mit
[20] mit bloßen Fictionen die doch ſelten uͤber etliche
Monate lang unter den Gelehrten gelten koͤnnen, ſo-
gleich uͤber den Haufen geworfen werden koͤnnten.


Allein, was nennet man bey denen Pflanzen
natuͤrlich? und was iſt unnatuͤrlich oder fehlerhaft?
und woher ſtehet es zu beweiſen, daß Blumen und
Fruͤchte unnatuͤrliche Pflanzenproducte ſind? Wo-
her weiß man, daß die Pflanzen ohne dergleichen
jaͤhrlich zu bringen, natuͤrlicherweiſe bis ins unend-
liche beſtaͤndig haͤtten fortwachſen koͤnnen und ſol-
len? Woher kommt es, daß die Pflanzen bey
Hervorbringung ihrer Blumen und Fruͤchte jaͤhr-
lich einerley Ordnung halten, und in dieſer einerley
Structur beſtaͤndig beybehalten? Kann man ſo et-
was allgemeines etwas beſtaͤndiges und gewiſſes
wohl von einer fehlerhaften Eigenſchaft erwarten?
Was faget man zu dem Colchico, oder auch zu
denjenigen Baͤumen, deren Blumen ihre Zweige
nicht terminiren? Wie reimet man dieſe Meynung
mit demjenigen ewigen natuͤrlichen Geſetze und
Vermoͤgen vernuͤnftig zuſammen, daß allen Pflan-
zen gegeben worden iſt, und, nach welchen jede Art
ihre beſondern Fruͤchte und fruchtbare Saamen tra-
gen ſoll, und, wie wird es hier um die Folgen und
Schluͤſſe ſtehen, welche aus dieſer vorgegebenen
fehlerhaften Eigenſchaft der Pflanzen auf andere
noch wichtigere Wahrheiten gezogen werden koͤnn-
ten und muͤſten. Gewiß, wenn man bey ſtreiten-
den Theilen bey oͤffentlichen Diſputationen um be-
ſondere
[21] ſondere Erdichtungen verlegen waͤre, ſo koͤnnte der-
gleichen Fiction einem wohl in der Geſchwindigkeit
und aus Noth, um einen Praͤſes und ſeinen Reſpon-
denten konfus zu machen, helfen; aber, außerdem wird
ſich eigentlich kein Naturforſcher damit das geringſte
zu thun machen, da ſie ſich durch beſtaͤndige Wider-
ſpruͤche von ſelbſt widerleget. So ungegruͤndet aber
dieſes Vorgeben nur immer ſeyn kann, eben ſo muß
die vorerzaͤhlte Meynung des Tourneforts einen
Kenner des wahren Blumenbaues allezeit vorkom-
men. Da ich nun den ſo genannten befruchtenden
Blumenſtaub zu einem Hauptvorwurfe meiner ge-
genwaͤrtigen Betrachtung erwaͤhlet habe, deſſen Mey-
nung aber dennoch heute zu Tage gewiſſermaßen
ihre Vertheidiger findet, ſo wird es nicht uͤberfluͤßig
ſeyn, zu zeigen, daß ſie weder in der Vernunft noch
Erfahrung gegruͤndet ſey.


Der Blumenſtaub beſtehet, wie ich ſchon
vorher geſaget habe, aus einer erſtaunenden Menge
der allerkleinſten organiſirten uͤberaus dauerhaften
Gefaͤße oder Behaͤltniſſe, welche gemeiniglich die
Geſtalt eines Korns, Eyes, oder einer Kugel haben,
und mit einer ganz beſonders lebhaften, wuͤrkſa-
men, ſchleimigen, membranoͤſen und mehr oder
weniger durchſichtigen Maſſe angefuͤllet ſind. In
dieſer Maſſe lieget eine große Menge von den
allerſubtilſten athomis oder corpuſculis ſperma-
ticis,
welche darinnen gleichſam eingewickelt
zu ſeyn ſcheinen. Wenn wir nun hierzu dasje-
B 3nige
[22] nige fuͤgen, was unſere Sinnen durch die Vergroͤ-
ßerungsglaͤſer von einer beſondern Bewegung die-
ſes Blumenſtaubes im Waſſer entdecken, nebſt
dem, was theils mit dieſer Bewegung zugleich ver-
bunden iſt, theils unmittelbar darauf erfolget; und
wenn wir alſo gehoͤrig mit dieſen angefuͤhrten Um-
ſtaͤnden diejenigen Begriffe vergleichen, welche man
ſich von allen und jeden nur erdenklichen trocknen
oder fluͤßigen Arten von Excrementen immer ma-
chen kann, die nehmlich zu verſchiedener Zeit aus
den Saͤften der Pflanzen ſeparirt werden; ſo wird
man darinnen dasjenige gewiß nicht finden, was
Mr. Tournefort ſich etwa von dem Blumenſtaube
vorgeſtellet haben mag.


Es iſt wahr, daß ſich auf gewiſſen Arten von
Blaͤttern und Blumen, in einem gewiſſen Alter,
oder bey beſonderer Jahrszeit und Witterung ein
zaͤher durchſichtiger oder verhaͤrteter kuglicher Staub
findet, welcher ganze Partien uͤberziehet, und bald
Schleim, Harz, oder auch Zucker iſt; allein der-
gleichen Staub iſt von dem wahren Blumenſtaube
in allen und jeden voͤllig unterſchieden, daß man
kaum glauben ſollte, daß ſich jemand darauf im
Ernſte beziehen koͤnnte. Indeſſen ſaget doch der
große Stahl in Fundamentis Chymiae dogmaticae
et experimentalis de ſemine Lycopodii. pag. 116.
§. 44. interim nihil aliud eſt, quam tenerrima
corticalis ſcobs, qua foliorum rudimenta prima
alias ſtipari ſolent
. Wer aber hat wohl jemahls
beſon-
[23] beſonders conſtruirte oder wirklich organiſirte Excre-
mente geſehen, die aus irgend einem Safte waͤren
abgeſchieden worden?


Wollte man dem ohngeachtet die ſtamina pro
organis florum excretoriis
und den pulverem an-
therarum pro excremento ſucci nutrititii teneri
fructus
ausgeben, ſo, wie ſolches von denen necta-
riis florum propriis
mit mehrerm Grunde geſche-
hen kann, ſo wuͤrde man ſeine Meynung wenig-
ſtens durch ſolche Exempel von Blumen wahr-
ſcheinlich zu machen ſuchen muͤſſen, bey welchen
e. g. die ſtamina mit dem piſtillo auf einem thala-
mo
oder receptaculo floris proprio und alſo in ei-
ner Blume ganz nahe beyſammen, oder doch nicht
eben allzuweit auseinander ſtehen. Dergleichen
Exempel koͤnnten aber doch nur denen vielleicht beym
erſten Anblick vor die Meinung des Mr. Tourne-
fort
wahrſcheinliche Zeugniſſe enthalten, die ſich we-
der um ſtructuram partium floris noch deren End-
zweck und Nutzen ſonderlich bekuͤmmern.


Allein, wie wuͤrde man ſeinen Erweiß bey
ſolchen Pflanzen gruͤndlich genug fuͤhren, deren
ſtamina und piſtilla nicht, wie bey denen vorherge-
henden geſagt worden, in einem thalamo floris
proprio
mit einander verbunden ſind, ſondern viel-
mehr, in verſchiedenen durch beſondere Schuppen,
Federn, Wolle, oder blaͤtterige Scheidewaͤnde ganz
von einander abgeſonderten Blumen in einem tha-
lamo
und calyce communi neben einander ſtehen,
B 4der-
[24] dergleichen man bey den meiſten Compoſitis und ih-
ren verwandten Blumenarten ſehen kann?


Geſetzt, man gedaͤchte ſich hier durch einige
Fictionen von dem Erweiſe in etwas loszumachen,
ſo bleiben dennoch zweyerley Hauptarten von Pflan-
zen uͤbrig, welche die Sexualiſten in ihrem Syſte-
mate Monoicas
und Dioicas, andere aber Relativas
nennen, in welchen die ſtaubtragenden Blumen ganz
und gar von denen getrennet ſind, welche die piſtilla
haben.


Mit den Blumen der erſtern Art von Pflan-
zen verhaͤlt es ſich alſo, daß einige davon, welche
nehmlich die antheras mit dem Blumenſtaube tra-
gen, ohne, daß darauf weiter eine Frucht erfolgen
ſollte, von den uͤbrigen abgeſondert, und auf an-
dern Zweigen hervorkommen, die andern Blumen
hingegen, welche zwar auf eben der Pflanze, aber
nicht nahe bey den erſtern wachſen, ſind bloß mit
Piſtillen verſehen, und bringen ihre Fruͤchte, ohne
daß die antherae mit ihnen in einem Kelche bey-
ſammen waͤren. Hierher gehoͤren unter andern,
die Eiche, Elſe, Birke, Roth- und Weißbuche,
Haſelſtaude, Tanne, Fichte, der Wunderbaum,
nebſt denen Kuͤrbiſſen, Gurken, Melonen, etlichen
Grasarten, und dergleichen. Wie kann nun bey
dieſen Pflanzengeſchlechtern das Staubmehl der
Blumen vor ein Excrement aus dem zur Nahrung
der zarten Frucht beſtimmten Nahrungsſafte ge-
halten werden, da die Frucht und das Mehl auf
vor-
[25] vorbeſagte Art gar nicht in einer Blume beyſam-
men ſind?


Die letztere Blumenordnung begreift lauter
ſolche Pflanzen unter ſich, davon die ſtaubtragen-
den oder maͤnnlichen Blumen der einen natuͤrlichen
Gattung allezeit in einer beſondern Pflanze allein
wachſen, und diejenigen, welche die Fruͤchte brin-
gen, und daher weibliche Blumen genennet wer-
den, in einer andern von der vorigen ganz und gar
abgeſonderten Pflanze hervorkommen. Derglei-
chen hierher gehoͤrige Geſchlechter ſind unter andern
folgende die bekannteſten: nehmlich, das Bingel-
kraut, der Spinat, Hopfen, Hanf, der Wachol-
der- und Ibenbaum, Melonenbaum, Weiden und
Pappeln und etliche Arten des Palmbaumes.
Dieſe Pflanzen werden hoffentlich genugſam im
Stande ſeyn, den Ungrund von dem, was Mr.
Tournefort von dem Blumenſtaube vorgegeben,
grundlich zu widerlegen; indem bey allen derglei-
chen Pflanzen die Frucht und derjenige Saft, aus
welchem der Staub excernirt worden ſeyn ſoll, nie-
mahls beyſammen geweſen ſind.


So ſchlechte und irrige Gedanken einige dem-
nach in vorigen und neuern Zeiten von dem Blu-
menſtaube und deſſen Nutzen gehabt, und noch ha-
ben moͤgen, ſo ſind die Naturkundiger aus ſorgfaͤl-
tigen Verſuchen dennoch eines andern belehrt wor-
den, bis auf ſehr wenige, die entweder Sachen zu
ſehen verlangten, dergleichen ſelbſt noch nicht ein-
B 5mahl
[26] mahl bey der Befruchtung der Thiere offenbar wor-
den oder jemahls werden koͤnnen, oder aber, denen
es, die Wahrheit zu ſagen, an Gedult und Auf-
merkſamkeit gefehlt hat. Denn dieſer Blumen-
ſtaub, der den Namen des befruchtenden mit allem
Rechte erhalten, findet ſich wie die Erfahrung zei-
get, in natuͤrlichen Umſtaͤnden, bey welchen er zu
geſetzter Zeit allemahl da ſeyn kann und muß, bey
allen und jeden bluͤhenden Pflanzen in beſonders
fuͤr ihm beſtimmten und gebauten Gefaͤßen; in die-
ſen wird er ſorgfaͤltig gebildet, verwahret, zu ſeiner
Vollkommenheit gebracht, und ſo lange aufbehal-
ten, bis er im Stande iſt, durch ſeine gewoͤhnliche
erſtaunende Vivacitaͤt die Befruchtung des Ovarii
zu bewirken. Alte und neuere Erfahrungen ſetzen
das, was ich hier ſage, außer Zweifel, und bekraͤf-
tigen auf hunderterley Weiſe, ſo viel, daß er nie-
mahls fehle, gefehlet habe, und fehlen koͤnne, wenn
fruchtbare Saamen zugegen ſind; im Gegentheil
aber, wo er fehle oder unwirkſam ſey, oder durch
einen Umſtand von Seiten des Piſtilli an ſeiner
Wirkung verhindert werde, daß entweder lauter
unfruchtbare Saamen erfolgen, oder aber, wie es
bey verſchiedenen Pflanzenarten oͤfters geſchiehet,
nicht einmahl Fruͤchte, als welches zweyerley iſt.


Daß ſich indeſſen verſchiedene von den neu
angehenden Naturforſchern einbilden, das Gegen-
theil von dem, was hier geſaget worden iſt, durch
Gegenerfahrungen darzuthun, geſchiehet aus ſol-
chen
[27] chen Urſachen, die ich in vorhergehenden ſchon be-
ruͤhrt habe. Es werden allerdings Erfahrungen
angeſtellet, aber ſehr ſelten ganz ohne Vorurtheile,
daß alſo dasjenige gar nicht geſucht und gefunden
werden kann, was wider eine eigene vorgefaßte
Meynung ſtreitet, ſondern faſt allezeit das, was
man eben zu ſehen und zu erfahren zum voraus ge-
wuͤnſchet hat. Ich weiß wohl, daß etliche vorge-
ben, als haͤtten ſie in ihren Gaͤrten von den weibli-
chen Pflanzen des Spinats, Hanfs und Bingel-
krautes einen fruchtbaren Saamen gezogen, ohne,
daß ſich zu der Zeit ihre maͤnnlichen Pflanzen dabey be-
funden. Ferner ſagen ſie, es gaͤbe in einigen morgen-
laͤndiſchen und abendlaͤndiſchen Gegenden gewiſſe
Palmen, welche Datteln truͤgen, ohne, daß ſie,
wie ſonſt in der Barbarey und andern Laͤndern ge-
woͤhnlich iſt, mit dem Blumenſtaube auf eine kuͤnſt-
liche Art zuvor befruchtet oder beſtreuet wuͤrden.
Und hieraus, was ſie als gewiß annehmen, und
durch eigene Verſuche angemerkt zu haben denken,
glauben ſie (ohne fernere Unterſuchung, Auslegung
und Anwendung der wahren Umſtaͤnde) es ſey die
Lehre von der Befruchtung des Blumenſtaubes ge-
nugſam widerleget, und koͤnne fuͤr weiter nichts
als ein Spielwerk paſſiren, womit ſich die Gelehr-
ten beluſtigen. Was ſoll man aber davon ſagen,
daß etliche von denen, welche den Nutzen des Blu-
menſtaubes durch Erfahrungen in oͤffentlichen Schrif-
ten widerleget zu haben glauben, die maͤnnlichen,
weib-
[28] weiblichen und Zwitterpflanzen offenbar miteinander
verwechſelt, folglich weder recht gekannt, noch mit
Aufmerkſamkeit unterſuchet, als durch welches
Verſehen nothwendig der Lehre von der Befruch-
tung der Blumen, wider die Abſichten der Gegner,
mehr Vortheil als Schaden zugewachſen iſt.


Ich kann alſo gar leicht zugeben, daß es wahr
ſey, daß die weiblichen Pflanzen des Spinats,
Hopfens, und des Bingelkrautes in einem Garten
Saamen tragen, ja fruchtbare Saamen getragen
haben, und immer tragen koͤnnen, ohne daß maͤnn-
liche Pflanzen in dieſem Garten zugegen ſind, oder,
wie es weit wahrſcheinlicher iſt, gefunden worden
ſind; allein, da ich mich uͤber Umſtaͤnde und Urſa-
chen erklaͤren will, ſo wird man ſehen, daß das oft-
genannte Syſtema der Saamenbefruchtung im
Pflanzenreiche, demohngeachtet beſtehe und beſte-
hen koͤnne. Denn, nicht zu gedenken, daß ſich ohn-
geachtet aller Sorgfaͤltigkeit dennoch Pflanzen in ei-
nen Garten, oder deſſen Nachbarſchaft und Ge-
gend, ſo verſtecken koͤnnen, daß ſie nicht leicht ge-
funden werden, und daß ſich der Zufaͤlle halber nie-
mand im Ernſte anheiſchig machen kann, vor das
Daſeyn oder Wegſeyn von etlichen Pflanzen auf 1 bis
2 Stunden weit zu ſtehen, ſo dienet außerdem fol-
gendes, als eine gewiſſe Nachricht: nehmlich, daß
man bey den maͤnnlichen Pflanzen ſehr ofte einzeln
oder auch haͤufiger gleichſam mit eingeſtreute weib-
liche Blumen, und in den weiblichen Pflanzen ver-
ſteckte
[29] ſteckte maͤnnliche finde, welches, wie es ſcheint, zu-
mahl bey den weiblichen, gewiß aus einer ganz ſon-
derbaren natuͤrlichen Vorſorge alſo geordnet ſeyn
muß. Eben dieſes findet ſich auch bey allen ſol-
chen Pflanzen, bey denen ſonſt die maͤnnliche und
weiblichen Blumen auf ganz von einander abgeſon-
derten Zweigen und Spitzen hervorkommen, ſo,
daß bald die weiblichen Blumenzweige und Spitzen
zugleich mit etlichen maͤnnlichen, bald die maͤnnli-
chen mit weiblichen verſehen ſind. Daß aber etli-
che wenige maͤnnliche Blumen eine ganze Men-
ge weiblicher zu befruchten hinreichend ſind, ſolches
bezeuget die Beſchaffenheit des in den Staubkuͤgel-
chen enthaltenen Saamenweſens uͤberaus deutlich.


Geſetzt auch, daß eine von allen maͤnnlichen
Blumen voͤllig reine weibliche Pflanze des Spinats,
Haufs, und Bingelkrautes in einen Garten vollkom-
men fruchtbare Saamen braͤchte, ohne daß die
ſonſt dazu gehoͤrige maͤnnliche Pflanze daſelbſt ge-
funden wuͤrde; geſetzt, daß ferner die Lage des
Ortes Luft und Wind abhielte, daß alſo der be-
fruchtende Staub der weiblichen Pflanze nirgend-
her koͤnnte zugefuͤhret werden, ſo kann dieſes den-
noch ganz unvermerkt durch die Bienen und an-
dere Inſekten geſchehen, wovon uns zum Theil noch
nicht einmahl bekannt worden, daß ſie mit dem
Blumenſtaube alſo umgehen, und die ihrer Nah-
rung ſehr weit nachzufliegen gewohnt ſind. Man
kann dieſes des Morgens ſehr fruͤh gewahr werden,
wenn
[30] wenn die Biene aus den ſtarkbethauten Blumen,
beſonders an den Kuͤrbiſſen, denen Schoten- und
Huͤlſentragenden Pflanzen, ingleichen an denen
monopetalis anomalis labiatis und rictiformibus
als Meliſſe, Origan., Lamium, Betonica, Antir-
rhinum cet.
ihren Honig und Blumenſtaub abwech-
ſelnd ſammeln, da ſie denn eine Menge dieſes
Staubes an ihren zottigen Gliedern mit ſich fuͤhren,
und im Aus- und Einkriechen damit an das piſtil-
lum
anſtreichen; wie ich hieruͤber bereits vor 10
Jahren etliche Monate hindurch beſondere Anmer-
kungen gemacht, und bereits in meiner kleinen Ab-
handlung von dem weiblichen Zwergapfelbaume Er-
innerung gethan habe.


Und endlich iſt ja noch ein ſehr merkwuͤrdiger
Umſtand bekannt und richtig, welcher ſeiner Wich-
tigkeit halber eben die Aufmerkſamkeit erfordert, als
alle vorhergehende, wovon des verſtorbenen Hrn.
Prof. Gmelins und Hrn. Linnaͤi akademiſche
kleine Schriften nachgeſehen werden koͤnnen, nehm-
lich 1) daß diejenigen Pflanzen wegen natuͤrlicher
uͤbereinſtimmender Gleichheit der Structur in den
Blumen ſo nahe verwandt ſind, daß ſie unter einem
Geſchlechte nothwendig ſtehen muͤſſen, wie nicht
weniger ſolche Pflanzen, welche in einer natuͤrlichen
Klaſſe unter die naͤchſt verwandten Geſchlechter ge-
hoͤren, daß dieſe ſage ich, einander zufaͤlligerweiſe
befruchten, ohne, daß eben die neuen von derglei-
chen Befruchtung entſtandenen Pflanzen allezeit
eine
[31] eine gar zu merkliche Veraͤnderung aͤußerlich zeig-
ten, außer in einigen, oder andern, da gemeiniglich
plantae hybridae entſtehen, und ſich gar ſehr von
plantis naturalibus unterſcheiden. Hier ſind alle
die Wege der Befruchtung, welches ohne Wunder-
werk geſchiehet und geſchehen kann, wenn auch eine
planta mere foeminea, ohne eine maſculam in der
Naͤhe zu haben, fruchtbaren und vollkommenen
Saamen bringet, daß alſo Theoria foecundationis
naturalis florum
durch dergleichen unvollkommene
Erfahrungen noch gar nicht widerleget.


Was die vorher angezeigten Palmen betrift,
ſo koͤnnen die weiblichen Pflanzen allerdings Fruͤchte
bringen, ohne von dem Staube befruchtet zu ſeyn,
aber doch nur ſolche, die 1) ihre vollkommene Groͤße
nicht haben, 2) keinen guten Geſchmack haben, 3) kei-
ne fruchtbare Kerne enthalten, wie man hiervon die
Erlaͤuterung in des Pair Labat ſeinen Schriften mit
mehrern finden kann; etliche Palmen aber werfen
die unvollkommenen Fruͤchte allezeit ab. Es giebt
aber auch von der Palme, Chamaerops oder Cha-
maeriphes
genannt, eine Art mit Zwitterblumen,
welche ſich gegenwaͤrtig im botaniſchen Garten der
K. Akad. der Wiſſenſchaften befindet, und ſchon 1732
zu Leipzig im Boſiſchen Garten unter meiner Auf-
ſicht vollkommen reife Fruͤchte brachte.


Demnach koͤnnen alle vorher angezeigten Be-
fruchtungen der weiblichen Pflanzen unter angefuͤhr-
ten Bedingungen und Umſtaͤnden ſtatt haben, ohne
daß
[32] daß man allezeit eine beſondre ſtaubtragende Pflanze
bey ihnen in der Naͤhe gewahr wird; daß alſo dar-
aus verhoffentlich noch nicht erwieſen werden kann,
wie andre ſich und uns uͤberreden wollen, der Blu-
menſtaub ſey zur Befruchtung der Pflanzen des-
wegen unnoͤthig, weil dieſe ohne demſelben na-
tuͤrlicherweiſe von ſelbſt geſchehe und geſchehen
koͤnne.


Demnach werde ich ſo lange den Blumenſtaub
vor einen der allerunentbehrlichſten Blumentheile
halten, in welchen eine ganz beſondere Secretion
von der alleredelſten vegetabiliſchen Subſtanz ge-
ſchiehet, bis mir durch ungezweifelte und unter mei-
ner oder anderer glaubhaften Maͤnner Aufſicht ge-
machten Verſuchen, dasjenige, was man dagegen
ſaget, klaͤrlich wird erwieſen ſeyn. Daß er aber,
wie andere Theile zu denen Blumen wirklich ge-
hoͤre und kein Excrement der Blumen ſey, kann
unter andern auch daher erhellen, weil er in den
noch ganz unzeitigen Blumen, innerhalb den
Keimen, Knospen, Augen, Zwiebeln, Knollen
und Wurzeln vom Anfange mit der uͤbrigen Blu-
me zugleich ordentlich gebildet wird, da der Begrif
von einem Blumenexcremente noch nicht ſtatt findet.
Denn was nicht im kleinen ſchon wirklich da, oder
gebildet iſt, kann mit den andern Theilen nicht her-
vorwachſen und ſich vergroͤßern; da aber die Staub-
kuͤgelchen gleich denen andern Blumentheilen wach-
ſen, ſo muͤſſen ſie als beſondere Organe oder Be-
haͤlt-
[33] haͤltniſſe zu einer außerordentlichen Maſſe, die erſt
vor das kuͤnftige in ihnen abgeſondert werden ſoll,
ſchon bey der erſten und zarten Blumenbildung zu-
gleich mit gebildet worden ſeyn, daß alſo außer de-
nen Ausdehnungen denſelben nichts fehlet.


Von dem was ich hier ſage, und wahrſcheinlich
vermuthet hatte, davon haben mich die mit den
Vergroͤßerungsglaͤſern bey allerley Blumen gemach-
ten Verſuche ſattſam uͤberzeuget, unter denen ich
die von Knoll- und Zwiebelgewaͤchſen als die vor-
zuͤglichſten gefunden habe. Zu meinen Verſuchen
habe ich mir von nur erwaͤhnten Arten vor andern
ſolche gewaͤhlet, die gemeiniglich


  • 1) große Blumen tragen,
  • 2) nur eine, oder doch nur wenige Blumen
    auf einem Stengel beyſammen haben,
  • 3) in einer Blume weniger, aber groͤßere
    Blumenſtaubkapſeln als andre haben,

als von Narciſſen Tulipanen, Amaryllen, Kay-
ſerkronen, weißen und rothen Lilien, und den Kuͤr-
biſſen, auch ſogar dem Safran und dem Colchico.
Von deren innern Beſchaffenheit glaube ich ganz
ſicher auf alle andere zarte noch tiefverborgene
fruchtbare Blumen ſchließen zu koͤnnen, welche ſich
noch innerhalb den Keimen, Augen, Knospen,
Knollen, Zwiebeln und Wurzeln in ihrer erſtern
Bildung und Auswickelung befinden.


Um mich aber von meiner Vermuthung gewiß
zu uͤberzeugen, ſo nahm ich zur Herbſtzeit verſchie-
Cdene
[34] dene tragbare Knollen und Zwiebeln, da man ſie
eben in die Erde legen wollte, um das kuͤnftige
Jahr die Blume zu erwarten. Dieſe ſchnitt ich
entweder bis faſt zur Mitte auf verſchiedene Art,
doch ſehr behutſam auf, oder die ſchuppichten
Zwiebeln blaͤtterte ich voͤllig ab, bis die darinnen
befindliche und feſt ineinander gepreßte junge Pflanze
mit dem ganzen Blumenbuͤſchel entbloͤſet war.
Dieſe Arbeiten continuirte ich bis zum November,
und von da wieder bis zum Ausgange des Ja-
nuars. So oft ich eine Blume an nur beſagten
Pflanzen oͤfnete, ſie mochte auch ſo klein ſeyn, als
ſie immer wollte, ſo fielen mir die antherae (Blu-
menſtaubgefaͤße) wegen ihrer Groͤße allezeit vor an-
dern ins Geſichte, welche weit uͤber die Haͤlfte an-
ſehnlicher war, als die Groͤße des Piſtills, ſo daß
von ihnen die Blume beynahe ganz allein ausgefuͤl-
let zu ſeyn ſchien. Beym Croco verno und an-
dern, deren Blumen in haͤutigen gemeinſchaftli-
chen Scheiden verſteckt ſind, haben dieſe antherae
eine Laͤnge, die noch einmahl ſo viel betraͤgt, als die
ganze Blume, und das Piſtill iſt um ein Drittel
kuͤrzer, da doch die antherae hernach bey dem bluͤ-
henden Croco faſt um die Haͤlfte kuͤrzer ſind, als
die Einſchnitte der Blume ſelbſt. Wie es hier faſt
ſcheinen will, ſo iſt die Bildung derer antherarum
ein Hauptwerk bey einigen Blumenarten, und die
anſehnliche Groͤße derſelben, gegen andere Theile,
in ſolchen zarten Blumen, ein ſolcher Punkt, der
uns
[35] uns auf weit gruͤndlichere Muthmaßung fuͤhrt, als
man ſonſt insgemein von ihnen zu haben pfleget.


Was die Faſern betrift, auf denen die anthe-
rae
ſonſt bey den meiſten Blumen befeſtigt ſind, und
die in der geoͤfneten Blume gegen die antheras
wohl eine 2, 3, 6 bis 10 und mehrfache Laͤnge haben,
ſo fehlen dieſe Faſern oͤfters dem Anſcheine nach, oder
ſie ſind doch, ſo lange die Blumen auf vorbeſagte
Art noch verſchloſſen liegen, uͤberaus kurz.


Da ich alſo, wie gedacht, die antheras bey
denen in ihrer Bildung und Auswickelung ſich be-
findenden und verborgenen Blumen von ſo anſehn-
licher Groͤße zu ſeyn bemerkte, ſo machte mich die-
ſer Umſtand um deſto neugieriger, zu unterſuchen,
was es dermahlen mit dem unvollkommenen Blu-
menſtaube vor eine Beſchaffenheit haben moͤgte.
Zu dieſem Ende nahm ich eben in der Mitte des
Jenners eine ziemliche Partie Tulipanenzwiebeln
aus der Erde, und aus dieſen auf einmahl alle ihre
neugebildeten jungen Pflanzen heraus, von denen
ich die mehreſten ſogleich unterſuchte, die uͤbrigen
aber ins Waſſer legte, um ſie vor dem Eintrocknen
zu verwahren.


Anfangs oͤfnete ich etliche antheras an den
Spitzen, und druͤckte die ganzen contenta derſelben
durch die gemachte Oefnung behutſam heraus, wel-
che einen Klumpen eines dicken weißen und milch-
artigen Saftes ſehr deutlich vorſtellten. Bey an-
dern antheris oͤfnete ich die Seiten ganz gelinde mit
C 2einer
[36] einer Nadel, und nahm mit deren Spitze nur ge-
dachte Maſſe heraus; da ich denn gewahr wurde,
daß der an der Nadel haͤngende Tropfen oder Klum-
pen bey weiten ſo dicke nicht war, als der erſte.
Dieſen nun dem erſten Anſehen nach weißen und
dicken milchartigen Saft brachte ich unter verſchie-
dene gute Vergroͤßerungsglaͤſer, da ich denn daran
ſo viel unterſcheiden konnte, daß der Saft aus ei-
nem Klumpen ganz kleiner und durchſichtiger Koͤr-
perchen beſtand, deren große Menge in einem zaͤ-
hen und etwas haͤutig und fettig ſcheinenden We-
ſen ſehr feſte in einander lagen, und mit dieſen zu-
gleich einen zarten Laͤich von Waſſerinſekten vorſtell-
ten; doch war ihre uͤbrige Geſtalt auf dieſe Art
nicht leicht zu beſtimmen.


Um alſo dieſe Maſſe weiter unterſcheiden zu
koͤnnen, legte ich ein Glastaͤfelchen mit einer Ver-
tiefung unter das Vergroͤßerungsglas, in welcher
ich ein Paar Tropfen Waſſer brachte und in dieſer
mit einer Nadelſpitze eine kleine Portion von oftge-
dachter Maſſe zu gleicher Zeit vorſichtig hinein-
ſenkte, da ich eben das Auge auf dem Vergroͤße-
rungsglaſe haben konnte. Sobald ich nur mit der
Nadel in den Waſſertropfen eine kleine Bewegung
machte, ſo agirte das Waſſer ſehr geſchwind in
den an der Nadel haͤngenden milchartigen Klum-
pen, und loͤſete ihn gaͤnzlich auseinander, ſo, daß
in Zeit von etwa 2 bis 3 Secunden das ganze Waſ-
ſer mit einer uͤberaus großen Menge der allerfein-
Kuͤgel-
[37] Kuͤgelchen erfuͤllet war. Dieſe Kuͤgelchen waren
der Geſtalt nach etwas weniges von den vollkom-
menen Staubkugeln einer bluͤhenden Tulipane un-
terſchieden, außerdem aber weiß, und ſo vollkom-
men durchſichtig, daß man in ihnen gar nichts truͤ-
bes, fleckigtes oder farbiges ſonderlich unterſchei-
den konnte, wie man ſonſt bey vollkommen reiſen
und ins Waſſer gebrachten Blumenſtaubkugeln,
wenn ſie zumahl nach ihrer natuͤrlichen Vivacitaͤt
in Bewegung gerathen, deutlich wahrnimmt. Die
alſo leer ſcheinenden Kuͤgelchen ſchwommen zwar
eine kurze Zeit in den Waſſertropfen, ſetzten ſich
aber bald in feſte Klumpen zu Boden.


Zu eben der Zeit oͤfnete ich den Keim, der ſich
in der Cavitaͤt eines Wurzelknollens von der ſoge-
nannten Kaiſerkrone befindet, und bemerkte an
denen, in dieſen feſt verſchloſſenen Blumen folgen-
des: nehmlich, daß die 6 Blumenblaͤtter, die die
uͤbrigen Theile voͤllig bedeckten, beynahe feſte zu-
ſammen verwachſen waren. Die ſtamina beſtun-
den aus uͤberaus kurzen Filamenten und ſehr langen
antheris, welche letztere beynahe die Laͤnge der gan-
zen Blume hatten und noch um den vierten Theil laͤn-
ger waren, als das piſtillum. Die antherae ga-
ben, da ſie mit einer Nehnadelſpitze etwas tief ver-
wundet wurden, einen Saft von ſich, der ſich mit einem
dicken, truͤben, halbdurchſichtigen Waſſer vergleichen
ließ, doch aber viel duͤnner, als der aus der Tuli-
pane, und dabey auch zaͤher war.


C 3Wenn
[38]

Wenn ich den oberen Theil der antherarum
abſchnitt, ſo quoll aus dieſer Oefnung ein halbdurch-
ſichtiger Tropfen heraus, der unter dem Vergroͤſſe-
rungsglaſe im Waſſer eine ungeſtalte Maſſe vor-
ſtellte, in der eine Menge von außerordentlich kleinen
athomis gleichſam feſte eingewickelt war. Dieſes
ſchleimige Weſen ließ ſich wie ein Vogelleim mit
der Nadelſpitze zu Faden ziehen, und das Waſſer
agirte weit langſamer darin, als bey Tulipanen und
andern geſchiehet, ohne daß ich bemerken koͤnnen,
daß die darinnen verwickelte Koͤrperchen ſich haͤtten
deutlicher, als bey andern, unterſcheiden laſſen.


Ob man nun in dergleichen unzeitigen weißen
Staubkuͤgelchen ſchon durch Vergroͤßerungsglaͤſer
noch nichts unterſcheiden kann, das zu der Zeit denen
athomis ſpermaticis futuri ſeminis, oder eigentlich
zu reden, denen zukuͤnftigen Augen oder Keimen der
zum Saamen deſtinirten Theilgen aͤhnlich waͤre, ſo iſt
doch kaum zu glauben daß ſie leer ſeyn ſollten; eben
ſo wie die Saamengefaͤße junger Kinder und Thiere
maͤnnlichen Geſchlechts deswegen nicht ganz ledig
ſeyn koͤnnen, ob man ſchon zu der Zeit noch keine
Saamenthierchen darinnen entdecket.


Das, was ich an den unvollkommenen Staub-
kuͤgelchen bemerket, hat mich veranlaßt, hier eine
wahrſcheinliche Reflexion zu wagen, welche, wie et-
liche im vorhergehenden, auf eine Aehnlichkeit der Ge-
neration zwiſchen den Thieren und Pflanzen abzielet.
In Betrachtung deſſen, daß ſich eben der vorbeſchrie-
bene
[39] bene dicke milchartige Saamenſaft ſchon in denen
antheris zu einer ſolchen Zeit befunden hat, da die
ganz zarte und neue Pflanze noch in ihrer Gemma
oder bulbo cet. ſehr feſt und unausgewickelt verſchloſ-
ſen lag, ſo laͤßt ſich dieſer Umſtand gleichfalls mit
unvollkommenen contentis, die ſich in den Saamen-
gefaͤßen ganz junger Kinder und Thiere befinden, gar
wohl in Vergleichung ſetzen. Denn wie bekannt,
ſo haben die Naturforſcher, welche ſich mit Unter-
ſuchung des maͤnnlichen Saamens bey allerhand
Thieren insbeſondere beſchaͤftiget, in den Saamen
ſolcher Thiere noch keine Saamenthierchen entdecken
koͤnnen, ehe dieſe das zu Fortpflanzung ihres Ge-
ſchlechtes beſtimmte natuͤrliche Alter gehoͤrig errei-
chet; eben ſo wie ich in dem dicken milchartigen Saa-
menſafte bey den Blumen der ganz jungen und un-
zeitigen Pflanzen keine germina oder athomos ſper-
maticos
habe unterſcheiden koͤnnen.


So verhaͤlt es ſich alſo nach meinen wenigen
Verſuchen, mit denen unzeitigen und unvollkomme-
nen Blumenſtaube vor ſeiner Entwickelung.




[40]

Phyſikaliſche Beobachtung
des
Blumengriffels,
als eines
zur Befruchtung des Saamens

gehoͤrigen Haupttheiles.



1.


Die einzige und wahre jaͤhrliche Werkſtaͤtte der
natuͤrlichen Befruchtung
des ganzen weitlaͤuftigen
Pflanzenreiches beſtehet eigentlich in der Blume und
der Frucht: beyde aber zuſammengenommen beſte-
hen ferner aus 7 von einander verſchiedenen Haupt-
theilen, zu denen ſich bey vielen Pflanzenarten zu-
weilen der 8te noch findet. Von dieſen Theilen,
welche auf dem gemeinſchaftlichen Befruchtungs-
ſtuhle
(Thalamo fructificationis) mit einander ver-
bunden ſind, unterſcheiden ſich, in Anſehung ihrer
Verrichtung und des Nutzens, die zur Blume be-
ſonders gehoͤrigen Theile
in zweyerley, nehm-
lich
[41] lich, in die aͤußern und innern. 1. Die erſtern dienen
denen innern Theilen theils zu einer Bedeckung,
theils aber dazu, daß ſie von denen zu ganz beſon-
dern Abſichten beſtimmten allerfeinſten und reinſten
Saͤften die groͤbern abſondern, und den uͤbrigen
kleinern Theilen wechſelsweiſe die noͤthige Nahrung
verſchaffen. Dergleichen ſind 1. der eigentliche
Blumenkelch
, (Perianthium) 2. die zarten Blu-
menblaͤtter
(Petala), die ſich an Farbe, Bau und
Schoͤnheit am meiſten unterſcheiden, und zuſam-
mengenommen die Corollam ausmachen.


Beyderley Theile ſind in vielen Blumen zu-
gleich zugegen, in vielen aber fehlet auch entweder
der eine, oder der andere Theil; insgemein trift
es die Corollam; den Kelch vermiſſet man ſchon ſel-
tener, und zuweilen fehlen beyde ganz. Ihre
Stelle wird alsdann durch einen andern Pflanzen-
theil erſetzet, der außer der Blume iſt. Sie moͤgen
indeſſen zugegen ſeyn oder nicht, ſo gehet in natuͤr-
lichen Umſtaͤnden die Befruchtung des Saamens
dennnoch mit gluͤcklichem Erfolge vor ſich.


2. Die innern Theile der Blumen ſind die-
jenigen, die im allereigentlichſten Verſtande die
Blumen ſelbſt ausmachen
, und alſo die allerwe-
ſentlichſten derſelben ſind, weil ſie zu der Erzeu-
gung, Bildung, Nahrung
und Befruchtung des
kuͤnftigen Saamens
einzig und allein gewidmet
ſind, und dahero in allen Blumen natuͤrlicherweiſe
allezeit zugegen ſeyn, und niemahls fehlen koͤnnen
C 5und
[42] und duͤrfen. Dergleichen ſind die Staubhuͤlſen
mit oder ohne Stiele
. (Antherae cum vel absque
Filamentis
), und der Blumengriffel (Piſtillum);
welcher letztere insgemein aus 3 Theilen, oͤfters
aber nur aus 2 Theilen beſonders beſtehet: als
nehmlich dem unterſten, dem Ovario oder Eyer-
ſtocke
, oder dem Behaͤltniſſe des zu befruchtenden
Saamens
, ferner aus dem mittelſten, nehmlich der
Fruchtroͤhre, (Stylo vel Tuba) und dem oberſten
und aͤußerſten Theile, nehmlich der Narbe
(Stigma), welches ſchon Kircherus in ſeinem Muſeo
in der Blume der Valerianae Caudatae Epiſtitium
genennet hat.


3. Mit dem 8ten Blumentheile, der ſich un-
terweilen bey denen uͤbrigen zur Befruchtung gehoͤ-
rigen Theilen findet, zuweilen aber gar nicht, hat
es folgende Beſchaffenheit: Da der Honig noch zu-
letzt aus der Vermiſchung der uͤbrigen hoͤchſt feinen
Blumenſaͤfte dergeſtalt und ſo vollkommen abgeſon-
dert werden muß, daß die zur kuͤnftigen Befruch-
tung des Saamens beſtimmte Feuchtigkeit, ihre
reine und durchdringende Eigenſchaft und die ihr
eigentlich und beſonders zukommende Geſtalt des
Oehls
zugleich erhalten koͤnne, und vollkommen ge-
ſchickt gemacht werde, daß ſie durch die Staubfa-
den
und Huͤlſen eindringen, und ſich, bis zu dem
hoͤchſten Grad ihrer Reife, in die Staubkuͤgelchen
vertheilen koͤnne: ſo iſt ein beſonderes Werkzeug
vorhanden, in welchem dieſe ſo wichtige Abſonde-
rung
[43] rung und Sammlung des Honigs noch zuvor ge-
ſchiehet. Dieſen hat man den beſondern Namen
des (Nectarii), oder der Honigwebe gegeben.


4. Ob nun die Abſonderung des Honigs in
allen bekannten Blumen ſchon gewiß iſt, ſo ſind
doch die dazu beſtimmten Werkzeuge bey den meh-
reſten Arten dermaßen verdeckt und unkenntlich, daß
man außer etlichen hoͤchſt zarten Ausgaͤngen, die in
den feineſten Oefnungen und Punkten oder Erha-
benheiten beſtehen, nichts ſonderliches, auch wohl
gar nichts entdecken kann. Sind ſie aber zu fin-
den, und von denen uͤbrigen Blumentheilen ganz
unterſchieden, ſo bemerket man an ihnen theils eine
beſondere Geſtalt und Anzahl, nach welcher ſie
mehr oder weniger beſtimmet zu ſeyn ſcheinen, theils
ihren Sitz, welchen ſie bald auf einen, bald auf
zweyen von den andern Theilen der Befruchtung
zugleich haben. Insgemein ſitzen ſie im Grunde
der Blume, auf dem Befruchtungsſtuhle (Thala-
mo Fructificationis
), außerdem aber bald am Blu-
menkelche
, oder an der Corolla, bald auf dem Blu-
mengriffel
ſelbſt.


5. Man kennet dieſen Blumentheil noch viel
zu wenig, als daß man davon etwas recht zuverlaͤßi-
ges ſagen koͤnnte. Es hat indeſſen ein ſehr geſchick-
ter Botaniſt unter den Deutſchen, nehmlich der
Herr Oberlandshauptmann Baron von Muͤnchhau-
ſen
zu Schwoͤber im Hannoͤverſchen, vor ohngefaͤhr
16 Jahren die Theorie des Nectarii in einer be-
ſondern
[44] ſondern an die hieſige Koͤnigliche Akademie der
Wiſſenſchaften
eingeſandten Schrift abgehandelt,
welche ich, damals vorzuleſen und zu uͤbergeben die
Ehre gehabt zu haben, mich mit Vergnuͤgen erin-
nere. Herr Linnaͤus hat in ſeiner 1751 herausge-
gebenen Philoſophia Botanica pag. 73 — 74. §. 110.
desgleichen gethan. Wie denn auch D. Hill in ſei-
nem Entwurf eines Lehrgebaͤudes von Erzeu-
gung der Pflanzen
pag. 22. ſeqq. Tab. II. wegen
des Nectarii Amarillidis nachgeſehen zu werden ver-
dient, ob gleich deſſen uͤbrige Beobachtungen der
Wahrheit widerſprechen.


6. Doch ohne hier von den Befruchtungs-
theilen der Pflanzen
weitlaͤnftiger zu ſeyn, habe
ich mir in gegenwaͤrtiger Abhandlung bloß den Blu-
mengriffel
zu meinem Vorwurfe ausgeſetzt, uͤber
welchen ich einige ſelbſt gemachte Erfahrungen und
Beobachtungen in der Fortſetzung dieſer Abhand-
lung mitzutheilen willens bin. Dieſer ſo merk-
wuͤrdige Theil der Befruchtung befindet ſich bey
allen vollkommenen und fruchtbaren Blumen jeder-
zeit in ihren Mittelpunkten, niemahls aber etwa
anderswo, und außer demſelben, worinnen doch
die uͤbrigen Theile der Blume oͤfters abzuwechſeln
pflegen. Ob er auch gleich, wie bey verſchiedenen
Geſchlechtern der Pflanzen, ſowohl in der Geſtalt
Lage
und Anzahl, als in der innern und aͤußern
Abtheilung, Laͤnge
und Staͤrke ſeiner 3 Stuͤcken,
aus denen er insgemein beſtehet, faſt alle Arten der
Ver-
[45] aͤnderung und Abweichung zeiget, ſo veraͤndert ſich
dennoch ſein Hauptſitz auf dem Mittelpunkte des
Befruchtungsſtuhles
, und deſſen feſte Verbindung
mit demſelben niemahls. Wie denn die Beſtaͤndigkeit
dieſes Zuſtandes dermaßen gewiß iſt, daß noch nie
ein einziges Exempel im Pflanzenreiche vorhanden
geweſen, wodurch das Gegentheil haͤtte erwieſen
werden koͤnnen.


7. Was iſt wohl bekannter, als daß unter
andern der Sitz der Staubhuͤlſen (Antherarum)
am meiſten abwechsle, und daß man ſie auf allen
andern Blumentheilen antreffe? Die uͤbrigen Blu-
mentheile ſind von dieſer Veraͤnderung auch nicht
ausgenommen; nur der einzige Blumengriffel lei-
det dergleichen Abwechslungen ganz und gar nicht.


Es iſt aber ſehr wohl zu merken, daß gedachter
Blumengriffel nicht nur aͤußerlich blos auf dem
Mittelpunkte des Befruchtungsſtuhles ſitze, und
ſich in dieſem endige, ſondern es geſchiehet vielmehr
eine richtige Verbindung beyder Theile dadurch,
daß ſich dieſer Thalamus Fructificationis durch ſeine
beſondere lockere, ſchwammige und celluloͤſe Fort-
ſaͤtze durch das Ovarium ſogar bis in den Stylum
oder die Befruchtungsroͤhre erſtrecke, als wovon
der innere Bau der Fruchtbehaͤltniſſe mit mehrern
zeiget.


8. Meiner Meynung nach iſt der Grund der
Beſtaͤndigkeit von nur gedachter Verbindung dieſer
beyden Theile eben nicht ſchwer zu errathen, wenn
man
[46] man nur bedenket, daß faſt alle Theile der Blume
oder doch die meiſten, nachdem ſie das ihrige uͤber-
haupt oder insbeſondere mit der erforderlichen
Kraft in der eigentlichen Werkſtatt der natuͤrli-
chen Befruchtung
beygetragen haben, in gar kur-
zer Zeit nacheinander abfallen, vergehen, oder doch
wenigſtens in ſo etwas veraͤndert werden, das ſei-
nem vorhergehenden Zuſtande groͤßtentheils unaͤhn-
lich iſt. Mit dem Blumengriffel hingegen iſt es
etwas anders beſchaffen. Denn deſſen unterſter
befruchteter Theil, nehmlich Ovarium foecundatum
bleibet, wenn auch deſſen 2 obere Theile nicht mehr
genaͤhret werden, allezeit nach dem Verbluͤhen der
Blumen, bis zur vollkommnern Reife der Frucht
und Abſonderung des Saamens, an ſeiner Pflanze
feſte ſitzen; und erhaͤlt ihre beſtaͤndige Nahrung blos
aus dem Thalamo.


9. Aus mehr gedachter Verbindung des Blu-
mengriffels
laͤßt ſich leicht einſehen, daß er den
groͤßten Theil ſeiner Saͤfte aus der celluloͤſen Ex-
panſion des Thalami
, welches von einem lockern
Gewebe von Gefaͤßen durchdrungen iſt, lediglich
erhalten muͤſſe; als von welcher bekannt und aus-
gemacht iſt, daß ſich ihre Fortſaͤtze in die allerklein-
ſten Zwiſchenraͤumchen der Blumen durch alle ihre
Theile erſtrecken, in denen ſie ſo lange wahrgenom-
men werden, als die Bildung, Nahrung, Be-
wegung
und Abſonderung der Saͤfte und folglich
die Perſpiration mit gehoͤriger Lebhaftigkeit vor
ſich
[47] gehet. Die uͤbrigen Blumentheile, welche einen
veraͤnderlichen Sitz haben, koͤnnen ihre Saͤfte
nicht geradesweges, auch nicht beſtaͤndig aus dem
Thalamo fructificationis erhalten, ſondern wenn dieſe
zuvor weiter gemiſchet, gereiniget, abgeſondert und
verduͤnnet worden ſind, erſt durch diejenigen Theile
mit welchen ſie verbunden ſind. Hiervon zeiget die
Lage und Verbindung ſolcher Theile, die anato-
miſche Unterſuchung
, die Maceration, und eine
mit Aufmerkſamkeit wiederholte Beobachtung durch
Vergroͤßerungsglaͤſer.


10. Die Betrachtung uͤber jezt erzaͤhlte Um-
ſtaͤnde, iſt von großer Wichtigkeit, weil alle die
Blumentheile ihren beſondern Bau und Lage ha-
ben, und deren Gefaͤße wiederum mit einer beſon-
dern Direction verſehen ſind, welche unter einander
bald eine groͤßere bald eine geringere Aehnlichkeit
oder Verſchiedenheit zeigen, vermoͤge welcher ſie
nach Maßgabe der Halleriſchen Verſuche nicht alle
und jede Saͤfte, die in den uͤbrigen Theilen der Pflan-
zen befindlich ſind, geradesweges annehmen und
durchſetzen, ſondern vielmehr andere und ganz von
einander verſchiedene, durch Vermiſchen, Verdi-
cken, Verduͤnnen, Abſondern und andere dergleichen
Wirkungen in denen Blumen erzeugen, unter de-
nen ſich auch einige von denen uͤbrigen weit edlere
befinden, welche nehmlich im hoͤchſten Grade ſubtil
ſind, und eine ausnehmende Kraft haben, in die
allerkleinſten neugebildeten und unbegreiflich zar-

ten
[48]ten organiſchen Theilchen des innerhalb dem
Eyerſtock liegenden Saamenſtoffes
einzudringen,
dieſe in ihren allerzarteſten Zuſtande, bey und waͤh-
rend ihrer fernern Bildung, auf das allerfeinſte zu
naͤhren, und dann ſo lange fortzufahren, bis ſich
dergleichen Theilchen in eine groͤßere Flaͤche ausbrei-
ten, dichter werden, und aus andern Gefaͤßen groͤ-
bere Saͤfte anzunehmen im Stande ſind. Hierin-
nen ſetze ich nach meinen Begriffen das Wahre und
Weſentliche der Befruchtung des Saamens und
der Erzeugung der Pflanzen, ſo lange, bis ich mit
Gewißheit eines andern uͤberfuͤhrt ſeyn werde. Wer
weiß, wie es eigentlich bey denen Thieren damit zu-
gehet, von deren Erzeugung ich mit dem Herrn v.
Reaumuͤr und andern feſtiglich glaube, daß das-
jenige, was man ſich von ihnen in dieſem Punkte
am allergewiſſeſten zu wiſſen ſchmeichelt, noch
lange vor ſo ausgemacht und unwiderſprechlich
nicht gehalten werden koͤnne, als man davon insge-
mein denket.


11. Was nun den Blumengriffel weiter be-
trift, ſo iſt dieſer ſeit einiger Zeit weit aufmerkſa-
mer betrachtet worden, als vor dieſen. Hierzu
hat nicht etwa blos deſſen beſondere Geſtalt und La-
ge bey denen Blumenliebhabern Gelegenheit gege-
ben, ſondern vornehmlich deſſen unterſter Theil,
welchen die gelehrten Naturforſcher ſchon vor unſe-
rer Zeit fuͤr den Vterus und deſſen innere Abthei-
lungen fuͤr das Ovarium der Blumen erkannt hat-
ten,
[49] ten, aus welchem Grunde denn der darinnen be-
findliche unzeitige Saamenſtoff von ihnen ſchon
veſiculae colliquamenti ſ. inchoamenta ſeminum genen-
net worden war. Hingegen hat man von der wah-
ren Erzeugung und Befruchtung dieſes in ſeinen
Behaͤltniſſen verborgenen Saamens ſelbſt noch faſt
lauter dunkle und verwirrte Begriffe behalten. Da-
her es auch nicht zu bewundern iſt, wenn dieſe ſo
wichtige Wahrheit weder ganz in Zweifel gezogen
worden, noch den erwuͤnſchten Beyfall erhal-
ten hat.


12. Der obere und mittlere Theil des Grif-
fels
(Stigma et Stylus) ſchienen ſonſt von jeher nicht
eben bey allen eine gleiche oder auch die erforderliche
Aufmerkſamkeit nach ſich zu ziehen, indem dieſe
Theile, als bloße Fortſaͤtze desVteriundOvarii flo-
ralis
betrachtet, vielleicht nur die Perſpiration deſ-
ſelben befoͤrdern, vielleicht aber den Blumen uͤber-
haupt zur Zierde dienen ſollten; ſolche Gedanken
hatten ſehr viele davon. Die aus der Befruch-
tung entſtehende Nothwendigkeit ihres Daſeyns hin-
gegen, war noch wenig oder gar nicht bekannt. Die
neuen Naturforſcher haben endlich auch dieſen
Hauptpunkt durch ihre mit den Vergroͤßerungsglaͤ-
ſern angeſtellte Beobachtungen nach und nach beſſer
entdeckt, und gar viele Zweifel entſchieden.


13. Dieſe bemerkten zum Theil, daß kurz
vor oder nach dem natuͤrlichen Aufbrechen der
Blumen
der obere auch wohl der mittlere Theil des
DGrif-
[50] Griffels zur Haͤlfte mit dem Blumenſtaube faſt alle-
zeit mehr oder weniger bedeckt war, gewiſſe Arten
ausgenommen. Sie wurden ferner gewahr, daß
daſelbſt die Staubkuͤgelchen eine Zeitlang aufgehal-
ten wurden, und daß der Ort des Griffels, auf
welchem der Staub ſaß, mit einer klebrigten Feuch-
tigkeit
uͤberzogen war. Eben dieſer Staub veraͤn-
derte ſich nach einiger Zeit, kurz darauf fiel er auf
den Grund der Blumen, die Staubfaͤden vergien-
gen mit ihrem Zubehoͤr, oder fielen auch mit andern
Theilen gar ab und die obern Theile des Griffels ver-
aͤnderten ſich gleichfalls auf verſchiedene Weiſe:
nur der untere Theil deſſelben wurde ſtaͤrker und
von Zeit zu Zeit anſehnlicher, und ſchien, indem
der Reſt der uͤbrigen Blume immer unſcheinbarer
wurde, alle Nahrung allein an ſich zu ziehen. End-
lich kam die Frucht zu ihrer Vollkommenheit und
Reife, deren befruchtete Saamen junge Pflanzen
hervoxbrachte.


14. Das Gegentheil von allen dem, was ge-
ſagt worden iſt, fiel ihnen bald in die Sinne, ſo-
bald ſich kein Staub auf dem Griffel bey vorer-
waͤhnten Umſtaͤnden befand, und durch Zufaͤlle oder
Kunſt davon abgehalten worden war, wie denn
ein gleiches wahrgenommen wurde, ſo oft die
Narbe und Roͤhre des Griffels
etwas unnatuͤrli-
ches an ſich hatte, oder die Staubfaden beſonders
vor ihrer Eroͤfnung verdorben oder verſtuͤmmelt ge-
weſen waren. Und wie konnte wohl in einem ſol-
chen
[51] chen Zuſtande eine Befruchtung erfolgen? Aus
dieſen Umſtaͤnden kamen die Naturforſcher endlich
auf alle moͤgliche Verſuche, die Befruchtung des
Saamens in den Griffel durch Kunſt nach Gefal-
len zu veraͤndern, zu hindern und zu befoͤrdern,
und dadurch erhielten ſie eine weit mehrere Gewiß-
heit in dieſer hoͤchſt wichtigen Sache, als man zu-
vor nie gehabt hatte.


15. Dieſe Verſuche waren wegen Gewißheit
der Hauptſache zwar entſcheidend genug, allein,
wegen des wahren Ortes an dem Griffel durch wel-
chen die Befruchtung geſchaͤhe, und was die be-
fruchtende Materie ſey, daruͤber blieben die Mey-
nungen getheilt, und etliche hielten das letztere gar
vor ein unergruͤndliches Geheimniß der Natur.
Viele blieben bey der bloßen Verwunderung ſtehen,
andere ſchrieben und beteten ihren Lehrmeiſtern nach,
und erlaͤuterten dasjenige mit Figuren, was weder
ihre Meiſter noch ſie jemahls geſehen hatten, und
andere nach ihnen, außer den Figuren, niemahls
werden zu ſehen bekommen haben. Was den Ort
der Befruchtung betrift, ſo nahmen die meiſten die
Narbe des Griffels
, andere aber die Fruchtroͤhre
davor an.


Die nachfolgenden Naturforſcher, welche die
Verſchiedenheiten und Abweichungen des innern
und aͤußern Baues nach ihrer wahren Beſchaffen-
heit beſſer kannten, und dahero bey ganzen natuͤrli-
chen Klaſſen und Ordnungen der Pflanzen, etwas
D 2beſſer
[52] beſſer zu vergleichen und aufmerkſamer zu beobach-
ten gewohnt waren, ſahen gar wohl ein, daß, ob
gleich die Narbe des Griffels bey ſehr vielen Blu-
men insgemein der Ort der Befruchtung ſey, ſeyn
koͤnne und muͤſſe, man dennoch dieſer Befruchtung
eben keine ſo allgemeine und enge Grenzen zu ſetzen
Urſach habe, ſowohl jedes vorangefuͤhrten Umſtandes
halber uͤberhaupt, als auch da die Griffel innerlich und
aͤußerlich ſo viele natuͤrliche Wege zeigten, durch wel-
che eine befruchtende Materie nach dem Innern des
Ovarii zu dem unreifen Saamenſtoffe ganz leicht und
ſicher gelangen koͤnnte. Dieſes, wie ſie aus richti-
gen Vegriffen und Erfahrungen und nach einer im
Pflanzenreiche gewoͤhnlichen Aehnlichkeit darthun
konnten, ſagten ſie, waͤre der Natur zu Erreichung
ihrer Hauptendzwecke immer einerley, ob die Be-
fruchtung durch lange, enge und ſubtile uns unbe-
greifliche Wege geſchaͤhe, oder durch ganz kurze
Kanaͤle
, oder ein cellenfoͤrmiges Gewebe und
andere dergleichen; ſie moͤgten nun ganz oben und au-
ßen an der Narbe anfangen, oder ſich in der Roͤhre des
Griffels, oder in dem markigen Weſen und dem Saa-
men ſelbſt oͤfnen. Ja wie ſie davor hielten, ſo koͤnn-
ten dieſe Werkzeuge unmittelbar auf der aͤußern
Flaͤche des Ovarii, oder innen in einer Duplicatur
und ſo weiter ſitzen, indem nur alle moͤgliche Ab-
weichungen in der Hauptſache ſelbſt weder etwas
zu hindern noch zu befoͤrdern im Stande ſind. Und
in der That ſo koͤnnen ſich die mit Warzen beſetzten
und
[53] und mit einer Feuchtigkeit uͤberzogenen Fortſaͤtze
der Narbe von außen nach den innern Theilen ſehr
weit erſtrecken.


17. Es giebt ferner noch gewiſſe Faͤlle, wo
man ſehr große Ovaria antrift, deren uͤberaus klei-
ne, ſchmale, ſpitzige, und faſt unmerkliche Raͤnder
aͤußerlich mit Warzen beſetzt ſind, und wo man
keine beſondere Befruchtungsroͤhre weiter gewahr
wird, die ſich der Laͤnge nach in das Ovarium ſelbſt
oͤfnen ſollte, wie es doch ſonſt bey vielen andern
Blumen wahrgenommen wird. Allein dieſer Bau
widerſpricht den andern im geringſten nicht, die
Roͤhre mag gegenwaͤrtig ſeyn, und das Ovarium
mit der Narbe verbinden oder nicht, die Narbe iſt
der obere Ausgang der Roͤhre, und die Roͤhre eine
Fortſetzung von der erſten, welche ſich in das Ova-
rium
endiget, oder in daſſelbe gar hinein gehet,
oder aber bald durch einen offenen Kanal, bald ei-
nen Spalt, oder porum mit demſelben dergeſtalt
verbunden iſt, daß entweder vermittelſt einer wirk-
lichen Hoͤhle oder contextus celluloſi allezeit eine
wirkliche Communikation bemerket wird.


18. Man wird ſich aber in der That aus dieſer
und vielen andern Schwierigkeiten ſehr wohl helfen,
wenn man gewiſſe Umſtaͤnde unterſcheidet, wenn
man ferner denjenigen Theil des Blumengriffels,
welchen die Botaniſten nach ihren angenommenen
Grundſaͤtzen bey dieſer oder jener Blumenart vor
das Stigma oder die Narbe des Griffels halten,
D 3alle-
[54] zeit noch genauer unterſuchet, und unter andern wohl
bemerket, wo deſſen mit Warzen beſetzte aͤußere
Flaͤche anfaͤngt, und ſich nach inn- oder auswaͤrts
in gewiſſe Vertiefungen, Winkel, Spalten und
und Kanaͤle endiget. Ferner auch wenn man ins-
beſondere unterſuchet, ob dieſer Theil mit ſeinen
Warzen in die Befruchtungshoͤhle continuire, und
ob dieſer Theil der Laͤnge nach zur Zeit der wirkli-
chen Befruchtung dergeſtalt offen ſey, daß er durch
eine Art der Oefnung mit dem Ovario communiciren
kann. Dieſe und andere Unterſuchungen muß man
nicht allein wegen der Abweichungen des Baues im
Blumengriffel fleißig fortſetzen, die ſich bey ganz
natuͤrlichen Klaſſen und Pflanzenordnungen in voͤllig
natuͤrlichen Umſtaͤnden dennoch finden, ſondern
auch wegen der ſehr haͤufigen ganz unnatuͤrlichen
Zufaͤlle, welche einen Naturforſcher ſehr oͤfters be-
truͤgen, und bald ofne Kanaͤle, bald verſchloßene
Eingaͤnge zeigen, wo doch ſonſt keine von beyden da
ſeyn koͤnnen und ſollen.


19. Es moͤgen indeſſen die Theile des Blu-
mengriffels
alle moͤgliche Abweichungen zeigen,
und eine Geſtalt, Groͤße, Lage, Abtheilung,
Staͤrke
und Anzahl haben, welche ſie immer wol-
len, daß ſie ſogar dadurch dermaßen unkenntlich
werden, daß ſie ſich von keinen Botaniſten richtig
beſtimmen laſſen, ſo kann ſich ein Naturforſcher
dennoch allezeit helfen. Denn wenn er unter an-
dern findet, kurz zuvor, oder in dem Augenblicke,
oder
[55] oder auch ſogleich hernach, wenn die meiſten Arten
von Blumen aufbrechen, daß die Griffel derſelben
bald an den einen bald an dem andern Theile mit
einer oͤhligen Feuchtigkeit uͤberzogen ſind, (es ſey
wo es wolle
), ſo hat er zweyerley Hauptumſtaͤnde
zugleich richtig gefunden, nehmlich das Stigma oder
die Narbe, als das rechte wahre Werkzeug der
natuͤrlichen Befruchtung: dieſes Werkzeug aber
hat er zugleich in ſolchen Zuſtande angetroffen, in
welchen es ſeyn ſoll, wenn der Griffel diejenige
Vollkommenheit erreichet, nach welcher er ſich nun-
mehro geoͤfnet hat, und alſo zur Befruchtung des
Saamenſtoffs tuͤchtig geworden iſt.


20. Dieſe Befruchtung geſchiehet manchmal
ſogleich, unter waͤhrender Betrachtung und in wenig
Augenblicken, bey gewiſſen Arten von Blumen,
oder ſie hat, wie insgemein vor dem Aufbrechen
ſchon angefangen, und wird nur fortgeſetzt oder
noch etliche mahl wiederholet. Hiervon erhaͤlt man
die Gewißheit, wenn man auf dem mit einer
Feuchtigkeit uͤberzogenen Theile des Griffels die
Kuͤgelchen des Blumenſtaubes
zugleich antrift.
Iſt aber bey vorbeſagten Zuſtande der Blumen
gedachte Feuchtigkeit noch nicht auf dem Griffel zu
ſpuͤren, ſo iſt auch der Zeitpunkt der Befruchtung
noch nicht gegenwaͤrtig. Auf angezeigte Art laͤßet
ſich die unter den Naturforſchern in vorigen Zeiten
obwaltende Streitigkeit gluͤcklich heben, und der
Theil und Ort der Befruchtung richtig beſtimmen,
D 4wel-
[56] welches in natuͤrlichen Umſtaͤnden niemahlen truͤgen
kann, wenn man ſich auch in andern Nebenſachen
bey einigen beſondern Pflanzengeſchlechtern irren
ſollte.


21. Ueber dasjenige, woruͤber im 15ten 16ten
und 17ten §. die Rede geweſen iſt, fand ſich noch ein
Umſtand, welcher die Meynungen der Naturforſcher
theilte. Dieſe zweifelten nehmlich zwar nicht an
der Wirklichkeit der Befruchtung des Griffels, aber
dieweil ihnen die befruchtende Materie ſelbſt noch
immer verborgen blieb, und der Blumenſtaub aus
Kugeln und Blaſen beſtand, deſſen wahre Beſchaf-
fenheit den meiſten noch unbekannt war, ſo hielten
einige unter ihnen dafuͤr, die ganzen Staubkugeln
draͤngen ein, und befruchteten den Saamen. Die
andern aber hatten weit vernuͤnftigere Gruͤnde fuͤr
ſich, und behaupteten, daß eine ſubtile Materie
aus den Kugein des Saamenſtaubes die Befeuch-
tung bewirkte
. Die erſtern bekuͤmmerten ſich in-
deſſen gar nicht eigentlich um die Wege und deren
proportionirliche Weite, durch welche die ganzen
Kugeln des Staubes eindringen koͤnnten und ſollten,
wie ſie denn auch nicht betrachteten, was die Huͤlſe
mit ihren Contentis, wenn ſie auch ganz in den Saa-
menſtoff dringen koͤnnte, darinnen nuͤtzen wuͤrde.
Und ob ſchon niemand einſahe, wie eine ſolche gro-
be Huͤlſe oder Blaſe dergleichen hoͤchſt feine und
ſonſt impenetrable Kanaͤle (vaſcula omnium minu-
tiſſima ei plus quam capillaria halituoſa
) paſſiren
koͤnnte,
[57] koͤnnte, welche keine andern Koͤrper, als die allerfluͤ-
ßigſten, und zwar unter keiner andern, als einer
wahren dampfartigen Geſtalt einzunehmen, und von
ſich zu laſſen im Stande ſind.


22. Haͤtte man aber die Beobachtungen, die
Mr. Bernh. de Juſſien mit dem Blumenſtaube
ſchon ehedem im Waſſer gemacht hatte, weiter nach-
gedacht, und die Materie etwas genauer beſehen,
die ſich in den Kugeln befindet, welche den Blumen-
ſtaub ausmachen, ſo haͤtte man bey der im §. 21.
erwaͤhnten Meynung nicht bleiben koͤnnen, und man
muͤßte ſchon laͤngſt dahin gekommen ſeyn, wohin
man erſt jetzo gelanget iſt. Wie aber die Neuig-
keiten bey vielen Gelehrten, wenn ſie zumahl bey
ſchoͤn ausgedachten Lehrgebaͤuden des einen oder des
andern ohne weitere Muͤhe genutzet werden koͤnnen,
zur Schande und zum Schaden der Experimentalphy-
ſik oͤfters mit weit groͤßerer Begierde als Einſichten
angenommen werden, wenn ſie auch gleich aus dem
Verfahren und den Arbeiten des Erfinders beym
erſten Anblick erſehen koͤnnten, daß er ſich in ein
fremdes Feld gewagt, in welchen er nicht zu Hauſe
gehoͤrt, ſo ſcheinet ihnen doch die Neuigkeit viel-
mahl auf eine kurze Zeit weit angenehmer, als die
Wahrheit.


23. Da man ſich alſo noch nicht voͤllig zu
zweifeln getrauete, ob die ganzen Blumenſtaubku-
geln
durch den Griffel in die Saamen zu ihrer Be-
fruchtung einzudringen im Stande waͤren, ſo kam
D 5der
[58] fleißige Herr Needham mit ſeinen mikroſkopiſchen
Obſervationen zum Vorſchein, und ſetzte damit ei-
nige Gelehrte von neuen in große Verlegenheit.
Dieſem Naturforſcher kam es vor, als ob er auf
dem Griffel einer Lilienblume, in der Hoͤhle eines
auf der Narbe ſtehenden Waͤrzgens eine ganze ein-
gedrungene Staubkugel geſehen haͤtte, von welcher
er zugleich eine Figur gab. Dadurch wurde die
vorgedachte alte Meynung wieder rege, und man
hielte ſie nunmehro voͤllig fuͤr bewieſen, ob gleich,
nach Hrn. Needhams Obſervation, niemand dieſe
Wahrheit außer deſſen gegebenen Figur weiter fin-
den koͤnnen, wenn er auch mit den beſten engliſchen
Vergroͤßerungsglaͤſern verſehen geweſen iſt.


24. Nach Hrn. Needham hat ſich ein anderer
engliſcher Naturforſcher, nehmlich Hr. D. Hill ge-
funden, welcher zwar nichts in die Oefnungen der
Waͤrzchen eindringen ſehen, demohngeachtet aber,
noch viel weiter bey der Wahrheit vorbey ſpazieret;
und ſogar Zeichnungen von ſolchen Umſtaͤnden des
befruchtenden Blumenſtaubes nach ſeinen bey ſich
gehabten Vorſtellungen gegeben, welche ſo viel be-
weiſen, daß er das, was er geſehen, gar nicht ge-
kannt hat, folglich gar nicht noͤthig gehabt haͤtte,
außer ſeiner falſchen Angabe, noch falſche Saͤtze
zu erdichten, welche beyde ein mittelmaͤßiges refle-
etirendes Vergroͤßerungsglas zu widerlegen im
Stande iſt.


Er
[59]

Er will nehmlich eine junge mit einem feinen
Wachs umwickelte Pflanze in den Staubkugeln
einer gewiſſen Amaryllisblume entdecket haben,
dieſe neue Pflanze ſoll 1) durch eine natuͤrliche
Oefnung bey jeder Kugel des Blumenſtaubes her-
auskommen, 2) durch eben ſo eine Oefnung eines
Waͤrzchens auf der Narbe wie Herr Needhams
Staubkuͤgelchen hineindringen, und in dem Saa-
men zum Keim werden, wovon ſich aber das Unge-
reimte von ſelbſt ohne alle Widerlegung ergiebt.




[60]

Beytrag
zur
natuͤrlichen Geſchichte
der Mooſe.



Die Mooſea) gehoͤren unter ſolche Gewaͤchsar-
ten, um die man ſich nicht eben ſo ſonderlich zu be-
kuͤmmern pfleget; außer der bloßen und allererſten
Beſtimmung, die von ihnen, durch die Pflanzen-
verſtaͤndigen, in der Naturgeſchichte, wie bey allen
uͤbrigen Gewaͤchſen bereits geſchehen iſt, in ſo weit
dieſe zu ihrer Kenntniß gekommen ſind, und welche
vorher richtig geſchehen muß, ehe man zu einer
weitern Unterſuchung derſelben gehen, und ſie ge-
nauer erkennen lernen kann. Vielleicht iſt man um
ſie deſto weniger bekuͤmmert, weil man bey einer ſo
gemeinen Sache, wie ſie wirklich ſind, die man
deshalb faſt taͤglich zu ſehen gewohnt iſt, nicht mehr
etwas
[61] etwas ſonderliches zu entdecken oder denken zu koͤn-
nen glaubet? Man ſiehet demnach die Mooſe kaum
mit einiger Aufmerkſamkeit an, wenigſtens mit kei-
ner ſolchen, die ſie allerdings erfordern, ſo daß es
vielen, noch bey ihrer Nachlaͤßigkeit, faſt eben ſo
ergehet, als andern mit den Arten des Graſes, die
ſie doch oͤfters beſſer zu kennen, alle Urſache haͤtten,
und dennoch mit einem einzigen ſehr ſchnellen Blick
dergeſtalt uͤberſehen, daß ſie von ihnen einen eben
ſo dunkeln als unvollkommenen Begrif erlangen,
als einer, der aus einer betraͤchtlichen Ferne einen
gruͤnen Wald, oder eine ſchoͤne Wieſe betrachtet,
ohne daß er außer der gruͤnen Farbe, etwas ſonder-
liches zu unterſcheiden im Stande iſt.


Wie ſie denn auch insgemein alle zuſammenge-
nommen, mit einem Namen, nehmlich der Mooſe
oder das Moos beleget werden, ohne zu wiſſen,
daß dieſe Familie von Gewaͤchſen bereits uͤber 200
verſchiedene Gattungen enthalten. Wo werden
alſo die ſchoͤnen, und in ihrer Art zum Theil wich-
tige Naturbegebenheiten bleiben, zu denen bald
dieſe, bald jene Gattungen das ihrige vorzuͤglich
beytragen, und zu deren Unterhaltung ſie in der
großen und weitlaͤuftigen Naturhaushaltung den
Grund legen? ohne ſie wuͤrde manches nicht
leicht vor ſich gehen, und ohne deren Erkenntniß
wuͤrden manche Vorfaͤlle weder richtig verſtanden
noch erklaͤrt werden koͤnnen.


Dieſe
[62]

Dieſe alſo den meiſten Menſchen ſehr unvoll-
kommen bekannte Naturkoͤrper, machen unter den 7
Hauptklaſſen des Gewaͤchsreiches, eine ganz beſonde-
re Ordnung aus. *) Das aͤußerliche Anſehen unter-
ſcheidet die meiſten Geſchlechter und deren Gattun-
gen von allen uͤbrigen Pflanzen, mit welchen ſie
etwa einige groͤßere oder geringere Aehnlichkeit ha-
ben koͤnnten. Die Anzahl unſerer deutſchen Moos-
arten welche nunmehro ziemlich beſtimmt ſind, be-
laͤuft ſich ſchon auf 143, diejenigen nicht gerechnet,
die nur nach dem Lehrbegrif einiger Botaniſten dazu
gehoͤren ſollen, und weit uͤber etliche 40 Gattungen
ſteigen. Man wuͤrde ihre Anzahl fuͤr weit groͤßer
halten, wenn die haͤufigen Abaͤnderungen nicht beſ-
ſer bekannt waͤren; beſonders ſolche, die ſich in
ihren verſchiedenen Alter faſt uͤberall zeigen, daß
man, um nicht hintergangen zu werden, bey vielen
immer etliche Stuͤcke von einer und eben der Moos-
art beyſammen haben muß, die die verſchiedenen
Grade ihrer Entwickelung deutlich machen.


Alle Mooſe, ob ſie ſchon gegen andere Ge-
waͤchſe einen viel einfachern Bau haben, ſind
doch gegen die Schwaͤmme**) und Flechten***),
mit wahren und recht deutlich zu unterſcheidenden
Wurzeln, Stengeln, Blaͤttern und Fruchtſtielen
verſehen, und ihre Blaͤtter gleichen dem innern Ge-
webe
[63] webe nach, dem uͤbrigen Pflanzenlaube gar ſehr.
Ihre alten Stengel veraͤndern ſich bey ſehr vielen
jaͤhrlich nach und nach in Wurzeln; doch giebt es
unter ihnen, bey uns, etliche jaͤhrliche Mooſe, die,
ſo viel man davon weiß, auf den Triften, den Huͤ-
geln und erhabenen Wieſen und Landſtraßen, den
Fruchtlaͤndern, und an ſolchen Stellen, wo das
Winterwaſſer lange geſtanden, nur in den Fruͤh-
lingsmonaten leben, wo ſie ſich in einzeln kleinen
dichten Raſenflecken zeigen, und nachher wieder
vergehen. Dahingegen iſt der groͤßte Theil der
Mooſe immer gruͤnend, dauerhaft, und in ſeinen
natuͤrlichen Standorten das ganze Jahr hindurch
zu finden.


Wegen ihrer langen Dauer, uͤbergehen ſolche
Moosarten eine ſehr große Menge von den ſonſt
anſehnlichſten Pflanzen; ſie wachſen in den allerkaͤl-
teſten Weltgegenden, auf Groͤnland, Ißland, an
den Kuͤſten der Bay Houdſon, Labrador und andern
Orten, wo ſonſt nur wenig andere Gewaͤchſe leben
koͤnnen. Eben ſo wachſen ſie bey uns, in den Win-
termonaten, bey dem niedrigſten Sonnenſtande, in
welchen ſogar ſehr viele bluͤhen, und ihre Frucht
bringen, weil ſie zu Erhaltung ihres Lebens und
Beſoͤrderung ihres Wachsthumes, nur den aller-
niedrigſten Grad der Waͤrme noͤthig haben, den
man etwa bey unſern Landgewaͤchſen annehmen
kann. Nur etliche wenige bluͤhen bey uns vom
Ende des Julius an bis zum September; da als-
denn
[64] denn die uͤbrigen Mooſe ſtaͤrker wachſen, und bis
gegen Ausgang des folgenden Aprils nacheinander
bluͤhen. Es kann die Veraͤnderung ihres natuͤrli-
chen Standes, und deſſen Verſchiedenheit, auch
eine beſtaͤndige naßkalte oder warme Witterung bey
dieſen Zeitpunkten manche Ausnahme machen, ſo wie
denn die Lage, hohe Felſen, tiefe hangende Klippen,
ſchattige Thaͤler mit Quellen und Moraͤſten, oder
auch frey und hoch gelegene Berge vieles be-
ſtimmen.


In den waͤrmern Jahreszeiten, bey großer
Duͤrre, und uͤberhaupt wenn die Sonne ſich ihrem
hoͤchſten Stande naͤhert, oder ſich davon noch nicht
weit genug entfernt hat, trift man ſie in keinem ſon-
derlichen Wachsthume. Sie ſcheinen zu dieſer
Zeit faſt in ihrem Wachsthume am unmerklichſten
zu werden, und beynahe bey ihren mehreſten Arten
ſtill zu ſtehen, und etliche ſind in der That auf einen
ſehr großen Grad zuſammengezogen, welk und tro-
cken, daß man ſie dem aͤußerlichen Anſehen nach
gar vor duͤrre und abgeſtorben halten ſollte, da ſie
doch innerlich noch wirklich ein ſchwaches Leben ha-
ben; nur, daß ſie in ihrem Wachsthume merklich
einhalten. Die nachfolgende kuͤhlere Jahreszeit
und gemaͤßigte Feuchte belebet ſie von neuen, daß
ſie ſich wieder ausdehnen, ihr natuͤrliches Anſehen
wieder annehmen, von neuen wachſen, und bluͤhen,
zum Zeichen, daß ſie ſich bey vorgedachten Veraͤnde-
rungen
[65] rungen, in dem kleinſten Grade des Lebens, eine
gute Zeit erhalten koͤnnen.


Wegen einer ſo dauerhaften Eigenſchaft und
eines zaͤhen Lebens koͤnnte man etliche Geſchlechter
der Mooſe, gewiſſermaßen, faſt unvergaͤnglich nen-
nen, da ſie uͤberdem, ſo viel man weiß, von viel weni-
gern Zufaͤllen, von der Witterung und andern Umſtaͤn-
den leiden; ob ſie ſchon ſaͤmmtlich nur ihre gewiſſe
Zeit uͤberleben koͤnnen, nach welcher ſie wirklich
todt gefunden werden. Dieſes bezeugen ſowohl die,
bey der Cultur der uͤbrigen Gewaͤchſe mit dem
Mooſe, ſtatt der Erde, von mir hieruͤber angeſtell-
ten Erfahrungen, nach welchen ſie endlich kurz,
ſproͤde und bruͤchig werden, und gar leicht in ein
grobes Pulver zergehen, als auch ihre wirkliche
Vererdung, und unter Waſſer beſonders, ihre
endliche Verwandlung in Torf oder Torfſchlamm.
Sie koͤnnen auch abſterben, ehe man dieſes gewahr
wird, da ſich die geſammelten Moſe weit uͤber 100
Jahr trocken erhalten laſſen, ohne ihr aͤußerliches
Anſehen viel zu aͤndern. Vielleicht wird unſere Auf-
merkſamkeit, durch dieſen und etliche vorerwaͤhnte
Umſtaͤnde, nur gar zu oft hintergangen, da ſie bey
ihrer trocknen Geſtalt, dennoch eine gute Zeit in-
nerlich leben koͤnnen, daß wir deshalben zweifelhaft
bleiben, bis ſie ihre verborgen gehaltene Lebhaf-
tigkeit durch ein verneuertes Wachſen wieder
zeigen.


EUnſere
[66]

Unſere trockne Sammlungen von Gewaͤchſen
koͤnnen zu Erlaͤuterung dieſer lebhaften Eigenſchaft
dienen, die wir Herbaria viva nennen. In ſol-
chen haben wir Mooſe, von C. Bauhinsa), Bur-
ſers
b), Petiversc), Moriſonsd), Junger-
manns
e), Caſp. Schwenkfedsf), Tourne-
forts
g) Zeiten, und noch von den naͤchſt verfloß-
nen h) 40 bis 20, 10 bis 8, 3 bis zu 2 Jahren
aufbehalten. Dieſe wenn ſie gut geſammlet, be-
hutſam getrocknet, und wohl erhalten worden, zei-
gen nach ihren wirklich erfolgten Abſterben, noch
einen großen Grad von ihrer beſondern Lebhaftig-
keit, wenn man ſie in das allerkaͤlteſte Brunnen-
waſſer leget, in welchen ſie ſich zuweilen ſchon in 7
bis 8 Stunden, ſonſt in 12, 16 bis 30 Stunden,
hoͤchſtens in 4 bis 5 Tagen voͤllig ausbreiten, und
ihr voriges lebhaftes Anſehen, und die Geſtalt ſo
weit als moͤglich annehmen, daß man ſie, da ſie
immer gruͤnend ſind, faſt vor lebendig anſehen
koͤnnte, wo man es nicht beſſer wuͤſte. Sie glei-
chen hierinnen nicht nur der ſogenannten Roſe von
Jericho
a) ſehr, die um Cairo, in den ſandigen
Gegen-
[67] Gegenden von Palaͤſtina, und ſonſt an den Ufern
des rothen Meeres ihren natuͤrlichen Stand hat,
ſondern ſie uͤbertreffen dieſelbe noch deshalb, weil
ſie ihre Blaͤtter noch haben, welche an jener laͤngſt
abgefallen ſind: doch dehnet ſie ſich auch in 7, 10
bis 12 Stunden im kalten Waſſer voͤllig aus, und
ſo oft man will; wenn ſie auch ſchon weit uͤber 100
Jahre in den Naturalienſammlungen aufbehalten
worden iſt. Das Ausdehnen der Roſe von Jericho
gehet zuletzt um deſto geſchwinder, je oͤfter man ſie
etwa hintereinander im Waſſer wieder hat aufquellen
laſſen, daß es alsdenn kaum 2 Stunden erfordert *).


Ein viel ſtaͤrkerer Grad der Waͤrme zur Wie-
derbelebung und des fortzuſetzenden Wachsthumes
bey denen Mooſen, als derjenige ſeyn mag, der ihnen
bey uns zur Winterszeit uͤbrig gelaſſen und welcher der
natuͤrlichſte iſt, trocknet ſie dermaßen aus, daß ſie
ganz zuſammengezogen und an ihren Anſehen veraͤn-
dert werden, auch faſt duͤrre und abgeſtorben zu
ſeyn ſcheinen. Dieſes gehet zwar in verdeckten,
feuchten, kuͤhlen und ſchattigen Orten etwas lang-
ſamer, auch weniger merklich zu, aber in freyen,
erhabenen und waͤrmern deſto geſchwinder vor ſich.
Man wird dergleichen Veraͤnderung an gewiſſen
E 2Arten
[68] Arten der Mooſe gar bald gewahr, wenn man ſie
aus ihren natuͤrlichen Standorten, ſehr geſchwind
oder bey warmer Witterung in andere bringet, da
ſie ſich nicht lange hernach zuſammen ziehen, welk
werden, und eine dabey ſehr unkenntliche und unan-
genehme Geſtalt erhalten.


In einem ſo geringen Grade des Lebens, in
welchen ſie jaͤhrlich, oder auch ſonſt, durch das all-
maͤhlige Zuſammentrocknen verſetzet werden, koͤn-
nen ſie ſich eine geraume Zeit befinden, ohne daß
ſie eben deswegen aufhoͤren ſollten zu leben. Man
kann ihnen vielmehr hernach ihre Lebhaftigkeit wie-
der geben, wenn ſie nur nicht wirklich am Feuer,
oder ſonſt durch eine ſchnell trocknende Hitze getoͤdet
worden ſind. Denn wenn man ſie an ihren erſten
ſchattigen, verdeckten, kuͤhlen und gemaͤßigten ſeuch-
ten Ort bringet, oder aber dem Regen ausſetzet,
oder ins kalte Waſſer leget, ſo leben ſie auf, dehnen
ſich aus, und wachſen fort.


Es iſt indeſſen unmerklich genug, daß derglei-
chen Mooſe, welche, wie ſchon erwaͤhnet, ohnge-
faͤhr ſchon vor 6, 8, 10, 20, 40, 80, 100, 150,
auch 200 Jahren wirklich gelebt, und eingeſamm-
let worden, nach Verlauf einer ſo langen Zeit,
durch das eindringende kalte Waſſer, ſich wieder aus-
dehnen und einen ſo großen Grad der Lebhaftigkeit
annehmen, daß ſie ſich dadurch den lebendigen uͤber-
aus vergleichen laſſen. Dieſe merkwuͤrdige Eigen-
ſchaft
[69] ſchaft unterſcheidet die Mooſe von vielen andern be-
kannten Gewaͤchſen.


Man kann zwar einige Pflanzen, mit Beybe-
haltung ihres lebhaften Anſehens, Glanzes und der
Farbe, zuweilen ſo behutſam trocknen, wenn es
zumahl geſchwinde genug geſchiehet, und ſie bey ei-
ner guten trocknen Witterung abgebrochen oder ein-
ſammlet worden ſind; allein ſie ſind nicht im
Stande, ſich nach einer gewiſſen Zeit, abwechſelnd
wieder zuſammen zu ziehen und wieder auseinander
zu dehnen, wie die Mooſe, und die Roſe von Jericho.
Alles, was man an ſolchen bemerket, iſt in der erſten
Zeit, daß ſie in der Luft runzlich werden, wenn ſie
nicht trocken genug worden ſind. Das lauwarme
Waſſer thut dazu, beſonders auch an den feinen trock-
nen Pflanzen, eine beſondere Wirkung, die es
dermaßen erweicht, ſo daß ſie ſich bald ausdehnen,
und lebhafter werden, daß ſie ſich mit großerer
Deutlichkeit darſtellen, als vorher. Dieſes Mittel
wuͤrde noch brauchbarer ſeyn, wenn das warme
Waſſer nicht vornehmlich ihre zarteſten ſalzigſchlei-
migen Antheile auszoͤge, und davon gefaͤrbt wuͤrde.
Den Botaniſten iſt indeſſen dieſer Umſtand immer
ſehr betraͤchtlich, wenn ſie ihn bey Unterſuchung der
Blumen anwenden, wie Hr. Linnaͤus, Schreber
und Solander gethan.


Es iſt ferner eben ſo gewiß, daß ſich verſchie-
dene Saamen außer der Erde, 3, 5, 8 bis 12
Jahre lebhaft und fruchtbar erhalten laſſen, und
E 3nach
[70] nach Verfluß dieſer Zeit dennoch keimen und wach-
ſen, und ich ſelbſt habe eigene wohl gelungene Ver-
ſuche mit weit aͤltern, recht wohl reifen und trocknen
Saamen gemacht, welche der Zufall, wie ich ſicher
wiſſen konnte, weit laͤnger und dergeſtalt, ohne Ver-
derbniß vor der warmen und freyen Luft und einer
ſtarken Ausduͤnſtung verwahret hatte, daß ſie in ih-
ren Huͤlſen und Kapſeln wenig oder nichts durch
die Ausduͤnſtung verlohren, wodurch ihre innere
naͤhrende Subſtanz etwa ſehr merklich haͤtte veraͤn-
dert und unkraͤftig gemacht werden koͤnnen. Faſt
einen gleichen Zufall habe ich an etlichen knolligen
Wurzeln bemerkt, die ich nach und nach im Schat-
ten gelinde lufttrocken gemacht, von denen mir nur
die Wurzeln von einer großen Art des Knabenkrau-
tes a) und die Wurzeln der aſiatiſchen ſchoͤnen Ra-
nunkeln b) noch erinnerlich ſind. Von dieſen habe
ich die erſtern ein ganzes Jahr außer der Erde be-
halten, die andern 15 Monate. Beyde ſind gewach-
ſen, und haben ihre Blumen gebracht.


Was in vorhergehenden angefuͤhret worden,
dienet zur Erlaͤuterung, theils der großen und dauer-
haften Lebhaftigkeit der Mooſe, theils zu einer wei-
tern
[71] tern Vergleichung mit andern aͤhnlichen Umſtaͤnden,
bey etlichen Gewaͤchsarten.


Außer der beſondern Dauerhaftigkeit, und ei-
nem wechſelsweiſen Wiederaufleben ſehr vieler
Mooſe, wovon vorher eben die Rede geweſen, iſt
deren erſtaunende, und wo die Gelegenheit und
Witterung dazu vorhanden, faſt uͤbermaͤßige Ver-
mehrung, in vielen weitlaͤuftigen Gegenden, auf
unſern Gebuͤrgen, Huͤgeln, Wieſen und Triften,
in den Landſeen, Moraͤſten und andern Grundſtuͤ-
cken, die nach Verſchiedenheit und Lage des Bo-
dens, in unſern Forſtrevieren, in Gebirgen und
waldigen Bruͤchern, auch insbeſondere in denen
mit jungen Holze wohl beſtandenen Oertern, zuwei-
len ganz uͤbermaͤßig gefunden wird, in eine beſon-
dere Betrachtung zu nehmen. Dieſes wird ſowohl
zu phyſikaliſchen Abſichten, als bey der fernern
ſchicklichen Anwendung gewiſſer damit verbunde-
ner Naturbegebenheiten zu landwirthſchaftlichen An-
ſtalten, mit vielen Nutzen geſchehen.


Alle Wirkungen der Natur, die theils ganz
offenbar ſind, theils die ſich bey der immerwaͤhren-
den Unterhaltung ihrer richtig beſtimmten Ordnung
etwa bedenken laſſen, geſchehen in einer ununter-
brochenen Zeitfolge, dergeſtalt aufeinander, daß
dabey, und dadurch allen moͤglichen Endzwecken
zugleich ein Genuͤge geſchiehet. Dabey aber iſt
gar nichts Ueberfluͤßiges, nichts Unzureichendes,
nichts Schaͤdliches, es muͤßte denn zuweilen ohne
E 4ihre
[72] ihre Schuld, durch Zufaͤlle, oder eine von uns
ſelbſt zu beſondern Abſichten gemachte Anwendung,
erſt dazu werden. Auch dieſes werden einige aus
der natuͤrlichen Geſchichte der Mooſe, leicht zu zie-
hende beſondere Vorfaͤlle hinreichend erlaͤutern.


Die Mooſe, als Beyſpiele der allerdauerhaf-
teſten Gewaͤchſe, haben zwar ſehr verſchiedene
Standoͤrter; doch iſt ihnen die Feuchte vor andern
beſonders zutraͤglich; ob ſie ſchon auch, bey andern
Gelegenheiten, in derſelben und durch dieſelbe zer-
ſtoͤret und vererdet werden. Demnach finden ſich
die Mooſe auf den hoͤchſten Gebirgen, die faſt be-
ſtaͤndig unter den Wolken liegen, deren kahle Gipfel
ſie ganz und zuweilen auf 1 bis 2 Fuß hoch uͤberzie-
hen, und daſelbſt die haͤufigen luftigen Gewaͤſſer,
der daran ſich ſcheidenden ſchweren Wolken beſtaͤndig
in ſich nehmen, durch ihr gefilztes Gewebe gleich-
ſam filtriren und in die unten liegenden Vertiefun-
gen Gruben und Spalten ſammlen laſſen, die ſie
zuweilen ganz ausfuͤllen. Hier iſt, der Erfahrung
zufolge, nicht ſelten der erſte Anfang der allerklein-
ſten, auch in gewiſſen Himmelsgegenden vielleicht,
der meiſten Baͤche, dergleichen gar viele auf den
Gebirgen, ohne beſondere Quelle zu haben, entſte-
hen, und weil ſie aus dem naſſen Mooſe einen be-
ſtaͤndigen Zufluß haben, zu fließen ſelten auf-
hoͤren.


So betraͤchtlich die Hoͤhe ſolcher Gebirge auch
immer ſeyn mag, auf welchen die Mooſe entweder
einen
[73] einen ganz freyen, oder aber ſehr verdeckten
Stand haben, eben ſo iſt es mit den tiefen Thaͤlern,
den Abgruͤnden und Moraͤſten, im Gegentheil be-
ſchaffen, auch mit den Ebenen, die ſich zwiſchen
ſolchen Gebirgen, auch ganz unten an dem Fuße
derſelben, beſonders an der Nord- oder Weſtſeite
befinden, in denen die Mooſe nicht allein faſt alles
uͤberzogen und ausgefuͤllet haben, ſondern auch
viele von denjenigen Moosarten, und faſt die mei-
ſten gefunden werden, die ſich ſonſt auf ihren hoͤch-
ſten Gipfeln erhalten. Tiefe Klippen, geſpaltene,
abgeriſſene, heruntergeſtuͤrzte Felſen und deren Truͤm-
mer, und ſchattige mit Holz und Strauch bewach-
ſene Oerter, die am Eingange der Gebirge noch mit
Quellen und Suͤmpfen verſehen ſind, haben hier-
bey noch ein vieles voraus. Auch die mit Weiß-
tannen, Fichten und Kiefern wohl beſtandenen
Forſtreviere, die ſich von den Vorgebirgen in die
weitlaͤuftige Ebenen ziehen, in wirkliche Landforſte
veraͤndern, und zum Theil ſehr ſandig, gruſig, tro-
cken und unfruchtbar ſind, werden theils mit ver-
ſchiedenen langen, weichen, kriechenden Moosarten,
theils mit kurzen, rauhen, ſtruppigten Mooſen ſehr
dichte und hoch uͤberzogen.


Dieſe Umſtaͤnde hoͤren nirgend gaͤnzlich auf,
ſondern vermehren ſich, oder ſie werden vermindert,
nach Verſchiedenheit und der Lage des fetten, derben
oder leichten, magern Grundes, ſolange ihr Wachs-
thum nicht auf ſolchen Grundſtuͤcken beſtaͤndig un-
E 5terbro-
[74] terbrochen wird, welche etwa den Pflug unterwor-
fen ſind, oder auch in Wieſen, welche wohl unter-
halten werden, und in Waſſern, welche einen zu
ſchnellen Lauf haben, und ſehr fleißig gereiniget
werden. Denn unſere Wieſen, auch niedrige
Fruchtlaͤnder, und Gaͤrten bemooſen leicht, wenn
man auf die beſtaͤndige Veraͤnderung des Zu-
wachſes gedachter Gewaͤchſe nicht immer auf-
merkſam iſt.


Der Sitz der Mooſe iſt in allen vorerwaͤhnten
Gegenden, kein ganz beſonderer, wenn nur der
Grund und alle diejenigen Koͤrper, auf welchen die
Saamen oder jungen Mooſe, bey feuchter Witte-
rung anfliegen, einigen Anhalt und Ruhe haben,
und ſich gegen Waſſer, Wind und Sturm ſo lange
befeſtigen koͤnnen, bis ſie ſich weiter ausbreiten und
alles uͤberziehen. Sie wachſen entweder in ganz
freyer Luft und Witterung, oder ſie verlangen eini-
ge Bedeckung und maͤßige Feuchte, oder ſie befin-
den ſich in und unter Waſſer. Da ſie auch ihre
meiſte Nahrung aus der Luft und Waſſer an ſich
ziehen, ſo iſt der Grund oder der Koͤrper, auf wel-
chen ſie wachſen, den meiſten Arten faſt gleich,
wenn es auch Knochen, metalliſche Erden, Glas,
Schiefer, todtes faules Holz, lebendige und in gu-
tem Wachsthum ſtehende Staͤmme, Fels und an-
der hartes Geſtein, auch ſelbſt nur Schlaacken ſeyn
ſollten.


In
[75]

In tiefen Spalten und Ritzen, zwiſchen den
den Felſen, in offenen Hoͤhlen, und auf Kalkſtein
wachſen die Mooſe ſehr gerne, und an der Wetter-
ſeite uͤberziehen ſie alles, worauf ſich ihre Faſern
nur ſo forthelfen koͤnnen, und laſſen oft Abdruͤcke
von ihrer Geſtalt auf den Steinen zuruͤck. In tie-
fen Hoͤhlen, verſchloßnen Roͤhren, Waſſerleitun-
gen, und Bergwerken habe ich ſie noch nie antref-
fen koͤnnen, wo ſich doch ſonſt noch verſchiedene
Arten von Flechten *) und Schwaͤmmen ſehr gerne
vermehren: ſollte es auch in einer betraͤchtlichen
Tiefe von 83, 100 bis 130 Lachter an dem Zim-
merwerke und Kunſtgezeuge ſelbſt ſeyn. In den
Baͤchen, wo eine feine aufgeloͤßte Kalkerde iſt, wer-
den ſie, wie andere Koͤrper, davon uͤberzogen.


Die Mooſe werden zwar außer der Gewaͤchs-
kunde, im gemeinen Leben, nach Verſchiedenheit
der Oerter, in welchen ſie ihren Stand haben, ins-
gemein in Berg- Stein- Erd- Baum- Holz- und
Waſſermooſe abgetheilet, welchen man faſt mit glei-
chem Rechte eine Unterabtheilung in den Feld- Wie-
ſe- Wald- und Gartenmooſen zuſetzen koͤnnte.
Wenn man aber wahrnimmt, daß anfangs gleich
und noch wohl eine lange Zeit hernach, ganze Flaͤ-
chen, ſtehende Waſſer und Graben faſt einzig und
allein, oder doch vornehmlich mit Moos uͤberzogen
wer-
[76] werden, worauf, der Gelegenheit des Bodens und
der Witterung halber, vorher keine andre Arten
von Gewaͤchſen ihre Nahrung und Aufenthalt haͤt-
ten finden oder daſelbſt feſten Fuß faſſen koͤnnen, ſo
wird man es in ſeinen Betrachtungen dabey noch
nicht ſo leicht bewenden laſſen, ohne auf die Urſa-
chen der vielerley auf einander folgenden Erſchei-
nungen mit zu denken. Wenn man ferner, unter
den mancherley Veraͤnderungen auf der Erde, Tie-
fen entſtehen ſiehet, und Abgruͤnde, und Moraͤſte
ſich nach und nach in einer betraͤchtlichen Zeit mit
dem Mooſe uͤberziehen, und mit Schlamme, der
vorher darinnen nicht war, ſich wieder ausfuͤllen,
auch wieder in fruchttragende Ebenen oder Wieſen
verwandeln, und folglich gleichſam in einen ſolchen
Stand ſich wieder herſtellen ſiehet, in welchen ſie
vorher geweſen ſind, ſo muß man ſich uͤber die
ganz unmerklich vorgegangene, vorgehende, und
endlich mehr in die Sinne fallende Vorbereitungs-
und Verbeſſerungsanſtalten oder Naturhaushaltung
hoͤchſt verwundern, und in ein tieferes Nachdenken
gerathen.


Dieſes mit Nutzen fortzuſetzen, geben uns die
Erdmooſe insbeſondere weitere Gelegenheit, da ſie
faſt die erſte und allgemeinſte Erddecke ausmachen.
Sie uͤberziehen viele hohe Gebirge, Felſen, Huͤgel
und weitlaͤuftige Ebenen, in den Waldungen und
Wieſen, wie bereits geſagt worden iſt, wo ſie bald
dich-
[77] dichter oder lockerer in einander verwachſen, bald
nur einzelne Flecken oder auch mehr zuſammenhaͤn-
gende Raſenſtuͤcken bilden. In ſolchen Mooſen
ſammlet ſich ein Theil der aus der Erde aufſteigen-
den und in ihre feinen Theilgen dunſtartig aufgeloͤß-
ten verſchiedenen Subſtanzen, und eine Menge von
ſehr verſchiedenen Feuchtigkeiten aus der Luft, noch
außer den vielen Tagewaſſer ſelbſt. Sie halten ſich
in einer Art des Mooſes, und bey einer Art der La-
ge, laͤnger darinnen, als in einer andern, und die
Natur der gleich darunter liegenden lockern aber
derben obern Erdſchichten, die wir Dammerde nen-
nen, beſtimmet dabey noch ein vieles. Die ver-
ſchiedenen Feuchtigkeiten ſelbſt ſind es unterdeſſen
nicht allein, die ſich in den lockern Moos einſenken,
ſondern der Zutritt des allerzarteſten Erdſchlammes,
das iſt die unreine Erde von voͤllig verrotteten Thie-
ren und Gewaͤchſen, die ſich zugleich zwiſchen den
Moos niederſchlaͤgt, macht eine neue Erdrinde aus,
die man mit Recht vor eine der feinſten, und zu
dem nachfolgenden Aufenthalte und der Nahrung
mehrerer Gewaͤchſe allergeſchickteſten nach allen Er-
fahrungen angeben kann. Was ſich hierinnen
durch die waͤßrigen Feuchtigkeiten noch zufaͤlliger-
weiſe ſalziges und weiter auflosbares befindet, tritt
mit jenen in eine neue Verbindung; es durchdringet
den uͤbrigen zarten ſchlammigen Niederſchlag, und
ſelbſt die oberſten undurchwitterten Schichten der
wilden Erde, auf eine gewiſſe Tiefe, zu welcher et-
wa
[78] wa bey der Filtration wenigſtens die mit den brenn-
baren und ſalzigten Theilgen geſchwaͤngerten Feuch-
tigkeiten gelangen koͤnnen. Hier aͤndern ſich zu-
gleich manche Eigenſchaften ſelbſt, da die Mitwir-
kung der Luft nur allzu betraͤchtlich iſt; der Moos
haͤlt indeſſen die unmittelbare, allzufreye, ſchnelle und
heftige Wirkung der heißen, der kalten und ſtrengen
Luft von denen kuͤnftig unter ihm wurzelnden zarten
Saamenpflanzen ab, und erhaͤlt eben in dieſen nahr-
haften Boden eine gemaͤßigte Feuchte, weil er
zum Theil davon ſelbſt eine ziemliche Menge in ſich
nehmen kann, ehe er ſie fahren und durch ſich filtri-
ren laͤßet, ſo daß es blos dabey auf die Hoͤhe und
Dicke der Moosdecke, auf die Hoͤhe der unterlie-
genden Erdſchichten, und eine außerordentlich naße
oder trockne Witterung ankommt: in dem allerun-
fruchtbarſten Flugſande, ſteinigten Grunde, und
Heideboden, iſt die Wirkung von eben gedachten
Umſtaͤnden zuſammengenommen, ungemein, und
recht augenſcheinlich.


Ein Grund iſt geſchickter, daß er von dem
Mooſe bald und hoch uͤberzogen werden kann, als
der andere, und den einem iſt es eben ſo nuͤtzlich
und nothwendig, wenn ihm hernach die Natur mit
Gras und Kraͤutern darauf bald, oder auch lang-
ſamer bekleiden ſoll, als es einen andern im Ge-
gentheil wegen weitern Anwachs mehrerer Gewaͤchſe
ſchaͤdlich wird, oder werden kann. Das ſtarke
Wachsthum eines bald uͤberhandnehmenden Moo-
ſes,
[79] ſes, wird das Bemooſen, und das dazu geneigte
Land, ein mooſigter Grund genennet.


Der Moos, wenn er in ſichern Orten, wo es
ſeyn kann und muß, gewiſſe Zeit in Ruhe gelaſſen
wird, waͤchſet viele und lange Jahre fort, (wenn er
keine jaͤhrliche oder Sommerart iſt); den Grund
uͤberziehet er dichte und hoch, da er oberwaͤrts frey
fortwachſen kann, unterwaͤrts hingegen ſich ſeine
alten Stengel in Wurzeln verwandeln, und am
ganz unterſten Ende, nach und nach langſam ver-
rotten und vererden, wodurch eben die vorbeſagte
neue fruchtbare Erdſchichte erzeuget wird, welche,
ſo langſam und unmerklich es anfaͤnglich, zumahl
in trocknen, freyen, erhabenen Orten, auch damit
zugehet, dennoch mit der Zeit wegen Zutritt des
feinen nahrhaften Schlammes, den die Tagewaſſer
dahin fuͤhren, und in den Lagen zwiſchen den Moos-
wurzeln das Salzige mit dem Fetten und Brennba-
ren vereinigen, recht anſehnlich wird: wie es auch
ſelbſt die trocknen Heydelaͤnder, am meiſten aber
dicke und ſchattige Oerter, beweiſen.


Bey allen ſolchen Umſtaͤnden, die allerdings
vor etwas mehr als vor anſcheinend gehalten wer-
den muͤſſen, wird der Grund zu den nachfolgenden
wichtigen Veraͤnderungen auf denen nur durch das
Bemooſen vor der Hand gleichſam zu zubereiteten
Erdflaͤchen geleget, wie es durch Anflug oder Auf-
ſchlag junger Waldungen, durch Ausfuͤllung gro-
ßer Untiefen, Erzeugung eines brauchbaren Tor-
fes
[80] fes, auch Verwandlung der Moraͤſte in Huͤtungen,
Wieſen oder tragbares Ackerland, zu unſern Nutzen
geſchiehet, oder auch zum Schaden, wie es die
Verſtopfung der Graben und Kanaͤle, der ver-
dorbene Graswuchs auf uͤbermooſten Wieſen, und
der vereitelte Holzanflug zuweilen beſtaͤtiget: bey
ſolchen ſage ich, iſt es ganz unnoͤthig, zu erweiſen,
daß in einer langen Zeitfolge, eine Menge von
großen und kleinen Ungeziefer, unter dieſer natuͤrli-
chen Moosdecke, ihren Aufenthalt und Paarung ge-
habt, und darinnen vom Ey an bis wieder zum Ey
ihre gewoͤhnlichen Veraͤnderungen uͤberſtanden.
Was nun dergleichen Ungeziefer, nach allen dieſen
Perioden, in und unter dem Mooſe zuruͤcke gelaſ-
ſen, bis es endlich ſeinen eigenen Koͤrper darinnen
vergraben, welches zu den Eigenſchaften der da-
von mit entſtandenen Erden das ſeinige beygetragen,
iſt leicht zu errathen.


Was von den bey den Erdmooſen ſich er-
eignenden Umſtaͤnden weiter angefuͤhret werden
koͤnnte, kann unter gewiſſen Einſchraͤnkungen, oder
Erweiterungen, auf alle andere mit Moos ſtark
uͤberzogene große und kleinere Flaͤchen gehoͤrig ange-
wendet werden, und folglich mit einigen Veraͤnde-
rungen, auf die in und um die Forſtreviere belege-
nen Niederungen und Moospfuͤhle, in welchen der
Moos nicht ſelten 1 bis 2 Fuß, auch oft ſtaͤrker in die
Tiefe ſetzet, und abwechſelnd unter Waſſer ſtehet.
Bey ſolchen gehet alles oͤfters noch viel weiter, als
an
[81] an trockenen oder erhabenen Orten. Es kommt
viel darauf an, ob dergleichen Oerter zwiſchen ho-
hen Bergen liegen, und von der Hoͤhe und vielen
Seiten zugleich einen ſtarken Zuſammenfluß von
Tagewaſſern, und auch einen verhaͤltnißmaͤßigen
Abzug derſelben haben, auch aus was vor Erd- und
Steinſchichten der Grund und die daranliegenden
Berge beſtehen, und ob daraus kleine Quellen
durch Thon- Alaun- Salz- Kieß- oder Pechkohlen-
lager entſtehen, die mit in ſolche tiefen Oerter ihren
Eingang nehmen.


Denn hier findet man ein mehr oder weniger
ſtehendes faules Waſſer, das man zuweilen viel-
leicht nicht unrecht faſt eine unreine und ſehr ver-
miſchte Erdlauge nennen koͤnnte, in welcher ſich ein
von allerhand rohen und aufgeloͤßten Erden beſte-
hender feiner Schlamm, von Zeit zu Zeit, zwiſchen
ein oder etliche Arten des feſt verwachſenen Waſ-
ſermooſes einſenket, und den Grund ausfuͤllen hilft.
Der Moos ſelbſt wird oberwaͤrts von Riedgraſe *),
Rohr **), Schilf ***), Strauchwerk, und einigen
dem Mooſe beſonders eigenen Gewaͤchſen ganz zu-
ſammengeſponnen, daß er in ganzen Stuͤcken, als
ſchwimmende Inſeln, mit dem Waſſer ſteiget und
faͤllet.


Unter den ſchwimmenden, langen, feinen
Waſſermooſen, (welche bey den Botaniſten Hypna
genen-
F
[82] genennet werden) findet ſich eine andere Art, wel-
che (Sphagnum paluſtre candicans et molle) der
eigentliche Torfmoos iſt, weil vornehmlich aus
deſſen Vererdung derjenige feine und reine Waſſer-
ſchlamm entſtehet, welcher den beſten Torf groͤßten-
theils bildet, wiewohl davon verſchiedene feine gruͤ-
ne Waſſerconferven die ſich in langſam fließenden,
und ſtehenden Waſſern dermaßen vermehren, daß
ſie ganze Flaͤchen uͤberziehen *) nicht ausgeſchloſſen
werden koͤnnen. Ob wir nun aber ſchon diejenige
Werkſtadt der Natur aus angezeigten Umſtaͤnden
ſicher finden koͤnnen, in welcher ſie den Torf aus ge-
wiſſen Materien nach langen Jahren erzeuget, ſo
wird doch deſſen gehoͤrige Vollkommenheit nicht
immer auf eine ſolche Art bewirket, daß ſie bis zu
der bekannten Nutzung erhoben werden koͤnnte.


Es iſt indeſſen ſchon genug dergleichen ab-
wechſelnde Naturwirkungen in ihren wichtigen Fol-
gen zu bewundern; und ſie verdienten gewiß im-
mer aller Orten, wegen eines ſonſt bey der Feue-
rung ſo vorzuͤglichen Landesproductes, wie der Torf
in gewiſſen Gegenden immer ſeyn muß, eine ganz
beſondere Aufmerkſamkeit, wo nehmlich das Holz
mangelt, und nebſt den Steinkohlen immer in ei-
nem ſehr hohen Preiſe ſiehet; auch muͤſſen die Be-
merkungen uͤber dergleichen natuͤrliche Begebenhei-
ten den Kennern, auch ſogar den Landeswirth-
ſchaftsverſtaͤndigen, nicht anders denn angenehm
ſeyn,
[83] ſeyn, wenn ſie ſich entſinnen, unter andern gehoͤret
zu haben, daß vor ihrer Zeit dieſe oder jene weit-
laͤuftige Oerter, die man als Erdfaͤlle und große
Untiefen gekannt, in welchen ehedem manches
Stuͤck Vieh erſoffen ſey, und auf denen man mit
Kaͤhnen gefahren, nach und nach aber mit Moos,
Schilf und Riedgras bewachſen geweſen, und end-
lich durch den Schlamm dermaßen ausgefuͤllet wor-
den, daß man ſie trocknen, zu Weiden und Wie-
ſen, und endlich gar zu tragbaren Ackerlande ma-
chen koͤnnen.


Nun kommen noch manche und ganz andere
Umſtaͤnde hinzu, die, außer den nur erwaͤhnten, den
allgemeinen Nutzen der Moosdecke betreffen, ſie
mag in den tiefen feuchten Orten und Moraͤſten,
oder auf freyen und erhabenen Bergen, Felſen, und
trocknen und ſchattigen Planen gefunden werden,
nur daß die dabey obwaltenden Ausnahmen und
Einſchraͤnkungen jederzeit in Betrachtung gezogen
werden muͤſſen; wie man denn dabey vorausſetzet,
es habe der Moos ſeit vielen Jahren durch die Luft,
die Tagewaſſer und mancherley Witterungszufaͤlle,
allerhand Erd- oder Waſſerſchlamm, Staub, und
in ſolchen, grobe und feine ſalzigbrennbare und
nahrhafte Subſtanzen erhalten, die ſich auch darin-
nen ohne Aufhoͤren noch immer anhaͤufen.


Hierdurch befindet ſich ein ſolcher Moos in
dem Stande, gewiſſe Pflanzenarten, die ihm der
Zufall im Saamen oder Wurzeln zubringet, eben
F 2ſo
[84] ſo hinreichend zu naͤhren, und bis zu ihrer vollkom-
menen Entwickelung zu erhalten, als ob ſie in einer
fruchtbaren Erde erwachſen waͤren. Andern Ge-
waͤchſen hingegen giebt ein gemaͤßigt feuchter
und mehr oder weniger derber filziger Moos nur
ihre erſte zarte Nahrung, nebſt dem Schutze und
Aufenthalte, auf eine ſehr aͤhnliche Art, wie es
ſonſt ein ſehr lockerer nahrhafter Boden auch zu
thun vermag, ſo lange bis ſie ihre mehr erſtreckte
Pfahl- und Hauptwurzeln, durch den feinen Filz
des Mooſes, in die unterliegenden ebenfals ſehr
feine Mooserden verlaͤngern, und von da tiefer
ſchlagen, und bis ſie endlich in den wilden Grund
ſelbſt eindringen; wie es alles von den Auskeimen
des Saamens an, bey großen Arten, in einer Zeit
von 5 bis 6 Monat geſchiehet. Der Moos dienet
ihren Wurzeln zu einer ſehr ſichern Decke gegen
allerhand Witterung, ſie haͤlt den Grund, in wel-
chen ſie ſich verbreiten, maͤßig feuchte, und giebt ihnen
die nahrhaften Feuchtigkeiten nach und nach, die
durch dieſen Moos langſam filtrirt werden.


Dieſe Umſtaͤnde ſind gewiß allgemein, und
ſehr betraͤchtlich; eine Erfahrung von vielen, ſeit
etliche 30 Jahren gluͤcklich darinnen gemachten, ſehr
einfachen Verſuchen beſtaͤtiget ſie voͤllig: derglei-
chen in folgenden zur Erlaͤuterung weiter angefuͤhret
zu werden verdienen. Da wir aber hier ſowohl
mit denen mit dem Erdmooſe uͤberzogenen Holzbo-
den, als auch andern damit bedeckten Gebirgen,
Klip-
[85] Klippen und Steinen vornehmlich zu thun haben,
die ſich in unſern Forſtrevieren etwa befinden, au-
ßerdem aber mit denen im Waſſer ſchwimmenden
großen Moosinſeln und Betten; ſo muß dabey nicht
unerinnert bleiben, daß vorerwaͤhnte Hauptum-
ſtaͤnde, unter ſicher beſtimmten Bedingungen, auf
ſaͤmmtlich angezeigte Umſtaͤnde ſehr wohl paſſen.
Nur muß man bedenken, daß dasjenige, was von
den Gewaͤchſen, wegen einer hinreichenden Nah-
rung zum voͤlligen Wachsthume im Mooſe geſagt
worden, nur im erſten Falle, von den Erd-
gewaͤchſen gelte, ſie moͤgen ſonſt in einem Grunde
wachſen, in welchen ſie wollen, im andern Falle
hingegen, von Bruchgewaͤchſen (plantis paluſtribus)
und allen ſolchen verſtanden werden wuͤſſe, die ei-
nen beſtaͤndig naſſen und dabey ſehr ſchwammigen
Boden durchaus noͤthig haben.


Wenn man zu vorgedachten Verſuchen, zur
Herbſt- und Fruͤhlingszeit, die meiſten feinen, wei-
chen, kriechenden Arten des Mooſes, aus ſtehenden
Waſſern, feuchten tiefen Wieſen, ſchattigen Wal-
dungen, auch von Baumwurzeln, Staͤmmen,
Steinen oder Klippen einſammlen laͤſſet, wo ſie als
ein Filz alles dichte uͤberzogen haben, und davon
als ein Pelz abgezogen werden koͤnnen, ſo iſt man
ſchon laͤngſt gewohnet, dergleichen, nachdem man
ſie von Schlamm, Sand, Wurzeln und Pflanzen
oder allerhand Blaͤttern gereiniget, und wegen des
Schimmels luftt[r] [...]cken gemacht, an lufrigen Orten
F 3zu
[86] zu allerhand Gebrauche aufzuheben. Bauern,
Brunnenmacher, Waldbewohner und Gaͤrtner ha-
ben dergleichen Vorraͤthe in mancherley Faͤllen ſehr
noͤthig. Der Naturforſcher entdecket an den Moo-
ſen in beſagten Zuſtande gewiſſe Eigenſchaften
und Unterſchiede ganz zufaͤlligerweiſe, welche ihm
zu einer ganz neuen Anwendung Gelegenheit geben,
zum Nutzen der Naturgeſchichte ſolche Verſuche
zu machen, die ihm manche Aufſchluͤſſe von denen
im Großen, ſich bey der Erhaltung und Vermeh-
rung vielerley Gewaͤchsarten zeigenden Umſtaͤnden
verſchaffen, welche er, ohne dergleichen angeſtellet
zu haben, nicht haben wuͤrde.


Der Bauer ſammlet die Erd- und Waſſer-
mooſe Fuderweiſe ein, und gebraucht ſie ganz friſch,
ohne ſie im geringſten rein zu machen, wenn er um
ſeine Grundſtuͤcken von Feldſteinen etwa hin und
wieder niedrige Steindaͤmme zu ſetzen und zu befe-
ſtigen noͤthig hat, die bey feuchter Witterung,
bald, auch ſonſt nach und nach mit den in Saamen
anfliegenden Gras und Kraͤutern uͤberwachſen.
Der Brunnenmacher verlanget feinen, langen,
weichen und einen ſehr reinen Moos, um ſeine
Brunnen damit nach bekannter Art auszuſetzen.
Die Gaͤrtner hingegen nehmen die feinſten und
weichſten, ſchwimmenden Moosarten am liebſten,
wenn ſie dergleichen haben koͤnnen, auch wohl die
langen kriechenden Erd- und Baummooſe, aus den
ſchattigen Waldungen, die ſie aber von Gras und
andern
[87] andern Saamen oder Pflanzen eben ſo rein nicht
machen, auch ſelten ſo lufttrocken gebrauchen, als
es eigentlich ſeyn muͤßte. Die wilden Thiere und
einige Voͤgel machen ihre Lager und Neſter davon,
und wer weiß nicht, daß gewiſſe Erdbewohner ihre
Ruhe darauf nehmen.


Wenn nun ein ſolcher eingeſammleter Moos
hernach, uͤber kurz oder lang, zum Einpacken ande-
rer Gewaͤchſe beym Verſenden gebraucht wird, da
er einige Zeit, in Schachteln und Kaſten enger zu-
ſammengepreßt liegen muß, ſo ziehet er ganz von
neuen Feuchtigkeit an, die er ſowohl aus der Luft,
als bey einer langwierigen Verſendung von 14 Ta-
gen bis 3 oder 4 Wochen von Regen in ſich nimmt,
welche diejenige noch vermehret, ſo er bereits aus
dem darinnen liegenden friſchen Gewaͤchſen enthaͤlt.
Die noch mit weniger Erde umgebenen Wurzeln
ſolcher Gewaͤchſe, verlaͤngern ſich alsdann gar leicht
uͤberall in den Moos, und ſpinnen denſelben zuletzt
in feſte Klumpen zuſammen, daß man davon ein
feines netzfoͤrmiges Gewebe durch und durch ge-
wahr wird.


Dieſer Zufall iſt mir vor 27 Jahren bereits
mit einer Schachtel voll Nelkenpflanzen begegnet,
welche von Nuͤrnberg nach Leipzig etwas laͤnger un-
ter Weges war, als es ſeyn ſollte: vor nunmehro
22 Jahren aber, mit einem Piſang, (Muſa) die
mir von Wien nach der Trebnitz geſchickt wurde.
Beyde Vorfaͤlle, und die ich ſeit 1729 mit andern
F 4in
[88] in hohen Gebuͤrgen unter den tiefen Steinklippen
und Spalten der Felſen haͤufig vorgekommenen, ſehr
gut vergleichen konnte, gaben mir Gelegenheit,
nach der Hand wegen der eigentlichen Nahrung der
Gewaͤchſe im Moos, ohne Erde, von der dazu ge-
ſchickten Materie, ihren Unterſchieden und uͤbrigen
Eigenſchaften, ſelbſt eigene Verſuche zu machen,
und dazu alle und jede mir bekannte Gewaͤchsarten
nach und nach anzuwenden, von welchen im Ver-
folg weitere Anzeige geſchehen ſoll.




[89]

Fortgeſetzter Beytrag
zur
natuͤrlichen Geſchichte
der Mooſe
.



Noch ein ſehr gemeiner und hierher gehoͤriger
Umſtand kann nicht unerinnert bleiben, da er den
Gebrauch, nebſt der Unterhaltung des Mooſes zu
beſondern Abſichten, in den weitlaͤuftigen Orange-
rien betrift, und faſt jaͤhrlich in ſolchen Gaͤrten beym
Austreiben der neu aus Italien und der Barbarey
bey uns ankommenden Orangen- und Citronenſtaͤm-
me vorkoͤmmt. Dieſer Gebrauch des Mooſes
dienet zur Befoͤrderung einer beſondern Naturwir-
kung bey ſolchen der Krone und Wurzel vollig be-
raubten Staͤmmen, wobey er zu Unterſtuͤtzung der
Abſichten des Gaͤrtners faſt nothwendig iſt, auch
deshalb der Aufmerkſamkeit und fernern Anwen-
dung der Naturforſcher wuͤrdig genug ſeyn muß.
Nur gedachte Orangen- und Citronenſtaͤmme, die,
F 5wie
[90] wie ſie in Italien zu gewiſſer Jahreszeit aus- und
abgehauen worden ſind, werden in einem ſolchen
verſtuͤmmelten Zuſtande, in Kiſten, oder auch we-
gen beſonderer Laͤnge und Staͤrke, nur zuweilen in
Matten gepackt, auf die Schiffe gegeben, wo ſie ei-
nen 3, 4 bis 5monatlichen Aufenthalt ohne weitere
Pflege haben, auch oͤfters ſehr betrocknet oder an
den Rinden ſtark beſchaͤdigt, im Juny und July bey
uns ankommen; da man ſie ſonſt ſchon im Maͤrz
und April erwarten koͤnnte.


Sobald ſie ausgepackt worden ſind, laͤßet man
ſie verluften, und in gute luftige Keller bringen,
worauf ſie ferner mit groben Lappen wohl abgerie-
ben, gewaſchen, und in der Luft rein abgetrocknet
werden. Sollten ſie aber alle zu ſpaͤt, und wie es
zuweilen geſchiehet, ziemlich eingetrocknet ankom-
men, werden ſie einige Tage lang wie die Setzlinge
der Weiden, Erlen und Pappeln, ganz und gar
in ein weiches Waſſer geleget, um ihre Rinde zu
erweichen, daß ſie den noͤthigen Saft einſaugen
kan, worauf ſie in freyer Luft etwas abtrocknen
muͤſſen, daß ſie gepflanzt werden koͤnnen.


Die Gaͤrtner, die zum Verpflanzen ſolcher
Staͤmme bereits einen guten Vorrath einer recht
guten, nahrhaften, maͤßig feuchten, und lockern Gar-
tenerde, die ſie zu den Orangebaͤumen beſonders
miſchen, ſchon beſorgt haben, halten auch vor je-
den Stamm insbeſondere, einen verhaͤltnißmaͤßig
großen Kaſten fertig, der ſich nach dem Umfange
ſeiner
[91] ſeiner abgehauenen Wurzeln richtet, und etliche Zoll
weiter iſt als jene. Zugleich haben ſie ein war-
mes wohl ausgedunſtetes Miſtbeete in einem Glaß-
oder Treibehauſe in Bereitſchaft, das ſie mit Ger-
berlohe bedecken. In dieſes ſetzen ſie gedachte
Orangebaͤume hernach dergeſtalt, daß ſie zwar eine
beſtaͤndige und voͤllige Waͤrme davon haben, aber
die nachgehends ausſchlagenden jungen Wurzeln
nicht verbrennen.


Nach Berichtigung dieſer Umſtaͤnde, werden
die Citronen- und Orangeſtaͤmme, fals es noch
nicht geſchehen ſeyn ſollte, ganz und gar mit friſchen
reinen und weichen lufttrocknen Mooſe beleget, und
durch das Umwinden des Baſtes, daran befeſtiget.
Die Erde wird alsdenn nicht eher allmaͤhlig be-
goſſen, bis der Saft in die Rinde, dieſer mit
Moos bedeckten Staͤmme, in gehoͤrige Bewe-
gung gebracht worden, daß ſie unter einem
ſtaͤrkern Ausdampfen und Einſaugen ihrer jun-
gen Zweige und Wurzeln bereits zu treiben ange-
fangen haben. Dieſen Zuſtand aber befoͤrdert eine
anhaltende ſtarke Hitze im Treibehauſe, welche
durch die Sonne gut unterhalten wird. Da ſich
nun bey einer ſolchen Waͤrme die Feuchte des de-
ckenden Mooſes ſehr merklich verringert, ſo wird
ſie durch ein abwechſelndes Beſprengen mit lauen,
weichem Waſſer beſtaͤndig unterhalten, welches
mit den naſſen Strohwedeln geſchiehet.


Bey
[92]

Bey einer ſolchen Behandlung werden Wur-
zeln und Zweige wieder in Wachsthum gebracht,
und wenn ſie ſich verlaͤngern, ſteifer werden, und in
der Erde und Luft gehoͤrige Dienſte thun koͤnnen,
nimmt man den Moos nach und nach von den
Staͤmmen wieder ab. Waͤhrend der erſten Zeit
aber bringet der feuchte Moos alle in ihm verbor-
gen geweſene Saamen und Wurzeln herfuͤr, daß
er in der Folge mit Gras und Kraͤutern eben ſo
ſtark bedecket ſeyn wuͤrde, als in ſeinem natuͤrlichen
Standorte ſelbſt. Mit den Orangeſtaͤmmen hat
unſer zahmer Birnbaum, wenn man ihm Wurzel
und Krone genommen, vor den uͤbrigen Baumar-
ten eine ziemliche Aehnlichkeit, welches Umſtandes
man ſich vielleicht ſchon laͤngſt auf eine weit nuͤtz-
lichere Art haͤtte bedienen koͤnnen, als man gethan,
oder zu thun verſtanden hat.


Der aufmerkſame Naturforſcher aber, dem es
uͤberall um die Entdeckung von Spuren der Natur-
wirkungen zu Erweiterung ſeiner Wiſſenſchaften zu
thun iſt, ſaͤumet auch hier nicht, von dieſen Vor-
faͤllen eine beſſere und noch richtigere Anwendung
zu machen. Denn er bemerket bey den unterſchied-
lichen Moosarten, die nach allen davon bekannt ge-
wordenen Umſtaͤnden, gewiß nicht etwa eine nur zu-
faͤllige und daher gleichguͤltige, oder wie ſich man-
che davon vorſtellen, gar eine ſchaͤdliche Erdbede-
ckung bilden, daß in ihnen allerhand Gattungen
von Gewaͤchſen, eben ſowohl einzeln wachſen, wie
es
[93] es zwiſchen den Steinen, Mauern, Klippen und
Felſen geſchiehet, ſondern auch in groͤßter Menge
aufſchlagen: wie man an ganzen Fichten- und Tan-
nenwaldungen, in den Gebirgen und ſogar auf den
ausgetrockneten Moospfuhlen und Wieſen findet,
welche in dem Mooſe ihren erſten Anfang nehmen,
wo ſie ſich eine geraume Zeit erhalten, bis ſie nach
einigen darinnen uͤberſtandenen Veraͤnderungen,
endlich in die darunter liegenden und ihnen eigentli-
cher zukommenden feſten Erdſchichten tiefere Wur-
zeln ſchlagen, und zu eben der Groͤße, Staͤrke,
Dauer und Anſehen gelangen, als ob ſie gleich an-
fangs aus ihren Saamen in der bloßen Erde ent-
ſtanden waͤren.


Von vielen andern aber wird man gerade das
Gegentheil gewahr, als welche zwar, wie faſt alle,
in den Moos entſtehen, und aus den Saamen in
den erſten Jahren gut und ſchnell aufwachſen, aber
darinnen nur einen gewiſſen Grad der Ausbildung
erreichen, welchen ſie nicht uͤberſchreiten, ſondern als-
denn langſam wieder vergehen. Denn ein ziemlich an-
ſehnlicher Theil von groͤßern Gewaͤchſen hat in dem
Mooſe eine uͤberaus kurze Dauer, wobey er ſich
ſehr ſchlecht entwickelt, daß er nicht nur ſehr ſelten
zur Bluͤthe und Frucht gelanget, ſondern auch ſo-
gar in haͤufige Mißgewaͤchſe ausartet.


Außerdem findet der Naturforſchende, nach
Verſchiedenheit des Grundes, den der Moos uͤber-
zogen hat, daß er denen oberwaͤrts ſehr flach aus-
ſtrei-
[94] ſtreichenden Thauwurzeln der Baͤume und Straͤu-
cher gegen eindringenden Froſt und Hitze, Duͤrre,
und eine uͤbermaͤßige Naͤſſe, einen hinreichenden
Schutz giebet. Er reiniget, filtriret und maͤßiget
die zufließenden Tagewaſſer, und befoͤrdert die na-
tuͤrliche Beſaamung aller Gewaͤchſe zugleich uͤber-
all. Es verdienen dergleichen in der Naturkunde
und Haushaltung ſo wichtige Umſtaͤnde, allerdings
eine weitere Unterſuchung und Anwendung, ob
gleich ſehr viele Menſchen dergleichen Vorfaͤlle vor
allzu gemein, bekannt und geringe ſchaͤtzen, und alſo
auch die wahre Groͤße und Ordnung in den Natur-
wirkungen mit Fleiß verkennen, oder aber in den
Folgen nicht zu beurtheilen wiſſen, und folglich we-
nig reizendes dabey finden.


Es dringet ſich indeſſen den Botaniſten vor
andern eine Menge von guten Erfahrungen auf,
wenn ſich nehmlich deren Wiſſenſchaft nicht etwa
mit der bloßen Beſtimmung der Geſchlechtszeichen
bey den Gewaͤchſen, in den Gaͤrten und Studier-
ſtuben endiget, ſondern wenn ſie vielmehr die
Gewaͤchſe in ihren natuͤrlichen Standoͤrtern zu Be-
forderung des allgemeinen Nutzens, mit Nachden-
ken zu ſammlen, und bey der Sammlung ſelbſt,
auf alles dasjenige wohl acht zu haben gewohnt ſind,
was ſie an ihnen in dem verſchiedenen Zuſtande be-
merkenswerthes finden. Um alſo die Gewaͤchs-
kunde ebenfalls immer gemeinnuͤtziger zu machen,
habe ich mir von jeher zu einem Geſetze gemacht,
der-
[95] dergleichen gruͤndliches Verfahren auf alle Weiſe
nachzuahmen, wovon ich auch jederzeit erwuͤnſchte
Wirkungen gefunden habe.


Da mir nun *) ehedem die Erneuerung des
botaniſchen Gartens bey der Univerſitaͤt zu Leipzig,
nebſt der Wiederherſtellung und Ordnung des im
Horto Caſpar Boſiano befindlichen Vorrathes von
Gewaͤchſen zugleich aufgetragen war, dabey ich die
Sammlung der fehlenden Arten mit uͤbernehmen
muſte, ſo fand ich eine zu meinen Abſichten taug-
liche ſehr bequeme Gelegenheit, weil ich insbeſon-
dere die Gewaͤchſe aus den benachbarten Gebirgen
und Gegenden zuſammentragen mußte.


Ich wurde nehmlich die natuͤrliche ſtarke Ver-
mehrung vieler Gewaͤchſe durch den Moos gewahr,
von denen mir vorher noch wenig bekannt war.
Die Farnkraͤuter **) waren unter andern die erſten,
die ich unter den ſchattigen Klippen, aus den mit
Moos ganz ausgefuͤllten Spalten und Hoͤhlungen
der Steine um die Quellen herausziehen konnte,
beſonders das Engelſuͤß ***), die Mauerraute †)
den rothen Steinbrech ††), das Milzkraut †††)
und andre kleine Arten des Steinfarns ††††). Dieſe
und
[96] und mehrere hatten mit ihren feinen Haarwurzeln
den Moos uͤberall ſo dichte durchwachſen und ſo
feſte zuſammengeſponnen, daß man ſie ohne zu zer-
reißen, nicht auseinander wickeln konnte. Zuwei-
len waren dieſe in Moos verwachſene Wurzeln zu-
gleich mit einer zwiſchen den Felſen mit dem Waſſer
herausdringenden zart aufgeloͤßten feinen kalkichten,
thonichten oder einer andern topfſteinartigen Erde
vermiſcht und uͤberzogen, zwiſchen welche ſie ſich
dergeſtalt, gleich einem im Waſſer aufgeloͤßten
Gipſe dazwiſchen eingeſenket, daß ſie den ſonſt be-
kannten incruſtirten Mooſe nicht unaͤhnlich gewor-
den, und davon noch weniger zu trennen waren.
Uebrigens hatte Wurzel und Moos in ſolchen Tuff-
ſteinartigen Ballen Feuchtigkeit genug, auch junge
Blaͤtter getrieben. In dieſen gedoppelten Zuſtande
nahm ich viele von dergleichen Wurzelklumpen mit
mir, und pflanzte ſie an einen ſchattigen feuchten
Ort in gedachten Gaͤrten, wo ſie gut fortgewach-
ſen ſind.


Nach dieſer Zeit begegneten mir nicht nur kurz
vorher angezeigte Pflanzen im Moos, nebſt andern
Stauden und einigen Holzarten von mittelmaͤßiger
Groͤße a), welche in der Bluͤthe ſtunden, die ich b)
mit
[97] mit ſammt den Moosballen mit mir nahm, und mit
gleichem guten Erfolg verpflanzte. Zuweilen
machte dieſer Moos eine ſehr hohe, feſte, lockere
aber filzige Decke uͤber die Felſen, wo er ihre Ri-
tzen und groͤßere Spalten ausfuͤllte, und eine ge-
ringe Unterlage von einer von vergangenen Moos-
wurzeln entſtandenen ſehr feinen Erde hatte. Die
zwiſchen ſolchen Felſen und Huͤgeln gelegenen torfi-
gen Abgruͤnde waren gleichfals ungemein hoch
mit einem ſolchen Mooſe uͤberzogen, und nur Gras,
Kraͤutern, Strauchwerk und jungen Baͤumen c)
von 4, 6 bis 7 Fuß lang dergeſtalt bewachſen, daß
ich ſie mit ſammt dem Mooſe, worinnen ſie ſtunden,
gleich als mit einem Pelze, auf einmahl davon fleck-
weiſe abziehen konnte.


Da ich aber das, was ich eben geſagt habe,
einſtmals in einem etwas weitlaͤuftigen Sumpfe d)
thun wollte, entbloͤßte ich auf einmahl einen ziemli-
chen großen Platz von ſeiner Moosdecke, welche
mit niedrigen Strauchwerke e) ganz durchflochten
war, und es kam bey naͤherer Unterſuchung unter
dieſem dichten Mooſe eine ſtarke Lage von einer naſ-
ſen,
G
[98] ſen, ſchmierigen und ſchneeweißen feinen Erde zum
Vorſchein, die ſich in der Tiefe eines Fußes faſt
uͤber den ganzen Sumpf erſtreckte. Von dieſer
Erde nahm ich ſo viel mit mir, als ich fortbringen
konnte, und da ſie ſowohl an meinen Haͤnden in der
Luft, als in den Papieren an der Luft trocken ge-
worden war, und in kurzer Zeit eine vortrefliche
der Schmalte gleichende blaue Farbe angenommen
hatte, erkannte ich ſie nachhero gar bald vor eben
diejenige, von welcher Herr Hofrath Springsfeldf)
unter der Benennung der Eccartsbergiſchen Erde
eine beſondere Nachricht gegeben, die er neſterweiſe
unter dem Schwefelkieſe angetroffen, und gefunden,
daß ihre blaue Farbe vom Eiſen abſtamme, wie denn
auch der verſtorbene Herr Bergrath Lehmanng) faſt
eine dergleichen Erde aufuͤhret, die im Centner 25
Pf. Eiſen gehalten haben ſoll. Das folgende Jahr
habe ich durch einen aͤhnlichen Umſtand eben der-
gleichen Erde im hohen Boͤhmiſchen Gebirge, in
einem Moosbruche entdecket h), und in der Neu-
mark und Pommern findet ſie ſich auch hin und
wieder, aber nur mit einem wenigen Eiſengehalte.


Sehr viele von ſolchen mit dem Mooſe in ei-
nen Filz feſt verwachſene Pflanzen brachte ich da-
mals nach den botaniſchen Garten zu Leipzig, wo
ich
[99] ich ſie bey einem guten Wachsthume ſo lange er-
hielt, bis ſich endlich entweder die Ameiſen zu ſtark
einniſteten, oder die gemeinen Gartenkroͤten ſie ſo un-
terwuͤhlten, daß ſie verdorren mußten. Die oͤftern
Beobachtungen uͤber dergleichen wilde Pflanzen
ſetzten mich unterdeſſen im Stand, daß ich nicht
nur dieſen uͤbeln Zufaͤllen vorkommen, ſondern auch
uͤber die Unterhaltung mancherley Gewaͤchſe im
Mooſe ordentliche und ſichere Verſuche anſtellen
konnte. Dergleichen habe ich hernach ſeit 1736,
bis auf dieſen jetzigen Fruͤhling, mit allen Veraͤnde-
rungen immer abwechſelnd fortgeſetzt, dazu allerley
Gewaͤchſe angewendet, und ſolche ſowohl aus Saa-
men als Wurzeln im Waſſer- und Erdmooſen
erzogen.


Zu dieſem Ende habe ich jaͤhrlich die erforder-
liche Menge von ſolchen dazu ſchicklichen Arten des
Mooſes zuſammenbringen laſſen, welche zu Haupt-
verſuchen zuweilen ſehr viel ausmachte. Dieſe
wurde von Schlamm, Sand, Wurzel- und Blaͤt-
terwerk gereiniget, und bald friſch, bald lufttrocken,
gebraucht.


Um den verſchiedenen nahrhaften Gehalt dieſer
oder jener Moosart zu erfahren, laugte ich ſelbige mit
Waſſer ſo lange aus, als die zwiſchen denſelben be-
findliche feine erdigſalzige, ſchleimige und brenn-
bare Materie das Waſſer faͤrben, und noch einige
Spuren geben wollte, und machte dieſes ausge-
laugte Weſen durch ſehr gelindes Abdampfen zu
G 2einem
[100] einem Extrakte, ich deſtillirte es, und verfuhr ſonſt
in allem dabey, wie ſchon vor mir der fleißige Kuͤl-
bel
mit ſeinen Erden gethan hatte. Die verſchie-
dene Beſchaffenheit und Menge der naͤhrenden Ma-
terie des Mooſes wird nach dem Unterſchiede der
Oerter und ihrer Lage immer betraͤchtlich, und iſt
der Pflege halber, welche die in den Moos geſaͤeten
oder gepflanzten Gewaͤchſe haben, wohl in Betrach-
tung zu ziehen.


Nach eben dieſen Unterſchieden, findet ſich
außer der kurz vorher angefuͤhrten nahrhaften Ma-
terie, die ſich von Zeit zu Zeit in dem dicken Mooſe
angeſammlet, noch eine groͤbere Erde mit Salz ver-
miſcht, nebſt einem feinen Schlamme und viel oder
weniger von andern halb vererdeten Ueberbleibſeln
darinnen, nachdem nehmlich Wind, Regen und Ue-
berſchwemmung, nebſt den kleinen Thieren und dem
Ungeziefer, viel oder wenig zufuͤhren und darinnen
abſetzen koͤnnen. Alles dieſes muß in der Folge
endlich dazu dienen, daß es, mit den unterſten abge-
ſtorbenen Enden der Mooswurzeln, mit der Zeit
eine neue und feine Erdlage bilden hilft.


Damit ſich aber meine ſchon oft angefuͤhrten
Verſuche auf alle natuͤrlichen Klaſſen der Gewaͤchſe
gehoͤrig ausbreiten moͤchten, ſo habe ich auch faſt
alle zu der Zeit in den botaniſchen Gaͤrten befindli-
che, und ſonſt andere, außer den wilden vor den
uͤbrigen ſonſt ſchwer zu cultivirenden Waſſer-
und Bergpflanzen, ſo lange in dem Mooſe zu un-
ter-
[101] terhalten geſucht, als es zu meinen Abſichten noͤ-
thig geweſen. Wie ich denn die Gewaͤchſe aus den
Luſt-Kuͤchen- und Baumgaͤrten, nebſt den Getreide-
arten, dazu nach und nach dergeſtalt angewendet ha-
be, daß ich faſt nicht weiß, ob mir damals noch
viele von bekannten gangbaren fremden und einhei-
miſchen zu verſuchen uͤbrig geblieben ſeyn ſollten.
Zu geſchweigen, daß ich ſehr viele zu unterhalten
nicht einmahl noͤthig gefunden, weil ich ſie wider
meinen Willen dabey eben ſo wenig habe ganz aus-
rotten koͤnnen, als die Gaͤrtner das gemeine Un-
kraut. Denn viele kamen aus ihren Saamen von
ſelbſt zum Vorſchein, ſowohl aus dem trocknen
Sandboden als aus ſtrengen Acker, daß ich genug
zu vertilgen hatte.


Die ſeltenern Waſſer- und Berggewaͤchſe, die
ſich in den botaniſchen Gaͤrten ſonſt ſo ſchwer unter-
halten laſſen, daß ſie auch deshalb ſehr ſelten vor-
kommen, weil ſich kein Gaͤrtner leicht daran wagen
will, habe ich bey dieſen Verſuchen etwas genauer
kennen lernen, als vorher, und in Abſicht auf man-
che phyſikaliſche und oͤkonomiſche Umſtaͤnde weit
nuͤtzlicher befunden, als ich zuvor gewußt hatte.


Die meiſten Arten von unſern Erd- und Waſ-
ſermooſen habe ich zwar zu meinen Verſuchen eben
ſo geſchickt befunden, als ſie im natuͤrlichen Zuſtan-
de ſind, doch immer die eine mehr fuͤr der andern,
da ſowohl das Saͤen und Pflanzen der Gewaͤchſe
immer ſeine beſondern und verſchiedenen Arten von
G 3ſelbſt
[102] ſelbſt anzeiget. Die langen kriechenden, reinen
und weichen an der Luft wohl getrockneten Mooſe i)
deren ſich die Brunnenmacher insbeſondere bedie-
nen, habe ich vor den uͤbrigen am geſchickteſten be-
funden. Dieſe wachſen in ſchattigen feuchten Wal-
dungen, auf niedrigen Wieſen, in ſtehenden Waſ-
ſern, Teichen und Graͤben. Sie ziehen einen ge-
wiſſen Theil der Feuchtigkeit allmaͤhlich in ſich, wie
ein baumwollnes Lampendocht, und laſſen das uͤber-
fluͤßige bald wieder von ſich. Dabey ſind ſie weich
und locker, ſie muͤßten denn ſehr derb zuſammenge-
druͤckt worden ſeyn.


Unter den Erdmooſen giebt es andere, welche
mit Stengel und Blaͤtter gleich gerade auf und ſehr
dichte wachſen, wie eine Buͤrſte, dabey ſie eben ſo
ſteif, hart und ſtruppich gefunden werden, und
ganze erhabene feſte Raſenſtuͤcken bilden, auf wel-
chen das Waſſer ablaͤuft und der kleine und leichte
Saame abgeſpuͤlet wird, daß ſie auch einige Zeit
trocken bleiben, ehe die Feuchte eindringen kann,
weshalb das Moos- und Streurechen zuweilen be-
ſonders in den Holzſchlaͤgen erlaubet werden muß.
Sie finden ſich ſehr haͤufig auf hohen und trocknen
Heiden, zwiſchen dem Heidekraute und im Sand-
boden, und ſchicken ſich zur natuͤrlichen und kuͤnſtli-
chen Beſaamung und Verpflanzung der Gewaͤchſe
viel weniger, als die vorigen, außer, wo ſie ſehr
feucht und ſchattig ſtehen, da ich denn 2, 3jaͤhrige
Eichen
[103] Eichen und Fichten darinnen gefunden habe, deren
Pfahlwurzeln bereits tief durch ſie hindurch in den
unterliegenden Waldboden eingedrungen waren.


In der Mitte des Octobers ließ ich insgemein
den zu meinen Verſuchen noͤthigen Vorrath von
weichen lockern Mooſen einſammlen, an einem war-
men erhabenen Orte ausbreiten und ſo lange wen-
den, bis er an der Sonne trocken geworden war,
worauf er auf einen luftigen Boden verwahret
wurde. Wenn ich aber mitten im Witter daran
einigen Mangel hatte, ließ ich mir dergleichen von
Brunnenmachern holen.


Bey dem Verwahren des oft erwaͤhnten Moo-
ſes auf einem luftig und warmgelegenen Boden
eines Gartenhauſes, bekam ich eine Kenntniß von
etwas beſondern, daran ich damahls am wenigſten
dachte, daß nehmlich die großen rauchen gelbbrau-
nen Erdbienen, die man ſonſt Hummeln nennet,
und an den etwas erhabenen Wieſenraͤndern, den
Feldraͤumen, an und zwiſchen den Feldhecken, 1—½
Fuß tief in der tragbaren Erde, unter den Baum-
wurzeln und ſonſt in flachen mit Moos ausgefuͤllten
Gruben, in den trocknen Waͤldern zu finden ge-
wohnt iſt, daß eben dieſe Bienen, auch in den
Moos auf den Boden ihren Stand nehmen. Sie
hatten aber ein ſo ſtarkes Neſt daſelbſt gebauet, wo-
rinnen man das Volk ohne die Brut, im Monat
Juli ſchon an 6 bis 700 rechnen konnte, da ſonſt ihre
Schwaͤrme ungemein ſchwach im Juli ſind. Der
G 4Um-
[104] Umſtand gab indeſſen Gelegenheit, daß ich mit eben
dieſer wilden Bienenart, wie mit der allergroͤßten
ſchwarzgelben, von 1745 an bis 1748 jaͤhrlich
Verſuche machte, bey welchen mir der Moos tref-
lich zu ſtatten kam.


Meine allererſten Verſuche, zu welchen ich
das Moos in ſo betraͤchtlicher Menge einſammlen
ließ, ſtellte ich in der Mark Brandenburg mit
Saͤen und Pflanzen der Gewaͤchſe, in den ehema-
ligen botaniſchen Garten des Herrn von Ziethen zu
Trebnitz an, und folglich unter den Augen eines
ſehr großen Kenners von Gewaͤchſen und ihrer Un-
terhaltung. Dieſes geſchahe zur Herbſtzeit, mit
aller Aufmerkſamkeit und Ordnung, und ich waͤhlte
gleich zum Anfang die Gewaͤchſe dazu, die nach
meinem Beduͤnken dazu die geſchickteſten ſeyn konn-
ten, nehmlich die ſchoͤnen Varietaͤten von Anemo-
nen und Ranunkeln, Zwiebel- und Knoilengewaͤch-
ſen, nebſt andern, die man ſonſt zur Winterszeit
auf Glaͤſern im Waſſer zu treiben pfleget. Dieſe
alle legte ich in Gartentoͤpfe, die mit lockern oder
derbern Mooſe gefuͤllet waren.


Dieſen folgten andere fruͤhe Fruͤhlingsgewaͤchſe
als niedrige Grides, Croci, Narciſſi, Hyacinthi,
Amaryllis formoſiſſima,
Erdbeeren, Primeln, Au-
rikeln, nebſt etlichen Aloes und andern ſaftreichen,
zwiſchen der Linie und beyden Tropicis wachſenden
und bey uns 2mahl bluͤhenden Gewaͤchſen, wie es
etwa ſonſt der Raum der Gewaͤchs- und Treibhaͤu-
ſer
[105] ſer verſtatten wollte. Jede Art erforderte eine aͤhn-
liche Aufſicht und Pflege, als ob ſie in der Erde er-
zogen wuͤrde.


Noch vor Eintritt des Winters pflanzte ich
kleine Orangebaͤume, Jaſmine, Paßionsblumen,
fruͤhe Kirſchen, Zwergmandeln, Pfirſchen, Apri-
coſen und Pflaumenbaͤume, in dieſen Moos, mit
deſſen Ausgang hingegen, verſchiedene Species
von Aloes, Cacto, Meſembryanthemo, Euphor-
bia, Craſſula, Stapelia, Cotyledoniaus,
Garten-
nelken, Coffeebaͤumen, Piſang, Ananaſſen, und
von fremden Geraniis. Ich ſteckte allerhand Gar-
tenerbſen, ſaͤete Kuͤchenkraͤuter und einige Getrei-
dearten, und kurz ſolche Gewaͤchſe, von welchen ich
wahrſcheinlich wiſſen konnte, daß ich ihnen in
dem Mooſe hinreichende Nahrung zu verſchaffen
im Stande waͤre.


Mit dieſen und dergleichen Anſtalten fuhr ich
jaͤhrlich mit gutem Erfolg abwechſelnd fort, bis ich
endlich weiter mit Abſenken, Ablegen und mit Ab-
ſchnitten von vielen Gewaͤchſen auch Verſuche
machte, wie es ſonſt in der Erde damit zu geſchehen
pflegt. Den Beſchluß dieſer Verſuche machte ich
im Trebnitzer Garten, mit etlichen gemeinen Kuͤ-
chengewaͤchſen, als Salat, Gurken, Peterſilie,
auch Coloquinthen, und endlich mit der Tannen-
und Fichtenſaat.


Das, was ich hier erzaͤhle, brachte mich her-
nach auf den Einfall, in folgenden Jahren zu Ber-
G 5lin
[106] lin einen kleinen Moosgarten anzulegen, welchen
ich wieder aufheben konnte, wenn ich wollte. Hier
waͤhlte ich wegen Abzug der Feuchtigkeiten einen
Platz von 30 Fuß lang und 17 Fuß breit, welcher
ein gutes feſtes Steinpflaſter hatte, und etwas
ſchraͤg war, ſo gut, als ich ihn dazu bekommen
konnte, und ließ ihn mit reinen weißen Sande be-
ſtreuen. Die dazu tauglichen Gewaͤchsarten wa-
ren ſaͤmmtlich von ſolcher Beſchaffenheit, daß ſie
nur flache Wurzeln trieben, die uͤber dem Stein-
pflaſter ſich uͤberall in den Moos verbreiteten. Die-
ſen Platz uͤberdeckte ich mit Moos, faſt einen
Schuh hoch, und theilte ihn durch lange befeſtigte
quer darauf gelegte Latten in lauter ſchmale Bee-
ten, wodurch der Moos etwas derber zu liegen
kam, die Steige hingegen zwiſchen dieſen Moos-
beeten blieben blos. Den Platz verſahe ich end-
lich mit einem niedrigen hoͤlzernen Gitterwerke, und
richtete ihn ſo ein, daß ich die Natur ſo viel moͤg-
lich eben ſo nachahmen konnte, als ob ich in die
Erde haͤtte ſaͤen und pflanzen wollen.


Ueberhaupt ſtellete ich ſowohl bey dieſen letz-
tern, als allen uͤbrigen Verſuchen mit den Gewaͤch-
ſen, eine genauere Wahl an, und beurtheilte ſie
jederzeit, der Pflege halber, nach ihrem verſchiede-
nen natuͤrlichen Stande, welchen ſie in verſchiede-
nem Grunde und abwechſelnder Lage von ſelbſt
nehmen. Denn nach ſelbigen muͤſſen ſie auch be-
handelt werden, wenn man ſie auf eine ſolche Art
unter-
[107] unterhalten will, daß ſie in dem Mooſe nicht
ſchlechter werden, als ſie in der Erde gefunden
werden. Es fallen aber auch bey einem ſolchen
Verfahren ungemein viele Hinderniſſe weg, wo-
durch die Verſuche in den Garten ſonſt aufgehal-
ten, erſchweret oder gar vereitelt werden.


So wie nun eine richtige Kenntniß der natuͤr-
lichen Standoͤrter der Gewaͤchſe, unter ihren Him-
melsſtrichen, hier alle Vortheile verſchaffet, ſo iſt
auch die Vernachlaͤßigung und Unwiſſenheit derſel-
ben, bey den gemeinen ſogenannten Kunſt- und Luſt-
gaͤrtnern und andern Liebhabern zeithero noch im-
mer eine dieſer Urſachen geweſen, warum ſie ſich
an die Cultur der Gewaͤchſe im Mooſe noch nicht
haben machen wollen. Faſt aus aͤhnlichen Urſa-
chen haben ſie manche ſchoͤne und ſeltene Gewaͤchſe
in der Erde weit muͤhſamer, und mit einen weit
ſchlechtern Gluͤcke zu erziehen geſucht, die ſowohl
im Mooſe weit geſchwinder wuͤrden fortgewachſen
ſeyn, als ſie darinnen eine laͤngere Dauer gehabt
haben wuͤrden.


Manche Gewaͤchſe haben ſie außer dem Mooſe
gar nicht unterhalten koͤnnen, und folglich derglei-
chen zu ziehen vor unmoͤglich gehalten, welches ſie
vielleicht auch wirklich ſeyn wuͤrden, wenn ſie bloß
unter ſolchen Leuten ohne weitere Anwendung haͤt-
ten bleiben ſollen. Die botaniſchen Gaͤrten haben
deshalb manches nuͤtzliche Gewaͤchſe verlohren, und
wie viele muß man nicht noch immer entbehren, die
zu
[108] zu Erlaͤuterung wichtiger Wahrheiten dienen koͤnn-
ten, und von welchen man zuverlaͤßig weiß, daß
ihre Unterhaltung durchaus im Mooſe geſche-
hen muß.


Aus Vergleichung des natuͤrlichen Standes,
welchen die Gewaͤchſe in verſchiedenem Grunde ab-
wechſelnd nehmen, mit denen daher entſpringenden
Veraͤnderungen, die man unter jedem Himmelsſtrich
an denſelbigen wahrnimmt, kann man von gewiſſen
Arten zum voraus ſchon ziemlich wiſſen, ob ſie in
lockern, weichen und immer feuchten Mooſe fort-
kommen und ſich darinnen erhalten werden. Faſt
alle Pflanzen, die einen dergleichen aͤhnlichen lockern
fruchtbaren und maͤßig feuchten Boden lieben, wie
er auf vielen guten Wieſen iſt, ſchicken ſich vor den
Moos viel beſſer, als andre. Denn ein ſolcher Bo-
den nimmt, wie der Moos, nicht nur faſt die allermei-
ſten an, ſondern er erhaͤlt ſie auch in ihren erſten
Wachsthume und ſo lange ſie jung ſind, und giebt
ihnen genugſame Nahrung, obgleich das zuneh-
mende Alter hernach bey vielen, wenn ſie ordentlich
bluͤhen und vollkommene Fruͤchte zur Reife bringen
ſollen, mehrere Nahrung, einen viel derbern
Grund und noch mehrere Umſtaͤnde erfordert, als
von welchen allen die Verſuche hinreichende Gewiß-
heit geben.


Mit der Unterhaltung der Gewaͤchſe im Moos
hat es im Fruͤhlinge, Sommer und Herbſt weniger
Schwierigkeit, dagegen man im Winter bey den
nie-
[109] niedrigſten Sonnenſtande deſto aufmerkſamer ſeyn
muß, weil der Moos alsdenn ſeine Feuchtigkeit nur
bis auf einen gewiſſen Grad behalten und verlieren
muß, ohne zu ſtocken und zu ſchimmeln, oder aber zu
ſtark einzutrocknen. Der Mangel des Zuganges
einer reinen und freyen Luft iſt alsdenn zu be-
traͤchtlich, ſo wie die Einrichtung des rechten Gra-
des der Waͤrme.


Gewaͤchſe aus derben fetten Thon, oder lei-
migen, zaͤhen und gruſigen, oder ſteinigten Boden,
wie auch die, welche einen trocknern, erhabenen,
kalkſteinigen Boden lieben, oder faſt in einem blo-
ſen Sande wachſen, machen hier faſt eben ſo man-
cherley Ausnahmen, als andere, deren Wurzeln in
der einen Jahreszeit eine beſtaͤndige Naͤſſe, in der
andern eine ziemlich anhaltende aber doch mehrere
Trockne erfordern. Denn faſt ein jeder Boden un-
terhaͤlt ſeine eigene Gewaͤchſe, die er ſelbſt hervor-
bringet, welcher Umſtand bey andern mehr ver-
miſchten Erdſchichten nicht immer von einerley
Wichtigkeit iſt. Wenn nun eine oder die andere
Art des Bodens merklich veraͤndert wird, leiden
natuͤrlicherweiſe deſſen Gewaͤchſe ihre eigene Ver-
aͤnderung; er darf nur lockerer oder derber, feuch-
ter oder trockner, kaͤlter oder waͤrmer, magerer oder
fetter werden, als er vorher war, ſo werden ſich
die Veraͤnderungen an den Gewaͤchſen bald zeigen,
ſo wie alsdenn einige etwas freudiger wachſen, an-
dere darinnen fortzuwachſen, oder gut zu wachſen,
oder
[110] oder gar zu leben aufhoͤren und ſich verlieren wer-
den. Viele werden ſchlecht und kommen in ihrer
Entwickelung kaum bis zur Haͤlfte; zur Bluͤthe
und Frucht kommen auch bisweilen nur wenige, wel-
ches die wilden Holzarten genugſam beweiſen, wenn
ſie ſich in ihren natuͤrlichen Standorten nicht befin-
den, ſondern durch Zufaͤlle außer demſelben aufge-
wachſen ſind. Zu allen vorangefuͤhrten Umſtaͤn-
den kommen noch die fruchtbaren oder unfruchtba-
ren Erdſchichten von Thon, Sand, Leimen, Stein-
baͤnken, Klippen, Moraſt, Torf, Kalk und kalten
Quellen, welche unmittelbar unter der Dammerde
liegen.


Alle Verſchiedenheiten, die den natuͤrlichen
Stand der Gewaͤchſe betreffen, wovon die gemei-
nen Gaͤrtner ſo ſchlechte Kenntniſſe haben, muͤſſen
bey der Saat, Pflanzung, Verpflegung und Dauer
derſelben in dem Mooſe, in Betrachtung gezogen
werden, wenn man etwas nuͤtzliches dabey ausrich-
ten will. Denn ihre Unterhaltung ſoll der natuͤrli-
chen ſo aͤhnlich als moͤglich, ſeyn, und dennoch wer-
den ſich Veraͤnderungen finden, denen auf keine
Weiſe vorzubeugen ſteht.


Die kleinen, feinen, und viele jaͤhrliche Pflan-
zen, deren zarte Haarwurzeln uͤberall flach durch
den lockern, feuchten und weichen Moos laufen,
und ihn in Klumpen zuſammenſpinnen, kommen
darinnen beſſer fort, als die großen Straͤucher
und Baͤume. Denn die erſten haben fuͤr ihre kurze
Dauer,
[111] Dauer, zur Vollkommenheit des Saamens, Nah-
rung genug. Zwar halten ſich groͤßere junge Baͤu-
me von 10 bis 15 Schuhe hoch, in dem Mooſe
uͤberaus gut, wenn ſie auch lange Pfahlwurzeln,
und viele Seiten- und Thauwurzeln treiben. Al-
lein ſie zehren die in dem Mooſe angeſammlete nahr-
hafte Materie gar zu geſchwind aus, und umſpin-
nen den ganzen Klumpen Moos, in welchen ſie
wurzeln, gar bald zuſammen, wenn ihre Wurzeln
in große Kaſten, Gartentoͤpfe, oder auch zwiſchen
den Felſen eingeſchloſſen ſind. Wo alſo ihr erſter
ſchoͤner Trieb, welcher insgemein der ſtaͤrkſte iſt,
nicht ſchwach werden oder gar aufhoͤren ſoll, haben
ſie einen beſtaͤndigen reinen Zufluß von der naͤhren-
den Materie noͤthig, und die im Garten unterhal-
ten werden, muͤſſen zu dem Ende fleißiger ver-
pflanzt werden, als andere. Die wilden haben
dieſe Vorſorge nicht noͤthig, da ſich die Wurzeln
ſelbſt Nahrung und anſtaͤndigen Grund zu ſuchen
im Stande ſind.


Der groͤßte Theil von hohen Afrikaniſchen,
Suͤdamerikaniſchen und den uͤbrigen ſaftreichen In-
dianiſchen Stauden und andern Gewaͤchſen, haͤlt
ſich in einen maͤßig feuchten, recht lockern Mooſe,
bey einem hohen Grade der Waͤrme, ſehr wohl, er
zeiget ein lebhaftes Wachsthum, vertraͤgt aber ei-
nen beſtaͤndig naßkalten, derb zuſammengedruͤckten
groben Moos, in einer kuͤhlen Witterung uͤberaus
ſchlecht. Man kann dergleichen Gewaͤchsarten,
wenn
[112] wenn ſie ſaftreich ſind, viel mehr trocken, und zwar
weit trockner, auch viel laͤnger, als in der Erde, er-
halten. Die Waͤrme kann dabey in unſern Win-
terhaͤuſern gleichwohl betraͤchtlich ſeyn, ohne daß
man ſie zu begieſſen noͤthig haͤtte, ſie muͤſten denn an-
fangen, im Winter zu bluͤhen, und dazu ſtarke
Stengel zu treiben, wie es oͤfters von Capiſchen und
Tropickſchen Gewaͤchſen beym allerniedrigſten Son-
nenſtande geſchiehet.


Wenn die Sommerpflanzen ſtark treiben, und
mit ihrer Menge von faſrigen Wurzeln den Moos
zu geſchwind ausſaugen, als ſie ſonſt in der aller-
fruchtbarſten Erde thun, daß ſie nehmlich in ihrem
Wachsthume auf einmahl einhalten, ehe ſie zur
Bluͤthe und Frucht gelangen koͤnnen; ſo muͤſſen ſie
ſogleich in friſchen Moos verpflanzet werden, und
ſollte es auch in einem halben Jahre 2mahl geſche-
hen. Andere Pflanzen ſaugen den Moos nicht ſo
geſchwind oder auf einmahl aus, wie jene. Doch
wird der Moos durch das ſtarke Ausſaugen derma-
ßen veraͤndert, daß er ſeine ſchoͤne gruͤne Farbe in
eine dunkle verwandelt, ſein voriges ſanftes weiches
gelindes Weſen verlieret, und ganz hart, ſproͤde
und dermaßen bruͤchig wird, daß man ihn, wenn
er etwas trocken geworden iſt, zwiſchen den Fingern
leicht in ein Pulver zerreiben kann.


Faſt alle Mittelgewaͤchſe, junge Baͤume und
Holzarten, wachſen anfangs ſehr gerne und freudig
in einem ſolchen weichen und feuchten Mooſe, aus
Saa-
[113] Saamen und Pflanzen, welchen die Witterung und
Tagewaſſer ſeit einiger Zeit eine Menge naͤhrender
Materie mit der Feuchte zugefuͤhret haben, daß er
davon gleichſam aufgetrieben und fett worden iſt.
Sie machen den erſten Trieb darinnen recht natuͤr-
lich und ſchoͤn, ſaugen aber den in Kaſten und Blu-
mentoͤpfe eingedruͤckten Moos ebenfalls geſchwind
aus, wenn er durch keinen Zufluß unterhalten oder
durch keinen gekuͤnſtelten duͤngenden Guß erſetzt
werden kann, außerdem fangen ſie an merklich zu
ſchmachten. Je mehr ſie auch an Groͤße und Alter
darinnen zunehmen, je derber muß der Moos nach
und nach um und zwiſchen ihren Wurzeln ſeyn.
Sie wachſen alsdenn zwar wieder von neuen, aber
wegen ermangelnder Nahrung, dennoch mit ſchwaͤ-
chern kleinern Trieben als in dem freyen Mooſe,
oder in der Erde, wo ſie weiter auslaufen koͤnnen.
Wenn auch gleich eine Bluͤthe erfolgen ſollte, ſo
vergehet ſie, ohne eine Frucht anzuſetzen, oder der-
gleichen zur Reife zu bringen.


Will man alſo an ſolchen Gewaͤchſen reife
und vollkommene Fruͤchte oder Saamen ſehen, muß
man ihren Wurzeln Platz verſchaffen, daß ſie ſich
in dem Mooſe weiter ausbreiten, verſtaͤrken, und
mehrere Nahrung an ſich ziehen koͤnnen. Der
Moos ſelbſt muß dichter und derber gemacht wer-
den, damit er demjenigen feſten Boden ziemlich
gleich koͤmmt, in welchen ſie ſonſt ihren natuͤrlichen
Stand haben, wenn ſie geſchickt werden ſollen
HFruͤchte
[114] Fruͤchte zu tragen. Um aber die Nahrung dem
Mooſe hinreichend zu geben, die er dazu haben
muß, ſo bedienet man ſich dazu eines ſo genannten
Guſſes, das iſt eine Lauge von wohl verfaulten
Hornſpaͤnen, Schaaf- Kuh- oder auch Tauben-
und Huͤhnermiſte, wie ihn etwa die Gaͤrtner den
Orangebaͤumen ſonſt zu geben pflegen. Dieſe Lau-
ge muß ſehr verduͤnnet, und uͤberaus maͤßig ge-
braucht werden, und ſo oft man ſie noͤthig findet, mit
dem Waſſer, jedoch einen ſehr geringen Zuſatz gemiſcht
werden. Außer einem ſolchen Zuſatze, und einem
fleißigen Verſetzen, richtet man wenig aus, als daß
man ſolche Gewaͤchſe zwar bey einer geringen Kraft,
beym Leben, aber auch in einer beſtaͤndigen Un-
fruchtbarkeit erhaͤlt, da das bloße Waſſer, zu einer
vollſtaͤndigen Entwickelung bey den meiſten Erdge-
waͤchſen bis zur ganz vollkommnen reifen Frucht,
nicht hinreichend ſeyn will. Man muß deshalb
den ſo oft falſchverſtandenen und uͤbel angebrachten
Satz von dem Wachsthume der Blumenzwiebeln
auf dem Waſſer hierher mit Gewalt nicht ziehen.
Viele andere Gewaͤchſe haben dieſe Unterhaltungs-
art, wie ſie hier angewendet wird, nicht noͤthig.


Noch moͤchte hierbey dieſes zu erinnern ſeyn,
daß die Gewaͤchſe in dem Mooſe, entweder zu keiner
ganz außerordentlichen Jahreszeit, oder wenigſtens
mit vieler Behutſamkeit, in Wachsthum gebracht
werden ſollen, als die ihnen die natuͤrlichſte iſt,
außer
[115] außer denen, welche ſonſt vor ſich, ſehr fruͤh im
Jahre bluͤhen.


Mit der Saat auf oder in dem Moos braucht
es weniger Muͤhe und Kuͤnſte, ſie mag ſo klein,
fein oder ſtaubfoͤrmig ſeyn, wie ſie immer gefunden
wird, und wegen der großen Saamen iſt ohnehin kein
Zweifel. Nur muß kein Saamen allzutief zwiſchen
oder unter dem naßkalten und zu derbgemachten
Moos zu liegen kommen. Wenn man ſaͤen will,
werden vorher die mit Moos gehoͤrig gefuͤllten Gar-
tentoͤpfe in weiches Fließwaſſer geſetzt, und eine
lange Zeit darinnen gelaſſen, bis ſie das noͤthige
Waſſer eingeſogen haben. Alles uͤberfluͤßige laͤßt
der Moos von ſich. Die feinſten und andre ſtaub-
foͤrmigen Saamen von Tannen, Fichten, Orchis,
Aurikeln, Trachelium Serapias, werden alsdenn
nur oben darauf geſaͤet, die mittlern von Getreide,
Kohl, Gartennelken, Aepfel und Birnen, kommen
etwas tiefer, und die großen, als Kerne, Eicheln,
Nuͤſſe, Mandeln und dergleichen, bringet man un-
ter eine 1 bis 1½zoͤllige Lage von Moos.


Wie nun, laut Anzeige der Acker- und Garten-
beſtellung, und der natuͤrlichen Beſaamung aller
Gewaͤchſe, insbeſondere auch des Anflugs von jun-
gen Holze, alle junge Saatpflanzen zu ihrem Fort-
kommen gleich anfangs einen leichten, lockern, ge-
maͤßigt feuchten Boden erfordern, ſo wachſen auch
alle junge Pflanzen, deren man ſich nur entſinnen
kann, die erſten Jahre im Mooſe uͤberaus lebhaft,
H 2weil
[116] weil ſie vor dem erſten Zeitpunkte ihrer Ausbildung
hinreichende und zarte Nahrungstheile genug darin-
nen finden. Wenn ſie aber ihr Wachsthum wei-
ter fortſetzen ſollen, und ſtark und tragbar werden,
kann ſie der Moos, zumahl in Toͤpfen, nicht mehr
gehoͤrig unterhalten, und ihnen die Menge von ei-
ner fetten und haͤufigen Nahrung verſchaffen, der-
gleichen ſie in einem guten Erdreiche haben koͤnnen.
Sie bleiben auch deswegen im Wachsthume gegen
andere ſehr weit zuruͤcke, weil das Ausdampfen
und Einſaugen ſolcher Gewaͤchſe, in dem kuͤhlen
und naſſen Mooſe, faſt niemahls ſo lebhaft werden
kann, als wenn ſie in einen freyen und warmen
Grunde unterhalten wuͤrden, man muͤßte denn der-
gleichen, durch eine gekuͤnſtelte und verſtaͤrkte Waͤr-
me, auf einige Zeit zu befoͤrdern ſuchen, wie es
bey einigen mit Vortheil geſchiehet. Denn ein an-
deres muß es ſeyn, kleinere Baͤume, Straͤucher,
und andere Gewaͤchſe in dergleichen Mooſe, oder
gar in Waſſer, nur auf einige Zeit zu erhalten, als
dieſe in ſelbigen eben ſo groß und dauerhaft zu zie-
hen, daß ſie ihre Fruͤchte truͤgen, wie ſie in der Erde
mit der Zeit zu thun im Stande ſind.


Die Waſſerbaͤume, als Ruͤſter, Erlen, Bir-
ken und Weiden, laſſen ſich freylich in dem Mooſe
am weiteſten bringen, aber nicht immer bis zu ihrer
natuͤrlichen Vollkommenheit, wie es denn die
Abſicht der Natur auch ganz und gar nicht ſeyn
kann, wenn ſie die weitlaͤuftigen Waldungen von
Tan-
[117] Tannen und Fichten auf den Moos ſaͤet. Denn
ſie giebt ihnen blos ihren erſten Aufenthalt und An-
fang zur Entwickelung darinnen; die weitere Fort-
ſetzung zur Ausbildung, bis zur natuͤrlichen Voll-
kommenheit, geſchiehet außer demſelben, und erfor-
dert einen viel reichlichern und anhaltenden Zufluß
von Nahrungstheilen.


Da nun die Baͤume, nebſt den uͤbrigen Holz-
arten und Gewaͤchſen, auch bey der kuͤnſtlichen
Saat und nachherigen Verpflanzung in dem Moos,
ihren natuͤrlichen Stand ſehr merklich vertauſchen,
ſo wie es auch aus dem einen Himmelsſtriche,
Grund und Boden in dem andern, und aus dem
Mooſe wieder abwechſelnd in die Erde allerdings
geſchiehet, ſo hat man der Erfahrung zufolge, uͤber-
haupt bey oft erwaͤhnten Verſuchen mit ſo vielerley
Gewaͤchſen, ſeinen Bedacht auf nachfolgende Um-
ſtaͤnde vor andern zu nehmen.


Nimmt man die Pflanzen dazu aus einem ſehr
ſchlammigen und lockern feuchten Grunde, der
eine ſchattige kuͤhle Lage hat, ſo iſt der gute An-
wachs im Mooſe außer Zweifel, und die Unterhal-
tung leichter, als ſonſt. Kommen ſie aber aus ei-
nem derben Erdreiche, ſo muͤſſen ſie in eben der-
gleichen derb oder derber gemachte Mooslagen ver-
ſetzt werden, als der natuͤrliche Grund geweſen,
wo ſie anders wohl unterhalten werden, und zu ihrer
rechten Vollkommenheit gebracht werden ſollen.
Sind es Bergpflanzen, aus warmen, freyen, trock-
H 3nen
[118] nen erhabenen Gegenden, ſo muß der Moos ziemlich
locker ſeyn, und weniger naß gehalten werden, um
ſie in der erſten Zeit daran zu gewoͤhnen. Außer
einer ſolchen Vorſicht, bleiben die Gewaͤchſe eine
laͤngere Zeit im Wachsthume ſtehen, und treiben her-
nach dennoch ſehr ſchwach. Es vergehen und ver-
faulen auch wohl die allerfeinſten Haarwurzeln,
daß ſie deshalb die voͤllige Nahrung verlieren, und
verdorren.


Alle Wurzeln, die zu ihrem Wachsthume eine
ſtaͤrkere Waͤrme noͤthig haben, als andere, welche
in beſtaͤndig naßen oder naßkalten Mooſe leben koͤn-
nen, oder auch ſolche, die nur zu einer gewiſſen
Jahreszeit, laͤnger, kuͤrzer, auch abwechſelnd im
Waſſer ſtehen wollen, vertragen einen ſehr derben
und naſſen Moos ſehr ungerne, wohl aber die Waſ-
ſerbaͤume und Pflanzen, auch die ſonſt auf hohen,
rauhen, kalten und mooſigen Gebuͤrgen wohnen.


Die ſehr fleiſchigen, weichen und ſaftreichen
Gewaͤchſe, ſowohl unſerer kaͤltern, als der heißern
Gegenden, ertragen die Naͤſſe des Mooſes alsdenn
am beſten, wenn man ſie in eine groͤßere Waͤrme
bringet, da ſie ſtaͤrker ausdampfen und einſaugen,
als ſie ſonſt zu thun im Stande ſind. Außerdem
ſtehen ſie bey geringerer Waͤrme, oder einer kuͤh-
len Luft und Jahreszeit, viel lieber lange trocken,
welches ſie viele Monate ohne Schaden aus-
halten.


Wenn
[119]

Wenn man nun von den Gewaͤchſen, wie
ſchon geſagt worden iſt, eine richtige Kenntniß hat,
ſo iſt man im Stande, mit ihnen in Glas-Fruͤh-
und Treibehaͤuſern, in Moos, Lohe und Miſt man-
cherley nuͤtzliche Phyſikaliſch-oͤkonomiſche Verſuche
anzuſtellen, da man denn ihren natuͤrlichen Eigen-
ſchaften und Kraͤften auf keine Weiſe gerade ent-
gegen wirket, als wenn man eine dergleichen Kennt-
niß nicht hat.


Zwiebeln und Knollen, welche wie bekannt,
wegen ihrer fleiſchigen, weichern und ſaftreichen
Beſchaffenheit, bey einer anhaltenden zu feuchten
Waͤrme, ohne abwechſelnden Zutritt einer reinen
Luft, leicht zu beſchimmeln auch gar anzufaulen
pflegen, leget man, wie die großen Kerne und
Nuͤſſe, zwiſchen die obere Lage des lockern Mooſes,
bey einem vermehrten Grade der Waͤrme, unter
den ſchon angefuͤhrten Bedingungen. Man wird,
wenn man ſie lange gut erhalten will dabey wohl
voraus ſo viel wiſſen, ob ſie viele, wenige, lange,
kurze, ſchraͤglaufende, wagerechte oder ſenkrechte,
weiche und ſchwammige Wurzeln treiben, weil man
ſich in Anſehung der Weite und Tiefe der Blumen-
toͤpfe darnach richten muß. Das Verhaͤltniß des
Mooſes gegen die Gefaͤße und Wurzeln iſt mit dem
von der Erde faſt gleich.


Wenn man pflanzet, muß der Moos fein
gleich ausgezogen werden, eben geleget und faſt eben
ſo aufgelockert ſeyn, als eine Wolle zum Spinnen, da-
H 4mit
[120] mit man ihn uͤberall zwiſchen die Hauptzweige und
Faſern der feinen und langen Wurzeln durchflechten
und ziehen kann, woraus alsdann zuletzt nach der
Groͤße der damit verdeckten Wurzel, auf der hohlen
Hand ein feſter zuſammenhaltender Moosballen ge-
macht, und mit mehrern Mooſen aͤußerlich vergroͤ-
ßert, und nach Befinden etwas zuſammengedruͤckt
werden koͤnne. Um hernach den Gewaͤchſen ihre
Befeſtigung und die ſenkrechte Lage zu verſchaffen,
ſetzet man den Ballen recht in die Mitte eines zur
Haͤlfte ſchon mit Mooſe ausgefuͤllten Gartentopfes
welchen man damit noch mehr, auch etwas derber
ausfuͤttert, und ſo lange zuſammendruͤckt, bis er ſo
vielen Moos hat, als er faſſen kann, oder ſo weit
es ſeyn muß. Alsdenn giebt man dem Gewaͤchſe
einen Stock, an welchen es ordentlich angebunden
werden kann. Doch ſoll man nicht leicht ein Ge-
waͤchſe tiefer in den Moos pflanzen, als es vorher
in der Erde geſtanden hat.


Iſt nungedachte Verpflanzung vor ſich gegan-
gen, wird der ganze Gartentopf mit dem Gewaͤchſe
in ein Faß voll weichen Fluß- oder Sumpfwaſſers
geſetzt, in welchen er ſo lange ſtehen muß, bis der
Moos nichts mehr davon in ſich ziehen kann, und
recht aufgequollen iſt. Man laͤßt ihn alsdenn her-
ausnehmen, und auf ein Paar Latten oder Steine
ſo weit wieder [ablaufen], als das Waſſer abfließen
will, und bringet ihn an den Ort ſeiner erſten Be-
ſtimmung, in Ruhe und Schatten.


Etliche
[121]

Etliche Gewaͤchsarten werden nur nach und
nach begoſſen, ohne daß man noͤthig haͤtte, ſie lange
ins Waſſer zu bringen, wenn man aber in den
Moos ſaͤet, muͤſſen die Toͤpfe mit dem Moos ſchon
im Waſſer geweſen ſeyn, welche hernach eine lange
Zeit ſtehen bleiben, ohne begoſſen zu werden, wenn
ſie zumahl kuͤhl und ſchattig und keiner großen Waͤr-
me oder heißen Witterung ausgeſetzt ſind, welches
beſonders von den weichen, ſaftigen Arten zu ver-
ſtehen iſt, da man außerdem keinem Gewaͤchſe an
Waſſer Mangel leiden laſſen muß.


Bey allen nur erwaͤhnten Umſtaͤnden moͤgte
noch folgendes wohl in Acht zu nehmen ſeyn, daß
man den Moos durch allzuſtarkes heftiges und
wiederholtes Begießen nicht auslaugen ſolle, auch
die in den Boden des Gartengefaͤßes befindliche
Oefnungen, wie ſonſt gewoͤhnlich mit Steinen oder
Scherben dergeſtalt bedecke, damit das Waſſer nur
langſam und gelinde abziehe, ohne daß das in dem
Mooſe ſchon aufgeloͤßte feine, eigentliche nahrhafte
ſchleimigſalzige fette Weſen, vor der Zeit ohne Nu-
tzen mit abgeſpuͤlet werde, wie es ſich denn ohnehin
aus dem anhaltenden Wachsthume bald zeigen muß,
ob der Moos viele oder wenige Nahrungstheile in
ſich habe. Denn ohne ſolche iſt das Waſſer nicht im
Stande, den Wachsthum allein zu unterhalten, ob
es wohl bey weichen und jungen Gewaͤchſen, einen
ſchon gebildeten Theil bis auf einen gewiſſen Grad
entwickeln, und ein Gewaͤchſe in einem ſehr mittel-
H 5maͤßi-
[122] maͤßigen Zuſtande erhalten hilft. Der Moos faͤngt
alsdenn nach und nach an zu ſchwinden, daß er
das Gefaͤß kaum noch den dritten Theil anfuͤllet,
er veraͤndert ſeine gruͤne Farbe in eine dunkle, wird
muͤrbe, ſproͤde und bruͤchig.


Sobald man aber einen anhaltenden Wachs-
thum bey den Gewaͤchſen gewahr wird, muͤſſen ſie in
einem ausgezehrten Mooſe niemahls lange ſtehen,
ſondern in friſchen Moos und etwas groͤßern Ge-
faͤßen, auch wohl wieder in die vorigen gebracht wer-
den, welches bey denen in ſtarken Wachsthum ſte-
henden, oder gar zur Bluͤthe eilenden ſehr bald
geſchehen muß, damit ſie wieder anfangen von
neuen zu treiben. Wegen dieſer letztern Umſtaͤnde
habe ich einige ſchnellwachſende Sommergewaͤchſe,
und andere, vor ihrer Bluͤthe, in Zeit von 5
Monaten, zwey auch dreymahl verſetzen muͤſſen.
Viele andere koͤnnen dagegen 1, 3 bis 4 Jahre
ſtehen, wie man ſonſt auch mit der Verſetzung in
Erden verfaͤhret.


Das Pflanzen der Gewaͤchſe aus einen
Moos in den andern, iſt weit bequemer, als aus
einer Erde in die andere, und wird man die Jah-
reszeit dazu, wenn es ſonſt noͤthig ſeyn ſollte, ziem-
lich gleich finden. Denn man ziehet ein Ge-
waͤchſe mit ſeinen ganzen Moosballen, auf ein-
mahl aus dem Gartentopfe, und ſchneidet das aͤu-
ßerſte Netze von Wurzelfaſern auf der Oberflaͤche
des Mooſes mit einem ſehr ſcharfen Meſſer oder
einer
[123] einer groben Scheere rund herum ab, ſo tief, als
es noͤthig gefunden wird, und ſetzet ihn wieder in
friſchen Moos, daß er feſte ſtehet, und begießet ihn
etwas, oder ſetzet ihn ins Waſſer.


Auf angezeigte ſehr ſimple Weiſe bin ich mit
allen Arten der Gewaͤchſe, nach ihren Unterſchie-
den, bey der Saat, Verpflanzung und Unterhal-
tung im Mooſe verfahren, ſo lange ich noͤthig
hatte, Verſuche damit anzuſtellen, und auch ſogar
mit Orange- und etlichen Baͤumen von Steinobſt,
die eine ſo ſchickliche Groͤße hatten, daß man ſie
in Gartengefaͤßen zum Fruchttragen bringen konnte.
Bey andern war weniger Schwierigkeit. Nach
der Hand habe ich dieſe Verſuche zu Berlin von
dem Jahre 1744 an bis 1759 theils im Koͤnigl.
botaniſchen Garten, theils in meinem kleinen Gaͤrt-
chen vor mir wiederholet, auch gar ſehr mit Vor-
theil veraͤndert und erweitert, bis ich ſie endlich
von 1767 an bis 1770 zu ganz andern Abſichten
anzuwenden und zu nutzen geſucht habe.


Mit Baͤumen von Steinobſte, beſonders Kir-
ſchen, Pfirſchen und Pflaumen, auch mit ver-
ſchriebenen Indianiſchen Gewaͤchſen, machte ich
1745 bis 1747 noch wieder ganz beſondere Ver-
ſuche, die mir ſowohl gelungen, daß ich im Stande
war, dergleichen ſehen zu laſſen. Wie ich denn die
Ehre hatte, 1747 an dem Geburtstage Sr. Maje-
ſtaͤt
[124] ſtaͤt des Koͤnigs, in der Verſammlung der Koͤnigl.
Akademie eine anſehnliche Zahl ſolcher Gewaͤchſe
in ihrer Bluͤthe vorzuzeigen und dabey eine vorlaͤu-
fige Abhandlung de Cultura plantarum in muſco,
humi vices ſuſtinente
vorzuleſen, von welcher
aber der Aufſatz durch einen mir ſelbſt unbekann-
ten Zufall verlohren gegangen.




[125]

Beſchluß des Beytrages
zur
natuͤrlichen Geſchichte
der Mooſe
.



Noch an eben dieſen nur erwaͤhnten glorreichen
und feyerlichen Tage, ließen ſich Sr. Majeſtaͤt der
Koͤnig bey der Koͤnigin Frau Mutter, eine kurze
Nachricht von dieſen Verſuchen geben, und zu-
gleich die in voller Bluͤthe ſtehenden Gewaͤchſe, die
aus der Verſammlung der Akademie dahin gebracht
wurden, vorzeigen, welche ſie nicht nur mit Dero
allerhoͤchſten Beyfall betrachteten, ſondern auch
die damahls verſprochenen Fruͤchte an den Obſtbaͤu-
men bald zu ſehen wuͤnſchten. Dieſe gnaͤdigſte Er-
innerung gab mir Eifer genug, die bereits ſo weit
gebrachten Verſuche voͤllig zu Stande zu bringen.
Der Herr von Haller ſowohl, als Herr Profeſſor
Ludwig trugen ein gleiches Verlangen, dergleichen
eßbare Baumfruͤchte im Moos erzogen zu ſehen, da
ſie
[126] ſie die dabey obwaltenden Schwierigkeiten, welche
bey kleinern Zwiebel-Stauden- und Sommerge-
waͤchſen von ſelbſt wegfallen, einigermaßen vorher
ſahen. Denn es iſt gewiß, daß ein Gewaͤchs,
welches ſich unter andern in Zeit von 3, 4 bis 6
Monaten aus ſeinen Saamen bis wieder in Saa-
men entwickelt, ſeine voͤllige Nahrung in einem
friſchen Mooſe, welcher noch keine andre Gewaͤchſe
vorher getragen hat, allerdings haben koͤnne. Wenn
aber ein ſolcher Moos groͤßere Gewaͤchſe zu ernaͤh-
ren hat, dergleichen die fruchttragenden Holzarten
ſind, ſo gehoͤrt mehrere Nahrung dazu, und ein ge-
ſchicktes Verpflanzen, wenn ſelbige 2 bis 3 Jahre
nacheinander ein reifes und zuletzt ein tragbares
Holz, zu geſchweigen, wenn ſie gar vollkommen reife
und eßbare Fruͤchte bringen ſollen.


Um alſo dieſesmahl vollkommen reife Fruͤchte
von Steinobſte zu erziehen, ſo waͤhlte ich dazu 6
Stuͤck anderthalbzoͤllige junge niedrige gut oculirte
Pfirſchſtaͤmme, die ſich wegen der Wurzeln in gro-
ßen Gartentoͤpfen etwa 4½ Fuß hoch ziehen und gut
unterhalten ließen. Dieſe waren ſtark bewurzelt,
und hatten im Mooſe bereits anſehnliches und viel
junges Holz getrieben. Man hatte die Baͤumchen
vorher groͤßtentheils bis zum groͤßten Froſte jaͤhrlich
in freyer Luft unterhalten, da ſie hernach in einem
luftigen Gewaͤchshauſe unter der Orangerie aufbe-
halten, und dann und wann mit lauen Sumpfwaſſer
waren begoſſen worden.


Im
[127]

Im Februar des nehmlichen Jahres gab ich
dieſen Baͤumchen ſogleich etwas tiefere Gartentoͤpfe,
die zugleich einen ſtarken Zoll weiter waren, und
verpflanzte ſie in einen viel derber zuſammen ge-
druckten Moos, als ſie vorher geſtanden hatten, daß
alſo ſowohl die Unterlagen, als die neue Bedeckung,
auf den Seiten uͤberall dichter wurden. Ich ver-
fuhr alſo damit auf eine faſt aͤhnliche Weiſe, wie
die Gaͤrtner mit den in einer allzuleichten oder lo-
ckern Erde ſtehenden Orangebaͤumen zu thun pfle-
gen, wenn ſie allzuſtark ins Holz wachſen, ohne
Fruͤchte anzuſetzen und zu behalten, denn dazu iſt
ein fetterer und ſchwererer Grund noͤthig.


In beſagtem Zuſtande ließ ich ſie unter der
Orangerie, bis gegen Ende des folgenden Maͤrz,
da ich ſie in eine gemaͤßigte Waͤrme brachte, bey
welcher ſie bald neue Wurzeln machten, und ihre
Knospen zu oͤfnen anfingen. Nachdem ſich Laub und
Zweige vergroͤßerten, und der Trieb uͤberhaupt leb-
hafter zu werden ſchien, ſetzte ich dem vorgedachten
Sumpfwaſſer, beym Begießen, nach und nach etwas
von einer Lauge zu, die man ſonſt bey den Gaͤrtnern
einen Guß zu nennen gewohnt iſt, doch davon nur
dermaßen wenig, daß ſie durch das viele Waſſer
ſehr verduͤnnet wurde. Dieſe Lauge beſtund aus
recht fetten Schaafmiſte und recht wohl verfaulten
Hornſpaͤnen. Mit dieſer Lauge wechſelte ich beym
Begießen alſo ab, daß die Pflanzen, nach Erforde-
rung der ſtaͤrkern Verduͤnſtung, immer uͤber den 3ten,
5ten
[128] 5ten und 9ten Tag davon bekamen. Von dieſen
nahrhaften Zuſatze aͤußerte ſich die bekannte gute
Wirkung gar bald durch einen freyen Wachsthum
der Zweige, das Laub wurde groͤſſer, fetter, dun-
kelgruͤner, und weit glaͤnzender, als es ſonſt zu ſeyn
pfleget. Doch fiel im erſtern Jahre die haͤufige
Bluͤthe gaͤnzlich ab. Im folgenden hingegen, da
die Pfirſchbaͤumchen volle Wurzeln gefaßt, und die
Hauptwurzeln beſonders uͤber und uͤber mit den fein-
ſten Haar und Saugewurzeln verſehen waren, hat-
ten ſie Kraͤfte genug, ihre Bluͤthe zu behalten, und
zeitige Fruͤchte anzuſetzen.


Da nun gedachte Baͤumchen 2 Jahre lang
auf angezeigte Art gepfleget worden, daß ſie nehm-
lich die meiſte Zeit des Jahres bis zum November
bey einer warmen Lauge in freyer Luft erhalten wor-
den, hernach aber jedesmahl ihren Stand in einem
luftigen Orangehauſe erhalten hatten, bis ſie end-
lich gegen den Fruͤhling im Fruͤhhauſe durch eine
groͤßere Waͤrme zum Treiben gebracht werden konn-
ten, ſo haben ſie mit dem Anfange des 3ten Jah-
res nicht nur weit ſtaͤrker gebluͤhet, ſondern 2 Stuͤck
von dieſen Baͤumchen haben von den uͤbrigen die
meiſten und groͤßten Fruͤchte behalten, ſo daß man an
den einen 19 und an den andern 21 vollkommen reife
Fruͤchte von einem guten Geſchmacke zaͤhlen koͤn-
nen. Den 5ten July deſſelben Jahres habe ich
beyde Sr. Majeſtaͤt dem Koͤnige in Dero Zimmer
ſetzen laſſen.


So
[129]

So weit war ich alſo damahls mit dieſen mei-
nen Verſuchen gekommen, als ſich die Nachrichten
davon in den Tagebuͤchern der gelehrten Naturfor-
ſcher zu verbreiten anfingen, auch bald darauf etli-
che Verſuche von einem und dem andern wiederho-
let worden waren, unter welchen der beruͤhmte Hr.
Bonnet die beſten, meiſten und richtigſten nachge-
macht hat, daß ich dadurch der Muͤhe voͤllig uͤber-
hoben bin, davon gegenwaͤrtig weiter zu handeln,
obgleich durch die Verſuche alles dasjenige bey wei-
tem noch nicht erſchoͤpft iſt, was zu Erforſchung der
Eigenſchaften und der Nutzungsarten des Mooſes
in der großen Haushaltung der Natur noch weiter
gehoͤret. Die Anwendung gedachter vielen Verſu-
che auf die natuͤrliche Ausſaat in den Waldungen, oder
den natuͤrlichen Anflug, wovon in der Abhandlung ei-
nige Meldung geſchehen, macht unter den Vorwuͤrfen
einen der wichtigſten mit aus. Man kann bey einem
ſolchen Anfluge des wilden Holzes faſt alle moͤgliche
Beyſpiele und Erlaͤuterung der Entwickelung der
verſchiedenen Holzarten, nach ihren Graden bis
zur Vollkommenheit, wahrnehmen, wie ſich auch im
Gegentheil alle Grade der Abweichung bis ins un-
natuͤrliche und fehlerhafte, in Vermiſchung mit den
vorigen, unter der großen Menge von jungen Pflan-
zen deutlich genug zeigen.


Die Eigenſchaften des Mooſes, als einer allge-
meinen Erddecke, zeigen ſich dabey ganz ausnehmend.
Er nimmt den Saamen aller Holzarten auf, und
Jfuͤh-
[130] fuͤhret den jungen Saamenpflanzen die erſte zarte
Nahrung in ſeinen lockern, gemaͤßigt feuchten filzi-
gen Gewebe ſo lange zu, bis ſich ihre Hauptwur-
zeln endlich durch ſeine Lagen in den unterliegenden
Grund verlaͤngern, und dieſe erſte Nahrung und
der Sitz, den ſie in dem Moos finden, ſind dieſe er-
ſte Zeit uͤber, laut Erfahrung, fuͤr ſie voͤllig hinrei-
chend. Dieſe Umſtaͤnde ſind bey dem praktiſchen
Theile der Forſtwiſſenſchaft ungemein betraͤchtlich.
Man uͤberlege nur, daß ein feiner, weicher und lo-
ckerer Moos in den Tannen- und Fichtenwaldungen
ein ſicheres Mittel abgiebt, den Anflug und Auf-
ſchlag in denſelben, ohne irgend eine weitere Bey-
huͤlfe zu unterhalten, ſo wird man von deſſen gro-
ßen Nutzen und dem nothwendigen Daſeyn deſſelben
die rechten Begriffe haben. Denn daß die abflie-
genden Saamen in den Nadelhoͤlzern, auf dem
Mooſe, ohne weiter untergebracht zu werden, eben
ſowohl und noch beſſer auskeimen und gedeihen, als
andere auf und in der Erde, hat ſeine voͤllige Rich-
tigkeit. Nun zeigen ſowohl die mit harten Ker-
nen, groͤßern Saamen, Nuͤſſen, Eicheln und Bee-
ren hieruͤber gemachten Verſuche, als deren natuͤr-
liche und wilde Saat, daß es damit gleiche Beſchaf-
fenheit habe, indem alle Saamen in einem lockern
Boden, welcher ſich gemaͤßigt und feuchte erhaͤlt,
ſehr wohl auskeimen, auch die jungen Saatpflan-
zen die erſte Zeit darinnen recht gut wachſen. Das
fernere Wachsthum koͤmmt hierbey auf gewiſſe Um-
ſtaͤnde
[131] ſtaͤnde an, die hauptſaͤchlich den unter den gruͤnen-
den und friſchen Mooſe tiefer oder flacher liegenden
Grund betreffen. Denn wenn dieſer hernach de-
nen verſchiedenen Holzarten nicht angemeſſen oder
uͤberhaupt fuͤr alle untauglich iſt, ſo hoͤren ſie auf zu
wachſen, ſobald ſie ihn mit den Wurzeln erreichen,
zum wenigſten geben ſie hernach niemahls ein recht
vollkommenes und ſtarkes Bau- oder Nutzholz, daß
ſich ſo hoch als Kaufmannsgut nutzen ließe. Der-
gleichen Unterlagen, die unter dem Moos und einer
ſonſt guten Dammerde oͤfters abwechſeln, ſind ſtarke
Steinbaͤnke und feſte Thonlager, Torfſchichten mit
kalten verborgenen Quellen, oder andern faulen,
ſcharfen und boͤſen Waſſern.


Was indeſſen den Moos weiter betrift, ſo
wird bey Unterhaltung der Forſten wegen des Nu-
tzens und Schadens ganz verſchieden geurtheilet.
Viele wollen dem Anfluge oder der wilden Holzſaat
das Moos nicht zutraͤglich halten, weil ſie in der
Meynung ſtehen, aller Saamen verlange ſchlech-
terdings zu ſeinem Auſkeimen und Wachsthume
eine friſche und entbloͤßte Erde, und bey etlichen
Arten von großen Saamen ziehen ſie die kuͤnſtliche
Saat der natuͤrlichen weit vor, weil der Grund da-
bey rein gemacht und geackert wird. Es laͤßt ſich
aber aus richtigen Erfahrungen beweiſen, daß bey
der Forſtwiſſenſchaft beyderley abwechſelnd ſtatt fin-
det, wenn die eine oder die andere nach Zeit und
Umſtaͤnden, nicht mit der gehoͤrigen Wirkung vor
J 2ſich
[132] ſich gehen kann. Doch leidet es keinen Wi-
derſpruch, wenn man behauptet, daß die natuͤrliche
Saat, um ein gutes Bauholz zu ziehen, alle kuͤnſt-
liche Beſaamungsarten ſehr weit uͤbertreffe, und
daß die Natur in ihren Wirkungen hinreichend ge-
nug ſey.


Denn wer hat die uralten und weitlaͤuftigen
Waͤlder von jeher ohne jemandes Beyhuͤlfe ange-
bauet und unterhalten, als die Natur ſelbſt, wer hat
zum Behuf der wilden Holzſaat, um den Boden
reine zu machen, die Moosdecke abgezogen und ge-
ackert? Die Natur, welche bey ihren Wirkungen
nur allein allen moͤglichen Endzwecken Genuͤge zu
leiſten im Stande iſt, nimmt zugleich außer den vie-
lerley Zufaͤllen, allen Abgang an kleinen Zweigen,
Laub, Saamen und andern Pflanzentheilen auf
ſich, welcher zur Fuͤtterung und Erhaltung einer ſo
großen Menge von Thieren ſchlechterdings noth-
wendig iſt. Dieſe und dergleichen Umſtaͤnde werden
wir alſo mit allen gekuͤnſtelten Anſtalten der Holzſaat
niemahls abwenden.


Die reifen Saamen fallen entweder auf einen
durch Moos, Raſen oder andere Waldſtreu bedeck-
ten Grund, und erhalten eine ganz verſchiedene La-
ge, nach welcher ſie entweder etwas tiefer in die
Erde kommen, oder zwiſchen allerhand andern dar-
auf liegenden Koͤrpern haͤngen bleiben, und ihr Zu-
ſtand wird durch Sturm, Regen und andere Zu-
faͤlle noch immer veraͤndert, ehe ſie auskeimen koͤn-
nen.
[133] nen. Viele kommen in oder an die Erde mit eini-
ger Bedeckung, die mehreſten bleiben oberwaͤrts
liegen, und die wenigſten werden ſehr tief unterge-
bracht. Die Art des Saamens und des Grundes,
nebſt der Witterung und Jahreszeit beſtimmen die
Umſtaͤnde eines baldigen und gluͤcklichen Auskei-
mens. Viele Saamen gehen bald auf, nehmlich
nach 4 bis 6 Wochen, andre nach 6 oder 12
Monaten, und andre kommen vor dem dritten
Jahre nie zum Vorſchein. Die entbloͤßte Erde
und der Moos nehmen alle Saamenarten gut auf,
in einem derben filzigen oder mit einem ſtruppigen
Raſen feſte durchwachſenen Boden aber wird die
natuͤrliche und kuͤnſtliche Holzſaat gar ſehr vereitelt,
und ob ſchon das Aufkeimen anfaͤnglich geſchiehet,
ſo vergehen dennoch die erſtickten Saatpflanzen ſehr
haͤufig; woraus leicht zu erſehen iſt, welcher
Grund und bey welcher Art der Holzſaat derſelbe
gereiniget und mit Vortheil geackert werden muͤſſe,
wenn er nehmlich wie in den Landforſten dem Pflug
unterworfen ſeyn kann. An hohen und ſteilen Ber-
gen wird insgemein nur ein leichtes Behacken, auch
wohl nur ein ſcharfes Aufkratzen und Entbloͤßen des
Grundes bey der Buchen- und Eichelſaat ange-
bracht werden koͤnnen, und was von Saat in den
Moos faͤllt, wird ohnehin niemahls verlohren
gehen, und eben ſo wachſen, als ob der Grund
dazu durch ein tiefes und feines Durchpfluͤgen
ſehr wohl zubereitet worden waͤre. Hier hat
J 3man
[134] man die gemeine Erfahrung in allen Stuͤcken
fuͤr ſich.


Wenn den natuͤrlichen Wirkungen hierbey die
gehoͤrige Zeit gelaſſen wird, wenn man keine ſchaͤd-
liche Forſtnutzung ſo ſcheinbar ſie auch immer ſeyn
mag, beguͤnſtiget, und gegen die natuͤrliche Ord-
nung vor der Zeit keine ſtoͤhrende Nutzung verlangt,
oder eine angehende zu weit treibet, welche uns
beym Forſthaushalte der zukuͤnftigen wahren Haupt-
vortheile zum voraus beraubet; ſo gehet der natuͤr-
liche Anflug beſonders der Tannen und uͤbrigen Na-
delhoͤlzer in dem Mooſe auf den Revieren ſehr gut
von ſtatten. Nimmt man aber den Moos von der
Erde ganz weg, um ihn davon zu reinigen, ſo wer-
den dadurch alle Saamen und Saatpflanzen zu-
gleich mit weggeraffet.


Demnach gehoͤrt ein unuͤberlegtes Moos- und
Streurechen, wenn es in den Waldungen, ohne
Ruͤckſicht auf die rechte Jahres- und Beſaamungs-
zeit, und Beſchaffenheit des Anfluges und jungen
Holzes geſchiehet, unter eine der allerſchaͤdlichſten
Forſtnutzung. Das ſchlimmſte iſt noch dabey,
daß die Einſammlung der Waldſtreu zu Vermeh-
rung des Duͤngers bey dem Landmanne nicht nur
zur Gewohnheit geworden, dergleichen an allen
Orten in den Forſten ohne Unterſchied ohne weitere
Anweiſung der Forſtbedienten zu thun, wo er nur
Moos finden kann, ſondern auch daß Forſtbediente
bey der Anweiſung ſelbſt nachlaͤßig ſind, weil ſie in
den
[135] den Gedanken ſtehen, daß der Auflug der wilden
Holzſaat durch das Moos- und Streurechen uͤber-
aus befoͤrdert werde. Wenn ſie die Umſtaͤnde zu
unterſcheiden Luſt haben, ſo kann dergleichen, zu
Vermehrung des Duͤngers an gewiſſen Stellen, in
den Forſtrevieren allerdings nuͤtzlich werden, wie es
im Gegentheile uͤberaus ſchaͤdlich iſt.


Das Moos- und Streurechen ſtehet zu erlau-
ben in gemeinen Heiden und alten ſtehenden und ab-
ſtaͤndigen Hoͤlzern, zumahl in einem feucht und kalt-
gruͤndigen Boden, auch nur ſo lange, als darinnen
keine Schonungen zum Anflug oder Aufſchlag ge-
macht, und Saamen und junger Aufſchlag wirklich
vorhanden ſind; wie auch in allen ſolchen Oertern,
wo weder ein rechtſchaffener Aufſchlag zu hoffen
ſteht, noch einer verlangt wird. Ferner findet es
ſtatt, wo ein Revier durch ein ſehr alt gewordenes
abſterbendes Moos allzuhoch und voͤllig uͤberwach-
ſen iſt, daß etwa noch dazu, wegen eines darunter
liegenden zaͤhen und kleyigen Bodens, ſich die Feuch-
tigkeiten nicht verbreiten koͤnnen, daß alſo ein der-
gleichen Moos unterwaͤrts ſtark mit Schimmel be-
zogen iſt, ſo iſt es Zeit, ihm Luft zu machen, damit
die unter demſelben ſehr hoch und flach ausſtreichen-
den Thauwurzeln, mit ihren feinſten faſerigen Sau-
gewurzeln, durch die ſtockende uͤbermaͤßige Feuch-
tigkeit nicht abfaulen, und ganze weitlaͤuftige Stre-
cken mit jungen Holze, das noch in ſeinem beſten
Wachsthume ſtehet, abſterben und verdorren muͤſſen.
J 4Das
[136] Das Abraͤumen des Mooſes aber muß alsdenn im
Fruͤhlinge geſchehen, damit man den Zufaͤllen von
Hitze und Froſt im jungen Holze nicht ſelbſt Gele-
genheit mache, ſelbiges zu Grunde zu richten, wie
denn das Moos nicht allzuſcharf oder ganz und gar
abgeharket werden ſoll. Die darauf einfallenden
ſanften Regen werden der entbloͤßten Erde alsdenn
eine friſche und luftige Feuchtigkeit zufuͤhren, und
das durch den zu naſſen und dichten Moos ver-
hinderte Ausdampfen derſelben wird ſich wieder
herſtellen.


Ein gleiches Abſterben und Verdorren ganzer
Oerter wuͤrde nach und nach erfolgen muͤſſen, wenn
der Erdboden ſeiner vieljaͤhrigen Moosdecke auf
einmahl voͤllig, oder auch zu einer ſolchen Jahres-
zeit beraubt wuͤrde, in welcher ſich die obere Rinde
der Erde zu geſchwind zuſammenſetzen muß, daß
die Menge der allerfeinſten Haar- und Saugewur-
zeln, die in gedachter Erde ungemein flach ausſtrei-
chen, auf einmahl vergehen. Denn hierdurch wuͤr-
de das Holz ganzer Schonoͤrter mit einmahl kran-
ken, den Wachsthum verlieren, und endlich nach
und nach verderben; wo nicht eine kuͤhle Witterung
oder ein ſanfter Regen dabey zu ſtatten kaͤme, und
ſich neue Wurzelfaſern bilden koͤnnten. Da nun
faſt alle Zufaͤlle beſtens zu vermeiden ſind, welche
den Verluſt der feinſten Saugewurzeln auf einmahl
nach ſich ziehen, ſo wird das uͤbertriebene Moos-
und Strohrechen zu einer unſchicklichen Jahreszeit,
da
[137] da Froſt und Hitze ſchaden koͤnnen, ein fuͤr allemahl
als forſtverderblich angeſehen werden muͤſſen.


Man ſiehet zwar mit groͤßter Betruͤbniß das
Verdorren der Baͤume in den ſchoͤnſten Revieren,
ohne daß man ſich auf die wahren Urſachen, welche
durch unſere eigenen Anſtalten die Gelegenheit dazu
geben, beſinnen kann und will; man nimmt deshalb
ſehr leicht ganz unbekannte Urſachen an. Man
unterſuche indeſſen bey einer ſo ſchaͤdlichen Verdor-
rung ganzer Oerter nur den Zuſtand der feinſten
Haarwurzeln, es mag nun ihr Verluſt von der
Faͤulniß der ſtockenden uͤbermaͤßigen Feuchte, oder
von einem heftigen Blachfroſte, oder auch von gro-
ßer anhaltender Duͤrre entſtanden ſeyn, ſo vergehen
ſie bey allen dergleichen Zufaͤllen, und die Baͤume
ſterben ab; dieſes aͤußert ſich zwar in kurzer Zeit,
das Erkranken gehet indeß ein bis etliche Jahr
vorher. Sollte man nun die in ſolchen Oertern be-
triebene Wirthſchaft durch das zu unrechter Jah-
reszeit ohne Ueberlegung vorgenommene Moos-
und Streurechen, wie es noch dazu ohne die noͤthige
Anweiſung der Forſtbedienten geſchiehet, naͤher ſehen,
ſo wuͤrde man ſich nach der Entdeckung der Hauptur-
ſachen vor das kuͤnftige ſchon huͤten lernen. Alle
Schonoͤrter und das junge wachſende und ſtehende
Holz muß davon ſchlechterdings ausgenommen ſeyn,
ſo wie es hingegen ohne Schaden, in allen ſolchen
wohl abgetheilten Gehauen vorgenommen werden
kann, welche nach der Ordnung der Hieb in 2 bis
J 53 Jah-
[138] 3 Jahren treffen muß, oder auch in ſolcher, wo ſich
die Graͤſerey beſſer vermehren ſoll; die etwa des-
halb zu machenden Ausnahmen wird ein der Sa-
chen verſtaͤndiger alsdenn an Ort und Stelle am be-
ſten entſcheiden.


Da ich ferner, wie in der Abhandlung bereits
Erwaͤhnung geſchehen, bey ſo vieljaͤhrigen Verſu-
chen wahrgenommen habe, daß in den langen, wei-
chen, lockern, gruͤnenden Arten des Erd- und Waſ-
ſermooſes, gewiſſe beſondere Gewaͤchsarten entwe-
der allein hervorkommen, die in der Erde entweder
nicht wachſen, oder nur ſelten wachſen koͤnnen, auch
wohl nur eine ſehr kurze Zeit darinnen dauern, die
doch gleichwohl in mancherley Abſichten recht merk-
wuͤrdige Vorwuͤrfe der Naturforſcher abgeben, weil
auch in der Natur keines unter den Geſchoͤpfen um-
ſonſt gemacht iſt, da es einmahl da iſt, von welchen
man mit der Zeit nicht einigen Nutzen auszufinden
im Stande ſeyn ſollte; Als habe ich deren Unter-
haltung im Mooſe ſeit 1747 bis jetzo noch immer
abwechſelnd fortgeſetzet; um den Naturforſchern die
Erhaltung ſolcher beſondern Gewaͤchſe zu ihren Ab-
ſichten bekannter zu machen, welche ſonſt ſchwer
iſt, wenn man ſie weiter erkennen und anwenden
will, da man ſie nicht in allem Zuſtande waͤhrend
ihrer Veraͤnderung fuͤr ſich haben kann, wie die
andern.


Die zur Sammlung von allerhand Gewaͤchſen
beſtimmten Oerter, und wo man damit allerhand
Erfah-
[139] Erfahrungen machen kann, ſind die großen botani-
ſchen Gaͤrten. Da aber dieſen Gaͤrten, ohngeach-
tet, aller guten Abſichten und Entwuͤrfe ihrer Stif-
ter, dennoch insgemein gewiſſe nothwendige Vor-
theile und Gelegenheiten fehlen, die ſich hernach
nur ſehr ſelten einrichten laſſen, ſollten es auch der
Lage wegen ſolche ſeyn, deren Abgang nicht erlaub-
te, gewiſſe Gewaͤchsarten zu unterhalten, deren
Pflege von der bekannten unterſchieden iſt; als habe
ich darauf gedacht, durch Beyhuͤlfe des friſchen
und gruͤnenden Mooſes ihnen einige Bequemlichkeit
dazu zu verſchaffen. Ich habe dergleichen ſeltene
Gewaͤchſe ſelbſt im Moos zu dieſem Ende erzogen
und ſehr lange unterhalten, ſie wachſen nur allein
darinnen, oder doch immer beſſer als in der Erde,
und laſſen ſich in dem erſtern ohne Muͤhe und Kuͤnſte
leichter erhalten, als in der letztern.


Das Verzeichniß derſelben iſt weitlaͤuftiger, als
daß es in meiner Abhandlung Platz finden koͤnnte,
doch wird man aus den wenigen, die ich hier nur
vorlaͤufig anzeige, ſehr leicht auf die uͤbrigen ſchlie-
ßen koͤnnen. Es gehoͤren aber unter andern hier-
her vornehmlich alle Sumpf-Torf- und Waſſer-
pflanzen, nebſt denen ſeltenen, die die Alpen und
andere hohe Gebirge in mooſigten feuchten Grunde
erhalten, viele davon ſind ſehr ſelten, andere von
beſonderer Schoͤnheit und einem dergleichen frem-
den Anſehen. Die mehreſten haben zu ſeine und
weiche Saamen, als daß ſie in der Erde ſowohl er-
zogen
[140] zogen werden koͤnnten, als ſie im Mooſe ſtehen,
außer welchen ſie ſchwerlich lange aushalten, und
wenn ſie ja an ſehr feine Schlammerde gewoͤhnet
worden, halten ſie in ſelbiger doch nicht lange aus,
und bluͤhen ſparſam, unvollkommen oder gar nicht,
ſie moͤgen auch einen ſchattigen, kalten und feuchten
Stand haben, wie man ihnen geben kann.


Die bekannteſten darunter ſind ſolche, die in
Torf-Moos-Holz- und Blaͤttererde abwechſelnd
gefunden werden, als: Valeriana divica; Ledum
paluſtre; Andiomeda Polifolia;
Die Gattungen
von Orchis, Satyrium und Ophrys; Calla paluſtris;
Peplis Portula; Limoſella aquatica; Pedicularis pa-
luſtris et ſilvatica, Pinguicula vulgaris; Droſera
rotandi folia et longifolia; Saxefragae, Pyrolae et
Aretiae ſpecies; Polygula vulgaris; Authericum
oſſifragum;
die uͤbrigen bleiben im Mooſe und
Waſſer, als: Aliſma natans et cordifolia; Spar-
ganium
natans; Vaccinium Oxycoccor; Myriophyl-
lum
ſpicatum et verticillatum; Ceratophyllum ſub-
merſum et demerſum; Hipparis vulgaris; Me-
nianthes Nymphoides
und ternatifolia; Nayas ma-
rina; Stratiotes Aloides et Hidrocharis; Hoffonia
paluſtris; Utricularia vulgaris et minor; Scheuch-
zeria
paluſtris;
und andere. Die plantae algaceae
terreſtres,
nebſt den kleinern Filicibus werden im
Mooſe ebenfalls ſehr bequem erhalten, wie auch
viele von denen indianiſchen ſucculenten feinern Ge-
waͤchſen, die ſich im Mooſe ſelbſt ſaͤen, und in ei-
nem
[141] nem gewiſſen Grade der Waͤrme bey wenigen Begie-
ßen ſehr wohl halten.


Die Unterhaltung ſolcher und anderer aͤhnli-
cher Gewaͤchſe kann in den botaniſchen Gaͤrten im
Mooſe auf folgende ſehr bequeme Art geſchehen,
an ſolchen Stellen, welche ſchattig, kuͤhle und etwas
feuchte gehalten werden koͤnnen, daß ſie nur allein
die Morgenſonne haben. Man kann nach ſeinen
Abſichten und der Menge, die man zu ſammlen vor
hat, verſchiedene kleine, hohle Huͤgel von Kalk-
Bruch- oder Feldſteinen und Moos ſo feſte errich-
ten laſſen, daß ſie weder Waſſer noch Froſt ausein-
ander treiben kann. Dieſe muͤſſen uͤberall aͤußer-
lich mit Spalten und Ritzen verſehen ſeyn, durch die
man die in Moos eingewickelte Wurzeln ſtecken
kann; die Mitte wird mit Erde, und der obere Theil,
welcher offen ſtehet, ganz mit Moos ausgefuͤllet,
durch welchen ſich Regen und das eingegoſſene
Waſſer langſam uͤberall durchziehen kann.


Zu Unterhaltung der uͤbrigen Gewaͤchſe kann
man, ohne den geringſten Uebelſtand den Garten zu
geben, kleine aus Steinen zuſammengeſetzte becken[-]
formige breite Hydrophi lacia oder Waſſerbehaͤlter von
einer ſchicklichen Geſtalt bey den Brunnen mit etlichen
Roͤhren und Haͤhnen anbringen, ihnen die unterſte La-
ge von Sand, die mittlere von etwas Torf und Erde,
und die oberſte ſtarke von langen, weichen, gruͤnen
Waſſermooſe geben, und das Waſſer nach Be-
ſchaffenheit der Jahreszeiten darinnen in einen bald
hohen,
[142] hohen, mittlern oder niedrigen Stande und einen
ſehr ſanften Abfluß erhalten. Dergleichen Hydro-
phillacea
koͤnnten etliche unter und neben einander ſte-
hen, aus denen ſich das Waſſer durch den Moos
immer aus einen in den andern filtrirte. Man wuͤr-
de in einem ſehr maͤßigen Raume eine Menge ſehr
ſeltener Gewaͤchſe in Bluͤthe und Frucht beſtaͤndig
vor ſich haben koͤnnen, die man ſonſt, außer den Ver-
zeichniſſen, in ſolchen Gaͤrten ſelbſt vergebens ſu-
chen muß.


Was nun den vorlaͤufig angezeigten großen Nu-
tzen des Mooſes betrift, ſo kann es vor der Hand
genug ſeyn, wegen der Forſtwiſſenſchaft zu Unter-
haltung der Waldungen, wie auch von Erzeugung
des Torfes Erwaͤhnung gethan zu haben, alle uͤbri-
gen Nutzungsarten laſſen ſich damit in keine Verglei-
chung ſetzen.


Sonſt waͤre von den Waldmooſen noch bey-
laͤufig folgendes zu merken, daß er vor ſich gute
Aſche gebe, und zur Auslaugung vor die Potaſche
unter der uͤbrigen Holzaſche ſelbſt wohl tauglich ſey.
Wie denn auch die langen, weichen, und reinen
Waſſermooſe eine recht feine ſchwarze entzuͤndliche
Kohle geben, die vielleicht noch beſſer anzuwenden
ſtuͤnde.


Die bekannte Nutzung etlicher Mooſe in der
der Arzeney iſt wohl unter allen die geringſte, und er-
ſtreckt ſich auf 4 bis 5 Arten, welche wegen Menge
anderer, die viel ſicherer und beſſer ſind, voͤllig zu ent-
behren
[143] behren ſtehen. Die kleinen Landfabriquen bedie-
nen ſich etlicher Gattungen des Baͤrenmooſes (Ly-
copodium
) in einigen Provinzen, um mit ihrer Lau-
ge das wollene Garn gruͤn zu faͤrben, und der Blu-
menſtaub des gemeinen Baͤrenmooſes, der bey der
Experimentalphyſik, wegen ſeiner Leichtigkeit und
Entzuͤndlichkeit, unter dem Namen Sulphur Lyco-
podii
bekannt genug iſt, wird bey der Kunſt- und
Luſt; Feuerwerkerey zu etlichen Saͤtzen beſonders an-
gew [...][n]det.


Außerdem bediente man ſich des langen wei-
chen Mooſes zu Auslegung der Brunnen, zu An-
legung der niedrigen Steindaͤmme in den Feldern,
zum Ausſtopfen von allerhand Gebaͤuden, in Luſt-
gaͤrten auf dem Lande und im hohen Gebuͤrge bey
den Blockhaͤuſern, um die Witterung abzuhalten,
und endlich bey Verfertigung und Auszierung der
Brunnenhaͤuſer, Wald- und Jagdcabinette und
zu Eremitagen in den Luſtwaͤldern.


Wenn man dergleichen reine lange und weiche
Wald-Waſſer- und Wieſenmooſe, wenn ſie noch
naß ſind, lang ausziehet, in duͤnne derbe Lagen recht
feſte zuſammenpreſſet, und in der Luſt allmaͤhlig ſo
trocknen laͤßet, daß man ſie in ordentliche Kuchen
ſchneiden und zuſammenbringen kann, ſo laſſen ſie ſich
gleich den Lohkuchen ordentlich anzuͤnden und glim-
men ſolche ſehr lange und ſtark, ſo daß man unter der
Aſche eine ſtarke anhaltende Glut ganze Tage lang
unter-
[144] unterhalten kann. Man kann darinnen digeriren
und auch gelinde kochen.


Dieſe letztere ſehr entzuͤndliche und glimmende
Eigenſchaft eines derben und recht trocknen Mooſes
erinnert mich an einen ungluͤcklichen Zufall, der ſich
zur Sommerszeit zuweilen zu großer Beſtuͤrzung der
Beſitzer in Forſten aͤußert. Ich meyne das ſchlei-
chende und kriechende, lange verborgene, und ſchwer
zu daͤmpfende Erdfeuer, auf trocknen Heiden, in
ganz ausgetrockneten Torfmooren, und in Nadel-
hoͤlzern, wovon man die Forſtſchriftſteller mit meh-
rern nachſehen kann.


Von den Schaden des Mooſes in Gaͤrten
und andern Fruchtlaͤndern, auf Wieſen, und an
verſchiedenen Gebaͤuden, wird bey anderer Gele-
genheit ein mehreres zu erinnern ſeyn.




[145]

Zufaͤllige Gedanken
uͤber einige
Verſuche, Beobachtungen, und Meynungen
der neuern Naturforſcher,
die
natuͤrliche Befruchtung
bey denen Gewaͤchſen

betreffend.



Die muͤhſamen Verſuche und Beobachtungen
der Naturforſcher haben zeither noch immer viele
zweifelhafte Umſtaͤnde und dunkle Begriffe, wegen
der Wirklichkeit von beyderley Geſchlechten der Ge-
waͤchſe
und ihrer wahren und natuͤrlichen Befruch-
tungsart
, in ein ziemliches Licht geſetzet. Man iſt
alſo auch in den wichtigſten Punkten etwas weiter
gekommen, als es etwa bey den Thieren in einem
ſolchen geheimnißvollen Naturgeſchaͤfte geſchehen
Kkoͤn-
[146] koͤnnen. Doch hat eine zu ſtarke Einbildung
der Aehnlichkeit der Thiere mit den Gewaͤch-
ſen
, juſt, wo ſie nicht iſt, und eine uͤbertriebe-
ne Vergleichung des verſchiedenen innern Baues
der zur Befruchtung dienlichen Werkzeuge von
beyderley Geſchoͤpfen, manche ſo weit verleitet,
daß ſie ſich ſelbſt hintergehen muͤſſen. Durch
Schluͤſſe haben etliche mehr Wahrheiten zu entde-
cken geglaubet, als durch ſelbſt eigene Beobachtun-
gen, allein ihre gemachte einzelne Erfahrungen
nach ihren Saͤtzen haben ſich dabey ſehr ſchlecht be-
ſtaͤtigen wollen, weil ſie damit mehr zu voreilig,
als bedaͤchtig und muͤhſam genug, zu Werke gegan-
gen ſind. Was Wunder kann es alſo ſeyn, wenn
die auf ſo ungewiſſen Gruͤnden nur allzu fruͤhzeitig
errichteten Lehrgebaͤude von ſchlechter Dauer ſeyn
werden. Die Abſicht gegenwaͤrtiger Abhandlung
mag alſo vornehmlich dahin gerichtet ſeyn, etliche
hierher gehoͤrige Hauptgrundſaͤtze kuͤrzlich zu pruͤ-
fen, zu erklaͤren, auch durch richtige Erfahrungen
zu beſtaͤtigen, alsdenn aber deren Zuſammenhang
deutlicher zu zeigen, und auf ſolche Weiſe etliche
Hauptluͤcken, in dem Lehrgebaͤude der Pflanzenbe-
fruchtung
, ſo gut als moͤglich auszufuͤllen.


Der Blumen- oder Saamenſtaub, oder das
Blumenmehl, pulvis et pollen antherarum, iſt
ein feines Pulver, welches in einigen dazu beſtimm-
ten Theilen der Blumen erzeuget wird, und bey je-
der natuͤrlichen Pflanzenart und deren Abaͤnderun-
gen
[147] gen, aus lauter gleichfoͤrmigen, organiſchen, hob-
len, blaſenartigen Theilchen beſtehet, die ihre eige-
ne, beſondere, und wohl beſtimmte Geſtalt haben.


Es waltet hierbey eine wirkliche Gewißheit,
Allgemeinheit und Beſtaͤndigkeit ob, ſo daß alſo der
vorgebliche Begriff, welchen ſich der ſonſt ſo große
Tournefort nebſt ſeinen Anhaͤngern von dem lu-
menſtaube
gemacht, da ſie ihn fuͤr einen unnuͤtzen
und uͤberfluͤßigen Auswurf (excrementum) der
Blumen
ausgegeben haben, auf keine Weiſe ſtatt
finden kann. Vielmehr macht dieſer Blumenſtaub
in der natuͤrlichen Befruchtungswerkſtatt, bey den
Gewaͤchſen, denjenigen beſondern Haupttheil aus,
welcher in ſich allein die allerweſentlichſte, nehm-
lich die wahre befruchtende Materie des maͤnnli-
chen Saamens
erzeuget, abſcheidet, enthaͤlt, zur
Ausſonderung geſchickt macht, und endlich ſelbſt
ausſondert, die von etlichen genitura von andern
eſſentia florum genennet worden iſt.


Der Bau des Blumenſtaubes iſt allezeit re-
gelmaͤßig, und jedes einzelne Theilchen deſſelben,
oder woraus er eigentlich beſtehet, iſt eine klei-
ne Blaſe oder Kugel. Jedes Staubruͤgelchen
beſtehet
:


  • 1. aus 2 uͤbereinander gezogenen und zuſammen
    verwachſenen Haͤuten, welche
  • 2. deſſen Hoͤhle bilden, in welcher gleichſam
  • 3. ein beſonderer Kern enthalten iſt, der die
    ganze Hoͤhle ausfuͤllet, und aus einem
    K 2wah-
    [148] wahren zellenfoͤrmigen Gewebe beſtehet,
    auch
  • 4. in ſeinen Zellen eine ſehr feine fluͤßige Ma-
    terie enthaͤlt, die bey den Pflanzen die ei-
    gentliche befruchtende Materie, oder der
    maͤnnliche Saamen ſelbſt iſt. Dieſe gehet
    nach ihrer Zeitigung, als nach dem dazu
    beſtimmten Zeitpunkte, nach und nach her-
    aus, in einer ſo feinen Geſtalt, als es die
    Bildung und Entwickelung zarter und un-
    begreiflich feiner organiſcher Blumentheile
    theils verſtattet, theils erfordert.

Die aͤußere Haut, die in verſchiedenen Blu-
menarten, Gattungen und Abaͤnderungen verſchie-
dener Farbe gefunden wird, iſt allezeit dicker, haͤr-
ter und elaſtiſcher, als die innere; ihre ganze Ober-
flaͤche
zeiget in einem gewiſſen und regelmaͤßigen
Abſtande diejenigen allerfeinſten Oefnungen, durch
welche die hinreichend verduͤnnete, reif und fluͤßig
gewordene maͤnnliche Saamenmaterie ausgeſondert
wird, und dann durch ſie unter der Geſtalt der fein-
ſten Troͤpfchen von allen Seiten langſam heraus
tritt. Eben dieſe aͤußere dicke Rinde ſcheinet die
Feuchtigkeit von außen ſtark anzunehmen, und nach
der innern Hoͤhle durchzulaſſen, wodurch ſich bey
dem noch unreifen Zuſtande des Saamenſtaubes
ein ganz unnatuͤrliches und ſo gewaltſames Zer-
ſprengen mit beſondern Erſcheinungen ereignet,
wovon im Verfolge weiter die Rede ſeyn wird.


Die
[149]

Die ungemein zarten Ausſonderungsgaͤnge
dieſer Saamenmaterie
, die ſich aus der innern
Hoͤhle, durch die beyden Haͤutgen, auf der Ober-
flaͤche der Kuͤgelchen zeigen, erſcheinen dem gewaf-
neten Auge bey vielen Blumenarten als bloße
Punkte
; bey andern ſcheinen ſich ſehr feine Spitzen
beſonders zu oͤfnen. Ein großer Theil von Blu-
menſtaube beſtehet aus Kuͤgelchen, welche uͤber
und uͤber entweder mit Waͤrzchen, Stacheln, Haͤk-
chen oder andern Arten von Erhabenheiten beſetzt
ſind. Auf den Spitzen derſelben oder in ihren
Mittelpunkten zeigen ſich alsdenn vorgedachte Aus-
ſonderungsgaͤnge
des maͤnnlichen Saamens.


Wenn man in verſchiedenen groͤßern Arten
von Blumen, die Staubbeutel, Huͤlſen oder Koͤlb-
chen
(Antheras) etwas vor der Zeit oͤfnet, welches
der Laͤnge nach behutſam geſchehen muß, ſo wird
man finden, daß die ganze innere Flaͤche derſelben
mit ofterwaͤhnten Staubkuͤchelchen uͤber und uͤber
beſetzt iſt. Dieſe Kuͤgelchen ſtehen an kurzen Faͤ-
den ſehr dichte an einander, von welchen ſie, bey der
allmaͤhligen Reife der Saamenmaterie zur Zeit der
Befruchtung
, nach und nach losgehen, und ſich
in Klumpen zuſammen geben. Dieſe Abſonderung
geſchiehet nach Verſchiedenheit der Witterung, und
der laͤnger oder kuͤrzer anhaltenden Befruchtungsart
der Blumen, auf ein oder auf etliche mahl, wel-
ches uͤberhaupt ſo lange dauert, bis die Staubbeu-
tel
von allen ihren Vorrathe leer geworden ſind.


K 3Bey
[150]

Bey andern habe ich das, was ich eben ge-
ſagt, noch nicht finden koͤnnen. Die Staubkuͤgel-
chen
waren vielmehr frey, und erfuͤllten die ganze
Huͤlſe nach Art eines lockern Pulvers; oder ſie hin-
gen an duͤnnen Faͤden aneinander, oder ſie waren
ſonſt ſchnuren- und ſtreifweiſe an einander befeſtigt
oder gekettet. Da ich nun von ſolchen Umſtaͤnden
verſchiedene ſelbſt wahrgenommen habe, ſo bin ich
geneigt zu glauben, daß die Staubkuͤgelchen in meh-
rern Blumenarten an der inwendigen Flaͤche der
Staubbeutel, mit und ohne Stielchen, gegen die
Meynung etlicher Naturforſcher gar wohl befeſtigt,
auch auf noch mehrere Arten unter einander ſelbſt
verbunden, oder auch allenfalls ganz frey ſeyn koͤn-
nen, ſo wie ich verſichert bin, daß ſich die Staub-
beutel
ſelbſt auf verſchiedene Weiſe, und dabey
bald langſam und gelinde, bald ſchnell und mit ei-
niger Gewalt oͤfnen, und aufſpringen koͤnnen. Dieſe
Abaͤnderung macht in den weſentlichen Umſtaͤnden
der Befruchtung
keine Hinderniß.


Was die oft gedachte aͤußere, harte und dicke
Haut der Staubkuͤgelchen weiter betrift, ſo kann
man doch ſowohl durch dieſe, als durch die innere
damit verwachſene zugleich, das in ihrer Hoͤhle be-
findliche cellen- oder netzfoͤrmige Gewebe ganz
wohl unterſcheiden. Je unreifer aber die in dieſem
Gewebe enthaltene Saamenmaterie iſt, je dunkler
iſt alsdenn der Kern in den Kuͤgelchen, welchen
man
[151] man bald in der Mitte, bald mehr auf der einen,
bald auf der andern Seite, ſehen kann.


Iſt aber vorgedachte Saamenmaterie etwas
mehr zur Reife gediehen, und in demjenigen fluͤßi-
gen Zuſtande, in welchem ſie zur Ausſonderung ſeyn
ſoll, ſo erſcheint der dunkle Kern viel kleiner als
vorher, und der uͤbrige Theil des Staubkuͤgelchens
wird immer noch weit heller und durchſichtiger,
welcher Zuſtand ſich bey zunehmender Reife ver-
mehret. Es laͤßt ſich alsdenn das cellige netzfoͤr-
mige Gewebe
weit beſſer erkennen, und man un-
terſcheidet daran ziemlich regelmaͤßige eckige und an-
dere Abtheilungen, die aber nach den Arten von
Blumen und Blumenſtaube ſelbſt, immer et-
was, verſchieden ſind. Es ſcheinen dergleichen Ab-
theilungen jedesmahl auf die vorangegebenen aͤu-
ßern Oefnungen der Abſonderungsgaͤnge
fuͤr
die Saamenmaterie ordentlich zu paſſen.


Die innere Seite der nur beſchriebenen harten
Haut der Staubkuͤgelchen iſt mit einem duͤnnen,
ſchwachen Haͤutchen zuſammen verwachſen, und
ganz umkleidet, welches ſo fein iſt, daß man an deſſen
beſondern Bau nichts vorzuͤgliches entdecken kann.
Bey einem natuͤrlichen ſchnellen und gewaltſamen
Ausdehnen einer einzelnen Staubkugel
, dabey
die aͤußere Haut ſogleich auf ganz verſchiedene Weiſe
dergeſtalt zerſprenget wird, daß ſie an einen oder mehr
Orten zugleich platzen muß, tritt bey vielen Blu-
menſtaubarten, wenn ſie noch unreif ſind, das in-
K 4nere
[152] nere feine Haͤutchen auf verſchiedene Ecken mit her-
aus, und zeiget nebſt ſeiner Feinheit zugleich eine
weiße oder weißliche Farbe, indem es unter waͤhren-
den Zerplatzen von der dicken Haut zum Theil abge-
ſchaͤlet worden iſt.


Von dieſen beyden Haͤuten, die die Hoͤhle der
Saamenſtaubkuͤgelchen bilden, ſind nachfolgende
Umſtaͤnde anmerklich genug: als 1) Wenn nehmlich
die befruchtende Saamenmaterie aus der erwaͤhn-
ten innern Hoͤhlung, und folglich aus ihren Bla-
ſengewebe herausgebracht worden, und die leeren
Blaſen, Kugeln oder Huͤlſen
eintrocknen; ſo er-
langen ſie bey ihrer bekannten außerordentlichen
Leichtigkeit eine ſehr vorzuͤgliche Haͤrte und Steife,
und dauern hernach ziemlich lange, ehe ſie ſich wei-
ter veraͤndern. Ein Beyſpiel hiervon giebt uns der
ſehr trockne, leichte und wachsartige Blumenſtaub
des gemeinen Lycopodii, welcher ſchon laͤngſt unter
den Namen Muſcus terreſtris in den Apotheken be-
kannt iſt, auch vorlaͤngſt bey phyſikaliſchen Verſu-
chen und bey den Luſtfeuerwerken gebraͤuchlich ge-
weſen; imgleichen der im Maymonat in groͤßter
Menge bey uns ausfallende und abfliegende Blu-
menſtaub der wilden Fichten in den Nadelhoͤlzern,
als welcher ſo leichte, trocken und dauerhaft be-
funden wird, daß er ohne ſich mit dem Waſſer zu
miſchen, in ſolchen Waldungen bey der geringſten
Bewegung außerordentlich ſtaͤubet, das Gras uͤber-
ziehet, und denen darinnen weidenden Schaafen ei-
nen
[153] nen heftigen Huſten erwecket; weshalb auch ver-
ſtaͤndige Schaͤfer die ganze andere Haͤlfte des May-
monats, und ſo lange die Fichten ſtaͤuben, das Vieh
ſehr behutſam oder gar nicht dahin treiben; es muͤß-
ten denn etliche anhaltende Regen dieſen Staub be-
reits abgeſpuͤlet haben.


Wenn man dieſen Fichtenſtaub, welchen der ge-
meine Mann fuͤr einen Schwefel haͤlt, nach den Ge-
wittern im Maymonat, von den Waſſern ſammlet, die
er zuweilen ganz uͤberziehet, und wohin ihn der vor-
hergehende Sturm in großer Menge geworfen hat;
ſo wird man finden, daß ſeine einzelnen Blaͤsgen
oder Kuͤgelchen, aus denen er beſtehet, ſehr zaͤhe
und feſte ſind, und ihre Geſtalt, die ſie entweder
bey Ausſonderung der reifen Saamenmaterie ſchon
gehabt haben, oder aber mit derſelben erſt erhalten,
nicht weiter veraͤndern, bis ſie auf andere Weiſe
zerſtoͤret worden ſind, welches letztere ſehr ſchwer
und langſam geſchiehet, wenn man ſie durch ein
ſtark anhaltendes Reiben im Moͤrſel mit Sand-
oder Metallſpaͤnen vermiſcht, und bis zu einer wachs-
ſeifigten Materie
ganz zermalmet.


Die Geſtalt, Leichtigkeit und Zaͤhigkeit dieſes
Blumenpulvers bleibt auch ſogar alsdenn noch
immer beſtaͤndig, wenn man es auch ſchon etliche
Monat lang bey großer Waͤrme an der freyen Luft
und Sonne im Waſſer erhaͤlt. Es ſchwimmet be-
ſtaͤndig, bis endlich das in die Faulung gerathene
Waſſer ganz verdampfet, und das Pulver mit den
K 5zar-
[154] zarten niederſinkenden Waſſerſchlamme voͤllig zu-
ſammentrocknet, ſo daß man es aufweichen, und den
Schlamm davon ſcheiden muß. Von einem der-
gleichen wieder aufgeweichten Fichtenblumenſtaube
habe ich im July unter dem Vergroͤßerungsglaſe be-
merket, daß deſſen einzelne leeren Huͤlſen ihre vo-
rige Geſtalt und Haͤrte groͤßtentheils noch hatten,
bis auf ſolche, welche ſchon vorher zerſprungen
waren.


Um alſo deſſen Zerſtoͤrung auf eine Weiſe zu
bewirken, die ich vor gewiſſer hielte, bediente ich
mich der Faulung, und zwar einer geſchwinden, und
goß auf eine ziemliche Menge deſſelben Fichtenſtau-
bes 2 Quart faulen Urin, mit dem ich ihn wieder
an die freye Luft und Sonne brachte, bis zur Mitte
des Septembers, da er voͤllig verdampfet, und der
Staub mit deſſen Niederſchlage wieder ganz zuſam-
mengetrocknet war, ſo daß ich ihn, wie das erſtemahl
geſchehen, aufweichen und ab ſpuͤlen mußte, da er denn
noch ſo leicht war, als vorher, und noch oben auf dem
Waſſer ſchwamm. Unter dem Glaſe zeigte er in-
deſſen noch immer ſeine vorige Geſtalt und Eigen-
ſchaft. Daß ſich aber alle vegetabiliſche Subſtan-
zen, welche wachſend ſind, endlich dennoch zerſtoͤren,
und vererden laſſen, leidet keinen Widerſpruch.
Ihre außerordentliche Zaͤhigkeit und Dauer bleibet
unterdeſſen noch immer ein ſehr betraͤchtlicher
Umſtand, dergleichen er auch bey der natuͤrlichen
Befruchtung der Gewaͤchſe wirklich ſeyn muß,
wenn
[155] wenn man bedenkt, daß gewiſſe Arten des Blumen-
ſtaubes, von einer Pflanze auf die andere, durch
den Wind und die Inſekten gebracht werden, auch
werden muͤſſen, ohne von ihrer befruchtenden Kraft
zu verlieren. Dieſes geſchiehet in einer Entfernung
von viertel und halben Meilen in der freyen Luft,
eben ſo, wie ſonſt der befruchtete Froſch- und
Fiſchlaich von den Waſſervoͤgeln
aus einem
Gewaͤſſer in das andere uͤbergebracht wird. An
der Verſendung des Fiſchlaichs und groͤßerer Eyer
in weit entlegene Laͤnder iſt ohnehin kein Zweifel,
wie man denn ſelbſt den befruchtenden Blumenſtaub,
welchen man aus ſeinen Staubhuͤlſen herausge-
bracht, in Briefen auf eine ſolche Weite verſchi-
cken kann, daß er 3 bis 4 Wochen und laͤnger un-
terweges ſeyn muß, und dabey dennoch im Stande
bleibet, eine weibliche Pflanze noch vollkommen zu
befruchten, und dieſer iſt doch von den befruchteten
Eyern noch ſehr verſchieden. Vielleicht iſt dieſes
das einzige und beſonderſte Beyſpiel, welches man
in der Naturhaushaltung hat kennen lernen, wel-
ches uns die Nothwendigkeit der Dauer und Haͤrte
der wachsartigen Blumenſtaubkuͤgelchen begreiflich
macht, wovon in der Folge die noͤthige Anwendung
weiter gemacht werden wird.


Die gewoͤhnlichſte Geſtalt oftgedachter Blu-
menſtaubkuͤgelchen
oder Blaſen iſt insgemein
laͤnglichrund, [nierenfoͤrmig], ey- oder auch kugel-
rund, doch aber bey einem ſehr großem Theile von
Ge-
[156] Gewaͤchſen ſo beſonders und vielfaͤltig, daß man im
Stande iſt, davon eine ſehr zahlreiche und bewun-
derungswerthe Verſchiedenheit anzugeben, worun-
ter einige ganz ungewoͤhnlich geſtaltet vorkommen,
von welchen der Herr Rath Koͤhlreuter unter den
neuern Naturforſchern faſt die meiſten bemerket hat,
vor ihm aber der Melch. Verdries in Act. Eruditor.
ein gleiches zu thun verſucht hat.


Es findet ſich unterdeſſen eine gewiſſe aͤußerli-
che Aehnlichkeit zwiſchen den Kuͤgelchen des be-
fruchtenden Blumenſtaubes und andern zarten ke-
gelfoͤrmigen Koͤrperchen, die auf den Gewaͤchſen
außer der Blume zu gewiſſer Zeit zum Vorſchein
kommen. Man kann ſie aber auch nur als eine aͤu-
ßerliche annehmen, wenn man ſie zumahl nur oben-
hin und fluͤchtig betrachtet, ſonſt aber auch nicht ein-
mahl, ob gleich es ſchon oͤfters geſchiehet.


Es giebt nehmlich eine gewiſſe-Staub- oder
Mehlart auf Blaͤttern, wie auch zwiſchen den jun-
gen Keimen, Sproſſen und Trieben vieler Gewaͤch-
fe, eben zu der Zeit, wenn ſie ſich aus ihren Au-
gen zu entwickeln und auszudehnen anfangen. Die-
ſer Staub iſt zuweilen groͤber, und beſtehet aus lau-
ter durchſichtigen Kugeln, er wird auch zuweilen
noch in ganzen Lagen, zwiſchen den Blaͤttern und
um die jungen weichen Stengel und Stiele, als ein
etwas feuchtes Mehl gefunden, wo er anfangs, um
die Zwiſchenraͤume dieſer Theile auszufuͤllen, ſich
nach aller Wahrſcheinlichkeit daſelbſt befinden mag.
Er
[157] Er verlieret ſich aber nach einiger Zeit, wenn ſich
nehmlich gedachte Theile weiter ausgebildet und aus-
einander gezogen haben, ſo daß man als denn nur ein-
zelne Kuͤgelchen hin und wieder, auch wohl gar ſehr
zerſtreuet, wahrnehmen kann, und die Luft trocknet
ihn dermaßen, daß er als ein leichtes Pulver abfliegen
muß. Sehr ofte iſt dieſer Blaͤtterſtaub ſo fein, daß
man ihn fuͤr einen zarten Beſchlag oder Schimmel
halten ſollte, da man ihn beym bloßen Anruͤhren ſo
gleich mit den Fingern abwiſchen kann. Etliche
Botaniſten nennen dieſes Pulver farinam andere
ſcobem foliorum, und die damit beſtaͤubten Blaͤtter
folia farinoſa, wie ſie auch die feinere Art, welche ei-
nen Beſchlag vorſtellet, pruinam genennet haben.


Dieſes an ſich ſonſt ſo wenig erheblich ſchei-
nenden Umſtandes glaube ich alle Urſache zu ha-
ben, hier, als eines beſondern, ordentlich zu erwaͤh-
nen, weil das eben angezeigte Blaͤttermehl ſchon
ehemahls unſern großen und hoͤchſtverdienten Stahl
Gelegenheit gegeben, daß er in einen offenbaren
Irrthum verfallen iſt, welchen er in ſeinen Fundam.
Chymiae Dogmat. et Experimental
. p.
116. §. 44.
de ſemine Lycopodii geaͤußert, wo er folgendes ge-
ſaget:


Interim (ſc. Lycopodii pulvis) nihil aliud eſt,
quam tenerrima corticalis ſcobs, qua foliorum
rudimenta prima alias ſtipari ſolent.
Allein wie
weit iſt erſtlich der wahre Blumenſtaub, und folglich
das ſogenannte ſemen Lycopodii, von einem Blaͤtter-
mehl
[158] mehl unterſchieden, und wer hat noch zur Zeit er-
wieſen, daß die Epidermis plantarum oder folio-
rum
aus kugelfoͤrmigen Theilchen beſtehe, in wel-
che ſie ſich bey gewiſſer Gelegenheit aufloͤſe. Denn
ein anders iſt eine ganze Lage eines aufgeloͤßten
Contextns celluloſi vegetabilis, die ſich in kugelfoͤrmi-
gen abgeſonderten Koͤrpern zeiget, ein anders aber
die aus den aͤußerſten Spitzen deſſelben auf der
Oberflaͤche gebildete Haut.


Die Kuͤgelchen indeſſen, welche das Blaͤtter-
mehl
ausmachen, ſind helle und durchſichtig, ohne
daß man zur Zeit darinnen in vorerwaͤhnten Umſtaͤn-
den etwas weiter entdecken koͤnnen. Der aͤußern
Geſtalt nach gleichen ſie nur einzig und allein gewiſ-
ſen Arten des feinen Blaumenſtaubes, ſie haben
aber, ſo viel man weiß, damit nichts weiter ge-
mein, denn ſie enthalten nichts von jenem. Allen
Vermuthen nach ſind ſie anfaͤnglich, wenn ſie ſich
noch in ihrem erſten und natuͤrlichen Zuſammen-
hange oder einer gewiſſen Verbindungsart mit ein-
ander befinden, nichts anders, als ganze Lagen von
nach und nach ausgeſogenen und leeren uͤbrig geblie-
benen Blaſen, die nach der natuͤrlichen Theilung
der ordentlichen Lagen des Markes, des holzigen
Weſens, Splindes, Baſtes, der Rinde und
Schaale, wie ſie beym Wachsthume und der Bil-
dung neuer Pflanzentheile allezeit geſchehen muß,
alsdenn gefunden werden, wenn ihr celligtes und
netz-
[159] netzfoͤrmiges vormaliges wohl zuſammenhaͤngendes
Gewebe (contextus celluloſus) voͤllig, aber ordent-
lich ohne alle Gewalt, getrennet worden iſt.


Man kann, bey den phyſikaliſch anatomiſchen
Pflanzenunterſuchungen, dergleichen netzfoͤrmiges
Blaſengewebe in gar verſchiedener Geſtalt finden,
welches auch nach uͤberſtandener Veraͤnderung, die
bey der Ausbildung neuer Theile vor ſich gehet,
endlich auch bey Abgange des Markes, aus Man-
gel der Nahrung ſich ſelbſt aus ſeinem vormahligen
Zuſammenhange ſetzet; wie ſich denn aus eben dem
Grunde nicht ſelten ganze Lagen von allen Arten
des Gewebes in einer wohl beſtimmten Ordnung,
in welcher ſie vorher an einander ſchloſſen, allmaͤh-
lig trennen, zu der Zeit, wenn ein Pflanzentheil
in den andern durch die Verwandlung uͤbergehet.
Man findet aber nicht immer dergleichen kugliche
Zellen, in ganzen abgeſonderten Lagen, zwiſchen den
uͤbrigen faſrigen Geweben beyſammen, ſondern
auch in einzelnen oder mehreren von einander abge-
ſonderten, und mit dem uͤbrigen faſrigen netzfoͤrmi-
gen Gewebe ketten- und ſchlangenweiſe durchfloch-
tenen Reihen. Es geſchiehet ferner noch oft,
daß dergleichen Zellen noch, in beſonders geſtalteten
Schnuren, auf vielerley Weiſe zuſammengekettet
werden. Ihre aͤußere Trennung in ganzen Lagen
iſt, bey der Zertheilung der Haupttheile, dennoch
eben ſo gewiß, als ihre innere Verwandlung, die
ſich
[160] ſich jaͤhrlich beym Uebergange des einen Theiles in
den andern wirklich zutraͤget.


Da nun, wie geſagt, die Abſonderung gewiſ-
ſer Lagen des Gewebes von der naͤchſt anliegenden,
bey der natuͤrlichen Verwandlung der Theile in den
Gewaͤchſen, und beym Ausdehnen oder Wachſen,
bald auf den Spitzen der Zweige, bald an den Au-
gen und Knospen auf eine Art geſchieht, nach wel-
cher es nothwendig geſchehen muß; ſo trift die Ord-
nung der Abſonderung wahrſcheinlich allemahl eine
ſolche Lage zwiſchen den uͤbrigen, in welcher ſie am
leichteſten geſchehen kann, welches wohl vornehm-
lich der Contextus celluloſus iſt. Er wird bey der
Abſonderung auf eine ſolche Weiſe getrennet, die
ihre Beziehung auf den verſchiedenen Bau deſſel-
ben haben muß, daß man alſo den Reſt einer ſol-
chen deſtruirten Lage, auf der hernach entbloͤßten
Oberflaͤche, bald unter der Geſtalt eines Pulvers,
das aus Kugeln oder anders geſtalteten Blaſen be-
ſtehet, bald als eine Wolle, oder Schuppen, und
oͤfters als ein feines zerriſſenes Spinnengewebe
finden kann.


Wer nicht geuͤbt und gewohnt genug iſt, auf
dergleichen und andere Veraͤnderungen wohl Acht
zu haben, die ſich bey der allmaͤhligen Ausbildung
gewiſſer Pflanzentheile zu ereignen pflegen, beſon-
ders aber auf ſolche, die das uͤberall und ohne
Auf-
[161] Aufhoͤren bildende Mark, von einer Lage des Gewe-
bes zu der andern und durch die uͤbrigen Lagen, bey
dem jaͤhrlichen Zuwachſe und Erneuerung durch den
ganzen Pflanzenkoͤrper hervorzubringen im Stan-
de iſt, wird ſich davon die gehoͤrigen Vorſtellun-
gen ſogleich nicht machen koͤnnen, und folglich
auch von dem Blaͤttermehle und deſſen Eigenſchaf-
ten die erforderliche Kenntniß nicht haben.




[162]

Neueſte Nachricht
von einem ſchaͤdlichen
nordamerikaniſchen Gewaͤchſe
und
denen hier im Lande dadurch verurſachten
beſondern Zufaͤllen.



Die Entdeckung ſolcher Gewaͤchſe, die ſich durch
ihre Wirkſamkeit von den uͤbrigen beſonders aus-
gezeichnet, und deshalb in gewiſſen Zeitaltern einen
Ruf vor ſich gehabt, hat man, ihrer guten oder
uͤbeln Wirkungsfolgen halber bald Arzeneyen bald
Gifte genennet. Sie ſind, wie uns die Geſchichte
deswegen belehret, groͤßtentheils durch bloße Zu-
faͤlle mehr, als durch einen aus wiſſenſchaftlichen
Einſichten entſpringenden tiefern Nachſinnen, kenn-
bar geworden. Was die mit den gemeinen Erfah-
rungen hernach verbundenen Einſichten, das Nach-
denken
[163] denken, und eine abwechſelnde Zubereitungsart vor
oder bey der weitern Anwendung derſelben zu ge-
wiſſen Abſichten gethan, iſt ohnehin ſchon vor ſich
außer Zweifel geſetzt. Ohne gegenwaͤrtig von den
als Arzeneyen in Gebrauch gekommenen Gewaͤch-
ſen zu handeln, duͤrfen wir nur bey den ſchaͤdlichen
und ſogenannten giftigen Pflanzen ſtehen bleiben;
ſo wird ſich ergeben, daß man es zuweilen blos bey
ihrer Erfindung und Erfindungsgeſchichte bewenden
laſſen, auch vielleicht aus Mangel der Gelegenheit
und vielen auch zum Theil nicht ganz verwerflichen
Urſachen wenig Verlangen bezeiget, ſich weiter dar-
nach zu erkundigen, bis ein zweyter oder dritter be-
denklicher Zufall die Aufmerkſamkeit von neuen re-
ge gemacht. Es haben ſich alsdenn Kunſtverſtaͤn-
dige und andere, Vortheils oder Schadens halber,
und alſo gleichſam nothgedrungen geſehen, der er-
ſten Entdeckung weiter nachzudenken, und einer oder
der andern ſonderbaren Erſcheinung halber, in und
außer dem Vaterlande, und ſelbſt an den aͤußerſten
Enden von beyden Indien, ernſtlichere Erkundigun-
gen davon einzuziehen.


Gegenwaͤrtig ereignete ſich in unſerer Nach-
barſchaft wieder ein aͤhnlicher Fall, welcher uns
ſchon ſeit einigen Jahren in der Berliniſchen Ge-
gend vorgekommen iſt, und uns ſchon damahls
haͤtte aufmerkſam machen ſollen, auch eben dasje-
nige mehr als doppelt und dreyfach beſtaͤtiget, wo-
von vorher die Rede geweſen. Die Sache betrift
L 2eigent-
[164] eigentlich eine wirklich ſchaͤdliche Pflanze, welche
als eine fremde ſchon vor unſerer Zeit in den alten
botaniſchen Gaͤrten und andern ſtarken Sammlun-
gen von amerikaniſchen Baͤumen und kleinen Holz-
arten ſehr lange Zeit, auch weit uͤber ein Jahrhun-
dert unter den meiſten faſt unwiſſend, was die wah-
ren Eigenſchaften betrift, mit unterhalten worden
iſt, ihrer Schaͤdlichkeit wegen aber in ihrem Vater-
lande, dem noͤrdlichen Amerika vorlaͤngſt unter dem
Namen Toxicotendra, des Giftbaumes, bekannt ge-
weſen ſeyn muß, woher ſie Europa erhalten hat.


Von daher ſind ihre Fruͤchte faſt zuerſt nach
Frankreich, und darauf auch nach England gebracht
worden, woraus denn ſowohl dieſe, als etliche von
ihren noch vorhandenen Abaͤnderungen, nebſt einer
davon ganz verſchiedenen Gattung, erzogen worden
iſt, die auch in Japan in zwey ſehr wohl zu unter-
ſcheidenden Abaͤnderungen gefunden wird, an Boͤs-
artigkeit aber beyden uͤberaus gleichet, wenn dieſe
nicht noch davon uͤbertroffen wird. Nach und nach
iſt ſie in unſere deutſche botaniſche Gaͤrten gekom-
men, daß man ſie endlich als bekannt genug, ohne
weitern Verſuch, in den Verzeichniſſen mit aufgefuͤh-
ret hat.


Die Botaniſten ſtellten damahls bey ihren
Vorleſungen zwar uͤber den Namen derſelben
Pflanze oft nur fluͤchtige Vetrachtungen an, und
zeigten ſie in den oͤffentlichen Gaͤrten als eine
ſolche vor, welche wegen ihrer ſchaͤdlichen Eigen-
ſchaf-
[165] ſchaft und in Amerika geaͤußerten boͤsartigen Wir-
kung Verdacht genug erwecken ſollte; wobey es in-
deſſen ohne weitere Unterſuchung lange geblieben
iſt. Dieſe Gewaͤchſe wurden eine ziemliche Zeit
ohne alle Furcht in den Gaͤrten verpflanzet und be-
handelt, ſo wie es mit der einen, von der hier eigent-
lich die Rede iſt, und welche man noch immer in
Toͤpfen in den Winterhaͤuſern zu unterhalten ge-
wohnt war, wenigſtens alle drey Jahre geſchehen
mußte. Eine andere lies man als eine vom Stam-
me 3 fuͤßige Baumart ſtehen, bis vor wenig Jah-
ren, da man ihre Schaͤdlichkeit fuͤrchten lernte. Es
vermehrten ſich aber dieſe Gewaͤchſe aus den Wur-
zelſtoͤcken durch die Brut ſo ausnehmend haͤufig,
daß man ſie endlich ins freye Land verpflanzen und
jaͤhrlich eine Menge Wurzelſproſſen [wegwerfen]
mußte, indem ſie außerdem zwar wenig Blumen
und gar keine Fruͤchte brachten, und noch dabey
die Gefaͤße durch ihre Wurzeln auseinander ge-
ſprengt wurden. Wurzeln und Zweige wurden
allezeit an den beyden letztern Gewaͤchsarten ſehr
ſtark beſchnitten, und ihre Verpflanzung geſchahe
entweder zu Anfange des Aprils oder gegen die
Mitte des Septembers, da ſich ihre Saͤfte des
Wachsthumes halber entweder noch nicht, oder
hernach nicht mehr in einer ſo lebhaften Bewegung
befanden, als vom Juny an bis zu Ausgange des
Auguſtmonates, bey guter warmer Witterung. Es
geſchah auch, weil man nur wenige einzelne Stuͤcke
L 3davon
[166] davon unterhielt, daß man ſich damit weder zu
lange aufzuhalten noch zu erhitzen ſonderlich Gele-
genheit fand, um ihre Schaͤdlichkeit an ſich ſelbſt
erfahren zu duͤrfen, die ſich ſonſt an etlichen damit
umgehenden Perſonen nur nicht allemahl oder noth-
wendig zu aͤußern pfleget.


Die ſchaͤdlichen Wirkungen ſchienen indeſſen,
ſeit der alten Sage davon, faſt in Vergeſſenheit
gerathen zu ſeyn, und man glaubte, als ob man
ſich vor dieſer Pflanze eben ſo genau nicht in Acht zu
nehmen haͤtte. Selbſt ich, als der ich mich in juͤngern
Jahren mit der Cultur der ſaͤmmtlichen in Deutſch-
land ſeit 1660 bekannt gewordenen Pflanzen ſehr
ſtark beſchaͤftigte, und beſonderer Umſtaͤnde wegen
genoͤthiget war, jaͤhrlich eine ſehr anſehnliche Men-
ge von dergleichen fremden Gewaͤchſen mit eigener
Hand zu verpflanzen und zu vermehren, habe da-
mahls darauf eben ſo wenig Acht gehabt, als andre,
außer daß, wie ich mich wohl beſinnen kann, ich
beym Verpflanzen und Beſchneiden ſolcher Ge-
waͤchſe ſo vorſichtig geweſen bin, niemahls den fri-
ſchen Saft auf die bloße Haut, oder durch Reiben der
Finger, am Hals, ins Geſichte und ſo weiter beſon-
ders bey ſtarken Schweiße zu bringen, oder aber
gar das Meſſer womit ſie beſchnitten wurden, nach-
laͤßigerweiſe in den Mund zu nehmen, wie es gegen
alle Verwarnung auch zuweilen in Gedanken ge-
ſchiehet. Dieſes alles geſchah alſo fruͤher oder
ſpaͤter im Jahre, ehe die Gewaͤchſe ſtark treiben
oder
[167] oder gar bluͤhen. Doch habe ich zum oͤftern die
jungen ſaftreichen Zweige zur Bluͤthezeit abgebro-
chen, und wie meine Schuͤler nach mir noch zu thun
pflegen, Stundenlang bey warmen Wetter oh-
ne Furcht und Schaden in der bloßen Hand ge-
tragen, bis ich Gelegenheit fand, ſie in ein Buch zu
legen, die Blumentheile zu unterſuchen oder auf-
zutrocknen, ohne zu der Zeit vernommen zu haben,
daß ſie andern geſchadet haͤtten. Noch geſtern, als
ich dieſes Gewaͤchs verpflanzte und ſelbiges be-
ſchneiden mußte, ſchaͤlte ich von der Wurzel ein
Stuͤck Rinde, theilte daſſelbe, und behielt jedes
Stuͤck wohl eine halbe Viertelſtunde im Munde; ich
fand bey dieſer Herbſtzeit nichts fluͤßiges und ſchar-
fes darinnen, wohl aber ein erdhaftes zuſammen-
ziehendes Weſen, welches den Mund austrocknete,
und auf der Zunge insbeſondere uͤberaus anhal-
tend, beſchwerlich und merklich herbe wurde, eben
als wenn man von den friſchen Wallnuͤſſen das
herbe Haͤutchen mit dem Kerne zugleich genießt.
Im Fruͤhlinge und Sommer wuͤrde ich weder die
Wurzel, noch ſonſt einen Theil von dieſem Gewaͤchſe,
ſo friſch und lange zu koſten gewagt haben.


Etliche andere hingegen ſind nach dieſer Zeit
nicht ſo gluͤcklich geweſen, als ich, ſie haben vielmehr
die boͤsartige Wirkung dieſer Pflanzen nach einer
verſchiedenen Heftigkeit recht ſtark erfahren muͤſſen,
auch ſolche, welche vorher davon immer verſchonet
geblieben waren. Es kann uns zu dem Ende noch
L 4wohl
[168] wohl erinnerlich ſeyn, was dem Koͤnigl. Gaͤrtner
Muͤller im Garten der Koͤnigl. Akademie nebſt deſſen
Geſellen und Lehrpurſchen, bey dem Verpflanzen
dieſes bald zu beſchreibenden Gewaͤchſes, uͤbles be-
gegnet iſt. Einer von unſern hieſigen geſchickten
Aerzten, Herr D.Pallas, wird von ſeiner bey den
davon entſtandenen ſchweren und bey dem Gaͤrtner
insbeſondere lange angehaltenen Zufaͤllen angewende-
ten Kurart die zuverlaͤßigſte Nachricht geben koͤnnen.
Eben dieſe Pflanze, von welcher nur eigentlich die
Rede ſeyn wird, iſt mit ihrer 2ten Geſchlechtsart,
von welcher noch nicht gehoͤrig ausgemacht werden
koͤnnen, ob ſie nicht eine bloße Abaͤnderung der er-
ſten ſey, nebſt den ſogenannten Firniß oder Firniß-
baume
unter dem Namen von Giftbaum in Ca-
nada, Virginien, und Penſylvanien vorlaͤngſt be-
kannt geweſen. Die Botaniſten in Europa, welchen
die uͤbrigen unſchicklichen Benennungen außer jenen
nicht mehr gefallen wollten, machten aus dem la-
teiniſchen Namen Arbor venerata endlich den grie-
chiſchen Toxicodendron, welcher aber nunmehro aus
guten Gruͤnden unter das Pflanzengeſchlecht von
Rhus von Hrn. von Linne gebracht worden iſt. Un-
ter den aͤltern Benennungen dieſer Pflanze finden
ſich ſchon die Namen:


  • Edera Canadenſis. Cornut. Canad. 69. tab. 97.
  • Hederae trifoliae Canadenſi affinis planta, Ar-
    bor venerata quorundam. Hort. Reg. Pa-
    ris. p.
    84. wie ſie nach Tourneforts Zeug-
    niß
    [169] niß ſchon der Koͤnigl. Profeſſor der Bota-
    nik Dioniſius Jacquet in den Jahren
    1659 — 1660. im Pariſer Kraͤutergarten
    vor ihm genannt.
  • Arbor trifolia venerata virginiana folio hirſu-
    to. Raj. Hiſt.
    1799. auch
  • Hederae trifoliae canadenſi affinis ſurrecta,
    Arbor tinctoria. Pulk. Almageſt.
    181.
    Daß aber die ſehr kurz und unvollkom-
    men unter dem Namen Apocynum trifolium
    indicum fruticans
    beym Bod. a Stapel. im
    Theophraſt. p. 364. beſchriebene Pflanze
    die unſrige ſeyn ſollte, laͤßt ſich aus dem
    beygefuͤgten ſehr groben und falſchen
    Holzſchnitt kaum denken. Sie iſt viel-
    mehr
  • Rhus Toxicodendrum, foliis ternatis, foliolis pe-
    tiolatis angulatis pubeſcentibus; caule radi-
    cante
    . Linn. Spec. Plant. T. I. No. 9.
    pag.
    381.
    • Rhus foliis ternatis, foliolis petiolatis,
      ovatis actuis pubeſeentibus; nunc
      integris nunc ſinuatis. Gronov. flor.
      Virgin.
      149. welche beyde Beſchrei-
      bungen der Blaͤtter in der vor mir
      habenden Pflanze richtig gefunden
      werden.
    • Toxicodendron triphyllum, folio ſinua-
      to pubeſcente. Tourn. Inſt. R. Hb.

      L 5611.
      [170] 611. Herbe a la Puce. Hb. Pulica-
      ni,
      Floͤhkraut.
    • Der dreyblaͤtterige Giftbaum mit et-
      was ausgeſchweiften wolligten Blaͤt-
      tern, ſehr uneigentlich. Der Gift-
      baum mit Eichenblaͤttern, und

      noch ſchlechter die Gifteſche, weil
      er keine Blaͤtter hat, wie der Fir-
      nißbaum
      , die ſich dem Eſchenlaube
      vergleichen. Der beſte deutſche
      Name dieſer Pflanze wuͤrde ſeyn,
      der große 3blaͤtterige nordamerika-
      niſche Giftrebenſtrauch
      .

Dieſe Art des Giftbaumes iſt diejenige, wel-
che faſt von allen Schriftſtellern davor gehalten
worden, und nur eigentlich die, von welcher hier in
der folgenden Nachricht die Rede ſeyn wird. Man
hat ſie mit den beyden andern Giftbaͤumen, die mit
ihr gleich boͤsartig gefunden werden, auch blos des
Namens wegen eben ſo irrig verwechſelt, als mit
etlichen ganz unſchaͤdlichen Gewaͤchſen geſchehen iſt,
an deren Statt man den Giftbaum unwiſſend im
Gebrauch gezogen, und ſich und andere dadurch
Schaden zugefuͤget hat, wie die mir von der hieſi-
gen Geſellſchaft naturforſchender Freunde zur Un-
terſuchung uͤberſchickte Pflanze außer allen Zweifel
ſetzet. Folgende von Croſſen ein ihres angerichte-
ten Schadens halber eingeſchickte Nachricht von
dieſer Art des Giftbaumes habe ich ſowohl einer
weitern
[171] weitern Unterſuchung und noͤthigen Erlaͤuterung
auch Verbeſſerung werth gehalten, und daher nicht
ermangeln wollen, ſolche hier mitzutheilen.


In den reformirten Pfarrhauſe zu Croſſen hat
ſich ſeit ungefaͤhr 16 Jahren eine beſondere Krank-
heit ge aͤußert, welche ſonſt weder vorher in andern
Orten dieſer Stadt, noch in gegenwaͤrtigem Herbſte
weiter daſelbſt wahrgenommen worden iſt. Mit
dieſer ſind jaͤhrlich alle Bewohner deſſelben Hauſes
in den Fruͤhlingsmonaten, auch den Sommer hin-
durch bis zum Eintritte des Herbſtes, ein oder meh-
rere mahl, nach verſchiedenen Graden der Heftigkeit
und Dauer, befallen worden, doch ohne, daß es dem
einen oder dem andern das Leben gekoſtet haben
ſollte. Niemand verfiel auf die eigentliche Urſache
der Krankheit, ob man ſchon bey der Unterſuchung
zumahl in beyden letztern Jahren alle Muͤhe anwen-
dete. Es aͤußerte ſich aber dieſelbe insgemein da-
durch, daß einzelne damit befallene Perſonen im
Geſichte, an den Armen und Haͤnden einen beſon-
dern Ausſchlag bekamen, davon die ſehr aufgetrie-
bene, entzuͤndete, hochrothe Haut gleich anfangs
mit kleinen hellen Blaͤschen beſetzt war, welche ein
beſtaͤndiges, brennendes, zuletzt unertraͤglich wer-
dendes Jucken verurſachten. Dieſe Blaͤschen ver-
aͤnderten ſich nach etwa 3 Tagen dergeſtalt, daß ſie
ſehr groß wurden und eine waͤßrig zaͤhe Materie ent-
hielten, welche ſich zwar ſehr leicht ausdruͤcken ließ,
aber
[172] aber ſehr geſchwind wieder erſetzt wurde. Ein ſtar-
kes Fieber, Beaͤngſtigung und Mangel des Schlafs,
mit Schmerzen im Halſe und Augen, fanden ſich
ein, die Zufaͤlle hielten bey etlichen bis zum achten
und zehnten, bey andern bis zum 12ten und 14ten
Tage an, und zeigten von der Heftigkeit der Krank-
heitsmaterie und Urſachen zur Genuͤge, bis endlich
die Geſchwulſt allmaͤhlig abnahm, und die Blaſen,
nachdem die Materie bey der Vereiterung tiefer oder
flacher eingedrungen war, mit Hinterlaſſung rother
Flecken abtrockneten, und ganz vergiengen.


Dieſem heftigen und ungewoͤhnlichen
Rothlaufe
gab man, der Aehnlichkeit halber, den
Namen einer ſtarken Blatterroſe. Ob man nun
den Grund dieſer beſchwerlichen Krankheit ſchon
anfangs in den uͤbeln Umſtaͤnden der Wohnzimmer
des Pfarrhauſes gefunden zu haben glaubte, ſo war
doch vor den vorher angezeigten 16 Jahren kein Be-
wohner dieſes Hauſes damit befallen worden, wie
es ſonſt ſchon im Winter und Herbſte bey anhalten-
der feuchten Witterung mit andern Krankheiten
leicht geſchehen kann; es zeigte ſich vielmehr in An-
ſehung der Jahrszeiten gerade das Gegentheil, in-
dem ſich der verdrießliche Zufall nur in den beſten
Fruͤhlings- und warmen Sommermonaten einſtellte,
dagegen er ſich mit deren Ablaufe von ſelbſt vermin-
derte und verlohr.


Man aͤnderte dahero die Muthmaßungen we-
gen des Hauſes, und urtheilte aus nachfolgenden
Umſtaͤn-
[173] Umſtaͤnden weit richtiger, nachdem die Bewohner
des Hauſes ſeit 6 Jahren nach verſchiedenen Gra-
den der Heftigkeit die Krankheit oͤfters uͤberſtanden,
daß das Uebel ſeinen Grund vielmehr in dem klei-
nen, und von Mauern und Gebaͤuden eingeſchraͤnk-
ten, hinter dem Pfarrhauſe belegenen, dumpfigten
Garten habe, wie man denn ſogar den Genuß der
darinnen erbauten Kuͤchengewaͤchſe nicht außer
Verdacht ließ. So aufmerkſam ſaͤmmtliche Be-
wohner des Pfarrhauſes auf alle dahin gehoͤrige
Umſtaͤnde waren, und ſich ſowohl des Gartens,
als Gartengewaͤchſe daraus ſo ſelten, als moͤglich,
und einige der letztern gar nicht bediente, ſo waren
ſie doch nicht im Stande, das Uebel von ſich voͤllig
abzuhalten, daß ſie nicht alle dennoch dann wieder
befallen worden waͤren. Sie wurden alſo wegen
Entdeckung der wahren Krankheitsurſachen von
neuen zweifelhaft, dabey doch der Verdacht gegen
den Garten immer noch uͤbrig bleiben mußte.


Denn da ſie die Jahreszeit mit den Anfaͤllen
ihres bald heftigern bald gelindern vorher angezeig-
ten Rothlaufes viel zu genau vergleichen konnten,
und ſelbſt die Tageszeit jedesmahl bemerkten, wenn
ſie ſich im Garten laͤnger oder kuͤrzer aufgehal-
ten hatten, ſo wurden ſie endlich durch einen
ganz neuen Vorfall in dem letztverwichenen Mo-
nat July von der Richtigkeit ihrer davon ge-
habten Vermuthung voͤllig uͤberzeuget. Es er-
hielt nehmlich die im Pfarrhauſe wohnende
Fami-
[174] Familie des Hofpredigers den Beſuch von ei-
nem jungen Frauenzimmer, welche in den kleinen
Garten eine ganze Stunde lang ſich aufhielt.
Eben dieſe Perſon, welche vorher von dem Jahre
1769 bis 1776 in demſelbigen Hauſe gewohnt, und
jaͤhrlich zur Sommerszeit vorerwaͤhnte Krankheit
etlichemahl ausgeſtanden hatte, ſeit dem ſie ſich aber
nicht mehr darinnen befunden, von allen derglei-
chen Anfaͤllen vollkommen frey geblieben war, klagte
noch ſelbigen Abend wieder uͤber die ihr ehedem ſehr
genau bekannt geweſenen kraͤnklichen Umſtaͤnde.
Das dabey gewoͤhnliche brennende Jucken ſtellte
ſich am linken Arme wieder ein, und den darauf fol-
genden Morgen war ſchon die Haut zum Theil ent-
zuͤndet, roth und mit Blaſen bedecket, nur daß
dieſesmahl die Zufaͤlle gelinder waren, als ſonſt, da
die Bruſt, Geſicht und Haͤnde beſonders gelitten
hatten, und die uͤbrigen Theile des Koͤrpers vor-
jezt davon nicht angegriffen wurden. Man glaubte
nunmehr dadurch uͤberzeugt zu ſeyn, daß man den
Grund des Uebels in dem Garten, und zwar etwa in
einem ſolchen Gewaͤchſe zu ſuchen habe, welches
vor ſich im Stande ſey, dergleichen Zufaͤlle durch
ſeinen fluͤchtigen, ſcharfen, hoͤchſt wirkſamen Dunſt
zu erregen, welches alles ſich aus den nachfolgenden
Umſtaͤnden ſehr deutlich ergeben wird.


Das Pfarrhaus, welches durch ein Vermaͤcht-
niß dem reformirten Hofprediger in Croſſen zur
freyen Wohnung beſtimmt worden war, hatte gleich
Ein-
[175] Einganges in dem kleinen Garten ein belaubtes Ca-
binet, an welches 1769 der oben angefuͤhrte Gift-
baum
, aus einen ſehr großen Irrthum, als ein ſchlan-
kes Rebengewaͤchſe, ſtatt des ſo genannten fuͤnf-
blaͤtterigen wilden Weinſtocks
, Vitis quinqueſolia
canadenſis
,
einer fremden Art von Epheu, gepflanzt
worden war. Dieſes Gewaͤchs kannte zwar nie-
mand, da man aber doch ſahe, daß es nicht der
rechte Canadiſche wilde Weinſtock war, fiel der
Verdacht allein darauf. Man beſchloß es aus die-
ſem Grunde auszurotten, nachdem man zumahl
noch etliche neuere Erfahrungen gemacht, und mit
allen vorhergehenden wohl verglichen hatte.


Denn man erinnerte ſich ſehr genau, daß da-
mals in eben dem Zeitpunkte, als das vorher ge-
pflanzte Gewaͤchſe 1770 zum erſten mahle ausſchlug,
die ofterwaͤhnte beſchwerliche Krankheit in dem
Pfarrhauſe ihren erſten Anfang genommen, mit je-
dem Herbſte nachgelaſſen, und jedesmahl im Som-
mer, wenn alles Gewaͤchſe belaubt geweſen und in
der Bluͤthe geſtanden, wiedergekommen war. Der
zeitige Beſitzer ward ferner noch ganz zuletzt von der
Krankheit vor allen faſt am heftigſten angegriffen,
da er des Tages vorher nur in Zeit von einer Stun-
de die uͤbermaͤßig wachſenden Wurzelſproſſen aus-
geſchnitten, und die herunterhaͤngenden Reben dieſes
Gewaͤchſes aufgebunden hatte; wozu noch kam,
daß eine Kinderwaͤrterin ſich in dieſem mit dem Ge-
waͤchſe bezogenen Cabinette ſo lange aufhielt, als
ihr
[176] ihr Kind auf dem Hofe herumlief, welche noch da-
zu Zweige davon abgebrochen hatte, um ſich damit
Fliegen und Muͤcken abzukehren, dagegen das Kind
nur ſelten zu ihr kam. Dieſe Frau wurde am mei-
ſten und heftigſten im Geſichte damit befallen, da-
gegen bey dem Kinde auf der rechten oder linken
Seite im Geſichte zuweilen nur eine ſehr ſchwache
Roͤthe bemerkt werden konnte. Unter allen Perſo-
nen im Pfarrhauſe iſt nur die einzige Koͤchin von
der Krankheit verſchont geblieben, weil ſie ſich ſehr
ſelten, und niemahls zu lange im Garten, am aller-
wenigſten aber im Cabinette ſelbſt, in den giftigen
ſcharfen Duͤnſten befunden hat.


Im Anfange des 1777ſten Jahres wurde alſo
dieſer Giftbaum im Garten ſo gut als moͤglich aus-
gerottet; es ging damit zugleich das große Uebel
zu Ende, und man beſuchte den Garten von der
Zeit an fleißiger, als jemahls, ohne daß man den
folgenden Sommer davon weiter das geringſte ver-
ſpuͤret haͤtte. Doch muß man noch dabey anmer-
ken, was der Koͤnigl. Hofprediger Hr. Conrad un-
term 20ten Auguſt nachberichtet hat, wie nehmlich
ein junges Frauenzimmer, das ſich mit einer Geſell-
ſchaft in dem nun mit Buchen bepflanzten Cabinet
befunden, unter der Bank noch einen einzigen jun-
gen Sproßling von dem ſchon ausgerotteten ſchaͤdli-
chen Gewaͤchſe zwiſchen den Steinen gewahr ge-
worden, ihn abgebrochen, und der Geſellſchaft vor-
gezeiget. Nach Verlauf von 24 Stunden kamen
bey
[177] bey dieſer Perſon ſchon die gewoͤhnlichen Blaſen
zum Vorſchein, mit welchen der ganze Arm bezo-
gen, auch durch ſie ſogar der andere Arm ergriffen
wurde. Doch weiter ſind ſie nicht gekommen, ſon-
dern nach etlichen ſchmerzhaften Naͤchten wie-
der vergangen.


Was kann deutlicher und unterrichtender ſeyn,
als dieſe Nachricht, welche eben deswegen, gegen
andere bey verſchiedenen Schriftſtellern nur gele-
gentlich oder zu unvollkommen gegebene, ihre Vor-
zuͤge hat. Denn es laͤßt ſich daraus die eigentliche
Krankheit mit ihren gewoͤhnlichen und bekannten
Zufaͤllen erſehen, womit eine ganze Familie von etli-
chen dem Geſchlecht, Alter und Leibesbeſchaffenheit
nach verſchiedenen Perſonen, zu einer gewiſſen Jah-
reszeit, auch wohl zweymahl in einem Jahre, nach
verſchiedenen Graden der Heftigkeit befallen wor-
den iſt. Sie fuͤhret ferner auf die verletzende Urſa-
che auf das wahrſcheinlichſte, von welcher theils
nach Vernunft und Umſtaͤnden zuſammengenommen
erweißlich gemacht worden, theils aus ſichern Erfah-
rungen und Beyſpielen wirklich erwieſen worden
iſt, daß die der verdruͤßlichen Zufaͤlle halber in Ver-
dacht genommene giftige Pflanze eine von denjenigen
und eben den dreyerley Pflanzen ſey, welche ſich ſowohl
bey uns im noͤrdlichen Deutſchland, als ſchon ehe-
dem in etlichen Provinzen des nordlichen Amerika,
nicht nur durch aͤhnliche Vergiftungen kenntlich ge-
nug gemacht, ſondern auch eben dieſelbe Krankheit
Mmit
[178] mit gleichen Zufaͤllen erreget, ſo daß man ſie daſelbſt
ſchon faſt uͤber ein Jahrhundert eben ſo gefuͤrchtet,
als es nach der Zeit in Frankreich geſchehen, und
nunmehro auch bey uns geſchehen wird.


Die Jahreszeit nach gewiſſen damit verbunde-
nen Umſtaͤnden, in welcher ſich die Pflanze in Nord-
amerika und Europa allezeit ſchaͤdlich erwieſen, ma-
chen von der andern Haͤlfte des Maymonates, bey
anhaltend warmen Wetter und einer Tageslaͤnge
von 15 bis 16 Stunden, bis zu den erſten Tagen
des Septembers, eine Periode von etwa 120 Tagen
aus. Weder vor dieſer noch nach derſelben ſpuͤret
man ihre giftige Wirkung, es muͤßte denn ſeyn, wie
gleichfalls nicht unbemerkt geblieben iſt, daß man
unverſehener Weiſe etwas von abgehauenen Holze
unter den Vorrath zur Feuerung haͤtte kommen laſ-
ſen. Denn bey dem hohen Sonnenſtande ſtehet
die Pflanze im beſten Wachsthume und Bluͤthe,
und zugleich in der groͤßten Kraft ihrer Schaͤdlich-
keit, indem ihr Saft voͤllig verduͤnnet ſich in der
ſtaͤrkſten Bewegung befindet, und am ſtaͤrkſten aus-
dampfet, da ſich denn deſſen ſcharfe fluͤchtige Duͤn-
ſte in den natuͤrlichen dicken und ſchattigen Stand-
orten, ohne von der frey zugehenden Luft zerſtreuet
zu werden, anſammlen, und von den mehr oder we-
niger ſchwitzenden Menſchen aufgefangen, oder ein-
geſogen werden koͤnnen.


Ich glaube aber nichts zu verfehlen, wenn ich
zur Erlaͤuterung und fernern Beſtaͤtigung oft er-
waͤhn-
[179] waͤhnter Krankheitsgeſchichte, diejenigen wohlbe-
ſtimmten Nachrichten, nach einer ſchicklichen und
kurzen Auswahl, hier beybringe, welche andere
Schriftſteller außer unſern Vaterlande theils von
der auch bey uns vergiftenden Pflanze, theils etli-
chen andern derſelben naͤchſt verwandten und gleich
ſchaͤdlichen Pflanzengattungen aus Nordamerika
von Zeit zu Zeit bekannt gemacht haben. Die
Nachricht des aufmerkſamen Kalms in deſſen zwey-
ten Theil der Reiſebeſchreibung, und eines Dutley
in den gelehrten Abhandlungen der Koͤnigl. Socie-
taͤt zu Londen, ſind vor andern die vorzuͤglichſten.


Was nun die Krankheit betrift, welche mit
ihren Zufaͤllen von dem Rhus Toxicodendrum ver-
urſacht worden, ſo hat man ſie gerade fuͤr diejenige
gehalten, die ſie wirklich iſt, nehmlich fuͤr eine Art
der Blatterroſe mit denen nachfolgenden abwech-
ſelnden oft beſchriebenen Entzuͤndungszufaͤllen, die
die Aerzte Phlegmonem puſtuloſam oder veſicularem,
die gemeinen Leute aber das laufende Feuer oder
den Rothlauf mit Blattern und Blaſen zu nennen
gewohnt ſind. Die Zeichen einer ſchnellen, bald
heftigern bald geringern Entzuͤndung an etlichen
aͤußerlichen Theilen mit einer Haͤrte, ſchmerzhaften
Spannung, Geſchwulſt, hohen Roͤthe, die ſich all-
maͤhlig faſt uͤber den ganzen Leib ausbreitet, und
dem davon unzertrennlichen ſymptomatiſchen Fieber,
ſind deutlich genug. Die allmaͤhlig dabey entſte-
M 2hen-
[180] henden Zufaͤlle, als ein beſtaͤndiges, beißendes, zu-
letzt ganz unertraͤgliches Jucken der Haut, der Au-
genlieder, mit Steifigkeit derſelben und Entzuͤn-
dung der Augen, Schmerzen im Halſe, Beaͤngſti-
gung, Unruhe, Mangel des Schlafes, oder auch
eine fliegende Hitze mit bald voruͤbergehenden leich-
ten Phantaſieen, oder Ohnmachten und Zuckungen,
wechſeln ab. Es zeigen ſich dabey insgemein auf
der entzuͤndeten Haut zugleich haͤufige Blaſen oder
Blattern, die eine ſcharfe Feuchtigkeit von ſich ge-
ben, und ſich ſelten gleich anfangs wieder, ohne
zu verſchwoͤren, verlieren, meiſtentheils aber in
eine ſtarke Vereiterung uͤbergehen. Alle dieſe Um-
ſtaͤnde aͤußern ſich bey einer heißen Witterung, bey
welcher die Koͤrper leicht in ſtaͤrkere Bewegung ge-
rathen, und mit ihren mehr verdorbenen oder auch
geſunden Saͤften in eine reichlichere Ausduͤnſtung
verſetzt werden, ſo daß im Verhaͤltniß jener, das
Einſaugen eines hoͤchſt feinen dunſtartigen Pflan-
zengiftes zugleich ſchneller vor ſich gehet, und die
Menſchen nach verſchiedenen Graden der Heftigkeit
davon angegriffen werden koͤnnen. Man betrachte
alſo dicke, kuͤhle, ſchattige Laubwaͤlder, als die
Standoͤrter der vergiftenden Pflanze in Nordame-
rika, oder welches einerley ſeyn muß, dicht damit
bezogene gruͤne Spatziergaͤnge und Cabinette in un-
ſern Gaͤrten, unter denen man ſich auszuruhen,
vor der Sonnenhitze zu verbergen und abzukuͤhlen
gewohnt iſt, ſo werden ſich vorbeſagte Umſtaͤnde
der
[181] der unvermutheten Zufaͤlle ſehr leicht einſehen
laſſen.


Wenn wir hier zur Abſicht haͤtten, durch eine
ordentliche Abhandlung der ganzen Krankheitsge-
ſchichte in ihren Umfange, und die abwechſelnden be-
ſondern Zufaͤlle, die Grenzen eines Naturforſchers
zu uͤberſchreiten, muͤßten wir mit den Aerzten von
den Kraͤften einer angeblich giftigen noch nicht voͤl-
lig unterſuchten Pflanze reden, auch von de-
ren natuͤrlichen ſchaͤdlichen und uͤbrigen Be-
ſtandtheilen, Wirkungsarten und Folgen, welche
ſich in den menſchlichen Koͤrper aͤußern, einen
deutlichen Bericht geben, ohne daß wir dieſes Man-
gels halber dazu im Stande waͤren. Beſſer muß
es alſo ſeyn, ehe man ſich einem dergleichen Vor-
haben, bey Ermangelung gedachter nothwendigen
Unterſuchung, unterziehet, dasjenige vorher richtiger
zu beſtimmen, als es von andern hat geſchehen koͤn-
nen, die diejenigen vergiftenden Pflanzen nach ih-
ren Namen, Geſchlechter und Gattungen noch gar
nicht gekannt haben, durch welche das Uebel ſowohl
bey uns als in Amerika verurſacht worden iſt. Hier-
durch wird man Gelegenheit haben ſchon eine be-
traͤchtliche Luͤcke in der natuͤrlichen Geſchichte des
groͤßern Canadiſchen dreyblaͤtterigen Giftreben-
ſtrauchs
auszufuͤllen, als welcher zur Unterſuchung
von Croſſen, wo er den Schaden angerichtet, ein-
geſchickt worden iſt.


M 3Dieſer
[182]

Dieſer beſtehet in einem niedrigen jungen aus-
laufenden Wurzelſtocke von den eben angezeigten
Giftrebenſtrauche, und iſt folglich von dem angeb-
lichen Celaſtro ſcandente Linn. Sp Pl. T. I. No. 2.
p. 205. inermi caule volubili, foliis ſerrulatis
dem
ſteigenden Celaſterſtrauch oder Blumenmoͤrder,
nach allen bey den Botaniſten davon feſtgeſetzten
Unterſcheidungszeichen, offenbar unterſchieden. So
unſchuldig der Celaſter aber, wegen einer Kraft die
Thiere zu vergiften, gefunden wird, ſo erſticket er
doch in Canada und Virginien die groͤßten Baͤume,
um deren Staͤmme er ſich windet, bis in die Krone
aufſteiget, und daſelbſt die Zweige dermaßen zuſam-
men ſpinnet, daß ſie feſt in einander geſchlungen ab-
ſterben muͤſſen. Von den 6 nachfolgenden ſteigen-
den Reben- und windigen Gewaͤchſen welche bey
der uͤberſchickten Nachricht mit angefuͤhrt worden,
unterſcheidet er ſich ohnehin voͤllig, daß es ein ſo
offenbarer Fehler ſeyn wuͤrde, als wenn man die
Tuͤrkiſche Kreſſen und Schminkbohnenpflanzen,
oder andere, die nicht einmahl Holzarten ſind, mit
unſern Weinſtoͤcken verwechſeln wollte.


Denn hierher gehoͤren gar nicht


  • Hedera (helix) Linn. Sp. Pl. T. I. No. 1.
    p. 293.
    der Epheuſtrauch.
  • Clematis (vitalba) Linn. Sp. Pl. T. I. No. 8.
    p. 766.
    die ſteigende Waldreben oder
    Lienen.

Tamos
[183]
  • Tamus (communis) Linn. Sp. Pl. T. II.
    No. 1. 1458.
    ſchwarze Stickwurz.
  • Lonicera (caprifolium) Linn. Sp. Pl. T. I.
    No. 1. pag. 246.
    Die welſche Zaun-
    gilge
    .
  • Meniſpermum (canadenſe) Linn. Sp. Pl.
    T. II. No. 1. p. 1468.
    Falſcher cana-
    diſcher Hopfen
    .
  • Bignonia (radicans) Linn. Sp. Pl. To. II.
    No. 13. p. 672.
    Steigende Trompe-
    tenblume
    .

Dergleichen grobe Fehler zu begehen, welche
faſt vor keine, oder doch vor ſehr wenig bedeutende
angeſehen werden wollen, erlauben ſich die gemei-
nen und unwiſſenden Gaͤrtner ſehr oft, welche oh-
nedem manches unternehmen, was ihnen, ihrer we-
nigen Einſichten halber, nicht zukoͤmmt; ob ſie ſich
ſchon dergleichen erdreiſten, gegen alle Kunſtver-
ſtaͤndige zu behaupten, weil ſie ſich gegen allen Un-
terricht zu weiſe duͤnken, und zuweilen gar mit ih-
ren unrichtigen Beſchreibungen und Nachrichten,
auch ganz falſchen und verdrehten Nahmen, unter
die Schriftſteller von der Naturgeſchichte einzudrin-
gen. Dieſer Umſtand hat von jeher zu vielen ſchwer
und langſam abzuſtellenden Vorurtheilen und Unord-
nungen, auch in einer Zeit von 10 bis 12 Jahren,
zu einer anſehnlichen Menge von friſchen und trocknen
vielleicht unbrauchbaren und falſchen Pflanzenſamm-
lungen Anlaß gegeben. Bey der wirklichen Anwen-
M 4dung
[184] dung der Gewaͤchſe aber iſt im gemeinen Leben ſchon
mancher Schaden bey der Baum-Material- und
Specereyhandlung, dem Arzeney- und Apotheker-
weſen, auch den uͤbrigen landwirthſchaftlichen Nah-
rungszweigen dadurch entſtanden; ſelbſt die Akten
bey den Gerichtshofen und Polizeykollegiis enthal-
ten davon Beyſpiele.


Dieſes zu erlaͤutern findet ſich von neuen Ge-
legenheit bey unſern großen Canadiſchen Gift-
rebenſtrauch
, welcher wie es oft mit andern geſchie-
het, unter den falſchen Namen des laͤngſt bekann-
ten wilden Weines aus einen andern Garten nach
Croſſen gekommen, und daſelbſt vor 8 Jahren zu
Bekleidung einer Sommerlaube beſtimmt worden
war. Dieſer wilde Wein iſt Hedera (quinquefo-
lia) Linn. Sp. Pl. T. I. No. 2. p. 292.
der fuͤnf-
blaͤttrige Canadiſche ſteigende Epheu
, welchen
man ſeit 80 Jahren zu Bekleidung der Luſthaͤuſer,
Spatziergaͤngen und Proſpekten in weitlaͤuftigen
Gaͤrten, ſeines ſchnellen freyen Wachsthumes und
großen reinlichen Laubes halber, ohne allen Schaden
angewendet hat. Mit dem Weinſtocke hat dieſes
fremde ſteigende Rebengewaͤchſe, was das Wachs-
thum und Anſehen betrift, manches gemein, naͤhert
ſich aber dem Epheuſtrauch wegen der vielen Haa-
ken, Klammern und Saugeroͤhren, die ſich an der-
jenigen Seite der Reben befinden, wo ſie auf Moos
Erde, Stein, Mauern und Holz zu liegen kommen,
und ſich dadurch befeſtigen. Der Bau ſeiner Blu-
men
[185] men bringet dieſen Strauch zum Epheu, und ſein
fuͤnfblaͤtteriges Laub unterſcheidet ihn von allen vor-
her namentlich angefuͤhrten Gewaͤchſen vollkom-
men, und alſo auch von unſern dreyblaͤttrigen Gift-
rebenſtrauche; aus welchen Kennzeichen man auch
bey der Unterſuchung in Croſſen erkannte, daß der
an der Sommerlaube im Garten gepflanzte und der
Vergiftung halber in Verdacht gezogene Strauch
nicht der rechte wilde Wein ſey.


Der Giftrebenſtrauch, welcher, wie wir ſchon
gemeldet, unter dem Namen eines Giftbaumes ſo-
wohl in Amerika, als etlichen Laͤndern, auch ſelbſt
bey uns bekannt war, wurde auch ſeiner ſchaͤdlichen
Wirkung halber im vorigen Jahre zum erſtenmahle
wieder bekannt, und iſt ein von derjenigen kleinern
Giftrebenart
ganz verſchiedenes Gewaͤchſe, wel-
ches vor etlichen Jahren im Garten der Koͤnigl. Aka-
demie der Wiſſenſchaften beym Verpflanzen Scha-
den angerichtet hatte. Er ziehet in einem ſolchen
Zeitpunkte die Aufmerkſamkeit der Aerzte und an-
derer Gartenliebhaber mit allem Recht auf ſich, in
welchen ſich ein großer Theil der letztern, mit Ver-
aͤnderung ihres zeitherigen Geſchmacks, mit der
Unterhaltung der nordamerikaniſchen Baͤume und
anderer Strauch- und Erdholzarten, welche bey der
Strenge unſerer Winter in freyer Luft aushalten,
in ihren Gaͤrten, Plantagen und Luſtwaͤldern mehr
aus Vergnuͤgen beſchaͤftigen, als daß ſie andere Ab-
ſichten haben ſollten, dabey an ſich nichts zu erin-
M 5nern
[186] nern ſeyn moͤgte, als daß alle dergleichen Zeit und
Geld verſchwendende Anlagen, wenn ſie nicht fuͤr un-
nuͤtz gehalten werden ſollen, endlich zum Nutzen des
Staats ſelbſt gereichen muͤſſen.


Ob nun dieſes Gewaͤchs in denen faſt zur
Mode gewordenen Engliſchen Pflanzungen vor neu
gehalten werden wollen, ſo iſt es doch ſeit Jouquets
Zeiten in Frankreich unterhalten worden, auch in
den deutſchen botaniſchen Gaͤrten hin und wieder
befindlich geweſen, wie es denn ſeit 1733 in der
Mark Brandenburg ſchon eingefuͤhret war, und
vor etlichen Jahren mit der großen Menge Ameri-
kaniſcher Saamen aus England ankam, da man
es denn in den Luſtwaͤldern ſaͤete und erzog; ob es
gleich aͤußerlich eben keine ſonderlichen Vorzuͤge
hatte, als daß es ſich unter dem Schutze der uͤbri-
gen Holzarten ſtark vermehrte, und einen ſehr ſchnel-
len Wuchs zeigte.


Die dunkle Wurzel der Pflanze, welche holzig
und faſerig, und in jedem Grunde und jeder Lage
gleich dauerhaft iſt, gleichet den jungen Rebenſtaͤm-
men, ſie gehet ſehr ſtark um ſich, und in eine faſt
uͤbermaͤßige Menge von Sproſſen und Wurzelſtoͤ-
cken, ſo daß die Staͤmme nur ſehr ſelten hoch und
ſtark werden, wenn man jene nicht immer davon
abnimmt; da ſie denn bis etwa 10 Fuß hoch ge-
zogen werden koͤnnen, aber doch immer ſchlank und
ſchwach bleiben. Die jungen Schoͤßlinge ſtrecken
ſich ohne Nutzen auf der Erde, uͤber Steine, Moos
und
[187] und Holz, zwiſchen welchen ſie ihre uͤberall aus ih-
ren lockern ſaftreichen Rinden herauskommende
Saugewurzeln einſchlagen; werden ſie aber aͤlter
und feſter, ſo laſſen ſie ſich in gerade und ſtaͤrkere
Staͤmme ziehen.


Ihr dunkelgruͤnes, adriges Laub iſt dreyblaͤt-
trig, und ſtehet einzeln und abwechſelnd auf ſpannen-
langen, oberwaͤrts dreytheiligen, ſtarken Stielen an
den jungen weichen Trieben, welche geſchnitten oder
abgebrochen einen zaͤhen milchenden Saft geben.
Die Blaͤtter ſind oberwaͤts glatt, unterwaͤrts aber
bey uns mit einem feinen, kurzen, weißen, wolligten
Weſen nur duͤnne bezogen, ſonſt aber, ſo lange ſie
jung ſind, mehr roth, und fallen im Herbſte ab.
An Geſtalt ſind ſie etwas veraͤnderlich, und nach-
dem die Witterung ihre Ausbildung befoͤrdert, nach-
der Zeit, dem Alter und Nahrung ſehr verſchieden,
und am untern Ende ſehr lang zugeſpitzt, oder auch
laͤnger, runder und verkuͤrzet. Der Rand iſt weit-
ſchweifig und ſtumpf, flach oder tiefer gezackt, zu-
weilen ganz ohne alle Zacken. Die ausgeſchweif-
ten Winkel aber habe ich ſo tief daran nicht finden
koͤnnen, daß ſich die Blaͤtter, wie andere ſagen, mit
dem Eichenlaube vergleichen ließen.


Die Pflanze, welche ſich im Fruͤhling und
Herbſte ſehr zeitig verſetzen laͤſſet, treibet aus ihren
im Oktober ſchon ziemlich anſehnlichen Knospen im
Juny noch feine und duͤnne, helle, gruͤne, aͤſtige
und ſpitzige, kleinbluͤthige, etwa 2zoͤllige, einzelne
oder
[188] oder gepaarte Blumenſtraͤußer. Dabey bemerkt
man maͤnnliche von den weiblichen ganz abgeſon-
derte Straͤucher, worunter die erſten etwas kleinere
Bluͤtchen tragen, als die letztern.


Beyderley Blumen haben indeſſen beſtaͤndige
regelmaͤßige 5theilige aufrechtſtehende Kelche, ihre
Blumenkronen ſind 5blaͤttrig und offen, die einzel-
nen Blaͤtter eyrund. In den maͤnnlichen wird
man 5 ſehr kurze Staubfaden mit ſehr kleinen
Staubhuͤlſchen gewahr. Dagegen iſt in den gleich-
foͤrmigen weiblichen Bluͤthchen allezeit ein rundli-
ches Fruchtknoͤtchen, ohne Spuren einer Befruch-
tungsroͤhre, mit 3 uͤberaus kleinen und zarten herz-
foͤrmigen Befruchtungsnarben. Die Fruͤchte ſind
rundliche, aſchfarbene, glatte, geſtreifte Beeren,
mit einem glatten tief geſtrichelten Kerne. Dabey
muß man merken, daß ſich die 3 giftigen Ge-
ſchlechtsarten, und Rhus cominia. Linn. Sp Pl. T. I.
p. 391.
der wilde Pfefferbaum, vor den uͤbrigen
8 Gattungen darinnen auszeichnen, daß ſie keine
Zwitterblumen tragen. Rhus cotinus Linn. Sp. Pl.
T. I. No. p.
der Gelbholz- oder Parukenbaum
aber iſt durch ſeine feine langſtieligen, großen Fe-
derbuͤſche kenntbar.


Was den Geruch des Saftes unſerer vergif-
tenden Pflanze betrift, ſo iſt er ſo wenig merklich, als
die Schaͤrfe im Geſchmacke. Sonſt wird dieſer
zaͤhe milchende Saft, welcher ſich mit einer andern
aus einer verſchiedenen Lage von Roͤhren heraus-
drin-
[189] dringenden vermiſcht, an der Luft gar bald uͤbelrie-
chend und ſchwarz, er greift das Eiſen etwas an,
macht dunkelbraune oder ſchwarze Flecken in Pa-
pier und Leinewand, welche nicht wieder ausgehen.
Man hat geglaubt, als ob der Saft auf die Men-
ſchen keine ſo ſchlimme Wirkung thue, welches bey
etlichen wahr befunden wird, dagegen er bey
andern oder bey eben denſelben Perſonen nur
in einen gewiſſen koͤrperlichen Zuſtande, deſto
heftiger wirket. Auf die Haut geſtrichen, be-
koͤmmt ſie von deſſen Schaͤrfe braune Blaſen, Ge-
ſchwulſt und offenbare Merkmale von Entzuͤn-
dung und Schmerzen, und bey etlichen, bey denen
man den aufgeſchmierten Saft hat eintrocknen laſ-
ſen, erſcheinet den folgenden Tag ein brauner Fleck,
und die duͤnne Haut ſchaͤlet ſich oberwaͤrts ab. Ein
friſches Blatt, wenn die Haut ſcharf damit gerie-
ben wird, macht dunkelbraune Flecken, welche ſich
hernach entzuͤnden und ſchmerzhaft werden, worauf
zugleich ſehr um ſich freſſende Blaſen aufſchießen.


Man hat ferner bemerkt, daß der aufgeſtri-
chene Saft bey andern dermaßen in die Haut gewuͤr-
ket, daß ſie nach etlichen Stunden davon ganz
ſchwarz, dichte, und hart, wie ein wirkliches Leder, ge-
worden ſey, von der ſich nach wenigen Tagen das
Haͤutchen davon in Schuppen abgeloͤſet habe. Um
die dabey entſtehenden Schmerzen zu lindern, hat
ein geſchickter Zuͤllichauer Arzt ſich der austrocknen-
den Mittel mit gutem Erfolge bedienet. Unter den
neuern
[190] neuern Verſuchen, die gleich den vorigen ordentlich
wiederholt zu werden ſehr wohl verdienen, hat un-
ter andern derjenige, durch welchen der aus der
Pflanze quellende Saft einem Hunde oder einer
Henne mit Bruhe oder Wurzel mit Fleiß eingege-
ben, und in die Blutader an den Schenkeln friſch
eingebracht, dieſesmahl nicht ſonderlich geſchadet;
doch will man bey dem Hunde einige leichte bald
uͤbergehende Zuckungen bemerket haben. Ueber
die ſchaͤdliche Wirkung des Holzes dieſer Giftrebe
in der Feuerung ſind gleichfalls kurz abgebrochene
Bemerkungen vorhanden, von welcher im vorher-
gehenden Anzeige geſchehen iſt.


Dieſe und dergleichen Verſuche geben reich-
lichen Stoff zu weitern Bemerkungen, ob man gleich
bey der Anwendung und in aͤhnlichen Faͤllen nur
einen ſehr behutſamen Gebrauch davon machen
kann. Dabey man ſich beſonders zu huͤten hat,
von einem Menſchen und Umſtande auf alle Thiere
und Menſchen, oder von einer Thierart auf die ſo-
wohl aus einer als aus verſchiedenen Hauptklaſſen,
ſonder Einſchraͤnkungen zu ſchließen, indem bey den
mancherley Erſcheinungen der wirkenden Dinge
nicht immer alle, auch nicht die vornehmſten, und
weſentlichſten Kennzeichen zugleich zugegen ſind,
aus denen wir auf die geſammten mit verbundenen
Wirkungsurſachen ſicher ſchließen koͤnnten.


Soweit gehen die Umſtaͤnde welche uns von
den ſchaͤdlichen Eigenſchaften des erſten oder großen
Cana-
[191] Canadiſchen Giftrebenſtrauches, Rhus Toxicoden-
drum,
den noͤthigen Unterricht geben konnten.


Die von Croſſen eingeſchickte Nachricht und
kurze Krankheitsgeſchichte, welche durch achtjaͤh-
rige Erfahrungen in unſern nordlichen Deutſchlande
unterſtuͤtzt wird, hebet viele Zweifel, die gegen die Ge-
wißheit einer ſchaͤdlichen Wirkung des großen drey-
blaͤttrigen Canadiſchen Giftrebenſtrauchs gemacht
werden koͤnnten, ſo daß man mit mehrerer Gewißheit
davon ſprechen kann, und giebt einigen hie und da be-
findlichen unvollkommenen und abgebrochenen An-
zeigen von der Schaͤdlichkeit ihrer Wirkung ein
wirkliches Gewichte. Von der hoͤchſt feinen und
fluͤchtigen Schaͤrfe der Pflanze werden uns die kuͤnf-
tigen Verſuche naͤher unterrichten.


Was die zweyte Art des [gleichfalls] unter den
Namen des Giftbaumes laͤngſt bekannten kleinen
glatten dreyblaͤtterigen
, von der bereits abgehan-
delten Gewaͤchsart ganz unterſchiedenen, nordameri-
kaniſchen Giftrebenſtrauches
betrift, ſo iſt ſie
Rhus (radicans) Linn. Sp. Pl. P. I. N. 8. pag. 381.
oder Toxicodendron amplexicaule, foliis minori-
bus glabris. Dill. Hort. Elth. p 380. et Toxico-
dendron rectum, foliis minoribus glabris. Dill.
H. Elth. p. 389. tab. 291. fig. 375.


Die Benennungen des Dillenius bezeichnen
eine junge und alte Abaͤnderung dieſer Geſchlechts-
art. Die Pflanze iſt in unſern botaniſchen Gaͤrten
beynahe einheimiſch, und faſt aͤlter, als die vorherge-
hende
[192] hende, ohne daß man auf deren ſo ſchaͤdliche Eigen-
ſchaft ſonderlich gedacht hat. Sie iſt viel kleiner
und unanſehnlicher, als die vorhergehende, ſie wu-
chert aber auch mehr, als jene, in Wurzeln und Sproſ-
ſen. Sie hat mit der vorigen Art faſt die meiſten
Eigenſchaften gemein, und ſelbſt ihre Erziehung
aus Wurzeln, Sproſſen, Zweigen und Saamen.
Herr Duͤ Hamel hat ganze Gebuͤſche geſehen, die
von einzelnen vorher gepflanzten Straͤuchen entſtan-
den waren. Ihre jungen weichen Reben winden
ſich um die Zweige anderer Gewaͤchſe, ſie treiben
haͤufige Saugewurzeln, durch die ſie ſich uͤberall befe-
ſtigen, und in ihren Vaterlande Canada, Virginien,
und Penſylvanien bis in die Spitzen der Baͤume
aufſteigen, wachſen aber auch im freyen gerade auf,
doch in niedrigen ſchwachen Staͤmmen.


Ihre Blaͤtter gleichen in der Hauptgeſtalt de-
nen von den vorbeſchriebenen Pflanzen, nur daß
ſie etwas kleiner, glatt, und ohne Zacken ſind, und
aus dem Gruͤnen mehr ins Rothe ſpielen; das jun-
ge Laub aber iſt ſehr braunroth, die Bluͤthen ſind
ſehr lichtgruͤn, und die Frucht trocken, und von eben
der Farbe. Der aus der Rinde des jungen Holzes
durch den Schnitt heraustretende Saft iſt braun-
gelblich, und macht in Leinwand und Papier
ſchwarze Flecke, welche nicht wieder herausgebracht
werden koͤnnen.


Herr Kalm erinnert zwar von den uͤbeln Zu-
faͤllen, die durch das Beruͤhren und die Ausduͤn-
ſtun-
[193] duͤnſtung entſtehen, meldet aber dabey, daß ihre
Schaͤdlichkeit geringer ſey, als bey dem Firniß-
baume. Dieſem aber koͤnnen wir aus ſicherer
Erfahrung beyfuͤgen, daß der glatte und kleinere
Giftrebenſtrauch mit den vorhergehenden groͤßern
gleich uͤble Zufaͤlle, und mit eben der vorangezeigten
Heftigkeit, verurſache, als wovon uns das einzige
ſehr bekannte Beyſpiel mit dem Koͤnigl. Gaͤrtner
Hrn. Muͤller und deſſen Geſellen und Lehrpurſchen
im Garten der Koͤnigl. Akademie hinreichend uͤber-
zeugen wird. Denn da dieſe Perſonen einen ſehr
alten, ſeit geraumer Zeit ohne Verpflanzung geblie-
benen, ſtark eingewurzelten Stock der zweyten
Pflanze mit Gewalt wechſelsweiſe herauszuziehen
viele Muͤhe anwenden mußten, ſich dabey, bey
dem ſchon ohnehin warmen Wetter, etwas erhitzten,
daß ſie in Schweiß kamen, auch ſich mit der bloßen
Hand uͤber die ſchwitzende Haut des Geſichts, Hal-
ſes, der entbloͤßten Bruſt und des Unterleibes ſtri-
chen und kratzten, ſo wurden ſie mit verſchiedener
Heftigkeit von allen denjenigen verdruͤßlichen Krank-
heitszufaͤllen befallen, welche in der von Croſ-
ſen eingeſchickten Nachricht ſehr deutlich ausge-
druͤckt ſind.


Die dritte Gattung von Giftpflanzen verdie-
net den Namen des Giftbaumes mit Recht, weil
er ein wirklicher Baum iſt, von welchen in des Hrn.
duͤ Hamels Schriften, ſo wie von beyden vorherge-
henden, gemeldet wird, daß ihre Benennung von
Nden
[194] den vielen Schaden, den ſie durch das Vergiften in
Canada in ſo vielen Jahren angerichtet, faſt zu ge-
linde ſey. Der Baum iſt


  • Rhus (Vernix) Linn. Sp. Pl. T. I. No. I pag.
    380. foliis pinnatis integerrimis, petiolo
    integro aequali. Kalm Itin. II. p. 211.
    Colden. Novebor. p. 64 Toxicodendron
    foliis alatis, fructu rhomboide. Dill. Elth.
    390. tab. 292. fig 377.

    • Arbor americana, alatis foliis, ſueco
      lacteo venerato. Plukm. Almag. 45.
      tab. 145. fig. 1.
    • Arbor cujus lignum veneratum eſt.
      Dudley Act. Angl. No. 376. pag.
      145. Sidef. Sitz dſiu Kaempſ. Amoen.
      791. tab. 792.
    • Toxicodendron Carolinianum, foliis
      pinnatis, floribus minimis herbaceis.
      Müller. Catalog.
      Gifteſche. Gift-
      baum. Vermis. Firnißbaum. Poi-
      ſon-wood.

Ein Bewohner der feuchten, naſſen und ſum-
pfigen Waͤlder in Canada, Carolina, Penſylva-
nien und Japan, wo er eine Hoͤhe von 20 Fuß errei-
chet, einen nicht ſonderlich ſtarken Stamm in etli-
chen Jahren treibet, und wegen ſeines ſchwammi-
gen Holzes nicht lange dauert. Er breitet ſeine
Zweige ſehr weit aus, und hat, ſowohl wegen des
ſchnellen Wachsthums, als der gefiederten Blaͤtter,
das
[195] das regelmaͤßige Anſehen einer jungen Eſche. Bey
uns wird er nicht viel uͤber 10 bis 12 Fuß hoch,
waͤchſet geſchwind, vermehret ſich aus den Wur-
zeln nicht ſo ſtark, wie die vorhergehenden, und wird
haͤufig aus dem Saamen erzogen, ob er ſchon nach
dem 3jaͤhrigen Hiebe allezeit im Unterholze etliche
Staͤmme treibet. Gute Eigenſchaften ſind von
ihm nicht bekannt, außer daß ſein, zwiſchen der Rin-
de bey dem Einſchneiden heraustretender, gelber
klebrichter und milchender Saft in Indien, China
und Japan einen Firniß giebt, ſonſt aber iſt er uͤber-
all wegen ſeiner boͤsartigen Eigenſchaften in großen
aber ſchlechten Ruf, daß ſich jedermann davor furch-
tet, ob er ſchon nicht immer oder allen Menſchen
ſchadet, ſie moͤgen damit umgehen, faſt wie ſie
wollen.


Der Saft dieſes wilden und wahren Firniß-
baumes, wie er aus dem Holze quillt, hat wie das
Holz ſelbſt einen heftigen ſtinkenden Geruch, und
bald mehr oder minder ſcharfen Geſchmack, zum
wenigſten niemahls ohne Empfindung einiger Hitze
auf der Zunge, er greifet das Eiſen ſehr ſtark an,
und wird in der Luft bald ſchwarz. Die auf dem
Papier geriebenen Blaͤtter geben ihm gelbbraune
Flecke, ohne daß ſie merklich ſcharf ſchmecken ſoll-
ten, und ſeine Bluͤthe hat einen angenehmen aber
betruͤglichen Geruch. Nach allen wahren Kenn-
zeichen iſt der Japaniſche unaͤchte Firnißbaum eine
und eben die Geſchlechtsart von der nordamerikani-
N 2ſchen.
[196] ſchen. Alle die mit dem Holze dieſes Baumes um-
gehen, muͤſſen ſich nach den Berichten ſehr in Acht
nehmen, und wenn der Saft in Indien zum Firniß
daraus geſammlet wird, welcher nicht uͤberfluͤßig
iſt, muͤſſen ſich die Sammler, ſo wie diejenigen,
welche damit lackiren oder ſonſt zu thun haben, ſei-
ner giftigen Ausduͤnſtung halber, Geſicht und Mund
verbinden, weil ſie außerdem Kopfſchmerzen und ge-
ſchwollene Lippen davon bekommen. Von der ſtar-
ken Ausduͤnſtung dieſes Baumes bekommen die
Kinder, die ſich darunter aufhalten, in gedachten
warmen Himmelsgegenden, einen Ausſchlag uͤber
den ganzen Leib. Das ſcharfe, feuchte und zugleich
narcotiſche Weſen ſoll, nach beſondern Berichten,
in waͤrmern Gegenden noch wirkſamer ſeyn, als bey
uns, ſo daß nicht jedermann den Baum angreifen,
an das friſchgeſchaͤlte Holz riechen, oder es unter
das zur Feuerung beſtimmte Reißholz bringen laſ-
ſen darf.


Diejenigen, welche Schaden davon haben,
werden zuweilen etliche Tage blind, und die Augen
ſchwellen zu, andere bekommen davon eine Ge-
ſchwulſt und andre verdruͤßliche Zufaͤlle; doch ohne
daß man wuͤßte, daß daran einer geſtorben waͤre.
Vielen wird nur das Beruͤhren des jungen Holzes
nachtheilig, auch nach dem Kalmiſchen Berichte,
welcher, wegen der giftigen Wirkungsart, mit der
Croſſenſchen Nachricht gar ſehr uͤbereinſtimmet,
wird man mit den verdruͤßlichen Zufaͤllen beſchweret,
wenn
[197] wenn man von einem andern mit der Hand beruͤhret
wird, welcher dieſes Holz bearbeitet, und der Rauch
von dem mit dieſem Holze gemachten Feuer iſt merklich
ſchaͤdlich und heftig. Geſicht und Haͤnde ſchwellen oͤf-
ters und zuweilen die Haut uͤber den ganzen Leib, wor-
auf zuweilen ſo haͤufige Blaſen entſtehen, als ob die
Kranken Ausſatz oder Kraͤtze haͤtten. Nach einigen
Tagen ſchaͤlet ſich die Haut eben ſo, als wenn man
ſich verbrannt hat.


Manchen Leuten iſt der Dunſt des Firnißbau-
mes ſo gefaͤhrlich, daß ſie ſich ohne eine Geſchwulſt
davon zu tragen, ihm nicht naͤhern duͤrfen, und wenn
dieſes ſich doch unwiſſend zutraͤgt, ſo ſchwellen Haͤn-
de und Geſicht faſt geſchwinder, als ſie merken,
daß ſie ſich dabey befunden haben. Herr Kalm
hat angemerket, daß ſich deshalb ein alter Mann
vor dieſem Baume mehr gefuͤrchtet habe, als vor
einer Otter, auch ſind ihm ganze Familien bekannt
geweſen, aus welchen einige ohne Gefahr mit dem-
ſelben haben umgehen koͤnnen, wogegen andere dar-
aus um deſto mehr beſchaͤdiget worden ſind. Einen
Mann hat er geſehen, der nicht nur von den Aus-
duͤnſtungen des Baumes ſehr ſtark geſchwollen,
ſondern auch dabey ſo ſteif als ein Klotz geworden
war, daß man ihn in Lacken tragen und umwenden
mußte, und einen andern, welcher von dieſem Bau-
me lange Zeit nicht beſchaͤdiget worden war, der aber
nachdem, als ſein Koͤrper etwas ſchwaͤcher geworden,
von dem giftigen Dunſte durchdrungen wurde.


N 3Der
[198]

Der erſte hieſige K. Leibmedikus der Herr
Geheimerath Cothenius entſinnet ſich ehemahls bey-
nahe alle dieſe Zufaͤlle beyſammen gefunden zu ha-
ben, bey einer geſchwind krank gewordenen Frau, auf
den Genuß der Hamburger geſottenen Muſcheln,
worunter eine ſogenannte giftige mit befindlich ge-
weſen, dabey man doch nicht vergeſſen gehabt, nach
Gewohnheit zur Vorſicht eine Zwiebel mit hinein
zu werfen, wie er ſelbſt geſehen hat.


Endlich hat Herr Kalm an ſich ſelbſt einige
oft wiederholte Verſuche gemacht, um die bekannte
Schaͤdlichkeit des Firnißbaumes zu erfahren, er hat
Zweige davon abgeſchaͤlet, daran gerochen, die fri-
ſchen geſchaͤlten Zweige zwiſchen den Haͤnden gerie-
ben, und einige Zeit darinnen getragen, dabey er
einige Zeit von den verdruͤßlichen Zufaͤllen ganz frey
geblieben iſt; dagegen er hernach doch einige ſchaͤd-
liche Wirkungen des Giftes an ſich erfahren. An
einem heißen Tage ſchnitt er beſonders ein Reiß ab,
da er im Schweiße war, trug es eine halbe Stunde
in der Hand, ohne daß er denſelben Tag davon et-
was widriges haͤtte empfinden ſollen, bis auf den
Abend nur etwas ſehr weniges. Als er aber den
folgenden Morgen erwachte, empfand er um die Au-
gen und an den Augenliedern ein ſtarkes Jucken,
welches zwar nach einem oͤftern Auswaſchen mit
eiskalten Waſſer nachließ, doch ſo, daß die Augen-
lieder noch den ganzen Tag uͤber ſteif blieben. Ge-
gen den Abend fand ſich das vorige Jucken wieder ein,
und
[197[199]] und wurde den folgenden Morgen eben ſo ſtark, als
es den erſten Tag geweſen war. Sein vorher ſo
lindernd geweſenes Mittel that keine Wirkung, die
Augen blieben ganz roth, die Augenlieder waren
ſchwer zu bewegen, das Uebel hielte noch die ganze
Woche an, und verging erſt nach Ablauf derſelben.


Alle dieſe hier erzaͤhlten Umſtaͤnde zuſammen-
genommen ſind genugſam im Stande, mit denen
von Croſſen her berichteten, ſowohl die Krankheits-
geſchichte zu erlaͤutern, als die Schaͤdlichkeit der an-
gefuͤhrten dreyerley Giftbaͤume in drey Welttheilen
außer Zweifel zu ſetzen.




[200]

Gedanken
uͤber die
Phyſikaliſchen Kennzeichen
der wahren Kraͤuter

und
der davon verſchiedenen Staudengewaͤchſen,
inſofern ſie ſich
aus der Naturordnung und Erfahrung
beſtimmen laſſen.



Schon die aͤlteſten Weltweiſen unter den Grie-
chen haben uns in ihren Fragmenten von Naturge-
ſchichten ſehr dunkle und unbeſtimmte Nachrichten,
von Gewaͤchſen und deren Abtheilungen in Kraͤu-
tern, Staudengewaͤchſen, Straͤuchen und Baͤu-
men gegeben, und uns deren Richtigkeit zu beſtim-
men,
[201] men, hinterlaſſen. Denn bey der allererſten
Sammlung der Gewaͤchſe ließen ſie ſich ſo, wie
von allen uͤbrigen Naturkoͤrpern, nach der Gewohn-
heit ihres Zeitalters vorher den Nutzen und Ge-
brauch davon zu entdecken am meiſten angelegen
ſeyn, ehe ſie die Dinge, von welchen die Rede
ſeyn ſollte, hinreichend kannten. Diejenige koͤr-
perlich- organiſche Hauptnaturklaſſe, von denen im
eigentlichen Verſtande, in Vergleichung mit den
Thieren, zwar ſinnloſen, aber doch lebendigen Ge-
ſchoͤpfen, die wir Gewaͤchſe (vegetabilia) zu nennen
gewohnt ſind, hat bey ihrer allererſten Beſtimmung
ein allgemeines Geſetz, und ein ihnen eigenes ge-
ſetzmaͤßiges Vermoͤgen ihrer Vermehrung und Fort-
pflanzungsart erhalten; nach dieſem ſollten die Ge-
waͤchſe, einen jeder Art beſonders eigenen frucht-
baren Saamen, dergleichen ſie dem Stoffe nach
zu einen gewiſſen Zeitpunkte in und bey ſich haben
und ausbilden koͤnnen, nach Art der Thiere in ſich ſelbſt
hervorbringen, wie es denn auch geſchiehet. [Die-
ſes]
, von jenem allermerkwuͤrdigſten Zeitpunkte an,
nun unveraͤnderliche Naturgeſetz, in welchem es,
wie ſich der Ritter von Linné daruͤber ausdruͤckt,
arte divina zuerſt gegruͤndet wurde, gehet uͤber all
und dergeſtalt in ſeine eigene Erfuͤllung, daß ſeit
dieſer Zeit nicht nur alle ganz neue Erzeugung von
Gewaͤchsarten uͤberfluͤßig ſeyn muß, ſondern auch
ſo zu ſagen, allen wirklichen Ausartungen der Ge-
ſchlechter und ihren Gattungen unter den Gewaͤch-
N 5ſen,
[202] ſen, gleichſam auf immer ein Riegel vorgeſchoben
worden iſt.


Daher denn der beſtaͤndige Wechſel mit der
Menge von laſtbaren und ungewiſſen, dabey aber
auch ganz unvermeidlichen, Zufaͤllen, die ſo manche
Naturwirkungsordnung eine Zeitlang aufzuhalten,
zu uͤbereilen, zu vermindern, oder auch dem An-
ſcheine nach, bis faſt ins Unmerkliche abzuaͤndern,
im Stande ſind, wenn ſie unterweilen bis zum al-
leraͤußerſten und entfernteſten Grade einer Gegen-
wirkung ſteigen ſollten, doch nie in der allerinner-
ſten und zuſammengeſetzten vielfach wiederholten
Verbindung ſo viel zu bewirken maͤchtig ſind, wo-
durch nur die allergeringſte Gattung von Gewaͤch-
ſen, im uneigentlichen Verſtande, aus ihrer Art
ſchlagen koͤnnte. Davor leiſtet uns der zu jeder
Gewaͤchsart, zu jeder Vermehrung und Fortpflan-
zung weſentlich gehoͤrige, und in ſeiner allerfeinſten
Anlage ſchon entworfene Keim die Gewaͤhr, zu
deſſen Ausbildung jede Art nur allein faͤhig iſt, und
deſſen Entwurf unter einer unglaublich zarten Ge-
ſtalt zuerſt in dem Marke des befruchteten Saa-
mens entſtehet, von da aus er vor der weitern
Ausbildung von der Mutterpflanze allezeit recht ei-
gentlich in die neu auszubildenden jungen Pflanzen
uͤbergehet.


Die ganze Naturklaſſe des Gewaͤchsreiches
macht, wie bekannt, 7 Hauptabtheilungen aus, wel-
che ihrer ſehr natuͤrlich nahen Verwandſchaft hal-
ber
[203] ber Familien genennet werden, und ihren Kennzei-
chen nach keinen Zweifel unterworfen ſind; darun-
ter machen


  • 1) die Schwaͤmme, Fungi,
  • 2) die Algen und Flechten, Algae,
  • 3) die Mooſe, Muſci
  • 4) die Graſe oder Graͤſer, Gramina,
  • 5) die Farnkraͤuter, Filices,
  • 6) die Palmen, Palmae,
  • 7) die Pflanzen, Plantae,

ſaͤmmtliche Ordnungen aus, die im uͤbrigen als Ge-
waͤchſe mit einander uͤbereinkommen.


Die Pflanzenordnung aber, welche an Ge-
ſchlechten, Gattungen und Abaͤnderungen vor den
uͤbrigen, als die zahlreichſte an Bauart, die gewoͤhn-
lichſte und verſtaͤndlichſte bleiben wird, nimmt ſich,
wegen der vielen Unterſcheidungszeichen, vor jenen
ſo beſonders aus, daß ihre Gewaͤchsart mit keinen
der uͤbrigen verbunden werden koͤnne. Sollten
dieſe 7 verſchiedene Abtheilungen bey mehreren
Endeckungen der Naturforſcher nicht mehr hinrei-
chend ſeyn, ſo muͤſſen ſie ſich durch Zuſatz einer
neuen, ohne Unordnung in dem phyſikaliſch bota-
niſchen Lehrgebaͤuden,
leicht vermehren laſſen.
Meinen Abſichten gemaͤß machen gegenwaͤrtig die
eigentlichen Pflanzen den Vorwurf einer kurzen
Betrachtung aus, welchen ich die Ordnung der
Graſe und etliche Moosarten mit beyfuͤgen kann,
da
[204] da ihnen von der Natur etliche vorzuͤgliche Haupt-
eigenſchaften gegeben worden ſind.


Nach den Berichten aus der alten Gewaͤchs-
kunde beſchaͤftigten ſich die Naturforſcher damahls
mit der Sammlung der Gewaͤchſe, vornehmlich
und mehr, als daß ſie eigentlich den rechten
Stoff zu richtigen Grundlagen guter Lehrgebaͤude
haͤtten zuſammen und in einige Ordnung bringen
koͤnnen. Ihre Kenntniſſe waren zum Theil gut,
aber von den 3 Naturreichen nur allzu lokal, Mittel
und Wege zu Kenntniſſen nicht immer hinreichend
und in ihrer Gewalt; dunkle und ſchwankende Nach-
richten vertraten oft die Stelle wichtiger Vemer-
kungen, von Beweiſen konnte alſo damahls kaum
die Rede ſeyn. Selbſt Ariſtoteles und Theophraſt,
ſo gruͤndlich ſie ſonſt von natuͤrlichen Dingen und
Erſcheinungen zu urtheilen vermochten, ſo weit ſolche
zu ihrer Kenntniß kamen, konnten damahls von
vielen dergleichen weniger gruͤndliches ſagen, als ſie
davon Gewißheit hatten. Spuren der Wahrheit
finden ſich indeſſen in ihren Berichten allenthalben,
und ihre Muthmaßungen waren oͤfters weit gegruͤn-
deter, als man ſich in einem ſolchen Zuſtande der
Sachen, bey der ganz finſtern Zeit, haͤtte verſpre-
chen koͤnnen. Denn hier blieb allenthalben viel
Wahres von dem Unbrauchbaren abzuſondern und
in Ordnung zu bringen. Die Begriffe aber gehoͤ-
rig auseinander zu ſetzen, daß man bey den Unter-
ſuchun-
[205] ſuchungen recht ſichere Schritte haͤtte thun koͤnnen,
war es noch zu fruͤh.


Zum Beyſpiel darf man ſich nur auf das be-
ſinnen, wovon gleich Eingangs dieſer Abhandlung
Anzeige geſchehen iſt. Es fehlte auch in jenen Zei-
ten den Naturforſchem an Kunſtwoͤrtern, um ſich
bey deren Anwendung uͤber manche Sachen gehoͤ-
rig auszudruͤcken, und die wenigen wurden ſehr
uͤbel angebracht, ſo daß ſie bald dieſe bald jene Sache
zugleich bedeuteten, bald einzelne Gattungen, ganze
Geſchlechter und Gattungen, auch ganze Ordnungen
zugleich dadurch anzeigten. Die Gewaͤchſe waren
noch viel zu unvollſtaͤndig unterſucht, als daß ſie,
ihrer natuͤrlichen Kennzeichen halber, unter ihre Ab-
theilungen haͤtten gebracht werden koͤnnen, und die
nachfolgenden gelehrten Ausleger, die nicht ſach-
verſtaͤndige Selbſtkenner geweſen ſind, haben ſich
wegen der uͤbrigen Umſtaͤnde mit vielen Widerſpruͤ-
chen aufhalten muͤſſen.


Namen und Sachen waren in groͤßter Unord-
nung vorhanden, man hatte Abtheilungen des Ge-
waͤchsreiches, ohne richtige Beſtimmungen, gemacht,
man theilte ſie in Kraͤuter,herbas in Stauden-
gewaͤchſe
oder Halbſtauden,Suffrutices, und in
Straͤuche, Frutices,Baͤume,Arbores; dieſe Arbei-
ten wurden deshalb abgebrochen, unbrauchbar, und
den Nachkommen faſt entbehrlich. Bey naͤherer Un-
terſuchung der abgeth eilten Pflanzen nach phyſika-
liſchen Gruͤnden,
wurde man die Folgen dieſer Un-
ordnun-
[206] ordnungen noch mehr gewahr; ob man ſchon in aller
der dadurch verurſachten Dunkelheit unzureichende
Spuren von Wahrheit erblickte. Nach oͤftern ge-
ſchehenen Unterſuchungen kam man endlich zu den
rechten Kenntniſſen von Eigenſchaften, man ſetzte
ſich in den Stand, nach ſichern natuͤrlichen Kenn-
zeichen, die Gewaͤchſe unter ihre Familien zu ver-
theilen, worunter ſie gehoͤrten, und alles an Sa-
chen und Namen ließ ſich durch dergleichen Huͤlfs-
mittel genauer beſtimmen, ſo daß es ſeine eigene an-
gemeſſene Bedeutung bekam; der ſtarke Anwachs
der an ſich weitlaͤuftigen Pflanzenordnung war
nun nicht mehr im Wege, nach ſichern Kenn-
zeichen aus phyſikaliſchen Gruͤnden
zu beſtimmen,
was ein Kraut, ein Staudengewaͤchſe, Strauch
oder Baum ſey; die Mehrheit der Stimmen uͤber-
zeugte durch die Allgemeinheit, Gewißheit und
Beſtaͤndigkeit jeden von der natuͤrlichen Beſchaffen-
heit dieſer Pflanzenabtheilungen hinreichend.


Ein Einwurf, welcher die neuen Naturforſcher
zuruͤck zu halten geſchienen, war vor andern die-
ſer, daß ſie die nur gedachte Pflanzenabtheilung
vor nicht gruͤndlich genug halten zu koͤnnen glaub-
ten, und ſich auch nicht voͤllig uͤberzeugen konn-
ten, daß dieſe Abtheilung der Alten auch in andern
Welttheilen eben ſo ſtatt haben werde, als bey uns.
Es iſt aber aus der gemeinen Erfahrung und der
Naturgeſchichte jener Erdſtriche bewieſen genug,
daß daſelbſt eben die ſchon angezeigte Verſchieden-
heit
[207] heit der Pflanzen, mit oder ohne Veraͤnderung, wie
bey uns, gefunden werde, die den Anzeigen nach
mit den Thierarten wegen ihrer gewiſſen beſondern
Eigenſchaften gleich ſind. Ein jedes phyſiſches
Clima, hat nach ſeinen Unterſchieden, ſeine eigene
Gewaͤchſe, die ihm beſonders zugehoͤren, und nach
Verſchiedenheit des Sonnenſtandes erleidet ein je-
des fremdes Gewaͤchs,
was aus dem einen Klima
in das andere uͤbergehet, mehr oder weniger Ver-
aͤnderung, bis auf einen gewiſſen Grad. Voͤllig hin-
gegen, oder auf beſtaͤndig kann keine Pflanze ganz
veraͤndert werden. Viele fremde bleiben bey uns
eben die, welche ſie in ihren Vaterlande geweſen,

aber nicht alle. Auch veraͤndern ſich unſere ge-
meinen Pflanzen
in fremden Himmelsſtrichen, ſo
wie die fremden, und eben ſo geſchiehet die Veraͤn-
derung bey andern langſam, ſchwer, oder gar nicht,
oder nur in gewiſſen Eigenſchaften, aber nicht im-
mer nothwendig.


Hiervon zeigen die vielen Blumengaͤrten,
Kuͤchengewaͤchſe, Gewuͤrzkraͤuter, Getreidearten,
Baum- und Erdfruchtarten, als welche bey gewiſ-
ſen Gelegenheiten bald wieder in ihren natuͤrlichen Zu-
ſtand zuruͤck gehn, bald unveraͤnderlich bleiben. Es
muß indeſſen ein jedes Gewaͤchs gerade aus dem na-
tuͤrlichen Erdſtriche beurtheilet werden, in welchen es
von ſelbſt herkommt. In dieſen erleidet es Abaͤnde-
rungen genug, die es zu ertragen faͤhig iſt, in einem
fremden Klima mehr oder weniger, doch alle mog-
liche
[208] liche Veraͤnderungen an Pflanzen in der ganzen
Welt, gehen ſo weit nicht, daß aus einem Kraute,
gegen die Natur, ein wahres Staudengewaͤchſe,
oder aus beyden wahre Holzarten, das ſind Baͤu-
me
und Straͤuche, entſtuͤnden.


Denn eine Pflanze, die von Natur gar keine
Knospen traͤgt,
wird nie in eine Knospe tragen-
de
verwandelt, ſo wie keine Knospentragende zu
einem Kraute werden kann.
Kein Staudenge-
waͤchſe, als welches jaͤhrlich durch Knospen aus
der Wurzel erneuert wird, und nur allein bis wie-
der dahin abſtirbt, kann ſich in ein Kraut verwan-
deln. Denn dieſes letztere hat keine Knospen, es
traͤgt, wenn es aus ſeinen Saamen hervorgekom-
men, nur ein einziges mahl Frucht, und ſtirbt ganz.
Zu Holzarten koͤnnen beyde aus weiter anzufuͤhren-
den Urſachen gar nicht werden; woraus man erſe-
hen wird, daß der Unterſchied der Pflanzen von
der Natur beſtimmt genug ſey, und daß die alten
Naturforſcher dieſe Wahrheit zwar erkannt, aber
gar zu unbeſtimmt gelaſſen haben. Bey einer
ſo ſichern natuͤrlichen Beſtimmung durch den
Keim, moͤgen ſich Geſtalt, Groͤße, Verhaͤltniß,
Geruch, Farben, Geſchmack und mehrere Eigen-
ſchaften der Pflanze, auch durch Klima, Witte-
rung oder Bearbeitung, ſo oft und ſo weit es ſich
denken laͤßt, daß es moͤglich ſeyn kann, veraͤn-
dern; ſo werden doch dadurch die 4 Hauptpflan-
zenarten
niemahls aufhoͤren, diejenigen zu ſeyn,
wozu
[209] wozu ſie die Natur durch den Keim beſtimmt hat.
Ob nun beyde allererſten Vaͤter der Pflanzenkunde
ſchon, wie vorgeſagt, aus Mangel einer ſichern
Beſtimmung von jeher ſehr unzureichend befunden
worden ſind, ſo glaubte man doch zum Theil, aus
Achtung gegen das Alterthum, einige Spuren der
Wahrheit darinnen erblickt zu haben, und fuͤhrte
ſie deswegen in allen Schriften mit einigen Erinne-
rungen an. Die Erfahrung als der ſicherſte Lehr-
meiſter, welcher der Natur getreu verbleibet, beleh-
ret die Zweifel am gewiſſeſten, uͤber dieſe Veraͤnde-
rungen aller Pflanzen aus einem fremden Himmels-
ſtrich in den andern, auch unter einen und eben
denſelben; ſie uͤberzeuget nehmlich, daß nachdem
Zeit, Koſten, Muͤhe und Nachdenken vielfaͤltig
auch nicht ganz ohne Einſicht verſchwendet worden,
die wahren Kraͤuter,plantae herbaceae, dennoch
weder zu Staudengewaͤchſen,ſuffrutices, gemacht,
noch beyderley ohne einen bloßen Anſchein in Straͤu-
cher,
frutices, und Baͤume,arbores, verwandelt,
das iſt, wirklich umgebildet werden koͤnnen. Denn
die Unterſuchung hebt allen bloßen Anſchein auf,
und man kann alle ſolche Gewaͤchſe, nut auf einige
Zeit, in einen ſolchen Zuſtand verſetzen, der zwi-
ſchen allen viererley Pflanzenabtheilungen, bloß
und hoͤchſtens das Mittel haͤlt, ohne daß ſie darinn
bleiben, oder lange ausdauern. Denn dieſe Cultur
derſelben Gewaͤchſe iſt hoͤchſt muͤhſam, und wenn
ſie den moͤglichſten Grad von Abaͤnderungen und
OVer-
[210] Verwandlungen erreicht, ſo fallen ſie entweder in
ihren natuͤrlichen Zuſtand allmaͤhlig zuruͤck, oder ſie
ſterben bald langſam, bald ploͤtzlich ab. Dergleichen
Erſcheinung kann jeder Botaniſt ſelbſt erfahren,
wenn er andern keinen Glauben geben will, welche
ſchon vor ihm eben dergleichen Umſtaͤnde durch viel-
jaͤhrige und muͤhſame ſelbſt eigne Erfahrungen ausge-
mittelt haben. Der Ritter von Linné ſelbſt aͤußert
ſeine Gedanken daruͤber, mit einem kurzen eben nicht
guͤnſtigen Gutachten in Philoſoph. Botan. Cap. III.
§. 78. No. 7
.
wo er von den hohen und niedern
Holzarten, de Arboribus et fruticibus ſagt: adeoque
haec diviſio non eſt naturalis, cum inter fruticem et
arborem nullos limites poſuerit natura, ſed opinio
vulgi
,
uͤber welches Gutachten ich mich bey einer
andern Gelegenheit, mit Beybehaltung aller Acht-
ſamkeit, die jeder den Verdienſten dieſes großen
Mannes in der Naturgeſchichte und Gewaͤchskunde
ſchuldig ſeyn muß, weiter erklaͤren werde.


Es ſcheinet etwas hart geſagt zu ſeyn, und
ſeinen Grund bey ihm in der Beſchaffenheit des
rauhen, harten, vaterlaͤndiſchen Himmelsſtriches,
und der daſelbſt ſehr ſchweren Kultur der Gewaͤchſe,
bey andern aber in einem weit gelindern Klima woh-
nenden groͤßtentheils in einer vernachlaͤßigten Unter-
ſuchung des Unterſchiedes vorbenannnter Gewaͤchſe
zu haben, es wird ſich aber doch unter gewiſſen Ein-
ſchraͤnkungen erklaͤren laſſen. Richtig waͤre des
Ritters Meynung, wenn man bey der Anwendung
dieſer
[211] dieſer Pflanzenabtheilung von Baͤumen und
Straͤuchen blos als großen und kleinen, oder ſtar-
ken und ſchwachen Holzarten
ſprechen wollte,
wenn ſie beyderſeits mit eigentlichen Knospen,
Gemmis veris raaicalibus caulinis et rameis verſehen
ſind, daß ſie alsdenn faſt durch nichts weiter, als
durch die bloße Geſtalt unterſchieden werden koͤn-
nen. Wenn man aber den wichtigen phyſikali-
ſchen Unterſchied einer
plantae gemmi parae und
non gemmiparae, und die Verſchiedenheit der
Knospen
ſelbſt aus der Erfahrung genauer kennt,
ſo ſiehet man ſich genoͤthiget, mit den beruͤhmten
Pontedera anderer Meynung zu werden, da der na-
tuͤrliche verſchiedene Zuſtand von dergleichen Pflan-
zen alsdenn zugleich zu einer ſolchen Vorſchrift
wird, welche viele Widerſpruͤche aufhebet.


Am angefuͤhrten Orte aͤußert der Herr von
Linné
kurz vorher ſeine Gedanken, uͤber die Kraͤu-
ter,
Herbas, die er ſowohl Herbas als plantus her-
baceae
nennet, und in perennes und annuas unter-
ſchieden wiſſen will.


Dieſe ſind nach der Abtheilung und aͤlteſten
Benennung herbae et ſuffrutices. Er bedienet
ſich dieſesmahl gegen ſeine ſonſt ein vor allemahl
recht wohl gegebene Regel, des Namens herbage-
doppelt,
nehmlich, wenn er eine ſowohl beſondere
Pflanzenart dadurch anzeigen will, als bey anderer
Gelegenheit einen einzelnen ganzen Haupttheil des
Pflanzenkoͤrpers
zu beſtimmen vor hat, welcher
O 2letztere
[212] letztere ſeinen Anfang aus der Erde von der Wurzel
nimmt, und in Stamm, Stengel und Blaͤttern
beſtehet, ohne ſich in die Bluͤthe und Frucht ent-
wickelt zu haben.


Sonſt kann man die Pflanzenbenennung durch
den Namen herbae und plantae herbaceae vollkommen
vor einerley gelten laſſen, wenn ſie ein wahres und
natuͤrliches Kraut
anzeigen ſoll, welches von den
Staudengewaͤchſe oder ſuffrutices der Alten gilt, wie
ihn der phyſikaliſche Unterſchied ſowohl davon,
als von andern kleinen und ſchwachen Straͤuchen
oder Holzarten hinreichend unterſcheidet, daß alſo
auch hier der Ausdruck, Opinio vulgi, alsdenn von
ſelbſt wegfallen muß. Da indeſſen weder die bloße
Geſtalt noch Groͤße, nebſt der innerlichen oder aͤu-
ßerlichen Bauart, vielweniger aber eine ſchwam-
mige, weiche, harte, zaͤhe Beſchaffenheit des
Pflanzenkoͤrpers, am allerwenigſten aber, wie
ſchon geſagt, Farbe, Geruch und Geſchmack mit
andern veraͤnderlichen Eigenſchaften, denjenigen
Grund zuſammen genommen, ausmachen, nach
welchen die 4 Hauptunterſchiede der Pflanzenord-
nung feſtgeſetzt werden; weil auch ferner in allen
Welttheilen und unter jedem Himmelsſtriche insbe-
ſondere, ſo weit nur Gewaͤchſe leben, wachſen und
fruchtbare Saamen tragen koͤnnen, wahre, natuͤr-
liche, verſchiedene Kraͤuter,
wie auch natuͤrliche
Staudengewaͤchſe, Straͤuche
und Baͤume gefun-
den werden, welche daſelbſt als natuͤrliche Bewoh-
ner
[213]ner diejenigen bleipen, dergleichen ihre Arten von
jeher geweſen ſind, ſo muͤſſen ſie auch ihrer zufaͤlli-
gen Veraͤnderungsarten halber, aus dieſer ihrer
ihnen beſonders zukommenden klimatiſchen Wir-
kung, nicht aber aus fremden Umſtaͤnden an-
derer Erdſtriche,
in welchen beſagte 4 Hauptun-
terſchiede, gegen alle unbeſtaͤndige und zufaͤllige Ab-
aͤnderungen, die wie bey uns ſtatt haben, beur-
theilet werden.


Es hat, wie vor angezeiget, dem Herrn von
von Linné alſo gefallen, die herbas und ſuffrutices
der Alten unter eine Ordnung zu bringen und die
erſten plantas herbaceas, die andern herbas perennes
zu nennen. Von der erſten ſagt er, plantae her-
baceae (ſ. annuae ſupra radicem quotannis pereunt),

und von ſeinen herbis perennibus oder ſuffruticibus be-
hauptet er mit Recht, daß ſie jaͤhrlich ihre Stengel
abwuͤrfen, und ſich durch neue Knospen vermehre-
ten. Allein wie die gemeine Erfahrung von den
wahren Kraͤutern, die er Sommerpflanzen nen-
net, beweiſet, ſo ſterben ſie jaͤhrlich nicht uͤber der
Wurzel, ſondern mit ſammt der Wurzel, voͤllig
ab, und hinterlaſſen außer dem fruchtbaren Saa-
men nichts lebendiges; dahingegen ſterben nur,
nach der voͤlligen Entwickelung der ganzen
Pflanze bey den Staudengewaͤchſen,
bey uns und
in andern Welttheilen, nur allein die aus der
Wurzel getriebene Stengel oder Augen, wenn ſie
Blumen und Saamen getragen haben, bis an die

O 3Wur-
[214]Wurzel ab; von der Mutterpflanze aber bleibet,
außer den befruchtenden Saamen und der Wur-
zel
ſelbſt, von der uͤber der Erde ſtehenden Pflanze
nichts weiter uͤbrig.


Wie leicht aber koͤnnen ſich bey ſo verſchiede-
ner Behandlung einer Pflanze, aus einem Klima in
das andere durch Saat, Pflanzung und andern
kuͤnſtlichen Bearbeitungsarten zu verſchiedenen Ab-
ſichten, in verſchiedenen Boden und bey verſchie-
dener Witterung ſehr merkwuͤrdige Abaͤnderungen
unter den Pflanzen ereignen, wenn ſie zumahl als
fremde, etliche 100 bis 1000 Jahre außer ihrem
Vaterlande
behandelt worden ſind, wie viele von
unſern Baum- und Kuͤchengewaͤchſen. Derglei-
chen Abaͤnderungen haben ihre Richtigkeit, ſie ſind
unbeſtaͤndig, von gar verſchiedener Dauer, und
der geringſte Zufall bringet ſie wieder zu ihren na-
tuͤrlichen Zuſtande zuruͤck. Sie ſind aber demohn-
geachtet keiner ſolchen Verwandlung bey allem An-
ſcheine faͤhig, wodurch wahre und natuͤrliche durch
ihren Keim zu Kraͤutern, Staudengewaͤchſen,
Straͤuchen, oder Baͤumen faſt beſtimmte Pflanzen
ſich abwechſelnd in einander wirklich verwandeln
konnten,
nachdem ihr natuͤrlicher organiſcher
Keim, Stoff in ſeinen Anlagen voͤllig umgekehret
worden.


Die beyden erſten Arten der Pflanzen ſind ent-
weder Kraͤuter,herbae, oder Staudengewaͤchſe,
ſuffrutices; die wahren Kraͤuter entſtehen aus den
Saa-
[215] Saamen, ohne alle Knospen,Gemmas, und ent-
wickeln ſich ſogleich in die Wurzel, Stengel und
Blaͤtter, zu einer einfachen Vermehrung und
Fortpflanzung voͤllig bis in die Blumen, und
fruchtbaren Saamen, und endigen damit, nach
der Erzeugung, Befruchtung und Reife des
Saamens zugleich allen Wachsthum, und mit die-
ſem das Leben.
Sie verlieren zu dem Ende ihr
alein bildendes Mark voͤllig, daß ſie zum voraus
keine weitere neue Triebe machen koͤnnen; es blei-
bei von dem ganzen Gewaͤchs zur Fortpflanzung au-
ßer den fruchtbaren Saamen, nichts uͤbrig.


Dergleichen Kraͤuter oder krautartige Pflan-
zen befinden ſich in den uͤbrigen Welttheilen, unter
jedem Himmelsſtriche, wie bey uns, und zwar in
dem einen mehr, in den andern weniger, wo ſie in
Anſehung ihrer weſentlichen Beſchaffenheit, den-
noch dieſelben ohne Veraͤnderung bleiben, wie die
Inſekten, und ſie werden daſelbſt nie zu Stauden-
gewaͤchſen werden, ſo wie die letzten in die erſten
niemahls uͤbergehen. Die wahren natuͤrlichen
Kraͤuter haben in dieſen Umſtaͤnden unter ihren va-
terlaͤndiſchen Himmelsſtrichen, eben das Geſetz,
mit dem groͤßten Theile einheimiſcher Inſekten ge-
mein. Sie ſtellen auf eine hierinnen aͤhnliche Art
eben eine von den uͤbrigen Klaſſen der Gewaͤchſe
natuͤrlich verſchiedene Ordnung vor, wie befagte
Inſekten von den Thieren. Unter allen moͤglichen
bekannten Verwandlungsumſtaͤnden haben und be-
O 4hal-
[216]halten die Kraͤuter ein beſonderes geſetzmaͤßiges
Vermoͤgen, ſich in natuͤrlichen Umſtaͤnden nur
ein einzigesmahl in fruchtbaren Saamen zu ent-
wickeln,
worauf ſie ohne vorher neue Knospen
oder Keime zur kuͤnftigen Vermehrung und Fort-
pflanzung zu machen, oder nach Art der Stauden-
gewaͤchſe und Holzarten, Wurzel, Stengel oder
Zweige bilden zu koͤnnen beym ſchwindenden Marke
der Mutterpflanze ganz abſterben. Dieſe Umſtaͤr-
de laſſen ſich durch kuͤnſtliche Barbeitung zwar et-
was verſchieben, wie vorher geſagt, aber nicht ver-
aͤndern, und bey den meiſten Pflanzen vermag alle
Kunſt gegen die Natur nichts. Dieſes beſaget die
Erfahrung an aͤhnlichen Thieren und Gewaͤchſen
in warmen und kalten Laͤndern, denen die Na-
tur das Vermoͤgen verliehen, das Befruchtungs-
geſchaͤfte nur ein einzigesmahl zu uͤberſtehen,
oder auszuhalten,
daß ſie gleich darauf aus Man-
gel des markigen, bildenden organiſchen Stoffs,
deſſen weſentliche Beſchaffenheit den Naturfor-
ſchern noch unbekannt iſt, voͤllig abſterben.


Die Staudengewaͤchſe, ſuffrutices ſ. herbae
perennes Linnaei
,
die den Namen von der Aehnlich-
keit mit Straͤuchen oder ſchwachen ſtaudigen Holz-
arten, fructibus, haben, entwickeln ſich aus den
Knospen einer beſtaͤndigen Wurzel, e gemmis
radicibus,
oder wie alle andere Pflanzen auch aus
den Saamen zugleich, bis in den fruchtbaren Saa-
men. Nur jedes altes bis in dem befruchteten
Saa-
[217]Saamen ganz entwickelte Auge hat mit der gan-
zen Pflanze eines Krautes gleiche Schickſale, daß
es nehmlich nach dem Fruchttragen jedesmahl
ganz abſtirbet;
dahingegen bildet das Mark
der beſtaͤndigen Wurzel eines Staudengewaͤchſes

jaͤhrlich neue Knospen. Die Fortpflanzung und
Vermehrung einer ſolchen Pflanzenart geſchiehet
alſo, theils durch die Saamen, theils aus der
Wurzel der Mutterpflanze zugleich,
da ſie bey
den Kraͤutern nur allein aus dem Stamme geſetz-
maͤßig wird, ob ſchon der Zufall [und] Kunſt die
Vermehrung aus andern Pflanzen, durch den Saa-
men von der Natur bewirket.


Hierinnen liegt der wahre Unterſchied zwi-
ſchen beyden,
deſſen Gewißheit und Beſtaͤndigkeit
ſich in allen Welttheilen allgemein zeiget, ohne daß
man dieſes vor Einbildung, oder gar fuͤr eine nichts
bedeutende Kleinigkeit halten duͤrfte. Denn hier
zeiget ſich ein gedoppeltes Vermoͤgen zu der Ver-
mehrung und Fortpflanzung ſolcher Arten,
zu-
gleich aber dabey eine Dauer, mehrere jaͤhrliche
Befruchtung aushalten zu koͤnnen, als die Kraͤu-
ter haben.
Man verwechsle alſo die wahren Um-
ſtaͤnde, bey der mit andern aus einem fremden Him-
melsſtriche behandelten Gewaͤchſe nicht, und verſtehe
ſie recht, damit man ſich und andere vor Trugſchluͤſ-
ſen verwahren kann.


Die Entwickelung der Kraͤuter geſchiehet ins-
gemein aus ihren Saamen, in einem und eben dem
O 5Jahre
[218] Jahre bis wieder in den fruchtbaren Saamen; wie
es auch oft ſchon nach 4, 6, 8, 10 bis 12 Wo-
chen geſchiehet, nach Verlauf dieſer Zeit ſterben ſie
wie der groͤßte Theil von Inſekten, nach ihren Ver-
wandlungen, Paarungen und den gelegten Eyern
in allen Laͤndern, ohne eine neue 2te Befruchtung
abwarten und aushalten zu koͤnnen. Sie leben
auch 12 Monat, ehe ſie vergehen.


Manche Arten der Kraͤuter werden durch
Kunſt und Zufaͤlle 2, 3, 5 bis 7 Jahre beym Le-
ben erhalten, wenn man ſie nehmlich von der Bluͤte
durch oͤſteres Verpflanzen und Beſchneiden abhal-
ten kann; welches mit etlichen Inſektenarten auf
etliche Monate, auch wohl etwas laͤnger bewir-
ket werden kann; nur nicht mit allen, denn ſie
ſchmachten zuletzt allzuſehr, und muͤſſen ohne Nutzen
vergehen, ſobald Mark und Lebenskraͤfte erſchoͤpft
werden. Laͤnger ſcheinen ſie nicht leben zu koͤnnen
oder zu ſollen, oder nach dem gewoͤhnlichen Aus-
drucke zur Reife und Vollkommenheit zu gelangen.
Sie haben zwar Schaale, Rinde, Baſt und Splint,
koͤnnen aber den letztern in kein wahres Holz ver-
wandeln, es iſt ihnen zu ihrer geſchwinden Entwi-
ckelung ſo wenig Zeit gelaſſen, daß ſie nach natuͤr-
lichen Umſtaͤnden, das Mark viel eher verlieren,
als ſie neue Augen oder Sproſſen machen koͤnnten,
und die Verwandlung des Splinters in wahres
Holz vor ſich gehen kann; daß alſo der Erfahrung
zu folge alles Wachsthum derſelben mit der Be-
fruch-
[219]fruchtung und zugleich das Leben aufhoͤret und
aufhoͤren muß
. Von den fremden hierher gehoͤri-
gen Gewaͤchſen muß man alſo vorher ihren vater-
laͤndiſchen Zuſtand genau wiſſen, ehe man aus ihren
Veraͤnderungen hier im Lande ſichere Schluͤſſe auf
das natuͤrliche ziehen kann.


Wenn ich Vorhabens waͤre, die Holzarten
gegenwaͤrtig, wie beyderley vorhergehende Pflan-
zengattungen durchzugehen, wuͤrde ſich ein ganz
neues Feld zu einer Menge von Betrachtungen oͤf-
nen, da ich unter dieſen plantas gemmiparas mit de-
nen non gemmiparis, wie bey denen Staudenge-
waͤchſen und Straͤuchen zugleich vor mir habe. Der
phyſikaliſche Unterſchied indeſſen, den man bey den
4ten Hauptpflanzenarten ſo deutlich wahrnimmt, iſt
dermaßen gewiß, allgemein und beſtaͤndig, daß man
deshalb ihn vor voͤllig natuͤrlich halten kann; da er
zumahl weſentliche Kennzeichen des Endzwecks
der Pflanzenbefruchtung
enthaͤlt, nach welchen
ſich die uͤbrigen Umſtaͤnde der Erzeugung, Entwick-
lung und Dauer von jeder Art der Pflanzen richten.
Bey ſolchen wohl beſtimmten und genau unterſchei-
denden Begriffen iſt es nunmehr außer Zweifel,
daß die alten griechiſchen Weltweiſen ganz richtig
gedacht, und mehr das Gewaͤchsreich nach den na-
tuͤrlichſten Merkmalen abzutheilen bemuͤhet geweſen
ſind, als daß ſie gleich im allererſten Anfange im
Stande geweſen ſeyn ſollten, ihren Schuͤlern von
allen Sachen die ſie erſt zur Unterſuchung ſammlen
muß-
[220] mußten, recht unterſcheidend beſtimmte Begriffe zu
geben. Denn es blieb freylich in jenen Zeitpunkte
nach Lage der Sachen, immer mitten in dem Hin-
derniß, viele Wahrheit, die man zwar ſpuͤren, aber
aus einem ſo unuͤberſehlichen Wuſt von Sachen,
ohne Ordnung, nicht ſogleich auseinander ſetzen
konnte. Dieſes iſt nun unſern Zeiten, wegen der
Menge von guten Entdeckungen und aufklaͤrenden
[Huͤlfsmitteln] vorbehalten, um die von den Alten
angefangenen Arbeiten fortzuſetzen und zu Stande
zu bringen. Ob nun aber von den hieher gehoͤrigen
Unterſchieden und Abtheilungen der Pflanzenord-
nung eben ein Gebrauch zu Errichtung eines botani-
ſchen Lehrgebaͤudes oder mehrerer zu machen ſey,
oder ob ſie nicht vor der Hand vielmehr unter den na-
tuͤrlichen Fragmenten der Pflanzenordnung ihren
Platz finden, iſt hier die Frage nicht.


Sonſt kann hier zur Erlaͤuterung der uralten
Abtheilung der Gewaͤchſe, beſonders bey dem Un-
terſchiede des natuͤrlichen Befruchtungs- und Fort-
pflanzungsgeſchaͤftes, noch folgendes ſehr bequem
angefuͤhret werden, welches auch bey der 5ten Ord-
nung des Thierreiches, die die Inſekten unter ſich
begreift, wie bey den Pflanzen ſtatt findet.


Das Thierreich, welches zeither aus 7 erweiß-
lichen Ordnungen mit 74 Geſchlechtern, die Krab-
ben und Krebſe
ausgenommen, und aus weit uͤber
2000 Gattungen beſteht, enthaͤlt jaͤhrlich aus allen
Welttheilen noch einen beſtaͤndigen Zufluß. Von
dieſen
[221] dieſen Inſekten oder Gattungen des Ungeziefers
wie uns die Erfahrungen verſichern, hat der groͤßte
Theil das Vermoͤgen, ſich vom Ey an, in kurzer
Zeit voͤllig zu entwickeln, alsdenn nach den gewoͤhn-
lich uͤberſtandenen Verwandlungen ſich zu paaren,
und nur ein einzigesmahl ihre befruchteten Eyer
zu legen
; worauf denn diejenigen maͤnnlichen und
weiblichen Thiere ſterben, welche das Werk der Be-
fruchtung und Eyerlegens voͤllig uͤberſtanden; ohne
weiter eine folgende Paarung zu erleben, und ſie von
neuen auszuhalten.


Dieſe Ordnung iſt in allen Welttheilen gewiß
allgemein und beſtaͤndig, wie bey den Kraͤutern,
wenn ſie nur daſelbſt leben koͤnnen, daß man des-
halb keinen neuen Beweis zu fuͤhren noͤthig hat; man
muß ſich bey den Verſuchen mit den kleinen Inſek-
ten, weder durch Spaͤtlinge noch andere Zufaͤlle irre
machen laſſen, welche dem Scheine nach auch nach
Lokalumſtaͤnden manches verzoͤgern, befoͤrdern oder
vereiteln, ohne daß ſie das einmahl gegebene Natur-
geſetz aufzuheben im Stande ſeyn ſollten.




[222]

Phyſiſch-oͤkonomiſche [Gedanken]
uͤber
die ſichere Wirkung
der ſauern Arzeneymittel
bey

heftigen Viehſeuchen und Zufaͤllen,
die ihren Grund in einer boͤsartigen, zur innern
Faͤulniß, Entzuͤndung und Ausſchlaͤgen geneigten
Schaͤrfe des Blutes und einer verdorbenen
Galle haben,
nach den neueſten
daruͤber angeſtellten Verſuchen

und Erfahrungen.



Die vortreflichen Eigenſchaften, Kraͤfte und
Wirkungen der Saͤuren aus allen 3 Naturreichen
ſind durch eine kluge Anwendung und ſichere Er-
fahrungen laͤngſt außer Zweifel geſetzt. Die aus
dem
[223] dem Mineralreiche zeigen ſich allenthalben als die
ſchwerſten, ſtaͤrkſten und ſchaͤrfſten, die von den
Gewaͤchſen ſind gemaͤßigter und die zahlreichſten,
und von Thieren die wenigſten, auch am wenigſten
bekannt und gebraͤuchlich. Ihr ſaueres Salzweſen
iſt zum Theil in einer verſchiedenern, feinern oder
groͤbern, fluͤchtigen oder feuerbeſtaͤndigen Verbin-
dung mit dem Brennbaren und uͤbrigen, das ſich
durch Geſchmack, Geruch, und die beſonders ihm
eigene Wirkungen und Wirkungsarten ſehr kennt-
lich macht, dergleichen ſich in ſo vielerley Mi-
ſchungsarten der Naturkoͤrper, und an den lebendi-
gen thieriſchen Koͤrpern, in ſeinen eigenen und de-
ren Unterſchieden, nach den Graden der Heftigkeit
aͤußert.


Der vernuͤnftige Arzt haͤlt ſie nach richtigen
Erfahrungen und Einſichten fuͤr unentbehrlich, da
er aus Ueberzeugung nach phyſikaliſch-chymiſch-
therapevtiſchen Gruͤnden den rechten Gebrauch da-
von zu machen verſtehet, nach welchen ſie unter die
ſichern und beſten Arzeneyen aufgenommen worden
ſind. Denn dieſen zufolge, ſind ſie es wirklich,
ſowohl bey Menſchen als bey den Thieren, und
man wird davon der letztern wegen nachdruͤcklich
uͤberzeuget, nachdem man endlich angefangen, auch
die Vieharzeney mit mehrern Nachdenken zu trei-
ben. Eine Wiſſenſchaft, die vor den Ackerbau
und die vielen Nahrungszweige der Stadt- und
Land-
[224] Landwirthſchaft, wegen Erhaltung unſeres Eigen-
thumes, ſo wichtig, ſo vorzuͤglich iſt, und die ihrer
Weitlaͤuftigkeit halber, auch als ein noch ziemliches
unbsarbeitetes Feld noch lange nicht wird uͤberſehen
werden koͤnnen.


Alle dazu gehoͤrige Saͤuren, von welchen wir
zum Arzeneygebrauche immer die gemaͤßigten den
andern vorziehen, und den groͤßten Theil aus dem
Gewaͤchsreiche zu nehmen gewohnt ſind, haben
bald eine trockne Salzgeſtalt, bald eine fluͤßige oder
halbfluͤßige; ſie unterſcheiden ſich ferner in ſalzig-
ſchleimige, oͤlig erdhafte, andere ſind roh und waͤſ-
ſerigſtarke oder ſchwache, noch andere aber zube-
reitete, und durch die Gaͤhrung erzeugte, weinhafte,
oder halb fluͤchtig gemachte, wie die Eßige und der-
gleichen. Die Mineralſaͤuren ſind in allem ſchwe-
rer, groͤber und cauſtiſcher, doch aber von einen ſo
allgemeinen Gebrauche, wie die vorerwaͤhnten,
wenn ſie nur vorher durch die Zubereitung ihre
Reinigkeit erhalten haben, oder auch ferner durch
Zuſatz von vielen Waſſer verduͤnnet, von Weingei-
ſte verſuͤßet, und von andern Materien dergeſtalt
gedaͤmpfet worden, daß ſie in kleiner Doſi bey
Menſchen und Vieh einen ſichern Gebrauch haben
koͤnnen.


Solange ſich indeſſen die Pflanzenſaͤuren bey
gewiſſen Zufaͤllen, nach den verſchiedenen Graden
der Heftigkeit und Kuͤrze der Zeit, wirkſam erzeu-
gen, und zu Daͤmpfung einer ſchaͤdlichen boͤsarti-
gen
[225] gen, zur heftigen Entzuͤndung, Faͤulniß und Bran-
de geneigten Materie, hinreichend gefunden werden,
ſo bleibet der Arzt bey ihrem Gebrauche ſtehen.
Wie oft aber noͤthigen uns die, bey der heftigen und
ſchnellen Wirkung einer ſolchen ſchaͤdlichen Materie,
ſchon allzuſehr geſchwaͤchten Lebenskraͤfte der ſonſt
uͤberall mitwirkenden Natur, unſere Zuflucht gleich
anfangs zu den etwas gedaͤmpften Mineralſaͤuren
zu nehmen.


Der thieriſchen Saͤuren ſind gegen die vorigen
rohen und zubereiteten zu wenig, und iſt davon zu we-
nig bekannt geworden, uͤbrigens aber werden ſie
eben ſo gemaͤßiget gefunden, als die feinen Pflan-
zenſaͤuren. Ihr Gebrauch indeſſen bleibet noch im-
mer zu koſtbar, außer den Molken, daß ſich von
ihren Vorzuͤgen bey Menſchen und Vieh ſehr we-
nig Beſtimmtes ſagen laͤſſet. Die uͤbrigen Arten
der Saͤuren verdienen und erfordern, ihrer natuͤrli-
chen Miſchungen und Verbindungen halber mit al-
lerhand verſchiedenen Subſtanzen, bey der Anwen-
dung, immer eine beſondere Aufmerkſamkeit auf die
Koͤrper der Menſchen und der Thiere, indem ſie
bald mit groͤbern bald mit feinern aufloͤslichen mine-
raliſchen oder Pflanzen-Erdarten, bald mit metal-
liſchen Theilen ſelbſt verbunden ſind. Sie ſind fer-
ner in vielen Subſtanzen verſteckt, in andern offen-
barer, und befinden ſich abwechſelnd in waͤßrigen,
oͤligen, ſchleimigen, harzigen, gewuͤrzhaften, fluͤch-
tigen, ſcharfen, bittern, ſußen und ſußlichen, fet-
Pten
[226] ten, ſalzigen, herben oder andern Miſchungen mehr.
Das Waſſer iſt fuͤr ſie alle das allgemeine Aufloͤ-
ſungsmittel, weil ſie Salze ſind, in welchen ſie in
gleichartige Theile zergehen, auch durch Huͤlfe deſ-
ſelben aus andern Subſtanzen gezogen, und in tro-
ckener oder fluͤßiger Geſtalt angewendet werden.


Ein großer Theil von ſolchen Salzen zeiget
in ſeiner Reinigkeit, außer der Miſchung oder Ver-
bindung mit andern Dingen, in Kraͤften, Wirkun-
gen und Wirkungsarten mehrere Gleichheit und we-
niger betraͤchtliche Hauptunterſchiede, wenn es nicht
etwa die Grade der Heftigkeit betrift, oder von ei-
ner neuen Zubereitung entſtehet, oder durch die ver-
ſchiedene Doſen bey der Anwendung mit Fleiß ver-
urſachet wird.


Im Zuſtande der Reinigkeit betrachtet, gehen
alſo die Hauptkraͤfte und Wirkungsarten der Saͤu-
ren vornehmlich dahin:
Daß ſie als Salze, die feſten, koͤrperlichen,
geſchwaͤchten Theile mehr oder weniger reizen,
wodurch ſich ihre Faſern und Haͤute lebhafter
und geſchwinder zuſammen ziehen, von wel-
cher veraͤnderten Bewegung, nach therapevti-
ſchen Anzeigen, alle gute Folgen entſtehen,
die ihren Gebrauch veranlaſſen. Unſerm in
allzu heftige Bewegung geſetzten, und ausge-
dehnten verduͤnnten Blute, nebſt andern Saͤf-
ten, geben ſie bey ihrem Zutritte, wenn ſie
unveraͤndert dazu gelangen, durch eine Verdi-

ckung
[227]ckung, die natuͤrliche gemaͤßigte Conſiſtenz
wieder, beſonders, da ſie die bey langanhal-
tender und zerſtoͤrender Hitze zu haͤufig daraus
abgeſchiedenen, boͤsartigen, und zur Faulung
geneigten, ſalzig urinoͤſen Theile umkehren,
oder unſchaͤdlich machen, und veranlaſſen, daß
ſie, ſolchergeſtalt geſchickt gemacht oder vorberei-
tet, durch die gewoͤhnlichen Ausſonderungs-
wege als Schweiß und Urin aus der Blutmaſſe
gebracht werden koͤnnen. Da aber dieſe bald
fixe bald mehr fluͤchtige Saͤuren, bey dem in-
nerlichen Gebrauch, zuerſt durch den Mund
nach den Magen, und von da weiter nach den
Gedaͤrmen gebracht werden, darinnen aber
oͤfters einen groben unverdauten oder auch ſo-
genannten nitoroͤſen, faulenden Unrath an-
treffen, welchen ſie durchdringen, veraͤndern,
und unſchaͤdlich machen, auch zugleich durch
das Reizen die periſtaltiſche Bewegung des
Magens und ganzen Speiſekanals verſtaͤrken,
ſo befoͤrdern ſie den Appetit und Verdauung
ſehr merklich. So wie ſie nun auf eine ge-
wiſſe Art die gegenwaͤrtige Faulung nicht
nur hemmen, und die bevorſtehende kraͤftig
hindern, ſo ſtellen ſie auf eben dieſe Weiſe die
verdorbene oder auch ſcharf werdende Galle
wieder her, und da ſie, wie ſchon geſagt, die
Wallung und davon entſtandene Congeſtionen,
Hitze, Fieber und Entzuͤndungen daͤmpfen, ſo

P 2thun
[228]thun ſie der heftig und ſchnell ausdehnenden
Wirkung der ſtarken narkotiſchen Gifte den
geſchwindeſten Einhalt, und daͤmpfen die bis
zur Auszehrung und zu uͤbermaͤßigen Nacht-
ſchweißen geſtiegene Fieberhitze, und binden
die in ſolchen Faͤllen zu ſtark aufgeloͤßte
Blutmaſſe wieder; Durſt, Schlafloſigkeit,
Kopfſchmerzen, Raſerey und heftige Blut-
ſtuͤrze, die ſich auf aͤhnliche Urſachen gruͤnden,
werden durch den Gebrauch der ſauren Arze-
neyen ſehr vermindert, wie zuweilen der hef-
tige Geſtank des Blutes bey den Aderlaͤſſen
der Menſchen und Thiere, auch des Schwei-
ſes, Athems, Urins und des Unrathes.


Alle dieſe und mehrere Wirkungsfolgen beſtaͤ-
tigen ſich durch taͤgliche Erfahrungen und Ausſpruͤ-
che der groͤßten Aerzte, ſowohl beym innerlichen als
aͤußerlichen Gebrauche, daß man beynahe mit groͤß-
ter Wahrſcheinlichkeit davon ſagen kann, die Na-
tur habe Menſchen und Thieren zu Erhaltung und
Verlaͤngerung ihres Lebens, gegen die faulende Auf-
loͤſung des Blutes, auch den heißen, kalten und
trocknen Brand, faſt kein groͤßeres Geſchenke ma-
chen koͤnnen oder wollen, als die Saͤurenſubſtan-
zen, da ſie dergleichen nicht nur denen Arzeneyen,
und einem ſo großen Theile der Nahrungsmittel ein-
verleibet, ſondern auch ſelbſt in der Luft und dem
Waſſer, mit und ohne Verbindung des brenn-
baren
[229] baren Weſens, uͤberall ſo reichlich ausgebrei-
tet hat.


Nur koͤmmt es auf die rechte Anwendung der-
ſelben an, welche, da ſie bey denen Menſchen ge-
ſchehen, und zum groͤßten Gluͤcke noch immer ge-
ſchiehet, hier unſern Vorwurf eigentlich nicht aus-
macht, ſondern vielmehr in Abſicht der Wir-
kung auf das Vieh, bey aͤhnlichen und ſolchen wich-
tigen Zufaͤllen, die man wegen der ungluͤcklichen
Folgen im allgemeinen, fuͤr den Ackerbau und die
davon abhangenden landwirthſchaftlichen Zweige
nicht fuͤrchterlich genug abſchildern kann. Denn
ſie betreffen das Vieh, einen großen Theil des Ver-
moͤgens, wovon der Gebrauch und die Produkte
durch die vielfache Veredlung der Handwerker und
Kuͤnſtler das Landeskapital unterhalten und vermeh-
ren helfen muͤſſen.


So ſehr indeſſen die Aerzte vor die Menſchen
beſorgt ſind oder auch beſorgt ſeyn muͤſſen, die ihnen
Leben und Geſundheit anvertrauen, ſo wenige Ge-
legenheit haben ſie, oder eine beſondere Art der
Aerzte, den Zufaͤllen der Thiere abzuhelfen. Die Be-
ſorgung bey den oͤffentlichen Anſtalten, iſt nicht im-
mer von der Art, wie ſie doch ſeyn ſollte, daß man
von den ungluͤcklichen Krankheitsumſtaͤnden dieſer
unentbehrlichen Thiere genugſame Kenntniß neh-
men und ſie erweitern koͤnnte, die man oͤfters viel-
mehr mit Fleiß verkennet, auch andere davon ab-
haͤlt, als daß man ihnen durch eine recht thaͤtliche
P 3Huͤlfe
[230] Huͤlfe zu ſtatten zu kommen ſucht. Auch der bloße
Verzug und das unnoͤthige Diſputiren uͤber aller-
hand kleine Gerechtſame, Schuldigkeiten, Dienſt-
arten, Koſten und Vorſchuß, eine unzeitige Stren-
ge mit verkehrten oder unvollkommenen Anſtalten,
laſſen dem ſchleichenden Gifte der boͤsartigen Vieh-
ſeuchen viel zu viel Zeit, als daß er ſich nicht unbe-
merkt verbreiten koͤnnte, bis endlich der heftige
Ausbruch unſere groben Fehler durch den empfind-
lichſten Verluſt auf einmahl klar macht, daß auch
die Wirkung der beſten Rettungsmittel ſchlechter-
dings vergebens ſeyn muß.


Es iſt aber die hoͤchſte Zeit, um durch mehr
ernſthafte thaͤtliche Anſtalten beyzuſpringen, meh-
rere Kenntniſſe davon zu nehmen, und zu ſagen,
daß der in vielen Gegenden in dem gar zu ſehr ent-
kraͤfteten Landviehe verborgene Gift heraus ge-
bracht, und die Landwirthſchaft dadurch vor das
kuͤnftige ſicher geſtellt werde, ohne den letzten und
recht empfindlichſten Stoß, womit unſer Ackerbau
allerdings bedrohet wird, ſorglos abzuwarten. Un-
ſer alter dauerhafter Schlag von Landvieh hat ſich
zum Theil ſchon verlohren, er iſt ausgeartet und ge-
ſchwaͤcht, er muß voͤllig zu Ende gehen, und aller
Wechſel der Menge des beſtaͤndig fremd eingebrach-
ten Viehes hilft zu nichts, ſo lange den vielen Maͤn-
geln nicht auf eine recht ſolide Art vorher abgehol-
fen wird, die die innlaͤndiſche Viehzucht dadurch be-
ſtaͤndig vereiteln, daß ſie zu keinem recht reinen Vieh-
ſtande
[231] ſtande jemahls kommen oder dieſen mit Nachdruck
unterhalten kann.


Aber alles, was einen guten Viehſtand in den
dazu natuͤrlich geſchickten Gegenden nicht unter-
ſtuͤtzt, und die Viehzucht ſchleichend zu Grunde rich-
tet, es geſchehe aus Unwiſſenheit, Nachlaͤßigkeit
oder Bosheit, das ſchlaͤgt den Ackerbau nieder,
und was den Ackerbau druͤckt, vereitelt in der Fol-
ge[n]den Anwachs, die Groͤße und Dauer des
Staats. Man laſſe dieſe Hauptquelle verſinken,
oder verſtopfe ſie eine Zeitlang, die doch die Quelle
der Unterhaltung, Bevoͤlkerung, der Macht, des
Reichthumes und ſo vieler Bequemlichkeiten iſt, oder
doch werden kann, ſo muß es alsdenn klaͤglich ge-
nug ſeyn, wenn man ſich nur der Zeit als den
groͤßten Lehrmeiſter Preis geben will, um ſich von
einer ſo traurigen Wichtigkeit in beſter Form beleh-
ren zu laſſen.


Die klugen Roͤmer, deren Werke der Kunſt
des Verſtandes und Geſchmacks, nebſt vielen davon
herkommenden Anſtalten, noch immer von großen
Kennern bewundert werden, ſetzten bey jeder nuͤtz-
lichen Anlage einer neuen Kolonie, in aller Abſicht
auf die Landwirthſchaft und der recht gluͤcklich da-
bey, ohne Abgang oder Bedruͤckung des einen oder
des andern Zweiges, zu betreibenden Geſchaͤfte vor-
aus: einen zur Kultur geſchickten Grund und Bo-
den, reine Luft, ein reines hinreichendes Waſſer,
nebſt einer reinen nahrhaften ebenfalls hinreichen-
P 4den
[232] den Sommerweide, bey einer dazu ſchicklichen Art
das Vieh abwechſelnd zu weiden, wie auch eine
reine und gute hinreichende Winterfuͤtterung, Stal-
lung und reinliche Pflege, durch welche die Nahrung
und Arbeit des Viehes nach einer guten Ordnung
uͤberall verhaͤltnißmaͤßig gegen einander erhalten
werden koͤnnen. Dieſes ſind vernachlaͤßigte Grund-
regeln, welche vielen zum Vorwurfe und Schande
ihrer zu unnatuͤrlich und ausſchweifend betriebenen
Landwirthſchaft gereichen muͤſſen, und bey ihren ge-
machten Anſtalten und neuen Einfaͤllen ohne
Schaam kaum geleſen werden koͤnnen. Doch wer
kann unter den wohlgeſinneten jetztlebenden die
Schanden der vorhergehenden tragen, oder alle ein-
mahl gemachte Verfaſſungen aufheben, da dieſe
Veraͤnderungen leicht das Ganze zerruͤtten, wenn
man ſich derſelben nur nicht auf das neue ſchuldig
machen wollte.


Wenn es aber bey dem Viehe, mit der zu dem
bey jeder Jahreszeit und bey den ſchwererern Ar-
beiten gehoͤrigen reinlichen verhaͤltnißmaͤßigen Pfle-
ge, vor allen Dingen ſeine Richtigkeit hat, wenn
eine geſunde und nahrhafte Sommerweide, Trift
und Waſſer zur Traͤnke nicht zu abgelegen und zu
weitlaͤuftig ſind, daß das Vieh ſich deshalb faſt
taͤglich abwechſelnd erhitzen und auf der Nachtweide
wieder ſtark erkaͤlten muß, ſo bleiben die Koͤrper
ſtark, ſie widerſtehen den Anfaͤllen der Witterung
beſſer, die Seuchen werden ſeltener, ſie ſind wenig-
ſtens
[233] ſtens nicht ſo heftig und boͤsartig, daß ſie ſich unter
dem Vieh ſo ſchnell verbreiten.


Wird aber das Vieh, beſonders aber das oft
verkaͤltete oder erhitzte Zugvieh, von allzu ſchwerer
Arbeit, bey einem wenigen, unreinen und unkraͤf-
tigen Futter, und Mangel einer reinen und zu rech-
ter Zeit erforderlichen Traͤnke, matt oder laͤßig, ſo
wird es zugleich in ſich ſelbſt unreiner, oder doch
deshalb leichter angeſteckt, und davon merklich hin-
faͤllig. Hunger und Kaͤlte bey uͤbermaͤßiger Arbeit,
legen unter den ausgemergelten unreinen Vieh oft
den Grund zu ſtarken Niederlagen ganzer Heer-
den. Dieſe offenbare Wahrheiten zu verdraͤngen,
muͤſſen alle Einwendungen, Strenge und Mis-
brauch des Anſehens voͤllig vergebens und unkraͤf-
tig ſeyn.


Woher entſtehet unter andern in gewiſſen Ge-
genden die haͤßliche und ſo boͤsartig werdende Raͤude
der Pferde und des Rindviehes, ohne daß ſie ge-
wiſſe Jahre und Witterungsarten ſchlechterdings
unvermeidlich machen ſollte. Das letztere, nehm-
lich das Rindvieh, wird beynahe davon 6 bis 7
Monate, meiſtens aber ganz kahl, und ohne Haare
gefunden, und kann ſeine ſchoͤne Decke, die es im
Maͤrz wieder bekommt, nur hoͤchſtens bis zum No-
vember behalten. Was ſind das vor Anzeigen;
dieſer Zufall bleibet ſolchen Gegenden faſt einhei-
miſch, aber gewiß nicht aus natuͤrlichen Fehlern
derſelben, oder nur hoͤchſt ſelten, ſondern wegen
P 5der
[234] oͤkonomiſchen Einrichtung und Behandlung des Vie-
hes und aus Fehlern der Pflege, nach welchen ein
dergleichen empfindliches Uebel immer bleiben, ſich
ſo lange ziemlich unmerklich verhalten, und eben
von daher doch bey gewiſſen Witterungszufaͤllen
und Jahren in die benachbarten Provinzen mehr
oder weniger verbreiten kann. Das Vieh iſt gna-
tzig, es wird kahl, es ſchauert, reibet und beißet
ſich uͤberall am Leibe, wohin es gelangen kann, man
wird das Uebel gewohnt, nimmt es vor bekannt an,
klaget zuweilen, thut gute Wuͤnſche, aber dabey
bleibet es mehrentheils, bis der ſchwer oder nur
langſam auch kaum zu erſetzende Schaden Herrſchaf-
ten und Unterthanen aus ihren Schlummer erwe-
cket. Das Ungluͤck gehet insgemein durch Huͤlfe
der Jahreszeit, der Witterung und neuen Zuwachs
der Nahrung auf der Weide voruͤber, bis zu einem
kuͤnftigen neuen Ausbruche. An die Abaͤnderung
der Gelegenheiten und Grundurſachen des uͤber-
ſtandenen Ungluͤcks hingegen denket niemand mehr,
wenn zumahl die Rechnungen bey Seite geleget
worden ſind; und viele glauben, es koͤnne nicht an-
ders ſeyn.


Was ſoll man von der in vorigen Jahren ſo
fuͤrchterlich gewuͤtheten Peſt unter dem Rindvieh
ſagen, die durch fremdes Vieh zum Theil ins Land
gebracht wurde, zum Theil ſich nach und nach ſelbſt
im Lande ohne Anſtecken erzeuget hat. Damahls
wurde damit ſtarkes und geſundes auch ſchlechtes,
unrei-
[235] unreines, ſchwaches Rindvieh befallen, wie zu jetzi-
ger Zeit, mit ganz ungleichen Zufaͤllen und einem
ſchlechten Ausgange. Sie beſtand in einer Art ei-
nes faulen, galligten, allerheftigſten Entzuͤndungs-
fiebers, das den Thieren durch die ſchwerſten und
toͤdtlichſten Zufaͤlle ſchon den 3ten oder 4ten Tag
das Leben nahm. Der heftige Geſtank aus den
Rachen, und des fließenden Blutes bey den Ader-
laͤßen bis zu der Ohnmacht, auch des gelben
gauchigten Schweißes, Harns und uͤbrigen mit
den zaͤheſten Schleim uͤber- und durchſponnenen
Unrathes, war bey einem ploͤtzlichen Verluſte
des Wiederkaͤuens und aller Lebenskraͤfte ein ſehr
merkwuͤrdiges Kennzeichen der boͤsartigen Eigen-
ſchaft, ſo wie ſich dergleichen auch im Anfange die-
ſes Jahres 1775 ſchon einzeln unter eben dieſen
Viehe wieder zu zeigen anfieng.


Bey dieſen und andern betruͤbten aͤhnlichen
Ungluͤcksfaͤllen werden die Aerzte an ihre Pflichten
immer alles Ernſtes erinnert, einer ſo boͤſen Sache,
und eben wenn ſie ſich bereits in ihrer groͤßten
Wuth befindet, Einhalt zu thun, und ſie wieder
gut zu machen. Allein, da alle Vorbauungsmittel
und Anſtalten immer den Vorzug haben vor andern,
die zu einer Heilung gehoͤren, ſo ſtehen uͤberdem
doch die meiſten in der Macht des Arztes gar nicht;
da ſie eine ganz andere Art von Einrichtung und
Huͤlfe erfordern, als man aus der gruͤndlichſten
und treuſten Arzeneywiſſenſchaft jemahls mit Frucht
anzu-
[236] anzuweiſen im Stande ſeyn wird, und dieſes ſind
die nach der Natur der Sache hinreichend oͤkonomi-
ſchen Anſtalten.


Zur Erlaͤuterung deſſen, wovon eben hier die
Rede geweſen iſt, kann die im vorhergehenden be-
reits erwaͤhnte Kaͤude der Pferde, auch des Kind-
viehes
, Soabies Equorum et armentorum, dienen,
welche bey einzelnen Stuͤcken unterweilen dermaßen
boͤsartig befunden wird, daß, wo ſie nicht eine kuͤr-
zere Dauer und leichtere Heilungsart haͤtten, ſich
mit einer wahren Lepra, oder dem Ausſatze der
Thiere
ſehr wohl vergleichen ließe. Sie iſt dem
in ſchlechte Haushaltungsumſtaͤnde gerathenen Land-
manne leider mehr bekannt, als nach ihrer Heftig-
keit und Abaͤnderungen recht unterſucht, da ſich
denn ſolche Elende, vom Eigennutze anderer ge-
fuͤhrt, durch nichts weiter helfen zu koͤnnen glau-
ben, als durch das Schmieren, ohne weitere in-
nerliche Vorbereitung der Abfuͤhrungsmaterie, wo-
bey doch weder ſie noch die Aerzte ſich im Stande
befinden, Urſachen, Uebel und Hauptzufaͤlle zu he-
ben, bis ſich letztere ſo weit verſchlimmern, daß
dieſe Betrogene, zum Theil widerſpenſtige, und ei-
genſinnige Landleute, am Ende doch Pferde und
Rindvieh verlieren, welches davon kropfig, rotzig,
oder ſonſt ſteif, lahm und unbrauchbar wird, auch
wohl ſeine durch den trocknen Brand verdorbene
einzelne Glieder verlieret, daß es todt geſchlagen
werden muß.


Man
[237]

Man bemerket laut ſichern Erfahrungen bey
dieſer haͤßlichen anſteckenden Krankheit, mit welcher
auch zuletzt die Viehwaͤrter ſelbſt befallen werden,
unter andern bey den Pferden, eine unreine ſchup-
pige recht verhaͤrtete, rauhe, von Haaren entbloͤßte
geborſtene und tief zerkerbte Haut, die hin und wie-
der, auch wohl groͤßtentheils mit Kruſten oder
Grindſchellen bezogen iſt. Zuweilen iſt ein uner-
traͤgliches Beißen und Jucken dabey, die Weichen,
Ohren, Augenlieder, Naſe und Lefzen ſind eben ſo
hart, auch wie der Hals und Maͤhne angeſchwollen,
und mit Druͤſen, Serophuln und Beulen beſetzt.
Es findet ſich dieſe Raͤude ſowohl trocken, dabey
die aͤußere Haut in Schellen oder Schuppen aufge-
loͤſet wird, als auch daß aus den Grindſchellen eine
gelbe, duͤnne, ſtinkende Gauche heraustritt, die kein
wahres Eiter iſt, indeſſen und uͤberall durchſiegert.


Wenn ſie noch boͤsartiger iſt, ſo wird die Haut
durch eine Menge ſtinkender und freſſender Ge-
ſchwuͤre zerſtoͤret, die tiefer oder flacher ſitzen, und
in die Vereiterung gehen, dergeſtalt, daß man die
ganz abgeſtorbene Haut in großen Haͤndebreiten
Stuͤcken abziehen kann, wozu noch einzelne kriechen-
de, beſonders offene, freſſende Geſchwuͤre kommen,
die man ſonſt mit dem Namen des auf- oder aus-
werfenden Wurms
zu belegen gewohnt iſt. Hat
dieſe unreine Seuche ſchon ſehr uͤberhand genom-
men, ſo werden die Pferde mager und hinfaͤllig,
daß ſie weder gehen noch ſtehen koͤnnen.


Daß
[238]

Daß aber die Materie der Raͤude anſteckend
ſey und ſich leicht und ganz ſchleichend verbreite, bis
ſie ſich an den geſchwaͤchteſten Koͤrpern am erſten
und ſtaͤrkſten zeiget, wo ſie mit den ſchwerſten Zu-
faͤllen begleitet, zuweilen auch hartnaͤckig iſt, wird
durch die Erfahrung beſtaͤtiget. Wie ſie ſich denn
durch die bekannten Wege ſowohl auf der Weide,
als in den Staͤllen an den Krippen, und wo ſonſt
das Vieh mit einander einige Gemeinſchaft haben
kann, oder unreines Vieh ſich aufgehalten, ſicher
verbreitet, auch durch Sattel, Zaͤume, Buͤrſten,
Decken, Wiſchtuͤcher, Striegeln und Stroh, daß
man endlich die Infektion wohl merken kann.


Man hat alle Urſache, ein ſolches Uebel, das
ſich einige Zeit verſtecken und immer fortpflanzen
kann, beym erſten Ausbruche ſogleich zu erſti-
cken, um den Folgen vorzubeugen. Denn da die
Curen hernach bey der zunehmenden Menge ſolcher
angeſteckten Pferde, die ſich in 4 bis 6 Dorfſchaf-
ten zuweilen auf 2, 3 bis 400 erſtrecken kann, wegen
der dazu noͤthigen Quantitaͤt, auch der ſonſt recht
wohlfeilen herbey zu ſchaffenden Mittel, und der
bekannten Armuth vieler Unterthanen gar bald zu
koſtbar werden, da ſich uͤberdem das Uebel nicht
gleich in etlichen Tagen endigen laͤßt, auch Verdienſt
und Arbeiten liegen bleiben muͤſſen, ſo hat man da-
vor beſondere Sorge getragen, welche aber ohne
werkthaͤtige Beyhuͤlfe der Cameralanſtalten, we-
gen der Aufſicht, und eines guten Futrers, einer
Nach-
[239] Nachlaſſung der Dienſte, und prompter Befolgung
aller heilſamen Vorſchriften von keinen Nutzen ſeyn
kann.


Die bey dem Uebel hoͤchſt noͤthige Abſonde-
rung der Geſunden von den Kranken, und von die-
ſen der Wiedergeneſenden, macht viele Weitlaͤuftig-
keit, ſo wie die Jahreszeit und Witterung; auch
nicht ſelten ein heimlicher Widerwille gegen alle dem
Landmanne ungewohnt vorkommende Anſtalten,
nebſt andern Punkten zuſammengenommen, erſchwe-
ren den guten Fortgang der Curen ungemein.


Diejenige Art von Raͤude unter Pferden und
dem uͤbrigen Zugvieh, welche ihren Urſprung bey
einer uͤbertriebenen Arbeit, unter abwechſelnder
Erhitzung und ſtarken Verkaͤltung, einem Mangel an
Futter und Traͤnke zu verdanken hat, und ſtatt deſſen
von einer ſchlechten und unreinen Futterung, nebſt
einer ſparſamen ganz unreinen Traͤnke zu entſtehen
pfleget, wird insgemein die Hungerraude genennet.
Dieſe theilet man ferner in die gemeine, einfache
oder gelindere und trockne Zitter- und Flechten-
Raͤude
, weil ſie ohne Vereiterung iſt, und in die
fluͤßige mit Vereiterung. Beyderley haben ihre
Grade der Heftigkeit. Wenn ſie aber im hoͤchſten
Grad boͤsartig und anſteckend gefunden wird, viele
große Laſchen oder Grindſchellen durch Zerſtoͤrung
der Haut, ohne eine wahre Vereiterung zeiget, ſon-
dern an deren ſtatt eine ſehr ſtinkende weit und tief
um oder unter ſich freſſende gelbgruͤne Feuchtigkeit
oder
[240] oder Gauche uͤberall herausdringet, ſo fuͤhret ſie den
Namen des Grindes.


Den Grund dazu legen alſo alle die Urſachen,
welche durch eine oͤftere und anhaltende Unterdruͤ-
ckung der natuͤrlichen Ausduͤnſtung Gelegenheit ge-
ben, das angehaͤufte Blut und andere Saͤfte zu
verdicken, daß es bey einem nothwendig immer zuneh-
menden Grade der Schwaͤche und Erſchlappung von
Gefaͤßen zuletzt einen ſo ſchwachen Umlauf bekoͤmmt,
und in den feinen Gefaͤßen ſtockend und unrein wer-
den muß, daß es am Ende in einen ſcharfen und
faulenden Zuſtand verſetzt wird, da ſich bey der zu-
nehmenden Schwaͤche der Ab- und Ausſonderungs-
wege von dem angeſammelten verdorbenen Unrathe
aus der Blutmaſſe immer weniger abſcheidet, und
folglich zuletzt durch Schweiß und Urin das aller-
wenigſte ausgefuͤhrt werden kann.




[241]

Neuer Beytrag
zur Geſchichte
der natuͤrlichen Fortpflanzung
der Landeichen
in unſern Forſten
durch
Verſuche und Bemerkungen
begruͤndet.



Laut ſichern Erfahrungen, enthalten die Koͤnigli-
chen Laͤnder in unſern Klima, unter allen nur moͤg-
lichen guten und ſchlechten Abaͤnderungen von Ei-
chen
oder Eichbaͤumen, eine einzige wahre und na-
tuͤrliche Gattung. Die Sachverſtaͤndigen haben
derſelben indeſſen verſchiedene Namen zu geben fuͤr
gut gefunden, welche ſich nach den davon herrſchen-
den Meynungen unter dem gemeinen Mann ſehr
vervielfaͤltigt, daß man davon ſchon ſeit dem aͤlte-
ſten Zeitalter ohne Erweiß und Gewißheit mehrere
QArten
[242] Arten angenommen, als die Natur hervorge-
bracht hat.


Die wahren Umſtaͤnde davon ſind den Natur-
forſchern, wegen der noch ruͤckſtaͤndigen Unterſu-
chung und Beſtimmung ſolcher Eichen aus ihren
Eigenſchaften, noch eben ſo wichtig, als ſie dem
Forſtmann und Holzarbeiter bey der praktiſchen An-
wendung, wegen der bekannten Unterſchiede der
Dauer, des Werthes, der Verkaufpreiße und beſon-
dern Guͤte des Holzes zum Land-Waſſer-Schiff- und
Maſchinenbau und den uͤbrigen Fabrikenweſen nur
immer ſeyn koͤnnen. Dergleichen Umſtaͤnde ver-
mehren ſich nothwendig von ſelbſt, ſo oft man in
ernſtlicherer Ueberlegung nimmt, daß die Eiche,
dieſe ſo edle Holzart
, ſowohl bey uns und bey un-
ſern naͤchſten Nachbarn, als in mehrern weitlaͤufti-
gen Gegenden zugleich, ſchon zu unſerer Zeit der-
maßen ſelten zu werden angefangen, als faſt keine
der uͤbrigen großen Baumarten; denn wie ſehr ha-
ben bereits die recht ſtarken Nutzeichen zu Zim-
mer- und Schiffholze nicht zu mangeln angefangen.
Ueber das alles muß uns das aͤußerſt ſparſame
Wachsthum der Eichenſtaͤmme in die Dicke und
Laͤnge
an unſern ſo voreilig begangenen Nutzungs-
fehlern noch lange Zeit ganz beſonders erinnern.


Zwar ſind in mancher Abſicht, wie man glau-
bet, ſtatt der Eichen die Kaſtanien und Rothbu-
chen
noch uͤbrig, aber nicht zu ſolchen Hauptarti-
keln, zu welchen man nur die Eichen anwenden
kann;
[243] kann; wie ſie denn den letztern Holzarten im Wachs-
thume nicht vorgehen, zu geſchweigen, daß ſie deren
Stelle uͤberall vertreten koͤnnten, ob ſie wohl gegen
viele andere Holzarten ihren beſondern Nutzen zei-
gen. Die Eiche alſo verdienet wegen ihrer ganz
erweißlichen Vorzuͤge, die ihr von jeher mit allen
Schonungs- und Nutzungsausnahmen zugeſchrie-
ben worden ſind, ihren Ruf mit Recht.


Man will zwar durch das, was eben jetzt ge-
ſagt worden, und in den bekannten ſehr langſa-
men Wachsthume der allergeſundeſten Eichen
mehr als zu wohl gegruͤndet iſt, nicht behaupten, als
ob dieſelben nach Unterſchied ihrer Wurzel, ihres
Alters, des Grundes und Bodens, der Witterungs-
umſtaͤnde, und ihrer verſchiedenen Lebenskraͤfte,
nach welchen ſie vom Saamen an, bald fruͤher,
bald ſpaͤter, zu ihrem rechten Wachsthume gelan-
gen, etwa ihre Knospen im jungen Holze nicht voͤl-
lig ausbildeten, oder in recht anſehnliche Triebe
verlaͤngerten, wie andere Baumarten, denn dieſes
lehrt die Erfahrung.


Das ſich aber die in dem Hauptſtamme
der Eiche
jaͤhrlich neu erzeugten weichen Theile, in
einer gewiß zu beſtimmenden Zeit, ſo bald, wie bey
andern Waldbaͤumen, naͤher zuſammenziehen und in
einen feſten Baſt uͤbergehen muͤſſen, daß ferner der
im vorigen Jahre auf beſagte Art ſchon gebildete
Baſt, beſage der Wachsthumsordnung, nach ſei-
ner Abloͤſung von der Rinde, ſich gleichmaͤßig in
Q 2einen
[244] einen noch ſteifern Splint ſchlechterdings dermaßen
geſchwind verwandeln ſollte, wie es ſeyn muͤßte,
wie wir es nach unſern Abſichten verlangen zu koͤn-
nen glauben, oder doch noͤthig zu haben denken, daß
es hernach eben ſo bald zu einen reinen geſunden
und kernfeſten Eichenholze werden koͤnnte: dieſes
iſt ſo wenig zu erweiſen, als es durch Kuͤnſte zu be-
wirken, oder durch Befehle zu erzwingen ſtehet.


Dieſer ganz ſichern Umſtaͤnde ungeachtet, und,
da ſich der Mangel der Eichen bey vielen ſehr be-
traͤchtlichen Nahrungszweigen faſt gar zu ſehr ver-
groͤßert, ſo wird man den Eichen dennoch die ſchon
erwaͤhnten Erhaltungsvorzuͤge und Ausnahmen beym
Hau eben ſo wenig zugeſtehen, als der gemeine Wirth-
ſchaftsmann die Cedern von Libanon oder den
Brodbaum von Otaheite vor dem Hiebe verſcho-
nen wuͤrde, wenn er beyde in ſeine Gewalt bekaͤme.
Da ſich aber bey den aus beſondern faſt herrſchend
gewordenen Leidenſchaften, dem Verfahren, den Ein-
und Abſichten mancher anfaͤnglich eben ſo wenig mit
Gewalt ſichere Grenzen ſetzen laſſen, als man die
Wuth eines reißenden Stromes aufhalten kann, ſo
muß man die dazu noͤthige Beſſerung und Anſtalten
der Zeit ſelbſt, als den am beſten unterrichtenden Lehr-
meiſter, uͤberlaſſen. Denn dieſer allein iſt im Stan-
de, alle Meynungen und Widerſpruͤche am beſten zu
heben, und durch ſie wird es klar, wenn ſelbſt die
Vernunft zur Ueberzeugung nichts mehr vermocht
hat; da ſonſt kein Vernuͤnftiger in Zweifel ziehet,
daß
[245] daß nehmlich ein ſterblicher Entwurf fuͤr ſich im
Stande ſey, die in der großen Naturhaushaltung
ein vor allemahl auf beſtaͤndig eingefuͤhrte Ordnung,
in den aufeinander folgenden Wirkungsgeſchaͤften,
ſowohl bey den zerſtoͤrenden koͤrperlichen Tren-
nungs-
als den Wiederbildungsarten des Grund-
ſtoffes, aus der ſchon unmerklich entworfenen An-
lage, dergeſtalt aufzuheben, daß die Natur dadurch
genoͤthiget wuͤrde, deshalb Spruͤnge zu thun.


Ueber alle dergleichen hinreichend bekannte
Umſtaͤnde, von denen ſich die vornehmſten von ſelbſt
verſtehen, wuͤrde es kaum ſchicklich ſeyn, recht-
ſchaffen denkende Kenner von neuen in weitere Be-
wegung zu ſetzen, als ſie ſchon ſind. Denn die
traurige Ausſicht in die Zukunft muß ihnen ohne-
hin mehr Kummer als Vergnuͤgen machen. Viel-
mehr iſt es rathſamer, ohne die Schwere des kuͤnf-
tighin druͤckenden Mangels abzuwarten, bey der ge-
genwaͤrtig ſo ſchnellen als beſtaͤndigen Abnahme der
guten Eichen, allen Einſichtsvollen theilnehmenden
Maͤnnern den jaͤhrlichen Anbau mit einer recht forſt-
maͤßigen Nutzung, durch Saat und Anpflanzung be-
ſtens zu empfehlen, auch ohne ſich um die kuͤnftigen
Schickſale der vielen oͤkonomiſchen Forſtzuſchauer
mitten unter ihren Wuͤnſchen zu bekuͤmmern. Nie-
mand aber erwarte die bloßen Naturwirkungen
allein, die bey einer allzu großen Sicherheit durch
ſo viele zum Theil recht gewaltſame Hinderniſſe faſt
uͤberall vereitelt werden koͤnnen.


Q 3Von
[246]

Von der kuͤnſtlichen Eichelſaat und Erzie-
hung der Eichen durchs Verſetzen der Saat-
pflanzen
iſt, wie von ihren natuͤrlichen Beſaa-
mungen
in den Waldungen, ſehr viel geſchrieben,
wovon man aus der Erfahrung am ſicherſten urthei-
len kann. Leider aber wird dabey von den Schrift-
ſtellern manches vor praktiſch ausgegeben, was andern
auf Treu und Glauben nachgeſchrieben worden iſt,
wobey doch die Schriftſteller auf Zufaͤlle, Wit-
terungs- und Lokalumſtaͤnde Bedacht zu nehmen,
entweder nicht vor gut gefunden, oder aber, wie
es ſcheinet die Sache ſehr ſchlecht verſtanden haben.
Verſchiedene betraͤchtliche Umſtaͤnde indeſſen, uͤber
welche ich hier meine unvorgreifliche Gedanken aͤu-
ßern werde, ſind vor weniger wichtig angeſehen
worden, als ſie bey der Unterſuchung befunden wor-
den. Man hat ſie oͤfters unter ſehr unbedeutende
Zufaͤlle verſetzt, da ſie doch unter ſolche Naturwir-
kungen
gehoͤren, welche die Aufmerkſamkeit der
Forſchenden wohl verdienen. Ohne nun dabey
blos auf ſolche Meynungen zu ſehen, durch die ihre
Anhaͤnger von weitern Unterſuchungen abgezogen
werden, ſo habe ich mich an deren erſteres und ge-
ringe ſcheinendes Anſehen nicht gekehret, ſondern
zugleich um diejenigen Folgen zu bekuͤmmern noͤthig
gefunden, die vor das Ganze und Allgemeine dar-
aus entſpringen, daß man von dieſen mit mehrerer
Gewißheit auf ihre Wichtigkeit ſchließen koͤnnen.


Es
[247]

Es iſt aber doch immer eben ſo gut, als noͤthig,
daß der Naturforſcher, welcher Beobachtungen an-
ſtellen will, oder dergleichen ſchon gemacht hat, die
ihn theils zu weitern Verſuchen dienen ſollen,
theils ihrer Brauchbarkeit halber, andern bey
allerhand Vorfaͤllen zur Anwendung Gelegenheit
geben koͤnnen, davon noch vorher, ehe er zu ihrer
weitern Beſchreibung und Erklaͤrung gehet, mit
allen dazu gehoͤrigen Umſtaͤnden eine kurze Nach-
richt giebt. Aus ſolcher muß alsdenn hervorgehen,
welche Erſcheinung ihm die erſte Gelegenheit dazu
gegeben, wie auch welchen Weg er eigentlich betre-
ten, daß er auf mehrere Beobachtungen gekommen,
und was fuͤr das Allgemeine vor eine richtige An-
wendung davon gemacht werden kann.


Wie nun aber kein Naturkoͤrper, aus welchen
Naturreiche er auch ſeyn mag, in oder außer ſei-
nen natuͤrlichen Stand- und Entſtehungsorten,
gleich anfangs ohne weitere Unterſuchung, und nach
phyſikaliſchen Gruͤnden gemachten Bemerkungen
geſammlet, und den uͤbrigen wohlgeordneten Vorraͤ-
then mit Sicherheit einverleibet werden kann und
ſoll, eben ſo muͤſſen auch alsdenn die ohnehin ſehr
ſeichten Vorwuͤrfe gegen die Ausuͤbung der Natur-
geſchichte, mit den Gedanken eines gedankenloſen
Gedaͤchtnißwerkes von ſelbſt wegfallen. Denn
kein Sachverſtaͤndiger wird nach Einſicht mit Wahr-
heit eingeſtehen, wenn anders die Naturkoͤrper nur
bey der Unterſuchung auf vorgeſchlagene Art be-
han-
[248] handelt werden, daß ſie dem Geiſte nicht uͤberfluͤ-
ßige Nahrung gaͤben und Gelegenheit verſchaften, in
manche wichtige Wahrheiten tiefer einzudringen: in ſo
ferne ſie der Staͤrke eines forſchenden Geiſtes in einem
ſterblichen Zuſtande verhaͤltnißmaͤßig ſeyn koͤnnen.


Das was ich hier ſage, will ich gegenwaͤrtig
nur bey der Unterſuchung des Gewaͤchsreiches an-
gewendet wiſſen. Die Beobachtungen nehmen
zwar bey ihrem ſehr einfachen Anſehen einen ſehr
gleichfoͤrmigen Anfang, der Fortgang derſelben aber
eroͤfnet ein weites Feld vor gelehrte Beſchaͤftigungen,
und wird bey einem fruchtbaren Zuwachſe derſelben
in den Folgen ungemein wichtig.


Unter Vorausſetzung der Gewißheit ſolcher
Wahrheiten, wiederhole ich manche ganz einfache
Bemerkung, die mir bey verſchiedenen Baumar-
ten ſeit manchen Jahren, mehr oder weniger ver-
aͤndert vorgekommen war, da ich unter andern in
Waldungen zu oft, auch jaͤhrlich mehr als etliche
mahl, in denen zur Eichelſaat in Schonung geleg-
ten Orten
Beobachtungen zu machen Gelegenheit
fand. Hier machte ich manche Bemerkung derge-
ſtalt und ganz von neuen, als ob ich dergleichen
zuvor noch nie gemacht haͤtte, nur mit dem Unter-
ſchiede, daß ich wegen der ſchon habenden Kennt-
niſſe in allen weit leichter und geſchwinder fortkom-
men konnte. Ich nahm alſo die friſchabfallen-
de
und ſich ſelbſt ſaͤende Eichel vor, bemerkte den
erſten Anfang ihres Auskeimens, die Verlaͤngerung
des
[249] des Keimes in die Wurzel und dem Saatpflaͤnzgen.
Ich ſetzte meine Beobachtung daruͤber bis in das
3te, 5te, 10te und 16te Jahr der jungen Eichen
fort. Ich ging deshalb von einem Eichengarten
zu dem andern, und da in dem einen nur der erſte
und folgende Zuſtand wahrgenommen werden konnte,
ſo waren doch in andern die jaͤhrlichen Folgen des
verſchiedenen Wachsthums in den Zwiſchenzeiten
deutlich zu ſpuͤren, bis ich ſie endlich in ganz ver-
ſchiedenen von einander entlegenen Gegenden, nebſt
den 16jaͤhrigen und hoͤhern Alter der jungen Ei-
chen
gegen einander in Betrachtung nehmen
konnte.


Ich muß demnach nun von unſern einheimi-
ſchen Eichen
allein handeln, in welcher Geſtalt ſie
uns in den Forſten immer vorkommen moͤgen. Und
dieſe laſſen ihr Laub, wie bekannt, im Herbſte
nach und nach fallen
, wenn nehmlich ihre Som-
mertriebe ihre Augen vollkommen ausgebildet ha-
ben, nachdem ſie 4, 5 bis 6 Wochen vorher ihre
reifgewordenen Eicheln zur Saat, und Nahrung
vieler Thiere, abgeworfen haben. Dieſe na-
tuͤrliche Eichelſaat
mußte ich mit der kuͤnſtlichen,
von welcher ſchon ein Vieles geſagt worden iſt, ſehr
oft vergleichen. Von fremden immer gruͤnenden
Arten
dieſes Geſchlechts kann ich hier nichts an-
fuͤhren, weil meine Beobachtungen einen ganz an-
dern Vorwurf zum Zweck haben. Der Vorwurf
der
[250] derſelben aber iſt die allgemeine und natuͤrliche
Ausſaat unſerer Landeicheln
, wie dieſe ſogleich
friſch, nach dem Abfalle derſelben vom Stamme,
in unſern Forſten uͤberall vor ſich gehet, und die
Eichwaͤlder ohne die geringſte Beyhuͤlfe, von ſelbſt
unterhaͤlt, auch von jeher unterhalten hat. Dieſe
Naturwirkung iſt geſchehen, und ſo, und nicht
anders vor ſich gegangen, ſeitdem die Forſten die-
ſes Erdſtrichs von Anfang her damit beſetzet gewe-
ſen ſind. Um aber dieſes ſo wichtige Geſchaͤfte zu
befoͤrdern, folget außer denen verſchiedenen Mit-
teln, deren ſich die Natur zur Ausſaat und Erhal-
tung aller Gewaͤchsarten
bedienet, noch ein zwey-
tes, eben ſo einfaches als natuͤrliches
, 1, 3, 4 bis
6 Wochen auf das erſte. Dieſes beſtehet in der
Bildung einer eben ſo natuͤrlichen ungekuͤnſtelten
Decke
, welche durch das allmaͤhliche Abfallen des
Laubes, von eben dieſen fruchttragenden Eichbaͤu-
men
geſchiehet. Niemahls aber erfolget das
Abfallen des Laubes bey dieſer Eichenart, wie
bey etlichen andern Baumarten, vor dem Abwer-
fen der Fruͤchte
, ſondern erſt alsdenn, wenn die
Eichelſaat bereits geſchehen iſt, welcher Umſtand,
ſo wenig bedeutend er immer ſcheinen kann, dennoch
der Saatdecke wegen, gegen die Witterungs- und an-
dere Zufaͤlle, keinesweges ſo gleichguͤltig iſt, ſo wie
der Schutz der ganz friſchen Saat, gegen ihre
umſtehende Auskeimungszeit
nothwendig iſt. Da-
von hat mich die Erfahrung ſelbſt auf das beſte
uͤber-
[251] uͤberzeuget, und die daruͤber beſonders angeſtellten
Verſuche haben ein gleiches bekraͤftigt.


Die Natur hat alſo auf die allereinfachſte Weiſe,
wie ſchon geſagt, von jeher die alleranſehnlichſten
Waldungen in einem dazu beſonders erforderlichen
Zeitraume und Boden nicht nur ſelbſt gezogen, ſon-
dern auch den Menſchen damit ein ganz unverdien-
tes und wichtiges Geſchenke gemacht, zu deſſen An-
lage und Entſtehung bis zu der aͤußerſten Stufe der
Vollkommenheit, dieſe oft ſo undankbaren Geſchoͤ-
pfe nicht das allergeringſte durch Ueberlegung, Kuͤn-
ſte und Fleiß beygetragen haben, es mußte denn in
nachfolgenden Zeiten geſchehen ſeyn, daß ſie ſehr
lange nicht hineingekommen waͤren, und durch ver-
wuͤſtende Anſtalten nichts gegen die Naturwirkun-
gen unternommen haͤtten. Gleichwohl iſt doch ein
vieles auf der einen Seite durch Feuer und andere
Verwuͤſtung geſchehen, was auf der andern Seite
noch die vulkaniſchen Zerſtoͤrungen und Hauptwaſ-
ſerfluthen ſtrichweiſe zu Grunde gerichtet, welches
eben dieſe wirkſame Natur ſeit der Zeit auf den oft
ausgewitterten Truͤmmern und neu vererdeten Ue-
berbleibſeln der vorigen durch die 10te, 20ſte viel-
leicht 50ſte Generation neuer Baͤume und Ei-
chenwaldungen
wieder herſtellen muͤſſen.


Wenn man ſich von jenen grauen Zeitalter ei-
ne Vorſtellung machen will, woraus von dem natuͤr-
lichen Zuſtande der Erdflaͤchen in den verſchiedenen
Welttheilen keine Nachrichten mehr vorhanden ſind,
Rund
[252] und weshalb man ſich, zur Befriedigung ſeiner Neu-
gierde, mit den unvollkommenen Nachlaß einiger
alten Naturgeſchichtſchreiber, und mit der Verglei-
chung ihrer Beſchreibungen, mit aͤhnlichen aber oft
truͤglichen Naturbegebenheiten beruhigen muß, ſo
verſenkt ſich endlich das fernere Nachdenken in lauter
Dunkelheit.


Dieſes vorerwaͤhnte Zeitalter und der Zuſtand
gewiſſer Erdſtriche, verglichen mit der voͤllig erwie-
ſenen Wachsthums- und Lebenszeit einer Kapital-
Eiche von ihrem Entſtehen aus dem Saamen an bis zu
der groͤßten Vollkommenheit, worin wir ſie antref-
fen, und als gutes Holz nutzen koͤnnen, beweißt of-
fenbar, daß wir aufjede einzelne geſunde voͤllig aus-
gewachſene Eiche wenigſtens eine Zeit von 300 Jah-
ren annehmen muͤſſen, ob gleich man hin und wie-
der Eichen von 500 Jahren aufweiſen zu koͤnnen
behaupten will. Freylich iſt dies eine unangenehme
und ſchlimme Wahrheit fuͤr alle Holzverwuͤſter, und
alle diejenigen Nutzungsbegierigen, welche die Ei-
chen zum Bau- und Schiffsholz in weit kuͤrzerer
Zeit zur Vollkommenheit zu bringen verlangen, ſo
wie auch fuͤr diejenigen Großſprecher, welche ſol-
ches leiſten zu wollen verſprechen. Eben ſo belehrend
iſt dieſe ſich auf Erfahrung gruͤndende Wahrheit fuͤr
eine andere Art von Forſtleuten, welche das We-
ſentliche und Vortheilhafte der Forſtnutzung ohne
Unterſchied in der Eichenzucht allein und ſchlechter-
dings geſetzt wiſſen wollen, ohne dieſe ſie an die ſo
ſpaͤte
[253] ſpaͤte Zeit der Nutzung durch die Eichen gedenken,
und ohne die Intereſſen von dem Wertheihres Forſt-
kapitals zu uͤberſchlagen. Um aber wieder auf die
natuͤrliche Erhaltung der Waͤlder durch die wilde
Eichenſaat zu kommen, ſo laſſen ſich zu den vorher-
angezeigten zerſtoͤrenden Umſtaͤnden noch folgende
hinzuſetzen. Wenn alſo nun auch gleich nicht uͤber-
all ein Hauptumſturz auf ganzen weitlaͤuftigen Erd-
ſtrichen vor ſich gegangen ſeyn mag, ſo haben ſich
dennoch in einen ganz ungeheuren Zeitraume, bey der
darnach folgenden Ruhe der erſten, ſo wie bey den
unzerſtoͤrten Zuſtande der letztern ſehr wichtige, auch
ſonſt nicht ungewoͤhnliche, ſchaͤdliche Witterungszu-
faͤlle ereignet; denn es ſind in den dickſten Eichwaͤl-
dern wilde und zur Nahrung auf die Eichel laͤngſt
angewieſene große und kleine Thiere, Wuͤr-
mer
und die große Menge von Holz-Rinden-Mark-
Blaͤtter-Bluͤthen- und Fruͤchte zerſtoͤrenden Unge-
ziefer
abwechſelnd zugegen geweſen; wovon noch
heute zu Tage die rechte Anzahl nicht einmahl voͤllig
bekannt geworden, obſchon ſolche auf 57 Gattun-
gen von Ungeziefer an den Eichen allein feſt-
geſetzt worden iſt. Dieſen allen ohngeachtet blieb
doch von einer Maſt bis zur andern, nehmlich von
6 zu 6 Jahren, insgemein ein ſo verhaͤltnißmaͤßiger
Vorrath uͤbrig, daß davon diejenigen ungeheuren
Eichwaͤlder
erwachſen koͤnnen, deren ſich nur un-
ſere Groß- und Aeltervaͤter in Deutſchland noch
ſtrichweiſe geſehen zu haben ruͤhmen koͤnnen, da-
R 2gegen
[254] gegen wie nur mit den bloßen Ueberbleibſeln und
Nachrichten zufrieden ſeyn muͤſſen.


Da aber die Natur, die in einem Jahre die Ei-
cheln reichlicher ausſaete
als in den andern, auch im-
mer reichlicher als wir die Waldungen beſorgte, die wir
uns weit kluͤger halten, und der Erde bey der Ausſaat,
vermoͤge unſerer Berechnung und Kuͤnſte immer heim-
lich etwas abbrechen zu koͤnnen glauben, ſo gab ſie je-
desmahl den jaͤhrlichen Abgang an Nahrungsmitteln
in jungen Rinden, Knospen, Laub, Bluͤthen und un-
vollkommenen abgefallenen Fruͤchten bis zu ihrer
vollkommenen Reife vor alle die Thiere, zugleich mit
der Saat, zu mehrern Endzwecken her; dieſe wurden
ſatt und groß, und pflanzten ihr Geſchlecht fort, und
mit den Eichen hatte es gleich guten Fortgang. Die-
ſer Abgang von gedachten Eichelvorrathe, wenn er
zur Saat allein unter ſeiner einzelnen Muttereiche
jedesmahl zu dicke liegen geblieben ſeyn und ausge-
keimet haben ſollte, wuͤrde in den engen Raume,
von etwa 10, 16, 24, 30 und 36 Fuß ſich nie ha-
ben naͤhren, geſchweige denn zu rechten Baͤumen er-
wachſen koͤnnen: außerdem daß er von 6 zu 6
Jahren noch einen neuen natuͤrlichen Zuwachs haͤtte
erhalten muͤſſen. Wie es alſo um den Raum des
Grundes bey jeder Muttereiche und um die von Zeit
zu Zeit neu ankommenden Saateichen und endlich um
die Nahrung, auch die Waldungen wegen der Nah-
rung und des Erſtickens des ganzen Wachsthumes
ſelbſt
[255] ſelbſt wuͤrden ausgeſehen haben, laͤßt ſich leicht er-
rathen.


Doch um zu der vorher angefangenen Beob-
achtung wieder zuruͤcke zu gehen, von der bereits ge-
ſagt worden iſt, in welcher Zeit und Ordnung die
Eicheln im Herbſte abfallen und das Laub folge,
um die Eicheln zu decken, ſo koͤnnen folgende Um-
ſtaͤnde dienen, daß nehmlich dieſe Einrichtung
eben nicht bey allen Baum- und Straucharten
ſchlechterdings ſtatt habe oder haben koͤnne. Denn
dieſes muß aus der Verſchiedenheit der uͤbrigen Ei-
genſchaften einer jeden Gattung in der Naturge-
ſchichte derſelben insbeſondere erſehen werden. Man
kann es inzwiſchen auch fuͤr ausgemacht halten, daß
der groͤßte Theil von unſern wilden Baͤumen ganze
Fruͤchte oder doch Saamen abwerfe, wenn nehm-
lich die rechte Jahreszeit dazu vorhanden ſey, ſie
moͤgen an der freyen Sonne ſtehen, oder im Schat-
ten, auch mag dabey die Bewegung der Luft ſanf-
ter oder ſtuͤrmiſch ſeyn. Daß es aber Zufaͤlle gebe,
die das Ausſaͤen ſalcher Holzarten mehr befoͤrdern,
oder auch verhindern, und ſogar in einen Zuſtand
verſetzen, in welchen der Hauptzweck nicht ſelten
vereitelt wird, kann niemand bezweifeln.


Bey allen dergleichen Zufaͤllen bleiben der Natur
doch immer Mittel und Wege genug uͤbrig wodurch
ſie dazu auf einer andern Seite im Großen und All-
gemeinen wirken kann, wenn es uns gleich in beſon-
dern einzelnen Faͤllen ſcheinen ſollte, als ob ſie zu-
R 3weilen
[256] weilen ihre Kraͤfte faſt umſonſt verſchwenden muͤßte.
Denn was iſt wohl deutlicher zu ſpuͤren, als daß,
nach allen vorher zugleich erfuͤllten Nebenendzwe-
cken und vielen uͤberſtandenen ſo widrigen Zufaͤllen,
folglich nach dem dadurch erfolgten ſo betraͤchtlichen
Abgange von dem jaͤhrlichen Saamenvorrathe,
doch noch ſo viel uͤbrig bleibe, welches hinreichend
ſeyn kann, die Geſchlechtsarten jedes Baumes, und
nach Verſchiedenheit der Umſtaͤnde, ganze Waldun-
gen durch Fortpflanzen zu erhalten. Sollte ſich auch
in etlichen Jahren auf einander bey der natuͤrlichen
oder wilden Ausſaat ein zu reichlicher Ausfall er-
eignen, ſo erſetzen die gleich darauf folgenden Jahre
dieſen Ausfall zur Saat mehr, als gedoppelt. Der
Naturforſcher kann dieſen Zuſtand ſchon zum voraus
gleichſam eintreten ſehen, da er weiß, was unter
dieſer Zeit an Vor- und Zubereitung bey dergleichen
vorgehet, und was darauf gewiß erfolgen wird.


Ein ſicheres Beyſpiel von demjenigen, was ich
eben hier ſage, geben uns insgemein diejenigen Jahre,
welche zwiſchen den Jahren einer guten und voll-
kommenen Eichelmaſt
ſind, und bis zu der andern
nach gewiſſen Jahren wieder bevorſtehenden Maſt ein-
ander folgen. Da nehmen wir alsdenn wahr, daß
ſich die auf der einen Seite und in einzelnen Jahren
zuweilen ſehr in ihren Wirkungen aufgehaltene und
geſchwaͤcht ſcheinenden Naturkraͤfte auf der andern
merklich verdoppeln. Wenn alſo die Eichelſaat durch
Fruͤhlings- und Herbſtkaͤlte, Sturm, Trockenheit
und
[257] und Ungeziefer ſchon zum voraus vereitelt wird, daß
die Eichen alsdenn in eben dem Jahre, deſto ſtaͤr-
kere, groͤßere, mehrere und vollkommnere Sommer-
und andere Triebe machen, und folglich zur kuͤnftigen
Erſetzung des Abganges an Eicheln, ſich vorbereiten,
indem ſie im kuͤnftigen Jahre am Holze deſto mehr zu-
nehmen, ſo bilden ſie eine unglaubliche Menge von Au-
gen oder Knospen mehr aus, als ſonſt. Dieſe wuͤrden
ihnen, der Zahl nach hervorzubringen, nicht moͤglich
ſeyn, wenn ſie im gleichen Verhaͤltniſſe ihrer Bluͤthe
eine ſo große Menge von vollkommenen nnd un-
reifen Fruͤchten in
den vorherigen Jahren beſtaͤndig
getragen haͤtten.


Denn ſo viele Millionen von Eicheln der al-
lerfruchtbarſte Eichenwald in einem Jahre im
Fruͤhlinge
nur immer anſetzen, und bey guter Witte-
rung in einem gewiſſen verhaͤltnißmaͤßigen Antheile
zur Vollkommenheit bringen kann, eben ſo viele An-
theile ſeines belebenden Markes verlieret er allezeit
nothwendig, ſowohl im Fruͤhlinge und Sommer, als
im Herbſte dabey, daß er aus dem Grunde von zu
uͤbermaͤßiger Fruchtbarkeit auf einige Zeit an Kraͤf-
ten gewiſſermaßen erſchoͤpft werden kann. Denn wo
Mark iſt da iſt Leben und Wachsthum, wo das Mark
fehlerhaft iſt, ſind ſchmachtende Pflanzen, die nur
wenigen Zufaͤllen widerſtehen koͤnnen, und zuletzt vor
der Zeit der voͤlligen Ausbildung meiſtens vergehen;
wo aber das, bey allen erſt auszubildenden Pflan-
zen und Pflanzentheilen, anfangs in ihren Mittel-
punkte
[258] punkte befindliche Mark zu zeitig verderbet, ſo hoͤ-
ret das Wachsthum daſelbſt mit dem Leben zugleich
auf. In denjenigen Pflanzentheile aber, in welche
ſich das Mark bey der Ausbildung bereits ſehr ver-
wandelt hat, oder in andere Theile uͤbergegangen
iſt, hoͤret das Wachsthum von ſelbſt auf, ſo daß ſich erſt
aus dem uͤbrigen Marke der Zweige ganz neue Au-
gen bilden muͤſſen. Da nun dieſes Mark, welches
mit denjenigen, welches ſich in den aͤußerſten Haarfa-
ſern der Wurzeln befindet, ein und das nehmliche
iſt, das ſich in den hoͤchſten und feinſten Zweigen
der Baͤume befindet, durch deren Spitzen es ſich in
die Mitte des in den Eicheln befindlichen Herzkei-
mes
endiget, und im Herbſte mit den Fruͤchten ab-
faͤllt ſo gehet mit dieſem Abfallen zugleich das ganze
Wachsthum eines jeden einzelnen Auges oder
Knospe bey der Eiche, als der Mutterpflanze, alle-
mahl voͤllig zum Ende.

[figure]
[]

Tab: II.


[][]

Tab: I.


[][][][][][][][][][][]
Notes
a)
Muſci.
*)
Ordo Muſcorum.
**)
Fungi.
***)
Algae.
a)
1593.
b)
1591.
c)
1692.
d)
1699.
e)
1615.
f)
1600.
g)
1694.
h)
in Herb. vivo a me collecto ab
anno 1729. 1730. ad 1770.
a)
Anaſtatica hierochuntica. Linn. Sp. Pl. 2. 895. Roſa
hierochuntea vulgo dicta. C. P. Pin. 484.
*)
Unſere Mooſe verdienten wegen der Eigenſchaft, des
ſo ſcheinbaren Wiederauflebens im Waſſer nach einer
ſo betraͤchtlichen Zeit, den Namen von plantis anaſta-
ticis ſ. reſurgentibus
ebenfals mit Recht.
a)
Orchis maſcula Rivini. ſ. Orchis galea et alis cinereis.
I. B. Hiſt. 2. p. 755. Cynoſorchis latifolia, hiante
cuculo maior. C. B. Pin. 80.
b)
Ranunculus aſiaticus. Linn. Sp. Pl. 777. Ranunculus
grumoſa radice, ramoſus. C. B. Pin. 181.
*)
Algae.
*)
Carex.
**)
Arundo.
***)
Typha.
*)
Species confervae.
*)
Anno 1732.
**)
Filices.
***)
Polypodium officinale.
†)
Aſplenium Ruta mu-
raria.
††)
Trichomanes Tournefort.
†††)
Aſplenium Ceterach.
††††)
Polypodium
Dryopteris et Phaegopteris.
a)
Sambucus racemoſa. Lonicera Xyloſteum. Vibur-
num Lautana.
b)
Mefpilus. Cotoneaſter. Crataegus Torminalis.
Daphne Mezereum. Clematis.
c)
Pinus. Picea. Betula alba. Fagus communis.
d)
Im Saͤchſiſchen Erzgebuͤrge, hart an der Boͤhmi-
ſchen Grenze, zu St. Neidhards Thal, uͤber Ey-
benſtock.
e)
Erica glabra. Vaccinium Oxycoccus et vligi-
noſum.
f)
In Act. Nat. Curioſor. Vol. X. Obſ. 33.
g)
In ſeiner Abhandlung von Floͤtzgebirgen, pag. 200.
h)
Bey dem Bergſtaͤdtgen Gottesgabe.
i)
Hypna.

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CC-BY-4.0
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TextGrid Repository (2025). Gleditsch, Johann Gottlieb. Vermischte botanische Abhandlungen. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bhp4.0