[][][][][][][][][][][[I]][[II]]
Neuer Schauplatz
der
Künſte und Handwerke.

Mit
Berückſichtigung der neueſten Erfindungen.


Mit vielen Abbildungen.

[figure]
Sechſter Band.
A. Ganswindt, Handbuch der Färberei.

Weimar,: 1889.
Bernhard Friedrich Voigt.

[[III]]
Handbuch der Färberei
und der damit verwandten
vorbereitenden und vollendenden Gewerbe.

Enthaltend
die Färberei der gebräuchlicheren Geſpinnſtfaſern,
mit beſonderer Berückſichtigung der Maſchinenkunde.
Zum
Unterricht an techniſchen Lehranſtalten und Fachſchulen, ſowie zum
Selbſtſtudium für Färbereibeſitzer, Chemiker, Koloriſten, Bleicher,
Appreteure, Maſchinenfabrikanten und Ingenieure.


Mit 212 in den Text gedruckten Abbildungen.

Weimar,: 1889.
Bernhard Friedrich Voigt.

[[IV]]
[[V]]

Vorrede.


Als die Verlagsbuchhandlung B. F. Voigt in Weimar im Juli 1887
mir den ehrenvollen Auftrag erteilte, von dem vormals hochangeſehenen
Werke „Vitalis, Lehrbuch der geſamten Färberei“ eine Neubearbeitung
nach dem heutigen Stande der Theorie und Praxis zu ſchaffen, habe ich
mir die Schwierigkeiten eines ſolchen Unternehmens nicht verhehlt. Wenn
ich nichtsdeſtoweniger den Antrag annahm, ſo war für mich dabei der Um-
ſtand maßgebend, daß die Literatur über Färbereitechnik ohnehin ſpärlich
geſäet iſt und daß vor allem in der letzten Sturm- und Drangperiode ſeit
Entdeckung der Anilinfarben mit Ausnahme von Hummels„The Dyeing
of textile fabrics”
kein einziges größeres, vor allem kein deutſches
Werk über dieſen Wiſſenszweig erſchienen war, welches als Lehr- oder
Handbuch für das Geſamtgebiet hätte gelten können. Die Literatur der
letzten 30 Jahre bewegte ſich vorwiegend auf Sondergebieten und auch hier
mit einer gewiſſen Einſeitigkeit, denn die fraglichen literariſchen Erſcheinungen
ſind nichts anderes als Rezeptbücher, Sammlungen von Färbevorſchriften.
So anerkennenswert und nützlich das für einzelne, eng begrenzte Zweige
der Färberei auch ſein mag, ſo ſind ſolche Bücher doch als Hand- oder
Lehrbücher, welche ein überſichtliches Bild des Geſamtgebiets geben ſollen,
nicht brauchbar. Es beſtand ſomit ein thatſächlicher Mangel an
einem Leitfaden oder einem Handbuche der Färberei
, ſo daß
Herr Profeſſor Dr.Lunge noch im Oktober 1887 ſchreiben konnte: „Bei
meinen Vorleſungen über Textilfaſern, Bleicherei, Färberei, Zeugdruck und
[VI] Farbſtoffe empfand ich es ſtets als einen ſehr großen Uebelſtand, daß ich
in der techniſchen Literatur durchaus keinen Leitfaden auffin-
den konnte
, der ſich dazu geeignet hätte, zur Unterſtützung und Ergänzung
meiner Vorträge zu dienen ꝛc.“


Inzwiſchen iſt dieſem völligen Mangel an einem dem heutigen Stande
der Wiſſenſchaft entſprechenden Lehrbuche durch die deutſche Ueberſetzung von
Hummels obengenanntem trefflichen Werke abgeholfen worden.


Bei Durchſicht des Vitalisſchen Werkes ſtellte es ſich ſehr bald her-
aus, daß von einer „Neubearbeitung“ von vornherein keine Rede ſein könne.
Seit Erſcheinen der letzten Auflage des Vitalisſchen Buches hat die Färbe-
rei eine ſo vollſtändige Umwälzung erfahren, wie nie zuvor; durch die
epochemachende Erfindung der künſtlichen organiſchen Farbſtoffe iſt die Färbe-
rei, früher ein ehrſames Handwerk, zu einem Zweige der chemiſchen Techno-
logie emporgehoben worden. Dieſem völligen Umſchwunge hätte auch die
weitgehendſte Umarbeitung des Vitalisſchen Werkes unmöglich Rechnung
tragen können.


Der vorliegende Verſuch eines „Handbuches der Färberei“ iſt daher eine
von dem Vitalisſchen Buche gänzlich unabhängige, durchaus ſelbſtſtändige
Arbeit. Ich habe mich dabei von dem Gedanken leiten laſſen, mein Buch
in einer ſo allgemein verſtändlichen Weiſe geſchrieben zu ſehen, daß es auch
dem in der Chemie minder bewanderten Färber verſtändlich ſei, ohne dabei
an wiſſenſchaftlichem Wert einzubüßen. Es iſt eine nicht abzuleugnende
Thatſache, daß der Bildungsgrad der Färber heute nicht mehr derſelbe iſt,
wie ehedem, und daß der Färberſtand mit dem Entwickelungsgange der moder-
nen Färbereitechnik nicht entfernt Schritt gehalten hat, daß ſich vielmehr ein
Mangel an wiſſenſchaftlicher Ausbildung fühlbar macht. Es mag das ſeinen
Grund darin haben, daß Viele der Anſicht leben, mit dem früher hand-
werksmäßig Erlernten auch noch jetzt die Färberei betreiben und die Fort-
ſchritte der Chemie entbehren zu können; andererſeits trägt wohl das gänz-
liche Fehlen eines Lehrbuches der Färberei durch volle 34 Jahre den größe-
ren Teil dieſer Schuld. Sollte es meinem Handbuche beſchieden ſein, zur
Hebung des Färbereigewerbes ſowohl in wiſſenſchaftlicher, wie in ſozialer
Beziehung beizutragen, ſo iſt mein Wunſch erfüllt; denn gerade jener Mangel
an wiſſenſchaftlicher Ausbildung, humaniſtiſcher, wie fachlicher, iſt es, welcher
ſo viele unſerer alten Meiſter die Flinte ins Korn werfen läßt. Sollte
[VII] meine Arbeit von denjenigen Gelehrten und Lehrern, welchen der Unterricht
in den chemiſch-techniſchen Fächern an polytechniſchen Hochſchulen, Gewerbe-
und Fachſchulen obliegt, freundlich aufgenommen und nachſichtig beurteilt
werden, ſo würde ich darin den ſchönſten Lohn für meine Mühe erblicken.


Was den Inhalt des Buches ſelbſt betrifft, ſo war ich zunächſt be-
müht, einen Ueberblick über die jetzt gebräuchlichen Geſpinnſtfaſern zu
geben, und diejenigen Eigenſchaften derſelben, deren Kenntnis für die Be-
urteilung des Färbeprozeſſes von Wichtigkeit ſind, zu beſprechen und ihre
Anwendbarkeit in der Färberei zu erklären. Dabei habe ich auch ſtatiſtiſche
Angaben, welche die Wichtigkeit und Ausdehnung eines Induſtriezweiges
kennzeichnen, eingeſtreut. — Sodann habe ich der Warenkunde eine
ganz beſonders ſorgfältige Bearbeitung zu teil werden laſſen und habe da-
bei, wenn die eigenen Erfahrungen nicht hinreichten, die verſtreuten An-
gaben aus der deutſchen, franzöſiſchen, engliſchen und amerikaniſchen Litera-
tur und Journaliſtik geſammelt und verwertet. — Im zweiten Teil habe
ich die mechaniſche Technologie der Färberei an Hand der vielen für
den Färbereibetrieb erdachten und gebauten Maſchinen vorzuführen verſucht;
es iſt dies meines Wiſſens die erſte deutſche Arbeit auf dieſem noch wenig
beachteten Gebiete. Bei dieſer Gelegenheit ſage ich denjenigen Fabriken, welche
mich — da eine hierauf bezügliche Literatur überhaupt noch nicht exiſtiert —
durch Vorlagen, durch Rat und Auskunft unterſtützt haben, meinen wärm-
ſten Dank. — Die chemiſche Technologie enthält dann die Regeln
und Grundſätze der praktiſchen Färberei. Ich habe dabei verſucht, dieſe
Regeln und Methoden kritiſch zu prüfen und zu beleuchten, insbeſondere
jene alten, vorſündflutlichen Vorſchriften, die auch heute noch das Evange-
lium vieler Färber bilden, auf ihren wahren Wert zurückzuführen. Aber
auch den neueren Vorſchlägen habe ich ſcharf ins Geſicht geſehen; wenn ich
dabei Kritik geübt, ſo habe ich mich dabei lediglich an die Sache, nie-
mals an die Perſon
gehalten. Ich erhebe dabei meinerſeits keinen An-
ſpruch auf Unfehlbarkeit. Wenn ich irgendwo eine abweichende Anſicht aus-
geſprochen und motiviert habe, ſo geſchah es lediglich im Intereſſe der
Sache ſelbſt; ich werde mit Dankbarkeit jede Entgegnung aufnehmen, welche
die etwaige Unhaltbarkeit meiner Gründe ſachlich und überzeugend darzu-
legen vermag, um ſo durch Rede und Widerrede dem Ziele immer näher
zu kommen, dem wir wohl Alle zuſtreben: der Wahrheit!


[VIII]

Um bei dem bedeutenden Umfange des Buches ein Auffinden der ein-
zelnen Punkte weſentlich zu erleichtern, habe ich außer dem Inhaltsverzeichnis
ein äußerſt ſorgfältiges Sachregiſter ausgearbeitet; ich habe auch, ſoweit
das irgend möglich war, die alten, oft recht unſinnigen Namen im Buche
und im Sachregiſter berückſichtigt, um ſo der älteren noch lebenden Generation
wenigſtens die Möglichkeit zu gewähren, einen Anknüpfungspunkt zu finden
zwiſchen dem einſtigen handwerksmäßigen Färben und der heutigen modernen
Färberei.


Und ſomit übergebe ich meine Arbeit der Oeffentlichkeit. Das Buch
iſt entſtanden aus der Abſicht, zu der ſo dringend notwendigen Hebung der
fachlichen Ausbildung das Seine beizutragen. Möge es ſeinen Zweck überall
erfüllen!


Dresden, Juni 1889.


Der Verfaſſer.


[[IX]]

Inhaltsverzeichnis.


  • Seite
  • Erſter Teil.
    Einleitung.

    § 1. Zweck und Weſen der Färberei 3
  • § 2. Kurzer hiſtoriſcher Ueberblick über die Entwickelung der Färberei bis
    Mitte dieſes Jahrhunderts 4
  • § 3. Entwickelung ſeit Entdeckung der Anilinfarben 6
  • § 4. Umfang des Gebietes der Färberei 8
  • Gewebefaſerkunde.
    § 5. Wolle 11
  • § 6. Seide 26
  • § 7. Tieriſche Haare 43
  • § 8. Federn 45
  • § 9. Unterſchied zwiſchen tieriſcher und pflanzlicher Gewebefaſer 46
  • § 10. Baumwolle 46
  • § 11. Flachs 62
  • § 12. Hanf 67
  • § 13. Jute 69
  • § 14. Chinagras 72
  • § 15. Ramié oder Ramêh 74
  • § 16. Neſſelfaſer 75
  • Seite
  • § 17. Sonſtige Geſpinnſtfaſern 77
  • § 18. Gemiſchte Gewebe 79
  • § 19. Künſtliche Geſpinnſtfaſern 81
  • § 20. Geflechtmaterialien 85
  • § 21. Gewebeprüfung 85
  • Farbwarenkunde.
    § 22. Begriff und Einteilung der Farbſtoffe 91
  • 1. Natürliche Farbſtoffe.
    § 23. Tieriſche Farbſtoffe 92
  • § 24. Charakteriſtik der pflanzlichen Farbſtoffe 95
  • § 25. Allgemeines über Farbhölzer 97
  • I.Rote Farbmaterialien100
  • § 26. Rothölzer 100
  • § 27. Krapp 101
  • § 28. Safflor 105
  • § 29. Orſeille und Perſio 105
  • § 30. Minder wichtige rote Farbſtoffe 108
  • II.Blaue Farbmaterialien110
  • § 31. Indigo 110
  • § 32. Blauholz 122
  • § 33. Waid 124
  • § 34. Minder wichtige blaue Farbſtoffe 125
  • III.Gelbe Farbſtoffe126
  • § 35. Gelbholz 126
  • § 36. Fiſetholz 127
  • § 37. Gelbbeeren 127
  • § 38. Quercitron 129
  • § 39. Curcuma 130
  • § 40. Wau 131
  • § 41. Orlean 132
  • § 42. Gelbſchoten 133
  • § 43. Minder wichtige gelbe Farbſtoffe 133
  • IV.Grüne Farbſtoffe135
  • § 44. Grüne pflanzliche Farbſtoffe 135
  • Seite
  • V.Braune Farbſtoffe und Gerbſtoffe137
  • § 45. Catechu 137
  • § 46. Kino 139
  • § 47. Aloë 139
  • § 48. Braune Rinden- und Fruchtſchalenfarbſtoffe 140
  • § 49. Gerbſtoffreiche Farbmaterialien 140
  • § 50. Galläpfel 141
  • § 51. Knoppern 142
  • § 52. Sumach 143
  • § 53. Andere gerbſtoffhaltige Farbmaterialien 144
  • § 54. Mineraliſche Farbſtoffe 145
  • 2. Farbſtoffpräparate.
    § 55. Allgemeines 145
  • § 56. Rote Farbſtoffpräparate 146
  • § 57. Blaue Farbſtoffpräparate 150
  • § 58. Gelbe Farbſtoffpräparate 154
  • § 59. Braune Farbſtoffpräparate 155
  • § 60. Gerbſtoffextrakte 155
  • 3. Künſtliche organiſche Farbſtoffe.
    § 61. Allgemeines 156
  • § 62. Einteilung der künſtlichen Farbſtoffe 158
  • § 63. Charakteriſtik und Eigenſchaften 158
  • § 64. Art der Anwendung 160
  • I.Rote Farbſtoffe161
  • § 65. Baſiſche rote Farbſtoffe 161
  • § 66. Neutrale rote Farbſtoffe 161
  • § 67. Schwach ſaure rote Farbſtoffe 167
  • § 68. Stark ſaure rote Farbſtoffe 172
  • II.Gelbe und orange Farbſtoffe182
  • § 69. Baſiſche gelbe und orange Farbſtoffe 182
  • § 70. Neutrale gelbe und orange Farbſtoffe 183
  • § 71. Schwach ſaure gelbe und orange Farbſtoffe 184
  • § 72. Stark ſaure gelbe und orange Farbſtoffe 186
  • § 73. IIIGrüne Farbſtoffe193
  • IV.Blaue Farbſtoffe198
  • § 74. Neutrale blaue Farbſtoffe 198
  • Seite
  • § 75. Schwach ſaure blaue Farbſtoffe 202
  • § 76. Stark ſaure blaue Farbſtoffe 204
  • § 77. Künſtlicher Indigo 207
  • V.Violette Farbſtoffe207
  • § 78. Neutrale violette Farbſtoffe 207
  • § 79. Schwach ſaure violette Farbſtoffe 211
  • § 80. Stark ſaure violette Farbſtoffe 212
  • VI.Braune, graue und ſchwarze Farbſtoffe213
  • § 81. Braune Farbſtoffe 213
  • § 82. Graue und ſchwarze Farbſtoffe 214
  • Chemikalienkunde.
    § 83. Allgemeines 217
  • § 84. Das Waſſer 218
  • § 85. Reinigung des Waſſers 221
  • § 86. Dampfkeſſel- und Kondenſationswaſſer 229
  • § 87. Die Säuren 233
  • § 88. Die Baſen 239
  • Salze.
    § 89. Ammoniakſalze 245
  • § 90. Kaliumſalze 246
  • § 91. Natriumſalze 249
  • § 92. Calciumſalze 256
  • § 93. Magneſiumſalze 258
  • § 94. Baryumſalze 259
  • § 95. Thonerdeſalze 260
  • § 96. Eiſenſalze 270
  • § 97. Manganſalze 276
  • § 98. Chromſalze 277
  • § 99. Antimonverbindungen 283
  • § 100. Arſenverbindungen 286
  • § 101. Zinkſalze 286
  • § 102. Zinnſalze 288
  • § 103. Kupferſalze 290
  • § 104. Bleiſalze 292
  • § 105. Seltenere Metallſalze 293
  • Seite
  • § 106. Die Seifen 294
  • § 107. Türkiſchrotöl 300
  • § 108. Fette und Oele 301
  • § 109. Indifferente Stoffe 303
  • § 110. Bleichmittel 305
  • § 111. Appreturmittel 305
  • § 112. Hilfsmittel 311
  • Zweiter Teil.
    Die mechaniſchen Färbereiarbeiten (Operationen) und die
    dazu nötigen Apparate und Maſchinen.

    § 1. Einleitung 315
  • § 2. Die Färbereiarbeiten im allgemeinen 316
  • § 3. Das Waſchen 316
  • § 4. Waſchen loſer Geſpinnſtfaſern 317
  • § 5. Waſchen der Garne 319
  • § 6. Waſchen von Geweben 334
  • § 7. Das Trocknen 347
  • § 8. Das Trocknen loſer Faſern 348
  • § 9. Das Trocknen von Garnen 354
  • § 10. Trocknen von Geweben 362
  • § 11. Das Bleichen 364
  • § 12. Bleichen der Wolle 365
  • § 13. Bleichen der Seide 367
  • § 14. Bleichen der Baumwolle 368
  • § 15. Bleichen des Leinens 371
  • § 16. Bleichen der Jute 376
  • § 17. Bleichen von Federn und Stroh 378
  • § 18. Die Bleichoperationen 379
  • § 19. Die Hauptarbeiten der Färberei im allgemeinen 394
  • § 20. Zerkleinern der Rohmaterialien 394
  • § 21. Kochen der Farben 401
  • § 22. Löſen künſtlicher organiſcher Farbſtoffe 410
  • § 23. Das Beizen oder Anſieden 411
  • § 24. Das eigentliche Färben 415
  • § 25. Das Färben loſer Faſern, ſowie offener Vorgeſpinnſte, Kammzug ꝛc. 416
  • Seite
  • § 26. Das Färbereiſyſtem Obermaier 416
  • § 27. Färben von Garnen 423
  • § 28. Färben von Geweben 427
  • § 29. Die nächſten Arbeiten nach dem Färben 441
  • § 30. Ueber Trockenanlagen 442
  • § 31. Trockenmaſchinen 444
  • § 32. Die Vollendungsarbeiten der Färberei 450
  • § 33. Appretur der Garne 451
  • § 34. Appretur der Gewebe 461
  • Die chemiſchen Färbereiarbeiten.
    § 35. Theorie des Färbens 488
  • § 36. Beziehungen der Farbſtoffe zu den in der Färberei verwendeten Faſern 495
  • § 37. Beziehungen zwiſchen Beizen und Faſern 496
  • § 38. Beziehungen zwiſchen Beizen und Farbſtoff 498
  • 1. Wollenfärberei.
    § 39. Die Färbemethoden 499
  • § 40. Die Wollbeizen 501
  • § 41. Die Wollfarbſtoffe 507
  • § 42. Rote Färbungen auf Wolle 509
  • § 43. Orange Färbungen auf Wolle 516
  • § 44. Gelbe Färbungen auf Wolle 518
  • § 45. Grüne Färbungen auf Wolle 520
  • § 46. Blaue Färbungen auf Wolle 522
  • § 47. Violette Färbungen auf Wolle 526
  • § 48. Braune Färbungen auf Wolle 528
  • § 49. Graue und ſchwarze Färbungen auf Wolle 531
  • § 50. Das Färben mit Indigo 538
  • § 51. Die Küpenfärberei 555
  • § 52. Die Modefarben 559
  • 2. Seidenfärberei.
    § 53. Die Färbemethoden 560
  • § 54. Die Seidenbeizen 561
  • § 55. Die Seidenfarbſtoffe 563
  • § 56. Rote Färbungen auf Seide 565
  • § 57. Orange Färbungen auf Seide 568
  • § 58. Gelbe Färbungen auf Seide 569
  • Seite
  • § 59. Grüne Färbungen auf Seide 570
  • § 60. Blaue Färbungen auf Seide 571
  • § 61. Violette Färbungen auf Seide 572
  • § 62. Braune Färbungen auf Seide 574
  • § 63. Olive Färbungen auf Seide 576
  • § 64. Modefarben auf Seide 576
  • § 65. Das Schwarzfärben der Seide 577
  • 3. Baumwollenfärberei.
    § 66. Die Färbemethoden 580
  • § 67. Die Baumwollbeizen 582
  • § 68. Das Animaliſieren der Baumwolle 586
  • § 69. Die Baumwollfarbſtoffe 587
  • § 70. Rote Färbungen auf Baumwolle 589
  • § 71. Orange Färbungen auf Baumwolle 591
  • § 72. Gelbe Färbungen auf Baumwolle 593
  • § 73. Grüne Färbungen auf Baumwolle 595
  • § 74. Blaue Färbungen auf Baumwolle 596
  • § 75. Violette Färbungen auf Baumwolle 599
  • § 76. Braune Färbungen auf Baumwolle 601
  • § 77. Olive Färbungen auf Baumwolle 603
  • § 78. Modefarben auf Baumwolle 604
  • § 79. Schwarze Färbungen auf Baumwolle 604
  • § 80. Die Türkiſchrotfärberei oder das Färben der Baumwolle mit Alizarin 607
  • § 81. Das Türkiſchrotfärben nach der Weißbad-Methode 608
  • § 82. Das Türkiſchrotfärben nach Steiners Verfahren 612
  • § 83. Das Türkiſchrotöl-Verfahren 613
  • § 84. Die Anilinſchwarz-Färberei 617
  • 4. Färberei gemiſchter Gewebe.
    § 85. Allgemeines 621
  • § 86. Halbwollen-Färberei 622
  • § 87. Färbungen auf Halbwolle 624
  • § 88. Halbſeiden-Färberei 625
  • § 89. Färbungen auf Halbſeide 626
  • § 90. Leinen-Färberei 629
  • § 91. Jute-Färberei 630
  • § 92. Chinagras-, Ramié- und Neſſel-Färberei 631
  • § 93. Filzſtumpen-Färberei 631
  • § 94. Federn-Färberei 631
  • Seite
  • § 95. Stroh-Färberei 632
  • § 96. Leder-Färberei 632
  • § 97. Kleider-Färberei 632
  • § 98. Allgemeines über die Methoden der Ermittelung der Anwendung der
    Farbſtoffe 634
  • § 99. Das Probefärben 638
  • § 100. Die Färberei-Einrichtung 639
  • § 101. Die Färberei-Abflußwäſſer 645
  • § 102. Literatur-Nachweis 648
  • Nachtrag, enthaltend die neueſten Farbſtoffe und Beizen 650
  • Alphabetiſches Sachregiſter671
[[1]]

Erſter Teil.
Allgemeiner Teil.


Ganswindt, Färberei. 1
[[2]][[3]]

Einleitung.


§ 1. Zweck und Weſen der Färberei.


Der Zweck der Färberei iſt die Einlagerung von Farbſtoffen in die
Geſpinnſtfaſern, damit dieſe letzteren eine von ihrer urſprünglichen Natur-
farbe abweichende Farbe annehmen. Das eigentliche Weſen der Färberei
liegt in der Einlagerung des Farbſtoffes, in einem vollſtändigen Ein-
dringen in
und einem Durchdringen durch die Elemente der Geſpinnſt-
faſer. Dadurch unterſcheidet ſich die Färberei ſcharf von der Malerei,
bei welcher ja auch Farbſtoffe auf Gewebefaſern und Gewebe aufgetragen wer-
den. Die Dekorationen der Theater werden mit den prächtigſten und wir-
kungsvollſten Farben bemalt; die herrlichſten Farbenzuſammenſtellungen in
den feinſten Abtönungen bis zur einfachſten und gewöhnlichſten Farbe haben
wir auf unſern Tapeten; ſtimmungsvoller, und darum gewiſſermaßen noch ſchö-
ner, wirken Oel- und Aquarellgemälde; ähnlich, nur minder kunſtreich, wirken
die farbigen Wachstuche. In allen genannten Fällen kommen Gewebe mit
Farbſtoffen in Berührung; aber die Farben ſind nicht in die Elemente der
Gewebefaſer eingelagert, ſondern ſie liegen nur loſe und locker auf der
Faſer auf
, ſie ſind mittels mechaniſchen Auftragens auf den Geweben be-
feſtigt und haften darauf lediglich mechaniſch infolge der Adhäſion, wie ſie
ſich auch durch rein mechaniſche Mittel (Reiben, Klopfen, Bürſten, Eintau-
chen in Waſſer u. dergl.) wieder entfernen laſſen.


Minder ſcharf unterſcheidet ſich die Färberei von der Druckerei der
Gewebe, dem Zeugdruck. Auch hier haben wir Gewebe und Farbſtoffe;
durch die mancherlei Operationen beim Zeugdruck wird der auf dem Gewebe
anfangs mechaniſch loſe aufliegende Farbſtoff zum Eindringen in die Faſer
genötigt. Der weitere Verlauf der Zeugdruckoperationen aber ſorgt dafür,
daß dieſes Eindringen in die Gewebefaſer nur ein oberflächliches iſt, ſo
daß von einem vollſtändigen Durchdringen des Gewebes keine Rede ſein
kann. A. v. Wagner bezeichnet den Zeugdruck noch als eine „örtliche
Färberei“, was er zweifellos nicht iſt; denn, abgeſehen von dem nur teil-
weiſen Eindringen des Farbſtoffes in die Faſer, wird derſelbe durch allerlei
chemiſche Zuſätze (Verdickungsmittel) an einem eigentlichen Durchdringen der
Faſer direkt verhindert.


1*
[4]

Nach dem bisher Geſagten ergibt ſich nunmehr für den Begriff der
Färberei folgende Erklärung: Die Färberei umfaßt die voll-
ſtändige Durchdringung von Geſpinnſtfaſern oder Geweben
mittels Farbſtoffen in löslicher Form, mit der Bedingung,
daß die Einlagerung des Farbſtoffes ſelber in die Elemente
der Gewebefaſer in unlöslicher Form ſtattfinde
.


Alle Arbeiten, welche dieſem Zwecke dienen, und zwar ſowohl diejenigen,
welche die Gewebefaſer oder die Gewebe für die Aufnahme eines Farbſtoffes
geeignet machen und vorbereiten ſollen, als auch die verſchiedenartigſten Opera-
tionen, um eine Durchtränkung des Gewebes mit dem Farbſtoffe, ſowie die
Methoden, welche die Befeſtigung derſelben auf der Faſer bezwecken, bilden
das Gebiet der Färberei im engeren Sinne. Im weiteren Sinne gehört
dazu noch die unentbehrliche Kenntnis der Gewebefaſern und Gewebe (Gewebe-
kunde), der chemiſchen und phyſikaliſchen Eigenſchaften, Erkennung und Prü-
fung der Farbſtoffe (Farbwarenkunde), der Eigenſchaften der im Färberei-
betrieb vielfach verwendeten chemiſchen Stoffe (Chemikalienkunde), und end-
lich die Kenntnis der dabei in Betracht kommenden Maſchinen, Apparate
und Inſtrumente (Maſchinenkunde). Das hier in kurzem zuſammengefaßte
Geſamtgebiet bildet den Inhalt dieſes Buches.


§ 2. Kurzer hiſtoriſcher Ueberblick über die Entwickelung der Färbe-
rei bis Mitte dieſes Jahrhunderts.


Ueber die Urſachen, welche die Färberei von Geweben herbeigeführt
haben, iſt in den Schriften der Alten nichts zu finden. Eine zwingende
Notwendigkeit dazu lag jedenfalls nicht vor, ſo wenig wie ſie heute vorlie-
gen würde. Wir verwenden große Mengen Leinen- und Baumwollengewebe
im gebleichten Zuſtande ungefärbt, wir verwenden die Jute ſogar zum Teil
ungebleicht, desgleichen das Wollhaar. Ich erinnere nur an die „Normal-“
Kleider nach dem famoſen „Syſtem Jäger“. Dieſe „naturbraunen“ Ge-
webe, welche jetzt ſogar „modefarben“ geworden ſind, gehören heute zum
guten Ton; aber es iſt noch niemandem eingefallen, dieſe neueſte Modethor-
heit auch der Färberei zugängig zu machen. Ein Bedürfnis dazu liegt ent-
ſchieden nicht vor, und die naturbraunen Gewebe erfüllen nicht nur ihren
Zweck vollkommen, ſondern ſie werden ſogar noch in Hinſicht ihrer Farbe
vielfach nachgeahmt.


Es bleibt mithin nur die Annahme übrig, daß die Sucht, ſich mit
Farben zu ſchmücken, die erſte Veranlaſſung zur Färberei geweſen iſt. Die-
ſer merkwürdige Hang iſt allen Naturvölkern eigen und gibt ſich in jenen
Klimaten, welche eine eigentliche Bekleidung unnötig machen, durch Bemalen
des Körpers, durch Tättowieren und durch Ausſchmücken mit den bunten
Federn der Vögel kund. Noch heute verkaufen die Naturvölker der Inſeln
des Stillen Ozeans, wie weiland Eſau ſeine Erſtgeburt für ein Linſenge-
richt, ſo ihrer Seelen Seligkeit für einen Lappen buntes Tuch.


Es iſt alſo wohl das Färben im Altertum als ein Zugeſtändnis an
den Schönheitsſinn aufzufaſſen. Möglicherweiſe mag auch die Erwägung
maßgebend geweſen ſein, ſich durch Farben voneinander zu unterſcheiden.


Von einer Entdeckung oder Erfindung der Färberei kann ſomit nicht
geſprochen werden; vielmehr iſt anzunehmen, daß, wie in ſo vielen Fällen,
der Zufall die Hauptrolle geſpielt hat. Es brauchte nur ein Coccus-Weib-
[5] chen in faulenden Harn zu fallen und ein Stück eines Byſſusgewebes in
denſelben geweicht zu werden, ſo waren die Bedingungen der Purpurfärbung
gegeben, und die Sache konnte „zum Patent angemeldet werden“. In der
That ſcheint die Purpurfarbe die älteſte und erſte geweſen zu ſein; ſchon
in den Büchern Moſis finden ſich purpurne Stoffe erwähnt, und die Ge-
wänder des Hohenprieſters waren nach göttlichem Befehl aus ſolchen Stoffen
zu fertigen, wie denn überhaupt purpurne Gewänder als Attribut fürſtlicher
und prieſterlicher Würde galten; im Plutarch findet ſich eine Notiz, daß
Alexander im Lager des Darius purpurfarbene Gewebe gefunden habe, welche
200 Jahre vorher ſchon gefärbt, dabei aber noch von außerordentlicher
Schönheit waren, ein Beweis, daß man bereits in jenen weit zurückliegen-
den Zeiten einen ſehr echten purpurroten Farbſtoff gekannt. Man färbte
vorzugsweiſe die Wolle, dann erſt wurde ſie verarbeitet. Homer ſpricht
vom „Spinnen der Purpurwolle“. Die Aegypter gingen ſogar ſo weit,
daß ſie die Wolle auf den lebenden Schafen mit Purpur färbten. Plinius
nennt mehrere Schafſorten, welche durch die Naturfarbe ihrer Wolle be-
rühmt waren, die ſpaniſchen ſchwarz, die von den Alpen weiß, die erythrä-
iſchen und bätiſchen rot, die kaneſiſchen gelb, die tareatiniſchen gelblich. Auch
die Kunſt des Lederfärbens verſtanden die Aegypter bereits, wie das die
Zeichnungen der farbigen ledernen Helme auf den Bildern der Pyramiden
zweifellos beweiſen. Schon vor mehr als 3000 Jahren hat man Gewebe
ſchön und echt zu färben verſtanden; insbeſondere beſaßen im Altertum
die beiden Städte Tyrus und Sidon einen weitverbreiteten Ruf wegen ihrer
ſchönen Gewebe. Die Bibel erzählt, daß der weiſe König Salomo ſich
aus Tyrus habe Stoffe kommen laſſen von purpurner, ſcharlachroter und
blauer Farbe, Stoffe, deren Farbe erſt mit dem Gewebe zu Grunde ging.
Die Farben, welche im Altertum zum Färben dienten, ſcheinen demnach von
weit größerer Lichtechtheit geweſen zu ſein, als die heute üblichen. Leider
wiſſen wir wenig oder nichts davon, welche Stoffe damals zum Färben be-
nutzt worden ſind; nur bezüglich des Purpurs ſcheint es, daß man ſich der
Purpurſchnecken bedient hat. Wenigſtens berichtet Mullerus, daß man aus
zwei Muſchelarten, Murex brandaris und Purpura capillus, Purpur bereitet
habe. Wolters berichtet, daß die Phönicier den Saft zweier Purpur-
ſchnecken gewannen, die eine buccinum, die andere pelagia genannt, und
daß ſie 12 Purpurfarben kannten, vom purpurangehauchten Weiß bis zum
Purpurſchwarz der ſchwarzen Roſen. Am teuerſten, zehnmal ſo teuer als
alle andern, war der tyriſche; um die Zeit vor Chriſti Geburt koſtete ein
Pfund tyriſche Purpurwolle mehr als 1000 Denar (300 Mark). Später
waren die Phönicier die eigentlichen Träger der Färberei; von ihnen wiſſen
wir, daß ſie die Krappwurzel bereits gekannt haben, ſowie auch Scharlach-
beeren, Cochenille, Waid und Kreuzbeeren zu gebrauchen verſtanden. Dieſe
Farben hießen im Gegenſatz zu den Purpurfarben terreniſche Farben. Durch
die Phönicier iſt die Färberei auch zuerſt nach Europa gekommen, und beſonders
in Griechenland gepflegt worden, wo man Seide, Wolle und einige Pflanzen-
faſern bereits zu färben verſtand. Von hier teilte ſie ſich den Römern mit.
Plinius berichtet, daß die Parteien bei den circenſiſchen Spielen ſich durch
Farben unterſchieden haben, und nennt ausdrücklich Grün, Orange, Grau
und Weiß. Dieſe Induſtrie wurde durch die ſpätern Einfälle der Barbaren
vernichtet und erſt gegen das Ende des 13. Jahrhunderts tauchen wieder
Nachrichten auf. Dieſesmal war Florenz und die venetianiſche Republik
[6] der Sitz der Färberei, wie der Textilinduſtrie überhaupt, und die Färbereien
von Florenz, wie die venetianiſchen Stoffe, waren im Mittelalter ſehr be-
rühmt.


Die nun folgende Entdeckung Amerikas brachte einigen Umſchwung in
die Technik der Färberei: man lernte die Farbhölzer kennen. Dieſe neue
Entdeckung hat viel zur Verbreitung der Färberei beigetragen, und bald
entſtanden auch in andern Ländern Europas Färbereien. 1540 erſchien in
Venedig das erſte Werk über Färberei von Giovanni Ventura Roſetti.
Kurz darauf kam der erſte Indigo nach Europa; da man jedoch von ſeiner
Verwendung eine Schädigung der einheimiſchen Waidkultur befürchtete, wurde
ſeine weitere Einführung verboten und die vorhandenen Vorräte zerſtört.
Von da ab bewegt ſich der Entwickelungsgang der Färberei in ziemlich einför-
migem Geleiſe. Nur wenig Neues wurde entdeckt: Drebbel entdeckte 1650
ein Verfahren, mittels Cochenille und Zinnſalz Scharlach zu färben. Um
die Mitte des 16. Jahrhunderts führte Gobelin die Färberei in Frankreich
ein; um das Jahr 1770 entſtanden die erſten Türkiſchrotfärbereien. 1785
erfand Saint-Evron ein neues Zinnpräparat, um das Krapprot lebhaf-
ter zu machen.


Seit dieſer Zeit, wo die Chemie, fußend auf den Forſchungen franzöſi-
ſcher, ſchwediſcher, engliſcher und deutſcher Gelehrten, ſich zu einer eigenen
Wiſſenſchaft ausbildete und ſich ſchnell entwickelte, ſeit dieſer Zeit datiert
zuerſt ein gewiſſer Einfluß der Chentie auf die Färberei. Es ſind jetzt
genau 100 Jahre her, daß zum erſtenmale das Chlor zum Bleichen Ver-
wendung fand (eine Erfindung Berthollets). Seitdem ſind eine Unmenge
neuer Farbmittel, beſonders pflanzlichen Urſprungs, in Gebrauch genommen
worden, und die Chemie kargt nicht mit immer neuen Stoffen, welche bald
als Farbſtoffe ſelbſt, meiſt aber als Beizen und zur Erzeugung von Farb-
ſtofflacken Verwendung fanden. Um jene Zeit erſchien auch das erſte größere
Werk über Färberei. 1825 veröffentlichte Vitalis, Profeſſor der techniſchen
Chemie, ſein Werk: „Cours élémentaire de teinture et sur l’art d’impri-
mer les toiles”,
welches bald darauf im Verlag von B. F. Voigt in
Weimar in deutſcher Ausgabe erſchien, und im Jahre 1854 unter der Lei-
tung von Dr. Chr. H. Schmidt eine ſechſte Auflage erlebte. Dieſes Werk
gibt ein klares Bild von der Entwickelung der Färberei in der genannten
Zeit; aber das gewonnene Bild iſt unendlich verſchieden von dem Bilde
des heutigen Standes der Färbereiwiſſenſchaft. In dem Werke iſt das
Wörtchen Anilin noch nicht einmal erwähnt; man färbte eben noch nach
alten bekannten Methoden und arbeitete meiſtens aufs Geratewohl, höchſtens
mit neuen Metallſalzen neue Töne zu erzeugen verſuchend. Nun aber folgte
die Entdeckung des Anilins, welche eine vollſtändige Umwälzung in der Färberei-
technik hervorgerufen hat.


§ 3. Entwickelung ſeit Entdeckung der Anilinfarben.


Die erſte Entdeckung des Anilins ſtammt aus dem Jahre 1826, wo
Unverdorben dasſelbe unter den Produkten der Deſtillation des Indigos
auffand, ohne indeſſen von der Wichtigkeit ſeiner Entdeckung die geringſte
Ahnung zu haben. Er nannte es Kryſtallin. 1833 fand Runge das-
ſelbe im Steinkohlenteer. Dieſem Chemiker war auch bereits die Eigen-
ſchaft des neu entdeckten Stoffes bekannt, mit Chlorkalklöſung eine prächtig
[7] blaue Farbe zu geben, weshalb er demſelben den Namen Kyanol (Blauöl)
gab; er ſoll auf Grund dieſer Reaktion der damaligen preußiſchen Regierung
den Vorſchlag gemacht haben, das „Kyanol“ im großen Maßſtabe herzu-
ſtellen, mit ſeinem Vorſchlage jedoch abgewieſen ſein. v. Fritzſch ſtellte
1841 zuerſt ſeine Zuſammenſetzung feſt, und nannte dasſelbe, da er es aus
Anil (die portugieſiſche Bezeichnung für Indigo) gewonnen hatte, Anilin,
welcher Name ſich bis heute erhalten hat. Bis hierhin hat die Entdeckung
des Anilins noch keine Wichtigkeit, ſondern mehr theoretiſches Intereſſe. Das
wurde anders, als es 1842 gelang, Anilin in größern Mengen zu bereiten.
Zinin fand durch Zufall eine ganz neue Methode zur Bereitung von Anilin
aus Nitrobenzol durch Behandeln mit Schwefelwaſſerſtoff, welches Verfahren
ſpäter durch das von Béchamp (Behandlung mit Eiſenfeile und Eſſigſäure)
verdrängt worden iſt. Durch die Beſchaffung größerer Mengen von Anilin
war die Möglichkeit der Weiterentwickelung der bislang bekannten Farben-
reaktionen gegeben.


1856 ſtellte Perkin zuerſt das Mauveïn, den erſten wirklichen
Anilinfarbſtoff
, dar. Dem Mauveïn folgte drei Jahre ſpäter das Fuch-
ſin; Verguin
, Chemiker in Lyon, ſtellte dasſelbe durch Einwirkung von
Zinnchlorid auf das Anilin des Handels dar. Girard und de Laire haben
ſpäter ſtatt der Einwirkung von Zinnchlorid das Arſenſäureverfahren einge-
führt. Mit der fabrikmäßigen Bereitung des Fuchſins war eine neue In-
duſtrie geſchaffen worden, die Teerfarbeninduſtrie, welche heute tauſende
fleißiger Hände beſchäftigt. Gleichzeitig damit beginnt aber für
die Färberei eine neue Zeit
, denn die neuen Anilinfarben beſaßen für
Seide und Wolle eine ſo große Anziehungskraft, daß das Färben dieſer
Geſpinnſtfaſern auf die denkbar einfachſte Weiſe, ohne alle Beizen, von ſelbſt
vor ſich ging. Auch gaben die neuen Anilinfarben bis dahin nicht gekannte
feurige Farbeneffekte und ſtachen dadurch gegen die bisher bekannten, meiſt
durchgehends ſtumpfen Holzfarben vorteilhaft ab.


Es folgten nun die Arbeiten A. W. Hofmanns, den man mit gutem
Gewiſſen als den Vater der Anilinfarbenchemie bezeichnen kann. 1862 ent-
deckte derſelbe das nach ihm benannte Hofmanns Violett, kurz darauf
das Hofmanns Grün. Während die ſämtlichen bisher genannten Anilin-
farben von Chemikern gefunden ſind, iſt es nur recht und billig, auch der
Verdienſte eines franzöſiſchen Färbers zu gedenken, Cherpin, der in dem
gleichen Jahr das Aldehydgrün entdeckt hatte. Von da ab beginnt eine
ununterbrochene Reihe von Entdeckungen und Erfindungen; jedes Jahr brachte
neue Farbſtoffe, und gleichzeitig machte die Kenntnis der eigentlichen Zu-
ſammenſetzung dieſer neuen Farbſtoffe immer neue Fortſchritte, ſo daß es
gelang, bisher nur natürlich vorkommende Pflanzenfarbſtoffe künſtlich darzu-
ſtellen. Nur kurz möge es geſtattet ſein, die Erfindungen namhaft zu
machen: 1861 erſchienen die Lauthſchen Farbſtoffe, 1863 entdeckte Light-
foot
das Anilinſchwarz; 1865 Roth das Phenylbraun; 1866 Martius
das Martiusgelb; 1867 Schiendl das Magdalarot; 1869 Perkin das
Safranin; 1869 ſtellten Graebe und Liebermann das Alizarin künſtlich
dar und lenkten damit die Krappfärberei in völlig neue Bahnen. 1874
entdeckte Caro das Eoſin. Mit dem Jahr 1876 erſchienen zum erſtenmal
die Azofarbſtoffe, allen voran als erſter das von O. N. Witt entdeckte
Chryſoidin, welchen bald eine ganze Anzahl orangegelber und roter Azo-
farbſtoffe folgte. 1877 entdeckte Döbner das Malachitgrün, annähernd
[8] gleichzeitig O. Fiſcher das Bittermandelölgrün. 1879 gelang Bayer
die Syntheſe des Indigos. Seitdem hat faſt jeder Monat neue Farbſtoffe
gebracht, welche teils direkt zum Färben verwendet werden können, teils als
Ausgangsmaterial zur Bereitung weiterer Farbſtoffe dienen. Die einzelne
Aufzählung aller dieſer neuen Farbſtoffe würde zu weit führen; nur die
wirklich wichtigen mögen erwähnt werden. Es gehören dahin das von
Strobel entdeckte Alizarinorange, das von Prud’homme dargeſtellte
Alizarinblau und die im Jahre 1886 von der Bad. Anilin- und Soda-
fabrik in den Handel gebrachten Alizarinfarben, das von Oehler in
den Handel gebrachte Tuchrot, das von Bindſchedler und Buſch ein-
geführte Tartrazin, das von Boetticher entdeckte Congorot, die von
der Aktiengeſellſchaft für Anilinfabrikation eingeführten Benzidinfarbſtoffe
Benzopurpurin, Flavophenin, Benzoazurin und Azoblau, welche
durch ihre Eigenſchaft, Baumwolle ohne Beize echt zu färben, und ſogar
ihrerſeits ſelbſt als Beize für anderweite Farbſtoffe zu dienen, mit Recht
Aufſehen erregt haben; das von Caſſella \& Comp. eingeführte Naphtol-
ſchwarz
, das Wollſchwarz der Aktiengeſellſchaft für Anilinfabrikation,
das Azarin von Meiſter, Lucius und Brüning, die 1887 von
Leonhard \& Comp. in Mühlheim (Heſſen) eingeführten Farbſtoffe Heſſiſch-
gelb
und Heſſiſchpurpur, das 1888 von der Bad. Anilin- und Soda-
fabrik in den Handel gebrachte Rhodamin, ſowie endlich die im Herbſt
1888 von Brooke, Simpſon und Spiller in den Handel gebrachten
Ingrainfarben.


Gleichen Schritt mit der Entdeckung neuer Farben und neuer Färbe-
methoden hielt die Entwickelung der Maſchinentechnik; während früher die
Färberei ganz oder zum großen Teil auf Handarbeit beruhte, wird jetzt ein
großer, wenn nicht der größere, Teil durch Maſchinen beſorgt, welche ihrer-
ſeits wieder auf die weitere Entwickelung der Färberei einen weſentlichen
Einfluß geübt und ihr beſonders im Großbetriebe ein ganz anderes Gepräge
verliehen haben.


Endlich hat auch die Gewebetechnik durch eine Anzahl neuer Gewebe,
ſowie der Handel durch die Einführung neuer Geſpinnſtfaſern einen nicht
unbedeutenden Einfluß auf den Entwickelungsgang der Färberei gehabt, der-
geſtalt, daß, wenn wir heute die Färberei betrachten, ſie uns nicht mehr als
ein einfaches Handwerk erſcheint, was ſie noch vor 20 Jahren war, auch
nicht als eine Kunſt, ſondern als ein eigener Zweig der chemiſchen
Induſtrie
. Dieſer Entwickelungsgang der Färberei bringt es logiſcherweiſe
mit ſich, daß der praktiſche Färber ſich in Zukunft weit mehr als bisher
der Chemie wird zuwenden müſſen, da er andernfalls Gefahr läuft, zum
Gehilfen und Handlanger des Chemikers herabzuſinken, mindeſtens aber eine
untergeordnete Rolle zu ſpielen. Möchten dieſe in der beſten Abſicht ge-
ſprochenen und dem warmen Intereſſe des Verfaſſers für das Fach ent-
ſprungenen Worte doch beherzigt werden.


§ 4. Umfang des Gebietes der Färberei.


Für einen Färber, der etwas Tüchtiges in ſeinem Fache leiſten will,
iſt nicht allein eine Kenntnis der Farbſtoffe, mit denen er umgeht, notwen-
dig, ſeine Kenntniſſe müſſen ſich auch auf die Materialien erſtrecken, welche
[9] thatſächlich zum Gefärbtwerden in Betracht kommen, er muß ſich auch mit
den Stoffen vertraut machen, welche ihm zum Färben übergeben werden
können. Dabei handelt es ſich keineswegs etwa bloß um Kleiderſtoffe, ſon-
dern um eine nicht unbedeutende Anzahl von Materialien, welche teils tieri-
ſchen
, teils pflanzlichen Urſprungs ſind. Von dieſen bilden einzelne
förmliche Spezialfächer in dem großen Gebiet der Färberei, wie aus dem
Nachfolgenden leicht erſichtlich werden wird.


1. Zu färbende Stoffe tieriſchen Urſprungs. Die hierher
gehörenden Stoffe ſind, mit alleiniger Ausnahme der Cocons der Seiden-
raupe, Oberhautgebilde oder Trichomgebilde des lebenden Tieres, welches in
dieſem Falle (wie die Angoraziege, oder das ruſſiſche Kaninchen) im vollſten
Sinne des Worts „ſeine Haut zu Markte trägt“, indem die Haut ſamt der
Behaarung zum Färben gelangt. Dieſer beſondere Zweig der Färberei iſt
die Rauchwarenfärberei, Pelz- oder Fellfärberei. — Häufig wird
auch die von den Haaren befreite und dann gegerbte Haut dem Färben
unterworfen; dieſer gleichfalls ſehr bedeutende Zweig der Färberei iſt die
Lederfärberei, welche ſpeziell in der Färberei von Handſchuhleder ein
weites Feld umfaßt. Weit ſeltener iſt der Fall, daß bloß die Haare allein
gefärbt werden. Nur ausnahmsweiſe geſchieht das am lebenden Körper
ſelbſt, und dann am menſchlichen Kopfhaar, um das Bleichwerden des Haares,
das Zeichen des Alters, zu verdecken: Haarfärberei. Um ſo ausgedehn-
ter iſt das Gebiet des Färbens der Haare von Haſen, Ziegen und Kanin-
chen, nachdem dieſelben mittels beſonderer Operationen zu Hutfilz verar-
beitet ſind, als Haarfilzfärberei. Weniger bekannt iſt die ſtellenweis
ſehr bedeutende Verwendung von Rinderhaaren, Hundehaaren und ähnlichem
geringwertigem Material zu ſogen. Holländer- oder Haargarnen, welche in
der Teppichfabrikation eine nicht unbedeutende Rolle ſpielen und dabei auch
gefärbt werden: Haargarnfärberei.


Stammten die bisher betrachteten Oberhautgebilde von Säugetieren ab,
ſo liefern die Vögel mit ihren Federn ein nicht minder großes Kontingent
zu färbender Materialien, und die von Jahr zu Jahr zunehmende Verwen-
dung von Schmuckfedern hat eine eigene Induſtrie, die Federnfärberei,
ins Leben gerufen.


Felle, Leder, Haare und Federn zuſammen verſchwinden aber hinſicht-
lich der zum Färben verwendeten Mengen gegenüber den beiden Hauptver-
tretern animaliſcher Rohſtoffe für Färbereizwecke: Wolle und Seide.
Dieſe finden weiter unten ausführliche Beſprechung.


Der Ausführlichkeit wegen ſei hier noch auf ein tieriſches Produkt auf-
merkſam gemacht, welches in früheren Zeiten in gewiſſem Anſehen ſtand:
die Byſſusfäden, haar- oder fadenähnliche Auswüchſe am Fuße vieler
Muſcheln, mit Hilfe deren ſie ſich auf dem Meeresboden anheften. Der-
artige Muſcheln ſind beſonders im Mittelmeere heimiſch und heute noch
werden in Italien aus dieſem Byſſus Gewebe gefertigt.


2. Zu färbende Stoffe pflanzlichen Urſprungs. Wenn die
Rohſtoffe tieriſchen Urſprungs vorwiegend die äußerſten Schichten oder Aus-
wüchſe des Tierkörpers vorſtellen, ſo iſt bei den Rohſtoffen pflanzlichen Ur-
ſprungs meiſt das Umgekehrte der Fall. Mit Ausnahme der Baumwolle,
welche die Samenhaare des Baumwollſamens vorſtellt, entſtammen die übri-
gen pflanzlichen Rohſtoffe dem Innern des Pflanzenkörpers, und ſtellen
[10] Zellen oder Zellgewebe vor, welche im Pflanzenreiche als „Gefäße“ bezeichnet
werden; insbeſondere ſind es die langen Faſerzellen des Baſtes und des
Holzes, welche als Baſtfaſer oder Holzfaſer figurieren. In dieſe Klaſſe
der Baſtfaſern und Holzfaſern zählt die Flachsfaſer, die Hanffaſer
(kurzweg Flachs oder Hanf genannt), die Jute und die Ramié- oder Neſſel-
faſer.


Zu den vegetabiliſchen Rohſtoffen zählt außer den genannten Geſpinnſt-
faſern auch noch das Stroh, welches, für die Strohhutfabrikation verwendet,
zu Strohgeflecht verarbeitet wird und als China- oder Mottledgeflecht das
Halbfabrikat für die Strohgeflechtfärberei bildet.


Seltener kommt es vor, daß ganze Pflanzenteile, ja ſogar ganze Pflan-
zen, welche entweder an und für ſich farblos oder ſaftarm ſind, gefärbt wer-
den; ſolches iſt beſonders der Fall bei den Blütenſtänden der Gräſer, welche
zur Herſtellung von Makartbouquets dienen und bei einzelnen Mooſen.
Ebenſo ſelten iſt das Färben des Holzes.


Bei weitem die wichtigſten vegetabiliſchen Rohſtoffe ſind Baumwolle
und Leinen, welche weiter unten ausführlich behandelt werden.


Nächſt den Gewebefaſern und den zum Färben derſelben nötigen Farb-
ſtoffen muß der Färber noch mit allen denjenigen chemiſchen Stoffen ver-
traut ſein, welche er häufig braucht, ſei es, um die Farbſtoffe auf der Ge-
webefaſer zu befeſtigen, oder um die Gewebefaſern für den Färbeprozeß vor-
zubereiten, ſei es, um ſie zu reinigen, oder ihnen ein beſonderes Anſehen
oder einen beſondern Griff zu geben.


Endlich bedarf er der Kenntnis einer gewiſſen Anzahl von Maſchinen,
welche in den verſchiedenen Entwickelungsſtadien des Färbevorganges eine
leichtere Handhabung und eine ſchonendere Behandlung der Geſpinnſtfaſern
bezwecken, oder für andere Hilfs- und Nebenarbeiten im Färbereibetriebe
notwendig oder wünſchenswert ſind.


An der Hand dieſes Entwickelungsganges behandelt dieſes Handbuch
in den nächſten drei Hauptabſchnitten:


  • Gewebefaſerkunde,
  • Farbwarenkunde,
  • Chemikalienkunde,

um dann zur eigentlichen Färberei überzugehen.


[[11]]

Gewebefaſerkunde.


§ 5. Wolle.


Von allen dem Tierreiche entſtammenden Geſpinnſtfaſern iſt die Wolle
die am meiſten verbreitete und wichtigſte. Unter Wolle verſteht man
das aus Horngewebe beſtehende, haarähnliche, feine, wellen-
förmig gekräuſelte, ſich ineinander filzende, meiſt hellfarbige
Oberhautgebilde einer Anzahl von Säugetieren
, z. B. des Schafes,
einzelner Ziegenarten und Kameelarten. Einzelne Autoren rechnen die Wolle
zu den Haarbildungen, aber mit Unrecht. Chemiſch ſind Haar und Wolle
gar nicht unterſchieden. Vergleicht man dagegen beide nach ihren allgemei-
nen Eigenſchaften, ſo ergeben ſich folgende Unterſchiede: Haare ſind durch-
gehends länger, auch von größerer Dicke; ſie ſind mehr ſteif und ſtraff und
laſſen ſich weniger leicht kräuſeln und verfilzen; die Wolle dagegen iſt ſtets
feiner, weicher, ſelbſt bei ziemlicher Länge, und von großer Biegſamkeit und
Elaſtizität, ſowie von eigenem Glanz; ſie verfilzt ſich leicht und iſt von
hellerer Farbe. Dieſe genannten Eigenſchaften ſind zugleich maßgebend für
die Beurteilung des Wertes der Wolle; je weiter ab ſich dieſe von der Na-
tur des Haares entfernen, um ſo wertvoller iſt die Wolle; jemehr ſie ſich
der Natur des Haares nähern, deſto weniger geſchätzt iſt ſie. Natürlich
gibt es hinſichtlich dieſer Eigenſchaften keine haarſcharfe Grenze zwiſchen
Haar und Wolle; es exiſtieren Haare, die ſo fein ſind, daß ſie als Wolle
gelten können, und es gibt Wolle, die ſo wenig Kräuſelung zeigt, daß ſie
als Haar betrachtet werden kann.


Wohl aber gibt es einen durchaus charakteriſtiſchen Unterſchied zwiſchen
Haar und Wolle, welcher ſich unter dem Mikroſkope ſofort zeigt: Haare
zeigen eine mehr oder minder cylinderförmige, lange glatte Außenfläche, die
Wolle aber zeigt auf ihrer Außenfläche Zellen in Form von dachziegelartig
ſich deckenden hornartigen Plättchen oder Schuppen von unregelmäßiger Ge-
ſtalt (Fig. 1). Die Wollfaſer erſcheint ſomit wie von einer ſchuppigen Rinde
umgeben; dieſes Aeußere iſt ſo eigenartig und ſo bezeichnend für die Woll-
faſer, daß ſie dadurch mit Leichtigkeit von allen andern Gewebefaſern zu
unterſcheiden iſt. Dieſe ſchuppige Oberfläche der Wollfaſer iſt zugleich die
[12]

Figure 1. Fig. 1.

Schafwolle.


Urſache des rauhen Anfühlens der Wolle und
verleiht ihr die Fähigkeit, ſich zu filzen; dieſe
Fähigkeit zeigt ſich in erhöhtem Maße bei der
gleichzeitigen Behandlung von knetendem Druck
und heißem Waſſerdampf, wie das beim Walken
der Fall iſt.


Bei genauerer Betrachtung unter dem
Mikroſkop zeigen ſich drei verſchiedene Schichten:
1. Die ſchon oben als der Wollfaſer eigentümlich
bezeichneten ſchuppigen Plättchen (Epithelſub-
ſtanz
). 2. Die darunter liegende eigentliche,
entweder farbloſe oder farbige Faſerſubſtanz.
3. Die Markſubſtanz. Während die beiden
erſteren ſtets vorhanden ſind, kann die letzte (wie
z. B. bei Merinowolle) fehlen, oder aber (wie bei
der Vicunnawolle) beſonders ſtark entwickelt ſein.


Herkunft. Von den Tieren, welche uns die Wolle liefern, ſind zu nennen:


1. Das Schaf(Ovis aries) mit ſeinen verſchiedenen Abarten. Die-
ſes liefert die Schafwolle. Als beſonders hervorragend gilt das Merino-
ſchaf
, deſſen Wolle bis vor etwa 100 Jahren als die feinſte und beſte
galt. Das Merinoſchaf iſt in Spanien heimiſch und zeichnet ſich durch
ganz gleichmäßige, fein gekräuſelte Wolle aus, ohne mit ſtärkern Wollfaſern
durchmiſcht zu ſein. Die Vorzüglichkeit der Merinowolle Fig. 2 war die
Urſache der in allen Ländern Euro-
pas, Amerikas, Afrikas und Auſtraliens
emporblühenden Merinozüchterei.
1765 erhielt der Kurfürſt von Sachſen
die erſten Merinoſchafe aus Spanien,
und noch heute blüht in Sachſen die Me-
rinozüchterei (z. B. auf dem Königl.
Kammergute Lohmen).


Heute kommt die größte Menge
Wolle aus Rußland, dann folgt Nord-
amerika, dann Auſtralien; in Europa
nimmt Deutſchland erſt die ſechſte Stelle
ein (mit 24,5 Mill. Centner Geſamt-
produktion in 1885). Auch die an-
dern Schafracen: das deutſche Landſchaf,
das in der Lüneburger Haide heimiſche
Haideſchaf (Haidſchnucke), das ſüdruſſi-
ſche Zackelſchaf und das engliſche Schaf,
ſowie neuere andere Abarten und Ra-
cen liefern Wolle, über deren Handels-
marken weiter unten näheres.


Figure 2. Fig. 2.

Merinowolle.


2. Die Kaſchmirziege(Capra hircus laniger), eine in den Hoch-
gebirgen von Kaſchmir und Thibet, im nordweſtlichen Himalaya (Oſtindien)
heimiſche und in Frankreich gezüchtete Ziege, deren feines wolliges Flaumhaar
die Kaſchmir- und Thibetwolle liefert. Dieſe iſt weiß, gelblich oder braun
und beſteht aus ſehr feinen, 7 bis 8 cm langen, 13 bis 20 µ dicken,
[13] vollkommen cylindriſchen Wollhaaren, welche
ſich durch beſonders hohe Schuppen und
durch einen gezähnelten Rand auszeichnen.


3. Die Angoraziege(Capra ango-
rensis),
in Kleinaſien in den Bergen um
Angora und Koniah heimiſch, welche die
lange, ſeidenglänzende Angora- oder Mohair-
wolle (Fig. 3) liefert. Dieſe wird bis 1 m
und darüber lang, iſt in ihrer edelſten Sorte
rein weiß, zeigt gar keine oder nur eine ge-
ringe Markſubſtanz; die Breite beträgt 27
bis 54 µ. Die beſſern Sorten haben voll-
ſtändig markfreie Haare, die minderwertige
Ware beſteht aus gröberen, markführenden
wirklichen Haaren. Die feinen Oberhaut-
ſchuppen beſitzen einen gebogenen und fein-
gezähnelten Rand. — Angorawolle von Kap
wird nur 12 bis 20 cm lang, iſt leicht,
wollig, feſt, ſtraff, gleichmäßig, dünn, ſtiel-
rund und markfrei.


Figure 3. Fig. 3.

Angora- oder Mohair-
wolle.


4. Das Schafkameel(Auchenia Vicuña) oder Vikugne, Vicunna,
auf den hohen Gebirgen von Peru, Chile und Mexiko heimiſch, liefert die
Vicunnawolle Fig. 4 oder echte Vicogne (nicht zu verwechſeln mit dem jetzt
als „Vigogne“ in den Handel kommenden Fabrikat). Was gegenwärtig als
Vicunna- oder Vicognewolle bezeichnet wird, dürfte wohl von dem Alpaco
ſtammen.


Figure 4. Fig. 4.

Vicunnawolle.


Figure 5. Fig. 5.

Kameelwolle.


5. Das Alpaco, eine Abart des vorigen (Auchenia Alpako), eben-
falls in Peru und Chile heimiſch, liefert die feine, der Vicunnawolle ähn-
liche Alpacowolle. Sie iſt von weißer, grauer, rotbrauner und ſelbſt
ſchwarzer Farbe, von der die beiden letztern beſonders geſchätzt ſind. Die
[14] Handelsware enthält neben der Wolle auch echte markführende Haare. Die
eigentliche Wolle ſelbſt iſt ſchwach gekräuſelt, 17 bis 30 µ dick, ſtielrund,
markfrei und ſtark geſtreift. Die markführenden eigentlichen Haare ſind
doppelt ſo dick. Die Alpacowolle zeichnet ſich wie die Llamawolle durch
große Weichheit und Geſchmeidigkeit aus.


6. Das Llama(Auchenia Llama), ein Verwandter der vorigen bei-
den und ebenda heimiſch, liefert die Llamawolle.


7. Das Kameel(Camelus dromedarius und Camelus bactrianus),
in Afrika heimiſch und als Haustier gezähmt. Es beſitzt außer den eigent-
lichen Grannenhaaren noch eine Unterwolle, die jedes Jahr gewechſelt wird.
Dieſe iſt regelmäßig gekräuſelt, fein, weich, rötlich oder gelblich braun,
16 bis 23 µ breit, ſehr fein und regelmäßig geſtreift und gänzlich mark-
frei. Dieſe letztere iſt die Kameelwolle (Fig. 5), welche zur Fabrikation
Jägerſcher Normalwollſtoffe verwendet wird.


Handelsſorten. Je nach Herkunft und Urſprungsland unterſcheidet
Janke („Wollproduktion“ durch Heinzerling, Abriß der chemiſchen Tech-
nologie) einige 30 Wollſorten:


[15]

Zuſammenſetzung der Rohwolle. Man würde gewaltig fehlgehen,
wollte man die Schurwolle (ſ. S. 16) als zum größten Teile aus Wolle be-
ſtehend anſehen. Der Gehalt an reiner lufttrockner Wolle iſt günſtigſten Falls
82 bis 83 Prozent, der an abſolut reinem Wollhaar 77,5 bis 78 Prozent;
dieſer Gehalt kann aber auch bedeutend ſinken; es kommt Wolle auf den
Markt, welche nur 35 bis 36 Prozent lufttrockne Wolle und 28,5 Prozent
reines Wollhaar enthält. Die übrigen Beſtandteile der Wolle beſtehen in


  • Schmutz (erdige Anhängſel, Kot ꝛc.) bis zu ... 16 Prozent,
  • Wollſchweiß und Wollfett bis zu ....... 45 „
  • Feuchtigkeit bis zu ........... 12 „

Der Wollſchweiß und das Wollfett bilden eine gemeinſame Aus-
ſcheidung entweder der Wolle ſelbſt oder der Cuticularzellen der Tierhaut,
welche in der wolligen Behaarung der Tiere einen willkommenen Ablage-
rungsplatz findet, ſich dabei durch zufällig von außen hinzukommende Stoffe
vermehrt, und ſo den ſchmutzigen, ſtückigen, regelloſen, ungleichmäßig verteil-
ten Ueberzug der Wollfaſer bildet, der den Pelz der damit behafteten Tiere
ſo unanſehnlich erſcheinen läßt. Im allgemeinen nimmt die Menge von
Wollſchweiß zu, ſobald die Wollfaſer kürzer und feiner wird, d. h. alſo, je-
mehr ſie den eigentlichen Charakter der Wolle zeigt, wogegen diejenigen Wol-
len, welche ſich mehr dem Haar nähern, weniger von Schweiß behaftet ſind;
ſo zeigt z. B. die Mohairwolle faſt gar keinen Schweiß. Der Wollſchweiß
ſelbſt iſt je nach der Art des Tieres, nach Alter, Geſchlecht, Urſprungsland,
Klima, Nahrung ꝛc. in ſeiner Zuſammenſetzung ſehr verſchieden, mehr oder
minder reichlich, bald mehr fettig, bald klebrig, bald ſchwer, bald leicht in
Waſſer löslich. Der in Waſſer lösliche Anteil beſteht nach Märcker und
Schulze im Durchſchnitt aus 60 Prozent organiſcher Subſtanz und 40 Pro-
zent Mineralſtoffen. Der in Waſſer unlösliche Anteil iſt nach Reich und
Ulbricht ein Gemenge von Fettſäure, während der in Waſſer lösliche Teil
Kaliſalze dieſer Fettſäuren enthält, alſo als eine der Schmierſeife ähnliche
Maſſe zu betrachten wäre. Häufig enthält der letztere Teil auch Kalium-
carbonat gelöſt (Pottaſche). Bei der großen Wichtigkeit, welche der Woll-
ſchweiß für den Färber hat, kommen wir weiter unten ausführlicher auf
denſelben zurück.


[16]

Gewinnung. Die erſte Arbeit, um die Rohwolle einer marktwürdi-
gen Ware näher zu bringen, iſt die mechaniſche Entfernung des
Schmutzes
. Dieſe geht der eigentlichen Schur voraus, und beſteht in der
Pelzwäſche, einer mechaniſchen Waſchung des Tieres mit kaltem Waſſer
vor der Schur. Bisweilen unterbleibt die Pelzwäſche ganz. Ein völliges
Befreien von den erdigen Beſtandteilen wird dadurch nicht erreicht; die Wolle
hält mechaniſch noch etwa 1 bis 1,5 Prozent Mineralbeſtandteile feſt. Durch
die Pelzwäſche wird aber auch zugleich ein Teil des Wollſchweißes entfernt
und zwar löſt ſich nicht nur der ſeifenartige Beſtandteil — je nach ſeiner
Löslichkeit mehr oder weniger, oft ſelbſt bis zur Hälfte — und das Kalium-
carbonat, ſondern letzteres wirkt ſogar wieder löſend oder wenigſtens emul-
gierend auf einen Teil des Wollfettes. Durch die Pelzwäſche verliert die
Wolle von 20 bis zu 70 Prozent ihres Gewichtes. — Da durch die Wäſche
beim lebenden Tier ein reines Weiß nicht zu erzielen iſt, ſo iſt neuerdings *)
vorgeſchlagen worden, die Wolle im zuſammenhängenden abgeſchorenen Vließ
zu waſchen, wodurch eine vernunftgemäßere und ſorgfältigere Wollſortierung
ermöglicht werden würde, und der Stapel des teuren Wollmaterials beim
Waſchen mehr geſchont werden könnte, als in der loſen Flocke. Dieſer
Gedanke hat ſeine offenbare Berechtigung, iſt aber in der Praxis bisher
noch nicht zur Ausführung gelangt. Neueſtens (Mai 1888) ſchreibt das
„Deutſche Wollengewerbe“ hierüber: In England kommt man zu der Ueber-
zeugung, daß es rationeller iſt, die Wolle erſt nach der Schur zu reinigen.
Abgeſehen von den Koſten für das Waſchen der Schafe, welche von Anfang
bis Ende Mai für England auf 2 Millionen Mark geſchätzt werden, hält
ſich die Wolle ungewaſchen nicht nur beſſer in ihrem natürlichen Fette, ſon-
dern ſie kämmt und verarbeitet ſich auch leichter und liefert eine beſſere
Ware. Da die Wolle auch bei ſpäterer Wäſche einen reichlichen Fettgehalt
im Waſſer zurückläßt, ſo ſollte aus ökonomiſchen Rückſichten die alte Methode
der Pelzwäſche überall ausgerottet werden.


Nun folgt als zweite Arbeit die Gewinnung der Wolle durch Scheeren.
Das Produkt dieſer Operation, die Schurwolle oder Mutterwolle, be-
ſteht aus aneinander hängenden Wollfaſern und heißt das Vließ. Haupt-
bedingung iſt dabei, daß die Schur am lebenden Tier vollzogen wird
und nicht vom Fell eines toten Tieres kommt. Wolle, welche von der Haut
eines toten Tieres geſchoren wird, ſogen. Sterblingswolle, iſt, wenn die
Enthaarung durch Kalk geſchieht, von geringerer Güte, ſoll aber, wenn durch
Schneiden vom Fell entfernt, der Schurwolle gleichwertig ſein. Die durch
die Schur gewonnene Rohwolle ſtellt, je nach ihrer Abſtammung, mehr oder
minder gekräuſelte oder verfilzte Wollflocken von (im geſtreckten Zuſtande)
verſchiedener Länge vor, von denen die längeren Wollfaſern von 18 bis
23 cm (Wollſorten von langem Stapel) zum Kämmen beſtimmt ſind und
Kammwolle heißen, während die kürzeren Wollfaſern von 2,5 bis 4 cm
(Wollſorten von kurzem Stapel) zum Spinnen beſtimmt ſind und als Tuch-
wolle
bezeichnet werden. Die dazwiſchen befindlichen Wollſorten von mittle-
rem Stapel (5 bis 22 cm) dienen teils zum Kämmen, teils zum Spinnen
und bilden die Stoffwolle.


[17]

Um nun die Ware marktfähig zu machen, folgt das Sortieren, eine
rein mechaniſche Trennung der feineren von den gröberen, der längeren von
den kürzeren Wollfaſern. Nicht alle Teile des Vließes haben den gleichen
Wert; die Wollfaſer der ſogen. edlen Teile (Schulterblätter, Seiten, Weichen,
Keule) iſt weit geſchätzter, als die von den ſogen. unedlen Teilen (Nacken,
Kreuz, Rücken, Kehle, Bruſt, Füße ꝛc.). Heute gelten acht Sorten nach
den Graden der Feinheit: Supra-Electa, Electa, Prima, Secunda, Tertia,
Quarta, Quinta, Sexta. Die ſortierte Mutterwolle iſt diejenige Ware,
welche unter dem Namen Wolle, Rohwolle in den Handel kommt.


Eigenſchaften der Rohwolle. Die Rohwolle enthält, je nachdem
ſie vor der Schur der Pelzwäſche unterworfen war oder nicht, entweder nur
einen kleinen Teil der Unreinigkeiten und einen großen Teil des Schweißes oder
den geſamten Schweiß und den geſamten Schmutz, ſowie in beiden Fällen
Feuchtigkeit, welche zwiſchen 7 bis 16 Prozent zu ſchwanken pflegt, keinen-
falls aber mehr als 18¼ Prozent betragen darf. Eine derartige Wolle
beſitzt durchaus kein feuchtes Ausſehen, iſt aber für Färbereizwecke voll-
kommen untauglich
. Um Wolle zum Färben tauglich zu machen, muß
ihr zuvor der geſamte Gehalt von Schweiß und Fett entzogen werden. Dies
geſchieht durch das Entſchweißen oder Entfetten, wie es in den großen
Wollwäſchereien betrieben wird.


Die Wollwäſcherei. Zum Entſchweißen und Entfetten der Wolle
dienen ſchwach alkaliſche Löſungen, welche unter Anwendung von Wärme
das Wollfett in eine dünne Seifenlöſung überführen; am beſten erfüllt die-
ſen Zweck eine dünne Löſung von Soda oder von alkaliſcher weißer Seife.


Das Entſchweißen der Wolle gehört nicht zu den Arbeiten des Fär-
bers, obgleich er ſehr wohl in der Lage wäre, dieſe Arbeiten auszuführen;
ganz ſchwache, handwarme und wärmere Seifen- oder Sodabäder ſtehen ihm
ſtets zu Gebote. Unmittelbar nach dem Entſchweißen folgt ein Spülen oder
Waſchen in reinem kaltem Waſſer, ſo lange, bis das Waſſer völlig klar ab-
läuft. Dann wird abgewunden oder zentrifugiert, und an einem ſchattigen
Orte in gelinder Wärme (45 bis 50° C.) getrocknet.


Zum Unterſchiede von der Pelzwäſche heißt die Wollwäſcherei zum Zwecke
des Entſchweißens die Fabrikwäſche. Durch dieſelbe verliert die bereits
der Pelzwäſche unterworfen geweſene Wolle 17 bis 40 Teile, die unge-
waſchene Wolle 41 bis 65 Teile an Gewicht, ſo daß bei erſterer 83 bis
60, bei letzterer 59 bis 35 Teile als Ausbeute zurückbleiben. Dieſe ſo
gewonnene Wolle iſt dasjenige Fabrikat, welches der Färber
als loſe Wolle in die Hände bekommt
, gleichzeitig aber auch das
Material zur weiteren Verarbeitung der Wolle, [Verſpinnen] zu Garn, oder
Verweben zu Tuch.


Das Karboniſieren. Manche Wollen, beſonders ausländiſche, ent-
halten Kletten und andere vegetabiliſche Beſtandteile, Ueberreſte von Gras
und Stroh u. dergl., welche ſich auf mechaniſchem Wege nur ſchwer daraus
entfernen laſſen. Zur Zerſtörung dieſer pflanzlichen Beimiſchungen dient
das verſchiedene Verhalten der tieriſchen und der pflanzlichen Gewebefaſer
gegen verdünnte Säuren. Säuren von größerer Konzentration wirken
löſend auf beide ein, ſtark verdünnte Säuren, und zwar beſonders Salz-
Ganswindt, Färberei. 2
[18] oder Schwefelſäure, laſſen Wolle unberührt, wogegen ſie vegetabiliſche Bei-
mengungen derſelben, wie Kletten u. ſ. w. löſen. Jedoch darf die Verdün-
nung der Säuren nicht unter eine gewiſſe Konzentration hinuntergehen, da
ſonſt die gewünſchte Wirkung nicht mehr eintritt. Nach Wiesner iſt das
zweckmäßigſte Verhältnis 1 bis 2 Prozent Säure. In der Praxis ſtellt
ſich das Karboniſieren am zweckmäßigſten ſo dar, daß man die Wolle in
eine 1 bis 2 prozentige Schwefelſäure einweicht, hierauf die Schwefelſäure
abſchleudert und die Wolle auf Horden in Trockenkammern bei 100° trocknet.
Die Wollfaſer bleibt dabei unverändert, während die vegetabiliſchen Ver-
unreinigungen zu feinem Pulver zerfallen, welches durch Spülen mit Waſſer
als zarter Schlamm entfernt wird, und deſſen letzter Reſt nach dem Trock-
nen der geſpülten Wolle durch Klopfen entfernt wird.


An Stelle verdünnter Säuren wird zum Karboniſieren auch eine Löſung
von Chloraluminium angewendet. Noch vorteilhafter ſoll nach Frank
Chlormagneſium
ſein. In der Praxis geſtaltet ſich das Verfahren ge-
nau wie eben mit verdünnter Schwefelſäure beſchrieben; man verwendet
Löſungen von 1,07 bis 1,10 ſpezifiſchem Gewicht. Nach dem Ausſchleudern
und Trocknen gelangt die Wolle in den bis auf 130° erwärmten Karboniſations-
raum, und verbleibt darin 2 bis 3 Stunden, worauf die eigentliche Ent-
klettung beendet iſt. Die Wirkungsweiſe des Chloraluminiums oder Chlor-
magneſiums iſt nur ſo zu erklären, daß durch die im Karboniſationsraume
herrſchende Temperatur eine Diſſociation dieſer Salze ſtattfindet, und daß
die Metalloxyde (Thonerde reſp. Magneſia) auf die Faſer niedergeſchlagen
werden, während die Salzſäure gasförmig frei wird, welche dann die Zer-
ſtörung der Vegetabilien bewirkt. Bei dieſer Methode der Entklettung muß
die Wolle, ſtatt einfach geſpült zu werden, ein ſchwaches Salzſäurebad paſ-
ſieren, um die auf der Faſer abgelagerten Metalloxyde wieder zu löſen.
Dieſes Bad kann dann wieder zum Entkletten neuer Mengen von Wolle
verwendet werden.


Einfacher und billiger iſt das in neuerer Zeit eingeführte Karboni-
ſieren mit Salzſäuregas
bei einer Temperatur von etwas über 100°,
welche aber keinesfalls auf mehr als 112° erhöht werden darf. Die Wolle darf
zu dieſem Zweck nur ſehr wenig feucht ſein, auch muß ein häufigeres Wen-
den derſelben ſtattfinden, um ein möglichſt ſchnelles und gleichmäßiges Zer-
ſtören der Vegetabilien zu erreichen. Dieſe Methode kann nur in größerem
Maßſtab zur Verwendung gelangen und ſind für dieſen Zweck beſondere
Apparate konſtruiert, auf welche wir jedoch, da ſie in der Färberei ſelbſt
keine Verwendung finden, hier nicht weiter eingehen wollen.


Der Name Karboniſation bedeutet eigentlich Verkohlung, und hat ſeinen
Urſprung daher, daß dieſer Prozeß früher ſtets mit verdünnter Schwefel-
ſäure bei einer Temperatur vorgenommen wurde, bei welcher die vegetabili-
ſchen Beſtandteile, die Celluloſe, eine tiefgreifendere Zerſetzung erlitten und da-
bei ein kohliges Ausſehen annahmen.


Nach den Verſuchen von Profeſſor Wiesner tritt das Schwarzwerden,
das kohlige Ausſehen der Pflanzenfaſer beim Karboniſieren, nur ein, wenn
man die Temperatur über eine gewiſſe Grenze ſteigert. Es iſt jedoch jenes
Stadium für den Prozeß an ſich nicht notwendig. Wird die Karboniſation
bei niederen Temperaturen vorgenommen, ſo erfährt die Faſer in ihrer Fär-
bung keine Aenderung. Man kann z. B. aus der Baumwolle ein weißes
Pulver herſtellen, wenn man die Karboniſation bei etwa 60° vornimmt.
[19] Man bezeichnet deshalb das Karboniſieren beſſer als ein Zerſtäuben, denn
durch das ſog. Karboniſationsverfahren kann man die Pflanzenfaſer in ganz
kleine, an der Grenze der Sichtbarkeit liegende Teilchen auflöſen. Durch
die Karboniſation werden innerhalb der Pflanzenfaſer chemiſche Verände-
rungen hervorgerufen. Hat man einer Pflanzenfaſer vor dem Karboniſieren
alle löslichen Stoffe entzogen, ſo treten nach dem Prozeß im Waſſer lös-
liche Stoffe auf, die bei zerſtäubter Leinwand z. B. circa 10 Prozent der
Maſſe betragen. In der Löſung läßt ſich ein zuckerartiger, reduzierender
Stoff nachweiſen, deſſen Gewinnung als Nebenprodukt der Karboniſation
ſich vielleicht lohnen würde.


Eigenſchaften der entſchweißten loſen Wolle. Die loſe Wolle
bildet eine, je nach Herkunft der Faſer, mehr oder minder zarte, mehr oder
minder weiche, mehr oder minder gekräuſelte, geſtaltloſe, lockere Filzmaſſe
von meiſt weißem, ſelten gelblichem, graugelbem, rötlichem, braunem bis ſchwar-
zem Farbenton. Die Schafwolle iſt ſtets weiß oder ſchwach gelblich, nur
die von Haidſchnucken und einzelnen Abarten Landſchafen iſt farbig. Auch
nach dem Entſchweißen beſitzt die Wolle noch die Eigenſchaft, Feuchtigkeit
anzuziehen
*) und zwar oft in bedeutenden Mengen — ſelbſt bis zu
50 Prozent, ohne jedoch ſich feucht anzufühlen oder feucht auszuſehen. —
Daraus ergibt ſich für den Käufer von Wolle die Notwendigkeit, den Feuchtig-
keitsgehalt derſelben vor dem Kauf feſtſtellen zu laſſen. Dies geſchieht in
den Konditionieranſtalten (ſ. unten), beſonderen von der Behörde be-
ſtimmten Stationen, welche den Waſſergehalt des Kaufobjekts durch Unter-
ſuchung einer Probe amtlich feſtzuſtellen haben. Der gewöhnliche Waſſergehalt
der Wolle beträgt nach Maumené und Grothe 14 bis 16 Prozent; ſelbſt
in trockner Luft längere Zeit aufbewahrte Wolle enthält immer noch 7 bis
10 Prozent. Aus feuchter Luft nimmt die Wolle ſehr raſch wieder Feuch-
tigkeit und zwar annähernd (nach Grothe) 15 Prozent. Als höchſte ge-
ſetzlich zuläſſige Feuchtigkeitsmenge ſind für Kammzug und Kammgarne 18¼
Prozent, für Wolle, Kämmlinge, Plöcke und Streichgarn 17 Prozent an-
genommen worden. — In warmes Waſſer eingeweicht, nimmt die Wolle
weitere bedeutende Waſſermengen in ſich auf, ſie quillt, jedoch ohne
ſich zu löſen
. In dieſem Zuſtande beſitzt ſie die charakteriſtiſche Eigen-
ſchaft aller hornartigen Subſtanzen, diejenige Form, welche man ihr gibt,
auch im getrockneten Zuſtande beizubehalten, ſie iſt dann plaſtiſch**). —
Die Wolle iſt ungemein elaſtiſch, worauf ihre Kräuſelung und ihre
Verfilzungsfähigkeit und damit ihre Verwendbarkeit als Geſpinnſt- und Ge-
webefaſer beruht. Dieſe Eigentümlichkeit der Wolle läßt ſich ſehr gut be-
obachten, wenn man eine Faſer zwiſchen Daumen und Zeigefinger hindurch-
zieht; es findet dadurch eine gewiſſe Streckung der Wollfaſer, eine Längen-
ausdehnung, ſtatt, welcher die Faſer bis zur völligen Glattſtreckung nachgibt;
ſobald die Faſer losgelaſſen wird, kehrt ſie unter Verkürzung und Kräuſelung
in ihre alte Lage zurück. Die Elaſtizität iſt um ſo größer, je weiter die
2*
[20] Wolle ſich von den Eigenſchaften des Haares entfernt (ſ. oben); je feiner
eine Wolle, deſto elaſtiſcher iſt ſie. Je nach der Anzahl, der Höhe und
Breite der einzelnen Kräuſelungsbogen unterſcheidet man klein und grob ge-
kräuſelte, ſowie ſtark oder ſchwach gekräuſelte Wolle. Die Anzahl der Kräuſe-
lungsbögen iſt dementſprechend eine ſehr verſchiedene: bei hochfeiner Merino-
wolle kommen auf den Millimeter (1/10 cm) Faſerlänge 60 Kräuſelungen,
bei ſpaniſcher Merinowolle 45 bis 48, bei Buenos-Ayreswolle 40, bei
Kapwolle 40 bis 44 Kräuſelungsbögen, bei auſtraliſchen Wollen ſind nur
wenige vorhanden; bei Mohair- und Alpacowollen fehlen ſie faſt gänzlich.
Umgekehrt, wie mit der Elaſtizität, verhält ſichs mit dem Glanz der Wolle.
Dieſer iſt gewöhnlich um ſo ſtärker, je dicker die Wollfaſer iſt und jemehr
ſie ſich dem Haare nähert. Dickere, aber auch längere gerade Wollfaſern
zeigen ſtets mehr Glanz; daher zeigen auch die Gewebe aus Kammgarn
eine gewiſſe Glätte und gewiſſen Glanz, wogegen die aus feineren gekräu-
ſelten Wollfaſern hergeſtellten Geſpinnſte, die Tuche, nur wenig Glanz zei-
gen. Hummel führt dieſe Verſchiedenartigkeit im Glanz auf die verſchie-
dene Anordnung der Cuticularplättchen zurück (ſ. S. 11). — Zum Glanze
ſteht die Härte der Wolle in direkter Beziehung; je mehr Glanz, deſto mehr
Härte; je geringer der Glanz, deſto weicher (ſanfter, milder) fühlt ſich die
Wolle an. — Die Feinheit der Wollfaſer iſt abhängig vom Querſchnitts-
durchmeſſer. Dieſer ſchwankt zwiſchen 1,2 bis 3 cmm (1/100 Millimeter).
Der ſicherſte Beurteiler für die Feinheit der Wollfaſer iſt ein geübtes Auge.
Man hat verſucht, den Wolldurchmeſſer mit einem beſonderen Inſtrumente,
dem Eriometer, zu beſtimmen; die Reſultate haben jedoch nur unterge-
ordneten Wert; zuverläſſiger iſt die Beſtimmung mittels des Mikrometers;
dieſe gibt zuſammen mit dem Augenmaß und dem Gefühl ein
abſchließendes Urteil über die Feinheit der [Wollfaſer]. — Die Wollfaſer
muß endlich gleichmäßig ſein, d. h. ſie muß ihrer ganzen Länge nach den
gleichen Durchmeſſer haben. Die Feſtigkeit der Wollfaſer iſt der Wider-
ſtand, welchen dieſe einer ſtarken Ausdehnung entgegenſetzt. Nach den all-
gemeinen Grundſätzen, welche Ganswindt für die Feſtigkeitsprüfung der
Geſpinnſtfaſern an anderm Orte *) aufgeſtellt hat, und welche durch die
Reißlänge **) ausgedrückt wird, beträgt die Reißlänge der Schafwolle 8,3 km,
d. h. eine Schafwollfaſer, welche bei freiem Hängen ledig-
lich durch ihr Eigengewicht ohne anderweite Belaſtung zerrei-
ßen ſoll, müßten
8,3 km, alſo mehr als 1 Meile lang ſein. Nach
A. v. Wagner***) erfordert eine einzelne Wollfaſer, je nach Feinheit und
Güte, zum Zerreißen ein Gewicht von 2,6 bis zu 44 g. — Dieſe Zahlen
ergeben am beſten einen Ausdruck für den Wert der Wollfaſer als Ge-
ſpinnſtfaſer.


Das Konditionieren der Wolle. Das Verfahren zum Kon-
ditionieren der Wolle
iſt folgendes†):


[21]

Nehmen wir an: eine Partie von 2000 kg ſoll auf ihren Feuchtig-
keitsgehalt geprüft werden, ſo müſſen die Ballen ſofort nach Ankunft in der
Anſtalt auf einer möglichſt genau gehenden Wage (welche einer regelmäßigen
Kontrolle unterliegt) gewogen und unmittelbar nachher an verſchiedenen Stel-
len behufs Entnahme einer Probe geöffnet werden. Bei einem Ballenge-
wicht von 120 bis 150 kg ſoll das aus jedem Ballen entnommene Muſter
1 bis 1½ kg ſchwer ſein und hat von je 400 kg eine Konditionierung
ſtattzufinden.


Um ein möglichſt konformes Durchſchnittsmuſter zu gewinnen, werden
die den einzelnen Ballen entnommenen Proben zu einem Muſter vereinigt
und hiervon drei Looſe à 500 g gebildet, wovon vorab zwei der Reihe nach
in dem Trockenapparat einem warmen Luftzug von 105 bis 110° C. aus-
geſetzt werden. Die dem Wollhaar innewohnende Feuchtigkeit verliert ſich,
und kann man nach einiger Zeit die abſolute Trockenheit konſtatieren.
Stimmt dann der Verluſt bei beiden Proben überein oder beträgt der Unter-
ſchied kaum ½ Prozent, ſo iſt der Verſuch beendigt, erreicht derſelbe aber
½ Prozent oder iſt er höher, ſo wird die dritte Probe getrocknet und dann
der mittlere Verluſt in Prozent berechnet. Demnach findet bei einem Loos
von 2000 kg eine 10 bis 15 malige Probe ſtatt, deren Durchſchnittsverluſt
in Prozent ausgedrückt die Baſis für die Berechnung der Partie bilden ſoll.
Beſteht das Loos aus 13 Ballen und iſt jedem Ballen eine Probe von
kg entnommen, ſo haben wir 19½ kg Muſter, wovon angenommen
werden kann, daß dieſe die Partie genau vertreten.


Hiervon gelangen 15 Proben à 500 g = 7500 g
zur Konditionierung, welche beiſpielsweiſe
ein abſolut trockenes Gewicht von 6300 g
ergeben ſollen. Dies entſpricht einem
mittleren Verluſt von 1200 g = 16 Prozent.


Danach hätten 100 Teile Wolle 16 Prozent Feuchtigkeit, folglich nur
84 Prozent abſolut trockene Wolle.


Da nun der zuläſſige Feuchtigkeitsgehalt für Wolle 17 Prozent be-
trägt, ſo werden obige 84 Prozent Wolle = 14,28 Prozent Feuchtigkeit
anziehen dürfen und das normale Gewicht 98,28 betragen, wonach eine
Differenz von 1,72 Prozent entſteht.


Statt 2000 kg dürfen alſo nur berechnet werden

Die Konditionierung für Kammgarn iſt in der Hauptſache eine gleiche
wie bei der Wolle, jedoch bedingt dieſelbe einige Vorarbeiten. Iſt das Garn
auf Bobinen oder Kanetten, ſo muß die denſelben zu entnehmende Probe,
nachdem deren Bruttogewicht beſtimmt, in Stränge à 1000 m abgehaſpelt
und die Tara abgewogen werden. Da es nun vorkommen kann, daß dem
Material Stoffe beigegeben ſind, welche beim Trocknen entweichen, wie z. B.
Glycerin, ſo wird auf Wunſch ein Waſch- und Entfettungsverfahren ange-
wendet, nach welchem die Garne vollſtändig rein dem Konditionierapparat
zugeführt werden. Nachdem alsdann der mittlere Verluſt feſtgeſetzt iſt, er-
gibt die Berechnung das geſuchte Reſultat. — Dieſes Verfahren ermöglicht
[22] es auch, fette Kämmlinge, Streichgarne im Fett u. dergl. auf normales Ge-
wicht zu unterſuchen.


Die Anſtalt kontrolliert ferner mittels Präziſionswagen die Nume-
rierung der Garne
, ausgehend davon, daß


  • 1000 m Garn pro 1000 g = Nr. 1 = 1000 m
  • 1000 „ „ „ 100 „ = „ 10 = 10000 „
  • 1000 „ „ „ 50 „ = „ 20 = 20000 „
  • 1000 „ „ „ 33⅓ „ = „ 30 = 30000 „

Außerdem befaßt ſich dieſelbe noch mit der Prüfung der Garnſtärke
und deren Elaſtizität. Hierzu wird ein Dynamometer angewendet, welcher
das auf eine Tafel, Faden neben Faden, gewickelte Garn in demſelben Zu-
ſtand prüft, in welchem ſich dasſelbe auf dem Webſtuhl befindet, wonach
eine genaue Feſtſtellung ſtattfindet.


Der Koſtentarif der Aachener Anſtalt iſt folgender:


  • Einfaches Wiegen ohne Trocknen pro Stück, Kiſte oder Sack Mark 0,10
  • Wiegen vor der Konditionierung „ „ „ „ „ „ 0,10

Trocknung:


  • für Kammzug (eine Probe pro 300 kg) pro Probe „ 2,50
  • „ rein gewaſchene Wolle „ „ „ 400 „ „ „ „ 2,50
  • „ Kämmlinge, Woll-
    und Seidenabfall „ „ „ 400 „ „ „ „ 2,50
  • „ Kammgarn und
    Streichgarn „ „ „ 300 „ „ „ „ 3,50
  • „ Baumwollgarn „ „ „ 300 „ „ „ „ 2,50
  • „ Seidengarn „ „ „ 20 „ „ „ „ 2,50

Numerierung: für Kammgarn, Streichgarn und Baumwoll-
garn (eine Probe pro 300 kg) pro Probe „ 0,50


Prüfung der Garne auf Stärke und Elaſtizität:
für Kammgarn, Streichgarn und Baumwollgarn (eine
Probe pro 300 kg) pro Probe „ 1,50


Beſtimmung des Fettgehalts und anderer Beimiſchungen (eine
Probe pro 300 kg) pro Probe „ 1,50


Die Anſtalt iſt mit Ausſchluß der Sonn- und Feiertage morgens von
8 bis 12 und nachmittags von 2 bis 5 Uhr geöffnet.


Die Ware muß, wenn dieſelbe für den Platz beſtimmt, nach Entnahme
der Muſter ſofort abgenommen werden.


Soll die Ware länger als 12 Stunden auf Lager bleiben, ſo wird
dafür an Lagergeld und Feuerverſicherungsgebühr 25 Pfge. pro 100 kg und
pro Tag gerechnet.


Etwaige Reklamationen können nur innerhalb dreier Tage nach Ab-
nahme der Ware berückſichtigt werden.


Die Koſten werden ſofort bei Ablieferung der Ware gegen Abgabe des
Konditionierzettels erhoben.


Maßgebendes für Wertbeſtimmung der Wolle. Wie ſchon oben
S. 19 erwähnt, iſt die erſte Bedingung für die Güte der Wolle die Fein-
heit, die Biegſamkeit, Elaſtizität und Weichheit, die Kräuſelung und das
Lüſter oder der Glanz. Gewiſſe Wollen, welche faſt ſeidenartigen Glanz
[23] beſitzen, werden direkt als Lüſterwollen bezeichnet. Auch die Länge der
Wollfaſer iſt vielfach maßgebend für die Wertbeſtimmung, da die längeren,
weniger gekräuſelten, glänzenden Wollen für Kammgarn verarbeitet werden,
während die kürzeren feineren Wollen in der Streichgarnſpinnerei und
-Weberei Verwendung finden. Einen weiteren Maßſtab gibt die Helligkeit
der Farbe; weiße Wollen ſind natürlich wertvoller, als gefärbte. Endlich
iſt die Reinheit der Wolle und die Leichtigkeit, mit der ſich dieſelbe färben
läßt, von Einfluß auf den Handelswert.


Chemiſche Zuſammenſetzung. Die Wollfaſern, d. h. die entſchweißte
und gewaſchene Wolle, beſtehen durchgehends aus der gleichen Subſtanz, wie
das Horn und die Federn und Haare, welche als Hornſubſtanz oder
Keratin bezeichnet wird. Sie kennzeichnet ſich vor allem beim Verbren-
nen durch den eigentümlich unangenehmen Geruch nach verbranntem Horn.
Die durchſchnittliche Zuſammenſetzung beträgt:

Der Wert dieſer Zahlenangaben iſt jedoch ein ziemlich problematiſcher,
und die abweichenden Reſultate können durchaus nicht überraſchen. — Ueber
die Rolle, welche der Schwefel in der Hornſubſtanz ſpielt, iſt etwas Zuver-
läſſiges noch nicht bekannt. Durch die Unterſuchungen Grothes*) iſt je-
doch feſtgeſtellt, daß alle Wollen Schwefel enthalten, und daß, wenn man
auch einen Teil derſelben der Wolle durch geeignete Löſungsmittel zu ent-
ziehen vermag, doch der Reſt ohne. Zerſtörung der Hornſubſtanz nicht erhal-
ten werden kann. Es darf alſo wohl angenommen werden, daß der Schwefel
kein zufälliger Beſtandteil der Wollfaſer iſt, zumal durch v. Bibra und
durch Mulder**) nachgewieſen iſt, daß auch alle Haare, Nägel, Klauen,
Hufe, Hörner, Fiſchbein, Schildpatt u. ſ. w. Schwefel enthalten. Der
Schwefelgehalt iſt bei den verſchiedenen Wollen ein verſchiedener; nach
Grothe enthält:


  • Haidſchnuckenwolle .. 3,0 — 3,4 Prozent Schwefel,
  • Engliſche Wolle ... 2,0 — 2,5 „ „
  • Weiße Alpacowolle .. 2,6 — 3,1 „ „
  • Vicunnawolle .... 1,3 — 1,9 „ „
  • Streichwolle .... 2,4 — 2,7 „ „
  • Kammwolle .... 1,6 — 1,8 „ „

Nächſt dem Schwefel iſt noch der Kieſelſäuregehalt der Wolle,
welcher beim Verbrennen des Haares ſich in der Aſche vorfindet, erwähnens-
wert. Nach Gorup-Beſanez***) gibt Schafwolle 3,03 Prozent Aſche,
wovon 0,29 Prozent auf Kieſelſäure entfallen; die übrigen 2,74 entfallen
[24] auf phosphorſauren Kalk, Eiſenoxyd und Spuren von Kalium- und Magneſium-
Verbindungen. In welcher Form dieſe in der Wolle enthalten ſind, iſt bis
jetzt noch nicht mit Beſtimmtheit nachgewieſen.


Chemiſches Verhalten der Wolle. In kaltem Waſſer iſt Wolle
vollkommen unlöslich; wird das Waſſer bis zum Sieden erhitzt, ſo tritt
eine Aufquellung ein, aber keine Löſung. — Verdünnte Säuren löſen
Wolle ebenſo wenig; ſtärkere Mineralſäuren bewirken dagegen eine
mehr oder minder tiefgreifende Zerſetzung der Wollfaſer. Stark ver-
dünnte Salpeterſäure
wirkt ebenſo; ſtärkere Salpeterſäure greift die
Wolle unter Gelbfärbung an; ganz ſtarke Säure zerſtört ſie. Schweflige
Säure
bleicht die Wollfaſer und iſt daher das beliebteſte Mittel zum Blei-
chen der Wolle. — Löſungen von Alkalien (Kalilauge, Natronlauge)
wirken, zumal bei Anwendung von Wärme, ſtark auf die Wolle ein; ſtärkere
Löſungen löſen ſie vollſtändig zu einer ſeifenähnlichen Flüſſigkeit auf; aus
dieſer Auflöſung der Wolle wird beim Neutraliſieren mit Säuren ein weißer
Niederſchlag ausgefällt. Aetzkalk wirkt weniger energiſch, entzieht aber der
Wolle ihren Schwefelgehalt zum größern Teile und macht ſie leicht brüchig. —
Löſungen von Alkalicarbonaten (Pottaſche- oder Sodalöſungen) wirken
nur bei großer Stärke und unter Anwendung von Wärme auf Wolle ein,
doch bei weitem nicht ſo energiſch wie die Aetzalkalien, geben ihr aber einen
Stich ins Gelbliche und vermindern die Elaſtizität. Kohlenſaures
Ammoniak
und Seifenlöſung wirken wenig oder faſt gar nicht ein; bei
Verwendung eines Seifenbades muß jedoch — ebenſo natürlich bei Anwen-
dung von Soda — darauf geſehen werden, daß beide kein freies Alkali
enthalten. Die neutralen Salze der Alkalien üben keinerlei Wirkung. —
Weſentlich anders verhalten ſich dagegen die Salze gewiſſer Metalle,
z. B. Kupfer-, Eiſen-, Thonerde-, Zinnſalze u. dergl. Dieſe greifen zwar
die Wolle nicht an, wohl aber werden dieſe Löſungen von der Wolle
angegriffen, durch die Wolle zum Teil zerſetzt. Auf dieſer merkwür-
digen Thatſache beruht der Vorgang des Beizens der Wolle, wobei die
Wolle anſcheinend die Rolle einer Säure zu ſpielen ſcheint. Dieſe Zer-
ſetzung geht vornehmlich bei höherer Temperatur vor ſich. Weiteres über
dieſes Verhalten der Wolle gegen gewiſſe Metallſalze ſiehe im ſpeziellen
Teile bei den betreffenden Salzen. — Chlor und die löslichen Hypo-
chlorite
(Chlorkalk, unterchlorigſaures Natron) greifen Wolle an und zer-
ſtören ſie mehr oder minder. Dieſe können deshalb nicht zum Blei-
chen der Wolle
verwendet werden. Feuchtes Chlorgas oder ſtarke heiße
Chlorkalklöſung zerſtören die Wollfaſer vollſtändig. — Eine friſch bereitete
Auflöſung von Bleihydroxyd (Bleiglätte) in Natronlauge wird
von Wolle ſofort intenſiv ſchwarz gefärbt (Folge des Schwefelgehalts der
Wolle). — Eine kaltgeſättigte und dann mit dem gleichen Volumen Waſſer
verdünnte (alſo halbgeſättigte) Chromſäurelöſung löſt Wolle nach 1 Mi-
nute langem Kochen vollſtändig auf. — Eine Löſung von Kupferoxyd-
ammoniak
, kalt angewendet, läßt Wolle unverändert; heiße Löſung da-
gegen löſt die Wolle auf. Das Verhalten der Wolle gegenüber den ver-
ſchiedenen Farbſtoffen ſoll bei den einzelnen Farbſtoffen ſelbſt erläutert wer-
den. — Gegen Wärme iſt die Wolle ziemlich empfindlich; daher muß beim
Trocknen der Wolle eine zu hohe Temperatur vermieden werden; über 80
bis 90° darf die Temperatur möglichſt nicht ſteigen, denn ſchon bei 100° R.
[25] beginnt die Wolle ſich zu zerſetzen und entwickelt ammoniakaliſch riechende
Dämpfe.


Formen, in denen die Wolle zum Färben gelangt. Die Wolle
gelangt nicht ſelten in der oben beſchriebenen Form als loſe Wolle zum
Färben, beſonders dann, wenn ſie als Streichgarn zu wollfarbigen Tuchen
verarbeitet werden ſoll. Auch für Kammgarnſtoffe werden in neuerer Zeit
„wollfarbige Stoffe“ beliebt und müſſen daher alſo gleichfalls vor ihrer
Verarbeitung zu Kammgarn gefärbt werden. Die Form, in welcher der
Färber dieſe Ware erhält, iſt der Kammzug, ein Fabrikat, welches in der
Mitte ſteht zwiſchen loſer Wolle und dem daraus bereiteten Kammgarn;
es iſt das ſchmale lange Wollvließ in ſeiner glatten, geſtreckten Lage und in
der ihm vom Kämmer gegebenen Form der Bobine. Handelt es ſich da-
gegen nicht um „wollfarbige“ Stücke, ſo wird die Wolle in Form loſer un-
gefärbter Wolle oder von Kammzug (Kämmlingen) zuvor weiter verarbeitet.


Loſe Wolle wird durch die Operation des Wolfens, Einfettens, Krem-
pelns (Streichens), Spinnens und Haſpelns zu Streichgarn*) verar-
beitet, welches wieder als Schußgarn oder Kettengarn geſponnen wird.
Alle dieſe Operationen gehören lediglich in das Gebiet der Spinnerei;
der praktiſche Färber wird ſich niemals damit zu beſchäftigen haben, ſo daß
die Beſchreibung dieſer Arbeiten hier überflüſſig erſcheint **). — In gleicher
Weiſe, wie aus loſer Wolle das Streichgarn, wird aus Kammzug das
Kammgarn geſponnen, welches wieder in eigentliches Kammgarn und Halb-
kammgarn unterſchieden wird. Die Wollgarne, ſowohl Streichgarn als
Kammgarn, gehören zu den am häufigſten vorkommenden Objekten der
Färberei.


Die letzte Form, in welcher Wolle dem Färber unter die Hände kommt,
ſind Gewebe und Geſpinnſte aus Streichgarn — Tuche***) — oder aus
Kammgarn — Kammgarnſtoffe. Die dazu nötigen Operationen des
Verwebens von Kettengarn und Schußgarn, des Noppens, Waſchens, Wal-
kens (das noch nicht gewalkte Tuch heißt Loden), Rauhens und Scheerens
Dekatierens, Bürſtens und Preſſens gehören ſpeziell in das Gebiet der
Weberei. Einige dieſer Operationen kommen aber auch in der Färberei,
ſpeziell der Kleiderfärberei, zur Verwendung, und werden an der geeigneten
Stelle ausführlich beſchrieben werden.


Die Zahl der Wollengewebe in Form von Tuchen oder Kammgarn-
ſtoffen iſt ſehr groß. Von Streichwollzeugen unterſcheidet man: ge-
wöhnliches Tuch, geköpertes Tuch, Buckskin, Kaſchmir (Kaſimir), Fries,
Molton, Kotzen, Ratin, Lama, Flanell, Düffel, Kirſey.


[26]

Von Kammgarnſtoffen unterſcheidet man:


1. Glatte Stoffe, bei denen der Schußfaden nur zwei verſchiedene
Lagen beſitzt und die Bindung die denkbar einfachſte iſt: Perkan, Moiré,
Orleans, Bombaſin, Kamelot, Wollmuſſelin, Mühlbeuteltuch, Rips, Mohair,
Krepp, Chaly und die ſog. Bradforder Artikel.


2. Geköperte oder croiſierte Stoffe, bei denen dem Schußfaden
immer mehr als zwei Lagen zukommen; er überſpringt bei der Bindung zwei,
drei oder mehr Kettenfäden, und erzeugt auf der Oberfläche ſchräglaufende,
zuſammenhängende oder unterbrochene Linien: Merinos, Thibet, Kaſchmir,
Serge, Zanella, Wollatlas, Halbmerino, Laſting.


3. Gemuſterte oder [façonnierte] Stoffe; dieſe beſitzen ebenfalls
mehr als zwei, meiſtens eine große Anzahl verſchiedener Lagen des Schußfadens
und die Bindung erzeugt geſchloſſene Figuren, ſog. Muſter, wobei Muſter
und Grund ſelbſt wieder glatt und geköpert, ſogar von verſchiedener Farbe
ſein können: Woll- und Möbeldamaſt, Weſten- und Hoſenſtoffe, Shawls,
Umſchlagetücher, Tartans, Teppichzeuge.


4. Sammetartige Stoffe; auf dem eigentlich glatten Grunde wird
eine haarige Decke mit abſtehenden oder anliegenden Fäden gebildet, der Flor
oder Pol: Wollſammet (bei welchem der Flor aus dem Schuſſe), Wollplüſch,
Möbelplüſch, Brüſſeler Teppiche, Velourteppiche, Plüſchteppiche, Aſtrachan,
Krimmer, Biber, Utrechter Sammet.


Die Anzahl dieſer Gewebe wird nun noch unendlich reichhaltiger da-
durch, daß — beſonders bei Kammgarnſtoffen — nicht immer reine Wolle
zur Verwendung gelangt, ſondern nicht ſelten Miſchungen aus Wolle und
Baumwolle, ſowie ſelbſt Wolle und Seide, verarbeitet werden. Gewebe und
Geſpinnſte der letzteren Art haben dann keinen Anſpruch mehr auf die Be-
zeichnung eines wollenen Gewebes, gehören vielmehr in die Klaſſe der ge-
miſchten Gewebe
, welche weiter unten zur Beſprechung gelangen.


Wirkwaren, bei denen die Bindung nicht durch Fadeneinkreuzung,
ſondern durch Knüpfung erfolgt, verhalten ſich wie Garne.


§ 6. Seide.


Von den Geſpinnſtfaſern tieriſcher Abkunft iſt die Seide die wertvollſte.
Unter Seide verſteht man die von verſchiedenen Seidenraupen-
arten beim Verpuppen erzeugte Geſpinnſtfaſer
. Die Seide unter-
ſcheidet ſich von allen übrigen Gewebefaſern dadurch, daß ſie einen bereits
fertig geſponnenen Faden vorſtellt
. Die Seidenraupe, wenn ſie ſich
auf die Umwandlung in den Schmetterling vorbereiten will, wenn ſie ſich
„einpuppt“, ſpinnt um ſich den Seidenfaden (ſie ſpinnt ſich ein). — Die-
ſer bildet ſich aus einer klebrigen Flüſſigkeit, welche ſich aus zwei an der
Speiſeröhre der Raupe ſitzenden Drüſen (Spinndrüſen) abſondert. Durch
Ausziehen dieſer zähen klebrigen Flüſſigkeit aus den Drüſen werden zwei
beſondere Fäden gebildet, welche ſich im Moment des Hervortretens zu
einem Doppelfaden verbinden. Dieſer erſcheint ſeiner ganzen Länge nach als
einfacher Faden, welcher ohne Abſatz oder Unterbrechung die Hülle der
[27] Puppe bildet, die als Cocon bezeichnet wird, und nach Tötung der
Puppen das Rohmaterial für Gewinnung und Verarbeitung der Rohſeide
bildet. Das mikroſkopiſche Bild der Seide zeigt Fig. 6.


Figure 6. Fig. 6.

Seide.


Herkunft. Die einzige Raupe, welche echte Seide liefert, iſt die
Raupe des Seidenſpinners, Bombyx mori, welcher auf Maulbeer-
bäumen lebt, und daher auch Maulbeerſpinner heißt, während die Raupe
Seidenraupe, oder Seidenwurm. Dieſe Raupe wird daher behufs Er-
zeugung der Cocons im ſüdlichen Europa und in China gezüchtet; beſonders
Südfrankreich, Italien und die Türkei beſitzen Seidenzucht *). Die Seiden-
raupe iſt jedoch ziemlich empfindlich und bereitet den Seidenzüchtern durch
epidemiſch auftretende Krankheiten bisweilen enorme Verluſte; man war da-
her darauf bedacht, die nächſtſtehenden Verwandten aus dem Geſchlecht
Bombyx in ähnlicher Weiſe zu züchten. Von dieſen ſind zu nennen:


1. Der Ailanthusſpinner, Bombyx Cynthia. Dieſer lebt in Indien,
Bengalen, China und Japan und wird dort in großem Maßſtabe gezogen.
Je nach der Heimat und je nach der Nahrung, von der die Raupe lebt,
unterſcheidet man mehrere Abarten, und rechnet dahin:


  • a) den echten Ailanthusſpinner, Bombyx Yamamaï (Aetheraea yamamaï),
    in China und Japan heimiſch; die Raupe nährt ſich von den Blättern
    von Ailanthus glandulosa;
  • b) den Ricinusſpinner, Bombyx Ricini (Attacus Ricini), in Indien
    heimiſch, nährt ſich von den Blättern der Ricinusſtaude (Ricinus
    communis);
[28]
  • c) den Fagaraſpinner, Bombyx Fagara, in Nordoſt-Bengalen, lebt auf
    den Blättern des Fagaraſtrauches, einer Zanthoxyleen Gattung.

Von den vorgenannten iſt der unter b genannte Ricinusſpinner auch
in Südeuropa, ſogar in Deutſchland, gezüchtet worden, und hat hier die
Ricinusraupe ſogar mit den Blättern der Weberkarde (Dipsacus fullonum)
und der wilden Cichorie (Cichorium Intybus) als Nahrung vorlieb genom-
men. Die Verſuche haben kein ungünſtiges Reſultat gehabt.


2. Der Eichenſpinner, Bombyx Perryi, in China und der Mongolei
heimiſch, nährt ſich von Eichenblättern. Dieſe Seidenraupe iſt gleichfalls
mit Erfolg in Frankreich gezüchtet worden.


3. Bombyx Cecropia, in Nordamerika heimiſch, lebt auf dem wilden
Maulbeerbaum, auf Pflaumen, Ulmen, Weißdorn ꝛc.; wird neuerdings gleich-
falls in Frankreich gezüchtet.


Außer den genannten ſind noch von Wichtigkeit:


4. Der Tuſſahſpinner, Bombyx mylitta (Antheraea mylitta), in
Indien und in Bengalen bis in die rauheren Lagen des Himalaya hinauf
heimiſch; die Raupe nährt ſich von den Blättern des Jujubenbaums und
einigen Eichenarten, läßt ſich aber nicht züchten.


5. Bombyx Faidherbii (Faidherbia bauhinea) wird am Senegal,
neuerdings auch in Algier gezüchtet.


    • 6. Bombyx polyphemus (auf Eichen und Pappeln lebend)
    • 7. Bombyx platensis (auf Mimosa platensis lebend)
    • 8. Bombyx leuca
    • 9. Bombyx Selene
    • 10. Antheraea assama
    • 11. Antheraea atlas

Von allen dieſen Seidenraupenarten beſitzen nur die unter 1 und 4 ge-
nannten im Verhältnis zu den übrigen beſondere Bedeutung, aber auch die-
ſen beiden kommt nicht annähernd die Wichtigkeit zu, wie dem erſten Seiden-
ſpinner Bombyx mori. Auch das Produkt der ſämtlichen übrigen Seiden-
raupen erreicht an Feinheit und Schönheit nicht das des Maulbeerſpinners.
Man bezeichnet daher als Seide im engern Sinne oder als echte Seide
das Geſpinnſt der Raupe von Bombyx mori. Bezüglich der Produkte der
übrigen Seidenſpinner herrſcht zur Zeit noch völliger Wirrwarr. Einige
Autoren rechnen ſämtliche Seiden außer der Maulbeerſeide zu den wilden
Seiden
; andere rechnen als „wilde Seide“ lediglich die Seide des Tuſſah-
ſpinners, da dieſe Raupe ſich in Gefangenſchaft nicht züchten läßt.


Da die vorbenannten Seidenarten auch im europäiſchen Handel keine
unwichtige Rolle ſpielen, ſo ſchlägt Verfaſſer vor, den Ausdruck „Wilde Seide“,
der nur zu Verwechſelungen führen kann, ganz fallen zu laſſen und die
Seidenarten nach ihrer Herkunft einzuteilen; etwa folgendermaßen:


  • 1. Echte Seide oder Maulbeerſeide.
  • 2. Yamamaiſeide.
  • 3. Perry- oder Eichenſeide.
  • 4. Tuſſahſeide.
  • 5. Afrikaniſche Seide.
  • 6. Nordamerikaniſche Seide.
[29]

Nach O. N. Witt ſind heutzutage wohl an 50 verſchiedene Arten
von derartigen Tieren bekannt, welche ſeidenreiche Cocons liefern, trotzdem
werden nur von einigen wenigen die Cocons beſonders verwertet. Am wich-
tigſten iſt der Tuſſurſpinner, deſſen Cocons drei bis viermal ſo groß, wie
die des Maulbeerſpinners ſind. Sie beſtehen aus einem unterbrochenen,
1400 m langen Doppelfaden, welcher ſich auch leicht abhaſpeln läßt, ſeitdem
man gelernt hat, den Kitt, mit dem der ganze Cocon getränkt iſt und der
faſt ausſchließlich aus ſaurem harnſaurem Natron beſteht, durch alkaliſche
Flüſſigkeiten aufzulöſen. In Japan haben wir zunächſt den Ailanthusſpin-
ner, dann beſitzt es auch den merkwürdigſten und für die Zukunft den am
meiſten verſprechenden, den Yamamai. Er produziert eine apfelgrüne
Seide von großem Glanz, welche ſo hoch geſchätzt wird, daß ſie lange Zeit
ausſchließlich für den Gebrauch des Mikado reſerviert war, und bis vor
kurzem ſtand in Japan die Todesſtrafe auf die Ausfuhr von Yamamaieiern.
In Frankreich pflanzte man große Alleen des Ailanthusbaumes und kulti-
vierte den Ailanthusſpinner mit befriedigendem Reſultate. Heutzutage wird
auch in Südfrankreich die Kultur des Yamamaiſpinners verſucht, und es
werden gerade auf dieſen Spinner Hoffnungen geſetzt. In China zieht man
viel den Eichenſpinner Antheraea Perryi; ferner züchtet man dort häufig
den ſchönſten und größten aller Schmetterlinge, den Attacus atlas. Er
hat einen großen Cocon, der an beiden Enden offen iſt und viel Seide
liefert, die als Fazavaſeide bekannt iſt. In Frankreich hatte man zuerſt
viele Schwierigkeiten bei der Verwertung der wilden Seiden, da man die
braune Farbe des Fadens nicht entfernen konnte. Schließlich gelang es
Teſſié du Motay, in der Behandlung der Seide mit Waſſerſtoffſuper-
oxyd einen Weg zu finden, auf dem man eine vollkommen weiße Faſer er-
zeugen konnte. Die wilden Seiden zeichnen ſich durch große Elaſtizität
aus; ſie eignen ſich vorzüglich zu Fellimitationen und Plüſchen, zu ſog.
Baſtkleidern ꝛc.


Seidenbau. Wenn der Färber auch niemals in die Lage kommen
wird, Seidenzüchter zu werden, ſo möchte doch der verhältnismäßig kurze
Lebenslauf des Tieres bis zur Produktion der Cocons in kurzen Umriſſen
geſchildert werden.


Der Seidenſpinner (Seidenfalter, Seidenſchmetterling, Maulbeer-
ſpinner) legt zuvörderſt Eier und zwar legt jedes Weibchen 3 bis 400 Stück.
Dieſe müſſen ausgebrütet werden. Das geſchieht im Brutzimmer, einem
auf circa 30° C. erwärmten Zimmer, oder im Brutofen, welcher beſonders
in Frankreich gern angewendet wird. In beiden Fällen verteilt man die
Eier auf mit weißem Papier beſpannte Holzreifen, und bedeckt dieſelben mit
einem Blatt durchlöcherten weißen Papiers, worauf vom achten Tage an
einige Maulbeerblätter gelegt werden. Die Eier haben annähernd die Größe
des Mohnſamens (30 g enthalten durchſchnittlich 50000 Stück) und ſind
gelblich. Im Brutzimmer oder Brutofen werden ſie zunächſt weißlich und
vom achten bis zehnten Tage an kriechen die Raupen aus (und zwar
durchſchnittlich 75 bis 80 Prozent der Eier), und durch die Löcher im Papier
auf die Maulbeerblätter. Damit beginnt der eigentliche Seidenbau,
d. h. die Zucht der Seidenraupe. Dieſe geſchieht in beſonderen Fütterungs-
räumen, Raupereien oder Magnanerien. Die Raupe nährt ſich ledig-
lich von Maulbeerblättern (den Blättern von Morus alba), wovon ſie im
[30] Verhältnis zur eigenen Größe und ihrem Gewicht ganz unglaubliche Mengen
vertilgt; die aus 10 gEiern ſich bildenden Raupen verzehren 400 bis
500 kg Maulbeerblätter.


Im Verhältnis dazu ſteht das erſtaunlich ſchnelle Wachstum der Seiden-
raupe; ſie erreicht bald eine Länge von 8 bis 10 cm bei einem Gewicht
von 5 g. Die Lebensdauer der Raupe iſt 30 bis 33 Tage, während wel-
cher Zeit dieſelbe ſich viermal häutet, was durchſchnittlich alle ſechs Tage ge-
ſchieht. Nach dem letzten Hautwechſel nimmt ſie nicht mehr ſo bedeutende
Nahrungsmengen zu ſich, vom 30. Tage an überhaupt keine mehr. Nun
beginnt das Einſpinnen vom 30. bis 33. Tage. Wenn die Raupen
keine Nahrung mehr zu ſich nehmen, verteilt man ſie auf Ruten aus Birken-
zweigen, aus Ginſter oder Sarothamnus, in denen ſie ſich das paſſendſte
Fleckchen zum Einſpinnen ausſuchen. Derartige Ruten heißen Spinnhütten.
Die Raupe ſpinnt zuerſt ein oberflächliches Netz aus dicken Fäden von Zweig
zu Zweig, gewiſſermaßen als Untergrund, und dann erſt die Hülle der
Puppe von außen nach innen in ununterbrochenem, aber allmählich dünner
werdenden Seidenfaden. Das fertige eiförmige Geſpinnſt, Cocon genannt,
hat eine Länge von 30 bis 35 mm, einen Durchmeſſer von circa 15 bis
20 mm, und ſieht weiß oder gelblich aus. Der den Cocon bildende Seiden-
faden hat eine Länge von 350 bis 1250 m und einen Durchmeſſer von
etwa 0,018 mm; von dieſer Seide iſt jedoch nur ein Drittel abhaſpelbar.
Die Länge des abhaſpelbaren Fadens beträgt im Maximum nach Dandalo*)
625 Yards, nach Rhodes*) 404 Yards, nach Karmarſch 1000 bis
3000 Fuß. Der erſte, äußerſte Teil des Fadens, welcher oben als „Unter-
grund“ bezeichnet wurde, und der ſpäter vorſichtig für ſich abgelöſt wird, bil-
det die Flockſeide; die innerſte Hülle, welche die Puppe unmittelbar um-
gibt, bildet eine feine, zarte, pergamentartige Haut. Die Coconbildung er-
fordert 4 bis 5 Tage; man läßt dann aber noch 2 bis 3 Tage in den
Ruten, um der Beendigung des Spinnprozeſſes ſicher ſein zu können.


Wollte man nun der Puppe Zeit laſſen, ſich zum Schmetterlinge zu ent-
wickeln, ſo würde dieſer die Hülle ſprengen und damit den Wert des Cocons
bedeutend ſchädigen. Um dieſes zu vermeiden, um die Cocons in vollem
Wert zu gewinnen, müſſen die Puppen in den Cocons getötet wer-
den
. Dieſes geſchieht, indem man die Cocons entweder den heißen Sonnen-
ſtrahlen ausſetzt, oder direkt durch Ofenwärme oder heiße Waſſerdämpfe
durch 10 bis 12 Minuten. Nur einige beſonders gut ausgebildete Cocons
bleiben für den weiteren Seidenbau reſerviert. Würde die Puppe nicht ge-
tötet werden, ſo würde in kurzem der ausgebildete Schmetterling die Hülle
ſprengen und das Cocongeſpinnſt ſchädigen. Bis vor kurzem war man der
Anſicht, daß der Schmetterling den Coconfaden zerbeiße, und ſelbſt noch
neuere Werke ſprechen von „zerbiſſenen“ Cocons. Thatſächlich ſchiebt der
Schmetterling die Coconfäden nur beiſeite; er bewirkt dabei in dem lockeren
Geſpinnſt eine Verſchiebung der Fadenlage, welche dem ſpäteren Abwickeln
des Geſpinnſtfadens nicht eben förderlich iſt, eher dasſelbe erſchwert; aber
von einem Zerbeißen des Seidenfadens kann keine Rede ſein.


Zum Schluß noch einige Zahlenangaben über Seidenbau: aus 100 g
Eiern des Seidenſpinners werden im Durchſchnitt 88000 bis 117000 Co-
[31] cons gebildet. Von dem Gewicht der Cocons ſelbſt entfallen 16,8 Prozent
auf die Puppe *), 68,2 Prozent auf Feuchtigkeit, und der Reſt von 15 Pro-
zent iſt Seide. Das Gewicht eines Cocons iſt 1,5 bis 2,0 g und der Ge-
winn an Rohſeide etwa 1/7 bis ¼ g = 0,16 bis 0,25 g. 100 g Eier
liefern unter guten Bedingungen 12 bis 16 kg gehaſpelte Seide. 12 kg
Cocons liefern etwa 1 kg Rohſeide (einſchließlich der Floret- und Abfallſeide).


Statiſtiſches über Seide. Der Sitz des Seidenbaues iſt vorwiegend
in China, Europa, Japan, Oſtindien, Transkaukaſien, Perſien. Nach den
Aufſtellungen der Krefelder Handelskammer betrug die Produktion der Seide
im Jahre 1883 in


  • China ... 9500000 kg
  • Europa ... 4216000 „
  • Japan ... 3000000 „

In welchem Umfange und in welcher Richtung ſich die Seiden- und
Seidenwarenfabrikation in den europäiſchen Haupt-Seidenſtaaten bewegt, ergibt
ſich aus folgenden Daten aus dem Jahre 1883 (nach Heinzerling):


Die Produktion in Amerika gewinnt von Tag zu Tag an Bedeutung;
vornehmlich in Philadelphia und Waſhington werden große Etabliſſements
errichtet, um die Seide von den Cocons abzuwickeln. Seidenraupeneier ſind
in großer Nachfrage, und wie ſehr die Kultur von Seide ſich verbreitet,
geht daraus hervor, daß die von dem landwirtſchaftlichen Büreau in Waſhing-
ton vor kurzem veröffentlichte Anleitung dazu bereits in der achten Auflage
erſchienen iſt. Im ganzen befinden ſich in den Vereinigten Staaten zur
Zeit 385 Seidenfabriken, die ein Kapital von zuſammen 20000000 Doll.
haben, 30000 Angeſtellte beſchäftigen und ausländiſches Rohmaterial im
Wert von circa 16000000 Doll. jährlich verwenden.


In Britiſch-Indien und dem europäiſchen Rußland iſt die Seidenkultur
infolge vernunftwidriger Handhabung und anhaltender Krankheit (Pere-
brina) der Seidenraupe in ſtetem Rückgang. Dagegen hat ſich die Kultur
in Ruſſiſch-Aſien weſentlich gehoben, ſo daß ſich die Geſamtausbeute für
Transkaukaſien, Turkeſtan, Khiwa und Bockhara auf rund 730000 Pud
roher Cocons oder etwa 40000 Pud im Jahre 1884 ſtellte. — In Korea
[32] wurden im Jahre 1866 500000 Maulbeerbäume aus China für die An-
pflanzung bei Inchön (auf dem Wege von Chemulpo nach Söul) eingeführt.
Die Pflanzung ſteht unter der Leitung eines deutſchen Seidenbauinſpektors.
Ob die Seidenkultur mit Erfolg hier eingeführt werden kann, läßt ſich bis
jetzt nicht entſcheiden. Verſuche, welche in einem der alten Palaſtgründe
im weſtlichen Teil der Hauptſtadt ſeit einigen Jahren in kleinerem Maß-
ſtabe angeſtellt worden ſind, dürfen wohl als gelungen betrachtet werden.
Die Bäume ſtehen vorzüglich, haben ſaftiges Laub, und ſowohl die chineſiſchen
wie die japaniſchen und italieniſchen Seidenraupen ſollen gut gedeihen. Die
Seide wird hier nicht abgehaſpelt, ſondern in den Cocons verkauft. — Laut
Bericht der Krefelder Handelskammer für das Jahr 1884 treten folgende
Produktionsmengen an Rohſeide: aus Spanien 85 t, aus Frankreich 483 t,
aus Oeſterreich-Ungarn 142 t, aus Italien 2810 t, aus Griechenland 20 t,
aus Volo, Salonichi und Adrianopel 95 t, aus Anatolien 185 t, aus Syrien
230 t, aus Georgien und Perſien 200 t, aus Geſamt-Rußland 656 t,
zuſammen 4250 t. Für Bengalen und Oſtaſien tritt an Stelle der un-
bekannten Produktion die Ausfuhr, welche in jenem Berichte mit nachſtehen-
den Zahlen verzeichnet wird: aus Calcutta 208 t, aus Kanton 693 t, aus
Shanghai 2680 t und aus Yokohama 1484 t, zuſammen 5065 t. Hier-
aus ergibt ſich eine für den Geſamtverbrauch mit Ausnahme Oſt- und
Südaſiens verfügbare Menge von 9970 t Seide *).


Der preußiſche landwirtſchaftliche Miniſter hatte dem Seidenzüchter
Buchwald in Reichenbach in Schleſien vierzig Morgen Eichenbeſtand aus
den Staatsforſten zu Verſuchen mit der Züchtung des Eichenſeidenſpin-
ners
vor fünf Jahren überlaſſen. Auf Grund ſeiner ſeither gemachten Er-
fahrungen hat nun Buchwald auf der Generalverſammlung des ſchleſiſchen
Forſtvereins mitgeteilt, daß der Zucht des chineſiſchen Eichenſpinners elemen-
tare und klimatiſche Schwierigkeiten nicht entgegenſtehen und die Seide von
den in dem Verſuchswalde gezüchteten Eichenſpinnern, in Krefeld verarbeitet,
ſich der beſten Mailänder Seide ebenbürtig erwieſen hat. Bei dem Reich-
tum Deutſchlands an Eichen glaubt er, daß die Seidenzucht dort ſehr ren-
tabel werden wird.


Gewinnung der Rohſeide. Um nach dem Töten der Puppe den
Seidenfaden zu gewinnen, ſind zwei Operationen nötig: 1. Das Sortie-
ren der Cocons
. Die Cocons ſind keineswegs alle gleich, viele ſind weiß,
viele gelblich, manche ſind ſchadhaft (hierher gehören die oben geſchilderten
Cocons, aus denen der Schmetterling geſchlüpft iſt, aber auch ſchimme-
lig gewordene, von Inſekten angefreſſene, durch das Platzen von Puppen
beim Töten in die Cocons fleckig gewordene u. ſ. w.) und eignen ſich nicht
zum Abhaſpeln; die Stärke des Geſpinnſtfadens iſt eine ſehr verſchiedene.
Das Sortieren bezweckt daher das Ausſcheiden fehlerhafter Cocons, ſowie das
Zuſammenordnen gleichartiger, gleichfarbiger und gleich feiner Cocons. Dieſe
Arbeit darf nur von erfahrenen Leuten und muß mit großer Sorgfalt aus-
geführt werden, weil nur gleichartige Cocons zuſammen abgehaſpelt und mit
Vorteil verarbeitet werden können. 2. Das Abhaſpeln. Wenn wir uns
vergegenwärtigen, daß der Coconfaden eine Länge von 350 bis 1250 m
hat, und dabei nur ¼ g wiegt, ſo ergibt ſich daraus allein ohne weiteres,
[33] daß der Coconfaden ungemein zart ſein muß, ſo fein und zart, daß er für
ſich allein kaum abgewickelt werden kann. Man nimmt daher in der Praxis
3 bis 20 Cocons (je nach Feinheit des Fadens) zum Abhaſpeln, aus wel-
chen ein Faden gebildet wird. Zu dem Behufe bringt man dieſelben in
warmes Waſſer, welches den leimartigen Ueberzug des Coconfadens löſen
ſoll; nun wird zuerſt der äußerſte Teil des Fadens, die Flockſeide, entfernt
(der dadurch entſtehende Verluſt beträgt, je nach der Geſchicklichkeit des Ar-
beiters, 18 bis 30 Prozent), und erſt dann beginnt das eigentliche ge-
meinſame Abhaſpeln mehrerer Cocons, wobei die Löſung des leimartigen
Ueberzuges gleichzeitig wieder das nachfolgende Zuſammenkleben zu einem
Faden bewirkt. Der durch Abhaſpeln erzeugte Rohſeidenfaden
ſtellt alſo eine Summe von ihrer Geſamtlänge nach zuſammen-
geleimten Coconfäden vor
; das Aneinanderhaften der Seidenfaſern ge-
ſchieht lediglich durch die Bindung der leimartigen Seidenhülle, nicht durch
Zuſammendrehen
; die Rohſeide iſt alſo kein gezwirnter Faden. Sie
wird durch ein Räderwerk auf einen Haſpel gewunden und nimmt dadurch
die Geſtalt eines Strähnes an. Die Länge des Rohſeidenfadens von nor-
malen Cocons beträgt 250 bis 900 m. Das Abhaſpeln der Seide wird
in den eigentlichen Seidenbauländern mittels Haſpelmaſchinen bewerkſtelligt.
Eine Abbildung und Beſchreibung einer ſolchen findet ſich in Knecht „Färberei
und Bleicherei“. Die ſo gewonnene Rohſeide ſtellt einen einfachen (d. h.
nicht gezwirnten), runden, glatten, von Knoten und Flocken freien, reinen,
glänzenden, feſten und gleichmäßig ſtarken Faden vor.


Die Abfallſeide. Unter Seidenabfall werden alle zum Abhaſpeln
nicht geeigneten, ſowie die erſten und letzten Anteile der zum Haſpeln ver-
wendeten Cocons (in Italien und Südfrankreich Strazza genannt) und Cocon-
reſte verſtanden. Die äußerſten Teile der guten Cocons, welche entfernt
werden müſſen, und welche eben als Flockſeide bezeichnet wurden (franz.
bourre), werden gewaſchen, im Seifenbade gekocht, getrocknet, gekrempelt,
gekämmt und geſponnen: das ſo gewonnene Produkt bildet die Floret-
ſeide
. Wird die Flockſeide aber, ohne gewaſchen und gekocht zu werden,
gelockert, gekardet und verſponnen, ſo entſteht das als Chappeſeide be-
kannte Handelsprodukt. An einzelnen Orten wird der Seidenabfall, insbe-
ſondere die ſchadhaften, fleckigen, ſchimmelig gewordenen Cocons, einer leich-
ten Fäulnis unterworfen, wodurch der leimartige Beſtandteil der Seide zer-
ſtört wird; das gewaſchene und getrocknete Produkt wird wie oben auf ge-
ringere Qualitäten Floretſeide verarbeitet. Die Abfälle dieſer Fabrikation
bilden dann den Seidenabfall im eigentlichen Sinne, und werden zu den im
Haushalt viel gebrauchten Staub- und Wiſchtüchern aus Seidenabfall ver-
webt.


Zuſammenſetzung und Eigenſchaften der Rohſeide. Aehnlich
der Wolle iſt die Rohſeide noch keineswegs die reine Seidenfaſer, ſondern
ſie wird, ähnlich wie die Wolle von Wollſchweiß und Wollfett, von einer
farbloſen oder ſchwach gelblich gefärbten Maſſe begleitet, welche ſich in Waſſer
ganz oder zum bei weitem größten Teile auflöſt. Ueber dieſe Maſſe, welche
die Seidenfaſer vollſtändig umhüllt, welche circa 46 Prozent der Geſamt-
maſſe bildet und allgemein als Seidenleim bezeichnet wird, gehen die An-
ſichten noch auseinander. Es ſteht zunächſt noch nicht feſt, ob dieſer „Seiden-
Ganswindt, Färberei. 3
[34] leim“ ein einheitlicher Körper iſt, oder ob er aus verſchiedenen Körpern
zuſammengeſetzt iſt. Für die Färberei iſt der Seidenleim von Wichtigkeit,
man wendet eine alkaliſche Löſung desſelben, welche den Namen „Baſtſeife“
führt, mit Vorliebe in der Seidenfärberei bei Verwendung von Teerfar-
ben an.


Der Seidenleim oder das Sericin iſt allem Anſchein nach kein
einheitlicher Körper. Die obige Angabe von 46 Prozent Gehalt der Roh-
ſeide an Seidenleim ſtützt ſich auf Unterſuchungen von Mulder. Dieſer
fand in 100 Teilen Rohſeide:

Ohne die Zahlen dieſes Forſchers direkt anzweifeln zu wollen, wollen
mir die Angaben „leimgebende Subſtanz, Wachs, Fett, Harz und Albumin“
nicht einleuchten. Das Sericin enthält Stickſtoff, aber woher ſoll das Ei-
weiß kommen? Schon Bolley hat die obigen Reſultate als zweifelhaft
hingeſtellt, und das um ſo mehr, als ſie durch aufeinanderfolgende Extrak-
tion mit heißem Waſſer, abſolutem Alkohol, Aether und heißer Eſſigſäure
gewonnen ſind. Mulder erhält danach in 100 Teilen:

Zur Charakteriſtik dieſer Zahlen möge folgendes erwähnt ſein: Kocht
man Rohſeide im Papinſchen Topf oder unter Anwendung geſpannten
Dampfes aus, ſo verliert ſie dadurch 28 bis 29 Prozent an Gewicht. Bei
dem in der Verarbeitung der Seide üblichen „Abkochen“ der Seide, welches
dem Aſſouplieren vorausgeht, beträgt der Gewichtsverluſt nur 20 bis 25 Pro-
zent. Behandelt man die mit überhitztem Dampf behandelte Rohſeide mit
abſolutem Alkohol und dann mit Aether (zur Entfernung von Fett, Gerb-
ſäure, Farbſtoffen), ſo entſteht ein weiterer Gewichtsverluſt von 4 bis 5 Pro-
zent und es bleiben circa 66 Prozent Fibroin zurück. Soweit wäre gegen die
Mulderſchen Zahlen nichts einzuwenden. Nun aber folgt die Behandlung
mit heißer Eſſigſäure, welche einen weiteren Gewichtsverluſt von 16,3 bis
16,5 involviert. Was hat denn die Eſſigſäure nun eigentlich gelöſt? Fertig
vorhandene leimgebende Subſtanz ſicher nicht; dieſe hätte ſich im Waſſer
gelöſt. Es liegt faſt die Vermutung nahe, daß dieſer Verluſt auf Koſten
des Fibroins zu ſetzen iſt. In der Litteratur findet ſich nur eine einzige
Notiz über die Wirkung der Eſſigſäure (kalten Eiseſſigs) auf Rohſeide, aber
nichts über die Einwirkung heißer auf das vom Sericin befreite Fibroin.
Dabei möchte daran erinnert werden, daß einige Mineralſäuren ſchon bei
großer Verdünnung und kalt die Seide vollauf zu löſen vermögen; auch
[35] möchte ich darauf hinweiſen, daß — zumal bei der bisherigen Annahme
von der Entſtehung des Sericins durch Hydratation und Oxydation des
Fibroins — bei dem Kochen mit Eſſigſäure die Bildung von Sericin
durchaus nicht unmöglich iſt. Sei dem indes, wie ihm wolle, ſo dürfen
wir doch keinenfalls das durch heiße Eſſigſäure Ausgezogene zu den Ge-
wichtsbeſtandteilen des Seidenleims hinzuzählen.


Bei ſolcher Lage der Dinge bieten die Mulderſchen Zahlen eigentlich
recht wenig Anhaltepunkte, ja, ſie ſind ſogar dazu angethan, die Grenze
zwiſchen Fibroin und Sericin völlig zu verwiſchen.


Ich ſchlage deshalb — ſo lange bis neuere Forſchungen dieſen Punkt
geklärt haben — folgende Feſtſtellungen vor:


1. Seidenleim oder Sericin iſt der durch Behandeln mit
überhitztem Waſſerdampfe aus der Rohſeide gewonnene, in
Waſſer lösliche Beſtandteil der Rohſeide
; er beträgt 28 bis 29
Prozent.


2. Fibroin iſt die von Seidenleim, von Fett und Farb-
ſtoff befreite Seidenfaſer
; ſie beträgt 66 Prozent.


3. Fettſubſtanzen, Harz und Farbſtoff betragen 1,5 Prozent.


Der Seidenleim bildet nach dem Verdampfen des Waſſers eine leim-
ähnliche, durchſcheinende, gelbliche Maſſe, welche ſich in Waſſer, in Seifen-
lauge und anderen alkaliſchen Flüſſigkeiten, ſowie in Eſſigſäure leicht löſt.
Die wäſſerige Löſung wird durch Alkohol, Gerbſäure, Bleieſſig, ſalpeterſau-
res Queckſilberoxydul und Zinnchlorid gefällt. Die eſſigſaure Löſung gibt
mit Blutlaugenſalz einen grünlichen Niederſchlag.


Die eigentliche Seidenfaſer oder das Fibroin iſt eine weiße glän-
zende Faſer, zerreiblich, geruch- und geſchmacklos in Waſſer, Alkohol, Aether
und Ammoniak und in kalter Eſſigſäure unlöslich, löslich dagegen in
heißer Eſſigſäure, in Alkalien, beſonders in ſtarken Laugen, in konzentrier-
ten Säuren, aber auch in verdünnter Salzſäure. Das Fibroin ſteht nach
den Unterſuchungen Städelers der Hornſubſtanz nahe, unterſcheidet ſich
von dieſer aber weſentlich dadurch, daß es aus ſeinen Löſungen durch Fäl-
lungsmittel ſtets in Faſerform abgeſchieden wird. In feuchtem Zuſtande
längere Zeit der Luft ausgeſetzt, wird es etwas in Waſſer löslich; es nimmt
dabei dem Anſchein nach die Beſtandteile des Waſſers und des Sauerſtoffs
auf und geht in Sericin über. Mit Schwefelſäure gekocht geht es in Tyroſin,
Leucin und Glycin über.


Verarbeitung der Rohſeide. Die Rohſeide wird als ſolche zur
Färberei ſelten verwendet, eine Ausnahme macht die Maraboutſeide (ſ. unten).
Gemeinhin finden zuvor noch einige Operationen ſtatt und zwar das Zwirnen
und das Entſchälen.


Das Zwirnen der Seide bezweckt die Vereinigung mehrerer Roh-
ſeidenfäden zu einem, und zwar durch Zuſammendrehen. Das Zwirnen
ſteht in innigem Zuſammenhange mit dem Sortieren der Cocons, indem
durch beides die verſchiedenen Handelsſorten der Seide beſtimmt werden.
Die beſte Sorte Rohſeide wird zu Organſinſeide verarbeitet, welche bei
der Herſtellung der Seidenzeuge gewöhnlich als Kette verwendet wird und
3*
[36] auf der Oberfläche des Gewebes erſcheint; man haſpelt hierzu den Seiden-
faden von 3 bis 8 Cocons und gibt demſelben eine ſtarke Drehung (d. h.
Drehung in ſich ſelbſt, Eigendrehung) und zwirnt dann zwei ſolche gedrehte
Rohſeidenfäden zuſammen. Die geringere Rohſeide wird zu Trameſeide,
Tramſeide oder Tramaſeide verarbeitet und bei der Weberei als Schuß,
ſowie zu Seidenſchnüren verwendet; man haſpelt hierzu den Rohſeidenfaden
von 3 bis 12 Cocons; bei der Trameſeide wird entweder ein einzelner Roh-
ſeidenfaden an ſich gedreht (einfädige Trame) oder es werden zwei oder
drei nicht gedrehte Rohſeidenfäden links gezwirnt (zwei- oder dreifädige Trama).
Trameſeide iſt nicht ſo ſcharf gezwirnt, als Organſinſeide, ſie iſt daher wei-
cher. — Maraboutſeide wird aus drei nicht gedrehten ganz weißen Roh-
ſeidenfäden gezwirnt, dann, ohne entſchält zu werden, gefärbt, und nach
dem Färben nochmals gezwirnt; ſie erhält dadurch eine noch ſchärfere Zwir-
nung als die Organſinſeide, gleichzeitig aber auch ziemliche Steifheit und
Härte. — Poilſeide (auch Peloſeide genannt) iſt ein einfacher Rohſeiden-
faden, der aus mehreren gedrehten Coconfäden beſteht; dient als Unterlage
für Gold- und Silberfäden, Treſſen ꝛc. — Nähſeide wird aus Rohſeiden-
fäden aus 3 bis 22 Cocons auf verſchiedene Weiſe gedreht. — Stick-
und Häkelſeide
wird in gleicher Weiſe hergeſtellt, iſt aber ſtärker. —
Ecruſeide iſt Rohſeide, welche höchſtens dem Waſchen mit oder ohne Seife
und nachherigem Bleichen ausgeſetzt geweſen iſt.


Das Entſchälen der Seide bezweckt die Entfernung des Seidenleims
und zerfällt in zwei Operationen, das Degummieren und das Abkochen.
Das Degummieren wird in großen mit Kupferblech ausgelegten Holz-
trögen oder in Holzkufen, auch in kupfernen Keſſeln vorgenommen. In die-
ſen bereitet man ſich eine Seifenlöſung aus venetianiſcher Seife und rechnet
dabei auf das Kilogramm Rohſeide 300 bis 500 g Seife. Dieſe Seife
löſt man in weichem Waſſer und erhitzt das Bad mittels Dampfſchlange
oder durch direkt eingeleiteten Dampf auf 90 bis 90° C. (72 bis 76° R.). —
Die zu entſchälende Seide wird auf glatten Holzſtangen in das Seifenbad
gehängt und darin ſo lange umgezogen, bis ſich der Ueberzug des Seiden-
leims von der Faſer abgelöſt hat. Anfangs quillt die Rohſeide auf und
erſcheint klebrig; dann aber löſt ſich der firnisartige Ueberzug von Seiden-
leim verhältnismäßig ſchnell und die weiche, biegſame, glänzende Seidenfaſer
bleibt zurück. Gemeinhin geht man in der Praxis von dieſem erſten Seifen-
bad auf ein zweites ſchwächeres, aber gleichfalls auf circa 75° R. erhitztes
Seifenbad. Es iſt von Wichtigkeit, daß die Seifenlöſung nicht bis zum
Kochen
erhitzt wird, da ſonſt der dem Sericin eigene gelbliche Farbſtoff
an die Seide geht. Die Auflöſung des Seidenleims im Seifenbade geht
bei fleißigem Umziehen auch unter der Siedetemperatur vollkommen
vor ſich. Dieſe Seifenbäder ſind aufzubewahren: ſie bilden den unter dem Na-
men Baſtſeife bekannten wertvollen Zuſatz in der Seidenbuntfärberei. Die
aus dem zweiten Seifenbade herausgenommene Seide wird ſchließlich in
einem dritten 60° warmen, ganz ſchwachen Seifen- oder Sodabade geſpült,
abgewunden und getrocknet. Das geſamte Degummieren erfordert 1 bis
2 Stunden. Degummierte Seiden ſind zum Färben mit dunkeln Farben
ohne weiteres zu gebrauchen.


Wie oben bei der Zuſammenſetzung der Rohſeide auseinandergeſetzt
wurde, löſt ſich der Seidenleim auch in Waſſer und zwar laſſen ſich bei
Anwendung von überhitztem Waſſerdampf 28 bis 30 Prozent ausziehen.
[37] Man könnte daher auch das Entſchälen der Seide mit überhitztem Waſſer-
dampf ausführen; dieſer aber macht die Seidenfaſer hart und ſpröde; man
zieht deshalb die Anwendung von Seifenbädern und geringerer Wärme vor,
da ſich der Seidenleim in alkaliſchen Flüſſigkeiten beſonders gut löſt. Bei
vernunftgemäßer Anwendung der Seifenbäder kann man den Seidenleim
vollſtändig entfernen; der Gewichtsverluſt beträgt dann 25 bis 30 Pro-
zent der Rohſeide bei europäiſchen Seiden, dagegen nur 18 bis 22 Prozent
bei chineſiſchen und japaneſiſchen Seiden. Solche vollſtändig entſchälten Sei-
den heißen Cuits. (Fälſchlicherweiſe werden aber auch die zum Degum-
mieren verwendeten Bäder, alſo die Baſtſeifenlaugen cuits genannt.) —
Bei dem teuren Preiſe der Seide iſt den Händlern mit einem Gewichts-
verluſt von 25 bis 30 Prozent durch Degummieren häufig nicht gedient.
Deshalb wird das Entſchälen ſehr häufig nur unvollſtändig gehand-
habt und, indem man auf 1 kg Rohſeide nur 100 bis 125 g Seife rechnet,
eine degummierte Seide erzielt, welche einen Gewichtsverluſt von nur 8 bis
12 Prozent gibt; ſolche Seiden heißen Souples. Bisweilen wird das
Degummieren durch ein bloßes Waſchen mit Waſſer erſetzt, wodurch ein Ge-
wichtsverluſt von nur 3 bis 4 Prozent entſteht; ſolche Seiden heißen Crus.


Das Abkochen oder Weißkochen der degummierten Seiden ſoll die
Entfernung der letzten Reſte von Seidenleim und die Erzielung der größten
Weichheit und Geſchmeidigkeit bezwecken. Es wird in offenen kupfernen
Keſſeln ausgeführt, die degummierte Seide in haufene Säcke gethan und
dann mit einer ſchwachen Seifenlöſung (10 bis 15 kg auf 100 kg degum-
mierte Seide) ½ Stunde bis zu 3 Stunden richtig gekocht. — Dieſes
Verfahren iſt durch langjährige Praxis gewiſſermaßen geheiligt. Nichtsdeſto-
weniger halte ich das „Weißkochen“ für eine verfehlte Operation. Zunächſt
begreife ich nicht, was die hanfenen oder leinenen Säcke dabei ſollen. Es
wäre doch weit vernunftgemäßer, wenn man die Seide an Holzſtöcken in
Strängen in das Seifenbad hängen ließe und darin umzöge. Sodann er-
reicht man die Entfernung der letzten Reſte von Seidenleim auch ohne
Kochen. Somit kennzeichnet ſich dieſe Operation als weiter nichts, als ein
drittes Seifenbad zum Zweck der Degummierung und ſie beweiſt lediglich,
daß die Degummierung zuvor nicht mit der nötigen Sorgfalt ausgeführt
worden iſt. Daß ferner zur Erzielung eines möglichſt hohen Grades von
Geſchmeidigkeit und Glanz das Kochen notwendig ſei, iſt bisher wenigſtens nicht
bewieſen. Sollte aber zur Erzielung dieſes Effekts ein Kochen nötig ſein,
ſo möchte ich empfehlen, dasſelbe mit einer höchſt dünnen Seifenlauge
(2 Prozent Seife auf 100 Seide) auszuführen und die Seide nicht länger als
eine halbe Stunde kochen zu laſſen, darauf aber in einem lauwarmen Waſſer-
bade (ohne Sodazuſatz) zu ſpülen, abzuwinden und zu trocknen. In Süd-
frankreich und in der Schweiz wird nach dem Abkochen noch in einem Soda-
bade, dann in einem kalten Waſſerbade geſpült und getrocknet. Die vom
Abkochen der Seide reſultierende Seifenlauge kann wieder zum Entſchälen
benutzt werden.


Das Souplieren oder Aſſouplieren der Seide bezweckt die Ge-
winnung einer Seide, welche in der Mitte ſteht zwiſchen degummierter, ge-
kochter und Rohſeide. Die letztere eignet ſich zu Färberoperationen nur in
beſchränktem Maße, die erſtere büßt durch das Entſchälen zu viel an Ge-
wicht ein. Es hat ſich daher in der Praxis eine Mittelſtufe eingebürgert,
[38] welche durch die ſtattfindende Behandlung nur 4 bis 8, höchſtens 10 Prozent
Gewichtseinbuße erleidet, zum Färben aber geeigneter iſt als die Rohſeide.
Solche Soupleſeide iſt natürlich ein minderwertiges Produkt, erfreut ſich
aber großer Beliebtheit. Das Souplieren zerfällt in folgende vier Opera-
tionen: Entfetten (dégraissage), Bleichen, Schwefeln und das eigentliche
Souplieren. Bei Seide, welche für dunkle Farben beſtimmt iſt, fällt das
Bleichen und Schwefeln fort. Das Entfetten geſchieht durch Einlegen
der Rohſeide in ein 25 bis 30° C. (20 bis 25° R.) warmes dünnes Seifen-
bad (man rechnet auf 100 kg 4, höchſtens 10 kg Seife) durch 1 bis
2 Stunden. Dieſes ſogenannte „Entfetten“ iſt in der That weiter gar
nichts, als ein ganz oberflächliches und unvollſtändiges De-
gummieren
. Durch dieſe Operation werden die am leichteſten löslichen
Anteile des Seidenleims aus der Rohſeide entfernt. Das Bleichen ge-
ſchieht durch Eintauchen der „entfetteten“ Rohſeide in eine verdünnte Löſung
von Königswaſſer. Dieſe wird bereitet durch Miſchen von 5 Teilen Salz-
ſäure mit 1 Teil Salpeterſäure und Verdünnen mit Waſſer bis auf 2 bis
2,5° B. Das konzentrierte Säuregemiſch wird vor der Verdünnung 4 bis
5 Tage beiſeite geſtellt, und erſt kurz vor dem Gebrauche mit Waſſer ge-
miſcht. Hummel empfiehlt die Anwendung einer Temperatur von 20 bis
25° R. und eine Wirkungsdauer von 8 bis 10 Minuten. Das Bleichen
der Seide nach dieſem Verfahren bedarf großer Vorſicht und Erfahrung,
da das in der Bleichflüſſigkeit enthaltene freie Chlor zerſtörend auf die Faſer
wirkt; andererſeits wird auch durch die Salpeterſäure bei zu langer Dauer
der Wirkung die Faſer gelblich gefärbt und damit der eigentliche Zweck in
Frage geſtellt. Daher gehört für dieſe Operation des Bleichens ein er-
fahrener Mann. Unmittelbar nach dem Herausnehmen aus dem Bleichbade
muß die Seide in Waſſer gut gewaſchen werden. Das Schwefeln be-
ſteht in einem Behandeln der gebleichten Seide mit Schwefligſäuredampf.


Nun folgt ſofort das Aſſouplieren oder Weichmachen der ge-
ſchwefelten Seide. Dieſes beſteht in einem 1½ ſtündigen Kochen mit einer
Löſung von 3 bis 4 Promille Weinſtein (Kaliumbitartrat), und nachheri-
gem Waſchen in warmem Waſſer. Das klingt ſehr einfach, iſt aber eine
der heikelſten Operationen bei der Verarbeitung der Rohſeide. Wird die
Löſung zu lange auf Siedetemperatur gehalten, ſo löſt ſich von neuem ein
weiterer Anteil des Seidenleims und führt zu Gewichtsverluſten, welche dem
Zwecke der Operation keineswegs entſprechen. Es möchte ſich auch hier
empfehlen, die Löſung nicht bis zur Siedetemperatur zu erhitzen. Aehnlich
wie der Weinſtein wirkt auch das Natriumbiſulfat, und ſelbſt mit ſehr verdünn-
ter Salzſäure wird das gleiche Reſultat erzielt. Es ſcheint, daß hier die
freie Säure bei einer wenig unter dem Siedepunkt liegenden Temperatur
den Seidenleim chemiſch verändert und ihn in eine minder leicht lösliche
Modifikation überführt, wodurch zugleich die Seide weniger zäh wird, als
durch das Abkochen. Der Hauptunterſchied zwiſchen dem Entſchälen und
dem Souplieren beſteht demnach in der Verwendung alkaliſcher Bäder beim
Entſchälen, und ſaurer beim Souplieren. Die Soupleſeide iſt daher als
eine gebleichte Rohſeide zu betrachten, welche noch den größten Teil des
Seidenleimgehalts der Rohſeide in wahrſcheinlich chemiſch veränderter Ge-
ſtalt enthält. Sie zeigt daher auch ein von der reinen Seide abweichendes
chemiſches Verhalten gegen alkaliſche oder Seifenbäder, beſonders in höherer
[39] Temperatur, und das Färben von Soupleſeide erfordert daher Umſicht und
Erfahrung.


Eigenſchaften der Seide. Die Seide hat mit der Wolle die Eigen-
ſchaft gemein, ziemlich bedeutende Mengen Feuchtigkeit aufzunehmen (bis zu
30 Prozent), ohne dabei feucht zu erſcheinen; der Waſſergehalt läßt ſich
nach der äußeren Beſchaffenheit der Seide nicht abſchätzen. Bei dem
hohen Handelswert der Seide iſt es daher von großem Wert, den Feuchtig-
keitsgehalt genau zu erfahren. Das geſchieht durch das Konditionieren
der Seide (ſ. unten). Der gewöhnliche Waſſergehalt beträgt 10 bis 18 Pro-
zent, in den Konditionieranſtalten läßt man einen Gehalt von 11 Prozent
als Norm gelten. In warmes Waſſer getaucht, nimmt trockene Seide weitere
Waſſermengen auf, ſie quillt auf, ohne ſich zu löſen; dabei zieht ſie ſich
gleichzeitig etwas zuſammen. Das ſpezifiſche Gewicht iſt 1,367. Zu der
charakteriſtiſchen Eigentümlichkeit der Seide gehört ihr Glanz; dieſer kommt
der Rohſeide in erhöhtem Maße zu; bei degummierten Seiden iſt der Glanz
geringer, er läßt ſich jedoch durch rein mechaniſche Behandlung, durch Strecken
des Seidengarns, in hohem Maße herſtellen. Der Glanz iſt ſomit als eine
Folge der Oberflächenſpannung zu betrachten, während er bei der Roh-
ſeide von dem Sericin herrührt. Dieſe Streckbarbeit iſt eine Folge der un-
gemein großen Elaſtizität; eine Seidenfaſer kann um 1/7 bis ⅕ ihrer
normalen Länge geſtreckt werden, ohne zu zerreißen. Die entſchälte Seide
beſitzt eine um 45 Prozent geringere Elaſtizität als die Rohſeide. Mit
der Streckung nimmt bei der Seide der Glanz zu
(bei der Wolle
iſt das Umgekehrte der Fall). An Glanz wird die Seidenfaſer von keiner
andern Faſer erreicht. Die Weichheit der Seide iſt am größten bei der
völlig entſchälten Seide; ſie nimmt ab in dem Maße, in welchem der Pro-
zentgehalt an Seidenleim zunimmt, und macht bei Rohſeide einer gewiſſen
Härte Platz; ſie iſt ferner bei der geſtreckten Faſer geringer, als bei der
nicht geſtreckten. Die Feinheit der Seide iſt abhängig von der Anzahl
der beim Abhaſpeln zuſammengelegten Coconfäden. Der Feinheitsgrad
der Handelsware wird durch das Titrieren der Seide (ſ. unten) beſtimmt.
Die Feſtigkeit der Seide iſt bedeutender als die jeder anderen Geſpinnſt-
faſer; ihre Reißlänge *) beträgt (für Rohſeide) 30,8 km; d. h. ein Rohſeiden-
faden, welcher durch ſein Eigengewicht ohne anderweite Belaſtung bei freiem
Hängen von ſelbſt zerreißt, müßte etwa 4 Meilen lang ſein. Im Zu-
ſammenhang mit dieſer Feſtigkeit ſteht auch ihre Widerſtandsfähigkeit
gegen klimatiſche Einflüſſe; ſie fault nur ſehr ſchwierig, wird auch von Motten
nur ſelten angefreſſen; nur gegen Stockflecke iſt ſie ziemlich empfindlich. Die
Seide iſt ein ſchlechter Elektrizitätsleiter; lufttrockene Seide wird
durch Reiben leicht elektriſch, ein Umſtand, der bei der Seidenwarenfabri-
kation leicht fatal werden kann; etwaigen Entladungen kann durch Arbeiten
in feuchter Luft vorgebeugt werden.


Einige Autoren zählen auch das eigentümliche Kniſtern oder „Krachen“
der Seide zu den charakteriſtiſchen Eigenſchaften. Das iſt jedoch nicht richtig.
Das „Krachen“ gehört ganz und gar nicht zu den Eigentümlichkeiten der
Seide; vielmehr iſt es eine Eigenſchaft, welche ihr durch beſondere Behand-
lung, vornehmlich durch ſaure Bäder, erſt erteilt wird, die ſie alſo
[40] durchaus nicht als ihr eigentümlich beſitzt. Rohſeide ſowohl wie entſchälte
Seide beſitzen dieſe Eigenſchaft keineswegs.


Maßgebendes für die Wertbeſtimmung der Seide. Um den
Handelswert der Seide zu beſtimmen, iſt nächſt ihrem äußeren Ausſehen
die Kenntnis des Feuchtigkeitsgehalts und des Feinheitsgrades nötig (ſ. oben).
Dieſe beiden Faktoren werden ermittelt durch das Konditionieren und das
Titrieren.


Das Konditionieren der Seide wird in beſonderen Anſtalten:
Konditionieranſtalten, ausgeführt. Ein gewiſſes Quantum der einge-
lieferten Seide wird gewogen, kommt dann in den Konditionierapparat, wird
dort in einem Trockenapparat durch auf 110° C. erhitzte trockne Luft von
ihrer Feuchtigkeit befreit ſo lange, bis keine Gewichtsabnahme mehr ſtatt-
findet, und dann wieder gewogen. Die Differenz zwiſchen der erſten und
letzten Wägung gibt den abſoluten Waſſergehalt an. Als Norm gilt nicht
die abſolut trockene Seide, ſondern eine Seide mit 10 Prozent Waſſerge-
halt, welche alſo 90 Prozent abſolut trockene Seide enthält. Das Handels-
gewicht der Seide wird demnach durch Hinzuzählen von 11 Prozent von
dem feſtgeſtellten Gewicht der abſolut trockenen Seide gefunden. Beiſpiel.
Eine Seide verliert in der Konditionieranſtalt 18 Prozent an Gewicht;
von einer derartigen Seide enthalten alſo 100 kg nur 82 kg abſolut trockene
Seide; das Handelsgewicht würde aber auf 91 kg lauten (82,0 + 8,2 +
0,8). 100 kg ſolcher 18 Prozent Waſſer enthaltenden Seide würden mit-
hin nur als 91 kg Seide von normalem Feuchtigkeitsgehalt gelten. Die
ausführliche Beſchreibung des dazu verwendeten Apparates iſt beim Kondi-
tionieren der Wolle S. 21 zu erſehen.


Das Titrieren der Seide bezweckt die Feſtſtellung des Feinheits-
grades ſowohl der Rohſeide wie der gezwirnten Seide. Dieſe wird durch
Vergleichung gefunden, indem angegeben wird, wie oft eine gewiſſe Faden-
länge in einer gewiſſen Gewichtseinheit enthalten iſt. Als Norm für den
Feinheitsgrad oder Titer (daher Titrieren) der Seide gilt eine Längeneinheit
von 1000 m, deren abſolutes Gewicht zu der Garnnummer führt, wenn
man die Zahl 1000 (1000 g = 1 kg) durch dieſes Gewicht dividiert
(Beſtimmungen des Kongreſſes für einheitliche Garnnumerierung in Turin).


Chemiſche Zuſammenſetzung. Die Seidenfaſer beſteht nach dem
vollſtändigen Entfernen des Sericins aus reinem Fibroin (vergl. oben S. 34),
einer der Hornſubſtanz naheſtehenden, aber keineswegs damit gleichbedeutenden
Subſtanz; der Unterſchied wird für den Laien am beſten beim Verbrennen
bemerkbar; Seide verbrennt ohne den widerlichen Geruch, wel-
chen Wolle beim Verbrennen verbreitet
.


Die durchſchnittliche Zuſammenſetzung beträgt:


  • Kohlenſtoff .... 48,61
  • Waſſerſtoff .... 6,50
  • Stickſtoff ..... 17,34
  • Sauerſtoff .... 27,55
  • 100,00

Schwefel enthält die Seidenfaſer nicht. Wohl aber enthält ſie noch
2 bis 2¼ Prozent Fett, Wachs und harzähnliche Stoffe.


[41]

Chemiſches Verhalten der Seide. Es iſt durchaus notwendig, ſich
zuvor darüber zu verſtändigen, was man unter „Seide“ verſtanden wiſſen
will; eine vollkommen entſchälte Seide zeigt natürlich ein ganz anderes Ver-
halten, wie die Rohſeide oder die Soupleſeide. Da ich die Eigenſchaften
der Rohſeide bereits S. 39 näher beſprochen, will ich hier vom Verhalten
der entſchälten Seide ſprechen. — Kaltes Waſſer übt keinen Einfluß
auf die Seide, ſelbſt bei längerem Kochen iſt ſie darin völlig unlöslich.
Dagegen wird mit Waſſer befeuchtete Seide bei beſtändigem längerem Luft-
zutritt etwas löslich
, infolge Aufnahme der Beſtandteile von Waſſer
und Luft in den Fibroinkörper unter Bildung von Seidenleim. — Alkohol
wird von der Seide begierig aufgeſogen und hartnäckig feſtgehalten, es tritt
jedoch keine Löſung der Seide ein. — Säuren, beſonders konzentrierte
und beim Erwärmen, löſen oder zerſtören die Seide. Kochende Salzſäure
von gewöhnlicher Stärke löſt die Seide raſch und vollkommen (Unterſchied
von Wolle); Salzſäuregas zerſtört die Faſer, ohne zu löſen; ſtark ver-
dünnte Salzſäure wirkt wenig oder gar nicht ein. Starke Salpeter-
ſäure
zerſtört raſch und vollſtändig, verdünnte bewirkt nur Gelbfärbung
infolge Bildung von Xanthoproteïnſäure. Konzentrierte Schwefelſäure
löſt die Seide zu einem braunen Sirup auf, welcher ſich in Waſſer klar
löſt; verdünnte wirkt faſt gar nicht ein. Schweflige Säure, am beſten
in Dampfform, bleicht die Seidenfaſer. Eine kalt geſättigte, dann mit dem
gleichen Volumen Waſſer verdünnte Chromſäurelöſung löſt die Seide
nach 1 Minute langem Kochen unter Oxydation vollſtändig auf (v. Höhnel).
Eiseſſig *), geſchmolzene Oxalſäure und Zitronenſäure löſen nach Lidow bei
höherer Temperatur die Seide leicht und vollkommen auf. — Löſungen
von Alkalien
löſen die Seide bei genügender Konzentration und beim
Erwärmen raſch und vollſtändig; verdünnte alkaliſche Löſungen bewirken nur
ein Aufquellen der Seide unter teilweiſer Löſung. Ammoniak wirkt ſelbſt
beim Erhitzen nicht merklich ein. Aetzkalk in Löſung macht bei längerem
Behandeln die Seide brüchig und zerſtört ſchließlich die Faſer. — Löſungen
von Alkalicarbonaten
wirken ähnlich wie die Aetzkalien, nur weit
ſchwächer; kohlenſaures Ammoniak wirkt gar nicht ein. — Chlor und die
löslichen Hypochlorite
zerſtören die Seide leicht und ſchnell; ſie dür-
fen
daher nicht zum Bleichen der Seide verwendet werden. Ab-
wechſelnde Einwirkung einer ſtark verdünnten Hypochloritlöſung und atmo-
ſphäriſcher Luft bewirken keine Zerſtörung der Faſer, machen dieſelbe viel-
mehr empfänglicher zur Aufnahme von Farbſtoffen. Ich erlaube mir daran
zu erinnern, daß ein ähnliches Verhalten bei der Einwirkung von Waſſer-
ſtoffſuperoxyd auf Celluloſe beobachtet worden iſt; auch im vorliegenden Falle
bewirkt wahrſcheinlich das Chlor eine Abſpaltung von Waſſerſtoff unter Bil-
dung von Oxyfibroin. — Gewiſſe Metallſalze erleiden durch die Seide
eine teilweiſe Zerſetzung. In dieſem Punkte verhält ſich die Seide der
Wolle ähnlich. Die Löſungen von Thonerde-, Zinn- und Eiſenſalzen wer-
den ſchon bei gewöhnlicher Temperatur (Unterſchied von der Wolle) als
baſiſchere, ſchwerer lösliche Verbindungen in der Faſer eingelagert. Aehnlich
wie die Wolle, ſcheint auch die Seide dabei die Rolle einer ſchwachen Säure
zu ſpielen. Auf der Thatſache einer derartigen Zerlegung gewiſſer Metall-
[42] ſalze beruht die Anwendung derſelben zum Beizen der Seide. — Einige
Salzlöſungen beſitzen die Eigenſchaft, die Seide ohne Zerſetzung oder
Veränderung vollkommen aufzulöſen. Hierher gehört in erſter Linie
(nach Perſoz) eine 60° B. ſtarke Löſung von baſiſchem Chlorzink,
welche die Seidenfaſer in der Kälte nur langſam, bei Anwendung von Wärme
aber leicht und ſchnell zu einer dicklichen, leimähnlichen Flüſſigkeit umwan-
delt. Aus dieſer Löſung wird das Fibroin durch Verdünnen mit Waſſer
in weißen Flocken gefällt, welche nach dem Auswaſchen des Chlorzinks ſich
in Ammoniak löſen. Werden die Flocken nach dem Auswaſchen bei 110
bis 115° C. getrocknet, ſo werden ſie glasähnlich und härter, löſen ſich
dann aber nicht mehr in Ammoniak. Eine derartige konzentrierte Chlor-
zinklöſung löſt weder Wolle noch Baumwolle, Seide hingegen quantitativ;
ſie iſt daher von Remont zur Trennung und Beſtimmung der Seide von
anderen Geſpinnſtfaſern benutzt worden. Für Arbeiten dieſer Art empfehle
ich eine Löſung von 100 Teilen Chlorzink in 85 Teilen deſtilliertem Waſſer,
worin nach erfolgter Klärung noch 4 Teile Zinkoxyd gelöſt werden. —
Aehnlich wie Chlorzink wirkt eine Löſung von Kupferoxyd-Ammoniak.
Eine vorzüglich wirkende Löſung dieſer Art erhält man nach Peligot,
wenn man Kupferſpäne, oder beſſer elektrolytiſch gewonnenes fein verteiltes
Kupferpulver mit ſtarkem Ammoniak übergießt und dafür ſorgt, daß reichlich
Luft zutreten kann. Die Peligotſche Kupferlöſung löſt in der Kälte
außer Seide auch Baumwolle. Wolle wird davon erſt beim Erhitzen ge-
löſt; aus einer ſo erhaltenen kalten Baumwollenlöſung wird die Baumwolle
durch neutrale Salze, Zucker oder Gummi als Celluloſe wieder ausgefällt;
eine gleich bereitete Seidenlöſung wird durch dieſe Reagentien
aber nicht gefällt
. — Nach Schloßberger löſt eine ammoniakaliſche
Löſung von Nickeloxydul die Seide leicht auf, läßt aber Baumwolle unver-
ändert. — Hummel empfiehlt eine alkaliſche Löſung von Kupfer und Glyce-
rin als ausgezeichnetes Löſungsmittel für Seide, wogegen Wolle und Baum-
wolle darin ungelöſt bleiben. Zur Darſtellung dieſer Löſung löſt man 16 g
Kupferſulfat in 140 bis 160 ccm deſtilliertem Waſſer und 8 bis 10 g rei-
nem Glycerin und fügt Natronlauge tropfenweis ſo lange hinzu, bis der
zuerſt gebildete Niederſchlag ſich eben wieder gelöſt hat. Der Natronlauge-
zuſatz muß vorſichtig geſchehen, um ein Vorwalten derſelben zu vermeiden.
Seide im trocknen Zuſtande iſt nicht ſo empfindlich gegen Wärme als
die Wolle; bei 110° verliert ſie ihre letzten Anteile von Feuchtigkeit, bleibt
aber ſonſt unverändert. Bei höherer Temperatur als 170° C. zerſetzt ſie
ſich ſchnell unter teilweiſer Verkohlung.


Das chemiſche Verhalten der wilden Seiden iſt noch wenig
ſtudiert. In der Litteratur findet ſich bisher nur eine Notiz v Höhnels, wonach
Tuſſah-, Ailanthus-, Yamamaiſeide und andere fremde Seiden ſelbſt nach
2 bis 3 Minuten langem Erhitzen in halbgeſättigter Chromſäurelöſung nicht
angegriffen erſcheinen. Beim Kochen mit konzentrierter Salzſäure brauchen
die fremden Seiden mindeſtens 2 Minuten zur Löſung, während Maulbeer-
ſeide ſich in ½ Minute auflöſt. Auch gegenüber mäßig konzentrierter kochen-
der Kalilauge iſt das Verhalten der fremden Seiden ein anderes, und zwar
werden dieſelben auch hier langſamer angegriffen, als die echte Seide.
(v. Höhnel, Mikroſkopie der Faſerſtoffe.)


[43]

Formen, in denen die Seide zum Färben gelangt. Abgeſehen
von der Maraboutſeide kommt Rohſeide nicht zum Färben. Der Färber
wird meiſt Seidengarn oder Seidengewebe zum Färben erhalten.
Ueber die große Anzahl gezwirnter Seiden iſt oben bei der Verarbeitung
der Rohſeide ausführlich geſprochen worden. Es wird aber im Intereſſe
des Färbers liegen, ſich bei Empfang der Ware über deren Herkunft und
Qualität, vor allem über den Grad der Entſchälung zu vergewiſſern, da
er ſeine Färbeoperationen dementſprechend einrichten muß. Andernfalls könnte
er infolge bedeutenden Gewichtsverluſtes mit ſeinem Auftraggeber leicht in
Differenzen kommen Die Seidengewebe oder Seidenzeuge entſprechen
nach Art der Herſtellung und der Einteilung den Wollengeweben. An die-
ſer Stelle intereſſieren uns nur die Gewebe aus reiner Seide, welche
Organſinſeide als Kette, Trameſeide als Schuß erhalten. Die große An-
zahl von Geweben, welche durch Verweben von Seide mit Kammgarn oder
von Seide mit Baumwolle hergeſtellt wird, und welche als Halbſeide be-
zeichnet wird, werden in einem ſpäteren Kapitel „Gemiſchte Gewebe“ näher
behandelt werden. Von den Geweben aus reiner Seide unterſcheidet man,
ähnlich wie bei den Kammgarnſtoffen:


1. Glatte Stoffe: a) Taffets; leichtere Gewebe aus entſchälter
und abgekochter Seide; dieſe zerfallen in eine Menge von Unterarten je nach
der Anzahl der zuſammengehaſpelten Fäden (Futtertaffet, Zanella, Florence,
Avignon, Kleidertaffet, Doppeltaffet, Lüſtrine). b) Gros; dichtgewebte ſchwere
Taffete aus beſonders ſtarken Fäden in Kette und Schuß, wodurch das Ge-
webe feinkörnig, oder bei ſtarker Kette und leichtem Schuß gerippt erſcheint
(Moiréeſeide, Gros de Naples, Seidenkamelott).


2. Geköperte Stoffe: a) Atlas (satin) aus beſter Organſinſeide
als Kette; der dichteſte und ſchwerſte iſt der satin fort, 10 bindig; der
eigentliche Atlas iſt 8 bindig; der geringere 5 bindig. b) Levantin; c) Croiſé;
d) Drap de soie; e) Serge; f) Bombaſin.


3. Gemuſterte Stoffe: In unendlicher Mannigfaltigkeit mit einge-
webten Muſtern, ein- oder mehrfarbig; ich kann nur die wichtigſten hier
aufführen: Seidendamaſt mit großen Muſtern; Crépon mit Atlasmuſtern
auf Grosgrund; gemuſterter Gros de Tours, Parisienne, faconnierte Florence.
Unter Brillantſtoffe ſind die Fabrikate der Seidenbuntweberei (Wappen,
Blumen, Arabesken, Landſchaften ꝛc.) zu verſtehen, ebenſo ſind hierher
die mit Gold- und Silbergeſpinnſt durchzogenen Buntgewebe, Gold- und
Silberbrokatſtoff, zu rechnen.


4. Sammtartige Gewebe: Der echte Seidenſammt kommt ſo-
wohl ungeſchnitten als aufgeſchnitten im Handel vor und findet zu teureren
Kleidern, als koſtbare Möbel- oder Vorhangſtoffe, ſowie zu beſſeren Galanterie-
waren Verwendung; der Seidenplüſch; der Velpel.


5. Gazeartige Gewebe: Seidenſtramin; Krepp oder Flor; Müller-
gaze (Beuteltuch); Seidencanevas.


§. 7. Tieriſche Haare.


Die Haare ſind Oberhautgebilde, wie die Wolle (ſ. § 5) und beſtehen,
wie jene, vorwiegend aus Horngewebe. Die Unterſchiede von Wolle und
Haar ſind S. 11 bereits dargelegt; auch chemiſch iſt ein Unterſchied nicht
[44] vorhanden; der mikroſkopiſche Unterſchied iſt gleichfalls an obiger Stelle er-
wähnt und wird durch die Zeichnungen Fig. 1 (S. 12) und Fig. 2 veran-
ſchaulicht. Aehnlich der Wolle, zeichnen ſich auch die Haare durch einen be-
ſtimmten Schwefelgehalt aus; nach v. Bibra enthalten z. B. Haſenhaare
3,06; Hundehaare 4,17; Kaninchenhaare 3,13; Rehhaare 2,1; Pferde-
haare 3,7; Menſchenhaare 4 bis 8 Prozent Schwefel.


Die Gewinnung der Haare erfolgt in gleicher Weiſe wie bei der
Wolle, durch Scheren.


Faſt alle Säugetiere liefern Haare, aber nur ein geringer Teil dieſer
Haare hat Intereſſe für die Färberei. Hier intereſſieren uns nur diejenigen,
welche zur Filz fabrikation dienen. Hierhin können wir zählen:


Figure 7. Fig. 7.

Haſenhaare.


1. Die Haſenhaare, von Lepus timidus; ſie
ſind den Kaninchenhaaren ſehr ähnlich und nur ſchwer
davon zu unterſcheiden (Fig. 7).


2. Die Hundehaare, von Canis familiaris; je
nach der Race von der größten Verſchiedenheit.


3. Die Kameelhaare, von Camelus dromeda-
rius
und Camelus bactrianus; ſie ſind dunkelbraun
bis ſchwärzlich, mit lichterer Spitze verſehen, 6 bis
9 cm und darüber lang, ziemlich fein, 40 bis 100 µ
breit.


4. Die Kaninchenhaare, von Lepus cuniculus;
ſie ſind weiß, grau bis ſchwarz, 3 bis 4 cm lang,
ziemlich weich und circa 20 µ dick, an der Baſis und
gegen die Spitze zu ſchmal, in der Mitte viel breiter,
bandartig, und an den Längsrändern dicker als in der
Mitte.


5. Die Kuhhaare, von Bos taurus, werden als
Nebenprodukt der Gerberei gewonnen. Um die tieri-
ſche Haut von ihnen zu befreien, wird erſtere ge-
äſchert, das heißt, in Kalkbrühe eingelegt und dann ge-
ſchabt. Dieſe Haare beſitzen daher immer die Haar-
zwiebel und ihre natürliche Länge. Man findet dicke
und ſtarre Grannenhaare mit breiten kontinuierlichen
Markcylindern, und ſolche mit Markinſeln, deren Zellen
ſehr dünnwandig ſind; ferner ſehr feine, markfreie Woll-
haare, von etwa 16 bis 22 Mikromillimeter Dicke.


6. Die Ziegenhaare, von Capra hircus.


Die genannten Haare enthalten alle größere oder geringere Mengen
eines grauen, braunen bis ſchwarzen Farbſtoffs eingelagert, welcher denſelben
durch Schwefeln entzogen werden kann, über deſſen Natur etwas Zuverläſ-
ſiges aber noch nicht bekannt iſt, ſo daß man annimmt, daß die Färbung der
Haare nicht auf chemiſchen, ſondern auf phyſikaliſchen Verhält-
niſſen beruhe
. In der Praxis wird ein Bleichen der Haare wohl kaum
vorkommen.


Die wertvollſte Eigenſchaft der Haare iſt ihre Plaſtizität; befeuchtet,
behalten ſie diejenige Form, welche man ihnen dann gibt, auch im trocknen
Zuſtande bei. Auf dieſer Eigenſchaft beruht die Verwendung der Haare zur
Bereitung von Filz, Haarfilz. Die Verarbeitung zu Haarfilz geſchieht
[45] vorwiegend mittels Maſchinen. Für Färbereizwecke, ſpeziell für die Fabri-
kation von Filzhüten aus reinen Haaren, kommt nur der Haarfilz in Be-
tracht. Das Färben von Menſchenhaar gehört nicht in die Färberpraxis,
und kann in dieſem Handbuch füglich unbeachtet bleiben. Beim Färben von
Haarfilz wird es ſich wohl immer nur um ſchwarze oder dunkelbraune Far-
ben handeln, worüber näheres im ſpeziellen Teil (§ 93) unter Filzfärberei.


Zu den tieriſchen Haaren ſind gewiſſermaßen auch die Byſſusfäden
oder die Muſchelſeide zu rechnen. Es ſind das olivenbraune Fäden, von
3 bis 6 cm Länge, und 10 bis 100 µ Durchmeſſer. Dieſe Fäden dienen
der Stockmuſchel (Mytilus edulis) zum Feſthalten an fremden Körpern,
und beſtehen aus dem Spinnſtoffe, der aus der Byſſusdrüſe abgeſondert und
durch einen beweglichen Fortſatz (Spinner) nach außen geleitet wird. Dieſe
Fäden ſind ſolid und zerfaſern beim Zerreißen nicht; die feinern Fäden ſind
faſt glatt, häufig um ihre Achſe gedreht und zeigen eine zarte regelmäßige
Längsſtreifung. Chemiſch iſt die Byſſusſubſtanz dem Wollhaar naheſtehend.
Im ſüdlichen Europa dienen die Byſſusfäden zur Herſtellung von Strümpfen,
Handſchuhen u. dergl. m.


§ 8. Federn.


Was für die Säugetiere die Haare, das ſind für die Vögel die Federn.
Auch ſie ſind Oberhautgebilde, unterſcheiden ſich aber durch große Flächen-
entfaltung und einen ſymmetriſchen kunſtvollen Bau. Dem Bau nach be-
ſtehen die Federn aus dem Kiel und der aus vielen parallelen Grannen
gebildeten Fahne.


Die chemiſche Zuſammenſetzung iſt die gleiche, wie die der Wolle
und Haare, auch ſie beſtehen vorwiegend aus Horngewebe. Ob die Federn
auch Schwefel enthalten, iſt aus den Analyſen von Gorup-Beſanez nicht
mit Sicherheit zu erſehen. Dagegen zeichnen ſich die Federn durch einen
Fettgehalt aus (den ſie übrigens mit den Haaren teilen); charakteriſtiſch für
ſie iſt ein verhältnismäßig hoher Gehalt an Kieſelſänre, welcher beim Haus-
hahn bis 3,71 Prozent ſteigt. Was die Vogelfedern aber von allen ande-
ren tieriſchen Oberhautgebilden unterſcheidet, iſt ihr Gehalt an Farbſtoffen;
vielfach ſind ſie blendend weiß; in der Mehrzahl der Fälle ſind ſie farbig,
und erſcheinen, beſonders bei dem Männchen, in allen erdenklichen Farben
und Nüancen von oft wunderbarer Farbenpracht, welche durch den Glanz
und das Schillern der Farben noch erhöht wird. Ueber die chemiſche Na-
tur dieſer Farben wiſſen wir bislang noch gar nichts. Von in Subſtanz
eingelagerten Farbſtoffen ſcheinen dieſelben nicht herzurühren, denn unter dem
Mikroſkop fand Bruch bei allen Federn, gleichviel von welcher Farbe, nur
dasſelbe bräunlich-ſchwarze Pigment: unter dem Mikroſkope iſt ein Farb-
ſtoff nicht zu entdecken. Ihrer ſchönen und leuchtenden Farben wegen wer-
den die Federn vielfach ohne weitere Vorbereitung als Schmuckfedern
verwendet.


Die Vögel, welche beſonders Schmuckfedern liefern, ſind:


  • 1. Der Strauß, Struthio camelus.
  • 2. Der Marabu, Leptoptilus.
  • 3. Der Pfau, Pavo cristatus.
  • 4. Der Hahn, Gallus domesticus.
  • 5. Der Faſan, Phasianus pictus.
[46]

Von den genannten haben für Färbereizwecke beſonders die Straußfedern
Bedeutung.


Alle Federn, gleichviel ob weiß oder farbig, enthalten, wie ſie in den
Handel kommen, eine beſtimmte Menge Fett, welche dem Angehen und Ein-
dringen der Farbſtoffe hinderlich iſt; es iſt daher notwendig, die Federn vor
allem zu entfetten; grane oder dunklere Federn, welche für zarte Farben
beſtimmt werden, müſſen behufs Zerſtörung des natürlichen Farbſtoffes zu-
vor gebleicht werden. Wenn der Färber Naturfedern zum Färben erhält,
wird er die erſtere Operation immer, die zweite vielfach, ſelbſt ausführen
müſſen. Dieſe beiden, ſowie die weiteren das Färben vorbereitenden Ope-
rationen finden ſich ausführlich behandelt im ſpeziellen Teil unter Federn-
färberei
(§ 94).


§ 9. Unterſchied zwiſchen tieriſcher und pflanzlicher Gewebefaſer.


Mit den in § 8 behandelten Federn ſchließt die Reihe der tieriſchen
oder animaliſchen Färbereimaterialien. Wir begegnen von der im folgen-
den Paragraph behandelten Baumwolle an einer völlig anderen Reihe von Ge-
webefaſern, welche pflanzlichen Urſprungs ſind und ſich weniger durch
ihre phyſikaliſchen Eigenſchaften, um ſo mehr aber durch ihre mikroſkopiſchen
und chemiſchen Eigenſchaften von den tieriſchen unterſcheiden. Während die
tieriſchen Färbereimaterialien als Grundſubſtanz aus Horngewebe beſtanden,
beſtehen die pflanzlichen oder vegetabiliſchen Geſpinnſtfaſern aus mehr oder
minder reiner Celluloſe. Die Hornſubſtanz iſt ausgezeichnet durch einen
gewiſſen Gehalt an Stickſtoff und an Schwefel und zeigt beim Verbrennen
jenen unangenehmen Geruch, den wir als Sengen bezeichnen; die Celluloſe
dagegen enthält weder Stickſtoff noch Schwefel, ſondern lediglich Kohlenſtoff,
Waſſerſtoff und Sauerſtoff und verbreitet beim Verbrennen keinen
Geruch
. Dieſes iſt die einfachſte und leichteſte Unterſcheidung, wenn es
ſich um nicht gemiſchte Geſpinnſtfaſern oder Gewebe handelt. Ein Garn
oder Gewebe, welches beim Verbrennen keinen Geruch nach verbranntem Horn
gibt, iſt alſo allemal frei von tieriſchen Geſpinnſtfaſern, enthält alſo keine
Wolle oder Seide.


Dieſe kurze Betrachtung ſoll keineswegs in die Unterſuchung von [Ge-
webefaſern]
einleiten, ſondern lediglich die Grenze bezeichnen zwiſchen den
beiden großen Klaſſen der tieriſchen und der pflanzlichen Geſpinnſtfaſern.


Zu letzteren zählen wir, ſoweit ſie für Färbereizwecke überhaupt in Be-
tracht kommen:


Die Baumwolle, den Flachs, den Hanf, die Jute, die Neſſel, das
Chinagras.


§. 10. Baumwolle.


Von allen Geſpinnſtfaſern pflanzlicher Abſtammung iſt die Baumwolle
zur Zeit die wichtigſte und gilt augenblicklich als der Hauptrepräſentant der
vegetabiliſchen Gewebefaſern. Was wir als Baumwolle bezeichnen,
ſind die aus faſt reiner Celluloſe beſtehenden Samenhaare der
Baumwollenſtaude, ein weißer lockerer Flaum, welcher die
Baumwollſamen einhüllt
.


[47]

Herkunft. Die Pflanzen, welche die Baumwolle liefern, ſind Bäume
oder Sträucher der zur Familie der Malvaceen gehörenden Gattung Gossy-
pium
und zwar:


  • 1. Gossypium herbaceum L., ein Strauch von circa 1 m Höhe mit
    gelben Blüten, in Südoſteuropa, Kleinaſien und Indien kultiviert.
  • 2. Gossypium arboreum L., ein Baum von 6 bis 7 m Höhe mit
    rotvioletten Blüten, in Oſtindien heimiſch, in China, Aegypten und Nord-
    amerika gebaut.
  • 3. Gossypium hirsutum L., ein Staudengewächs von circa 2 m Höhe
    mit lichtgelben Blüten, in Weſtindien heimiſch, in Nordamerika und Texas
    kultiviert.
  • 4. Gossypium barbadense L., ein Staudengewächs von 4 bis 5 m
    Höhe mit gelben Blüten, in Nordamerika und auf den weſtindiſchen Inſeln
    angebaut.
  • 5. Gossypium religiosum L., ein kleiner Strauch von circa 1 m
    Höhe mit gelben Blüten, in China heimiſch, und in Oſtindien und Italien
    kultiviert.
  • 6. Gossypium peruvianum, eine Pflanze von 4 bis 5 m Höhe, in
    Südamerika heimiſch.
  • 7. Gossypium acuminatum.
  • 8. „ conglomeratum.
  • 9. „ indicum.
  • 10. „ vitifolium.
  • 11. „ flavidum.
  • 12. „ accumulatum.

Die Gossypium-Arten tragen Samenkapſeln, welche zur Zeit der Frucht-
reife aufſpringen, ſo daß ein Teil des Kapſelinhalts als dichter weißer
Schopf heraustritt. Die Baumwollſamen (3 bis 5 in jeder Kapſel) werden
dann mit den daran haftenden Samenhaaren, welche bei den verſchiedenen
Arten von verſchiedener Länge und Stärke ſind, herausgenommen und ge-
trocknet; die Samenhaare ſind meiſt rein weiß, nur bei Gossypium religio-
sum
ſind ſie gelblich. Die Samenhaare beſtehen aus kurzen, zum Ver-
ſpinnen nicht geeigneten Haaren, der ſog. Grundwolle, welche den gerin-
gern Teil ausmachen und meiſt gelblich bis intenſiv gelb, bei Gossypium
hirsutum
ſogar ſmaragdgrün ſind, und aus langen Haaren, welche die Haupt-
menge bilden, der eigentlichen Baumwolle.


Gewinnung. Die Gewinnung beſteht in der mechaniſchen Trennung
der Samenhaare von den Samen. Dieſe Operation heißt das Entkernen
oder Egrenieren, und wird durch Maſchinen bewerkſtelligt, welche Egre-
niermaſchinen
heißen und aus einer Reihe kreisrunder Sägeblätter be-
ſtehen, die auf einer gemeinſamen Walze ſitzen und in der Minute 90 bis
100 Umdrehungen machen. Die von den Samen befreiten Baumwollen-
haare werden dann nach Länge, Farbe und Reinheit ſortiert, mit Hilfe von
hydrauliſchen Preſſen in Säcke von Hanf oder Jute gepreßt (Amerika) oder
in Tierhäute verpackt (Kleinaſien) und kommen als Rohbaumwolle in
den Handel.


Handelsſorten der Baumwolle. Die Rohbaumwolle wird in ihren
phyſikaliſchen Eigenſchaften bedingt ſowohl durch die Abſtammung von den
[48] verſchiedenen Gossypium-Arten, wie auch durch klimatiſche Einflüſſe und
durch die Kultur in den Baumwollplantagen. Dieſer Umſtand macht eine
ſcharfe Unterſcheidung der einzelnen Handelsſorten ſehr ſchwierig. Parla-
tore
hat 7 Haupttypen aufgeſtellt: 1. Nordamerikaniſche; 2. Südameri-
kaniſche; 3. Weſtindiſche; 4. Oſtindiſche; 5. Levantiner; 6. Afrikaniſche;
7. Europäiſche. Todaro hat ſie dagegen in 50 Arten eingeteilt. Im Han-
del werden die verſchiedenen Sorten nach dem Namen des Platzes oder der
Gegend bezeichnet, wo ſie gewachſen ſind. Als Norm wird die Qualität
der Produkte aus den hauptſächlichſten Produktionsgebieten wie folgt rangiert:


  • 1. Sea-Island (gebaut an der Küſte und vorliegenden Inſeln von
    Florida und Georgia).
  • 2. Aegypten (drei ſcharf unterſchiedene Varietäten umfaſſend: Gallini,
    Braun und Weiß).
  • 3. Peru oder Braſilien (umfaſſend: Pernambuco, Ceara, Bahia und
    Maranham).
  • 4. Amerika (umfaßt: Orleans, Upland, Mobile und Texas).
  • 5. Madras (Tinnivelly).
  • 6. Indien oder Surat (umfaßt: Hingunghat, Oomrawattee, Broach,
    Dhollerah, Dharwar, Comptah und Scinde).
  • 7. Afrika.

Dieſe ſieben Varietäten umfaſſen die, welche für uns die größte Wich-
tigkeit im Handel beſitzen; ſelbſtverſtändlich gibt es noch viele andere,
aber von geringerer Wichtigkeit bezüglich der Ausbreitung ihrer Kultur.
Beiſpielsweiſe gibt es Fidji-Inſeln, Tahiti-Inſeln ꝛc. ꝛc., die im Preiſe
hinter den Sorten, die an den Küſten von Georgia und Florida gewachſen
ſind, rangieren.


Beſchreibung der verſchiedenen Varietäten*). Sea-Island:
Dieſe Sorte beſitzt alle Eigenſchaften, die eine vollkommene Baumwolle aus-
machen, im höchſten Grade, da ſie lang und ſeidenartig in der Faſer und glänzend
in der Farbe iſt, obgleich ſie unglücklicherweiſe in vielen Ernten eine große
Menge ſehr kurzer und unreifer Faſern enthält, die ſich bei der Verarbei-
tung zu Büſcheln vereinigen und, indem ſie ſich um die langen Faſern her-
umlegen und verflechten, ſich äußerſt ſchwer entfernen laſſen; ſie verur-
ſachen oft noch großen Verdruß, indem ſie ſich in den ſpäteren Stadien der
Verarbeitung aufdrehen. Der allgemeine Charakter dieſer Sorte jedoch ſteht
weit über allen anderen, weshalb ſie im Handel am höchſten geſchätzt wird
und nur zur Produktion der feinſten Baumwollfabrikate dient, wie Mouſſe-
lin, Spitzen ꝛc. ꝛc., ſowie namentlich auch als Nähgarn. Sie wird jetzt
auch viel in der Seidenmanufaktur gebraucht, da eine Miſchung dieſer bei-
den Materialien für gewiſſe Waren erforderlich iſt.


Dieſer ſteht am nächſten die


Aegyptiſche Baumwolle: Dieſe Varietät wird wiederum in drei
andere eingeteilt, nämlich: Gallini, Braun und Weiß. Die Gallini-
Baumwolle iſt die vollkommenſte der ägyptiſchen Art, da ſie eine ſchön lange
und feine Faſer beſitzt, jedoch hierin der Sea-Island nicht gleichkommt.
Was die Länge ihrer Faſer anbetrifft, ſo iſt dieſelbe oft ſehr unregelmäßig,
da ſie in manchen Lieferungen einen beträchtlichen Prozentſatz kurzer Faſern
enthält, die entfernt werden müſſen, ehe die Baumwolle mit beſtem Nutzen
[49] verarbeitet werden kann, und dies kann eigentlich nur geſchehen, indem man
ſie durch die Kratzmaſchinen gehen läßt. Wenn man die verſchiedenen
Stadien der Manipulation ſorgfältig beobachtet, ſo wird man finden, daß
eine verhältnismäßig große Menge von ſchlechtem Abfall gewonnen wird.
Und das läßt ſich auf dieſen Fehler zurückführen, da die lange Faſer ſtets
beſtrebt iſt, die kürzere herauszuziehen, ſo daß es eine Unmöglichkeit iſt, eine
kurzfaſerige mit einer langfaſerigen Varietät erfolgreich zu vereinigen. —
Die braune ägyptiſche Baumwolle iſt bemerkenswert wegen ihrer anziehen-
den Erſcheinung, denn ſie iſt von tiefer Crême- oder Orangefarbe. Die
Tiefe dieſer Färbung variiert ſeltſamerweiſe in geringem Grade bei ver-
ſchiedener Witterung: die Farbe iſt dunkler, wenn die Luft feucht, und
heller, wenn die Atmoſphäre trocken und warm iſt. Wegen ihrer Farbe
kann dieſe Varietät nicht in Verbindung mit einer anderen benutzt, ſon-
dern muß für ſich verarbeitet werden, wenn ſie zur Herſtellung von ver-
hältnismäßig hohen Nummern von Garn benutzt werden ſoll, da ſie die
Eigenſchaft einer langen und feinen Faſer beſitzt, worin ſie ſogar der Gallini-
varietät, die wir ſchon beſchrieben haben, wenig, wenn überhaupt, nachſteht.
Aus dieſem Grunde wird ſie gut bezahlt und nimmt in der Gunſt und
Achtung der Kaufleute die dritte Stelle ein.


Die weiße ägyptiſche Baumwolle wurde urſprünglich aus amerikani-
ſchem Samen gezogen, aber dank dem beſſeren Boden und Klima für das
Wachstum der Baumwollpflanze hat ſie ſich zu einer vollkommeneren Form
entwickelt als ihre Stammform. Unglücklicherweiſe jedoch iſt dieſe Varietät
oft ſehr ſchmutzig, da ſie manchmal beträchtliche Mengen von Blättern,
Samen ꝛc. enthält, die beim Durchlaufen der Operationen oft aufgebrochen
werden und mit dem ſonſt guten Material ſich miſchen, wodurch die Garne,
wenn Schalen nicht vorher ſorgſam entfernt werden, ein ſchmutziges und
unregelmäßiges Ausſehen erhalten und dadurch in vielen Fällen allen Be-
teiligten Unannehmlichkeiten und Verdruß verurſachen.


Braſilianiſche und Peruvianiſche Baumwolle: Der ägypti-
ſchen zunächſt ſteht die ſüdamerikaniſche Baumwolle, bekannt als braſiliani-
ſche und peruvianiſche. Der Baumwollſorten, die unter dieſem Namen kom-
men, ſind viele und verſchiedenerlei, ſowohl bezüglich der Struktur und
Qualität der Faſer, wie auch bezüglich der Farbe; im allgemeinen jedoch
beſitzen ſie eine lange Faſer, in vielen Fällen vollkommen gleich der ägypti-
ſchen, aber ſie iſt von rauherer Natur, daher weniger geſchmeidig und der
Drehung nicht ſo nachgiebig. Die beſſeren Qualitäten dieſer Sorte werden
oft in Verbindung mit ägyptiſcher Baumwolle gebraucht, ſo die Produktions-
koſten des Garnes vermindernd und den Fabrikanten größeren Nutzen ver-
ſchaffend. Die Ernten der ſüdamerikaniſchen Baumwollen ſind manchmal
ſehr verunreinigt, indem ſie bedeutende Mengen zerbrochener Blätter, Sa-
men ꝛc. enthalten, wodurch die ſorgfältigſte und gründlichſte Arbeit in den
vorbereitenden Prozeſſen des Reinigens nötig wird, wenn man ein befriedigen-
des Garn haben will. Eine kurze Beſchreibung der wichtigſten Arten iſt
folgende:


Pernambuco: Eine der beſſeren Baumwollſorten von feiner Crême-
farbe, der ägyptiſchen ſehr wenig nachſtehend, von dieſer nur in der Fein-
heit und Elaſtizität der Faſer unterſchieden. Dieſe Varietät iſt gewöhnlich
auch ſehr teuer.


Ganswindt, Färberei. 4
[50]

Maranham: Mehr Unregelmäßigkeit und Abwechſelung in der Fein-
heit der Faſer, dieſe auch kürzer als bei der vorigen Varietät, und noch
mehr verunreinigt. Nichtsdeſtoweniger iſt es eine recht gute Baumwolle
und wird in 60er Garn geſponnen, wenn ſie zugleich mit ägyptiſcher ver-
wendet wird.


Ceara: Eine der Maranham ſehr ähnliche Baumwolle, vielleicht ſo-
gar eine Idee beſſer.


Bahia: Im allgemeinen den anderen vorherigen Arten nachſtehend,
da kürzer in der Faſer und drahtartig. Sie iſt auch unreiner, da ſie bis-
weilen viel Samen, Schalen und andere Verunreinigungen enthält. Doch
beſitzt ſie eine gute Eigenſchaft in der Länge ihrer Faſer, worin ſie ſowohl
Maranham wie Ceara übertrifft, Pernambuco aber nicht erreicht.


Die ſüdamerikaniſchen Baumwollen als Ganzes ſind lang im Faden,
aber gröber als andere Varietäten mit derſelben Eigenſchaft. Sie variieren
auch beträchtlich zu verſchiedenen Zeiten, weshalb kaum zwei Ernten
oder ſelbſt zwei Ballen einander gleich ſind, ſo daß man beim Vermiſchen
mit beſſeren Sorten ſehr vorſichtig ſein muß. Dieſe Varietät wurde zuerſt
in England vor etwas über hundert Jahren eingeführt, ſcheint aber damals
in einem jämmerlichen Zuſtande geweſen zu ſein, thatſächlich voll von Blät-
tern, Samen und unreifen Faſern.


Amerikaniſche Baumwolle: Im Range auf die peruvianiſche und
braſilianiſche folgend, haben wir hier die Art, die man die „Baumwolle des
Handels“ nennen könnte, nämlich die amerikaniſche, von der die Exiſtenz der
engliſchen Fabriken geradezu abhängt. Der Anbau dieſer Pflanze hat vor
einigen Jahren in den Vereinigten Staaten die rieſigſten Dimenſionen an-
genommen, denn nicht weniger als 12000000 Acker werden mit Baumwolle
beſäet, worauf nahezu 3000 Millionen Pfund oder ungefähr 6 Millionen
Ballen Rohmaterial jährlich gewonnen, wovon etwa ⅔ nach Großbritan-
nien exportiert werden. Die amerikaniſchen Baumwollen ſind im all-
gemeinen kurz in der Faſer, aber verhältnismäßig fein und von kleinem
Durchmeſſer.


Die hauptſächlichſten unter den verſchiedenen Varietäten amerikaniſcher
Baumwolle ſind folgende:


Orleans, Texas, Upland und Mobile.


Orleans: Dies iſt das feinſte Produkt der amerikaniſchen Ernte, da
ſie ſehr rein, von glattem, ſeidenartigem Anſehen, aber nicht ſo feſt wie ägyp-
tiſche iſt. Die Faſern ſind viel biegſamer und elaſtiſcher, als bei der peru-
vianiſchen, und ſie vereinigt ſich leicht ſowohl mit ägyptiſcher wie mit peru-
vianiſcher.


Dieſe Baumwolle wird von den Abnehmern hoch geſchätzt wegen ihrer
allgemeinen Vortrefflichkeit und Verwendbarkeit zum Spinnen mittlerer und
grober Garne.


Dank der allgemeinen Gunſt, deren ſich dieſe Varietät diesſeits des
atlantiſchen Oceans erfreut, ſind die Kaufleute jenſeits des großen Waſſers
in einigen Fällen darauf gekommen, uns mit minderwertigen Sorten zu ver-
ſorgen, die ſie in Orleans verſchifften in dem Glauben, ſie würden für
Orleans gehalten werden.


Die Mehrheit der mit dieſer Baumwolle arbeitenden Spinner hat zu
der einen oder anderen Zeit in ihren Lieferungen ein oder zwei Ballen ge-
[51] funden von viel geringerer Qualität, als die anderen oder die Probe. Das
kann nur auf den angeführten Urſprung zurückgeführt werden, da der Unter-
ſchied zu groß iſt, als daß er nur durch die gewöhnlichen Veränderungen
der Witterung ꝛc., denen die verſchiedenen Ernten einer Baumwollart unter-
worfen ſind, verurſacht ſein könnte.


Texas: Nächſt der Orleansbaumwolle folgt die als Texas bekannte.
Dieſe Varietät wird nach Großbritannien in großen Mengen eingeführt und
in großem Maße zur Herſtellung grober Garne benutzt. Die Länge der
Faſer iſt noch geringer als bei Orleans, der allgemeine Charakter iſt aber
derſelbe.


Uplands: Uplandbaumwolle wird zum Spinnen grober Garne ſehr
geſchätzt, obgleich ſie gelegentlich beträchtliche Mengen von Sand und ande-
ren Verunreinigungen enthält, außerdem auch mehr oder weniger unregel-
mäßig in der Faſer iſt. Ihre Fäden ſind in der Regel von geringerer
Feſtigkeit, und da dieſe Baumwolle von weicher Struktur iſt, ſo eignet ſie
ſich mehr zum Spinnen von Schußgarn.


Mobile: Mobilebaumwollen ſind vorhergehenden Varietäten nach-
ſtehend, von weißlicher Farbe, enthalten auch unglücklicherweiſe zu verſchie-
denen Zeiten beträchtliche Mengen Blattſtückchen, Samen, Sand und andere
Verunreinigungen, die natürlich bei der Arbeit große Verluſte verurſachen
und infolgedeſſen den Handelswert herabſetzen.


Struktur und allgemeiner Charakter amerikaniſcher Baumwollen ſind
folgende: 1. kurze, 2. ſchwache, 3. weiche Faſer und 4. weiße Farbe, in
welcher Hinſicht ſie eine auffallende Erſcheinung im Vergleich zu den ägypti-
ſchen Baumwollen darbieten.


Im Handel werden die amerikaniſchen Baumwollen zum Spinnen wei-
cher Garne oder, techniſch ausgedrückt, ſogenannter Schußgarne benutzt, und
auch nur für die ſchlechteren Sorten, da die Kürze der Faſer die Möglich-
keit ausſchließt, zu einem ſehr feinen Faden ausgezogen zu werden. Bei
weitem die größte Maſſe der Produktion der Lancaſhirer Maſchinen iſt
aus amerikaniſcher Baumwolle; die davon geſponnenen Garne enthalten von
ungefähr 40 Strähnen pro Pfund engl. abwärts, obgleich beim Miſchen
mit braſilianiſcher oder der weißen Varietät der ägyptiſchen Baumwolle es
bis auf ungefähr 60 feiner Strähne pro engl. Pfund gebracht werden kann.


Leider werden uns die amerikaniſchen Baumwollen bisweilen in ſehr
ſchlechtem Zuſtande dargeboten, beſonders die geringeren Varietäten, die
manchmal ſogar durch Zuſatz von Sand oder Waſſer ſehr beſchädigt wer-
den, in der betrügeriſchen Abſicht, das Gewicht des Ballens zu vermeh-
ren, eine Operation, die nicht allein einen Verluſt im Preiſe des Pfundes
Baumwolle bedeutet, der für den Sand oder das Waſſer bezahlt wird, ſon-
dern auch den Wert und die Verarbeitungsfähigkeit der Baumwolle im ganzen
herabſetzt. Dieſe künſtlichen Zuſätze waren in einigen Fällen von ganz
außerordentlicher Art; beiſpielsweiſe war in der Mitte eines Ballens, der
bei einem Unternehmer in Oldham geöffnet wurde, ſo viel Sand, daß er
mit einer Schaufel herausgenommen werden konnte, während in einigen ande-
ren Ballen, welche zur Beobachtung kamen, ſo viel Waſſer zugeſetzt worden
war, daß die Baumwolle vollſtändig verdorben und nicht zu gebrauchen war.
4*
[52] Natürlich ſind derartige Fälle nur Ausnahmen, doch war das Beſtreben,
das Gewicht bis zu gewiſſem Grade künſtlich zu vermehren, vor einiger Zeit
ſehr allgemein und rief auf Seite der Spinner viel Unwillen hervor.


Indiſche Baumwolle: Im Anſehen der Kaufleute ſteht der ameri-
kaniſchen die indiſche oder Suratbaumwolle am nächſten, im allgemeinen
den vorhergegangenen Sorten viel nachſtehend, obgleich nicht viel kürzer oder
gröber als die amerikaniſche. Der letzteren ſteht ſie nach, weil ſie unreiner
iſt, was daher kommt, daß ſie in den vorbereitenden Prozeſſen des Aus-
zupfens und Entkernens nicht ſo gut gereinigt wird. Seit einigen Jahren
iſt dieſe Varietät ſehr in Nachfrage gekommen, ſo daß ſie die zweitwichtigſte
Stelle in der Maſſe des Bedarfs einnimmt. Die hauptſächlichſten Varie-
täten der indiſchen Baumwolle ſind folgende: Hingunhat, Oomrawattee,
Broach, Dhollerah
, und Dharwar.


Hingunhat: Dieſe erſte iſt viel wertvoller als die anderen, denn die
Faſer iſt verhältnismäßig lang, fein und feſt, und frei von Blättern und
den anderen Verunreinigungen, denen die indiſchen Baumwollen im allge-
meinen unterworfen ſind. Dieſe Varietät wird oft mit amerikaniſchen Baum-
wollen gemiſcht, da alsdann feinere Garne hergeſtellt werden können, als
wenn ſie für ſich verarbeitet wird.


Oomrawattee: Iſt eine kürzerfaſerige Baumwolle als die letztge-
nannte, wenn ſie aber extra gereinigt und entſamt wird, ſo iſt ſie trotzdem
ſehr brauchbar für grobe Garne. Sie iſt gewöhnlich hübſch gleichmäßig in
der Länge der Faſer und von hübſch glatter Farbe, enthält aber gelegent-
lich eine große Menge zerbrochener Blätter ꝛc., die natürlich ihren Markt-
wert herabſetzen.


Broach: Iſt eine Baumwolle mit einer durchſchnittlich kürzeren Faſer,
als jede der beiden vorhergehenden; da ſie aber von feiner, weicher Beſchaffen-
heit und gewöhnlich ſehr rein iſt, ſo wird ſie von den Spinnern lieber zur
Herſtellung geringer Sorten Schußgarn benutzt, als Oomrawattee, und er-
zielt deshalb auch einen höheren Marktpreis.


Dhollerah: Iſt oft ſehr ſchmutzig, enthält bisweilen keinen geringen
Prozentſatz an Blättern, Samen, Sand und unreifen Faſern, die ihren Wert
ſehr vermindern; andererſeits beſitzt ſie eine ſchön lange Faſer, die der von
Hingunhat kaum nachſteht, obgleich ſie etwas gröber iſt.


Dharwar: Iſt faſt dieſelbe wie Dhollerabaumwolle, aber eher etwas
lebhafter gefärbt, und wird nur zu den gröbſten Garnen genommen. Der
beim Verarbeiten entſtehende Verluſt oder Abfall iſt ſehr beträchtlich.


Madras: Von dieſer Baumwolle ſind zwei Arten bekannt als Tinni-
velly
und Weſtern, wovon die erſte bei weitem beſſer als die andere iſt,
nicht ſowohl in Bezug auf die Länge der Faſer, da beide in dieſer Be-
ziehung ziemlich gleich ſind, ſondern in Bezug auf den allgemeinen Charak-
ter der Baumwolle als Ganzes und ihre Fähigkeit, ſich verarbeiten zu laſſen.
Tinnivelly ähnelt in mancher Beziehung der Broachbaumwolle, während
Weſtern im Charakter einigermaßen der Dharwar ähnelt.


Von den indiſchen Baumwollen iſt die bengaliſche die ſchlechteſte, da
ſie beträchtlich unter dem Durchſchnitt der ſchlechteſten Art unter den ande-
ren Varietäten ſteht. Als der Import dieſer Art bei uns verſucht wurde,
[53] fand man, daß ſie ſich praktiſch nicht verarbeiten ließ, weil ſie zu ſtark ver-
unreinigt war. Es iſt eine arme Sorte Baumwolle und von geringem
Wert für den Handel.


Die indiſchen Baumwollen im ganzen ſind charakteriſiert durch 1. eine
kürzere Faſer, 2. Unreinheit, 3. mehr unreife Faſern, 4. gröbere und un-
gleichmäßigere Faſer als andere Handelsſorten; aber unabhängig davon,
nehmen ſie eine ſehr wichtige Stellung ein in unſerem heimatlichen Konſum
zur Herſtellung von Garn für gröbere Fabrikate. In vielen Fällen werden
die beſſeren Sorten dieſer Baumwolle mit amerikaniſcher gemiſcht, was ihre
Fähigkeit, verſponnen zu werden, vermehrt, weil ſonſt die Faſer zu kurz oder
zu grob wäre, um ein beſtimmtes Garn zu erzeugen; und die amerikaniſche
iſt für ſich zu teuer, weshalb beide in einem beſtimmten Verhältnis mitein-
ander gemiſcht werden, ſo daß das gewonnene Garn zum möglichſt billigen
Preis verkauft werden kann. Für ſehr geringe Nummern, etwa 10er bis
20er, wird dieſe Baumwolle oft mit dem Abfall beſſerer Varietäten gemiſcht,
der ihr im allgemeinen gleich an Faſer und anderen Eigenſchaften iſt und
ſich leicht mit ihr miſcht.


Als Zuſatz zu dem ſchon Mitgeteilten werden die nun folgenden Be-
merkungen über die Herkunft, die Zeit des Pflanzens und der Ernte, und
annähernde Daten, wann die neuen Baumwollernten in Liverpool eintreffen,
für manchen von Intereſſe ſein:


Afrikaniſche Baumwolle: Von verſchiedenen Teilen Afrikas be-
kommen wir eine Baumwollenvarietät, die in der That als recht gut zu be-
trachten iſt, viel beſſer, als manche Varietäten der Suratebaumwolle. Die
Inſel Bourbon erzeugte eine ſehr gute Sorte Baumwolle, deren Stapel fein
und ſeidenartig war, von ſehr weißer Farbe und rein. Dieſe Varietät
wurde ſehr geprieſen, wird aber jetzt ſehr wenig verarbeitet, da ſie durch die
amerikaniſchen Unternehmungen mit der Kultur der Sea-Islandbaumwollen
verdrängt worden iſt, welche noch beſſer ſind. Auf dem afrikaniſchen Konti-
nente wird die Baumwollpflanze in beträchtlicher Ausdehnung gebaut; die
Baumwolle wird, wie ſchon bemerkt, als recht gut betrachtet und erzielt im
Durchſchnitt einen höheren Preis auf den engliſchen Märkten, als die Surate-
baumwolle.


Amerikaniſche Baumwolle: Es iſt faſt überflüſſig zu erwähnen,
daß dieſe in den ſüdlichen Staaten der amerikaniſchen Union wächſt. Das
Pflanzen beginnt meiſt um den 20. März herum und dauert bis zum
10. April, je nach dem Wetter und anderen Urſachen auch noch länger.
Die erſten Ballen kommen im allgemeinen Anfang Juli auf den Markt.
Die Ernte dauert vom Juli bis zum November und manchmal bis zum
nächſten Februar. Während des letzten Monats erſchien ein Bericht, daß
ſie in einem Diſtrikt ſelbſt dann noch nicht vollendet war. Kleine Partien
der neuen Ernte kommen Anfang September in Liverpool an. Die größten
Zufuhren fallen vom November bis einſchließlich März.


Braſilianiſche Baumwolle: Die braſilianiſche Pflanze dauert be-
merkenswerterweiſe drei Jahre aus und trägt im zweiten Jahr die beſte
Ernte. Sie wächſt hauptſächlich in den Provinzen, deren Auswege Pernam-
buco, Ceara, Maceio, Bolivia ꝛc. ſind. Sie wird meiſt im Frühjahr ge-
ſäet, obgleich auch in manchen Gegenden das Pflanzen im November ſtatt-
findet und dementſprechend auch die Leſe eher beginnt. Die gewöhnliche
[54] Erntezeit iſt vom Juli bis zum Dezember. Der zu uns verſchiffte Teil
der Ernte kommt hauptſächlich von Dezember bis Mai an.


Aegyptiſche Baumwolle: Dieſe Baumwolle wächſt am Nil-Delta.
Sie wird vom März bis April geſäet. Die allgemeine Ernte beginnt un-
gefähr am 1. Oktober, obgleich einige Ballen ſchon im September nach
Alexandria kommen. Die Ernte dauert bis zum Februar. Ankunft in Eng-
land bis März.


Smyrna: Dieſe Baumwolle wächſt hauptſächlich in den Diſtrikten
um Smyrna herum; die Plantagen liegen hauptſächlich in den Ebenen und
auf den Abhängen am Meander und anderen Flüſſen, die von der Berg-
kette des „Sultan Dagh“ abfließen. Saat- und Erntezeit ſind wahrſchein-
lich ungefähr zuſammenfallend mit denen von Aegypten, da die Ernte un-
gefähr zu derſelben Zeit auf den Markt kommt.


Oſtindiſche Baumwolle: Die unter dieſem Namen zuſammenge-
faßten Baumwollenſorten wachſen hauptſächlich in der Umgebung vom Bom-
bay, Madras, und in den nordweſtlichen und Centralprovinzen. In der
Präſidentſchaft Bombay, den Centralprovinzen und den Berars findet die
Ausſaat im Juni und Juli ſtatt. In Dharwar und den ſüdlichen Diſtrik-
ten von Bombay, und in der Präſidentſchaft Madras wird ſie bis Auguſt
und September aufgeſchoben. Die Leſe beginnt in den Berars im Novem-
ber und in Guzerat im Dezember oder Januar, und dauert bis in den
März oder April. In Madras fängt ſie im Februar oder März an und
wird bis April oder Mai fortgeſetzt. Die erſten Lieferungen treffen in Bom-
bay ungefähr in folgender Reihenfolge ein: — Oomrawattee ꝛc. Dezember
und Januar; Broach Februar und März; Dhollera März und April;
Comptha April und Mai. In Liverpool treffen die neuen Ernten unge-
fähr im März zuerſt ein, und der hierher kommende Teil iſt im allgemei-
nen vor Ende Auguſt vollſtändig abgeliefert.


Weſtindiſche Baumwolle: Dieſe liefert nur einen kleinen Beitrag
zu unſerem Bedarf. Ausſaat, Ernte und Ablieferung in unſere Gegend ſind
ungefähr gleichzeitig mit der braſilianiſchen.


Einige Varietäten der indiſchen Baumwollen nähern ſich in ihrer Struk-
tur und ihren Merkmalen ſehr der wilden Baumwolle, indem ſie rauh und
drahtartig ſind, und nicht aus hohlen, plattgedrückten, gedrehten Röhren,
ſondern aus geraden und ſoliden Fäden beſtehen, oder doch teilweiſe. Das
iſt das ausſchlaggebende Ausſehen der wilden Baumwolle, und aus dieſem
Grunde iſt ſie, wenigſtens für Fabrikationszwecke, unbrauchbar.


Unter dem Mikroſkop iſt das Ausſehen der verſchiedenen
Varietäten meiſt klar zu unterſcheiden
, und das gibt eine leicht
zu erwerbende und für den Verarbeiter leicht anwendbare Kenntnis der ver-
ſchiedenen Faſern ab. Im folgenden iſt das Reſultat der mikroſkopiſchen
Unterſuchung einiger der wichtigſten Varietäten enthalten:


1. Sea-Island. Viel feiner und klarer als eine der anderen Varie-
täten. Die Drehung der Faſer ſcheint viel dichter zu liegen und faſt voll-
kommen ſpiralförmig zu ſein. Die allgemeine Erſcheinung iſt gleichförmig
und regelmäßig.


2. Gallini-Aegypten. Gleichmäßig gedreht, von kleinem Durch-
meſſer, hat die Faſer ein klares und deutliches Ausſehen.


[55]

3. Braun-Aegypten. Gröber und nicht ſo regelmäßig wie Gallini;
aber im ganzen hat ſie eine klare und ziemlich gleichmäßige Faſer.


4. Weiß-Aegypten. Die Faſer dieſer Varietät erſcheint viel flacher,
als eine der beiden erſtgenannten Varietäten, die Drehung iſt weiter und
nicht ſo regelmäßig, da die Faſer an manchen Stellen mehr gedreht iſt als
an anderen.


5. Pernambuco. In der Dicke ziemlich regelmäßig, aber rauher
und nicht ſo elaſtiſch, wie ſowohl New-Orleans als Aegypten. Die Faſer
nicht ſowohl klar, als vielmehr eher rauh in den Umriſſen.


6. Orleans. Von ſpirocylindriſchem Bau, mit ſchön ausgeprägter
Drehung, obgleich die Dicke der Faſer wechſelt, da einige gröber als an-
dere ſind.


7. Upland. Bei weitem nicht ſo regelmäßig wie Orleans; die Wände
der Faſern ſcheinen etwas dicker zu ſein. Manche Fäden ſcheinen der Dre-
hung faſt ganz zu entbehren, andere ſind mehr ſpiralig.


8. Hingunhat. Von halbcylindriſchem Bau, grob, mit wenig ab-
geflachten Rändern, faſt ganz ohne Drehung. Im Vergleich mit anderen
Varietäten indiſcher Baumwolle erſcheint dieſe von viel beſſerer Beſchaffen-
heit, weil ſie beſſer gedreht iſt und weniger volle Fäden enthält.


Vergleicht man einige Faſern Sea-Islands und Orleans miteinander
unter dem Mikroſkop, ſo iſt der Unterſchied zwiſchen beiden ſehr auffallend.
Bei der erſten iſt die Drehung dicht und regelmäßig und verleiht der Faſer
ein viel zarteres Ausſehen, während die andere flacher und unregelmäßiger
ausſieht.


Vergleicht man Gallini mit der weißen ägyptiſchen Baumwolle, ſo fällt
dem Unterſucher ſofort der Unterſchied in der Dichte der Drehung und in
der cylindriſchen Erſcheinung der beiden Varietäten auf, da die erſte in jeder
Beziehung über der letzteren ſteht.


Die Gallini-Aegyptiſche Baumwolle ſteht, obgleich von ſehr hervorra-
gender Beſchaffenheit, trotzdem weit unter Sea-Island, was man am beſten
verſteht, wenn man die Faſern beider Varietäten zuſammen unter dem Mikro-
ſkop prüft. Die Faſern der letzten erſcheinen viel feiner und verleihen der
Drehung der anderen ein unregelmäßiges Anſehen im Vergleich mit dem
eigenen.


Eigenſchaften. Die Baumwollfaſer, ohne Rückſicht auf die Varietät,
erſcheint ſchon bei geringer Vergrößerung als ein zartes, farbloſes, am Rande
verdicktes, ſtellenweiſe, ſeltener der ganzen Länge nach, korkzieherartig ge-
drehtes Band. Dieſe Drehung iſt für die Baumwolle charakteriſtiſch. Es
ſind dies keine vollen Fäden, ſondern flache, hohle Cylinder, bandförmig,
unregelmäßig, korkzieherartig gedreht durch die ganze Länge und nach einem
Punkte ſpitz zulaufend. Dieſe natürliche Drehung variiert bei den Faſern
verſchiedener Varietäten, indem die feineren Arten unter dem Mikroſkop eine
größere Zahl und mehr Gleichmäßigkeit der Drehungen zeigen als die gröbe-
ren Varietäten. Dieſe natürliche Drehung iſt von großem Nutzen für den
Spinnprozeß, dem die Baumwolle unterworfen wird, da, wenn ſie dieſe
Eigenſchaft nicht hätte, die Leichtigkeit, mit welcher die Faſern vereinigt wer-
den, ſtark vermindert würde. Man wird das Geſagte beſſer verſtehen, wenn
man das ſehr einfache Experiment ausführt, ein paar Faſern Baumwolle
[56] zwiſchen Daumen und Zeigefinger zuſammenzudrehen, wonach man finden
wird, daß ſie ſich nirgends wieder voneinander getrennt haben, ſondern in
der Form verharren, in die ſie gedreht worden ſind; das iſt der erſte Teil
des Experiments; und um nun zu beweiſen, daß dies auf den ſchon erwähn-
ten Umſtand zurückzuführen iſt, ſo wird man finden, daß, wenn man den
Verſuch mit anderem faſerigen Material wiederholt, die Faſern ſich teilweiſe,
in manchen Fällen auch ganz, wieder auflockern, wenn ſie vom Druck der
Finger befreit werden.


Thatſächlich iſt die Baumwollfaſer ein einzelliges Haar, welches einen
etwas unregelmäßig erweiterten Kegel vorſtellt, da nach Wiesner*) die
größte Breite nicht mit der Baſis zuſammenfällt, ſondern, von der Spitze
aus gerechnet, meiſt hinter der Mitte zu liegen kommt. — Bei ſtarker Ver-
größerung ſieht man, wie der eigentliche Celluloſekörper noch mit einer ganz
zarten, feinen Oberhaut (Cuticula) überzogen iſt, welche nicht aus Celluloſe-
ſubſtanz beſteht, auch ſich in Kupferoxydammoniak nicht löſt, vielmehr bei
der blaſenförmigen Aufquellung rund um die Zellen geſchloſſen bleibt, oder
fetzenweiſe beiher hängt. Dieſe Oberhautſchicht zeigt ſich zart geſtreift und
mit Körnern bedeckt; ſie iſt die Urſache der Seidigkeit einzelner Baumwoll-
arten. Auch iſt bei ſtarker Vergrößerung noch eine innere Membranſchicht,
welche das Lumen markiert, und welche dem Löſen durch Kupferoxydammoniak
gleichfalls widerſteht, ſichtbar. Dieſe innere Membranſchicht ſchwimmt dann
als ein gerollter 0,002 bis 0,006 mm dicker Schlauch in der verflüſſigten
Celluloſe herum, bis ſie ſchließlich, wie auch die Cuticula, gallertartig auf-
quillt. Dieſe beiden Gebilde ſind in Fig. 9 bei c und i deutlich markiert.


Zwiſchen reifen und unreifen Faſern iſt in der Struktur ein weſent-
licher Unterſchied zu bemerken: in dem letzten Falle iſt die Drehung der
Faſer ſparſam und unvollkommen, und anſtatt eine zuſammengefallene Röhre
mit relativ dicken Wänden zu ſein, die verdickte Ränder erzeugt haben, ſind
ihre dünnen, unfertigen Wände zuſammengefallen und bilden ein flaches
Band ohne Drehung und ohne verdickte Ränder; eine Oeffnung iſt auf
dem Durchſchnitt nicht zu bemerken.


Alle Arten Baumwolle enthalten eine größere oder geringere Menge
unreifer Faſern, was nicht notwendig davon kommt, daß ſie vor vollkomme-
ner Reife des Samens gepflückt worden ſind, ſondern davon, daß Länge und
Reife an verſchiedenen Teilen des Samens variieren, wenn die Pflanze ſelbſt
auch völlig reif iſt. Enthält die Baumwolle jedoch zu viel unreife Faſern,
ſo rührt dies ſicher von der erſten Urſache her, da im zweiten Falle der
Schaden nicht ſo groß ſein kann, um nicht ſehr leicht entdeckt zu werden,
oder um beim Verarbeiten, namentlich auch beim Bleichen und Färben, viel
Schwierigkeiten zu erzeugen, da die unreifen Faſern Farbſtoff äußerſt
ſchwierig
, wenn überhaupt, annehmen. In jedem Fall, wo eine Baum-
wolle, die verarbeitet wird, viele unreife Faſern enthält, folgt notwendig
daraus, daß die erzeugte Ware mangelhaft befunden werden wird. Da die
unreifen Faſern Farbſtoffe nicht annehmen, werden ſie auch als tote Baum-
wolle
bezeichnet. Die Länge der Baumwollfaſer iſt durchſchnittlich 2,5
bis 6 cm, der Durchmeſſer 0,011 bis 0,05 mm. Der Durchmeſſer des
Lumens beträgt ¼ bis ⅔ des Zelldurchmeſſers. Einzelne Sorten beſitzen
[57]

Figure 8. Fig. 8.

Baumwolle.


Figure 9. Fig. 9.

Baumwolle durch Kupferoxyd-
ammoniak aufgequellt.


einen gewiſſen Glanz, welcher von dem in der Cuticula enthaltenen Baum-
wollenwachs herrühren ſoll; bei andern fehlt er wieder.


Die durchſchnittliche Länge der hauptſächlichſten Sorten wird wie folgt
angegeben:


  • Sea-Island ..... 40,8 mm
  • Aegypten ..... 35,8 „
  • Peruvianiſche .... 33,0 „
  • Braſilien ..... 29,7 „
  • New-Orleans .... 25,9 „
  • Oſtindien ..... 22,6 „

Chemiſches Verhalten der Baumwolle. Die Baumwolle iſt in
Waſſer unlöslich, quillt auch in Waſſer nicht auf, und gibt beim Trocknen
das geſamte Waſſerquantum wieder ab. Dagegen wird die Drehung mehr
oder minder aufgehoben und die Faſern erſcheinen gerade geſtreckt (Fig. 8). Kalte
verdünnte Mineralſäuren
ſind ohne weſentlichen Einfluß auf die Baum-
wolle; dagegen wirken heiße verdünnte Mineralſäuren, ſobald ſie
einen gewiſſen, für jede einzelne Säure beſtimmten, Verdünnungsgrad er-
reichen, zerſtörend auf die Baumwollfaſer: ſie wird mürbe und zerfällt zu
einem weißen, gelblichen oder grauen Pulver. In welcher Weiſe die Säu-
ren dabei wirken, iſt noch nicht zweifellos feſtgeſtellt. In der Praxis findet
[58] das Verfahren ausgedehnte Anwendung, bei der Karboniſation wollener
Lumpen, wobei die Baumwollfaſer vollſtändig zerſtört wird (vergl. auch
S. 18). Konzentrierte Säuren wirken je nach ihrer Natur und Stärke
ſchneller oder langſamer zerſtörend; Anwendung von Wärme beſchleunigt den
Zerfall.


In konzentrierter Schwefelſäure quillt die Baumwolle auf und
bildet ſchließlich eine gallertartige Maſſe; fügt man Jodlöſung hinzu, ſo färbt
ſich die Maſſe unter Verflüſſigung rein himmelblau. — Konzentrierte
Salpeterſäure, kalt
angewendet (am beſten unter Zuſatz von etwas
Schwefelſäure), führt die Baumwolle in Nitrocelluloſe über, ohne die Form
oder die Farbe derſelben zu verändern (Unterſchied von der Wolle, welche
dabei bekanntlich gelb wird). Beim Kochen mit konzentrierter Sal-
peterſäure
oxydiert ſich die Baumwolle zu Oxalſäure, unter Hinterlaſſung
eines in Alkalien löslichen Rückſtandes (von Oxycelluloſe?). Die durch Oxy-
dation auf kaltem Wege erhaltene Nitrocelluloſe iſt unter dem Namen Schieß-
baumwolle
bekannt und wird zur Bereitung von Kollodium, wie für
ſprengtechniſche Zwecke in großem Maßſtab dargeſtellt, hat aber für die Färberei
weiter kein Intereſſe. — Aehnlich wie die Schwefelſäure verhalten ſich auch
konzentrierte Salzſäure und Phosphorſäure, doch gibt das Reak-
tionsprodukt mit Jodlöſung keine blaue Färbung. — Bei konzentrierter
Eſſigſäure
hat eine ähnliche Einwirkung nicht bemerkt werden können. —
Auch Löſungen von Oxalſäure, Weinſäure oder Zitronenſäure wirken
je nach ihrer Konzentration mehr oder minder zerſtörend auf die Faſer ein,
beſonders bei Anwendung von Wärme.


Verdünnte Löſungen von Aetzalkalien (Kali und Natron) wirken
bei Luftabſchluß nicht auf Baumwolle ein, ſelbſt bei längerem Kochen nicht,
wenn dieſelbe ſtets völlig in der Flüſſigkeit ſteckt; wird ſie dagegen abwechſelnd
der Einwirkung von alkaliſcher Löſung und Luft ausgeſetzt, ſo findet eine
Schwächung der Faſer ſtatt, ſie wird morſch. Hummel ſchreibt dieſe Ver-
änderung einer Umwandlung in Oxycelluloſe zu. In konzentrierter Kali-
oder Natronlauge quillt die Baumwolle ſtark auf und wird durchſcheinend,
ohne ſich zu löſen (Unterſchied von Wolle, welche ſich in konzentrierten Al-
kalien quantitativ löſt). Die ſo behandelte Faſer behält auch nach dem voll-
ſtändigen Auswaſchen mit Waſſer ein verändertes Ausſehen; ſie bleibt dick
und durchſcheinend und zeigt in dieſem Zuſtande eine weſentlich größere Ver-
wandtſchaft zu Farbſtoffen, als vor der Behandlung mit Alkalien. Dieſes
Verhalten der Baumwolle gegen ſtarke Alkalien iſt zuerſt von Mercer be-
obachtet und im Kattundruck praktiſch angewendet worden; das von ihm an-
gewandte Verfahren wird als Merceriſieren bezeichnet, hat aber in der
Färberei ſich nicht allgemein einzuführen vermocht. — Ammoniak iſt ohne
alle Einwirkung auf Baumwolle. — Kalkmilch wirkt ſowohl kalt wie warm
ganz ähnlich, wie die verdünnten Löſungen von Kali und Natron; es iſt dem-
nach bei etwaiger Behandlung mit Kalkmilch der gleichzeitige Luftzutritt zu
vermeiden. — Löſungen von Alkalicarbonaten (Pottaſche, Soda) zeigen
ſelbſt bei größerer Stärke wenig oder gar keine Einwirkung, mindeſtens iſt
eine ſolche bis jetzt experimentell nicht nachgewieſen; ebenſowenig bewirkt
Seifenlöſung eine nachweisbare Veränderung. — Gegen Löſungen von
neutralen Metallſalzen verhält ſich Baumwolle ganz oder faſt ganz in-
different; nur auf die ſauren Salze der Erden oder Schwermetalle wirkt ſie
[59] zerlegend ein, wenn ſie mit deren Löſungen getränkt und getrocknet und dann
erhitzt wird; es ſchlägt ſich ein baſiſches Salz nieder und die frei gemachte Säure
wirkt zerſtörend auf die Faſer. Hierauf beruht die Wirkung des Chlor-
aluminiums als [Karboniſationsmittel]*). — Chlor bewirkt eine völlige Zer-
ſtörung der Baumwollfaſer, indem es dem Celluloſemolekül Waſſerſtoff ent-
zieht. Daß das Chlor in das Celluloſemolekül eintreten ſoll, wie Knecht**)
angibt, iſt durch den Verſuch bisher noch nicht erwieſen. — Unterchlorig-
ſaure Salze
(Chlorkalk) in Löſung wirken nicht ſo energiſch zerſtörend,
wie freies Chlor; zumal bei Anwendung ſchwacher Löſungen in der Kälte
werden nur die darin enthaltenen natürlichen gelblichen bis grünlichen Farb-
ſtoffe zerſtört (gebleicht), die Faſer ſelbſt wird aber nicht merklich angegriffen.
Bei längerem Einwirkenlaſſen oder bei Anwendung ſtärkerer Löſungen wird
die Faſer jedoch chemiſch verändert und in einen Abkömmling der Celluloſe
umgewandelt, welchen Witz als Oxycelluloſe bezeichnet hat. Kochen mit
ſolchen Löſungen zerſtört die Faſer gänzlich. — Waſſerſtoffſuperoxyd wirkt
in gleicher Weiſe, wie eine dünne kalte Chlorkalklöſung, ebenfalls unter Bildung
von Oxycelluloſe. Eine ſolche, Oxycelluloſe enthaltende, Baumwolle
beſitzt gegen Farbſtoffe eine weit größere Verwandtſchaft, als
normale Baumwolle, weshalb gebleichte Baumwolle mehr
Farbſtoffe in ſich einzulagern vermag, als ungebleichte. —
Kupferoxydammoniak
, friſch bereitet und in konzentrierter Löſung, löſt
Baumwolle vollſtändig auf, eine dünne Löſung bewirkt nur blaſenförmiges Auf-
quellen unter Blaufärbung der Faſer. Die dünne feine Oberhaut (cuticula)
der Baumwollfaſer bleibt dabei ungelöſt und erſcheint abgeſtreift zwiſchen den
einzelnen Zellwandblaſen (ſiehe Fig. 9 bei c). Aus der obigen Löſung
wird die Celluloſe durch Salze, Gummi oder Zucker wieder abgeſchieden. —
Eine ammoniakaliſche Löſung von ſchwefelſaurem Nickeloxydul löſt dagegen
Baumwolle nicht (Unterſchied von Seide).


Zuſammenſetzung der Baumwollfaſer. Die Rohbaumwolle ent-
hält nach übereinſtimmenden Berichten 8 Prozent Feuchtigkeit (Waſſer)
und 5 Prozent einer begleitenden organiſchen Materie, wovon 4,4 Prozent auf
Eiweißſtoffe und natürliche Farbſtoffe, 0,6 Prozent auf Aſche entfallen.
Hummel glaubt, daß die organiſche Materie in der Hauptſache aus Pektin
beſtehe. Der Reſt von 87 Prozent iſt reine Celluloſe. Dieſe iſt die
Grundſubſtanz aller Pflanzenfaſern, ſowohl der Holzfaſern, als auch der
Baſtfaſern, der Blattfaſern und der Pflanzenhaare. — In der Mehrzahl
der Fälle iſt die Celluloſe noch durchſetzt mit der inkruſtierenden Sub-
ſtanz
, d. h. mit Stoffen, welche ihr von den normalen abweichende phyſi-
kaliſche und chemiſche Eigenſchaften verleihen; am deutlichſten zeigt ſich
dieſes im Vergleich zwiſchen Holz und Baumwolle, von denen, obwohl beide
aus Celluloſe beſtehen, doch das erſtere durch große Beimengungen der in-
kruſtierenden Subſtanz, Liguin, eine völlig andere Beſchaffenheit zeigt. Die
Baumwolle enthält ſolche inkruſtierende Subſtanzen nicht. Wenn wir daher
vom Waſſergehalt abſehen, iſt die Rohbaumwolle als eine faſt reine 95pro-
zentige Celluloſe zu betrachten. Die 5 Prozent Verunreinigungen gehen
beim Bleichprozeß faſt ganz verloren, ſo daß alſo gebleichte Baumwolle
[60] als faſt chemiſch reine Celluloſe zu betrachten iſt
. Die Celluloſe
ſelbſt beſteht nach übereinſtimmenden Reſultaten aus


  • Kohlenſtoff .... 43,30 Prozent,
  • Waſſerſtoff .... 6,40 „
  • Sauerſtoff .... 50,30 „

und entſpricht nach Mitſcherlich und Gerhardt der Formel C12 H20 O10.
Sie beſitzt alſo genau dieſelbe prozentiſche Zuſammenſetzung, wie Stärke,
Dextrin und Gummi. Die Bildung der Celluloſe in der Pflanze ſelbſt ge-
ſchieht (nach Durin) wahrſcheinlich aus Rohrzucker. Die reine Cellu-
loſe
iſt weiß, ſeidenglänzend, geſchmack- und geruchlos, luftbeſtändig, und
völlig unlöslich in Waſſer, Alkohol und Säuren; ſie löſt ſich dagegen leicht
ſowohl in konzentrierter Schwefelſäure, als auch in Kupferoxydammoniak;
angezündet verbrennt ſie ohne Geruch (Unterſchied von tieriſchen Geſpinnſt-
faſern) zu Kohlenſäure und Waſſer. Durch Behandeln mit Schwefelſäure
geht ſie unter Löſung zunächſt in Amyloid, dann in Dextrin, zuletzt in Trauben-
zucker über. Auf dieſe Thatſache hat Moliſch eine charakteriſtiſche Reaktion zum
Nachweis von Pflanzenfaſern und zur Unterſcheidung von animaliſchen
Faſern begründet. Weiteres hierüber ſ. unter § 21, Gewebeprüfung.


Maßgebendes zur Wertbeſtimmung der Baumwolle. Für
die Wertbeſtimmung der Baumwolle iſt zunächſt maßgebend die Länge der Fa-
ſer
; durch das Sortieren unterſcheidet man Baumwolle von langem, mittlerem
und kurzem Stapel; ſolche von langem Stapel muß mehr als 2,5 cm Länge
haben; weiter iſt maßgebend die Gleichmäßigkeit der Faſer; ſodann der mehr
oder minder vorhandene Glanz, von Hanauſek als „Seidigkeit“ be-
zeichnet, dann die Feinheit, durch den Durchmeſſer des Querſchnitts aus-
gedrückt, die Weichheit, die Reinheit d. h. die Abweſenheit von Schmutz,
Blätter, Samen u. dergl., die Elaſtizität, bedingt durch den ſpiralförmigen
Charakter der Faſer, die Farbe und die Feſtigkeit. In je höherem Grade
der Baumwolle dieſe Eigenſchaften zukommen, um ſo wertvoller iſt ſie und
um ſo höher iſt der Preis, den ſie auf dem Markt erzielt. Bei der großen
Verſchiedenartigkeit der einzelnen Handelsſorten iſt eine kaufmänniſche Wert-
ſchätzung jedoch nur durch andauernd praktiſche Uebung und durch beſonderes
Eingehen auf die charakteriſtiſchen Eigentümlichkeiten der einzelnen Sorten
möglich.


Formen, in denen die Baumwolle zum Färben gelangt.
Die Baumwolle, wie ſie aus den Egreniermaſchinen kommt, iſt loſe Baum-
wolle
; dieſe kommt verhältnismäßig ſelten zum Färben, da die meiſte Baum-
wolle vor dem Färben geſponnen oder gewebt wird. Es iſt hier nicht der
Ort, auf die Einzelheiten der Baumwoll-Spinnerei und -Weberei einzugehen;
nur die Grundzüge, nach welchen dabei verfahren wird, mögen hier kurz er-
läutert werden. Die in Ballen zuſammengepreßte Baumwolle wird zunächſt
mechaniſch gelockert und dabei zugleich von dem noch anhängenden Samen,
Staub u. dergl. befreit; das geſchieht auf Maſchinen, welche je nach ihren
verſchiedenen Konſtruktionen die Namen Wolf, Willow, Zauſeler, Flackma-
ſchinen, Batteurs, Epurateur, Putzmaſchine u. dergl. führen. Dieſem Reini-
gungsprozeß folgt das Krempeln oder Karden, wobei die Baumwollfaſer
unter Einſprengung mit einer Miſchung von Oel und Waſſer gerade geſtreckt
und in parallele Lage zu einander gebracht wird; in der Praxis wird das
[61] Krempeln auf 2 Maſchinen vorgenommen, der Reißkrempel oder Rauhkarde
und auf der Feinkrempel oder Feinkarde, durch deren Namen ihre Thätig-
keit vollauf gekennzeichnet iſt. Dem Krempeln folgt das Strecken auf der
Streckmaſchine, dann das Vorſpinnen auf dem Flyer, wodurch das Vor-
garn erhalten wird, aus welchem dann beim Feinſpinnen auf den Fein-
ſpinnmaſchinen (Droſſelmaſchine, Mulemaſchine, Selfaktor) das Baumwollen-
garn
hervorgeht. Die Baumwollengarne kommen entweder gebleicht oder un-
gebleicht und in verſchiedener Feinheit in den Handel und zwar in den
Nummern 1 bis 360; die dickſte Sorte Baumwollengarn hat auf 1 Pfund
engl. 860 Yards, die feinſte 360 · 840 Yards Fadenlänge*). Das von den
Spinnmaſchinen gelieferte Garn (Twiſt) unterſcheidet man als Muletwiſt
und Watertwiſt, von denen erſteres weicher, lockerer, weniger gedreht iſt;
Watertwiſt dagegen iſt ſtärker gedreht und wird faſt ausſchließlich als Ketten-
garn benutzt.


Hinſichtlich der Gewebe aus Baumwolle ſchließen ſich die verſchiedenen
Arten derſelben in Bezug auf die Verſchiedenheit der Herſtellung eng an die ent-
ſprechenden Gewebe aus Kammgarn oder Seide (vgl. S. 26 und S. 43).
Hierher gehören:


1. Glatte Stoffe a) mit parallelen Kettenfäden: Kattun, Nanking, Shir-
ting, Hemdenkattun, Futterkattun, Kambrik, Baumwollbattiſt, Jakonet, Perkal,
Kalliko, Gingham, Baumwoll-Barège, Haincord, Muſſelin, Mull, Mollinos,
Baumwollſtramin. b) mit gekreuzten Kettenfäden: Tüll und Gaze.


2. Geköperte Stoffe: Köper oder Croiſe, Baumwollmerino, Drill oder
Drell, Baſt, Engl. Leder, Moleskin, Molton, Köper-Nanking, Köper-
Gingham.


3. Atlasartige Gewebe: Satin.


4. Gemuſterte Stoffe: Wallis, Rips, Piqué, Baumwolldamaſt, ge-
muſterte Drille und Barchente, Doubles, Cords.


5. Sammtartige Stoffe: Mancheſter, Baumwollſammt, Velvet.


Außer den vorſtehend genannten Geweben aus reiner Baumwolle kom-
men noch eine große Anzahl von Geweben zum Färben, welche nur zum
Teil aus Baumwolle, zum andern Teil aus Wolle, Seide oder Leinen be-
ſtehen. Dieſe gehören zu den gemiſchten Geweben und werden weiter unten
beſprochen werden.


Statiſtiſches**). Welchen großartigen Umfang die Baumwollenproduk-
tion und der Verbrauch erreicht haben, mögen nachfolgende Zahlen beweiſen:
Während die Vereinigten Staaten, die bedeutendſten Baumwollproduzenten
der Erde, im Jahre 1830 159090 Tonns (à 1000 kg) produzierten, betrug
im Jahre 1883 die Produktion bereits 1640000 Tonns. — Großbritannien
konſumierte im Jahre 1830 113636, Deutſchland 25454 Tonns, dagegen
1883 Großbritannien 675000, Deutſchland 117000 Tonns. — Wie ſich die
Baumwollinduſtrie in Deutſchland entwickelt hat, das erweiſen deutlich folgende
Zahlen der offiziellen Statiſtik. Es betrug
[62]

Im Jahre 1883 waren in Deutſchland 4800000 Spindeln im Gange
und 150000 Arbeiter beſchäftigt.


§ 11. Flachs.


Der Flachs, die Baſtfaſer der Flachs- oder Leinpflanze, hat ſchon
ſeit undenklichen Zeiten zur Herſtellung von Geweben für Bekleidungszwecke
gedient und war, als die Baumwolle noch nicht in Europa bekannt war,
von viel größerer Wichtigkeit, als heutzutage, zumal für Europa, da die
Flachsfaſer die einzige pflanzliche Geſpinnſtfaſer iſt, welche in Europa
erzeugt wird, und deren Stammpflanze in Europa heimiſch iſt. Durch den
von Jahr zu Jahr ſteigenden Verbrauch an Baumwolle, durch die lein-
wandartigen Gewebe, Shirting, Hemdentuch ꝛc. und durch den weſentlich
billigeren Preis der Baumwollfabrikate iſt die Flachs- oder Leinfaſer mehr
und mehr verdrängt worden. Daher beſteht auch der Leinbau nicht mehr in
dem Umfange, als ehedem.


Herkunft. Die den Flachs liefernde Pflanze iſt der Lein, Linum
usitatissimum L.,
eine auf Feldern gebaute, einjährige Pflanze aus der
Familie der Caryophylleae. Es iſt eine ½ bis 1 m hohe Pflanze mit
wenig verzweigtem Stengel, glatten Blättern und hellblauen Blüten. Der
Flachsbau wird vornehmlich in Rußland, Belgien, Irland, Holland, in den
öſtlichen Provinzen Preußens, in Böhmen, Oeſterr. Schleſien, in Salzburg
und Tirol betrieben, in zweiter Linie ſind Frankreich, Italien, Aegypten, Al-
gier und Oſtindien zu nennen. Klima, Kultur und Gewinnungsmethoden
ſind von großem Einfluß auf die Entwickelung der Flachsfaſer, ſo daß zwi-
ſchen der feinſten Sorte belgiſchem Flachs und dem in Tirol und Salzburg
produzierten ein gewaltiger Unterſchied iſt. Nach der verſchiedenen Zeit des
Anbaues unterſcheidet man Frühlein und Spätlein, von denen der erſtere
im Juni und Juli, der letztere im Auguſt und September geerntet wird.
Beſonders geſchätzt iſt der lange und feine Flachs, welchen die Leinbauer
durch das ſog. „Ländlern“ erzielen, indem ſie die Felder mit Reiſig belegen
oder mit Fäden beſpannen, und ſo die jungen Pflanzen zwingen, da hindurch-
zuwachſen. Die Flachsfaſer iſt am wertvollſten, wenn die Pflanze verblüht
hat und die Samenkapſeln eben anfangen, gelb zu werden. Die Pflanze
wird dann mit der Wurzel aus dem Boden gezogen, in Garben gebunden
und auf dem Felde getrocknet.


Gewinnung. Der Flachs bildet die innere Rindenſubſtanz des Leinſten-
gels und iſt nur von einer dünnen Epidermis mit einer Cuticula umgeben;
nach dem Innern des Stengels ſchließt ſich an die Baſtſchicht eine Schicht von
[63] Holzparenchym, dann folgt das Mark. — Die Gewinnung des Flachſes be-
zweckt alſo die Trennung der Baſtſchicht ſowohl von der äußeren Epidermis,
wie von den innen eng anliegenden Holzfaſerzellen. Sie liegt gemein-
hin in der Hand des Leinbauers. Demgemäß ſind die Operationen zur
Gewinnung der Leinenrohfaſer nicht nur äußerſt primitive, ja ich ſtehe nicht
an, dieſelben als veraltet und verfehlt zu bezeichnen. Es iſt geradezu
erſtaunlich, wie bei der Flachsgewinnung förmlich ein Mißgriff auf den andern
folgt, und es iſt lediglich der großen Widerſtandsfähigkeit der inkruſtierten
Baſtfaſer zu verdanken, daß ſie bei dieſen Operationen nicht zu Grunde gerichtet
wird. Die Wiſſenſchaft und die heutige Maſchinentechnik geben uns wahr-
lich andere Mittel und Wege an die Hand, die Gewinnung des Flachſes auf
eine vernunftgemäßere, billigere, ſchnellere und die Faſer ſchonendere Weiſe
auszuführen. Die erſte Bedingung dazu iſt aber, daß die Rohflachsgewin-
nung den Händen des Flachsbauers entzogen werde.


Die vernunftwidrige Gewinnung, wie ſie jetzt betrieben wird, ſetzt ſich
aus folgenden Operationen zuſammen: 1. das Riffeln oder Dreſchen,
womit die Entfernung der Samenkapſel bezweckt wird; 2. das Röſten oder
Rotten zum Zweck der Abſonderung der Baſtfaſer von den übrigen Be-
ſtandteilen des Stengels und von der inkruſtierenden Subſtanz, welche die
erſteren zuſammenhält. Dieſes Röſten oder Rotten iſt die unſinnigſte von
den geſamten Operationen, und ich möchte dringend raten, dieſe in vollem
Sinne des Wortes „verrottete“ Methode zu verlaſſen, welche nicht allein den
Flachs, eine der teureren Gewebefaſern, einer Humifikation überantwortet,
ſondern auch durch die bei der Verweſung auftretenden Gaſe die Luft der
Umgebung verpeſtet, das Waſſer vergiftet und den Fiſchbeſtand decimiert.
Daß die Leinfaſer, eine von Haus aus ſehr geſchmeidige, weiche und feine
Faſer, uns überall als ſpröde, hart und grob entgegentritt, iſt hauptſäch-
lich das Reſultat dieſer verkehrten Behandlung des Rottens. Durch ver-
nunftgemäße Behandlung könnte aus dem Lein eine ſeidenweiche, ſeiden-
glänzende Geſpinnſtfaſer gewonnen werden. Das Verfahren, wie ich es im
Sinne habe, würde einer ausführlichen Begründung bedürfen, die aber für
einen Färber gar keinen Zweck hat und auch nicht in den Rahmen dieſes
Buches gehört. Dem Röſten folgt 3. das Klopfen, zur Abſcheidung der
mechaniſch entfernbaren Teile in Staubform *). 4. Das Brechen, zur Zer-
kleinerung der dem geröſteten Flachs anhängenden, durch den Röſtprozeß nicht
zerſtörten Holzfaſer. Von den verſchiedenen hierfür vorgeſchlagenen Methoden
halte ich das Durchgehen durch kannellierte ineinandergreifende Metallwalzen
oder Zahnräder für die vernunftgemäßeſte. Die alten plumpen Holzkäſten
mit aus zwei parallelen Holzſchienen beſtehenden Schlegeln ſind „ländlich-ſitt-
lich“, aber auch recht ländlich unpraktiſch. Durch das Brechen fallen die
Holzteile zum großen Teil von ſelbſt aus, teils werden ſie durch nachfolgendes
Schüttelnentfernt. Noch „ländlicher“ iſt das Flachsbrechen mit der Hand. 5. Das
Schwingen oder Ribben, welches die Abſcheidung der durch das Schütteln
noch nicht genügend entfernten Holzfaſerteile bezweckt. 6. Das Hecheln,
entſprechend einem Kämmen des von der Holzfaſer befreiten Rohflachſes, wo-
durch der Baſt in ſeine einzelnen feinen Faſern zerlegt wird.


[64]

Nach einem von A. Baur bekannt gegebenen Verfahren wird der
friſche Flachs zwiſchen Walzen gequetſcht und in Waſſer gelegt ſo lange,
als dieſes noch gelb gefärbt wird. Nach leichtem Abpreſſen des Waſſers
wird er 1 bis 2 Tage lang in eine 3prozentige Salzſäure gelegt, worauf ſich
die Baſtfaſern leicht vom Stengel ablöſen laſſen ſollen. Die Rohleinenfaſer
wird mit 2prozentiger Sodalöſung gewaſchen, dann in Waſſer geſpült; die
geringen Mengen noch anhaftender Holzſubſtanz ſollen durch eine Chlor-
paſſage und nochmaliges Spülen völlig beſeitigt werden. Ein derart bereiteter
Flachs kann ſofort nach dem Trocknen gehechelt werden. — In Frankreich
hat ein Ingenieur Paſſy ein neues Röſtverfahren erfunden, in dem er den
Flachs bei 150° C. überhitztem Waſſer bezw. den Dämpfen ausſetzt und hat
dadurch in kurzer Zeit denſelben Effekt erhalten, wie durch den länger dauern-
den Röſtprozeß. Die Verſuche ſind in großem Maßſtabe im Etabliſſement
des Herrn Agache zu Pérenchies ausgeführt worden und ſollen vielver-
ſprechend ausgefallen ſein.


Hoſemann \& Fiegel haben ſich ein Verfahren zur Iſolierung der
Flachsfaſer patentieren laſſen. Dasſelbe beruht auf einem ſogenannten künſt-
lichen Verdauungsprozeß, der dadurch erzielt wird, daß die getrockneten
Stengel oder der vom Holz befreite Baſt der Pflanzen, welche Geſpinnſt-
faſern enthalten, wie z. B. Hanf, Flachs u. ſ. w. oder das hieraus herge-
ſtellte Geſpinnſt, für die Dauer von 24 Stunden einem Bade ausgeſetzt
werden, welches aus ſchwach angeſäuertem, pepſin- und pankreatinhaltigem
Waſſer beſteht. Durch dieſes Bad ſind alle Gummi- und Harzſtoffe aufge-
löſt und werden dann durch Abwäſſern und Spülen vollends entfernt. Bei
der Bereitung der Pepſin- und Pankreatinflüſſigkeit zu dieſem Bad iſt das
Verhältnis der verwendeten Materialien ungefähr 1 bis 1½ kg tieriſche
Magen auf 50 kg ſchwach angeſäuertes Waſſer. Sonſt wird hierbei in der
bekannten Weiſe verfahren, daß der tieriſche Magen in zerkleinertem Zuſtand
einige Tage in dem ſchwach angeſäuerten Waſſer liegen bleibt. Dadurch,
daß die Geſpinnſtfaſern enthaltenden Pflanzenteile dieſem künſtlichen Ver-
dauungsprozeß, der die Ausſonderung von Gummi und Harz bewirkt, aus-
geſetzt werden, wird das ſonſt übliche Röſtverfahren oder Kochen mit Al-
kalien nicht nur unnötig, ſondern auch eine abſolut gummi- und harzfreie
Faſer erzielt.


Das Endreſultat der verſchiedenen Gewinnungsmethoden iſt der
Reinflachs oder die Rohleinenfaſer. Die in der Hechel zurück-
bleibenden kürzeren Faſern heißen das Gewirre, Werg oder Heede,
und enthalten gewöhnlich noch, deutlich ſichtbar, Beſtandteile des be-
nachbarten Holzkörpers, welche der Reinflachs keinenfalls zeigen darf. Das
Werg dient nur zu Tauen oder zu Sackleinwand u. dergl. groben Ge-
ſpinnſten. — Die Ausbeute beträgt aus 100 Teilen getrocknetem Flachs
(nach Heinzerling)


  • 51,25 gebrochenen Flachs,
  • 20,50 geſchwungenen Flachs,
  • 0,50 Schwingelheede,
  • 9,00 dreimal gehechelten Flachs,
  • 8,00 Hechelheede.

Eigenſchaften. Die Rohleinenfaſer, wie ſie durch die obenſtehend
beſchriebenen Methoden gewonnen wird, ſtellt je nach der mehr oder minder
[65] unvernünftigen Art des Röſtprozeſſes 2 bis 15,
im Mittel 6 bis 10 dm lange, bräunlich gelbe,
graugelbe, ſtahlgraue, grüngraue, graue oder
blonde bis weißliche, feine, weiche, bei beſſeren
Sorten glänzende, ſehr geſchmeidige Faſern vor,
welche elaſtiſch, dabei ſehr feſt und haltbar ſind. —
Unter dem Mikroſkop erſcheint der Flachs als
Gruppen von Baſtfaſerzellen, welche farblos, an
der Oberfläche glatt, mit Quetſchfalten oder
knotigen Anſchwellungen verſehen (Fig. 10) ſind
und am Ende lang zugeſpitzt erſcheinen. Der
Durchmeſſer iſt 15 bis 37 (im Mittel 20 bis
25) µ; die Wandung der Faſer iſt ſehr dick,
der innere Hohlraum (Lumen) erſcheint nur als
ein ſchmaler Doppelſtreifen, auf dem Durch-

Figure 10. Fig. 10.

Flachs.


ſchnitt als ein kleiner Punkt. Der Flachs iſt ein guter Wärmeleiter, daher
fühlen ſich Leinengewebe ſtets kalt an; reines Leinen eignet ſich daher nicht
zu Kleidungsſtücken, welche direkt auf dem Körper getragen werden.


Zuſammenſetzung des Flachſes. Die Hauptmaſſe der Flachs-
faſer beſteht, wie bei allen vegetabiliſchen Geſpinnſtfaſern, aus Celluloſe. Die
Baſtſchicht der Flachsfaſern im Leinſtengel iſt jedoch keineswegs reine Cellu-
loſe, ſondern ſie iſt durchſetzt mit inkruſtierender Subſtanz, welche die ein-
zelnen Faſern zu harten Bündeln zuſammenhält, dieſe gleichzeitig an die
benachbarte Holzſchicht anheftet, und 15 bis 30 Prozent des Gewichts betragen
kann. Dieſe Subſtanz iſt nach J. Kolb: Pektoſe; außerdem enthält der
Rohflachs noch 5 Prozent Fettſubſtanzen, Farbſtoffe und nicht näher bekannte
Subſtanzen, ſowie ca. 8 Prozent Waſſer. Das Röſten hat nach Kolb den
Zweck, die Pektoſe durch Gärung in Pektinſäure überzuführen, welche ſich
löſt, und dadurch den Zuſammenhang ſowohl der einzelnen Faſern unterein-
ander, als auch mit den Holzfaſerzellen aufzuheben. Der Reinflachs beſteht
daher annähernd aus 85 Prozent Celluloſe, 8 Prozent Feuchtigkeit, 7 Pro-
zent verunreinigenden Subſtanzen. Dieſe werden durch den Bleichprozeß ent-
fernt. Das Endreſultat des Bleichens iſt die Leinenfaſer; dieſe iſt farblos
und beſteht annähernd aus 92 Prozent Celluloſe und 8 Prozent Waſſer.
Der Flachs wird nicht ſelten noch die Holzſtoffreaktion zeigen, d. h. er wird
mit ſchwefelſaurem Anilin eine gelbe, mit Phloroglucin und Salzſäure eine
violettrote Färbung annehmen. Reine Leinenfaſer darf dieſe Er-
ſcheinungen nicht zeigen
; thut ſie es dennoch, ſo iſt dies der untrüg-
liche Beweis, daß ſie noch nicht genügend von den Holzteilen befreit iſt.


Maßgebendes für die Beurteilung der Leinenfaſer. Für die
Wertbeſtimmung maßgebend iſt vor allem die rein weiße Farbe, dann
die völlige Abweſenheit von Holzſubſtanz, welche durch das Ausbleiben der
vorbenannten Reaktion nachzuweiſen iſt; in zweiter Linie kommt die Länge
der Faſer, welche bei einer beſſeren Sorte Leinenfaſer nicht unter 2,5 cm
betragen darf. Je länger die Faſer, je größer der Seidenglanz, die Fein-
heit und die Feſtigkeit iſt, deſto wertvoller iſt die Leinenfaſer.


Chemiſches Verhalten. Verdünnte Mineralſäuren, ſowohl kalte wie
heiße, wirken auf die Leinenfaſer in der gleichen Weiſe, wie auf Baumwolle;
das gleiche iſt bei konzentrierten Mineralſäuren der Fall. Konzentrierte Schwefel-
Ganswindt, Färberei. 5
[66] ſäure quellt die Leinenfaſer zunächſt auf, aber langſamer als Baumwolle;
es bildet ſich dabei Amyloid; Zuſatz von Jodlöſung gibt eine ſchön blaue
Färbung. Die vollſtändige Löſung in konzentrierter Schwefelſäure geht nur
ſehr langſam vor ſich; mit Baumwolle gleichzeitig 2 Minuten in konzen-
trierte Schwefelſäure eingelegt, dann raſch mit verdünnter Kalilauge, ſchließ-
lich mit Waſſer nachgewaſchen, wird Baumwolle gelöſt, die Leinenfaſer aber
noch nicht angegriffen. Bei andauernder Wirkung löſt ſich auch die Leinen-
faſer und geht in Dextrin und ſchließlich in Traubenzucker über. — Kon-
zentrierte Salpeterſäure, beſonders in Miſchung mit Schwefelſäure, führt die
Leinenfaſer in Nitrocelluloſe (Schießbaumwolle) über. — Die Löſungen von
Alkalien wirken energiſcher auf die Leinenfaſer, als wie auf Baumwolle; mit
einer Löſung von 1 Teil Aetzkali in 1 Teil Waſſer 2 Minuten gekocht, dann
gewaſchen und getrocknet, wird die Leinenfaſer tief gelb gefärbt (Unterſchied
von Baumwolle, welche ſich höchſtens ſchwach gelblich färbt). Bei Behand-
lung von Leinen mit Aetz- oder kohlenſauren Alkalien iſt zu beachten, daß
das Leinen ſtets unter dem Flüſſigkeitsniveau ſich befinden muß, da bei Luft-
zutritt die Faſer leicht mürbe wird. — Von Wichtigkeit iſt das Verhalten
verdünnter kochender Alkali- oder Alkalicarbonatlöſungen. Da der Flachs bis
5 Prozent Fettbeſtandteile enthält, ſo werden dieſe verſeift; gleichzeitig ziehen
die heißen Löſungen den braunen Farbſtoff aus und binden etwa noch vor-
handene Pektoſe unter Bildung von Metapektinſäure. Demnach würde man
auch durch Kochen mit einer dünnen Natronlauge die Iſolierung der Baſt-
faſern erreichen können. Schwächer wirkt Seifenlöſung, obgleich auch dieſe
in der Praxis bisweilen angewendet wird, um gehechelten Flachs, für wel-
chen beſondere Reinheit und Feinheit der Faſer verlangt wird, von der noch
etwa anhängenden Pektoſe und Farbſtoff zu befreien. Löſungen von Chlor
und unterchlorigſauren Salzen wirken ſehr energiſch auf die Leinenfaſer ein,
und bleichen ſie leicht und ſchnell, die letzten Beimengungen des natür-
lichen Farbſtoffes völlig zerſtörend. — Waſſerſtoffſuperoxyd wirkt wie Chlor-
kalklöſung. — Gegen Feuchtigkeit und Schimmel iſt Flachs ungemein wider-
ſtandsfähig, ſo lange er nicht etwa durch Appreturmittel beſchwert iſt; aber
ſelbſt bei Lagerung in feuchten Räumen zeigt er wenig Neigung zur Schimmel-
bildung und verhält ſich weſentlich reſiſtenter als Baumwolle. Auf dieſem
Verhalten beruht ſeine Verwendung zu den deutſchen Reichskaſſenſcheinen.


Formen, in denen der Flachs zum Färben gelangt. Der
Flachs wird meiſt ungebleicht geſponnen. Das Flachsſpinnen iſt noch viel-
fach Hausinduſtrie, und geſchieht auf dem Spinnrade (Rocken) oder es ge-
ſchieht im Großbetrieb auf Maſchinen. Das Geſpinnſt iſt ungebleichtes
Leinengarn; nochmals gedrehte Leinenfäden bilden den Leinenzwirn.
Die Leinenfaſer wird gemeinhin erſt als Garn, oft ſelbſt erſt als Gewebe
gebleicht. Das Leinengarn wird entweder gebleicht oder ungebleicht zu Ge-
weben verarbeitet, welche Leinenzeuge oder Leinwand heißen. Zu dieſen
rechnet man:


1. Glatte Gewebe: Leinwand (Leinen, Linnen), Segeltuch (Segel-
leinwand), Creas, Schockleinen, Futterleinen, Franzleinen, Moorleinen, Steif-
leinen, Glanzleinwand, Battiſt, Linon, Schleier.


2. Geköperte und gemuſterte Gewebe: a) Drell, Zwillich, Bettdrell,
Atlasdrell, Leinenatlas, Hoſendrell, Tiſch- und Handtuchdrell. b) Damaſt,
Jacquards.


[67]

Das für gefärbte, gemuſterte Leinengewebe beſtimmte Garn muß als
ſolches gefärbt werden, das Färben von Leinengeweben ſelbſt findet vorwiegend
im Gebiet der Landarbeit ſtatt.


Die Zahl der Leinengewebe wird noch weſentlich erhöht durch die mit
Baumwolle verwebten Leinenſtoffe, welche als Halbleinen in den Handel
kommen, aber für den Färber von nur untergeordnetem Intereſſe ſind, da
halbleinene Waren meiſt nur im gebleichten, ungefärbten Zuſtande Handels-
waren bilden, andernfalls aber die beiderſeitigen Garne vor dem Verweben
als ſolche gefärbt werden.


Statiſtiſches über Flachs und Leinen. Nächſt Rußland hat
Deutſchland die bedeutendſte Flachsproduktion. Nach Dr. v. Scherzer be-
trug der Ernteertrag im Jahre 1879 85000000 kg, die Geſamtproduktion
von Europa und den Vereinigten Staaten 627 Mill. Kilogramm. Die große
Bedeutung der deutſchen Flachsinduſtrie ergibt ſich aus nachfolgender Auf-
ſtellung des Verbandes Deutſcher Leineninduſtrieller zu Anfang 1884. Es
waren in Deutſchland vorhanden: 31 Flachsſpinnereien einſchließlich Zwirne-
reien und Bleichereien, mit 59218000 Mark Geſchäftskapital, 14576 Ar-
beiter bei 6241813 Mark Arbeitslohn; ferner 48 mechaniſche Leinenwebereien
mit einzelnen Hausbetrieben und Bleichereien, mit 29709724 Mark Geſchäfts-
kapital, 16753 Arbeiter bei 6339866 Mark Arbeitslohn (Heinzerling).


§ 12. Hanf.


Der Hanf iſt für die Färberei bei weitem nicht von der Wichtigkeit,
wie der Flachs; dennoch darf er in dieſem Buche nicht übergangen werden,
da er in zwei Formen zum Färben gelangt, als Hanfzwirn und als
Bindfaden.


Herkunft. Die Stammpflanze des Hanfes iſt die gleichlautende ein-
jährige Pflanze, Cannabis sativa, zur Familie der Urticeen gehörend. Der
Hanf iſt eine zweigeſchlechtige, 1 bis 4 m hohe Pflanze, mit langen, zahnartig
geſägten, dunkelgrünen Blättern; man unterſcheidet die männliche Pflanze als
Sommer- oder Staubhanf und die weibliche Pflanze als Winter-
oder Saathanf. Die erſtere wird nur für die Hanffaſer, die letztere
für Faſern und Samen ausgebeutet; Hanf von erſterer iſt daher geſchätzter.
Der Hanf wird in Italien, Rußland, im Elſaß, Preußen und Oeſterreich
gebaut; beſonders geſchätzt iſt der Straßburger Hanf.


Gewinnung. Der Hanf wird durch dieſelben Operationen gewonnen,
wie der Flachs; im allgemeinen wird auf ſeine Gewinnung aber nicht die gleiche
Sorgfalt verwendet, wie auf die Bereitung des Flachſes; die Hanffaſer iſt
daher gemeinhin noch gröber wie die Flachsfaſer. Alles bei der Gewinnung
des Flachſes Geſagte läßt ſich daher mit dem gleichen Recht auch auf den
Hanf anwenden. In Oberitalien, vornehmlich bei Bologna, wird er durch
Abziehen der Baſtfaſer mit der Hand gewonnen, wodurch eine beſonders feine Sorte
erzielt wird. Je nach der Vollſtändigkeit der Bearbeitung unterſcheidet
man im Handel: Baſthanf, Reinhanf, Strähnenhanf, Spinnhanf, Seehanf.


Eigenſchaften. Der Hanf iſt, wie der Flachs, eine Baſtfaſer, und
bildet den Hauptbeſtandteil der Rinde des Hanfſtengels, über welcher nur
5*
[68] noch eine ſehr dünne Schicht Parenchymzellen und die Epidermis liegen;
nach innen zu ſchließt ſich dann die Holzſchicht und das Mark an. Die
Länge des Hanfes iſt ungemein verſchieden von 1,0 cm bis zu 3 m (Rieſen-
hanf von Boufarik), durchſchnittlich 3 bis 15 dm, der Durchmeſſer 16 bis
50 µ, durchſchnittlich 22 µ. In Farbe und im mikroſkopiſchen Ausſehen
iſt er dem Flachs ungemein ähnlich, doch unterſcheidet ſich die Wandung des
Hanfes im mikroſkopiſchen Bilde (Figur 11) durch eine ſcharfe Längsſtreifung
und bei gebogenen Faſern an der inneren Krümmungsſeite durch eine kräftige
Wellenfaltung vom Flachs, die Enden der Faſer ſind teils ſtumpf, teils ſpitz;
das Lumen des Hanfes iſt etwas kleiner als das des Flachſes; im übrigen
ſind Hanf und Flachs ſelbſt unter dem Mikroſkop nur ſehr ſchwer zu unter-
ſcheiden.


Figure 11. Fig. 11.

Hanf.


Die Zuſammenſetzung des Hanfes iſt die gleiche wie beim Flachs,
doch iſt der rohe Hanf mehr verholzt als der Flachs. Nach Entfernung der
Holzteile beſteht er vorwiegend aus Celluloſe nebſt Fettbeſtandteilen, Farbſtoff ꝛc.,
welche durch den Bleichprozeß, dafern ſolcher überhaupt angewendet wird,
entfernt werden.


Chemiſches Verhalten. Auch dieſes iſt genau dasſelbe, wie beim
Flachs, ſo daß die Unterſcheidung von Hanf und Flachs auch hier zu den
ſchwierigſten Aufgaben gehört. Nach Pinchon ſoll durch konzentrierte
Schwefelſäure die Hanffaſer aufquellen und durch Zuſatz von Jodlöſung eine
gelbe Färbung geben (Flachs gibt eine blaue Färbung); Hanauſek*) da-
gegen ſagt: „mit Jod oder Schwefelſäure färbt ſie ſich blau oder grün-
lich, einzelne Faſern werden braungelb“; Bolley
**) nennt die
Farbe grünlich. Konzentrierte Alkalienlöſungen färben den Hanf dunkler
gelb
als den Flachs. Die Hanffaſer gibt faſt ſtets eine ſchwache Holzſtoff-
[69] reaktion. Anilinſulfat färbt mehr oder minder gelb. Kupferoxydammoniak be-
wirkt ſtarkes Aufquellen und teilweiſe Verflüſſigung der Faſer; die innerſte
Wandſchicht, welche das Lumen umgibt, widerſteht der Auflöſung länger und
bildet oft einen vielfältigen, breiten Schlauch. — Nicht geröſteter Hanf wird
durch Schwefelſäure grün gefärbt; Ammoniak färbt ihn erſt grün, dann gelb,
die geröſtete Faſer dagegen ſchwach violett. Das einzige abſolut ſichere Merk-
mal zur Erkennung des Hanfes ſind nach Cramer*) die der Innenſeite der
Baſtzellen anliegenden einzelnſtehenden ſchmallumigen Schläuche, welche mit
einer homogenen, tiefbraunen, in Kalilauge, Schwefelſäure, Alkohol
und Waſſer unlöslichen Maſſe gefüllt ſind.


Das Verſpinnen und Verweben des Hanfes iſt genau dasſelbe wie
beim Flachs. Von den Geſpinnſten ſind von Intereſſe Hanfgarn, Hanf-
zwirn und Bindfaden. Die Hanfgewebe kommen für den Färber nicht in
Betracht, die bekannteſten ſind: Segeltuch, Hanfleinen, Schertuch, Sack- und
Packleinen, Hanftuch.


§ 13. Jute.


Die Jute, auch Calcuttahanf genannt, die gebräuchlichſte Geſpinnſtfaſer
Oſtindiens, iſt, obgleich ſchon ſeit 40 bis 50 Jahren in Europa bekannt, doch
erſt in den letzten 25 Jahren bei uns richtig gewürdigt worden. Die man-
cherlei der Jute eigentümlichen recht fatalen Eigenſchaften haben ihr jahre-
lang den europäiſchen Markt verſchloſſen, bis ſie ſich denſelben, weſentlich
unterſtützt durch den Mangel an ruſſiſchem Hanf und Flachs während des
Krimkrieges (1854/55) und durch die Baumwollennot während des amerika-
niſchen Bürgerkrieges 1861/65), ſchließlich auch durch ihre ungemeine Billig-
keit eroberte, ſo daß jetzt bereits in England, Frankreich und Deutſchland
große Jute-Spinnereien und -Webereien beſtehen.


Herkunft. Die Jute iſt die Baſtfaſer einiger in Oſtindien heimiſchen
Arten der zur Familie der Tiliaceae gehörenden Gattung Corchorus. Die
beiden hauptſächlich die Jute liefernden Arten, Corchorus capsularis L. und
Corchorus olitorius L., ſind einjährige, ſtrauchartige, 4 bis 5 m hohe, unſern
Linden nicht unähnliche Pflanzen mit geſägten Blättern und kleinen gelben,
oft einzelnſtehenden Blüten. Nach einigen Autoren ſollen auch noch andere
Corchorus-Arten Jute liefern und zwar werden genannt: C. textilis, C. sili-
quosus, C. decemangulatus, C. fuscus.
Dieſe Arten wachſen wild, werden
aber auch in Oſtindien, Bengalen und neuerdings auch in Algier**) vielfach
angebaut. Die nach der Regenzeit geſäeten Pflanzen wachſen ungemein
ſchnell, ſo daß ſie ſchon nach 3 bis 3½ Monaten abgeſchnitten und getrocknet
werden können.


Gewinnung. Die Jute-Baſtfaſern liegen unterhalb der Rinde; ihre
Iſolierung erfolgt durch eine ähnliche Behandlungsweiſe wie beim Flachs und
Hanf. Die in Bündel gebundenen, dann getrockneten Stengel werden in
Waſſergruben gelegt, mit Raſen bedeckt und etwa 14 Tage liegen gelaſſen.
Dieſes der Waſſerröſte entſprechende Verfahren bezweckt die Loslöſung der
Rinde und die Durchweichung der Baſtfaſern; der Raſen wird dann ent-
[70] fernt, die Rinde abgetrennt, die erweichte Baſtſchicht abgezogen und in der
Sonne getrocknet. Ob dieſer primitiven Gewinnung noch eine ähnliche me-
chaniſche Behandlung, wie Brechen, Schwingen, Hecheln, Kämmen u. dergl.
erfolgt, habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Die ſo gewonnene
Roh-Jute wird dann in Ballen verpackt und verſendet. Um die Jute ſpinn-
fähig zu machen, wurde ſie bisher mit Thran, Oel und Petroleum einge-
fettet und einem 2 bis 3tägigen Fermentationsprozeß ausgeſetzt. Hildwein
und Wieſer fetten die Jute mit Türkiſchrotöl oder einer ammoniakaliſchen
Löſung von Fettſtoffen ein, und ſetzen ſie dann 1 bis 2 Stunden bei gewöhn-
licher Temperatur einem Drucke von 5 bis 6 Atm. aus, wodurch bedeutend
an Arbeitszeit geſpart wird. (D. R. P. 40723 vom 18. Januar 1887.)


Eigenſchaften. In dieſer Form ſtellt die Jute eine ſtark verholzte,
oft bis zu 3,5 m lange, 0,01 bis 0,03 mm dicke, bräunlichgelbe, graugelbe
bis ſilbergraue, ziemlich harte, ſpröde Faſer vor, welche nach längerem Ge-

Figure 12. Fig. 12.

Jute.


brauch auffaſert und an den Bruchſtellen morſch wird.
Sie beſitzt weder die Feſtigkeit noch die Geſchmeidigkeit
des Flachſes oder Hanfes, und ſtellt daher ein minder-
wertiges Produkt vor. Ob die Jutefaſer an ſich wirk-
lich minderwertig iſt, oder ob die geringe Dauerhaftig-
keit erſt eine Folge verkehrter Behandlung bei der Ge-
winnung iſt, ſoll hier nicht weiter erörtert werden. —
Unter dem Mikroſkop erſcheint ſie als eine glatte
cylindriſche Faſer, die als einziges charakteriſtiſches
Merkmal ein unregelmäßiges Lumen zeigt, welches
ſich bald erweitert, bald verengt (Figur 12), ja ſogar
gänzlich verſchwinden kann, ſo daß dasſelbe an dieſer
Stelle durchbrochen erſcheint. Dementſprechend wechſelt
die Dicke der Wandung und erſcheint bald dünner,
bald dicker, welchen Umſtand Hanauſek für die Urſache
der geringen Feſtigkeit und des Auffaſerns der Faſer hält.
Der Querſchnitt zeigt, daß ſtets mehrere Faſern neben-
einander liegen, und gibt ein Gruppenbild, in welchem
die verſchieden großen Lumina und die verſchieden dicken Zell-
wandungen deutlich ſichtbar ſind. Für die Jute cha-
rakteriſtiſch iſt, daß ſie unregelmäßige Fünf-
oder Sechsecke bildet, welche durch gerade Linien und
ſcharf ausgeprägte Winkel begrenzt werden.


Chemiſche Zuſammenſetzung. Hinſichtlich ihrer chemiſchen Natur
ſcheint die Jute eine Ausnahmeſtellung einzunehmen. Abgeſehen davon, daß
die Jute eine ſtark verholzte Faſer iſt, legt ihr merkwürdiges Verhalten gegen
gewiſſe Reagentien die Vermutung nahe, daß die urſprüngliche Celluloſe in
eine veränderte Form übergegangen ſei. Croß \& Bevan, welche ſich durch
die theoretiſche wie praktiſche Erforſchung der Jute ein Verdienſt erworben
haben, haben für die metamorphoſierte Celluloſe den Namen Baſtoſe vor-
geſchlagen. So intereſſant nun auch die Originalarbeiten von Croß \&
Bevan
ſind, ſo haben dieſelben mich doch nicht vollkommen zu überzeugen
vermocht, vielmehr erſcheinen mir dieſelben als ein Argument mehr für meine
ſchon oben angedeutete Annahme, daß die metamorphoſierte Celluloſe erſt
eine Folge der unrationellen Behandlung der Pflanze bei der Gewinnung
[71] der Gewebefaſer ſei. Jedenfalls iſt dieſes Thema noch nicht ſpruchreif, zu-
mal auch die neueſte Arbeit Hanauſeks über Jute die Exiſtenz der Baſtoſe
nicht einmal erwähnt. — Nach Bolley iſt der Waſſergehalt luft-
trockener Jute 6 Prozent; die mit Waſſerdampf geſättigte Faſer enthält 24
Prozent. Die Aſchenmenge beträgt 0,9 bis 1,74 Prozent.


Chemiſches Verhalten. Mit geſpannten Waſſerdämpfen längere
Zeit behandelt wird die Jute in lösliche Subſtanzen verwandelt (Celluloſe
bleibt bei der gleichen Behandlung intakt). Der Witterung ausgeſetzt, wird
die Jute ſchnell brüchig und zerfällt (Celluloſe bleibt unverändert). Dieſe
beiden Erſcheinungen beweiſen, daß wir es in der Jute mit einer deformierten
Celluloſe zu thun haben; ſie ſcheinen aber auch zu beweiſen, daß der bei der
Gewinnung der Jute in Oſtindien beliebte Röſt- oder Rottprozeß zur Ge-
winnung untauglich iſt
. Bei der Durchſchnittstemperatur Oſtindiens
und dem gleichzeitigen Behandeln mit Waſſer unter Luftabſchluß unterliegt
die ganze Jutepflanze einer richtigen Vertorfung, welche auf die Celluloſe
durchaus zerſtörend wirkt, da die ſich bildenden Humusſubſtanzen teilweiſe
erſt Zerſetzungsprodukte der Celluloſe ſind. Man darf ſich daher über die
Brüchigkeit und die geringe Haltbarkeit der Jute durchaus nicht wundern; eine
ſchon zum Teil zerſtörte, humifizierte Jute kann unmöglich die Eigenſchaften
einer tadelloſen Celluloſe haben. — Gegen Säuren zeigt die Jute faſt gar
keine Widerſtandsfähigkeit; beſonders Mineralſäuren zerſtören ſie leicht und
ſchon bei gewöhnlicher Temperatur. Alkalien ſtellen unter Abſcheidung einer
gerbſtoffähnlichen Subſtanz die unlösliche Celluloſe wieder her. Dieſe merk-
würdige Thatſache iſt der Grund, warum Jute ſich mit baſiſchen Farbſtoffen
direkt färben läßt. Chlor und ſtarke Löſungen unterchlorigſaurer Salze wirken
ähnlich wie Säuren, unter Bildung gechlorter Derivate, wodurch die Faſer
entweder gleich oder erſt bei der weiteren Behandlung morſch wird. Dies iſt
zugleich der Grund, warum das Bleichen der Jute auf Schwierigkeiten ſtößt.
Nach Rath (Deutſche Färberzeitung 1887, Nr. 12) iſt Waſſerſtoffſuperoxyd
zum Bleichen der Jute geeignet, ſobald eine Vorbleiche mit Natriumhypo-
chlorit (Eau de Javelle) ſtattgefunden hat. Das Bleichen mit übermangan-
ſaurem Kali erwies ſich als zu teuer. — Der Gewichtsverluſt der Jute
durch Bleichen beträgt je nach der angewandten Methode 2 bis 8 Prozent. —
Durch Anilinſulfat wird die Jute gelb gefärbt, ein Beweis ihrer Verholzung.
Die mit Chlor behandelte Jute färbt ſich mit Natriumſulfit fuchſinrot.
Schweflige Säure bleicht die Jute ohne merkbare Zerſtörung. Kupferoxyd-
ammoniak bewirkt nur eine Aufquellung der Faſer (Unterſchied vom Hanf,
welcher dabei teilweiſe gelöſt wird). — Durch verdünnte Chromſäurelöſung,
der etwas Schwefelſäure zugeſetzt iſt, wird Jute blau gefärbt.


Maßgebendes für die Wertbeſtimmung der Jute. Nach dem
vorher Erläuterten wird man diejenige Jute für die beſte zu halten berechtigt
ſein, bei welcher der Prozeß der Humifikation am wenigſten weit vorge-
ſchritten iſt, d. h. je weniger mürbe oder morſch dieſelbe iſt und je länger
ſie der Wirkung geſpannten Dampfes zu widerſtehen vermag, ohne zu zer-
fallen. Demnächſt wird auch diejenige Jute zu bevorzugen ſein, welche möglichſt
wenig verholzt iſt, alſo möglichſt wenig ſpröde iſt. Je feſter und weicher
eine Jute, deſto beſſer. Beſſere Sorten zeichnen ſich auch durch eine gewiſſe
Feinheit und durch einen ſchwachen Glanz aus. — Weiter gehende
[72] Forderungen zur Wertbeſtimmung werden ſich erſt nach Einführung einer
vernunftgemäßen Gewinnungsmethode aufſtellen laſſen.


Formen, in denen die Jute zum Färben gelangt. Die Jute
kommt entweder als halbgebleichte oder gebleichte, loſe Jute zum Färben.
Da ſie eine ziemlich derbe Faſer iſt, und daher nur zu geringeren Ge-
weben (Pack- und Sacktuch, Gunny) verwebt wird, ſo kommen Jutegewebe
für die Färberei weniger in Betracht. Wichtiger für die Färberei ſind dicke,
locker geſponnene Jutegarne, welche in neuerer Zeit vielfach in der Teppich-
fabrikation Verwendung finden. Die beſſern Juteſorten werden teils als
ſolche allein, teils mit Baumwolle zuſammen zu gröberen Tiſchdecken und
Bettdecken, zu Gardinen- und Portierenſtoffen verwebt. Auch ein ſammetartiges
Jutegewebe kommt als Juteplüſch in den Handel.


Statiſtiſches über Jute. Im Jahre 1828 wurden 364 Zentner
Rohjute im Werte von 1240 Mark aus Oſtindien ausgeführt; im Jahre
1856 bereits gegen 3500000 kg im Wert von 6 Millionen Mark; im
Jahre 1882/83 517445400 kg, wovon 41200 Tonns auf Deutſchland
entfallen. Dieſe Zahlen zeigen wohl aufs deutlichſte die enorme Steigerung
im Verbrauch der Jute, welche heutzutage die billigſte aller Gewebefaſern
iſt. In Indien waren bereits im Jahre 1883 22 große Etabliſſements mit
ca. 6000 mechaniſchen Webſtühlen im Betrieb, neben einer großen Anzahl
von Handwebſtühlen, welche jährlich mehr als 100 Millionen Juteſäcke her-
ſtellen. In Deutſchland befanden ſich 1884 23 große Etabliſſements mit
ca. 61000 Spindeln und 2840 mechaniſchen Webſtühlen, ungerechnet die
Hand- und mechaniſchen Webſtühle ohne Spinnereibetrieb. Großbritannien
mag wohl über die ſiebenfache Anzahl beſitzen. In Deutſchland wurden 1883
33436500 kg Rohmaterial eingeführt, wovon 31764700 Geſpinnſte und
Gewebe gefertigt wurden. Außerdem hat Deutſchland noch aus England im
Jahre 1883 1193000 geſponnene Jutegarne bezogen, und zwar die feineren
Nummern, während die Nummern 1 bis 12 in deutſchen Spinnereien herge-
ſtellt werden (Heinzerling).


§ 14. Chinagras.


Die unter dem Namen Chinagras bekannte Geſpinnſtfaſer bildet in
China — wo es tschou-ma heißt — und Japan ſeit mehreren Jahrhun-
derten das Hauptmaterial für Geſpinnſte aller Art von den gröbſten bis
zu den feinſten. Auf den europäiſchen Markt kam es erſt in jüngerer Zeit
und im Jahr 1881 entſtand in Deutſchland die erſte Chinagrasſpinnerei.


Herkunft. Das Chinagras iſt die Baſtfaſer der in China und Süd-
aſien heimiſchen Boehmeria nivea Gaud., einer perennierenden Pflanze aus
der Familie der Urticaceae. Die wertvollen Eigenſchaften des Chinagraſes
haben zu einem Anbau der Stammpflanze in größerem Umfange geführt,
ſo namentlich am Südabhange des Himalaya, in Mexiko, im Miſſiſippithale,
auf Cuba, ſpäter wurde in Südrußland und in Algier Chinagras gebaut,
in neuerer Zeit hat man auch in Frankreich und in Deutſchland den Anbau
verſucht, und zwar nicht ohne Nutzen, wenngleich das Klima demſelben eini-
gen Abbruch thut. Nach andern Autoren ſoll auch Boehmeria heterophylla
Chinagras liefern.


[73]

Gewinnung. Die Baſtfaſer wird nach dem Spalten der Stengel
mit der Hand abgezogen. Dieſe Handhabung iſt zwar zeitraubend und nicht
billig, dafür erhält man aber auch eine Faſer von großer Feſtigkeit, welche
durch das widerſinnige Röſten nicht erſt morſch gemacht und obenein völlig
unverholzt iſt. — Sanſone verarbeitet die Rohfaſer, indem er dieſelbe
durch mehrmaliges abwechſelndes Kochen in verdünnter Natronlauge und Ein-
tauchen in Natriumbiſulfitlöſung reinigt und dann mit Natriumhypoſulfit
bleicht.


Eigenſchaften. Die ſo gewonnene Rohfaſer iſt faſt immer gelb-
braun, gelb bis gelbgrün, glänzend, biegſam, außerordentlich zäh und feſt.
Aus dieſem Baſte wird durch ein außerordentlich kompliziertes Verfahren,
welches zum Teil eine mechani-
ſche Zerteilung der Baſtbündel
in die einzelnen Faſern und die
Zerſtörung des natürlich anhaf-
tenden Farbſtoffes bezweckt, das
kotoniſierte Chinagras ge-
wonnen, welches eine Geſpinnſt-
faſer von etwa 6 cm Länge (ſel-
ten darüber), von außerordent-
licher Stärke, Feſtigkeit und Fein-
heit, von rein weißer Farbe,
großer Biegſamkeit und ſtarkem
Seidenglanz vorſtellt. Die Fa-
ſern haben eine Länge von 20 cm
und eine Breite von durchſchnitt-

Figure 13. Fig. 13.

Chinagras.


lich 0,03 bis 0,04 mm; die Enden ſind meiſt dick abgerundet; das Lumen iſt
wechſelnd und beträgt oft bis zu ⅘ des Zelldurchmeſſers. Das kotoniſierte
Chinagras zeigt (infolge der mechaniſchen Behandlung) Falten in den Wän-
den, Knickungen, Quetſchungen und Riſſe. (Fig. 13.)


Chemiſche Zuſammenſetzung. Das Chinagras, insbeſondere das
kotoniſierte, als nicht verholzte Pflanzenfaſer repräſentiert eine faſt reine
Celluloſe. Es reiht ſich daher der Baumwolle und der Leinenfaſer an; der
Waſſergehalt des lufttrockenen kotoniſierten Chinagraſes beträgt 6,5 Prozent,
der des mit Waſſerdampf geſättigten 18,5 Prozent, die Aſche 1,91 Pro-
zent (Bolley).


Chemiſches Verhalten. Anilinſulfat einerſeits, ſowie Phloroglucin
und Salzſäure andererſeits, geben keine Färbung, ein Beweis, daß die Faſer
abſolut nicht verholzt iſt. In konzentrierter Schwefelſäure quillt Chinagras
langſam auf, mit Jodlöſung verſetzt, erſcheint das Lumen gelbgrün, während
die blaugefärbte Celluloſe dasſelbe als ſpiralig gewundener Wulſt umgibt
(Fig. 12 bei C). — Gegen verdünnte und konzentrierte Säuren, gegen Aetz-
alkalien, Löſungen der Alkalicarbonate und Seifen, gegen Chlor und Löſungen
unterchlorigſaurer Salze verhält ſich das Chinagras ganz ebenſo wie Baum-
wolle und Leinen. Kupferoxydammoniak bewirkt unter Bläuung ſtarke Auf-
quellung, doch keine Löſung. Jod allein färbt die Faſer gelb, den Inhalt
goldbraun.


[74]

Maßgebendes zur Wertbeſtimmung des Chinagraſes. Da
das Chinagras nicht verholzt iſt, ſo wird bei ihrer Wertbeſtimmung der
Hauptwert darauf zu legen ſein, daß man auch die wirkliche Chinagrasfaſer
vor ſich habe, und nicht etwa eine der vielen anderen in dem Handel vor-
kommenden minderwertigen Neſſelfaſern, welche morphologiſch und chemiſch
nicht zu unterſcheiden ſind, ſo daß lediglich die phyſikaliſchen Eigenſchaften
und insbeſondere die Feinheit, Feſtigkeit, Weichheit, Biegſamkeit und der
ſeidenartige Glanz als maßgebend zu betrachten ſind.


Formen, in denen das Chinagras zum Färben gelangt.
Das Chinagras wird nur ſelten als unverſponnene Faſern gefärbt. Wichtiger
ſind die Chinagrasgarne. Dieſe werden teils gefärbt, teils ungefärbt,
zu Geweben aller Art verwebt, vornehmlich aber zu glatten ſeidenähnlichen
Geweben; ungefärbt ſtellt ein ſolches das ſogenannte Grasleinen (China
grass-cloth
) vor. Ferner kommen ſammetartige Gewebe (Chinagrasplüſch)
und gazeähnliche Gewebe (Spitzen, Schleier ꝛc.) aus Chinagras vor.


Noch größer iſt die Zahl der Gewebe, in welchen Chinagrasgarn als
Erſatz für Seide verwebt wird, die alſo den Eindruck von Halbſeide hervor-
bringen ſollen, ohne wirklich ſolche zu ſein. Vorwiegend dient das Chinagrasgarn
in gemiſchten Geweben, Gardinen, Portierenſtoffen, in baumwollenen Kleider-
ſtoffen und Kammgarnzeugen, ſowie in Bordüren zur Hervorbringung ſeiden-
glänzender Muſter oder als Effektfäden.


Ueber die ſtatiſtiſchen Daten des Chinagraſes iſt etwas Zuver-
läſſiges nicht zu berichten, da in den ſtatiſtiſchen Berichten Chinagras mit
Ramié, Rhea und Neſſel zuſammen aufgeführt wird.


§ 15. Ramié oder Ramêh.


Herkunft. Die Ramié, von vielen auch ſchlechtweg Neſſelfaſer ge-
nannt, iſt eine dem Chinagras naheſtehende Geſpinnſtfaſer und ſtammt von
Boehmeria tenacissima Gaud.*) Nach anderen Angaben ſoll auch Boehmeria
utilis
Ramié liefern. Die Stammpflanze wird in Indien, China, Japan,
auf den Sunda-Inſeln und Molukken kultiviert; der Stengel erreicht eine
Höhe von 1½ bis 3 m; ſie iſt eine perennierende Pflanze, welche ein Alter
bis zu 15 Jahren erreicht und in ihrem Heimatlande jährlich 3 bis 4 mal
geſchnitten wird; auch in Nordamerika, Frankreich und Italien („Ramia
italiana“
) iſt ſie kultiviert worden. 1887 hat man auch in Ungarn, 1888 in
Süddeutſchland den Anbau der Ramiépflanze verſucht. — Nach anderen
Angaben ſollen auch Urtica sanguinea und Urtica crenulata Ramié liefern.


Gewinnung. Da der Stengel der Pflanze holzig wird, und die
Baſtzellenſchicht der Ramiéfaſer unmittelbar an die Holzfaſerſchicht grenzt, auch
die Baſtfaſern durch eine Art Pflanzenleim zuſammengehalten werden, ſo
liegen hier die Verhältniſſe faſt ganz wie beim Flachs, zumal auch hier die
Faſer ſelbſt nicht verholzt iſt. Die Gewinnung der Ramiéfaſer beruht daher
auf den gleichen Prinzipien wie die der Flachsgewinnung, indem der ge-
[75] trocknete und gedörrte Stengel mittels Brechmaſchinen geknickt und entholzt
wird. Dann folgt eine dem Schwingen des Flachſes ähnliche Operation.
Die ſo gewonnene Ramié iſt die Rohfaſer in Form aneinander klebender,
gelblichbrauner, geſchwungenem Flachs nicht unähnlicher Faſern.


Die Befreiung der Ramiéfaſer von den die Celluloſe inkruſtierenden
Subſtanzen geſchieht neuerdings in Frankreich nach einem patentierten Ver-
fahren von Schiefer, indem die Faſer unter Druck und unter Einwirkung
von Chemikalien in einem beſonders konſtruierten Keſſel gekocht wird. Nach
beendeter Operation wird die Faſer getrocknet, gekämmt, und auf Maſchinen,
welche denen in der Baumwollſpinnerei ganz ähnlich ſind (eventuell nach
vorherigem Bleichen) verſponnen und verwebt. Bei rationeller Gewinnung
der Faſer gibt dieſelbe (nach Eugène Schiefer) 28 bis 30 Prozent vom
Rohſtengelgewicht.


Eigenſchaften. Die ſo gewonnene Faſer iſt weiß und beſitzt faſt
alle Eigenſchaften des Chinagraſes, ſie beſitzt aber eine geringere Biegſam-
keit und iſt glanzlos. Die Länge der Faſer iſt 6 bis 8 cm, die Dicke 0,016
bis 0,126 mm; das Lumen iſt bald enger, bald weiter, oft bis zu ⅘ des
Zelldurchmeſſers.


Die chemiſche Zuſammenſetzung und das chemiſche Verhalten
der Ramiéfaſer ſtimmen mit dem Chinagras vollkommen überein, auch die
Kriterien für die Wertbeſtimmung ſind die gleichen wie beim Chinagras,
nur daß man hier diejenige Ramiéfaſer für die beſte wird halten müſſen,
welche in Bezug auf Biegſamkeit und Glanz dem Chinagras möglichſt nahe
kommt.


Formen, in denen die Ramiéfaſer zum Färben kommt. Ab-
geſehen von der unverſponnenen Faſer iſt beſonders das aus der Ramiéfaſer
geſponnene Garn, das Neſſelgarn, von Wichtigkeit, welches in vieler Hin-
ſicht dem Baumwollgarn ähnlich ſich verhält. Die glatten, leinwandartig
gewebten Stoffe führen den Namen Neſſel, und werden vielfach als Futter-
ſtoffe (Futterneſſel) verwendet.


Chinagras und Ramié werden vielfach für gleichbedeutend ange-
ſehen; ſogar v. Höhnel bezeichnet in ſeinem neuen Werke: „Mikroſkopie
der techniſch verwendeten Faſerſtoffe“ beide als ein und dieſelbe Faſer.
Wenn ich dieſelben hier getrennt habe, ſo geſchieht das einmal, weil die Ab-
ſtammung beider Faſern eine verſchiedene iſt, vor allem aber auch, weil die
mir vorliegenden aus vertrauenswerter Quelle ſtammenden Faſern den ſchon
oben angedeuteten Unterſchied zeigen: Das Chinagras beſitzt große Bieg-
ſamkeit und hohen Glanz, die Ramié dagegen iſt ſteif und glanzlos.


§ 16. Neſſelfaſer.


Unter Neſſelfaſer verſtehen einige Autoren ſowohl die Chinagras- wie
die Ramiefaſer. Ich verſtehe dagegen unter Neſſelfaſer einzig und allein
die ganz vortreffliche Geſpinnſtfaſer der bei uns heimiſchen und in
Wäldern, auf wüſten Plätzen, an Straßengräben u. ſ. w. in Maſſe wild
wachſenden, viel geſchmähten echten Brenneſſel, Urtica dioica. Dieſe Brenn-
neſſel beſitzt eine Gewebefaſer, welche der des Leins und der Ramié in nichts
nachſteht, die Jute dagegen an Feinheit und Dauerhaftigkeit bei weitem über-
[76] trifft. Sie liefert einen feinen Baſt, welcher, von den inkruſtierenden Sub-
ſtanzen befreit, nach dem Verſpinnen und Verweben das von Kennern hoch-
geſchätzte feine Neſſeltuch liefert.


Die Stammpflanze, unſere gemeine Brenneſſel, Urtica dioica L., kann
die bedeutende Höhe von 2 m erreichen und daher auch eine ausnehmend
lange Faſer liefern; außerdem zeigten Kulturverſuche, daß auch eine zwei-
malige Ernte der Stämme möglich iſt.


Die von der Brenneſſel gewonnenen Faſern ſind ſehr fein, geſchmeidig,
weich, lang und hinlänglich feſt. Die Verwendung derſelben würde, das
Problem der Gewinnung als günſtig gelöſt vorausgeſetzt, für die Textil-
induſtrie einen bedeutenden Gewinn vorſtellen. Denn die Neſſelfaſern „ver-
einigen in ſich die Vorzüge der Baſtfaſern und der Baumwolle“ und könn-
ten demnach zu den wertvollſten Textilien gerechnet werden (Moeller)*).
Hinderlich der Gewinnung und Verwendung iſt aber die geringe Anzahl von
Baſtfaſern, die in einem Neſſelſtamm enthalten iſt und der innige Verband
derſelben mit den benachbarten Geweben.


Die ſorgfältig aus dem Stengelgewebe herauspräparierte Faſer iſt ziem-
lich glatt, ohne Streifen, dagegen ſtets von ſtarken Parenchymmaſſen be-
gleitet. Der Spinnrohſtoff dagegen beſteht aus Faſern, die teils gerade,
teils ſchief geſtreift ſind, Knickungen zeigen, oft wie ein Band plattgedrückt
ſind und durch die ſtellenweiſe auftretenden Verengerungen und plötzlichen
Verbreiterungen gut charakteriſiert ſind. Die Verbreiterungen, die nicht etwa
allein der Faſerwand, ſondern auch dem Lumen zukommen, treten auch häufig
an den Enden auf, ſo daß dieſe eine merkwürdige, löffel- oder ſpatelförmige
Geſtalt beſitzen; gewöhnlich ſind die Enden ſtumpf, abgerundet und ſollen
auch (nach v. Höhnel) eine gabelige Veräſtelung zeigen. Außen- und Innen-
kontouren der Zellwand ſind nicht etwa, wie bei der Jute ungleich laufend,
ſondern bleiben nahezu parallel, ſo daß die Mächtigkeit der Wand im allge-
meinen ſich nicht weſentlich verändert. Stark ausgeprägte Marken der auf
den Faſern aufliegenden, kryſtalldruſenführenden Zellen (von quadratiſchem
Umriß) verurſachen ſtellenweiſe eine Querſtreifung der Faſern, die ſonach
den Anſchein haben, als wären ſie von querlaufenden Poren durchzogen.
Die meiſten Faſern führen einen feinkörnigen, von Jod goldgelb gefärbten
Inhalt. Verholzung iſt nicht nachzuweiſen, Jod und Schwefelſäure färben
die Faſer blau. In Kupferoxydammoniak wird ſie raſch gelöſt, nur die
Innenhaut widerſteht dieſem Reagenz eine kurze Zeit, nachdem ſie wulſtig
aufgequollen. Die Querſchnitte zeigen einzelne Faſern oder nur wenige,
meiſt 3 bis 6, ſelten bis 9 Faſern zu lockeren Gruppen vereinigt. Die
Faſern erſcheinen im Querſchnitte länglich oder rundlich eiförmig, abgeplattet,
auch einwärts gefaltet, aber niemals polygonal, und erinnern an Hanf; das
Lumen iſt länglich, zuſammengedrückt, ſelten dreieckig; die Schichtung wird
beſonders nach Anwendung von Kali deutlich; als Breitenmaße findet Ha-
nauſek
**) 30 bis 40 µ (nach v. Höhnel***) 70 µ, nach Moeller
ſelbſt 120 µ).


[77]

Die mit Salzſäure gewonnene Faſer zeichnet ſich durch weiße Farbe
und ſeidenähnliches Ausſehen vorteilhaft aus, hat aber nach Moeller ſoviel
an Feſtigkeit und Elaſtizität eingebüßt, daß ſie gar nicht mehr hechelbar iſt
und der Baumwolle gleichkommt; aber auch das Röſte- und das mechaniſche
Verfahren zur Iſolierung der Baſtfaſern bringt kein tadelloſes Produkt zu-
wege, ſo daß die Behauptung nicht ungerechtfertigt ſein mag, von der Neſſel
könnte keine Faſer erhalten werden, die mit Lein und Hanf an Länge und
Gleichmäßigkeit zu konkurrieren vermag.


Angeſichts dieſer bekannten Thatſache muß es recht ſehr befremden,
wenn die Neſſel bei uns, ſtatt gebaut zu werden, überall als läſtiges Un-
kraut angeſehen und bekämpft oder ausgerottet wird. Es iſt dies geradezu
ein nationalökonomiſches Verbrechen und zwar in zweierlei Beziehung, weil
wir damit eine vorzügliche Textilfaſer unbeachtet laſſen, und weil die vielen
Quadratmeter öden unbebauten Bodens bei der großen Anſpruchsloſigkeit
der Neſſel einen vorzüglichen Boden liefern würden. Möchte doch dieſer
Appell von den deutſchen Landwirten beherzigt werden; es würde dann eine
neue und wahrlich nicht zu unterſchätzende vaterländiſche Induſtrie entſtehen!


§ 17. Sonſtige Geſpinnſtfaſern.


Mit den in den vorſtehenden Paragraphen ausführlich behandelten Ge-
ſpinnſtfaſern iſt die Anzahl derſelben noch keineswegs erſchöpft. Vielmehr
exiſtieren noch eine ganze Anzahl von Faſern, welche für die Textilinduſtrie
zum Teil von großer Wichtigkeit ſind. Die daraus gefertigten Geſpinnſte
und Gewebe haben jedoch für den Färber gar kein oder nur ein ſehr unterge-
ordnetes Intereſſe. Ich will dieſelben daher hier nur kurz nach Namen,
Abſtammung und Verwendung aufführen. Unter Umſtänden können nach-
folgende Faſern zum Färben kommen:


1. Manilahanf, die Baſtfaſer von Musa textilis, Musa paradisica.
Musa sapientium, Musa troglodytarum,
kommt aus Oſtindien und den
Inſeln des indiſchen Archipels, vornehmlich von den Philippinen in den Han-
del. Ein Stamm liefert 0,5 kg bräunlichgelbe bis gelblichweiße, etwas ſteife,
ſehr zähe, glänzende, gleichmäßige und glatte, 1,2 bis 7 m lange Faſern.
Die hellen Faſern werden gehechelt und zu Garn verſponnen, welches zu
Glockenzügen, Markttaſchen u. dergl. Geflechten (in Frankreich auch Shawls
und Frauenhüten) verwendet wird. Die feinſte Sorte Manilahanf wird
neuerdings aber auch als Schußfaden für gröbere Möbeldamaſte, ſog. Fantaſie-
ſtoffe, verarbeitet, und könnte in dieſer Form, zumal wenn mit Baumwolle
verwebt, dem Färber doch leicht einmal vorkommen. — Der Manilahanf
des Welthandels gilt als das beſte Material für Seilerarbeiten.


2. Ananashanf, die Baſtfaſern der Blätter von Ananassa sativa
Lind., Ananassa semiserrata, Ananassa lucida
und Bromelia Karatas L.,
in Central- und Südamerika, iſt eine feine, weiße, glänzende, bis 1½ m
lange Textilfaſer, welche in ihrer Heimat zu feineren Geweben verarbeitet
wird.


3. Coir, die Baſtfaſer der Cocusnüſſe, iſt eine dicke, rotbraune, un-
gemein zähe, feſte, elaſtiſche, dabei ſehr leichte, bis 30 cm lange Faſer.
Die auf Ceylon, Oſtindien und dem indiſchen Archipel heimiſche Cocos-
palme (Cocos. nucifera L.) iſt die Mutterpflanze. Die faſerige Frucht-
[78] rinde wird nach längerem Aufweichen in Waſſer gewaſchen, getrocknet und
ſchließlich ſo lange geklopft, bis ſie in die Faſern zerfällt. Dieſe werden
gehechelt. Die Faſerelemente ſind kurz; zum Verſpinnen benutzt man da-
her einen Baumwollenfaden, um welche die Cocosfaſer geſponnen wird; das
Geſpinnſt iſt das Cocosgarn. Die Cocosgarne werden vornehmlich zu
Flechtwerk, Matten (Cocosläufer) und Teppichen verarbeitet und kommen
als ſolche bei der Teppichgarnfärberei in Betracht.


4. Halfa, die Faſer der Blätter des in Nordafrika und Südſpanien
heimiſchen Pfriemengraſes, Stipa tenacissima L., iſt bis 50 cm lang,
ſchwach gelblich gefärbt, biegſam und matt glänzend. Nach Romen werden
Gewebe aus dieſer Faſer (Alfa- oder Halfagewebe) in Algier, Spanien und
Frankreich gefertigt. Nach Moeller*) dagegen hat die Halfa als Spinn-
faſer keine Bedeutung.


5. Gambohanf. Unter dieſem Namen verſteht man drei verſchiedene
Geſpinnſtfaſern, und zwar: a) Den Hibiscushanf, die gelblichweiße bis
graugelbe, wenig glänzende und etwas verholzte Faſer von Hibiscus canna-
binus. b)
Die Abelmoſchusfaſer von Abelmoschus esculentus, der
vorigen durchaus ähnlich. c) Die Urenafaſer, die weiße oder gelbliche,
ſchön glänzende Baſtfaſer von Urena sinuata.


Die nun folgenden Geſpinnſtfaſern haben für die Färberei gar kein
Intereſſe, ſind minderwertig und werden vorzugsweiſe zu Seilerarbeiten ver-
wendet. Hierher gehören:


6. Neuſeeländiſcher Flachs, die Blattfaſer von dem auf Neuſee-
land und der Norfolkinſel heimiſchen Phormium tenax Forst.


7. Sunnhanf, die Baſtfaſer von Crotolaria juncea.


8. Aloëhanf, Fiber, die Blattfaſer verſchiedener Agave-Arten.


9. Yuccafaſer von Yucca gloriosa.


10. Bogenſtranghanf von Sansevieria-Arten.


Hier mögen gleich noch einige Faſermaterialien namhaft gemacht wer-
den, an welche ſich große Hoffnungen für ihre Verwendung in der Textil-
induſtrie knüpfen. Erfüllen ſich dieſe, ſo hat auch die Färberei ein direktes
und ſehr großes Intereſſe an dieſen Textilfaſern. Hierher gehören:


11. Die vegetabiliſche Seide, die 10 bis 30 mm langen, weißen,
weichen, ſeidenartig glänzenden Samenhaare verſchiedener Asclepias-Arten,
ſowie die Samenhaare von Calotropis gigantea.


12. Die ſog. Wollbaumwollen oder Kapok. Die Länge der Kapok-
faſern, welche entſchieden als das beſte pflanzliche Stopf- und Polſtermaterial
gilt und in den beſſeren Sorten den echten Dunen an Leichtigkeit und Elaſtizi-
tät nicht nachſteht, beträgt 0,5 bis 2 cm; die einzelnen Faſern beſitzen
ſeidenartigen Glanz und meiſt gelbe bis braune Farbe. Ihre Steifheit und
Kürze hindert ihre direkte Verwendbarkeit als Spinnmaterial, obwohl ſie
auch ſchon verſuchsweiſe dazu benutzt wurden; indeſſen iſt gerade die Starre
der Bombaxwolle der Grund, weshalb ſie ſo vorzüglich zu Polſtermaterial
geeignet iſt. Ihr Preis ſchwankt zwiſchen ½ bis 2 Mark pro Kilogramm.
Die Heimat der Kapokwolle iſt Java, Indien und Ceylon. Die Stamm-
[79] pflanzen derſelben ſind die Gattungen Bombax, Eriodendron, Ochroma,
Chorisia;
von dieſen iſt die wichtigſte Art: Eriodendron anfractuosum DC.
In Amerika ſind es Bombax Ceiba und heptaphyllum, welche Wolle liefern;
in Weſtindien: Ochroma Lagopus Sw.; in Afrika: Bombax guinense und
malabaricum, letztere Art iſt auch in Oſtindien vertreten.


Die Wollbäume gehören auch noch deswegen zu den techniſch intereſ-
ſanteſten und wichtigſten Gewächſen der Tropen, weil ihr Baſt als Hanf
verwendet werden kann, und iſt es eben nicht unmöglich, daß auch die Wolle
nach zweckmäßiger Behandlung als Textilfaſer Verwendung finden kann.


13. Auch die Geſpinnſtfaſern einiger amerikaniſcher Urticaceen, wie
Laportea canadensis, und die Varietät Laportea pustulata Wedd., deren
Anbau in Sachſen verſucht worden iſt, liefern für die Praxis brauchbare
Faſern, wenn ſie auch in der Feinheit der Faſern unſerer Neſſel weit nach-
ſtehen.


§ 18. Gemiſchte Gewebe.


Als gemiſchte Gewebe ſind alle diejenigen aus Geſpinnſtfaſern herge-
ſtellten Gewebe zu betrachten, bei denen die Kettenfäden und die Schußfäden
nicht aus dem gleichen Faſermaterial beſtehen. Der Zweck ſolcher gemiſchten
Gewebe iſt, ein wegen ſeiner beſonderen Eigenſchaften oder wegen ſeiner
Koſtbarkeit hochgeſchätztes Faſermaterial mit einem anderen billigeren Faſer-
material derartig zu verweben, daß das neue Gewebe billiger wird, ohne
dabei das äußere Ausſehen eines einfachen Gewebes aus dem teureren Faſer-
material einzubüßen. Wie das erreicht wird, iſt Sache der Weberei, und
geht uns hier nichts an; aber welcher Art dieſe gemiſchten Gewebe
ſind, und in welchen Zuſammenſtellungen ſie vorkommen kön-
nen, das iſt für den Färber zu wiſſen unbedingt notwendig
.
Ich führe deshalb die häufiger vorkommenden gemiſchten Gewebe nachfol-
gend an*):


1. Halbſeide. Die Halbſeidengewebe haben als Kette durchgängig
Seide (Organſin), als Schuß dagegen Kammgarn (Mohair, Alpaco) oder
Baumwolle.


Hierher zählen: a) Halbtaffet mit Baumwolle als Schuß; Popeline,
mit feiner Kammwolle als Schuß; Levantin, mitunter aus Baumwollkette;
von Köperatlas haben die ganz geringen Sorten Baumwollgarn als Schuß;
ein ſammetartiges Halbſeidengewebe iſt der Halbſeidenvelpel, bei dem der
Grund des Velpels aus Baumwolle hergeſtellt wird; als gazeartiges Halb-
ſeidengewebe iſt der Barège bekannt, mit Kette aus feiner ungekochter Seide
und Schuß von Kammwollgarn oder umgekehrt.


2. Halbwolle. Die Anzahl der halbwollenen Stoffe iſt eine ſehr
große. Faſt alle halbwollenen Stoffe ſetzen ſich aus Wolle und Baumwolle
zuſammen; weit ſeltener aus Wolle und Seide; noch wenig gekannt — ein
Kind der Neuzeit — iſt ein Verweben von Wolle und Jute. In gewiſſem
Sinne könnte man auch die mit Effektfäden aus Chinagras durchwebten
Rock- und Hoſenſtoffe aus Kammgarn als Halbwolle betrachten, doch würde
damit der oben gegebene Begriff eines gemiſchten Gewebes etwas verſchoben.
[80] Bei vielen tuchartigen Zeugen beſteht die Kette aus Baumwolle, der Schuß
aus Streichgarn; hierher gehört der Flanell, glatt oder köperartig ge-
webt, wenig gerauht oder geſchoren und ſchwach gewalkt; der Kaſſinett,
köper- oder atlasartig, mit Kette aus Baumwollgarn, Schuß aus Streich-
wolle, weder gerauht, noch geſchoren oder gewalkt, ſondern nur heiß ge-
preßt; Beiderwand (Halbwollenlama), Halbtuch, Halbwollenköper
und Halbwollenmoleskin, aus Baumwollkette und Streichwollſchuß,
zum Teil wie Tuch behandelt, zum Teil wenig oder auch gar nicht gewalkt;
Velours, oft mit Kette aus Baumwolle, ſtark gerauht und gewalkt, wenig
geſchoren. Kaſchmiret iſt ein gemiſchtes Gewebe, mit Kette aus Floret-
ſeide und Schuß aus feinem Streichgarn, gerauht, gewalkt und geſchoren,
ſo daß der Köper noch erkennbar iſt.


Mindeſtens ebenſo reichhaltig iſt die Zahl der halbwollenen Gewebe
aus Kammgarn. Hierher zählen:


a) Zu den glatten Geweben: Wollmuſſelin, ein lockeres weiches
Gewebe, oft mit Kette aus Baumwolle; Orleans, Kette aus Baumwoll-
zwirn, Schuß aus Kammgarn; Rips, in der Regel aus Baumwoll- oder
Streichwollkette, mit feinem Kammgarnſchuß; Poil de chèvre oder Mo-
hair
aus Baumwollkette mit Kammgarnſchuß. — Chaly iſt eine Art
Wollmuſſelin mit ſeidener Kette und Kammgarnſchuß. — Moiree iſt ein
moiriertes glattes Gewebe mit Kette aus ſtarkem Kammgarn und Schuß
mitunter (aber nicht immer) aus Jute.


b) Zu den geköperten Zeugen: Halbwollene Kaſchmire mit ſeide-
ner Kette und Merinowolle als Schuß; Bombaſin, dem vorigen ähnlich,
mit ſeidener Kette; Halbmerino iſt dreibindiger Köper mit Baumwoll-
kette und Kammwollſchuß oder umgekehrt; Zanella iſt ein fünffädiger Woll-
atlas mit Kette aus Baumwollzwirn.


c) Zu den gemuſterten Zeugen: Halbwollener Damaſt mit Kette
aus Baumwollzwirn.


d) Zu den gazeartigen Geweben: Halbwollenbarège mit Kette aus
gezwirntem Baumwollgarn und Kammgarnſchuß.


3. Halbleinen. Die halbleinenen Gewebe ſetzen ſich in den beſſe-
ren Sorten aus Leinen einerſeits, und Baumwolle oder Ramié (Neſſel)
andererſeits zuſammen; in den geringeren Qualitäten aus Leinen einerſeits
und Rohflachs (Werg), Hanf oder Jute andererſeits. Die halbleinenen Ge-
webe haben für die Färberei nicht das gleiche Intereſſe, wie die halbſeidenen
und halbwollenen Gewebe. Noch geringer iſt das Intereſſe bei


4. Halbbaumwolle, wobei es ſich gemeinhin um Miſchungen von
Baumwolle mit Neſſel oder Hanf (Hedeleinen), Jute handelt.


Die Kenntnis der gemiſchten Gewebe iſt für den Färber deshalb ſo
wichtig, weil er auf das Färben derſelben oft nicht die einfachen Methoden
anwenden kann, wie er ſie bei einfachen Geweben ausübt, beſonders dann
nicht, wenn tieriſche und pflanzliche Faſern zuſammen verwebt ſind. Auf
die Grundſätze, nach denen in ſolchen Fällen zu verfahren iſt, komme ich
im ſpeziellen Teile ausführlich zu ſprechen.


[81]

§ 19. Künſtliche Geſpinnſtfaſern.


Als künſtliche Geſpinnſtfaſer bezeichne ich alle diejenigen Faſermateria-
lien, welche auf mechaniſchem oder chemiſchem Wege oder auf beiden herge-
ſtellt werden und welche in ihren phyſikaliſchen und chemiſchen Eigenſchaften
der natürlichen Faſer ſoweit nahekommen, daß ſie unter Umſtänden als Er-
ſatz für dieſelbe dienen können. Unter ſolchen Surrogaten iſt nur die
künſtliche Wolle oder Kunſtwolle von Wichtigkeit. Dieſes Fabrikat ver-
dient den Namen Kunſtwolle eigentlich nicht, denn es iſt keine künſtliche
Nachahmung der Wollfaſer, ſondern vielmehr eine aus Lumpen wiederge-
wonnene Wolle. Die Franzoſen bezeichnen ſie daher ſehr treffend mit laine
de renaissance.
Da heutzutage ein großer Teil unſerer Wollwarenfabrikate
zum Teil mit Kunſtwolle hergeſtellt wird, und der Färber nicht ſelten (wahr-
ſcheinlich öfter als ihm lieb iſt) Kunſtwolle in die Hände bekommt, die er
aber wohl ſelten ohne weiteres für ſolche halten wird, ſo ſcheint es ange-
zeigt, auf dieſes Kapitel näher einzugehen.


Zur Erzielung des Fabrikats ſchlägt man zwei völlig verſchiedene Wege
ein, ein mechaniſches Verfahren auf trocknem Wege, und ein chemiſches Ver-
fahren auf naſſem Wege. Man gewinnt ſo drei verſchiedene Arten von
Kunſtwolle, welche den Namen Shoddy, Mungo und Extraktwolle führen.


Shoddy und Mungo. Dieſe beiden Sorten werden aus alten
Wolllumpen dargeſtellt, welche vor ihrer Verarbeitung aufs ſorgfältigſte
ſortiert werden müſſen, indem zunächſt alle nicht wollenen Beſtandteile aus-
geſchieden werden. Die zurückbleibenden Wolllumpen gehen dann durch die
Putzmaſchine, wo ſie von Staub und anderen anhaftenden Beſtandteilen be-
freit werden. Nun folgt ein Sortieren nach den Hauptfarben und dann ein
Zerſchneiden in kleine Stücke, wobei gleichzeitig alle nicht wollenen Beſtand-
teile (Nähfaden, ſeidenes Futter, Futterkattun u. dergl.) ſorgfältig entfernt
werden. Die ſo vorſortierten Lumpen gehen dann nochmals durch die Putz-
maſchine und werden abermals ſortiert. Nach v. Wagner liefern 100 kg
Rohlumpen etwa 70 kg ſortierte Lumpen. Dieſe werden nun auf dem
Lumpen- oder Reißwolf zerriſſen und in loſe Wollfaſern verwandelt. Zur
Shoddywolle werden nur die Lumpen von geſtrickten oder loſe gewebten,
nicht gewalkten Wollwaren verwendet; die Verarbeitung ſolcher Lumpen be-
darf keines ſo ſorgfältigen Sortierens und gibt bei einer durchſchnittlichen
Ausbeute von beiläufig 50 Prozent eine Kunſtwolle von längerem Stapel,
welche vor dem Verſpinnen noch einer weiteren Behandlung auf einer Vor-
kratze oder Reißkrempel unterliegt, wobei ſie einen kleinen Zuſatz von Baumöl
erhält.


Die beſte Sorte wird aus reinem Thibet gewonnen und muß recht
lang geriſſen ſein. Die Langfädigkeit iſt für das Spinnen ein großer Vor-
teil. Im Handel findet ſich dieſe Sorte unter der Bezeichnung T1. Die
zweite Sorte, T2 benannt, iſt an Qualität etwas geringer und beſteht aus
Thibet und Tüchern, die dritte Sorte T3 wird nur aus Tüchern ge-
wonnen. Dieſe drei ſind die guten Sorten des Shoddy. Die geringe-
ren Sorten werden aus alten Möbelſtoffen, Damaſt und grobem Rips
hergeſtellt. Dieſe müſſen vor ihrer Verarbeitung in einem Schwefelſäure-
Ganswindt, Färberei. 6
[82] bade von 6° B. recht heiß behandelt werden, um die in dem Stoffe ent-
haltene Appretur zu entfernen und den Lappen einen gleichmäßigen Ton zu
geben.


Eine noch ſchlechtere Sorte wird aus alten Strümpfen gewonnen.
Während die bisher beſprochenen Sorten bei der Fabrikation trocken oder
mit Oel (Oleïn) genetzt auf dem Shoddywolf zerriſſen werden, werden die
alten Strümpfe zuerſt in Waſſer eingeweicht, zerriſſen und zuletzt auf
einer Waſchmaſchine gewaſchen. Man thut dies, um den in den Strümpfen
enthaltenen, oft ſehr feſtſitzenden Schmutz zu entfernen. Die Benennung
für dieſe Sorte iſt S4S.


Die letzten Sorten des Shoddy werden aus altem Zuckertuch, alten
Oelbeuteln, grobem Fries u. dergl. hergeſtellt. Die Behandlung iſt
dieſelbe, wie die des Shoddy aus Strümpfen, d. h. wenn keine Oelbeutel
vorhanden ſind. Letztere werden in der Regel für ſich zerriſſen und bei
Verarbeitung gleich grober Partien mit hineindrouſſiert. Das Drouſſieren
müſſen alle Shoddyſorten durchmachen. Sie werden dadurch reiner und
das Spinnen geht leichter und mit geringerer Abnutzung der Vorkrempeln
vor ſich.


Zur Mungowolle können alle gewalkten und gewebten Stoffe ver-
wendet werden; wie bei der Verwendung gewalkter Wolle nicht anders zu
erwarten, iſt das Produkt ein geringeres und von kurzem Stapel, auch wird
ſie vor dem Verſandt nicht noch erſt auf der Reißkrempel behandelt. Die
Ausbeute an Mungowolle beträgt dann etwa 35 Prozent. Dieſelbe wird
teils aus demſelben Material, teils aber aus geringeren Stoffen hergeſtellt.
Der Unterſchied zwiſchen Shoddy und Mungo liegt weniger in dem be-
nutzten Material, als darin, daß der einzelne Faden bei Mungo weit kür-
zer ausfällt als bei Shoddy. Es iſt darum auch der Mungo weſentlich
billiger als Shoddy. Allerdings beſteht das Rohprodukt auch für Mungo
aus den Reſten von Tüchern, Thibet u. dergl.; es werden aber zum Shoddy
möglichſt große Stücke genommen, während man für Mungo nur kleine,
ja ſogar die kleinſten Stücke verwendet. Ein kleines Stück kann natür-
lich keinen langen Faden geben und iſt für Shoddy nicht mehr zu ge-
brauchen.


Die Mungos aus Thibet ſind ſelten und werden auch weniger ver-
langt, weil ſie hoch im Preiſe ſtehen. Häufig und ſehr geſucht ſind die
Mungos aus neuem und altem Tuche und neuen und alten Buckskins.
Die einzelnen Farben dieſer Materialien werden ſortiert und die neuen von
den alten Stücken getrennt. Blau (Militärblau) und Schwarz werden in
neuen Lappen ungefärbt verarbeitet, um eine recht ſchöne Farbe zu erzielen.
Da aber auch Blau ſowohl wie Schwarz häufig nicht durchgefärbt iſt, ſo
nimmt man von jeder Sorte ⅓ und färbt es nochmals in derſelben Art
ſchwarz, wie man Kunſtwolle zu färben hat. Für Schwarz färbt man ein
kräftiges Blauſchwarz, für Blau ein ſchönes volles Rotblau. Man nimmt
zum Färben aber helle Lappen, z. B. Braun, Grau, Grün u. dergl. Sind
die Lappen gefärbt, ſo werden ſie getrocknet, geſiebt und unter die andern
gemiſcht. Man übergießt dann jeden Centner dieſer Lappen mit 5 kg Oleïn,
wirft die Lappen gut durcheinander, damit das Oel ſich überall gleichmäßig
verteilt und wolft ſie dann auf dieſelbe Art wie Shoddy; nur ſind die
Stifte der ſchon oben beſchriebenen Trommel des Wolfs enger zuſammen-
[83] geſtellt. Die Trommel für Mungo iſt 35 cm breit, 1 m hoch und die bei-
den Seiten mit eiſernen geſchmiedeten Reifen umſpannt. Zwiſchen beiden
Reifen ſind der Breite der Trommel nach die Stifte angebracht und zwar
32 in jedem Reifen in derſelben Ordnung wie beim Shoddy. Schon da-
durch, daß die Stifte enger ſtehen, wird das Material viel kürzer zerriſſen.
Es iſt dann aber auch ſchon ſoweit aufgelöſt, daß es die Drouſſier-
maſchine
nicht mehr zu paſſieren braucht, ſondern gleich mit guter Wolle
gemiſcht auf die Vorkrempeln kommt. Dem Mungo muß man dabei viel
mehr gute Wolle zuſetzen als dem Shoddy, um ein ſpinnfähiges Material
zu erhalten, auch wird der Faden nicht ſo ſchön als der aus Shoddy ge-
ſponnene. Er erfüllt aber ſeinen Zweck, indem er beſonders als Unterſchuß
für Doubles, Ratines, Flocones, wie für alle dergleichen ſchwere Stoffe be-
nutzt wird.


Extraktwolle. Die Extraktwolle wird aus den ſortierten Lumpen
durch das Zerſtören der Pflanzenfaſer auf chemiſchem Wege gewonnen. Das
Verfahren beruht auf der merkwürdigen Thatſache, daß die vegetabiliſchen
Faſern, mit heißer verdünnter Mineralſäure behandelt, morſch werden, reſp.
in Pulver zerfallen oder auch ſich auflöſen, während die Wolle nicht gelöſt
oder morſch wird, und ſcheinbar überhaupt nicht angegriffen wird. Das
Verfahren iſt durchgehends als Karboniſation bekannt, und wird in Fa-
briken (Karboniſieranſtalten) in großem Maßſtabe betrieben. Ausführlicheres
über dieſes Verfahren habe ich bereits in § 5, S. 17—18, geſagt. Es werden
alſo gewiſſermaßen die Lumpen extrahiert, Baumwolle, Leinen und Neſſel
werden gelöſt, und die Wolle bleibt als Rückſtand; daher der Name Ex-
traktwolle.


Eigenſchaften der Kunſtwolle. Wenn auch die auf eine der vor-
ſtehend beſchriebenen Weiſen bereiteten Kunſtwolle nichts anderes als Wolle
iſt, ſo wäre es doch ein verhängnisvoller Irrtum, ſie bona fide als Wolle
zu betrachten. Vom nationalökonomiſchen Standpunkte iſt es gewiß zu billi-
gen, wenn die Wolle aus Lumpen wieder gewonnen und von neuem nutzbar
gemacht wird; auch vom rein chemiſchen Standpunkt wird ſich nichts Ge-
wiſſes dagegen ſagen laſſen. Es darf aber nicht vergeſſen werden, daß
zwiſchen Wolle und Kunſtwolle doch ein ganz gewaltiger Unter-
ſchied iſt
. Die zur Bereitung von Kunſtwolle verwendeten Lumpen, gleich-
viel welcher Art, ſind durchgehends ſchon gefärbt. Durch die mechaniſchen
Operationen bei Bereitung von Shoddy und Mungo wird der Farb-
ſtoff aus der Wollfaſer nicht entfernt
; ebenſo wenig werden hierbei
die vegetabiliſchen Faſern vollſtändig entfernt, und die mikroſkopiſche Be-
trachtung der Wolle zeigt faſt durchgehends noch Baumwolle und Leinen,
nicht ſelten auch Seide als Beſtandteile der Kunſtwolle. Zudem iſt die Be-
handlung der Lumpen auf dem Reißwolf eine geradezu martialiſche. Bei
der Extraktwolle dagegen geht die Wolle aus der Behandlung mit Säure
durchaus nicht ſo intakt hervor, als allgemein angenommen wird, ſie erleidet
ſtets eine Einbuße an ihrer Weichheit und Milde: ſie wird härter und
rauher und läßt ſich ſchwieriger verſpinnen.


Aus dieſen Erwägungen geht unzweifelhaft hervor, daß die Kunſt-
wolle in keinem Falle mit neuer Wolle auch nur annähernd
gleichwertig ſein kann
. Angeſichts dieſer Thatſache iſt es nur zu be-
6*
[84] klagen, daß große Poſten Kunſtwolle mit und neben neuer Schafwolle zu
Garn und Geweben verarbeitet wird.


Für den Färber kommt hier noch beſonders in Betracht, daß die
Kunſtwolle gegen Farbſtoffe ein weſentlich anderes Verhalten
zeigt und zeigen muß als neue Wolle
. Ja, ſie kann geradezu zur
Pein werden, wenn der Färber Garne oder Gewebe zum Färben erhält,
welche aus Wolle mit Kunſtwollezuſatz verwebt ſind. Bei ſolchen Garnen
und Geweben wird alle Kunſt und Erfahrung auch des beſten und gewandte-
ſten Färbers zu nichte. Das ungleiche Anziehen der Farben, das Fleckig-
werden von Wollſtücken beim Färben und noch eine ganze Anzahl ſolcher
Fatalitäten hat ſeinen Grund in der Anweſenheit von Kunſtwolle im Garn
oder Gewebe. Daß der Färber hier eine gleichmäßige Farbe ſehr häufig
nicht erzielen kann, liegt auf der Hand; er wird aber gemeinhin für das
Mißlingen verantwortlich gemacht werden, an dem er doch nicht die ge-
ringſte Schuld trägt.


Unter Kunſtwolle verſteht man jedoch nicht allein die aus Woll- und
halbwollenen Lumpen gewonnene Wollfaſer, ſondern auch die ſchlechteſten
und billigſten Abgänge bei der Wollkämmerei, der Kamm- und Streichgarn-
ſpinnerei, ſowie den Krempelausputz, die Abgänge beim Rauhen ꝛc. Dieſe
Abfälle werden auch wieder verſponnen, aber man vermag nur etwa 30 Pro-
zent des Gewichts an Garn daraus zu gewinnen. Während die eigentliche
Kunſtwolle ſich zur Not bis zu Garnnummer 10 allein verſpinnen läßt,
erfordern die erwähnten Abfälle beim Verſpinnen eines Zuſatzes von friſcher
Wolle. Auch die Abgänge in den Vigogneſpinnereien werden zur Zeit durch
eigene Spinnereien zu grobem Garne verſponnen.


Das Vorkommen von Kunſtwolle in Garnen und Geweben neben neuer
Schafwolle iſt eine Quelle ſteten Aergers und das um ſo mehr, als der
einwandfreie Nachweis der Kunſtwolle ſehr ſchwierig iſt. Ueber den Nach-
weis der Kunſtwolle ſiehe den nächſten Paragraphen.


Künſtliche Seide. Verſuche zur Herſtellung einer künſtlichen Seide
ſind mehrfach gemacht worden, aber ohne Erfolg.


Dagegen ſind die Verſuche, vegetabiliſche Faſern mit einer Seidenlöſung
zu tränken, aller Beachtung wert. Ein recht vernunftgemäßes Verfahren
iſt das von P. Hoſemann, welcher Seide in Alkalien löſt, und die an-
gefeuchtete vegetabiliſche Faſer mehrmals durch eine konzentrierte Seidenlöſung
zieht, dann zwei Stunden auf ein ſtarkes Schwefelſäurebad geht und ſchließ-
lich gut ſpült. Die ſo behandelten Stoffe können gebleicht und gefärbt wer-
den, wie Seide und verlieren ihren ſeidenartigen Charakter nicht.


Neuerdings hat wieder ein Franzoſe Chardonnet ſich ein Verfahren
zur Erzeugung von Kunſtſeide patentieren laſſen. Dieſes Verfahren bezweckt
nichts geringeres, als die in Kollodium gelöſt enthaltene Nitrocelluloſe durch
eine mechaniſche Operation in eine Geſpinnſtfaſer zu verwandeln *). Mir
will das Verfahren noch nicht einleuchten. Wenn es auch wirklich gelingen
ſollte, durch Preſſen durch ein feines Rohr oder Mundſtück eine im halb-
harten Zuſtande nach Belieben dehnbare Spinnfaſer zu erzeugen, ſo möchte
ich doch eindringlich davor warnen, dieſe Geſpinnſtfaſer jemals praktiſch zu
[85] verwerten, denn es iſt ein Nitrokörper, der gegebenen Falls zu Exploſionen
Anlaß geben kann.


Kosmosfaſer, auch Kunſtwolle, Laine artificielle genannt, iſt ein
in neuerer Zeit in den Handel gebrachtes wollähnliches Produkt, welches
zur Bereitung ordinären Tuches verwendet wird; es wird aus den Abfällen
des Flachſes, des Hanfes und der Jute dargeſtellt.


§ 20. Geflechtmaterialien.


Als Geflechtmaterialien bezeichne ich alle diejenigen Stoffe, welche weni-
ger für ſich verſponnen, ſondern nur in gewiſſen Fällen verwebt werden
können, oder, falls ſie hierzu nicht fein oder nicht weich genug ſind, ſich
auch zu Geflechten verbinden laſſen. Zu den Geflechtmaterialien der erſten
Sorte rechne ich Gold- und Silberfäden, welche für beſonders koſtbare Ge-
webe bisweilen verwendet werden; ferner Glasfäden und Asbeſtfäden.


Als Flechtmaterial im vollſten Sinne aber iſt das Stroh aufzufaſſen,
welches in Form von Strohgeflecht (China- oder Mottledgeflecht) das
Material für den weit ausgedehnten Zweig der Strohgeflechtfärberei bildet,
deren Hauptſitz Dresden iſt. Das Rohmaterial für die Strohflechterei iſt das
Weizenſtroh von Triticum vulgare L. Die Strohflechterei wird in aus-
gedehntem Maßſtabe im ſächſiſchen Erzgebirge betrieben. Nach beendeter
Weizenernte, wobei das Getreide ſorgfältig vor Näſſe zu ſchützen iſt, wer-
den die Aehren abgeſchnitten und die Halme ſo zerſchnitten, daß die Knoten
herausfallen. Alsdann wird das Stroh geſchwefelt und zum Mürbewerden
in Waſſer gelegt. Nunmehr werden die erweichten Halme mittels eines ſchar-
fen Inſtrumentes in ſchmale Streifen geſpalten. Dann beginnt das Flech-
ten, eine mühſelige Arbeit, zu der vielfach Kinder herangezogen werden.


Die Panamageflechte, welche gemeinhin nicht gefärbt werden, ſtammen
von Carludovica palmata ab.


§ 21. Gewebeprüfung*).


Sobald man die Art der Geſpinnſtfaſer kennt, bietet das Färben der-
ſelben durchſchnittlich keine Schwierigkeit. Weſentlich anders aber geſtaltet
ſich der Fall, wenn die Natur des Faſermaterials nicht bekannt iſt, oder
wenn das daraus gefertigte Garn oder Gewebe die Entſcheidung zweifelhaft
macht; noch ſchwieriger wird der Fall, wenn mehrere Geſpinnſtfaſern in
einem Gewebe verwebt ſind; meiſt thut auch die Appretur der Schärfe ein-
zelner Reaktionen Eintrag, ſo daß eine Gewebeprüfung ſelbſt für den Fach-
mann eine ſchwierige Sache bleibt. Die Gewebeprüfung hat zum Zweck die
Feſtſtellung der Geſpinnſtfaſern, aus welchen das zu unterſuchende Gewebe
hergeſtellt iſt. Eine derartige Unterſuchung ſetzt ein ſolches Maß chemiſcher
[86] Vorkenntniſſe voraus, wie es ein Färber wohl nur ausnahmsweiſe beſitzen
wird, und wie es von einem ſolchen auch nicht verlangt werden kann; ſie
erfordert ferner eine gewiſſe Uebung im Umgange mit dem Mikroſkop, welche
ein Färber durchſchnittlich auch nicht beſitzen wird. Wenn es ſich alſo um
eine wichtige Unterſuchung handelt, ſo wird ſich die Zuhilfenahme eines
Apothekers oder eines Oberlehrers, welcher botaniſchen Unterricht erteilt, zu
empfehlen ſein. Dagegen iſt es ſehr wohl denkbar, daß eine einfachere Ge-
webeprüfung auch von einem Färber allein ausgeführt werden kann, und
zwar auf chemiſchem Wege. Dabei handelt es ſich gemeinhin in erſter Linie
um die Unterſcheidung animaliſcher Faſern (Wolle, Seide, Haar), von vege-
tabiliſchen Faſern (Baumwolle, Flachs, Hanf, Jute, Neſſel). Da jedwede
animaliſche Faſer ſtickſtoffhaltig und von hornartiger Beſchaffenheit iſt,
ſo zeigt ſie beim Verbrennen den widerlichen Geruch nach ver-
branntem Horn
; die vegetabiliſche Faſer beſteht aus faſt reiner
Celluloſe, verbrennt daher ruhig ohne einen nennenswerten Ge-
ruch
. Tritt alſo der brenzlige Geruch auf, ſo iſt das der ſicherſte Beweis,
daß tieriſche Faſern vorhanden ſind. Ob außer den tieriſchen Faſern auch
noch eine Pflanzenfaſer vorhanden iſt, muß erſt ein zweiter Verſuch lehren:
Starke Löſungen von Alkalien löſen animaliſche Faſern auf (Schaf-
wolle wird quantitativ gelöſt
); vegetabiliſche Faſern bleiben ungelöſt.
Handelt es ſich z. B. um Beſtimmung lediglich von Wolle neben vegetabi-
liſchen Faſern, ſo genügt ſchon Behandlung mit verdünnter Kalilauge, in
welcher ſich Wolle vollſtändig löſt, und Wägung vor und nach der Behand-
lung; die Differenz gibt das abſolute Gewicht der Wolle.


Seide iſt nur in ziemlich konzentrierter Kalilauge löslich und quillt
in verdünnter Lauge unter teilweiſer Löſung auf. — Verdünnte
Mineralſäuren
greifen animaliſche Faſern nicht oder faſt nicht an, vege-
tabiliſche Faſern werden
dagegen in höherer Temperatur gelöſt und
zerſtört, bei Anwendung von Schwefelſäure direkt verkohlt; dieſes
Verfahren dient zu einem quantitativen Nachweis von vegetabiliſchen Faſern
in Wolle durch Beſtimmung der Gewichtsdifferenz.


Eine ſehr empfindliche Reaktion zur Erkennung der vegetabiliſchen neben
animaliſchen Faſern hat Liebermann vorgeſchlagen. Zu dieſem Zwecke be-
reitet man ſich eine geſättigte wäſſerige Löſung von Fuchſin (ſalzſaurem Ros-
anilin) und fügt zu derſelben tropfenweiſe ſo lange Kali- oder Natron-
lauge, bis dieſelbe eben entfärbt iſt. Hierauf gießt man die Flüſſigkeit mit
dem Niederſchlage auf ein Papierfilter, und benutzt nun die durchlaufende
farbloſe klare Flüſſigkeit zur Prüfung. Taucht man in dieſelbe ein gemiſch-
tes Gewebe, am beſten in der Wärme, während einiger Sekunden ein und
wäſcht dasſelbe hierauf mit viel Waſſer, ſo nimmt die Schafwolle eine in-
tenſiv rote Farbe an, während die Baumwollfäden vollſtändig farblos er-
ſcheinen. Das Verhalten von Seidenfäden in gemiſchten Geweben ent-
ſpricht bei dieſer Behandlung vollkommen jenem der Schafwolle.


Zur Trennung von Schafwolle und echter Seide eignet ſich am beſten
eine Behandlung mit kochender Salzſäure; während ſich hierbei die Seide
raſch auflöſt, quillt die Schafwolle nur auf, wird jedoch nicht gelöſt, ſo daß
dieſes Verfahren auch zur quantitativen Beſtimmung der Beſtandteile des
Gewebes verwendet werden kann.


J. Perſoz beobachtete, daß ſich die Seide in einer Löſung von baſi-
ſchem Chlorzink von 60° B. beſonders leicht in der Wärme auflöſe. A. Re-
[87] mont
gründete, auf dieſe Thatſache geſtützt, ein Verfahren zur quantitativen
Beſtimmung verſchiedener Faſern in gemiſchten Geweben. In 200 ccm einer
dreiprozentigen Salzſäure werden danach drei Proben des Gewebes, zu 2 g,
behufs Entfernung der Appretur gekocht; dieſelben werden dann gründlich
gewaſchen und ausgepreßt. Liegt ein gefärbtes Gewebe zur Beurteilung vor,
ſo zeigt es ſich, daß bei dieſer Operation die Baumwolle den Farbſtoff am
raſcheſten, die Wolle langſamer und die Seide am ſchwerſten abgibt. Zwei
der ſo gereinigten Proben taucht man dann in eine ſiedende, aus 1000 Teilen
Chlorzink, 850 Teilen Waſſer und 40 Teilen Zinkoxyd hergeſtellte Löſung
von baſiſchem Chlorzink, wäſcht dieſelben hierauf zunächſt in angeſäuertem,
dann in reinem Waſſer gut aus und trocknet ſie; der Gewichtsverluſt ent-
ſpricht der Menge vorhanden geweſener Seide. Wird die dritte Probe dann
in 60 bis 80 ccm einer Natronlauge vom ſpez. Gewicht 1,02 während 15
Minuten auf 100° erhitzt, hierauf gewaſchen und getrocknet, ſo zeigt der ſo
entſtehende Gewichtsverluſt die Menge der vorhanden geweſenen Schaf-
wolle an.


Dieſen Unterſuchungsgang hat Remont in ein Schema gebracht, wel-
ches ich ſeiner Ueberſichtlichkeit wegen, nachſtehend folgen laſſe:


Tritt beim Verbrennen eines Fadens ein Geruch nach verbranntem
Horn auf, d. h. ſind animaliſche Faſern vorhanden, ſo macht man noch eine
Kontrollreaktion: man erhitzt einen Faden mit einem Stückchen Aetznatron;
es muß Ammoniak entwickelt werden, welches durch einen mit Salzſäure
befeuchteten Glasſtab nachgewieſen wird. Es muß daran erinnert werden,
daß beide Reaktionen die etwaige Anweſenheit der Baumwolle verdecken.
Man erhitzt nun einige Fäden in obiger Chlorzinklöſung:

Mit einem etwaigen Rückſtand verfährt man nach 3.


3. Es löſt ſich nichts in Chlorzink. Man taucht dann die Fäden,
reſp. das Ungelöſte aus 2. in konzentrierte Natronlauge und erhitzt zum
Sieden.


Dieſe Tabelle iſt durch Pinchon auf die Hauptfaſern ausgedehnt und
hat nach Muspratts „Techniſcher Chemie“ folgende Faſſung:


[88]

Unterſuchungstabelle für tieriſche und pflanzliche Faſerſtoffe,
nach Pinchon
.


A. Renouard ſtellte die verſchiedenen Methoden zur Erkennung von
Baumwolle neben Flachs in Leinwand zuſammen. Da manche der ange-
gebenen Erkennungsmittel wenig bekannt ſein dürften, die Kenntnis derſelben
jedoch häufig von großem Nutzen ſein kann, ſo muß es angezeigt erſcheinen,
die Arbeit von Renouard im Auszuge wiederzugeben. Die angegebenen
Erkennungsmethoden ſind folgende: 1. Das Gewebe wird mit einer Löſung
von 1 Teil Aetzkali in 6 Teilen Waſſer behandelt; hierbei kräuſeln ſich Leinen-
fäden etwas mehr als Baumwollfäden und erſtere werden gelblichorange,
während letztere eine grünlichweiße Farbe annehmen (Methode von Kuhl-
mann
). 2. Man kocht eine Probe des Gewebes mit einer Löſung von
1 Teil Aetzkali in 1 Teil Waſſer durch zwei Minuten, wäſcht hierauf und
trocknet zwiſchen Filtrierpapier; die Flachsfäden werden tiefgelb gefärbt,
während die Baumwollfäden höchſtens ſtrohfarbig werden (Methode von
Böttger). 3. Die Gewebeprobe wird zuerſt mit Waſſer ausgekocht, dann
geſpült und getrocknet, endlich durch 2 Minuten in konzentrierte Schwefel-
ſäure eingelegt; man wäſcht dann raſch in etwas verdünnter Kalilauge, ſpült
mit Waſſer ab, trocknet und vergleicht mit dem urſprünglichen Muſter; bei
dieſem Verfahren wird die Baumwolle aufgelöſt, während die Leinenfaſern
weiß und undurchſichtig bleiben, wodurch das ſo behandelte Gewebe ein dünne-
res Ausſehen erhält. 4. Die wie unter 3. gut mit Waſſer ausgekochte und
ſorgfältigſt getrocknete Gewebeprobe wird zum Teil in Glycerin oder Oel
getaucht; letztere Flüſſigkeiten ſteigen in den Kapillarröhrchen der Fäden in
die Höhe und bewirken, daß die Leinenfäden transparent, die Baumwollfäden
jedoch undurchſichtig werden (Methode von E. Simon). 5. Die gut in
Waſſer gereinigte und getrocknete Gewebeprobe wird in eine konzentrierte
[89] Löſung von Zucker und Chlornatrium (Kochſalz) getaucht, getrocknet und in
der Flamme verkohlt; die Flachsfaſern erſcheinen dann grau, die Baumwoll-
faſern ſchwarz gefärbt (Methode von Chevalier). 6. Proben des Gewebes
werden in alkoholiſchen Extrakten von Cochenille oder von Krappwurzel ge-
färbt; hierdurch wird Baumwolle hellrot, reſp. hellgelb, Leinenfaſern jedoch
violett, reſp. orange oder rot gefärbt (Methode von Bolley). 7. Die ge-
reinigte Probe wird in eine einprozentige Fuchſinlöſung und hierauf durch
2 bis 3 Minuten in Ammoniakflüſſigkeit getaucht; während hierbei Baum-
wolle farblos bleibt, wird Leinenfaſer roſarot angefärbt (Methode von Bött-
ger
). 8. Endlich iſt auch die mikroſkopiſche Unterſuchung das ſicherſte Mittel
zur Erkennung der Baumwolle neben der Leinenfaſer. Zwei praktiſch brauch-
bare Mittel zum gleichen Zwecke ſind auch die nachfolgenden: 1. Baum-
wollenfäden ſind ſtets durchaus gleichmäßig in der Dicke, Leinenfäden be-
ſitzen jedoch immer Unregelmäßigkeiten in der Stärke; hält man den Stoff
ſomit vor eine Kerzenflamme, ſo wird man an der Gleichmäßigkeit oder Un-
gleichmäßigkeit der Fäden die Natur des Gewebes erkennen können. 2. Wer-
den einige Fäden dem Gewebe entnommen und dieſelben raſch zerriſſen, ſo kann
man an der Beſchaffenheit der Rißſtellen die Natur der Faſer ebenfalls erkennen;
Leinenfäden bleiben hierbei ſteif und glatt, während Baumwollfäden ſich kräuſeln
und zerſplittern. Selbſtverſtändlich können die zwei letzterwähnten Erkennungs-
mittel erſt nach einiger Uebung ein einigermaßen ſicheres Urteil zulaſſen.


Die mikroſkopiſche Unterſuchung iſt für Geſpinnſtfaſern die ein-
fachſte und beſte Prüfungsmethode; dieſelbe geſtattet die Erkennung und Feſt-
ſtellung der einzelnen Gewebefaſer, ſowie mehrerer nebeneinander auf einen
einzigen Blick. Dabei braucht die Vergrößerung gar nicht einmal eine be-
ſonders große zu ſein; im Mittel genügt eine 60 bis 80malige, für ein-
zelne Fälle eine ſolche bis zu 200. Die mikroſkopiſche Prüfung gewährt
verhältnismäßig größere Sicherheit als die chemiſche, nur muß der Unter-
ſuchende die mikroſkopiſchen Bilder der einzelnen Faſern durch Uebung zuvor
kennen lernen. In den vorhergegangenen Paragraphen habe ich die mikroſkopi-
ſchen Bilder bei den auch nur einigermaßen wichtigen Faſern dem Text beigefügt.


Zur leichteren mikroſkopiſchen Prüfung der Hauptfaſern im Gewebe hat
Schleſinger (Mikroſkopiſche Unterſuchungen der Geſpinnſtfaſern, Zürich
1873) folgende Tabelle veröffentlicht:


A.Die Faſer zeigt ein deutliches Lumen:


[90]

Zum Schluß ſei noch einer Möglichkeit gedacht, die in der Praxis an
den Unterſuchenden herantreten kann: des Nachweiſes von Kunſtwolle (Shoddy,
Mungo, Extraktwolle) in Wolle. Dieſe Frage iſt nur auf mikroſkopiſchem
Wege zu entſcheiden, und zwar unterſcheidet ſich die Wollfaſer von der
Shoddy (aus Abfällen wiedergewonnener Wolle) durch ihr Aeußeres ziem-
lich auffällig von der unverſehrten Wollfaſer. Durch die mechaniſchen Vor-
richtungen, durch welche die Shoddywollfaſer aus Abfällen getragener Kleidungs-
ſtücke, Lumpen u. dergl., hergeſtellt wird, wird ſie zerriſſen, gedehnt, ge-
quetſcht; von früherer Bearbeitung her iſt die Shoddywollfaſer meiſt gefärbt
(man ſieht oft die verſchiedenſten Farben), oder zur Zerſtörung der Farbe
gebleicht; oft ſind die Schuppen verloren gegangen, an anderen Stellen iſt
das Haar gezerrt. Nach Focke (Chem. Ztg. 1886, Rep. 189) iſt die
Frage, ob ein Gewebe aus Kunſtwolle hergeſtellt wurde, mittels Mikroſkopes
leicht zu entſcheiden. Bei ſolcher Unterſuchung findet man meiſt neben Wolle
und Baumwolle noch Leinen, Seide, öfters auch Jute, und erſcheinen alle
dieſe Faſern mehr oder minder mechaniſch angegriffen, ſtellenweiſe gedrückt,
übermäßig geſtreckt und von ſehr unreiner Farbe.


In chemiſcher Hinſicht ſoll die Shoddywollfaſer in ſtarken Alkalien
leichter und ſchneller löslich ſein als die unverſehrte Wollfaſer (Schleſinger),
welcher Behauptung v. Höhnel jedoch widerſpricht. — Die quantitative Be-
ſtimmung der Shoddy kann nur durch genaue Zählung und mikroſkopiſche Meſſung
vorgenommen werden. Ueberhaupt gehört die Unterſuchung der Shoddy zu den
ſchwierigſten mikroſkopiſchen Arbeiten auf dem Gebiete der Gewebeunter-
ſuchungen und kann nur von durchaus Geübten vorgenommen werden.


[[91]]

Farbwarenkunde.


§ 22. Begriff und Einteilung der Farbſtoffe.


Unter Farbwaren oder Farbmaterialien werden alle diejenigen natürlich vor-
kommenden oder künſtlich erzeugten Stoffe verſtanden, welche einen Farbſtoff ent-
halten und im ſtande ſind, entweder für ſich allein oder in Gemeinſchaft mit an-
dern Stoffen eine Farbe zu erzeugen und eine Geſpinnſt- oder Gewebefaſer zu
färben. Von einzelnen Autoren werden dieſe Körper auch mit dem direkten
Namen „Farbſtoffe“ belegt. Ich dagegen verſtehe unter Farbſtoff nicht
das Farbmaterial ſelbſt, ſondern das daraus iſolierte färbende Prin-
zip
. Für den Zweck dieſes Handbuches kommt es auf eine ſo haarſpalteriſche
Erklärung übrigens nicht an. Ich will mich daher auch in Zukunft des land-
läufigeren, wenn auch meiner Anſicht nicht ganz richtigen Ausdrucks Farb-
ſtoffe für Farbmaterialien bedienen.


Die Zahl der zum Färben ſich eignenden Stoffe iſt eine viel größere,
als die meiſten wohl glauben; von der großen Menge iſt jedoch nur eine
verhältnismäßig kleine Anzahl wirklich in Verwendung gezogen und die Ent-
wickelung der chemiſchen Farbſtoffinduſtrie ſorgt dafür, daß die von der Natur
dargebotenen, bislang noch nicht benutzten Farbwaren wohl auch in Zukunft
unbenutzt bleiben werden. Um in die immerhin noch große Zahl der Farb-
waren ein Syſtem zu bringen, wollen wir dieſelben einteilen in


  • 1. Natürliche Farbſtoffe, d. h. ſolche, welche uns die Natur liefert,
    und welche je nach ihrer Herkunft wieder ſich einteilen laſſen in
    • a) tieriſche Farbſtoffe, welche das Tierreich liefert,
    • b) pflanzliche Farbſtoffe, welche von Pflanzen abſtammen,
    • c) mineraliſche, welche das Mineralreich liefert.
  • 2. Farbſtoffpräparate, welche aus den natürlichen Farbſtoffen
    mittels chemiſcher Methoden gewonnen werden.
  • 3. Künſtliche Farbſtoffe, welche durch beſondere chemiſchen Vorgänge
    aus anderen Chemikalien gewonnen werden.

Dieſe Einteilung in natürliche und künſtliche Farbſtoffe wird ſich ſelbſt-
redend nur ſo lange aufrecht erhalten laſſen, als es nicht gelingt, die natür-
lichen auch künſtlich zu gewinnen, was bei einer kleinen Anzahl ja bekannt-
lich vollauf gelungen iſt.


[92]

1. Natürliche Farbſtoffe.


§ 23. Tieriſche Farbſtoffe.

Farbſtoffe in dem von mir oben angedeuteten engeren Sinne liefert das
Tierreich, ſoweit das Intereſſe der Färberei davon betroffen wird, eigentlich
nur einen: die Karminſäure, das färbende Prinzip in der Cochenille, dem
Kermes und Lac-dye. Unter Umſtänden iſt auch die Euxanthinſäure hier-
her zu zählen, das färbende Prinzip des Purrée.


Von tieriſchen Produkten für Färbereizwecke ſind vier zu erwähnen,
welche zwar heute bei weitem nicht mehr die Wichtigkeit haben, wie ehedem,
immerhin aber doch noch hier und da gebraucht werden, und daher hier nicht
unerwähnt bleiben dürfen.


1. Die Cochenille. Was unter dem Namen Cochenille als kleine
dunkelbraunrote, zuſammengeſchrumpfte, außen weißlich beſtäubte Körner in
den Handel kommt, ſind die getrockneten Weibchen der urſprünglich in Mexiko
und dem nördlichen Südamerika einheimiſchen Cochenillelaus oder
Nopalſchildlaus, Coccus Cacti, welche auf verſchiedenen Cactus-Arten,
vornehmlich auf Cactus Opuntia L., der Nopalpflanze, lebt, außerdem aber
auch in Mexiko, Guatemala, Honduras und auf den Canariſchen Inſeln in
den ſog. Nopalerien gezüchtet wird. Das Einſammeln der Cochenille findet
kurz vor dem Abſetzen der Brut ſtatt (Huſemann), indem man ſie mit
Pinſeln, Federn oder Meſſern von den Pflanzen entfernt, auf untergelegten
Tüchern oder in Schalen ſammelt, durch heiße Waſſerdämpfe, durch trockene
Hitze oder durch Eintauchen in ſiedendes Waſſer tötet und dann trocknet.
Die Zahl der Ernten iſt in Mexiko 3, in Teneriffa 2 im Jahre. Aus der
verſchiedenen Art der Trocknung ergeben ſich die verſchiedenen Handels-
ſorten
, von denen die geſchätzteſte als Zaccatilla bekannt und faſt ſchwarz
und ohne den ſilbergrauen Reif iſt; eine gleichfalls hoch im Werte ſtehende
Sorte iſt die Meſteque oder Meſtica, eine geringere Sorte heißt Gra-
nilla
. Die von anderen Autoren erwähnte Wald- oder wilde Cochenille,
welche von wild wachſenden Cactus-Arten geſammelt wird, kommt nach
Huſemann im europäiſchen Handel nicht vor.


Die Cochenille unterliegt wegen ihres hohen Preiſes mannigfacher Ver-
fälſchung, weshalb auf ihr Ausſehen genau geachtet werden muß. Die
Nopalſchildlaus beſitzt oft einen aus einem tieriſchen Wachs beſtehenden zar-
ten reifähnlichen ſilbergrauen Ueberzug; man hat ſich daher gewöhnt, die
ſilberweiße Cochenille als die beſte Handelsmarke zu betrachten. Das trifft
jedoch nicht immer zu. Durch Anwendung hoher Hitzegrade beim Trocknen ſchmilzt
die dünne Wachsſchicht und zieht ſich in den Tierkörper ein, der dann rotbraun
bis ſchwarz erſcheint, ohne daß dadurch der Handelswert beeinträchtigt wird;
es gibt daher ſelbſt eine ſchwarze Zaccatille, welche nebſt der ſilberweißen
zu den beſten Handelsmarken gehört. Uebrigens wird die ſilberweiße Be-
ſtäubung auch bei echter Cochenille vielfach künſtlich nachgeahmt, durch Be-
ſtäuben mit Stärke, Bleiweiß, Zinkoxyd, Talk, Kreide und Schwerſpat.
Ja, man iſt ſogar ſo weit gegangen, Cochenille überhaupt künſtlich
nachzuahmen
. Um ſich vor ſolch künſtlicher Cochenille zu ſchützen, ſchüttelt
[93] man einige Körner mit Chloroform: echte Cochenille ſchwimmt darauf, ver-
fälſchte ſinkt unter. Um ſich zu überzeugen, ob bei echter Cochenille der
ſilbergraue Ueberzug natürlich oder nachgeahmt iſt, ſchüttelt man mit Aether:
der echte löſt ſich darin auf, der nachgeahmte bleibt ungelöſt. — Das färbende
Prinzip der Cochenille iſt die Karminſäure oder das Coccusrot, wel-
ches in Waſſer, Alkohol und Ammoniak löslich iſt. Der Wert der Coche-
nille richtet ſich nach ihrem Gehalt an Karminſäure; die verſchiedenen Au-
toren geben den Gehalt der Cochenille an Farbſtoff ſehr verſchieden an; ſo
Pelletier zu 50 Prozent, Mène zu 26 bis 33 Prozent, Liebermann
(1885) nur zu 10 Prozent. Außerdem enthält die Cochenille noch viel
Fett, Wachs (½ bis 4 Prozent), Gallertſtoffe, ca. 4 bis 8 Prozent Waſſer
und 3 bis 6 Prozent Aſche. Eine Cochenille, welche beim Trocknen mehr
als 8 Prozent Waſſer verliert, iſt als in betrügeriſcher Abſicht mit Waſſer
beſchwert anzuſehen; desgleichen iſt eine mehr als 6 Prozent Aſche hinter-
laſſende Cochenille als mit mineraliſchen Stoffen beſchwert zu verwerfen.
Auch ſcheint im Handel eine durch Extraktion ihres Farbſtoffes teilweiſe
beraubte Cochenille vorzukommen; eine ſolche Cochenille beſitzt ein geringeres
ſpezifiſches Gewicht und iſt durch die oben erwähnte Chloroformprobe nicht
zu erkennen. Aus dem Geſagten geht hervor, daß man beim Einkauf von
Cochenille mit größter Vorſicht zu Werke gehen muß, um ſich vor Ueber-
vorteilung zu ſchützen. Das ſicherſte Mittel iſt die Feſtſtellung des Farb-
ſtoffgehalts, entweder durch die Methoden von Penny oder durch Probe-
färben. Bei der Methode von Penny zerreibt man 1 g Cochenille ganz
fein, gießt eine Löſung von 5 bis 6 g Aetzkali in 20 ccm Waſſer darauf,
läßt damit 1 Stunde lang an einem lauwarmen Orte ſtehen, verdünnt mit
Waſſer bis auf 100 ccm, und verſetzt dann ſo lange mit einer Löſung von
1 g rotem Blutlaugenſalz in 99 g Waſſer, bis die Purpurfarbe in Gelb-
braun übergegangen iſt. Die Anzahl der Kubikcentimeter der Blutlaugenſalz-
löſung, verglichen mit der Anzahl von Kubikcentimetern, welche zur Zerſtörung
des Farbſtoffs einer Löſung von garantiert reiner oder bekannter Cochenille
benötigt werden, geſtattet einen Vergleich zwiſchen der Färbekraft der be-
kannten und der zu prüfenden Sorte. — Beim Probe färben färbt man
Strähne von Wolle von ca. 5 g Gewicht nacheinander ſo lange, bis das
Bad erſchöpft iſt. Dann färbt man einen Teil der Strähne ſcharlach-
rot
(mit 1 g Cochenille, 2 g Weinſtein, 2 g Zinnkompoſition und
ſo viel Waſſer, daß die Wolle untertaucht), die andere Hälfte karmoiſin-
rot
(mit 1 g Cochenille, ¾ g Weinſtein und 1½ g Alaun). Zur Beur-
teilung des vergleichungsweiſen Wertes der zu prüfenden Cochenille muß man
ſich zuvor eine Normal-Cochenille-Ausfärbung mit Cochenille von
anerkannter Güte herſtellen und dieſe Strähne zum Vergleich ſowohl hin-
ſichtlich des Farbentones wie der Ausbeute aufbewahren.


Die Cochenille diente früher hauptſächlich zum Scharlach- und Karmoiſin-
färben von Seide und Wolle, ſowie zum gemiſchten Druck auf Wolle; heute
iſt ſie durch die Azofarben und Eoſine faſt völlig verdrängt, und dient nur
noch in der Wollenfärberei zum Färben der roten Militärtuche, bei denen
die Verwendung von Azofarben nicht geſtattet iſt, ſowie zum Färben von
Karmoiſin und Scharlach auf Wolle. Hierüber ſiehe im ſpeziellen Teil.
Seit 1876 hat ſich der Verbrauch von Cochenille auf ¼ reduziert. Neben
ihrer Verwendung als Farbſtoff direkt dient die Cochenille noch zur Her-
ſtellung einiger in der Färberei gebrauchter Präparate (Cochenille-Präparate;
[94] 1. Ammoniakaliſche Cochenille und 2. Cochenillelack (Groſeillelack und
Ponceaulack. S. Farbſtoffpräparate).


Unter dem Namen Cochenille wurden auch noch zwei andere Sorten
Schildläufe angewendet, und zwar:


  • a) Porphyrophora polonica Br. (Coccus polonica), die deutſche
    oder polniſche Cochenille, auch Johannisblut genannt; ſie lebt von der
    Wurzel mehrerer Pflanzen (Scleranthus, Herniaria, Hieracium) in Deutſch-
    land, Polen und Rußland, iſt größer als die echte Nopalſchildlaus, enthält
    denſelben Farbſtoff, wie jene, aber in geringerer Menge, und iſt daher
    minderwertig.
  • b) Porphyrophora Duhamelii Br.,armeniſche oder Wurzel-
    Cochenille
    ; lebt von der Wurzel von Poa pungens in Armenien. Beide
    Sorten waren früher mehrfach in Verwendung, ſind jetzt aber faſt vollſtändig
    außer Gebrauch.

2. Der Kermes. Der Kermes, auch Kermesbeeren *), Kermeskörner,
Scharlachkörner, Purpurkörner, Karmoiſinbeeren, beſteht aus den getrockneten
Weibchen der Kermes- oder Karmoiſinſchildlaus, Lecanium Ilicis Ill.
(Coccus Ilicis L.
), welche ſich in Südeuropa und im Orient an den Zwei-
gen, ſeltener an den Blättern von Quercus coccifera L. vorfindet. Die
Gewinnung des Kermes wird in ganz der gleichen Weiſe gehandhabt, wie
bei der Cochenille, und zwar findet dieſelbe kurz vor dem Abſetzen der Brut
ſtatt, vor Sonnenaufgang und mittels Abkratzens mit den Nägeln; nach dem
Sammeln werden ſie mit Eſſig oder Wein befeuchtet und an der Sonne ge-
trocknet. In dieſer Form ſtellt der Kermes pfefferkorn- bis erbſengroße,
kugelige, braunrote, hier und da ſchwärzlich gefleckte, glänzende, glatte, teils
hohle, teils im Innern mit einer roten pulverigen Maſſe angefüllte Körner
vor, welche ein karmoiſinrotes Pulver geben, bitter ſchmecken und den Speichel
violettrot färben, in Waſſer aufquellen und dieſes karmoiſinrot, Alkohol mehr
gelbrot färben. Beim Kochen mit Waſſer erhält dieſes eine rote Farbe, welche
durch Säuren braun, durch Alkalien violett wird. Die chemiſche Zuſammen-
ſetzung entſpricht der Cochenille, doch iſt der Farbſtoff in weit geringerer
Menge vorhanden.


Kermes, war im Altertum, als man die Cochenille noch nicht kannte,
der einzige hochgeſchätzte Farbſtoff, um Scharlach zu färben. Heute wird er
nur noch im Morgenlande zum Färben der Kopfbedeckungen (Türkenkappen)
verwendet; im Abendlande iſt der Kermes durch andere Farbmaterialien
längſt verdrängt.


3. Lac-dye oder Lacklack. Das unter dieſem Namen in den Han-
del kommende Farbmaterial iſt nur indirekt tieriſcher Abſtammung, inſofern
es aus dem Körner- oder Stocklack gewonnen wird, welche durch den Stich
der Lackſchildlaus, Coccus Lacca Kerr., einer in Oſtindien auf verſchie-
denen Pflanzen (Ficus indica, Ficus religiosa, Croton cocciferum, Mimosa
corinda
u. a. m.) lebenden Schildlausart, auf dieſen Pflanzen gebildet wird.
Der Körner- oder Stocklack iſt das nach dem Auskriechen der jungen Brut
[95] zurückbleibende Gehäuſe oder Neſt; es ſtellt ein mit Karminſäure rot ge-
färbtes Harz vor und bildet ſo das Ausgangsmaterial zur Bereitung des
Schellacks, wobei das Lac-dye als ein den roten Farbſtoff des Körnerlacks
enthaltendes Nebenprodukt gewonnen wird. Zu ſeiner Gewinnung wird der
Stocklack mit verdünnter Sodalöſung extrahiert und die filtrierte Löſung mit
Alaun gefällt. Der Niederſchlag wird ausgepreßt, getrocknet und in vier-
eckige Stücke geformt. Das Lac-dye iſt alſo ein richtiger Farblack und als
ſolcher weiter unten behandelt. In dieſer Form enthält Lac-dye ca. 50 Prozent
Karminſäure, 20 Prozent Thonerde und 30 Prozent Harz.


Der Lac-dye wird vornehmlich in der Wollenfärberei angewendet, und
zwar mit Zinnſalz zuſammen zur Erzeugung von Scharlach, iſt aber faſt
ganz durch Anilinfarben verdrängt.


4. Purrée. Dieſes iſt ein aus Indien und China kommendes Roh-
material von höchſt zweifelhafter Abſtammung und enthält als gelb färbendes
Prinzip die Euxanthinſäure, an Magneſia gebunden, in Form ſeiden-
glänzender, gelblicher, in Waſſer, Alkohol und Aether in der Wärme leicht
löslicher Nadeln. Ueber die eigentliche Herkunft iſt etwas Verläßliches bis-
her nicht zu erfahren geweſen; es ſoll nach Stenhouſe in der Hauptſache
aus dem Harne von Kameelen, welche mit den Blättern von Mangostana
magnifera
gefüttert worden ſind, gewonnen ſein. Weitere zuverläſſige Nach-
richten über dasſelbe fehlen bis jetzt.


§ 24. Charakteriſtik der pflanzlichen Farbſtoffe.

Unendlich mannigfaltiger, als die Anzahl der Farbmaterialien, welche
das Tierreich liefert, iſt die Zahl der Farbſtoffe, welche pflanzlichen Urſprungs
ſind; ja, wir könnten mit Fug und Recht von einer Unzahl ſprechen, denn
die Pflanzenwelt bietet uns eine faſt unerſchöpfliche Menge von Stoffen,
welche entweder


  • 1. in der lebenden Pflanze bereits als wirkliche Farbſtoffe vorgebildet
    ſind, bisweilen auch erſt beim Abſterben der Pflanze oder des betreffenden
    Pflanzenteils entſtehen; oder
  • 2. in der Pflanze noch nicht als Farbſtoff enthalten ſind, ſondern als
    meiſt gänzlich farbloſe Körper, welche erſt durch irgend welche chemiſchen Pro-
    zeſſe, bisweilen ſchon durch bloßes Stehen an der Luft (Sauerſtoffauf-
    nahme), ſich in Farbſtoff umwandeln. Erſtere werden dann auch allgemein
    als Pflanzenfarbſtoffe, die letzteren dagegen als Chromogene bezeichnet.
    Als Beiſpiel gilt für die Pflanzenfarbſtoffe der Safflor, welcher in den
    Blüten als ſolcher enthalten iſt, für die Chromogene das Indican, jener
    farbloſe Pflanzenſaft, welcher in der Indigopflanze enthalten iſt und erſt
    durch Oxydation den Indigo zu bilden vermag.

Nicht alle in den Pflanzen vorhandenen Farbſtoffe ſind jedoch techniſch
verwendbar. Unter dieſen für Färbereizwecke unverwendbaren ſteht obenan
das Chlorophyll oder Blattgrün; ebenſo iſt der gelbe und rote Farb-
ſtoff der Blätter (welche Farben dieſe vornehmlich im Herbſte zeigen), tech-
niſch nicht verwendbar.


Die für unſere Zwecke wichtigen und verwendbaren Farbſtoffe finden
ſich nur ausnahmsweiſe in der ganzen Pflanze gleichmäßig verteilt, ſondern
[96] in der bei weitem größern Mehrzahl auf einzelne Pflanzenteile beſchränkt;
doch ſind mehr oder minder alle pflanzlichen Organe befähigt, Farbſtoffe zu
bilden oder in ſich aufzuſpeichern. Je nach dem Aufbewahrungsorte des
Farbſtoffes oder des Chromogens in den Pflanzen verwendet man daher in
der Färberei:


  • a)Wurzeln. Hierher zählen: Krapp, Curcuma, Alkannawurzel,
    Morindawurzel, Sauerdorn- oder Berberitzenwurzel, Datiscawurzel, Granat-
    wurzel und Rhabarber.
  • b)Hölzer: Blauholz, Fernambukholz, Sandelholz, Sappanholz, Bar-
    wood, Camwood, Gelbholz, Fiſetholz, Berberitzenholz.
  • c)Rinden: Quercitron, Lokao, Roßkaſtanienrinde, Kreuzdorn- und
    Faulbaumrinde, ſowie die Rinden der Erle, Platane, Pappel, Weide, Eiche
    und Walnuß.
  • d)Blätter: Stechpalme, Bignonienblätter (Chica), Datiscablätter,
    Sumach.
  • e)Stengel: Hirſenſtengel, Buchweizen, Sorghum.
  • f)Blüten oder Blütenteile: Safflor, Malve, Monarda, Safran.
  • g)Früchte oder Fruchtteile: Gelbbeeren, Orlean, chineſiſche Gelb-
    ſchoten, Kreuzdorn, Kermesbeeren, Myrobalanen, Knoppern, Walnußſchalen,
    Dividivi, Bablah, Harmala, Kamala.
  • h)Ganze Pflanzen: Waid, Wau, Scharte, Ginſter.
  • i)Flechten: Orſeille, Lackmus, Perſio (Cudbear), Tourneſol.
  • k)Eingetrocknete Pflanzenſäfte: Indigo, Catechu, Aloë.
  • l)Auswüchſe auf Pflanzen: Galläpfel.
  • m)Harze: Drachenblut.

Mit den vorſtehend aufgezählten Farbwaren iſt die Anzahl derſelben
keineswegs erſchöpft; vielmehr könnte ich noch eine ſehr große Anzahl von
Farbmaterialien namhaft machen, welche ſchöne und zum Teil wertvolle
Farbſtoffe enthalten, und auch vereinzelt angewendet werden. Insbeſondere
ſind hier die gelben Pflanzenfarbſtoffe reichlich vertreten, vornehmlich in der
Wurzel, der Rinde, Blättern und Blüten. Ebenſo liefern eine ganze An-
zahl von Pflanzen indigoähnliche Farbſtoffe; ſelten dagegen iſt die Zahl der
roten Farbſtoffe.


Da die oben verſuchte Einteilung nach den Pflanzenteilen, in denen
der Farbſtoff enthalten iſt, eine ſcharfe Abgrenzung nicht ermöglicht, da ein
ſolcher bisweilen gleichzeitig in Wurzel und Stengel, in Stengel und Blät-
tern, in Rinde und Blüten ꝛc. ſich vorfindet, ſo werde ich im weitern
Verlaufe der Schilderung der vegetabiliſchen Farbwaren dieſelben nach
den Farben, welche ſie erzeugen, einteilen
. Der Einfachheit hal-
ber habe ich auch die gerbſtoffhaltigen Farbmaterialien pflanzlicher Herkunft
gleich hier hineingezogen, da ihre Abtrennung eine unnatürliche geweſen
ſein würde.


Die vorbenannten Farbmaterialien kommen faſt ſämtlich als die be-
treffenden Pflanzenteile (reſp. ganze Pflanzen) in den Handel, alſo in einer
Form, welche den eigentlichen Farbſtoff nur in gewiſſen Mengenverhältniſſen
enthält; ſeltener wird die Rohdroge gleich am Gewinnungsorte in eine für
praktiſche Ausnützung verwendbare Form gebracht und kommt dann als
Halbfabrikat in den Handel, z. B. Orlean, Orſeille, Perſio ꝛc. Wahr-
ſcheinlich iſt auch das Beſtreben vorhanden geweſen, den eigentlichen Farb-
[97] ſtoff in eine Form zu bringen, in welcher er in konzentrierterer Form in
den Handel kommt, als wie in der Rohdroge; hierhin zählen die ſog. Prä-
parate
, z. B. die verſchiedenen Krapppräparate, und die Extrakte, welche
bereits den Uebergang zu den künſtlichen, aus natürlichen Farbſtoffen durch
chemiſche Methoden gewonnenen Farbſtoffen bilden.


§ 25. Allgemeines über Farbhölzer.

Zu den bekannteſten und am meiſten verwendeten vegetabiliſchen Farb-
waren gehören die Farbhölzer. Es ſind dies mit Ausnahme des Fiſethol-
zes und des Sauerdorns außereuropäiſche, meiſt exotiſche Stammhölzer, oder
ausnahmsweiſe Wurzelhölzer, welche in ihrer Anwendung durch die Teer-
farben bisher nicht haben verdrängt werden können, obgleich ſie durchgehends
keine beſonders lebhaften und auch keine beſonders echten Farben liefern.
Nichtsdeſtoweniger ſpielen ſie auch heute noch eine bedeutende Rolle in der
Herſtellung der Modefarben, worunter alle jene Farben begriffen ſind, welche
ſich aus den vier Hauptfarben Rot, Gelb, Grün und Blau, ſowie deren
Miſchfarben mit Grau, Braun und Schwarz ergeben.


Die Farbſtoffe der Farbhölzer ſind entweder als ſolche in ihnen fertig
gebildet in freiem Zuſtande vorhanden, oder in Form von Chromogenen,
welche unter Sauerſtoffaufnahme, bei Berührung mit der atmoſphäriſchen
Luft oder in Berührung mit andern Oxydationsmitteln, erſt in Farbſtoffe
übergehen. In einigen Farbhölzern ſcheinen ſowohl Farbſtoffe als auch
Chromogene gleichzeitig vorhanden zu ſein. Dieſer Umſtand ſcheint darauf
hinzuweiſen, daß auch die in den Farbhölzern vorhandenen Farb-
ſtoffe keineswegs ein direktes Produkt des pflanzlichen Lebens
vorſtellen, ſondern vielmehr erſt als ein Oxydationsprodukt
des betreffenden in dem Farbholze enthaltenen Chromogens
zu betrachten ſind
. Mit andern Worten: die Oxydation des Chromo
gens zu Farbſtoff geht in dem Holze ſelbſt vor ſich, und zwar in
dem Maße, als die in einem jeden Holze vorhandene Luft, entſprechend
ſchnellerer oder langſamerer Durchlüftung, ihren Sauerſtoff ganz oder teil-
weiſe an das Chromogen abzugeben vermag. Durch das wechſel-
ſeitige Mengenverhältnis zwiſchen Chromogen und Luft er-
klärt ſich zwanglos das Vorkommen ſowohl von Farbſtoff allein

(der Prozentgehalt an Chromogen war dann entweder ſo wenig bedeutend,
oder die Luftzufuhr ſo reichlich, daß alles Chromogen oxydiert werden
konnte) als auch von Farbſtoffen neben Chromogen (in dieſem
Falle reichte der Luftſauerſtoff nicht zur Oxydation des geſamten Chromo-
gens hin). Nach dieſer meiner Theorie würde ſich dann für die Farbhöl-
zer folgende Definition ergeben: Farbhölzer ſind in der Färbereitechnik
verwendete Hölzer, welche ſich durch einen Gehalt an einem
entweder ganz oder nur zum Teil in den zugehörigen Farb-
ſtoffen um gewandelten Chromogen auszeichnen
.


Alle in den Farbhölzern enthaltenen Farbſtoffe ſind ſog. ſaure Farb-
ſtoffe
; ſie beſitzen keine direkte Verwandtſchaft zur Gewebefaſer, laſſen
ſich dagegen mit Beizen fixieren.


Die Farbhölzer kommen in Blöcken, Knütteln, Stücken oder Scheiten
in den Handel und bedürfen vor ihrer Verwendung einer Zerkleinerung.
Ganswindt, Färberei. 7
[98] Im kleinen geſchieht das durch Spalten, Hobeln, Sägen oder Schneiden,
im großen durch mit Dampf betriebene Farbholzraſpeln oder -Mühlen.
Das ſo gewonnene Holz iſt feingeſchnittenes, geraſpeltes oder gemahlenes
Holz; als Abfall werden Späne, Locken, Pulver ꝛc. erhalten.


Fermentation. Vor der Verwendung werden manche Farbhölzer
noch einem eigenen Prozeß unterworfen, welchen man als Fermentieren
bezeichnet. Allgemein iſt das Fermentieren von Blauholz verbreitet, doch
werden hierbei viele Fehler gemacht, die den Wert der Fermentation mit-
unter recht zweifelhaft machen. Folgendes Verfahren ſei zur Anwendung
empfohlen: Auf 100 kg trockenes zerkleinertes Holz nimmt man 30 kg rei-
nes weiches Waſſer und bringt dieſes mit einer feinen Brauſe auf das circa
5 cm hoch ausgebreitete Holz, wobei man ganz gleichmäßig anfeuchtet. Dann
ſchaufelt man das Holz auf einen hohen Haufen und tritt es feſt. Nach
14 Tagen, oder ſobald Erwärmung eintritt, wird der Haufen aufgeſtochen,
wie oben ausgebreitet und abermals und zwar mit 10 kg Waſſer pro 100 kg
Holz angefeuchtet und wieder auf einen Haufen geſchaufelt. Nach acht
Tagen iſt das Holz zum Färben fertig. Man beachte hierbei folgendes:
1. Das Holz muß an einem dunklen, mit guter Lüftung verſehenen Ort
gelagert ſein, am beſten eignet ſich hierzu ein Keller. 2. Ammoniakgaſe
ſind ſehr ſchädlich, deshalb vermeide man in der Nähe der Fermentation
Pferdeſtälle, Senkgruben, Aborte ꝛc., wo ſich immer Ammoniakgaſe bilden.


Zum Anfeuchtungswaſſer iſt jeder Zuſatz, wie Soda, chromſaures Kali,
Lauge, Urin ꝛc., zu vermeiden, da eine Unterſtützung der Oxydation durch
vorbenannte Mittel, wenn ſie auch die Dauer des Prozeſſes abkürzt, nur auf
Koſten einer teilweiſen Zerſtörung des Farbſtoffs durch Ueberoxydation er-
folgt. Letzteres iſt durch L. Brühl*) durch Parallelverſuche bewieſen wor-
den. Das Waſſer zum Anfeuchten muß rein ſein, vor allem frei von Kalk-
ſalzen, beſonders ſchwefelſaurem Kalk ſein, am beſten verwendet man hierzu
Kondenſationswaſſer. Die Fermentation dauert ſo drei Wochen; ſchneller
erreicht man dieſes durch Anwendung von Leimwaſſer. Für 100 kg Holz
löſt man in 30 kg Waſſer 2 kg guten Leim auf und feuchtet hiermit das
Holz ſehr gleichmäßig an. Die Temperatur des Waſſers muß mindeſtens
20° R. ſein, die Temperatur des Lokales, in dem die Fermentation vorgenom-
men wird, ſoll nicht unter 15° R. ſein. Durch den Leimzuſatz erreicht
man eine ſchnellere Fällung des Holzgerbſtoffes und iſt die Fermentation in
3 bis 5 Tagen beendet. Der hierzu verwendete Leim muß frei von Alaun
und anderen Beizen ſein.


Zur Beſchleunigung der Fermentation haben Dahl \& Comp. in
Barmen einen Apparat (Fig. 14) ſich patentieren laſſen (D. R. P.
Nr. 42322), welcher geringeren Raum und Arbeit beanſprucht und außer-
dem die Gefahr ſtarker Erwärmung vollſtändig vermeidet. Durch ſtetige
Zuleitung von 30° warmer, mit Feuchtigkeit geſättigter Luft wird unter
fortwährendem Umwenden des geraſpelten Holzes die Gärung in etwa 48
Stunden zu Ende geführt, bezw. das Holz in die für die Färberei und
Extraktfabrikation geeignete Form gebracht. Der Apparat beſteht aus einer
eiſernen Trommel a und einem im Innern derſelben konzentriſch angebrach-
ten, mit Siebwandung verſehenen Cylinder b. Die Trommel hat auf der
[99] inneren Fläche mit Siebboden verſehene Kanäle d, welche die ganze Trom-
mel durchziehen. Durch eine Achſe ſtrömt feuchte Luft ein, wird durch
das Sieb b gleichmäßig verteilt, durchdringt die in K liegende Füllmaſſe
und tritt dann durch die Kanäle d und die hohle Achſe e aus. Der Appa-
rat ruht auf Rollen f und auf Lagerböcken, und kann in drehende Be-
wegung geſetzt werden, zu welchem Zwecke er mit einem Triebwerk h ver-
ſehen iſt. An der Mantelwandung ſind Mannlochöffnungen zweckentſpre-
chend angeordnet zum Füllen und Entleeren des Apparates.


Figure 14. Fig. 14.

Der Ausdruck „Fermentation“ iſt jedenfalls unglücklich gewählt, denn
eine Gärung findet dabei nicht ſtatt. Der Prozeß bezweckt weiter nichts
als eine thunlichſt vollſtändige Ueberführung des Chromogens in den be-
treffenden Farbſtoff, und eine Lockerung in der Struktur des Holzes, welche
ein leichteres und vollſtändigeres Ausbringen des Farbſtoffes ermöglicht. Ich
brauche wohl nicht beſonders hinzuzufügen, daß in den Fällen, wo ein Farb-
holz kein Chromogen mehr enthält, auch die Fermentation überflüſſig iſt.


Die Farbhölzer dienen vielfach direkt zum Färben, andererſeits zur
Bereitung der Farbholzextrakte, indem man den Hölzern auf verſchiedene
Methoden den Farbſtoff entzieht, und die Brühen bis zur Extraktdicke ein-
engt.


Die Wertbeſtimmung eines Farbholzes richtet ſich nach der Menge des
in dem Holze enthaltenen Farbſtoffes, nichtaber nach der Extrakt-
menge oder nach dem ſpezifiſchen Gehalt der Farbholzbrühen
,
denn in dieſe Brühen gehen noch verſchiedene Stoffe über, welche den Ex-
traktgehalt und das ſpezifiſche Gewicht erhöhen, ohne den geringſten Färbe-
wert zu beſitzen. Ausführlicheres über die Beurteilung des Färbewertes
der Hölzer findet ſich in dem hochintereſſanten Artikel von L. Brühl „Farb-
hölzer und Farbholzextrakte“ (Deutſche Färberzeitung 1888, Nr. 9, 10
und ff.).


7*
[100]
I.Rote Farbmaterialien.

§ 26. Rothölzer.

Als Rotholz kommen mehrere Hölzer verſchiedener Abſtammung zur
Verwendung und zwar:


  • 1. Fernambukholz, das von Rinde und Splint befreite Kernholz
    von Caesalpinia echinata Lamarq. und C. crista L. aus der Familie
    der Leguminosae.
  • 2. Sappanholz oder Japanholz von Caesalpinia Sappan L.
  • 3. Lima- oder Nicaraguaholz von C. bijuga Sw.
  • 4. Braſiletholz von C. brasiliensis Sw. und C. vesicaria.
  • 5. Sandelholz von Pterocarpus sautalinus aus der Familie der
    Papilionaceae.
  • 6. Camwood oder Barwood von Baphia nitida Lodd. aus der
    Familie der Papilionaceae.

Dieſe ſechs verſchiedenen Farbhölzer laſſen ſich bequem in zwei Kate-
gorien bringen. Die vier erſten Hölzer*) enthalten ſämtlich das Chromogen
Braſilin, C16 H14 O5, welches zum kleineren Teile ſich bereits in den
zugehörigen Farbſtoff Braſileïn, C16 H12 O5, umgewandelt hat. In reinem
Zuſtande bildet das Braſilin kleine farbloſe Kryſtallnadeln, deren wäſſerige
Auflöſung allmählich ins Karmoiſinrote übergeht; das Chromogen verwandelt
ſich dabei, beſonders ſchnell in Siedetemperatur und bei Anweſenheit von
Alkalien, in den eigentlichen roten Farbſtoff, Braſilein. Letzteres bildet in
reinem Zuſtande kleine dunkle Kryſtalle von grauem Metallglanz, welche
ſich in heißem Waſſer roſenfarbig löſen. Dieſe Löſung beſitzt orangene
Fluorescenz.


Die unter 5 und 6 genannten Sandel und Camwood enthalten da-
gegen das Chromogen Santalin, C8 H7 O3, welches teils in den zugehöri-
gen Farbſtoff Santaleïn, C8 H6 O3, bereits übergegangen iſt. Daß über-
dies auch die beiderſeitigen Chromogene und die Farbſtoffe dieſer Gruppe in
naher chemiſcher Beziehung zu einander ſtehen, zeigt ein Blick auf ihre
chemiſchen Formeln. Das Chromogen ſcheint ein HydrobraſilinC16 H14 O6
= C16 H13 (OH) O5
zu ſein, und es wäre demnach die oben angegebene
Formel C8 H7 O3 zu verdoppeln.


Fernambukholz**), Pernambuk, Braſilienholz, Guilandinaholz, im
tropiſchen Amerika heimiſch, iſt außen gelbbraun, innen hellrot; es iſt ſchwer
und hart, ſchwimmt nicht auf dem Waſſer; die teuerſte und beſte Sorte.


Sappanholz, Japanholz, oſtindiſches Rotholz, in Japan, China, auf
Ceylon und den Inſeln des indiſchen Archipels heimiſch, eine minder ge-
[101] ſchätzte Sorte infolge eines geringeren Gehaltes an Farbſtoff. Die beſte
Handelsmarke heißt Japan-Limas.


Limaholz, Nicaraguaholz, St. Marthaholz, Pfirſichholz, kommt aus
Centralamerika und von der Nordküſte Südamerikas; es beſitzt tiefe Furchen,
hat eine ſchmutzigrote Farbe und zeigt oft noch die innere gelbliche Rinde.


Braſiletholz, Bahamasholz, gelbes Braſilienholz, die geringſte
Sorte, kommt von den Antillen und Bahamainſeln, iſt ſehr hart, im
Bruche hellrot und beſitzt nur wenig Farbſtoff, welcher ins Braune fällt.


Sandelholz, rotes Sandelholz, kommt von Ceylon und Oſtindien;
es kommt in geſpaltenen Scheiten von geradfaſerigem Gefüge oder in vier-
eckigen Stücken in den Handel, iſt ſehr hart, auswendig dunkelrot, innen
heller. Das Pulver, unter dem Namen Flugſandel bekannt, iſt hellrot,
locker, wollähnlich weich. Als Erſatz des Holzes, aber keineswegs als iden-
tiſch, wenn auch hinſichtlich der Färbekraft etwa gleichwertig, dienen das Kalia-
turholz
und das Madagascarholz. Das Sandelholz ſoll 16 Prozent
Santalin enthalten.


Barwood kommt von der Weſtküſte Afrikas, aus Sierra Leone und
anderen Punkten; Camwood, Kammholz, Gabanholz, kommt eben daher.
Manche machen einen Unterſchied zwiſchen Barwood und Camwood, Andere
halten ſie für gleichbedeutend. Barwood und Camwood werden vornehmlich
in England angewandt; das Holz ſoll 23 Prozent Santalin enthalten und
eine intenſivere Färbung geben, als alle übrigen Rothölzer. Der Farbſtoff
der Rothölzer löſt ſich leicht in heißem Waſſer; eine Rotholzabkochung be-
ſitzt eine rein rote Farbe, welche durch Säurezuſatz in gelb, durch Alkalien
in violett bis blau umgeändert wird; durch Zufügen von Alaun geht die
Farbe des Abſuds in ein feuriges Rot über, fügt man dann noch Soda
hinzu, ſo entſteht ein Braſilin-Thonerdelack; Kaliumdichromat gibt eine braune,
ins oliv ſpielende, Eiſenvitriol eine grauviolette bis ſchwarze Farbe. Die
Rothölzer geben durchgehends keine beſonders echten Farben, wenn für ſich
allein angewendet; ſie werden daher faſt durchgängig zur Herſtellung von
Miſchfarben, vornehmlich Braun und Modefarben, und zum Nüancieren be-
nutzt und geben dann dauerhafte Färbungen. Ueber die Art der Verwen-
dung ſiehe im ſpeziellen Teil. Der Handelswert der Rothölzer richtet ſich
nach ihrem Gehalt an Farbſtoff, welcher mit Sicherheit nur durch Probe-
färben feſtgeſtellt werden kann.


§ 27. Krapp.

Der Krapp iſt ein Farbmaterial, beſtehend aus der Wurzel der Färber-
röte
. Unter dieſem Namen ſind verſchiedene im ſüdlichen Europa und in
Aſien heimiſche Pflanzen begriffen, als vornehmlichſte die eigentliche Färber-
röte, Rubia tinctorum L., denen aber auch noch verſchiedene andere Rubia-
Arten, Rubia peregrina L., R. Munjista Rxb., R. cordifolia, R. angustifolia,
R. lucida
ſich anſchließen; auch andere zur Familie der Rubiaceae gehörige
Gattungen, z. B. Galium, Asperula, Crucianella, werden als Krapp liefernde
Pflanzen genannt. Dieſe Pflanzen wurden früher in ausgedehntem Maß-
ſtabe in Frankreich, Elſaß, Holland, Bayern, Belgien angebaut; heute aber
iſt der Krappbau bis auf geringe Reſte zum Erliegen gekommen. Die
[102] Wurzel iſt 10 bis 25 cm lang, wenig äſtig und etwas ſtärker als ein Feder-
kiel. Sie iſt auswendig braun, innen gelbrot. Der orientaliſche Krapp
kommt faſt ſtets als ganze Wurzel, manchmal von der Außenrinde befreit,
in den Handel; die europäiſche Krappwurzel wird gemeinhin gemahlen und
erſcheint in dieſer Form als ein grobes, gelbrotes, ſtark und eigentümlich
riechendes Pulver, welches vor Luft- und Lichtzutritt ſorgfältig geſchützt
werden muß.


Handelsbezeichnungen und Handelsſorten. Die von der brau-
nen Außenrinde nicht befreite Wurzel, bei der die Epidermis alſo mit ver-
mahlen iſt, heißt unberaubter Krapp, die von der Epidermis befreite
Wurzel beraubter Krapp; die letztere Sorte enthält weniger verun-
reinigende Subſtanzen und mehr Farbſtoff, iſt daher eine beſſere Sorte.
Die Abfälle von dem Vermahlen der Krappwurzeln, insbeſondere die Wurzel-
faſern, die Epidermis, ein Teil der holzigen Beſtandteile der Wurzel, Wurzel-
ſtaub u. dergl. heißen Mullkrapp und ſind unterwertig.


Je nach ihrer Herkunft unterſcheidet man:


Türkiſcher Krapp: Lizari, Alizari, Smyrnakrapp, galt früher als
der echteſte und ſchönſte. Das in der Türkei und Kleinaſien damit gefärbte
Rot gab die Veranlaſſung zur Bezeichnung „Türkiſchrot“. Jetzt findet er
in Europa kaum oder nur noch beſchränkte Anwendung.


Franzöſiſcher Krapp: Avignoner Krapp, franzöſiſcher Alizari; er
iſt der geſchätzteſte und führt den Namen Palud; er wird auf kalkhaltigem
Boden gebaut und zeichnet ſich durch einen Kalkgehalt aus, welcher für
Farbzwecke von Bedeutung iſt, was 1730 ſchon von Hausmann entdeckt,
und ſpäter von Köchlin und Schlumberger beſtätigt wurde.


Holländiſcher Krapp; früher nach dem franzöſiſchen der geſchätzteſte;
ſeit der techniſchen Verwendung des Alizarins in der Färberei ſind die Kul-
turen in Holland faſt ganz eingegangen.


Ruſſiſcher Krapp: Marena; früher im Kaukaſus lebhaft angebaut;
auch dieſe Kulturen befinden ſich im Rückgange.


Elſaſſer und Pfälzer Krapp; vornehmlich in der Umgegend von
Straßburg und Hagenau gebaut.


Schleſiſcher Krapp und Röte; in Schleſien gebaut. Röte iſt der
einjährige ſchleſiſche Krapp, der je nach der Zeit ſeiner Einſammlung als
Sommer-, Herbſt- oder Winterröte unterſchieden wird. Obgleich
minderwertig, werden dieſe Krappſorten doch noch gebaut, und, was faſt
verwunderlicher erſcheint, auch noch vielfach gebraucht.


Die Krappfarbſtoffe. Die Eigenſchaft, rot zu färben, verdankt
der Krapp zwei Farbſtoffen, dem Alizarin und dem Purpurin. Dieſe
ſind nicht als ſolche im Krapp frei enthalten, ſondern ſie exiſtieren, mit Zucker
chemiſch verbunden, als ſog. Glycoſide, oder in Form ihrer Glycoſide. Das
Glycoſid des Alizarins iſt aber die im Krapp fertig vorkommende Rubery-
thrinſäure
. Außer dieſem findet ſich im Krapp noch ein in Waſſer lös-
liches, ſtickſtoffhaltiges Ferment, ein Gärungserreger, das Erythroxym;
werden nun die Krappabkochungen der Luft ausgeſetzt, ſo ſpaltet ſich unter
dem Einfluſſe des Erythroxyms die Ruberythrinſäure in Alizarin und Zucker;
[103] das Erythroxym ſelbſt beteiligt ſich an der Zerſetzung nicht; der Prozeß
verläuft dann nach Rochleder folgendermaßen:
Ruberythrinſäure Waſſer Alizarin Zucker


Das Purpurin ſoll ſich nach Roſenſtiehl nicht in Form ſeines
Glycoſids, ſondern in Form einer Carbonſäure im Krapp vorfinden, welche
er als Pſeudopurpurin bezeichnet, und die ſich beim Erwärmen mit
Waſſer in Purpurin und Kohlenſäure ſpalten ſoll. Der Prozeß würde
verlaufen:
Pſeudopurpurin Purpurin Kohlenſäure


Durch die klaſſiſchen Arbeiten von Graebe und Liebermann iſt der
Beweis erbracht, daß dieſe beiden Farbſtoffe Abkömmlinge des Anthracens
ſind, und unter ſich in der nächſten chemiſchen Beziehung ſtehen, denn
Alizarin iſt Dioxyanthrachinon C14 H6 O2 (OH)2,
Purpurin iſt Trioxyanthrachinon C14 H5 O2 (OH)3.


Das Alizarin wurde ſchon vor längerer Zeit von Runge, Roch-
leder, Schunk
u. a. aus dem Krapp dargeſtellt; 1869 haben Graebe
und Liebermann dasſelbe aus dem Anthracen künſtlich dargeſtellt und da-
mit den unwiderleglichen Beweis geliefert, daß die in der Natur vor-
handenen Farbſtoffe auch künſtlich darſtellbar ſeien
.


Die im Krapp fertig vorkommenden Ruberythrinſäure, früher von
Runge Krappgelb genannt, repräſentiert einen gelben Farbſtoff, welcher in
gelben Prismen kryſtalliſiert, ſich in heißem Waſſer, in Alkohol und Aether
mit goldgelber Farbe löſt, und unter dem Einfluſſe des Erythroxyms ſich
in Alizarin und Zucker ſpaltet, wie oben angegeben.


Alizarin (Runges Krapprot) bildet in reinem waſſerfreiem Zuſtande
orangerote Nadeln, welche bei 290° ſchmelzen, unzerſetzt ſublimieren und ſich
in Waſſer faſt gar nicht, dagegen in Alkohol, Aether, in Alkalien, beſonders
in Natronlauge, leicht, in warmem Waſſer nur ſehr wenig löſen.


Das techniſche Alizarin, mit dem der Färber zu arbeiten hat, iſt ein
ziemlich dicker Teig von gelbbrauner Farbe, welcher außer dem reinen Ali-
zarin noch zwei weitere Farbſtoffe enthält, Anthrapurpurin und Flavopur-
purin.


Im Krapp ſind dieſe beiden letzteren nicht enthalten.


Purpurin (Runges Krapppurpur), welches ſich neben Alizarin ſo-
wohl als ſolches, als auch in Form von Purpurinhydrat und Purpurincarbon-
ſäure (Pſeudopurpurin, ſ. oben) vorfindet, bildet in reinem Zuſtande kirſch-
rote Kryſtalle, welche ſich gegen Löſungsmittel genau wie das Alizarin ver-
halten.


Außer den genannten Beſtandteilen enthält der Krapp noch zwei wei-
tere Anthracenabkömmlinge, welche zum Alizarin gleichfalls in direkter Be-
ziehung ſtehen, nämlich Xanthopurpurin, ein dem Alizarin iſomerer Kör-
per, C14 H6 O2 (OH)2, und Munjiſtin, eine Carbonſäure von der Formel
C14 H5 O2 (OH)2 · COOH, welche zum Alizarin in demſelben Verhältnis ſteht,
wie das Pſeudopurpurin zum Purpurin. Xanthopurpurin und Munjiſtin
[104] ſind jedoch keine Farbſtoffe, da ſie mit Beizen ſich nicht zu unlöslichen Farb-
lacken vereinigen.


Bei faſt allen früheren Autoren findet man als Beſtandteil des Krapps
noch einen Körper Rubiacin, von Runge als Krapporange bezeichnet, ohne
daß aus der betreffenden Litteratur etwas über die Natur dieſes Körpers
zu erſehen wäre. Runge und nach ihm Grothe betrachten den Körper
als einen wirklichen Farbſtoff; die neueren Arbeiten von Graebe, Lieber-
mann, Roſenſtiehl
thun des Rubiacins keine Erwähnung; es iſt daher
wohl ſchwerlich ein eigener Körper und man wird nicht fehlgehen, wenn
man denſelben als eine Ruberythrinſäure betrachtet, welche erſt zum Teil
in Alizarin übergegangen iſt, gewiſſermaßen als eine Miſchung aus Rubery-
thrinſäure und Alizarin.


Anwendung. Durch Kochen gehen die im Krapp enthaltenen chemi-
ſchen Verbindungen der Farbſtoffe in Löſung; das Abſud wird von Thonerde-
ſalzen roſa bis rötlichbraun, von Eiſenſalzen violett bis ſchwarz gefällt; durch
gleichzeitige Anwendung von Thonerde und Eiſen laſſen ſich die verſchieden-
ſten braunen bis braunſchwarzen Töne erzeugen; Chromoxydbeizen liefern
eine grüne Farbe. Der Krapp fand früher eine weit ausgedehnte Anwen-
dung zur Erzeugung von Türkiſchrot, ſowie zur Hervorrufung von Schwarz
und Braun. Er war in früheren Zeiten eines der hauptſächlichſten und in
großen Mengen verbrauchten Farbmaterialien und wurde daher vielfach ver-
fälſcht. Jetzt, nachdem der Krapp nach Entdeckung des künſtlichen Alizarins
faſt ganz verdrängt iſt, hat er für die Färberei nicht mehr annähernd die
frühere Bedeutung.


Ehedem wurden aus dem Krapp auch eine große Anzahl von Krapp-
präparaten
hergeſtellt, in welchen ſich die Krappfarbſtoffe in konzentrierterer
und reinerer Form vorfanden: Garancin, Garanceux, Krappkohle, Krapp-
blume, Krapplack, Azale, Pincoffin, Krappextrakt, Colorin, Alizarin tincto-
riale,
Rochlederin, grünes Alizarin. Die meiſten dieſer Präparate haben
heute nur noch ein hiſtoriſches Intereſſe. Heute hat nur noch das Garan-
cin
einige Bedeutung; dieſes wird als ein techniſches Produkt unter den
Farbſtoffpräparaten abgehandelt werden.


Prüfung und Wertbeſtimmung. Für diejenigen, welche noch heute
mit Krapp arbeiten, gebe ich in nachſtehendem einige Anhaltepunkte für die
Wertbeſtimmung. Unverfälſchter Krapp darf zwiſchen den Zähnen nicht
knirſchen, und, in Waſſer geworfen und ſchnell umgerührt, nicht ſofort einen
Bodenſatz liefern. Iſt das der Fall, ſo iſt er mit Ziegelmehl, Ocker, gel-
bem Sand oder Thon vermiſcht. Er darf ferner beim Trocknen nicht weſent-
lich an Gewicht einbüßen, andernfalls iſt er mit Waſſer beſchwert. Zuſätze
organiſcher Natur, wie Sandelholz, Sappanholz, Sägeſpäne, Kleie, Eichen-,
Birken- oder Fichtenrinde, erkennt man durch das Mikroſkop. Ein Zuſatz
von gebrauchtem Krapp kann nur durch Probefärben feſtgeſtellt werden.


Näheres über Krappfärberei ſiehe im ſpeziellen Teil.


[105]
§ 28. Safflor.

Unter Safflor verſteht man die getrockneten Blumenblätter der Färber-
diſtel, Carthamus tinctorius L., einer einjährigen, zu den Compositen ge-
hörigen und in Nordafrika und Aſien heimiſchen, in Aegypten, Oſtindien,
Kleinaſien, Spanien, im Elſaß, in Oeſterreich und Thüringen gebauten
Pflanze. Sobald die Blütenköpfchen aufbrechen, müſſen auch die Blumenblät-
ter thunlichſt von Staubfäden und Kelchblättern befreit, ausgezupft werden.


Im Handel kommen mehrere Sorten vor:


Aegyptiſcher Safflor, Alexandriner Safflor, die farbſtoffreichſte
Handelsmarke, kommt in dunkelrotbraunen Maſſen vor.


Oſtindiſcher Safflor, bildet bis 150 kg ſchwere, innen roſenrote
Kuchen oder kleine runde Brote. — Bei der vorigen wie bei dieſer Sorte
werden die Blumenblätter mit Waſſer geknetet, wodurch ſie dunkler werden.
In Aegypten trocknet man den gewaſchenen Safflor zwiſchen Matten im
Schatten, bei Nacht ohne Bedeckung; in Oſtindien preßt man ihn noch und
formt daraus die Kuchen oder Brote.


Spaniſcher Safflor, aus Andaluſien und von Valencia kommend,
riecht ſehr ſtark, iſt locker und von dunkelroter Farbe.


Deutſcher Safflor, die geringſte Sorte; die Blumen kommen ohne
weitere Vorbereitung in den Handel.


Safflorfarbſtoffe. Der Safflor enthält zwei Farbſtoffe, einen in
Waſſer leicht löslichen gelben, das Safflorgelb, ohne techniſches Intereſſe
(es zerſetzt ſich an der Luft ſehr ſchnell unter Bräunung), und einen roten,
in Waſſer unlöslichen, in warmem Alkohol etwas löslichen, das Safflorrot
oder Karthamin oder Rouge végétale. Beim Kneten des Safflors mit
Waſſer wird der gelbe Farbſtoff entfernt; daher enthält der ägyptiſche und
oſtindiſche auch faſt nur Karthamin und iſt daher wertvoller. Das Karthamin,
C14 H16 O7, wird neuerdings rein dargeſtellt und kommt als Teller- oder
Taſſenrot, in feiner, reinſter Form als Safflorkarmin in den Handel.
Näheres ſiehe Farbſtoffpräparate.


[Anwendung]. Der Safflor wird auch heute noch in der Seiden-
und Baumwollenfärberei, ſeltener in der Wollenfärberei verwendet; die mit
Safflor erzeugten Roſafärbungen ſind ſehr unbeſtändige, ſollen aber immer-
hin noch beſtändiger ſein, als die mit Eoſin, Magdalarot oder Safranin ge-
wonnenen.


Die Prüfung und Wertbeſtimmung iſt die gleiche wie beim Krapp.


§ 29. Orſeille und Perſio.

Dieſe beiden gehören in die Klaſſe der Flechtenfarbſtoffe, welche
Flechten ihren Urſprung verdanken. Orſeille und Perſio ſind nicht ein und
dasſelbe Farbmaterial, aber ſie ſtammen von den gleichen Flechten ab und
geben beim Färben den gleichen Farbenton. Beide werden aus einigen Arten
der Gattung Roccella gewonnen (R. tinctoria DC., R. fuciformis DC.,
[106] R. Montagnei Bel., R. phycopsis Achar.),
welche am Cap Verde auf den
Cap-Verdiſchen Inſeln, den Azoren ꝛc. geſammelt werden. Auch einige an-
dere Flechtengattungen (Lecanara, Usnea, Unceolaria, Gyrophora, Ramalina
Evernia, Variolaria)
lieferten Orſeille und Perſio, in neuerer Zeit benutzt
man in Frankreich jedoch faſt nur die erſtgenannten. Alle dieſe Flechten
kommen unter den Namen „Krautorſeille“ oder „Erdorſeille“ in den Handel.


Gewinnung. Die geſammelten Flechten werden gereinigt, getrocknet,
dann in Trommeln gepulvert oder auf Mühlen gemahlen. Das erhaltene
Pulver wird mit faulem Urin zu einem dicken Brei angerührt, dieſer der
Luft ausgeſetzt und unter jeweiligem Zuſatz von gebranntem Kalk und Durch-
rühren der Maſſe der Fäulnis überlaſſen. Der Kalkzuſatz hat den Zweck,
das im faulenden Harn enthaltene kohlenſaure Ammoniak in Aetzammoniak
umzuwandeln. Nach acht Tagen iſt eine lebhaft violettrote Farbe erzeugt,
welche nach 14 Tagen noch ſchöner wird; dabei entwickelt ſich ein eigen-
tümlicher veilchenartiger Geruch. Nach Grothe ſollen auch bisweilen —
zur Erzielung anderweiter Nüancen — Salmiak, Salpeter, Alaun oder
arſenige Säure zugeſetzt werden. Nach 4 bis 6 Wochen iſt die Farbe voll
entwickelt. Dieſes rötliche, veilchenähnlich riechende, alkaliſch ſchmeckende
Produkt iſt die Orſeille des Handels*). Wird der Teig an warmer Luft,
oder im Schatten in dünnen Schichten ausgebreitet, getrocknet und in ein
feines Pulver verwandelt, ſo entſteht der Perſio oder Cudbear, oder
roter Indigo, ein rötlich-violettes Pulver. Der Perſio wird vornehmlich in
Süddeutſchland, Frankreich und England fabriziert.


Orſeillefarbſtoffe. Das färbende Prinzip der Orſeille und des
Perſio iſt das Orceïn. Dieſer Farbſtoff iſt in den Flechten nicht fertig ge-
bildet, ſondern bildet ſich erſt während der Fäulnis. Die Flechten nämlich,
welche zur Darſtellung von Farbſtoffen dienen können, enthalten ſämtlich eine
beſtimmte Menge dieſen Flechten eigentümlicher Säuren, welche den
Namen Flechtenſäuren führen und die, je nach der Flechte, von der ſie
ſtammen, bezeichnet werden als Lecanorſäure, Evernſäure, Erythrinſäure,
Usninſäure u. ſ. w. Dieſe Flechtenſäuren ſpielen in den Flechten aber
nicht die Rolle eines Chromogens, ſondern ſie bilden erſt den Aus-
gangspunkt zur Entwickelung des Chromogens
. Die Produkte,
welche die verſchiedenen Flechtenſäuren beim Kochen mit Waſſer liefern, ſind
ſehr verſchiedener Art; allen gemeinſam iſt das Orcin, C7 H8 O2, das
eigentliche ſtickſtofffreie Chromogen der Flechten; dasſelbe bildet ſich unter
Waſſeraufnahme oder unter Waſſerabſpaltung und faſt ſtets unter Abſpal-
tung von Kohlenſäure. Nach den neueſten Forſchungen iſt das Orcin ein
Toluolderivat und zwar Dioxytoluol. Bei der Gärung der Flechten mit
Urin wird z. B. die Lecanorſäure zuerſt durch Waſſeraufnahme in Orſellin-
ſäure verwandelt:
Lecanorſäure Waſſer Orſellinſäure;
[107] dieſe zerfällt dann weiter in Orcin und Kohlenſäure:
Orſellinſäure Orcin Kohlenſäure.
Das Orcin aber verwandelt ſich in Gegenwart von Ammoniak und unter
Mitwirkung des Luftſauerſtoffs in das ſtickſtoffhaltige Orceïn:
Orcin Ammoniak Sauerſtoff Orcein Waſſer.
Wir haben hier den Fall, daß das Chromogen ſtickſtofffrei, der Farbſtoff
ſelbſt aber ſtickſtoffhaltig iſt.


Die Orſeille wie der Perſio enthalten alſo als wichtigſten Beſtandteil
das Orceïn*), außerdem aber wohl auch noch unverändertes Orcin, vor
allem aber kohlenſauren Kalk (entſtanden aus dem zugeſetzten von gebrann-
tem Kalk und der bei der Bildung des Orcins abgeſpaltenen Kohlenſäure),
etwas gebrannten Kalk (von dem die alkaliſche Reaktion herrührt) und
Waſſer. Der Perſio enthält natürlich kein Waſſer.


Eigenſchaften. Der in beiden Präparaten enthaltene Farbſtoff iſt
löslich in Waſſer, Alkohol und dünnen Löſungen der Alkalien. Durch Be-
handeln mit warmem Waſſer erhält man demnach eine purpurviolette Flüſſig-
keit, welche man längere Zeit abſetzen läßt, ſo daß man nach einiger Zeit
die klare Farbſtofflöſung von dem gebildeten Bodenſatze abgießen kann.


Anwendung. Orſeille und Perſio geben ſehr ſatte und feurige Far-
ben; ſie werden noch bisweilen zum Färben von Wolle und Seide benutzt,
um Amarantrot, Roſenrot, Orange, Aprikoſenfarbe u. dergl. Miſchfarben zu
erzeugen. Der Verbrauch hat aber gegen früher bedeutend nachgelaſſen, weil
die Orſeillefärbungen nicht beſonders lichtecht ſind, und weil man heute mit
verſchiedenen Azofarbſtoffen die gleichen Töne einfacher, billiger und echter
herzuſtellen vermag. Die Orſeille hat aber den großen Vorzug, ſowohl aus neu-
traler, wie aus ſchwach ſaurer oder ſchwach alkaliſcher Löſung an die Faſer
zu gehen. — Außerdem wird die Orſeille noch zur Darſtellung einiger
Orſeillepräparate verwendet, welche auch heute noch zum Teil Verwen-
dung finden: Orſeilleextrakt, Orſeillekarmin, Orſeillepurpur (Pourpre
francais),
Orſeillelack; über dieſe findet ſich Ausführlicheres unter „Farb-
ſtoffpräparate“.


Prüfung und Wertbeſtimmung. Orſeille ſoll häufig mit Blauholz-
oder Rotholzextrakt verſetzt vorkommen. Eine Löſung der Orſeille, mit Waſ-
ſer ſtark verdünnt und mit Eſſigſäure angeſäuert, wird, wenn ſie rein iſt,
mit einer friſch bereiteten Zinnſalzlöſung beim Kochen blaßgelb werden;
eine mit Blauholzextrakt verſetzte wird blaugrau, eine mit Rotholzextrakt ver-
ſetzte rot werden. — Auch Fuchſinrückſtände, ſog. rohe Magenta, ſind ein
gebräuchliches Verfälſchungsmittel.


Zur Entdeckung von Magentabeimiſchungen exiſtieren verſchiedene Me-
thoden. Die einfachſte, die jedoch nur auf baſiſche Magenta berechnet iſt,
[108] beſteht darin, mit Tannin gebeizte Baumwolle kochend mit dem Farbſtoff zu
behandeln. Iſt Magenta vorhanden, ſo färbt ſich die Baumwolle, bei reinem
Orceïn jedoch nicht. Eine Modifikation der eben beſchriebenen iſt die von
Knecht empfohlene Methode, die Baumwolle erſt mit Chryſamin zu be-
handeln und dann mit einer Probe Orceïn zu kochen.


Andere Methoden beruhen auf der Löslichkeit des Orceïns und Magen-
tas; z. B. Magenta löſt ſich ſehr ſchnell in Anilin oder Benzaldehyd, wäh-
rend die Löſung des Orceïns in beiden nur ſehr langſam von ſtatten geht.
Behandelt man eine Probe Perſio oder trockene Orſeille mit den genannten
Subſtanzen, ſo macht ſich bei Gegenwart von Magenta ſofort eine tiefrote
Färbung bemerkbar; reine Orſeille ergibt erſt nach einiger Zeit eine
ſcharlachrote Löſung. Orceïn löſt ſich in Ammoniak, Magenta dagegen nicht.
Behandelt man daher eine trockene Probe Orſeille mit Ammoniak ſo lange,
als ſich noch Farbe auflöſt, ſo bleibt event. Magenta als Rückſtand.


Keine der vorbeſchriebenen Methoden führt indes zur Feſtſtellung von
Säuremagenta, mit Ausnahme der Benzaldehydmethode, deren Anwendung
nach Kertesz (Dinglers Polytechn. Journal 1884, 42) folgende iſt: Eine
kleine Menge Orſeille oder Perſio wird mit Waſſer gekocht und die Ab-
kochung filtriert. Die reine Löſung wird in einer Glasröhre mit Benzal-
dehyd gemiſcht, etwas Zinn- und Salzſäure zugefügt und das Ganze gründ-
lich umgeſchüttelt. Iſt Säuremagenta vorhanden, ſo färbt ſich der untere
Teil der Flüſſigkeit in der Farbe desſelben, während reines Orceïn farblos
bleibt. Durch dieſes Verfahren läßt ſich 1 Teil Säuremagenta in 1000
Teilen Orſeille nachweiſen.


Ein anderes ſehr empfindliches Reagens zur Entdeckung von Magenta
iſt Bleiſuperoxyd. Wird dasſelbe mit einer ſchwach angeſäuerten Löſung roter
Farbſtoffe in Verbindung gebracht, ſo entfärben ſich dieſelben, gleichviel ob
natürliche oder künſtliche Farbſtoffe, mit der einzigen Ausnahme von Säure-
magenta.


Zur Wertbeſtimmung der Orſeille wird das Probefärben angewendet.
Man verteilt (nach Volley) ½ bis 1 g Orſeille in 300 ccm Waſſer; in
das Färbebad wird ein Wollgewebe von 5 cm Länge und 2 cm Breite ein-
gebracht und nach und nach zum Sieden erhitzt, welches etwa ½ Stunde
unterhalten wird. Hierauf wird gewaſchen und getrocknet. Die ſo erhaltene
Färbung muß mit einer mittels einer Normal-Orſeille von abſoluter Rein-
heit auf gleiche Art gewonnenen Färbung verglichen werden.


§ 30. Minder wichtige rote Farbſtoffe.

Alkannawurzel. Die Wurzel der in Südeuropa heimiſchen Färber-
Ochſenzunge, Anchusa tinctoria L., wird als ſolche zum Färben niemals
direkt verwendet. Dagegen wird daraus ein Präparat, Alkannarot oder
Anchuſin gefertigt, welches unter Farbſtoffpräparate beſchrieben werden wird.
— In altersgrauer Vorzeit wurden unter dem Namen Alkanna die Wur-
zeln
von Lawsonia alba Lam. (der Cyprus des Altertums) zum Färben
benutzt; auch jetzt finden die Blätter dieſer Pflanze im Orient noch Ver-
wendung zum Rot- und Orangefärben des Leders und der Seide.


Drachenblut, Palmendrachenblut, iſt das rote an den Früchten
ſitzende Harz der auf Borneo, Sumatra und Penang heimiſchen Rotang-
[109] Palme, Calamus Draco Willd. Es iſt außen braunrot, auf dem Bruche
karminrot; die Löſung in Alkohol gibt mit Ammoniak eine blutrote Färbung.
Der Farbſtoff wurde Draconin genannt.


Harmalaſamen, die Samen der in den Steppen Rußlands und
Aſiens heimiſchen Steppenraute, Peganum Harmala; ſie enthalten einen roten
Farbſtoff, Harmalarot, von Fritzſche Porphyrharmin genannt, welcher
ſich bei Anweſenheit von Ammoniak durch Oxydation aus dem in den Samen
vorhandenen Alkaloid Harmin bilden ſoll. Das Harmalarot läßt ſich
durch Alkohol aus dem Samen ausziehen; es iſt ein ſubſtantiver Farbſtoff,
welcher ohne Beizen angeht, jedoch nicht beſtändig iſt.


Chica, Carajuru, Carucra, iſt ein Farbmaterial, welches aus den
Blättern der am Orinoco heimiſchen Bignonia Chica Humb. durch Gärung
gewonnen wird. Dabei ſetzt ſich das Farbmaterial ab und wird nach dem
Abgießen der darüber ſtehenden Löſung in Kuchen geformt und getrocknet.
Die Chica enthält einen roten Farbſtoff, das Chicarot, welches man daraus
durch Extrahieren mit Alkohol oder Aether gewinnen kann. Das Chicarot
iſt unlöslich in Waſſer, wenig löslich in Aether, leicht löslich in Alkohol, in
wäſſerigen Alkalien und Ammoniak. Es gibt auf Wolle orangerote, luft-
und lichtechte Ausfärbungen.


Monarda, die Blüten von Monarda didymia L. Sie enthalten
einen violett-braunroten Farbſtoff, das Monardarot. In der Färberei
wird bisweilen ein wäſſeriges Extrakt der Blüten angewendet. Die An-
wendung zum Färben iſt eine beſchränkte.


Sorghumrot, Badiſchrot, iſt ein aus der Zuckerhirſe, Sorghum
saccharatum,
dargeſtellter Farbſtoff. Nachdem der Zucker aus den Stengeln
gepreßt iſt, läßt man dieſe gären, trocknen, dann mahlen und auswaſchen.
Nun wird mit verdünnter Kali- oder Natronlauge übergoſſen und darauf
mit verdünnten Säuren gefüllt. Das Sorghumrot iſt ein roter, in Alkohol,
Säuren und Alkalien löslicher Farbſtoff, welcher auf Seide und Wolle ſehr
haltbare Farben erzeugt.


Kamala, die Drüſen des in ganz Südaſien vorkommenden Mallotus
philippinensis Müll. Arg. (Rottlera tinctoria)
in Geſtalt eines ziegelroten
ſandigen Pulvers. Alkalien löſen dasſelbe mit roter Farbe; Aether oder auch
Sodalöſung zieht daraus das Chromogen Rottlerin(C22 H20 O6), welches
in gelben Nadeln kryſtalliſiert, die in Waſſer unlöslich, in Alkohol wenig,
in Aether leicht, in Alkalien mit tiefroter Farbe löslich ſind. Die Kamala
wird in ihrer Heimat zum Färben von Seide verwendet. Das Rottlerin
färbt ſubſtantiv, ohne Beizen, und gibt orangerote, dauerhafte Färbungen.


Außer den vorſtehend genannten enthalten rote zum Färben benutzbare
Farbſtoffe die Kirſchen, Himbeeren, Hollunderbeeren und Blau-
beeren
, ferner die Blütenblätter der Malve, Althaea rosea, die Ker-
mesbeeren
von Phytolacca decandra, die Klatſchroſen von Papaver
Rhoeas,
und die Blütenblätter der Päonie von Paeonia officinalis L.


[110]
II. Blaue Farbmaterialien.

§ 31. Indigo.

Der Indigo iſt nicht allein der wichtigſte blaue Farbſtoff, ſondern auch
der wichtigſte der ſämtlichen vegetabiliſchen Farbſtoffe überhaupt. Er war
ſchon den alten Griechen und Römern bekannt, welche ihn aber nicht zum
Färben, ſondern als Malerfarbe benutzten; da er aus Indien kam, nannten
ſie ihn Indicum (aus Indien Kommendes), woraus ſich die heutige allge-
meine Bezeichnung Indigo gebildet hat. Seine Verwendung als Farbmaterial
datiert erſt ſeit der Mitte des ſechzehnten Jahrhunderts, wo die Holländer
nach Entdeckung des Seeweges nach Oſtindien um die Südſpitze von
Afrika ihn nach Europa brachten. Der Indigo hat damals einen ſchweren
Kampf zu beſtehen gehabt. In faſt allen Ländern, beſonders in Deutſch-
land, wurde der Indigo ſeitens der Regierungen anfänglich verboten. Man
hielt ihn nämlich für ein minderwertiges Farbmaterial, als den Waid, und
befürchtete einen Rückgang der damals noch blühenden Waidkultur. Man
hatte den Waid bis dahin ſeit Jahrhunderten zum Blaufärben angewendet;
in Deutſchland, vornehmlich in Thüringen, wurde der Waidbau getrieben.
Der Indigo hat dieſen faſt ganz verdrängt und der in Europa heute noch
betriebene Waidbau iſt nicht mehr ein Schatten des einſtigen.


Abſtammung. Der Indigo iſt keineswegs nur ein Beſtandteil der
Indigopflanze, vielmehr iſt er im Pflanzenreiche verbreiteter, als allgemein
geglaubt wird. Eine ganze Menge Pflanzen liefern Indigo oder indigo-
ähnliche Farben. Ob ſie aber wirklich techniſch zur Indigogewinnung ver-
wendet, oder ob ſie etwa lediglich zum Anſetzen von Küpen verwendet werden,
iſt mir nicht bekannt. Hiſtoriſch verbürgt iſt nur, daß in Europa zur Zeit
der Kontinentalſperre anfangs dieſes Jahrhunderts — aus Waid Indigo ge-
wonnen worden iſt. — Bei der großen Anzahl der Indigo liefernden Pflan-
zen werden zur techniſchen Gewinnung des Indigos nur die durch einen ver-
hältnismäßig hohen Gehalt daran ausgezeichneten Pflanzen verwendet. Es
ſind dies verſchiedene in Aſien und Amerika heimiſche, zur Familie der
Papilionaceen gehörige Arten der Gattung Indigofera; am meiſten verwendet
werden die 5 folgenden Arten:


  • Indigofera tinctoria L. in Oſtindien,
  • „ Anil L. in Südamerika,
  • „ argentea L. in Aegypten und Oſtindien,
  • „ disperma L. in Oſtindien,
  • „ pseudotinctoria in Oſtindien.

Von der erſten dieſer Arten, der verbreitetſten und wichtigſten, welche
zugleich den ſchönſten Indigo liefern ſoll, gibt Schützenberger in ſeinem
Werke: „Die Farbſtoffe“ folgende Beſchreibung:


Indigofera tinctoria, Färberindig. — Die Pflanze erreicht eine
Höhe von 1 bis 1½ m; wenn ſie nicht beſchnitten wird, trifft man ſie oft
mannshoch an. Der Stengel iſt einfach, halbholzig, kahl, ungefähr finger-
dick, am oberen Ende in viele aufrechtſtehende Zweige geteilt, an welchen
die unpaarig gefiederten Blätter ſitzen; Fiederblättchen eiförmig, gegenſtändig,
[111] bläulich angelaufen. Die Blumen ſind gelb oder rotbunt und wachſen in
Trauben, die kürzer ſind als die Blätter, in deren Winkeln ſie ſtehen;
Hülſen ſichelförmig gekrümmt, mit kurzen ſilbernen Härchen bedeckt. Der
Same iſt dunkelgrün oder ſchwärzlich und ungefähr ſo groß wie ein Pfeffer-
korn. Die Wurzel entwickelt ſich ſchnell und breitet ſich weithin aus. Die
Pflanze verbreitet am Abend einen ziemlich ſtarken Geruch. Die Blätter
beſitzen einen unangenehmen Geruch und faulen leicht.


Der Farbſtoff findet ſich vornehmlich in den Blättern. Dieſelben wer-
den, ſobald ſie blaugrün geworden ſind, abgepflückt, oder man ſchneidet die
ganze Pflanze ab, bevor ſie zu blühen anfängt.


Außer dem bereits genannten Waid, Isatis tinctoria, ſind an indigo-
führenden Pflanzen noch zu nennen: der Färberknöterich, Polygonum tinc-
torium,
der färbende Roſenlorbeer, Nerium tinctorium, ferner Marsdenia
tinctoria, Asclepias tingens, Polygonum chinense, Galega tinctoria,
Wrightia tinctoria
u. a. m.


Gewinnung. Der Indigo iſt das Produkt einer Gärung. Die
Darſtellung im großen wird in den Indigofaktoreien betrieben. Die abge-
ſchnittenen Pflanzen kommen zunächſt auf die Gährungskufen, das ſind ge-
räumige Ziſternen, welche auf anderen darunter befindlichen Ziſternen ruhen;
beide, die untere oder Schlagküpe (Batterie) wie die obere oder Gärungs-
küpe (Trempoire) ſind aus Mauerwerk aufgeführt. In den Gärungskufen
werden die Pflanzen mittels Holzbalken feſt eingepreßt und mit kaltem
Waſſer und etwas Kalkmilch übergoſſen, ſo daß die Flüſſigkeit etwa 10 cm
über den Pflanzen ſteht. In neueſter Zeit weicht man (nach den Vorſchlägen
von J. Saſſaro) auf Java die Pflanzen mit einer ſehr verdünnten
Ammoniakflüſſigkeit ein. Je nach der Temperatur iſt die Gärung in 12
Stunden bis 12 Tagen beendigt; doch muß dafür geſorgt werden, daß die
Temperatur 30° nicht überſchreite; im Verlaufe der Gärung entwickeln ſich
ziemlich bedeutende Mengen Waſſerſtoff und Kohlenſäure und die zuerſt farb-
loſe Flüſſigkeit nimmt eine grünlichgelbe Farbe und einen charakteriſtiſchen
Geruch an. Nach beendeter Gärung wird die Flüſſigkeit in die Schlag-
kufe abgelaſſen und dort durch „Schlagen“ mit großen Schaufeln, Stöcken
u. dergl. mit der Luft in lebhafte Berührung gebracht. Dadurch nimmt die
Flüſſigkeit zuletzt eine blaue Farbe an, und ſchließlich ſcheidet ſich der ge-
bildete Indigo in Flocken ab. Gleichzeitig damit wird die Gärungskufe
entleert und mit neuen Pflanzen beſchickt, die ausgezogenen aber getrocknet
und als Brennmaterial verwendet. Sobald dieſes flockige Ausſcheiden des
Farbſtoffes eintritt, wird mit dem Umrühren aufgehört, damit der Indigo
ſich in Ruhe abſetzen und am Boden ſammeln kann; dann wird die klare
Flüſſigkeit abgezogen, der breiige Bodenſatz aber wird in einem Keſſel auf-
gekocht, um eine etwaige Nachgärung zu verhindern. Schließlich kommt der
Brei in einen hölzernen Kaſten mit durchlöchertem mit Baumwollzeug über-
ſpanntem Boden, und nach dem Ablaufen des überſchüſſigen Waſſers in einen
Preßbeutel zum Abtropfenlaſſen der letzten Waſſeranteile. Endlich kommt er
in die Trockenſtuben, wo er bei völligem Luftabſchluß langſam getrocknet wird.


Eigenſchaften. In dieſer Form repräſentiert der Indigo ein Gemiſch
von Pflanzenſtoffen, in welchen der blaue Farbſtoff den wertvollſten Anteil
bildet. Er kommt in größeren oder kleineren, regelmäßigen oder unregel-
mäßigen Stücken in den Handel, iſt von tiefblauer Farbe, körnigem, erdigem,
[112] mattem Bruch; er haftet an der Zunge, iſt geruch- und geſchmacklos, bald
leichter, bald ſchwerer als Waſſer, und gibt beim Reiben einen kupferfarbigen
Glanz. Die genannten Eigenſchaften werden jedoch durch die Abſtammung
des Indigos verſchiedentlich beeinflußt. In Waſſer, Alkohol und Aether iſt
der Indigo unlöslich; leicht löslich dagegen in konzentrierter Schwefelſäure,
welche Löſung mit Waſſer verdünnt werden kann, ohne daß dadurch der
Farbſtoff wieder ausgefällt wird. Charakteriſtiſch für den Indigo iſt ſeine
Löslichkeit in gelöſten Reduktionsmitteln (z. B. alkaliſcher Traubenzuckerlöſung),
wobei er zugleich zu Indigweiß reduziert wird. Hierauf beruht die geſamte
Anwendung des Indigos in der Färberei. Chlor als Gas oder Chlorwaſſer
oder Chlorkalk, ferner ein Gemiſch von Salzſäure und chlorſaurem Kali,
wie auch Salpeterſäure löſen den Indigo unter Zerſtörung des blauen Farb-
ſtoffes. Das ſpezifiſche Gewicht variiert von 1,324 bis 1,455 (Leuchs).


Indigofarbſtoffe. Der Indigo des Handels enthält drei Farbſtoffe:
Indigblau, Indigbraun und Indigrot. Dieſe Farbſtoffe ſind in der
Indigopflanze als ſolche nicht enthalten, ſondern ſie bilden ſich erſt bei der
Gärung aus dem in der Indigopflanze enthaltenen, an Kalk gebundenen
Chromogen Indican, einem Glycoſid, welches von Schunk zuerſt als das
eigentliche Chromogen des Indigos entdeckt wurde und welches nach ihm die
Formel C26 H31 NO17 beſitzt. Dieſes Indican ſpaltet ſich bei der Gärung
der Indigopflanzen unter Waſſeraufnahme in Indigblau und Indiglucin, eine
Zuckerart. Der Prozeß ſpielt ſich in der Hauptſache, wie folgt, ab:
Indican Waſſer Indigblau Indiglucin.


Sonſtige dabei noch auftretende Nebenprodukte kommen für uns hier
nicht in Betracht. Die gleichzeitig mit dem Indigblau ſich bildenden andern
beiden Farbſtoffe, Indigrot und Indigbraun, welche übrigens genau dieſelbe
chemiſche Zuſammenſetzung zeigen, haben nur geringeres Intereſſe.


Das Indigblau, C16 H10 N2 O2, iſt der eigentliche Hauptbeſtandteil des
Indigos, und in dieſem in wechſelnden Mengen, von 20 bis zu 80 Prozent,
enthalten. Es iſt das blaufärbende Prinzip der geſamten Küpenfärberei,
und läßt ſich auf mehrere Methoden aus dem Indigo rein abſcheiden, z. B.
durch ſorgfältige Sublimation, durch Behandeln mit Kalk und Eiſenvitriol,
mit einer Löſung von Natriumhypoſulfit u. dergl. Alle diejenigen Verfahren,
welche in der Färbereitechnik zum Färben mit Indigo angewendet werden,
führen auch zur Darſtellung von reinem Indigblau. Jeder Färber, der
eine Küpe führt, befindet ſich auf dem Wege zur Herſtellung reinen Indig-
blaus, nur mit dem Unterſchiede, daß er die Abſcheidung desſelben nicht
innerhalb der alkaliſchen Flüſſigkeit ſelbſt, ſondern auf einem Geſpinnſt oder
Gewebe vornimmt. Das reine Indigblau iſt ein tiefblaues, amorphes Pul-
ver, welches beim Reiben einen kupferroten Glanz annimmt, bei vorſichtigem
Erhitzen unzerſetzt ſublimiert und ſich beim Erkalten der purpurfarbigen
Dämpfe in kupferroten Kryſtallen anſetzt. Es iſt unlöslich in den gewöhn-
lichen Löſungsmitteln, ſehr wenig löslich in kochendem ſtarkem Alkohol und
in Chloroform, dagegen ziemlich leicht löslich in heißem Anilin, Nitrobenzol,
Phenol, venetianiſchem Terpentin, Paraffin und einigen fetten Oelen; beim
Erkalten dieſer Löſungsmittel ſcheidet es ſich in Kryſtallen aus. Mit alka-
liſchen Reduktionsmitteln liefert es Indigweiß; verdünnte Salpeterſäure ver-
wandelt es in Pikrinſäure und Nitroſalicylſäure; Chromſäure und Salpeter-
[113] ſäure oxydiert es zu Iſatin. Bei der trockenen Deſtillation liefert es neben
anderen Produkten auch Anilin. In rauchender Schwefelſäure löſt es ſich
unter Bildung einer Indigoſulfoſäure. Alle Eigenſchaften, die dem
Indigblau eigentümlich ſind, fallen auch dem Indigo, nur in
geringerem Maße, zu
.


Das Indigbraun kann man aus dem Indigo erhalten, wenn man den-
ſelben zunächſt mit verdünnter Schwefelſäure extrahiert, welche den Indig-
leim auszieht, die Schwefelſäure mit Kalkmilch abſtumpft und die Flüſſig-
keit von dem gebildeten Gyps abfiltriert. Die auf dem Filter zurückbleibende
Maſſe wird mit verdünnter Kalilauge ausgekocht, welche das geſamte Indig-
braun aufnimmt. Die Löſung wird abfiltriert, mit Eſſigſäure neutraliſiert,
zur Trockne eingedampft und der Rückſtand mit Alkohol ausgekocht, welcher
das gebildete eſſigſaure Kali auflöſt, während das Indigbraun rein zurück-
bleibt. Es iſt in Waſſer, Alkohol und verdünnten Säuren faſt unlöslich,
löslich dagegen in verdünnten Alkalien und in konzentrierter Schwefelſäure.
Es beſitzt ſchwach ſaure Eigenſchaften.


Das Indigrot wird aus dem von der letzten Auskochung mit ver-
dünnter Kalilauge zurückgebliebenen blauen Rückſtande durch Abkochen mit
Alkohol gewonnen, welcher das Indigrot aufnimmt und beim Verdampfen
als rotbraunes Pulver zurückläßt. Indigbraun und Indigrot geben
Küpen, die Reduktion geht aber — zumal beim Indigbraun — ſchwieriger
und langſamer vor ſich, als beim Indigblau. Dieſes iſt die Urſache, warum
ſich die Javaqualitäten leicht reduzieren, während die roten Guatemalas viel
hartnäckiger ſind. Je geringer der Prozentgehalt eines Indigos
an Indigbraun und Indigrot iſt, deſto weicher iſt er, deſto
leichter läßt er ſich fein reiben, und deſto leichter läßt ſich die
Küpe auf Schärfe bringen
. Damit iſt jedoch keineswegs ausgeſprochen,
daß die braunen und roten Qualitäten geringwertiger ſeien; vielmehr hat ſich
in der Praxis ergeben, daß die reinblauen Qualitäten für kalte Küpen ſelten
die ergiebigſten ſind.


Zuſammenſetzung des Indigos. Außer dem Indigblau, welches
20 bis 80 Prozent des Indigos betragen kann, im Durchſchnitt aber zu
40 bis 50 Prozent vorhanden iſt, enthält der Indigo noch kleinere Mengen
der beiden andern Farbſtoffe, Indigrot und Indigbraun, ſodann Indig-
leim
, eine im Indigo enthaltene waſſerlösliche Leimart, Waſſer 3 bis 6
Prozent; der Gehalt an Kalk und ſonſtigen Aſchebeſtandteilen iſt ſehr
wechſelnd, nach Löwenthal von 4,5 bis 29 Prozent. Außerdem kommen
bisweilen Verfälſchungen vor und zwar: Stärke, Herz, Blauholzpulver,
Berlinerblau ꝛc.


Handelsſorten. Bei dem bedeutenden Verbrauch und bei der ver-
ſchiedenen Herkunft des Indigos exiſtieren eine Unzahl von Handelsſorten,
welche wir füglich nach ihrer Herkunft in aſiatiſchen, amerikaniſchen und
afrikaniſchen Indigo unterſcheiden können. Es würde den Rahmen dieſes
Buches überſchreiten, wollte ich hier alle Handelsmarken aufführen und nach
ihren unterſcheidenden Merkmalen ſkizzieren. Ich kann nur die bekannteren
namhaft machen, und auf eine ausführliche Beſchreibung um ſo eher ver-
zichten, als die Handelsmarke allein noch keinen Anhaltspunkt für den Prozent-
gehalt im Indigo abgibt, noch abgeben kann.


Ganswindt, Färberei. 8
[114]

a)Aſiatiſcher Indigo. Dieſer iſt der älteſte bekannte; ihn liefert
Indigofera tinctoria, argentea und disperma; er kommt aus Bengalen, von
der Küſte Coromandel, von Madras, Java und Manilla. Die geſchätzteſten
aſiatiſchen Indigos ſind Bengal und Java, welche allein in 37 Sorten
vorkommen und einen Gehalt von durchſchnittlich 40 bis 60 Prozent Indigo-
blau haben, bisweilen auch weniger; ſie kommen in Würfelform in den
Handel; Madras in regelmäßigen Stücken; Coromandel von unreinem
Bruch; Manilla viereckige Stücke; die drei letzteren enthalten weniger als
40 Prozent Indigoblau, oft bis zu 10 Prozent herab. Die vielen Sorten
dieſes aſiatiſchen Indigos werden durch die entſprechenden Zwiſchenſtufen der
Farbennuancen bedingt und dementſprechend bezeichnet, z. B. Bengal fein
blau, Bengal feinfein rot, Bengal mittel violett, Bengal fein, Bengal gering,
Java fein, Java ordinär, Manilla fein blau ꝛc. Die feinen Bengals ſind
zu jeder Art von Färberei geeignet und daher im Handel am meiſten ver-
breitet.


b)Amerikaniſcher Indigo; ſtammt von Indigofera Anil; kommt
von Guatemala, Caracas, Braſilien, Südcarolina, Louiſiana, den Antillen,
Weſtindiſchen Inſeln, beſonders St. Domingo. Die beſten Sorten, dem
feinſten Bengal oft gleichſtehend, ſind der Guatemala- und Flores-
Indigo mit 40 bis 60 Prozent Indigblau. Dann folgen Kurpah und
Caracas mit weniger als 40 Prozent Indigblau. Die Sorten führen
auch hier nach der Nuance beſondere Namen, z. B. Guatemala fein blau,
Guatemala mittel violett, Guatemala mittel rotviolett, Kurpah fein, Kurpah
mittel, Kurpah ordinär. Die feinen Guatemalas werden gleichfalls zu jeder
Art von Färberei verwendet, ſind oft im Indigblau dem beſten Bengal gleich,
aber im Preiſe kaum halb ſo hoch.


c)Afrikaniſcher Indigo; ſtammt von Indigofera argentea; kommt
aus Aegypten, vom Senegal und Isle de France. Beſonderes Aufſehen
erregte auf der Colonial \& Indian Exhibition ein aus Sierra Leone ſtam-
mender Indigo, über den der Bericht der Londoner Handelskammer wörtlich
ſagt: „Der weſtafrikaniſche Indigo ſcheint eine andere Art zu ſein, als der
Indigo von Indien und anderen Ländern; wie die ſelbſtgefertigten Stoffe
der Eingeborenen zeigen, gebe er eine ſehr ſchöne Farbe; Dr.Watt vom
indiſchen Wirtſchaftsrat erklärte den weſtafrikaniſchen Indigo, ſoweit er ihn
beurteilen könne, für wertvoller als den indiſchen, auch habe er den ſehr
großen Vorzug, keiner beſonderen Zubereitung vor der Verſendung zu be-
dürfen. Der Anbau dieſer Indigoart iſt infolgedeſſen ſofort der indiſchen
Regierung empfohlen worden. Aus Lagos und vom Gambia ausgeſtellte
Proben beweiſen das Vorkommen des Indigos auch in dieſen Plätzen.“


H. Soyaux berichtet in der „Deutſchen Kolonialzeitung“, daß ſich
Vertreter der Indigogattung an der ganzen Weſtküſte Afrikas von Sierra
Leone an bis hinunter nach Angola finden, wo er Indigoarten noch in
Pungu Andongo antraf; ſogar bis zum ſüdlichen Wendekreis hinauf ſind
zwei Arten geſammelt worden, und eine gleiche Ausdehnung hat die Ver-
breitung dieſer in Afrika überhaupt in 103 Arten auftretenden Pflanzen an
der Oſtſeite des Kontinents. Der indiſche Indigo wird hauptſächlich von
Indigofera tinctoria L., ferner von I. argentea L., und I. disperma ge-
wonnen, der chineſiſche auch von I. coccinea und Anil L., der centralamerika-
[115] niſche beſonders von I. Anil, welcher in San Salvador das vorzüglichſte
Produkt liefert. Die drei Arten, welche am meiſten kultiviert werden, die
Indigofera tinctoria L., Anil L. und argentea L. ſind gerade in Afrika
weit verbreitet, kultiviert und wild oder verwildert; in unſeren Herbarien
ſtoßen wir auf I. argentea aus dem nördlichen Sudan, von Nubien, Aegypten,
Abeſſinien und den Nordſtaaten, I. Anil von Senegambien hinunter bis
Angola und im Oſten von Moſambik bis in die Sambeſiländer; ebenſo hat
I. tinctoria ein ſehr großes Verbreitungsfeld in Afrika.


Die natürlichen Bedingungen, unter welchen die Indigopflanze gedeiht,
ſind ſolche, wie ſie die deutſchen tropiſchen Schutzgebiete in Weſt- und Oſt-
afrika, ſowie in Ozeanien meiſtens bieten: Feuchtigkeit, Wärme und frucht-
barer Boden; das gewonnene Produkt erzielt immer noch anſehnlichen Preis,
und die nötigen Mittel für die Anlage von Pflanzungen bewegen ſich inner-
halb verhältnismäßig beſcheidener Grenzen.


Anwendung. Vor ſeiner Verwendung muß der Indigo fein gerieben
oder gemahlen werden. Dieſes geſchieht in Indigoreibmaſchinen oder Indigo-
mühlen, worüber Näheres unter „die Färbereiarbeiten und die dazu ver-
wendeten Apparate und Maſchinen“. Der Indigo wird im ausgedehnteſten
Maßſtabe zur Blau- oder Küpenfärberei verwendet, er bildet die Baſis
der in Deutſchland weitverbreiteten Blaudruck-Induſtrie, worüber Näheres
im ſpeziellen Teil. Der Indigo wird außerdem in großen Mengen zur
Herſtellung von Indigopräparaten verwendet, welche unter den Namen
Indigokarmin, Sächſiſchblau, konzentrierte Küpe, Indigoextrakt u. ſ. w. in den
Handel kommen. Ueber dieſe Präparate findet ſich Ausführliches unter
„Farbſtoffpräparate“.


Prüfung. Der Wert eines Indigos iſt abhängig von ſeinem Gehalte
an Indigblau. Dieſer Gehalt läßt ſich auf experimentellem Wege genau
ermitteln. Als Vorprüfung kann dabei die Uebereinſtimmung mit den phyſi-
kaliſchen Eigenſchaften herangezogen werden, nämlich die charakteriſtiſche Farbe,
das Entſtehen eines Kupferglanzes auf der Stelle, die man mit dem Nagel
reibt, die Feſtſtellung des ſpezifiſchen Gewichts (guter Indigo ſoll auf dem
Waſſer ſchwimmen und ſich in demſelben völlig zerteilen laſſen, ohne einen
erdigen oder ſandigen Bodenſatz zu geben), die leichte Zerreiblichkeit, der
reine gleichförmige Bruch, die Geruchloſigkeit und ſeine Löslichkeit in 4 Teilen
rauchender Schwefelſäure. In je höherem Maße dieſe Eigenſchaften ent-
wickelt ſind, deſto wertvoller iſt der Indigo.


Infolge ſeines hohen Preiſes iſt der Indigo häufig Verfälſchungen
unterworfen und zwar mit Berlinerblau, Smalte, Blauholzpulver, Stärke
und Schiefermehl; auch ein zu hoher Waſſergehalt kann als Verfälſchung
betrachtet werden. Ein ſolcher kann leicht durch Trocknen bei 100° C. und
Feſtſtellung der Gewichtsdifferenz ermittelt werden; ſie darf 7 Prozent nicht
überſchreiten. Auch der Aſchegehalt gibt einen Anhalt zur Beurteilung
der Qualität; die Aſche eines reinen Indigos darf nicht mehr als 7 bis 9½
Prozent betragen; ein größerer Aſchegehalt läßt auf Zuſatz von Schiefer-
mehl, Blauholz oder dergl. ſchließen. — Um Stärke im Indigo nachzu-
weiſen, verreibt man denſelben in einer Porzellanſchale mit Chlorwaſſer bis
zur vollſtändigen Entfärbung, bringt den Rückſtand auf ein Filter und wäſcht
aus; wird dann ein Tropfen Jodkaliumlöſung hinzugeſetzt, ſo tritt bei An-
8*
[116] weſenheit von Stärke eine Blaufärbung ein. — Um Berlinerblau oder
Smalte nachzuweiſen, wird der Indigo in gleicher Weiſe mit Salpeterſäure
behandelt, wodurch er gelb gefärbt wird. Bleibt Blau zurück, ſo war der
Indigo verfälſcht; verſchwindet das Blau nach einiger Zeit, ſo war er mit
Berlinerblau verfälſcht, bleibt das Blau, ſo war er mit Smalte verfälſcht.
— Zum Nachweis von Blauholz miſcht man den Indigo mit etwas Oxal-
ſäure, befeuchtet ihn und legt ihn auf Filtrierpapier; war der Indigo rein,
ſo wird das Papier nicht verändert; war er mit Blauholz verfälſcht, ſo
färbt es ſich rot.


Alle dieſe kleinen Unterſuchungen kann der Färber zur Not ſelbſt an-
ſtellen; zur Ermittelung des Gehalts an reinem Indigblau wird er aber
einen Chemiker zuziehen müſſen. Für diejenigen aber, welche auf Färber-
ſchulen ſich ein gewiſſes Maß chemiſcher Vorkenntniſſe und praktiſche Uebung
erworben haben, folge nachſtehend die Wertbeſtimmung. Die Kenntnis
des Prozentgehalts iſt unbedingt notwendig, wenn man in Verbindung mit
dem augenblicklichen Marktwerte den wirklichen, abſoluten Wert des Indi-
gos kennen lernen will; ſie iſt ein weſentliches Erfordernis zur Kalkulation,
denn im Indigoeinkauf liegt der erſte und nicht ſelten weſent-
lichſte Vorteil des Färbers
. Die Kenntnis der prozentiſchen Färbe-
kraft eines Indigos iſt aber auch notwendig zur Feſtſtellung der Mengen
der zum Küpenanſatz nötigen Stoffe. Die Schwankungen des Indigomark-
tes bringen es mit ſich, daß bisweilen eine gute Qualität unter ihren nor-
malen Wert heruntergeht. Schiernecker*)hat den Normalwert ei-
nes Prozentschemiſch reinen Indigblaus im halben Kilogramm
Indigo mit 8 Pfennigen beziffert
; das heißt z. B., ein Kurpah von
48 Prozent Indigblau darf nicht mehr als 7,68 Mark pro Kilogramm, ein
Bengal von 65 Prozent nicht mehr als 12,40 Mark pro Kilogramm koſten.
Dieſe Norm entſpricht der augenblicklichen Marktlage, beim Durchſchnitts-
preiſe der früheren Jahre dürfte dieſer Normalſatz allerdings um 20 bis
25 Prozent erhöht werden. Kann man zu dieſer Norm einkaufen, ſo hat
man das gute Bewußtſein eines guten, preiswerten Einkaufs. Dazu ge-
hört natürlich eine vorhergehende chemiſche Analyſe
. Ich möchte
den Leſern dieſes Handbuches den wohlgemeinten Rat geben, die geringen
Koſten einer ſolchen Analyſe nicht zu ſcheuen, vor allem aber ſich nicht auf
ihre eigenen, niemals vorurteilsfreien Schätzungen zu verlaſſen, wenn ſie
nicht empfindliche Verluſte beim Einkauf erleiden wollen. Probefärben iſt
hier nicht am Platze; die Analyſe aber gibt ganz ſichere Reſultate. Bene-
dikt
(Real-Encyklopädie der geſamten Pharmazie, Bd. V, S. 420 bis 422)
teilt die Methoden zur Wertbeſtimmung des Indigos in drei Gruppen ein:


  • 1. Durch Auflöſen in rauchender Schwefelſäure.
  • 2. „ Sublimation.
  • 3. „ Reduktion des Indigblaus in alkaliſcher Löſung.

Ich laſſe ſeine Schilderung hier wörtlich folgen.


I.Auflöſen in Schwefelſäure.

Eine ſorgfältig genommene Durchſchnittsprobe wird möglichſt fein ge-
pulvert, durch ein feines Sieb geſchlagen und die reſtlichen Stückchen neuer-
[117] dings gepulvert. 1 g dieſes Pulvers wird mit dem gleichen Gewicht ge-
ſtoßenem Glas in einem kleinen Mörſer gemiſcht. Die Miſchung wird nach
und nach in 20 ccm Schwefelſäure von 1,845 ſpez. Gewicht, welche ſich in
einem cylindriſchen Porzellantiegel von 50 ccm Inhalt befindet, unter ſtetem
Umrühren eingetragen. Der Mörſer wird zuletzt mit Glasſtaub ausgeſpült.
Man erhitzt eine Stunde im Dampftrockenkaſten, verdünnt die gebildete
Indigoſulfoſäure mit Waſſer, filtriert und bringt auf 1 Liter.


Den Indigogehalt dieſer Löſungen kann man nun durch Titration mit
oxydierenden Subſtanzen ermitteln, welche die Indigoſulfoſäure in gelbe Iſatin-
ſulfoſäure überführen. Zu dieſem Zwecke ſind Chlorkalk, chlorſaures Kali,
Kaliumbichromat, Chamäleon, rotes Blutlaugenſalz, Salpeter ꝛc. vorgeſchla-
gen worden. Die Beſtimmungen werden dadurch ungenau, daß auch die
anderen Beſtandteile des Indigos oxydiert werden, ſo daß der Verbrauch an
Maßflüſſigkeit immer größer iſt, als dem Indigblaugehalt entſpricht, doch er-
hält man untereinander gut vergleichbare Daten.


Oxydation mit Permanganat. Rawſon gibt der Permanganat-
methode den Vorzug und führt dieſelbe in folgender Weiſe aus:


50 ccm der in oben beſchriebener Weiſe bereiteten Indigolöſung wer-
den in einer Porzellanſchale mit 250 ccm Waſſer verdünnt und mit einer
Löſung von 0,5 g Kaliumpermanganat im Liter titriert, bis die Farbe der
Löſung von grünlich in blaßgelb übergegangen iſt. Der Titer der Perman-
ganatlöſung wird auf reines Indigblau geſtellt, 1 Molekül desſelben oxydiert
5 Moleküle Indigoſulfoſäure.


Genauere Reſultate erhält man nach demſelben Verfahren, wenn man
die Indigoſulfoſäure vor der Titration von den Beimengungen in folgender
Weiſe trennt:


50 ccm der Löſung werden in einem kleinen Kolben mit 50 ccm Waſſer
und 32 g Kochſalz vermiſcht. Die mit Salz nahezu geſättigte Flüſſigkeit
wird zwei Stunden ſtehen gelaſſen, worauf das indigoſulfoſaure Natron
nahezu vollſtändig ausgeſalzen iſt. Man filtriert ab, wäſcht mit 50 ccm
Kochſalzlöſung (1,2 ſpez. Gewicht), löſt in heißem Waſſer, läßt erkalten,
verdünnt nach Zuſatz von 1 ccm Schwefelſäure auf 300 ccm und titriert.
Für die in Löſung gebliebene geringe Menge von indigſulfoſaurem Natron
bringt man eine Korrektur von 0,0008 an.


Verfahren mit Hydroſulfit. Dieſes von Bernthſen erdachte,
von Müller verbeſſerte, vorzügliche Verfahren wird in folgender Weiſe aus-
geführt:


Zur Bereitung von Hydroſulfitlöſung füllt man einen Kolben von
circa 100 ccm Inhalt mit ſpiralförmig gebogenen Zinkſtreifen, gießt eine
Natriumbiſulfitlöſung von 1,30 ſpez. Gewicht darauf, verſtopft und läßt eine
Stunde ſtehen, bis zum Verſchwinden des Geruchs nach ſchwefliger Säure.
Man gießt die Löſung des Natriumhydroſulfites ſodann in 5 l Waſſer, wel-
ches 50 g friſch gelöſchten Kalk enthält, ſchüttelt durch, läßt bei Luftabſchluß
abſitzen und zieht in eine Flaſche ab, in welche eine Nachflußbürette einge-
ſetzt iſt. Auf die Oberfläche der Flüſſigkeit gießt man, um die Oxydation
zu verhindern, 100 ccm Petroleum, außerdem führt man durch den Kork
ein oberhalb der Flüſſigkeit mündendes Rohr ein, welches mit der Gaslei-
tung in Verbindung ſteht.


[118]

Die Titerſtellung wird mit einer ammoniakaliſchen Kupferlöſung aus-
geführt, ein Molekül Kupferſulfat entſpricht genau einem Molekül Indigblau.


1,904 g Kupfervitriol werden in 1 l Waſſer gelöſt, welches 100 ccm
Ammoniakflüſſigkeit (0,880 ſpez. Gewicht) enthält. Davon bringt man
50 ccm in einen Kolben von circa 200 ccm Inhalt mit weiter Oeffnung,
vertreibt die Luft durch Aufkochen, läßt erkalten und verſchließt die Oeffnung
mit einem vierfach durchbohrten Kork. Durch die eine Oeffnung wird das
Ausflußrohr der Hydroſulfitbürette, durch eine andere das Ausflußrohr einer
mit Indigokarmin gefüllten Bürette hindurchgeführt.


Die beiden anderen Oeffnungen dienen zum Ein- und Austritt von
Leuchtgas. Das Gas wird, bevor es in den Kolben tritt, durch U förmige
Röhren geleitet, welche gefälltes Eiſenoxydulhydrat enthalten, um es von Sauer-
ſtoff zu befreien.


Man titriert nun mit der Hydroſulfitlöſung bis nahe zur Entfärbung,
ſetzt einige Tropfen Indigkarminlöſung zu und titriert weiter, bis zur
charakteriſtiſchen Braunrotfärbung.


Man kann die zur Entfärbung der wenigen Tropfen Indigolöſung not-
wendige Hydroſulfitmenge durch Titration beſtimmen und in Rechnung bringen.


50 ccm der Kupferlöſung ſind 0,05 g Indigblau äquivalent.


Zur Titrierung des Indigos nimmt man 50 ccm der nach der oben
gegebenen Vorſchrift bereiteten Indigolöſung, kocht zur Vertreibung der Luft
auf und titriert nach dem Erkalten wie früher unter Luftabſchluß unter be-
ſtändigem Schütteln. Die Flüſſigkeit wird hellgelb, bei ſchlechten Sorten
gelbbraun, doch iſt der Uebergang ſtets gut kenntlich.


Indigrot, Indigbraun und Indiglucin reagieren nicht auf die Hydro-
ſulfitlöſung. Nur die Gegenwart von Eiſenoxyd iſt ſchädlich, doch findet ſich
dasſelbe nur in ſchlechten Indigoſorten in erheblicheren Mengen.


II.Sublimation.

Lee beſtimmt den Indigblaugehalt des Indigos in der Weiſe, daß er
circa 0,25 g der fein gepulverten und bei 100° getrockneten Probe in eine
Platinſchale von 7 cm Länge, 2 cm Breite und 0,75 cm Tiefe bringt und
vorſichtig abſublimiert. Die Schale, deren Boden ganz eben ſein ſoll, wird
auf einer Eiſenplatte ſehr allmählich erhitzt. Wenn der Inhalt mit Kry-
ſtallen überkleidet iſt, ſtellt man ein bogenförmig gekrümmtes poliertes Eiſen-
blech über die Schale auf die Platte, dasſelbe iſt etwas länger als das
Platingefäß. Nun mäßigt man die Hitze und hebt den Bogen von Zeit zu
Zeit auf, um den Fortgang der Sublimation zu beobachten. Für 50prozen-
tigen Indigo dauert die Operation 30 bis 40 Minuten, für reichere Sorten
bis zu 2 Stunden. Man läßt die Schale im Exſiccator erkalten und wägt.
Der Verluſt wird als Indigblau in Rechnung gebracht.


Die Methode erlaubt bei genauer und gleichmäßiger Ausführung ein
ziemlich ſicheres vergleichendes Urteil über den Wert der Proben, gibt aber
den Indigoblaugehalt nicht ſicher an.


III.Methoden, welche ſich auf die Reduktion des Indigblaus
in alkaliſcher Löſung begründen
.

Nach allen hierher gehörigen Verfahren wird das Indigblau durch
Reduktion in alkaliſcher Löſung in Indigweiß übergeführt und dadurch von
den anderen Beſtandteilen des Indigos getrennt.


[119]

Als Reduktionsmittel wurden alkoholiſche Natronlauge und Trauben-
zucker, Eiſenvitriol und Kalk ꝛc. empfohlen. Rawſon*) gibt dem Natrium-
hydroſulfit den Vorzug.


1 g fein gepulverter Indigo wird mit Waſſer angerieben und in eine
500 bis 600 ccm Kalkwaſſer enthaltende Flaſche gebracht. Dieſelbe iſt mit
einem vierfach durchbohrten Pfropfen verſehen. In eine der Oeffnungen iſt
ein mit einem Quetſchhahn verſchloſſener Heber eingeſetzt, in die zweite ein
Trichterrohr mit Glashahn, die beiden anderen dienen zum Ein- und Aus-
tritt von Leuchtgas.


Man verdrängt die über der Flüſſigkeit befindliche Luft mit Gas, er-
wärmt auf circa 80° und läßt durch den Trichter 100 bis 150° ccm einer
Hydroſulfitlöſung einfließen, welche ebenſo wie die bei der oben beſchriebenen
Titriermethode verwendete bereitet, aber fünfmal ſo ſtark iſt.


Die Miſchung, welche in einigen Minuten gelb wird; wird eine halbe
Stunde nahe dem Sieden erhalten. Dann läßt man abſitzen, zieht mittels
des Hebers 500 ccm ab und mißt das Volumen der zurückbleibenden Flüſſig-
keit. Die 500 ccm bringt man in einen Erlenmeyerſchen Kolben und
bläſt durch 20 Minuten einen ſtarken Luftſtrom durch, wodurch man das
Hydroſulfit zu Sulfit, das Indigweiß zu Indigblau oxydiert. Dann ſetzt
man Salzſäure im Ueberſchuß zu (wobei ſich die Flüſſigkeit nicht trüben
darf), um den Niederſchlag kalkfrei zu machen, ſammelt denſelben auf einem
tarierten Filter, wäſcht mit heißem Waſſer, trocknet bei 100° und wägt.
Das erhaltene Gewicht repräſentiert das Indigblau und Indigrot.


Das letztere kann in einem Extraktionsapparat mit Alkohol extrahiert
und ſodann in bekannter Weiſe zur Wägung gebracht werden.


Beiſpiel. Man habe 1 g Indigo reduziert und 500 ccm abgehebert
Der Reſt meſſe 435 ccm. Das Gewicht des Niederſchlages ſei 0,243.
Somit enthält die Probe

Die das Indigrot enthaltende alkoholiſche Löſung hinterlaſſe nach dem
Verdampfen und Trocknen bei 100° 0,0145 g. Zieht man davon 0,001
Indigblau ab, entſprechend der Löslichkeit desſelben in Alkohol, ſo findet man:

Wir laſſen hiernach die Analyſe einiger Indigos folgen, um das häufige
Mißverhältnis zwiſchen wirklichen Wert und Preis zu veranſchaulichen (ſiehe
die Tabelle S. 120).


Rawſon fand durch Vergleichung verſchiedener Unterſuchungsmethoden
folgende Werte, welche in der oberen der beiden Tabellen auf Seite 121
zuſammengeſtellt ſind.


[120]

Die Preiſe ſind in Rupien angegeben, die Verpackung zu 74⅔ Pfund in Calcutta, und Bazarverpackung zu 25 Pfund in Madras.


[121]

Neuerdings hat H. Cooley (Journ. f. anal. Chemie 1888, 129) den Indigotingehalt verſchiedener Indigoſorten nach den in
der folgenden Tabelle benannten Verfahren beſtimmt und folgende Werte gefunden:


[122]

Statiſtiſches. Welchen Umfang die Produktion und der Verbrauch
an Indigo einnehmen, dafür geben die von Dr. v. Scherzer aufgeſtellten
Zahlen einen Anhalt. Nach dieſem Statiſtiker beträgt die jährliche mittlere
Geſamtproduktion 84000 Metercentner im Werte von 94 Millionen Mark.
Nach der offiziellen Statiſtik wurde in das deutſche Zollgebiet an Indigo
eingeführt im Werte von:

Der durchſchnittliche jährliche Verbrauch im deutſchen Zollgebiet von
1881 bis 1885 beziffert ſich auf 1180 Tonnen im Werte von 17 Millionen
Mark. — England verbraucht jährlich für circa 29 Millionen Mark; alle
übrigen Länder (einſchl. der Vereinigten Staaten) verbrauchen weniger als
Deutſchland.


§ 32. Blauholz.

Nächſt dem Indigo iſt das Blauholz, auch Campecheholz, Logwood,
Blutholz, Königinholz, Braunholz, Poachwood
genannt, das
wichtigſte blaufärbende Material. In Europa wird es ſeit dem 16. Jahr-
hundert verwendet, wo es die Spanier nach der Entdeckung Amerikas in den
Handel brachten; ſpäter bemächtigten ſich die Engländer des Blauholz-
handels.


Abſtammung. Das Blauholz iſt das von Rinde und Splint be-
freite Kernholz des Blauholzbaumes, Haematoxylon Campechianum L.,
zur Familie der Caesalpiniaceae gehörig. Es iſt ein mäßiger Baum von
unregelmäßigem Wuchſe, urſprünglich in Centralamerika an der Campechebai
heimiſch (daher auch Campecheholz genannt), wurde aber 1715 nach
Weſtindien verpflanzt, wo die Engländer deſſen Kultur — vornehmlich auf
Jamaica — eifrig betrieben.


Eigenſchaften. Das Blauholz kommt in kleineren oder größeren
Kloben (engliſches Holz) oder in Form dicker, an einer Seite zugeſpitzter
Blöcke (ſpaniſches Holz) in den Handel; dieſe erſcheinen außen violett bis
ſchwärzlich, oft mit grünlichem Anflug; innen iſt es blutrot; es iſt hart,
ſchwer (ſpez. Gewicht 0,9 bis 1,0), ſchwierig zu ſchneiden und zu ſpalten.
Nicht ſelten kommt das Blauholz auch in großen rötlichen bis ſchwärzlich-
braunen Spänen vor. Das Holz beſitzt einen eigentümlichen ſchwachen, an
Veilchenwurzel erinnernden Geruch, und einen anfangs ſüßen, dann zuſammen-
ziehenden Geſchmack. Im friſchen Zuſtande erſcheint das Holz gelblichrot.
Mit Waſſer gekocht, gibt es ein Abſud, welches durch Ammoniak zunächſt pur-
purrot, dann mehr veilchenblau gefärbt wird; Alaun verurſacht in der Ab-
kochung eine hellrote bis grauviolette, Zinnſalz eine roſenrote Fällung;
Bleizucker gibt einen weißen, Kupfervitriol einen grünen Niederſchlag; beide
Niederſchläge färben ſich bei Berührung mit der Luft dunkelblau; Eiſen-
vitriol gibt
je nach der verwendeten Menge, einen dunkelvioletten
bis ſchwarzen Niederſchlag
.


Handelsſorten. Als beſte Sorte gilt im Handel das Campeche-
holz
von der Weſtküſte von Yucatan in Kloben von 1 bis 2½ m Länge und
[123] 100 bis 500 kg Gewicht, dann folgt das Hondurasblauholz von der
engliſchen Kolonie Honduras in Kloben von etwa 1 m Länge und 50 bis
200 kg Gewicht, das Jamaika-Blauholz von Jamaika und das Do-
mingo-Blauholz
von St. Domingo, Martinique und Guadeloupe, Laguna-
Blauholz, Monte-Chriſto-Blauholz, Fort Liberté-Blauholz, Jamaikawurzelholz.
Nach den Ausführungen von L. Brühl (Deutſche Färberzeitung 1888,
Nr. 9 und 10) dagegen iſt die Meinung, daß der Namen des Holzes zu-
gleich auch über ſeine Güte Aufſchluß gibt, eine vollſtändig irrige.


Blauholzfarbſtoff. Das Chromogen des Blauholzes iſt das Häma-
toxylin
, von welchem es 9 bis 12 Prozent enthält. Das Hämatoxylin
iſt zum Teil als ſolches, zum größeren Teil aber in der Form ſeines
Glycoſides im Blauholz enthalten. In ſeiner chemiſch reinen Form bildet
es farbloſe prismatiſche Kryſtalle, welche ſüß ſchmecken, in kaltem Waſſer
nur ſchwer, in heißem Waſſer, in Alkohol und Aether leicht löslich ſind;
es ſcheidet ſich auch aus Blauholzextrakten bisweilen in großen Kryſtallen ab.
Das Hämatoxylin wurde ſchon 1811 von Chevreul in unreinem Zuſtande,
ſpäter von Erdmann rein dargeſtellt. Aus dem Hämatoxylin, welchem die
Formel C16 H14 O6 zukommt, bildet ſich dann der eigentliche Farbſtoff des
Blauholzes, das Hämateïn, und zwar zunächſt in einer Verbindung mit
Ammoniak als Hämateïn-Ammoniak: C16 H14 O6 + NH3 + O =
Hämatoxylin
C16 H11 (NH4) O6 + H2 O. Dieſes bildet ein rotes Pulver oder blauſchwarze
Kryſtalle und iſt die Urſache der ſchwarzblauen Farbe der äußeren Schicht
des Blauholzes; aus ihm erhält man durch Zerſetzen mit Eſſig das
reine Hämateïn: C16 H11 (NH4) O6 + CH3 · COOH = C16 H12 O6 +
CH3 · COO · NH4.
Das Hämateïn bildet kleine Kryſtalle von prachtvollem gelb-
grünem Metallglanz. Es findet ſich in kleinen Kryſtällchen nicht ſelten im
Holze ſelbſt, iſt auch die Urſache des grünen Anfluges auf der äußerſten
Schicht des Blauholzes; es iſt in Waſſer, Alkohol und Aether ſchwer lös-
lich. — Es möge hier noch auf die nahe Verwandtſchaft der Chromogene
ſowohl, wie der Farbſtoffe von Fernambukholz und Blauholz hingewieſen wer-
den, wie ſie ſich am deutlichſten aus ihren chemiſchen Formeln ergibt:
Braſilin C16 H14 O5, Hämatoxylin C16 H14 O6, Braſileïn C16 H12 O5, Häma-
teïn C16 H12 O6. Santalin und Hämatoxylin ſcheinen ſogar iſomer zu ſein,
und enthalten wohl nur die Hydroxylgruppe in verſchiedener Stellung. Der
eigentliche Farbſtoff bildet ſich ſomit (wenn wir das intermediäre Hämateïn-
Ammoniak weglaſſen) aus dem Chromogen durch Sauerſtoffaufnahme oder
Oxydation. Dieſes iſt die Urſache, weshalb man das Blauholz unmittelbar
vor ſeiner Verwendung noch dem Prozeß der Fermentation unterwirft,
einer mechaniſchen Behandlung, wie ich dieſelbe beim Artikel Allgemeines
über Farbhölzer in § 25 (S. 98) ausführlich beſprochen habe.


Anwendung. Das Blauholz findek ausgedehnte Verwendung zum
Färben von Wolle, Seide, Baumwolle und Leder. Es gibt weniger blaue,
als vielmehr braunviolette, blauſchwarze und rein ſchwarze Töne und bildet
einen Hauptausgangspunkt in der Schwarzfärberei. Die helleren mit Blau-
holz hergeſtellten Töne ſind ſämtlich ſehr unecht und werden daher wenig
oder gar nicht angewendet. Um ſo umfangreicher iſt dagegen ſeine Ver-
wendung zur Herſtellung von Modefarben. Vor ſeiner Verwendung muß
das Blauholz geraſpelt oder gemahlen werden. Das Blauholz dient ferner
[124] zur Herſtellung einiger Blauholzpräparate, der verſchiedenen Blau-
holzextrakte
, des Hämateïns in Extraktform (Guinon), Noir imperial,
Azotine,
und des Indigoerſatz. Ueber dieſe ſiehe Näheres unter „Farb-
ſtoffpräparate“ § 57. Ueber die Einzelheiten in ſeiner Anwendung vergl.
Teil II, § 49, 65 u. 79.


Prüfung und Wertbeſtimmung. Das Blauholz iſt nicht leicht
einer Verfälſchung unterworfen, wenn es in Blöcken oder Scheiten auf den
Markt kommt. Späne können ſchon eher verfälſcht werden. Will man ſich
daher vor Verfälſchung ſchützen, ſo wird man wohl thun, keine Späne zu
kaufen. Der Wert des Blauholzes beruht auf ſeinem Gehalt an Farbſtoff.
Dieſer Gehalt läßt ſich zwar auch durch eine chemiſche Analyſe feſtſtellen,
doch iſt eine ſolche in dieſem Falle mit vielen Schwierigkeiten verbunden,
da derſelbe im Holze teils als Hämatoxylin, teils als Hämateïn-Ammoniak
und teils als Hämateïn enthalten iſt. Viel einfacher und kürzer iſt hier
das Probefärben.


§ 33. Waid.

Abſtammung. Die Waidpflanze, Isatis tinctoria L., und Isatis
lusitanica L.,
hat für die Färberei heute bei weitem nicht mehr jenes Inter-
eſſe, wie in früheren Jahrhunderten, wo ſie, vor Einführung des Indigos,
das alleinige Material zur Erzeugung tiefblauer Farben bildete. Der Waid-
anbau war ein in ganz Deutſchland, vornehmlich aber in Thüringen, emſig
gepflegter Zweig der Landwirtſchaft. Das hat faſt völlig aufgehört und die
heutigen Reſte der Waidkultur ſind kaum der Erwähnung wert. Der Indigo
hat den Waid faſt vollſtändig verdrängt; alle Schutzmaßregeln zur Bekäm-
pfung der Indigoeinfuhr und zum Schutze des Waidbauers haben den Sieges-
zug des Indigos nicht aufzuhalten vermocht.


Eigenſchaften. Das als Waid in den Handel kommende Farb-
material iſt die ganze, durch eine Mühle in einen Teig verwandelte, durch-
knetete und in Klumpen geformte Pflanze. Er bildet trockene, außen weiß-
liche, harte Ballen, oder kleine mit Schimmel überzogene Klümpchen, die
auf dem Bruche ins Schwarze fallen und, feucht verrieben, Papier blau- bis
ſchwarzgrün färben. Guter Waid kann bis 10 Jahre alt werden und ge-
winnt an Güte, weshalb der alte dem friſchen vorgezogen wird. Je ſchwerer
er iſt, deſto beſſer iſt er. Die beſte Handelsſorte führt den Namen Paſtel.


Waidfarbſtoff. Der Waid enthält das Chromogen des Indigblaus,
des Indican, welches man aus den Blättern der Waidpflanze durch Extrak-
tion mit Alkohol erhalten kann, und welches beim Behandeln mit verdünn-
ten Mineralſäuren, ſowie bei der Gärung, in Indigblau und Indiglucin
zerfällt. Man könnte daher den Waid zur Erzeugung von Indigo benutzen,
hat ihn auch vorübergehend (vergl. Indigo S. 110) dazu benutzt; er enthält
jedoch nur den dreißigſten Teil Chromogen, wie die Indigopflanze; ſeine
Verarbeitung auf Indigo iſt daher nicht lohnend.


Anwendung. Für ſich allein wird der Waid kaum noch verwendet,
ſondern nur noch in der Waidküpe als Zuſatz zum Indigo. Dieſe Waid-
küpe, worüber im ſpeziellen Teil Ausführlicheres, wird nur in der Wollen-
färberei verwendet. Die Prüfung und Wertbeſtimmung kommt beim Waid
nicht in Betracht.


[125]
§ 34. Minder wichtige blaue Farbſtoffe.

Der Lackmus iſt ein Farbmaterial aus der Klaſſe der Flechtenfarb-
ſtoffe und ſteht der Orſeille und dem Perſio (§ 29) ganz nahe. Zur Dar-
ſtellung des Lackmus kann man auch die zur Bereitung von Orſeille u. ſ. w.
verwendeten Flechten gebrauchen; gegenwärtig benutzt man dazu vorwiegend
die Lecanora-Arten, und zwar in Frankreich die in den Pyrenäen vorkom-
menden L. orcina, Lecanora dealbata, L. parella; in England die in Is-
land und Skandinavien häufig vorkommende L. tartarea (Ochrolechia tar-
tarea Körb.);
nach Tſchirch wird auch Pe [...]tusaria communis dazu ver-
wendet. Die Flechten werden unter Zuſatz von faulem Urin oder Ammoniak
— ganz wie bei der Orſeille — einer Gärung unterworfen, nur fügt man
noch Pottaſche in genügender Menge hinzu, ſo daß nach beendigter Gärung
eine rein tiefblaue Maſſe reſultiert. Dieſe wird mit Kreide und Gyps ge-
mengt, in Würfel geformt, getrocknet und in den Handel gebracht.


Lackmusfarbſtoff. Der lösliche blaue Farbſtoff des Lackmus iſt das
Azolitmin, C7 H7 NO4; dieſer Farbſtoff beſitzt nur 1 Sauerſtoffatom mehr
als das Orceïn, und kann als ein Oxydationsprodukt des letzteren angeſehen
werden, denn:
Orceïn Sauerſtoff Azolitmin.


Von dieſem Geſichtspunkt aus muß die Lackmusgärung als eine weiter-
gehende Oxydation betrachtet werden, als die Orſeillegärung; es erklärt ſich
ſo auch ganz zwanglos, warum man aus demſelben Flechtenmaterial ſowohl
Orſeille wie Lackmus herſtellen kann. Nach dieſer Anſchauung würde das
Orceïn der Orſeille nur als ein intermediäres Produkt zwiſchen Orſellin-
ſäure und Azolitmin zu betrachten ſein (vergl. § 29). Das Azolitmin iſt
leicht löslich in Waſſer und Alkohol, wird aber durch Säuren in einen
zwiebelroten Farbſtoff (Orceïn?) zurückverwandelt.


Anwendung findet der Lackmus (nach Grothe) zum Färben der Seide
unter Verwendung von Kochſalz als Beize.


Ein dem Lackmus nahe verwandter Stoff wird in Frankreich unter dem
Namen Tourneſol aus dem Kraute von Crozophora tinctoria Nech.
dargeſtellt.


Sonſtige Farbſtoffe:


Außer den vorſtehend beſchriebenen Farbſtoffen enthalten die Blüten-
blätter der ſchwarzen Malve, Althaea rosea Cav., einen blauen Farbſtoff,
auf welchen Elsner zuerſt aufmerkſam gemacht hat. Dieſer Farbſtoff wird
durch Begießen der Blumenblätter mit heißem Waſſer ausgezogen; die er-
haltene Flüſſigkeit färbt Wolle, mit Alaun gebeizt, blauviolett, mit Zinn-
chlorid dunkelviolett, mit Eiſen blauſchwarz; Seide mit Zinnſalz ſchön violett;
Baumwolle mit Zinnſalz blauviolett, mit Alaun violett, mit Eiſen ſchwarz.
Die Färbungen ſollen luft- und lichtecht, aber nicht ſäure- und walkecht ſein.


[126]
III.Gelbe Farbſtoffe.

§ 35. Gelbholz.

Abſtammung. Das Gelbholz, auch Fuſtik, alter Fuſtik,
Cubaholz, holländiſches Gelbholz, echtes Fuſtikholz, gelbes
Braſilienholz
genannt, iſt das Kernholz zweier zur Familie der Arto-
carpeae
gehöriger, in Süd- und Mittelamerika heimiſcher Bäume: Maclura
tinctoria Don.
und Maclura aurantiaca Nutt. (Morus tinctoria); letzterer,
unter dem Namen Färbermaulbeerbaum bekannt, findet ſich mehr auf den
Antillen und in Nordamerika und ſoll (nach Tſchirch) vornehmlich auf Gelb-
holz ausgebeutet werden, während nach Hanauſek der erſtere Baum das
meiſte Gelbholz liefern ſoll. Nach Grothe ſoll auch Broussonetia tinc-
toria
Gelbholz liefern.


Eigenſchaften. Da nach dem vorſtehend Geſagten das Gelbholz nicht
als ein einheitliches Produkt angeſprochen werden kann, ſo müſſen auch die
Eigenſchaften variieren. Allen gemeinſam iſt die gelbe Farbe, welche ſich
jedoch in allen Nüancen von blaßcitronengelb bis zu gelbbraun findet.
Es kommt ſowohl in Form von mächtigen, 25 bis 200 kg ſchweren, Stamm-
ſtücken oder in Scheiten nach Europa, und wird hier in hirngeſchnittene oder
geraſpelte Ware umgewandelt; es iſt ziemlich ſchwer und hart, leicht ſpalt-
bar und im allgemeinen ſchmutzig citronengelb; mit der Zeit dunkelt es nach
und wird durch und durch braun.


Handelsſorten. Es kommen eine große Anzahl Sorten in den Han-
del, welche durch ihre Bezeichnungen zugleich die Herkunft der Ware kenn-
zeichnen: Cuba dicke runde Stücke, außen braun, innen gelb mit roten Adern
(dieſe gilt als die beſte Sorte); Tampiko, von hellerer Farbe; Braſil ſehr
hell, mattgelb; Portorico, Jamaika, Maracaibo, Puerto Rico, Domingo,
Carthagena, Tabasco. Nächſt dem Cubaholz wird das Jamaikaholz als das
beſte betrachtet. Daß jedoch die bloßen Handelsbezeichnungen nicht geeignet
ſind, einen Schluß auf die Güte zu ziehen, habe ich § 31 bereits erläutert.


Gelbholzfarbſtoffe. Im Gelbholz ſind zwei Farbſtoffe enthalten,
Morin und Maclurin. Morin oder Morinſäure, C12 H8 O5, welches
als ſolches, an Kalk gebunden, im Holze enthalten iſt, bildet im reinen
Zuſtande farbloſe, glänzende, 1 bis 3 Linien lange Kryſtallnadeln, welche in
Waſſer nur ſchwer, in kaltem gar nicht löslich ſind, dagegen löslich in Alkohol,
weniger in Aether; es löſt ſich in gelöſten ätzenden und kohlenſauren Alkalien
mit tiefgelber Farbe. Es iſt in der Gelbholzabkochung enthalten und gibt
hier (mit Moringerbſäure zuſammen) mit Alaun einen hellgelben, mit Zinn-
ſalz einen gelben, mit Bleizucker einen orangefarbenen, mit Kupfervitriol
wie auch mit Brechweinſtein einen braungelben, mit ſalpeterſaurem Eiſen
einen braunolivgrünen Niederſchlag; Salzſäure und Schwefelſäure geben
einen ſchwach gelben, Oxalſäure einen dunkel orangenen Niederſchlag. Am-
moniak, verdünnte Kali- oder Natronlauge und Kalkwaſſer färben die Flüſſig-
keit orange, ohne einen Niederſchlag zu geben.


Maclurin oder Moringerbſäure, C13 H10 O6, findet ſich im Gelb-
holz ſowohl rein, als in Verbindung mit Kalk neben Morin oft in großer
[127] Menge abgelagert; es iſt mit gelber Farbe in Waſſer, Alkohol, Aether, in
wäſſerigen ätzenden und kohlenſauren Alkalien löslich; die wäſſerige Löſung
fällt Eiſenſalze ſchwarzgrün, Brechweinſtein gelbbraun, Zinnchlorür gelb.


Anwendung. Das Gelbholz dient zum Gelbfärben von Baumwolle
und Wolle, ſeltener von Seide, ſowie zum Hervorrufen von Modefarben,
aber auch zum Grün- und Schwarzfärben von Wolle und zum Nüancieren
von ſchwarzen Farben. Außerdem dient es zur Herſtellung des Gelbholz-
extrakts
, worüber Näheres unter Farbſtoffpräparate


Ueber Prüfung und Wertbeſtimmung gilt dasſelbe, wie beim Blauholz.


§ 36. Fiſetholz.

Abſtammung. Das Fiſetholz, auch junger Fuſtik, ungariſches
Gelbholz, Fuſtelholz, Zantegelbholz
genannt, iſt das Kernholz des
zur Familie der Anacardiaceae gehörenden, im Mittelmeergebiet heimiſchen
Perrückenbaumes, Rhus Cotinus L., und kommt von Ungarn, Dalmatien,
Italien, Frankreich, Südtirol, Spanien aus in den Handel.


Eigenſchaften. Es kommt in zoll- bis armdicken von der Rinde be-
freiten Knütteln auf den Markt und iſt mehr grünlichgelb und braungeſtreift.
Die Abkochung des Holzes hat eine ſchöne Orangefarbe.


Fiſetholzfarbſtoff. Der gelbe Farbſtoff des Fiſetholzes iſt das
Fiſetin, C23 H16 O9, nach Koch dagegen von der Formel C15 H10 O6, wel-
ches darin, an Gerbſäure gebunden, als waſſerlösliche Verbindung vorkommt.
Als Fuſtin wird ein Glycoſid des Fiſetins verſtanden. Das reine Fiſetin
kryſtalliſiert aus Alkohol in feinen citronengelben Nadeln, welche in Waſſer
faſt unlöslich, in Alkohol und Aether leicht löslich ſind. Nach Chevreul
iſt das Fiſetin urſprünglich weiß, färbt ſich aber an der Luft ſchnell gelb.
Die wäſſerige Abkochung des Fiſetholzes enthält den Farbſtoff in Löſung;
die Fällungen mit den bekannten Beizen geben im Verhältnis zum Gelb-
holz mehr orangerote Niederſchläge; die Fällung mit Kupfer iſt rotbraun,
mit Eiſenbeize graubraun.


Anwendung. Der Farbſtoff des Fiſetholzes iſt ſehr wenig echt; es
findet daher nur beſchränkte Anwendung in der Wollen- und Lederfärberei.
Mit andern Farben gemiſcht, erſcheint der Farbſtoff etwas echter und findet
ſo Verwendung für Modefarben auf Kattun.


§ 37. Gelbbeeren.

Abſtammung. Die Gelbbeeren, auch Avignonkörner, Perſiſche
Beeren, Kreuzbeeren
ſind die getrockneten Früchte (Beeren) verſchiede-
ner Kreuzdorn- (Rhamnus-)Arten. Nach der verſchiedenen Herkunft richten
ſich auch die verſchiedenen


Handelsſorten, und zwar werden hauptſächlich unterſchieden:


1. Avignongelbbeeren von Rhamnus infectoria L. und Rhamnus
saxatilis L.,
franzöſiſcher Provenienz, von Erbſengröße, dunkelgrün, glatt
und unten ſpitz.


[128]

2. Perſiſche Gelbbeeren von Rhamnus infectoria L. und Rh.
oleoïdes,
größer als die vorigen, von ſchön grüner Farbe, unten ſpitz, ein-
fächerig. Sie enthalten von allen Gelbbeeren den meiſten Farbſtoff und ſind
die geſchätzteſten.


3. Walachiſche und Levantiniſche Gelbbeeren von Rh. infec-
toria
und Rh. saxatilis; ſie ſind kleiner, dreifächerig und geringer als die
perſiſchen.


4. Ungariſche Kreuzbeeren von Rh. amygdalinus und Rh. tinctoria,
bräunlich, rundlich geſtielt, vierfächerig.


5. Spaniſche Gelbbeeren von Rh. alaternus, weniger geſchätzt
als die franzöſiſchen.


6. Deutſche Gelbbeeren von Rhamnus Cathartica L., eine ge-
ringere Sorte.


Auch Rhamnus Frangula, Rh. alpina und pumilio werden in Deutſch-
land, reſp. der Schweiz und Italien als Mutterpflanzen der Gelbbeeren bis-
weilen benutzt.


Eigenſchaften. Die Beeren haben die Größe eines Pfefferkornes
bis einer Erbſe, ſind hellgrün, olivgrün, braungrün, braun bis ſchwarz. Die
großen, vollen, helleren Beeren ſind kurz vor der Reife geſammelt, die gelben
und braunen kleineren und runzligen nach der Reife; die ſchwarzen ſind
überreif. Die wäſſerige Abkochung der Gelbbeeren gibt mit Kaliumdichromat
einen rötlichbraunen, mit Thonerde- und Zinnoxydſalzen einen mattgelben,
mit Zinnoxydulſalzen einen orangegelben, mit Kupfervitriol einen olivgrünen
Niederſchlag.


Gelbbeerenfarbſtoffe. Die Gelbbeeren enthalten zwei Farbſtoffe,
Rhamnin und Rhamnetin. Doch ſind die Angaben der verſchiedenen
Autoren noch ſo wenig übereinſtimmend, daß ſich eine beſtimmte ſichere
Charakteriſtik nicht aufſtellen läßt. Auch die chemiſchen Formeln der ver-
ſchiedenen Forſcher koinzidieren nicht, was den Schluß geſtattet, daß die-
ſelben mit verſchiedenen reinen Stoffen gearbeitet haben. Sicher iſt, daß das
Rhamnetin ein Spaltungsprodukt des Rhamnins iſt. Nach den neueſten
Unterſuchungen von Liebermann und Hörmann enthalten die Gelbbeeren
neben wenig freiem Farbſtoff 12 Prozent Farbſtoffglycoſide, welche in Wein-
geiſt ſchwerer löslich ſind, als der eigentliche Farbſtoff, welchen Lieber-
mann
als Xanthorhamnin bezeichnet und dem er die Formel C48 H66 O29
gibt. Dieſes ſpaltet ſich beim Behandeln mit Säuren in Rhamnetin und
eine Zuckerart, Iſodulcit.
Xanthorhamnin Waſſer Rhamnetin Iſodulcit.


Doch werden auch dieſe Angaben von anderer Seite angezweifelt. Eine
Uebereinſtimmung mit dem Quercitronfarbſtoffe ſoll nicht exiſtieren.


Hier müſſen weitere Forſchungen wohl noch mehr Klarheit bringen.
Ohne dieſen Forſchungen vorgreifen zu wollen, glaube ich doch, nur einen
Farbſtoff annehmen zu ſollen. Es ſei vor allem geſtattet, darauf hinzuwei-
ſen, daß der eigentliche Sitz des Farbſtoffes das Parenchym der Frucht-
ſchalen iſt; die Fächerwände der Beeren und die Samen enthalten den Farb-
[129] ſtoff nicht. Der Farbſtoffträger ſitzt alſo in der äußerſten Beerenoberfläche und
geht aus der anfangs hellgrünen, dann goldgelben Farbe bei der Reife in
eine olivgrüne über. Es darf wohl angenommen werden, daß hier der Luftſauer-
ſtoff oxydierend wirkt, und daß der olivgrüne Farbſtoff der reifen
Früchte der eigentliche Farbſtoff iſt
, während der grüne Farbſtoff
der noch nicht reifen Beeren als eine Miſchung des Chromogenes der Gelb-
beeren mit — je nach der vorgeſchrittenen Fruchtreife — kleineren oder
größeren Mengen des fertigen Farbſtoffes zu betrachten iſt. Da überdies
die Gelbbeeren viel Gerbſäure enthalten, ſo iſt es nicht ausgeſchloſſen, daß
ſowohl das Chromogen, wie der Farbſtoff ſelbſt in Form von Glycoſiden in
den Gelbbeeren enthalten ſind. Ueberhaupt zeigt der Farbſtoff der Gelb-
beeren manche Uebereinſtimmung mit dem des Fiſetholzes, bei welchem die
Beziehungen zwiſchen Fiſetin und Fuſtin ja auch noch keineswegs einwand-
frei feſtgeſtellt ſind.


Anwendung. Die Gelbbeeren finden in der Färberei nur beſchränkte
Verwendung in der Wollenfärberei und zum Färben von Leder; um ſo be-
deutender iſt ihre Verwendung im Zeugdruck. — Da der Farbſtoff in
der äußeren Fruchthülle liegt, hat ein Zerkleinern oder Mahlen
der Gelbbeeren keinen Sinn
. — Ueber ein Gelbbeeren-Extrakt ſ. Farb-
ſtoffpräparate § 58.


Prüfung und Wertbeſtimmung. Eine Verfälſchung der Gelb-
beeren iſt wohl ausgeſchloſſen, da ſie unzerkleinert gekauft werden. Eine
Wertbeſtimmung des Farbſtoffgehaltes erfolgt durch Probefärben.


§ 38. Quercitron.

Von den vegetabiliſchen gelben Farbſtoffen iſt Quercitron der für die
Färberei am meiſten angewandte. Das Färbematerial kam 1775 nach
Europa; es iſt durch einen hohen Farbſtoffgehalt ausgezeichnet und beſitzt
4 mal ſoviel Färbekraft als Gelbholz, 10 mal ſoviel als Wau.


Abſtammung. Quercitron iſt die von der ſchwarzen Außenrinde be-
freite, geraſpelte oder gemahlene Rinde einiger in Nordamerika heimiſchen,
jetzt auch in Frankreich und Deutſchland wachſenden Eichenarten und zwar:
Quercus tinctoria Willd. und Quercus nigra, ſeltener Quercus digitata
und Qu. trifida, Qu. aquatica, Qu. cinerea.


Handelsſorten. Es kommen 3 Sorten im Handel vor: Phila-
delphia-, New-York- und Baltimore-Quercitron.


Quercitronfarbſtoff. Dieſer wurde zuerſt von Chevreul in
Kryſtallen dargeſtellt, ſpäter von Bolley unterſucht. Er iſt in der Rinde
als Glycoſid enthalten und Quercitrin genannt worden. Seine Formel
iſt C33 H30 O17. Er bildet ſchwefelgelbe Kryſtällchen, welche ſehr ſchwer in
kaltem, etwas leichter in heißem Waſſer, ſehr leicht in Alkohol löslich ſind;
er ſpaltet ſich beim Behandeln mit verdünnten Säuren in Quercetin und
einer Zuckerart (Iſodulcit).


Quercitrin Waſſer Quercetin Iſodulcit


Ganswindt, Färberei. 9
[130]

Quercetin bildet lebhaft gelbe Nadeln oder ein citronengelbes Pulver,
iſt faſt unlöslich in kaltem, ſehr ſchwer löslich in kochendem Waſſer, leichter
in Weingeiſt, ſehr leicht in wäſſerigen Alkalien mit goldgelber Farbe.


Die Frage der Quercitronfarbſtoffe iſt noch nicht abgeſchloſſen. Hlaſi-
wetz
nimmt noch ein Quergelb und Querbraun an. Auch iſt es noch keines-
wegs entſchieden, ob das Quercitrin oder das Quercetin der eigentliche Farb-
ſtoff, oder ob jeder von beiden ein Farbſtoff ſei. Beide ſind citronengelbe
Körper und geben gelbe Färbungen. Manche Quercitronextrakte beſtehen faſt
aus reinem Quercitrin, andere wieder aus faſt reinem Quercetin, wieder
andere aus Gemiſchen beider; alle aber färben gleich gut. Es geht daraus
hervor, 1. daß jeder der beiden Stoffe als Farbſtoff zu betrachten iſt, 2. daß
die Umwandlung in Quercetin nicht nur beim Behandeln mit Säuren, ſon-
dern auch ſchon beim bloßen Eindampfen von Quercitronlöſungen zur Extrakt-
konſiſtenz vor ſich geht. — Die Unklarheit wird noch vermehrt durch das
Vorhandenſein zweier Quercitronpräparate, des Flavins, und eines zweiten,
welches den Namen „Quercetin“ führt. Die Exiſtenz dieſer beiden Präpa-
rate iſt ganz dazu angethan, das Vorhandenſein zweier Farbſtoffe anzu-
nehmen, von denen der eine im Flavin ein ſaurer, der andere im „Quer-
cetin“ enthaltene ein baſiſcher ſein müßte; iſt das nicht richtig, dann wäre
nur ein waſſerlöslicher Farbſtoff anzunehmen, der mit Kaliumſulfat zu
fixieren wäre. Um den Wirrwarr voll zu machen, kommt im Quercitron
noch ein ſehr bedeutender Gehalt an Gerbſäure hinzu. Hier iſt in unſerem
chemiſchen Wiſſen noch eine Lücke. Liebermann weiſt darauf hin, daß
zwiſchen den Farbſtoffen der Gelbbeeren und denen des Quercitrons beſtimmte
Beziehungen zu exiſtieren ſcheinen, da die Spaltungsprodukte in beiden Fällen
dieſelbe Zuckerart Iſodulcit geben und überdies Rhamnetin und Quercetin
in ihren Formeln nahe verwandt ſcheinen:
Rhamnetin C24 H18 O12
Quercetin C24 H16 O11


Anwendung. Wie beim Gelbholz; der Quercitron ſelbſt iſt aber viel-
fach durch ſeine Präparate: Quercitronextrakt, Flavin und Quercetin ver-
drängt worden. Ueber dieſe vgl. Farbſtoffpräparate § 58.


Prüfung und Wertbeſtimmung wie beim Gelbholz.


§ 39. Curcuma.

Abſtammung. Das Farbmaterial Curcuma iſt die Wurzel der zur
Familie der Zingiberaceae gehörigen im tropiſchen Aſien heimiſchen Curcuma
longa L.,
auch Gelbwurz, Gilbwurzel, Turmeric, Terra merita ge-
nannt. Auch Curcuma viridiflora ſoll Curcuma liefern*).


Eigenſchaften. Die Wurzel iſt dicht, ſchwer, hornartig ſpröde, mit
der Hand ſchwer zu zerbrechen, außen graugelb bis braungelb, innen wachs-
glänzend, dunkelgelb bis gelbrot, von eigentümlichem, an Ingwer erinnern-
dem Geruch und bitterem Geſchmack. Sie kommt in zwei Formen in den
Handel, als lange und runde Curcuma. Die erſtere iſt etwa fingerlang,
[131] 8 bis 12 mm dick, walzenrund, undeutlich geringelt; ſie iſt die faſt ſtets im
Handel vorkommende Sorte; die geſchätzteſte Sorte heißt Bengal. Die
runde Form kommt ſeltener in den Handel. Für Färbereizwecke ſind beide
Formen gleich gut verwendbar.


Curcumafarbſtoff. Die Curcumawurzel enthält einen rotgelben
Farbſtoff, das Curcumin, C8 H10 O2. Derſelbe iſt als ſolcher in der Wurzel
enthalten und kann daraus durch ſiedendes Benzol ausgezogen werden. In
reinem Zuſtande bildet es lebhaft orangerote Kryſtalle, welche leicht in
Alkohol, in Aether, ſchwerer in Benzol löslich ſind. In Alkalien löſt es
ſich mit lebhaft rotbrauner Farbe; in der alkoholiſchen Löſung erzeugt Blei-
ſalz einen feurig roten Niederſchlag. Das Curcumin iſt ein ſubſtantiver Farb-
ſtoff, welcher ohne Beizen angeht. Die Färbungen mit Curcumin ſind aber
ſehr unecht, ſie verbleichen ſchnell und werden durch geringen Alkalizuſatz,
alſo auch durch Seife, in ein fahles Braun umgewandelt.


Anwendung. Obgleich die Färbungen mit Curcuma ſehr unecht ſind,
wird dieſes Färbmaterial ſeines billigen Preiſes (20 Pfennige pro Kilo) und
ſeiner einfachen Anwendung wegen (einfache Abkochung mit Waſſer ohne An-
wendung einer Beize) noch vielfach verwendet, ſowohl in der Baumwollen-
färberei, vornehmlich aber in der Wollen- und Seidenfärberei zur Erzeu-
gung zuſammengeſetzter Nüancen (Oliv, Braun).


Prüfung und Wertbeſtimmung fallen hier weg.


§ 40. Wau.

Abſtammung. Wau, auch Färberwau, Gelbkraut, Gilbe ge-
nannt, iſt die ganze, in Deutſchland, Frankreich und England wildwachſende,
zur Familie der Resedaceae gehörende Pflanze Reseda luteola L. Sie
wächſt auf Wieſen und graſigen Anhöhen, hat einen aufrechten, etwa meter-
hohen Stengel, im Kreiſe zuſammenſtehende Wurzelblätter und zerſtreut
ſitzende, ſchmale lanzettförmige, etwas ſtumpfe, glatte, glänzende, unge-
ſtielte Stengelblätter und blaßgelbe, eine lange Aehre bildende Blüten. Nur
der oberirdiſche Teil der Pflanze wird geſammelt.


Handelsſorten. Man unterſcheidet deutſchen, engliſchen und franzö-
ſiſchen Wau, von denen der erſte der beſte iſt.


Eigenſchaft. Das Farbmaterial kommt getrocknet, in Büſchel gebunden,
in den Handel; es ſieht gelb aus, etwas ins Rötliche ſpielend. Die Abkochung
hat eine gelblichgrüne Farbe, einen eigentümlichen, widerlich ſüßen Geruch,
ſchmeckt ſchwach bitter und wird durch Alkalien dunkel goldgelb, durch
Säuren dunkelgelb, durch Metallſalze gelb, durch Eiſenvitriol olivgrün
gefärbt.


Waufarbſtoff. Der Farbſtoff des Wau iſt 1832 von Chevreul
dargeſtellt und Luteolin genannt und ſpäter von Schützenberger unter-
ſucht worden. Es iſt kryſtalliſierbar, läßt ſich ohne Zerſetzung ſublimieren,
und iſt in Waſſer wenig, leichter in Alkohol, Aether und Eſſigſäure löslich.
Kali, Natron und Ammoniak verändern den Farbenton in Grüngelb; ſtarke
Säuren fällen es aus ſeinen Löſungen.


Anwendung. Wau dient vornehmlich in der Seidenfärberei als
ziemlich echter Farbſtoff zum Färben von Gelb, Oliv und Grün, in der
9*
[132] Wollenfärberei zur Erzielung ziemlich echter gelber und olivgelber Töne;
in der Baumwollenfärberei wird Wau weniger gebraucht, da er hier keine
haltbaren Farben gibt.


Wertbeſtimmung. Durch Probefärben.


§ 41. Orlean.

Abſtammung. Das Färbematerial, welches unter dem Namen Orlean,
oder Anatto, Roucon, in den Handel kommt, wird aus der fleiſchigen,
roten, angenehm riechenden, bitter ſchmeckenden Samenſchale (nicht das
Mark der Frucht
, wie einzelne Autoren angeben) des im tropiſchen Amerika
heimiſchen, in Oſtindien kultivierten, zur Familie der Cistiflorae gehörenden
Orleanbaumes, Bixa Orellana L. und Bixa Urucana Willd. gewonnen.
Dieſer iſt ein kleiner Baum mit herzförmigen Blättern und ſchön rötlich
gefärbten Blütentrauben. Man läßt die Maſſe vergären und ſchlämmt den
Farbſtoff mittels Waſſer ab.


Eigenſchaften. Der Orlean bildet einen roten, ſteifen Teig, der aus
den Samenſchalen durch Uebergießen mit Waſſer, Fällen des Farbſtoffes mit
Eſſig, und Sammeln, Erwärmen und Auspreſſen des entſtandenen Nieder-
ſchlages gewonnen wird; er beſitzt butterartige Konſiſtenz und fühlt ſich fettig,
nicht erdig, an; ſeine Farbe iſt ein ſchmutziges Rot, dem Ziegelmehl ähnlich,
außen ſtets matter, als im Innern des Teiges. Er riecht unangenehm nach
verfaultem Urin, weil man ihn mit Harn zu befeuchten pflegt, damit er ſtets
feucht bleibe und ſeine Farbe ſich durch das aus dem faulenden Harn ent-
wickelnde Ammoniak erhöhe; mit Harn nicht behandelter Orlean riecht auch
nicht angenehm, aber nur ſchwach; der ganz friſche riecht nach Möhren.
Auf Papier macht Orlean einen dunkeln Fleck; zwiſchen den Fingern gleitet
er durch, indem ſich nur einige kleinere härtere Körner bemerklich machen.
Orlean darf im Innern weder ſchimmelig, noch ungleichmäßig gefärbt ſein;
bei beginnender Fäulnis wird ſeine Farbe immer heller. — Der Orlean
von Cayenne gilt als der beſte.


Zuſammenſetzung. Guter Orlean enthält durchſchnittlich 6 Prozent
Farbſtoff, 72 Prozent Waſſer, 17 Prozent vegetabiliſche Stoffe, 5 Prozent
Mineralſtoffe; er darf nicht mehr als höchſtens 13 Prozent Aſche hinter-
laſſen. Dagegen hat John gefunden: 28 Prozent unlösliche und 30 Pro-
zent lösliche Farbſtoffe, 32 Prozent Pflanzenſchleim, Extraktivſtoffe und
ca. 20 Prozent Holzfaſer.


Orleanfarbſtoffe. Nach Chevreul finden ſich im Orlean zwei,
nach v. Schröder mehrere Farbſtoffe. Bekannt ſind ein roter Farb-
ſtoff, das Bixin, C28 H34 O5, und ein gelber, das Orellin. Das erſtere,
für die Färberei wichtige, iſt näher bekannt, und bildet in reinem Zuſtande
ein kryſtalliniſches, metalliſch glänzendes, rotes Pulver mit einem Stich ins
Violette. Es iſt unlöslich in Waſſer, ſchwer löslich in kaltem Al-
kohol, leichter in kochendem Alkohol und Chloroform, wenig in Aether,
Benzol und Schwefelkohlenſtoff. Alkaliſche Laugen, Seifenlauge und Lö-
ſungen kohlenſaurer Alkalien löſen es mit gelber Farbe; eine ſolche Lö-
ſung gibt mit Alaun einen dunkelziegelroten, mit Zinnchlorür einen orangen-
roten, mit ſchwefelſaurem Eiſenoxyd einen braunen, mit eſſigſaurem Blei
[133] einen hell ziegelroten, mit Kupfervitriol einen gelblichbraunen Niederſchlag. In
ſtarker Schwefelſäure löſt es ſich mit kornblumenblauer Farbe. Das Orellin
iſt weniger bekannt, es ſoll in Waſſer und Alkohol leicht löslich ſein und
mit Alaun einen gelben Niederſchlag geben.


Anwendung. Orlean wird in alkaliſcher Löſung ohne Anwendung
von Beizen zum Gelb- und Orangefärben, vornehmlich von Seide, gebraucht,
ſeltener unter Anwendung von Thonerdebeizen für Wolle und Baumwolle.
Beſonders gern wird der Orlean für zarte Crêmes und Lachsfarbentöne,
ſowie zum Nüancieren anderer gelber Farben verwendet.


Prüfung und Wertbeſtimmung. Die teigartige Form des Orleans
macht ihn ſehr geeignet für Verfälſchungen, und zwar mit Ziegelmehl, Bolus,
Blutſtein. Derartige Verfälſchungen laſſen ſich durch den unverhältnismäßig
hohen Aſchengehalt nachweiſen, welcher nicht mehr als 13 Prozent
betragen darf
. Die Wertbeſtimmung iſt durch Probefärben aus alkali-
ſchem Bade auszuführen.


§ 42. Gelbſchoten.

Abſtammung. Die Gelbſchoten, Wongſhy, ſind die Früchte der
im ſüdöſtlichen Aſien heimiſchen, zur Familie der Rubiaceae gehörigen chineſi-
ſchen Gelbſchote von Gardenia florida L., Gardenia radicans Thbg. und
Gardenia grandiflora Lour. Sie kamen im Jahre 1848 zum erſtenmal
nach Europa.


Eigenſchaften. Es ſind länglich eirunde Samenkapſeln, mit dem ver-
trockncten ſechslappigen Kelche gekrönt, 3½ bis 5 cm lang, 1 cm dick und
von ungleichmäßiger, rötlichgelber Farbe.


Gelbſchotenfarbſtoff. Sie enthalten einen gelben Farbſtoſt, welcher
nach Mayer mit dem im Safran enthaltenen Crocin identiſch iſt. Der
Farbſtoff iſt nach C. H. Schmidt in warmem Waſſer leicht löslich; im
reinen Zuſtande bildet das Crocin ein lebhaft rotes geruchloſes Pulver; die
Löſung hat die Farbe einer Auflöſung von rotem chromſaurem Kali; es löſt
ſich leicht in Alkalien mit gelber Färbung; beim Kochen mit verdünnten
Säuren ſpaltet es ſich in Zucker und Crocetin. Letzteres iſt ein dunkel-
rotes amorphes Pulver, in Waſſer wenig, in Alkohol leicht löslich; ſeine
Löſungen geben mit Bleizucker einen gelben Niederſchlag.


Anwendung. Crocin iſt ein ſubſtantiver Farbſtoff; Wolle und Seide
werden mittels Wongſhy ohne Beize echt und haltbar gelb gefärbt. Baum-
wolle bedarf der Zinnbeize. Die Farbe widerſteht der Säure, wird aber
durch ſtarke Alkalien, durch Säuren und Zinnſalz ins Rote nüanciert.


Wertbeſtimmung durch Probefärben.


§ 43. Minder wichtige gelbe Farbſtoffe.

1. Ginſter, Färberginſter, Farbblumen, Gilbkraut, gelbe Scharte,
ſind die Blätter, Blüten und jungen Zweige von Genista tinctoria L.,
Genista ovata, Gen. anglica, Gen. sagittalis, Gen. monosperma, Gen.
purgans,
welche teils in Deutſchland, teils in Süd- und Weſteuropa und
[134] Nordafrika wild wachſen. Sie enthalten einen gelben Farbſtoff, welcher genau
wie beim Wau (§ 40) verwendet wird.


2. Scharte, Färberſcharte, ſind die Stengel und Blätter der im nörd-
lichen Europa heimiſchen Serratula tinctoria L. Dieſelben enthalten einen
gelben Farbſtoff, das Serratulin, welches wie beim Wau verwendet wird.
— Beide werden nur noch in Bandfärbereien verwendet.


3. Sooranjee, Morindagelb, die Wurzeln von Morinda citri-
folia
und Morinda umbellata L. Sie enthalten einen in Waſſer leicht lös-
lichen Farbſtoff, das Morindin, welches ſich in Alkalien orangerot löſt.
Das Farbmaterial ſteht dem Krapp nahe und wird auch mit Oelbeize
fixiert.


4. Sauerdorn, Berberitze, die Wurzeln von Berberis vulgaris und
Berberis flexnosa; ſie enthalten einen in kochendem Waſſer ſehr leicht lös-
lichen Farbſtoff, das Berberin, C20 H17 NO4; man benutzt ſie ſtellenweiſe
noch zum Färben von Leder und Seide. Der Farbſtoff findet ſich auch in
vielen anderen Pflanzen, z. B. in der Rinde von Coeloclyne polycarpa DC.,
welche in Weſtafrika zum Färben benutzt wird, und in dem in Indien benutzten
Farbſtoff Woodunpar.


5. Datisca, die Blätter und Wurzeln der im Mittelmeergebiet heimi-
ſchen Datisca cannabina, einer unſerem Hanf ähnlichen Pflanze. Das darin
enthaltene Chromogen iſt nach Ganswindt identiſch mit dem Glycoſid
Datiscin, C21 H22 O12, welches im reinen Zuſtande farbloſe, durchſchimmernde,
weiche ſeidenglänzende Nadeln bildet. Das Datiscin löſt ſich wenig in
Waſſer, leichter aber in alkaliſchen Flüſſigkeiten mit tiefgelber Farbe. Mit
verdünnter Schwefelſäure erwärmt, zerfällt es in Datiscetin und Zucker.
Erſteres, C15 H10 O6, iſt unlöslich in Waſſer, leicht löslich in Alkohol, Aether
und Alkalien. Es iſt der eigentliche Farbſtoff der Datisca. In
Oſtindien wird es viel zum Gelbfärben der Seide gebraucht.


6. Safran, die Narben der Blüten von Crocus sativus L.; dieſelben
enthalten Crocin, den gleichen Farbſtoff, der in den chineſiſchen Gelbſchoten
enthalten iſt.


Außer den genannten bietet die Natur noch eine große Anzahl gelber
Farbſtoffe, von denen mir jedoch nicht bekannt iſt, daß ſie wirklich praktiſche
Verwendung finden. Für die nachſtehenden finden ſich noch vereinzelte
Notizen.


7. Rhabarber, die Wurzel verſchiedener Rheum-Arten; ſie enthält einen
gelben Farbſtoff, Chryſophan, der in Waſſer wenig löslich, in Alkohol
leicht löslich iſt, in Alkalien mit tiefrotbrauner Farbe ſich löſt. Der Farbſtoff
färbt ſowohl ohne Beizen, als auch (nach Grothe) mit Thonerde und
Zinnbeizen Seide gelb, mit Eiſenbeizen olivgrün.


8. Stechpalme, die Blätter von Ilex aquifolium L. Die im Auguſt
geſammelten Blätter enthalten reichlich einen gelben Farbſtoff, das Ilexanthin,
C17 H22 O11, löslich in heißem Waſſer oder Alkohol. Nach Moldenhauer
färbt es mit Hilfe von Beizen gelb.


9. Hirſeſtroh, die ausgedroſchenen Stengel von Panicum miliaceum L.;
ſie enthalten, nach Schlumberger, einen gelben Farbſtoff, der in kaltem
Waſſer unlöslich, in heißem Alkohol löslich iſt. Er ſoll mit Thonerde- und
Zinnbeizen rote, mit Eiſenbeizen ſchwarze Färbungen geben, auch ſoll man damit
[135] Modefarben von Rot bis Violett und Schwarz erzielen können; die Färbungen
ſollen ſehr haltbar ſein.


10. Buchweizenſtroh, das Stroh des Buchweizens, Fagopyrum
esculentum.
Man gewinnt daraus durch Auskochen mit Waſſer und Zuſatz
von Leimlöſung — wodurch Gerbſäure und Extraktivſtoff gefällt wird —
einen gelben Farbſtoff, der mit eſſigſaurer Thonerde beſonders auf Baum-
wolle eine ſchöne echte, dem Quercitron ähnliche Farbe geben ſoll; auch zu
Modefarben, Grün und Oliv ſoll das Material verwendbar ſein.


IV.Grüne Farbſtoffe.

§ 44. Grüne pflanzliche Farbſtoffe.

So freigebig die Natur mit blauen und gelben Farbſtoffen iſt, ſo arm
iſt ſie an wirklichen grünen. Es exiſtiert eigentlich kaum ein nennenswerter
grüner vegetabiliſcher Farbſtoff, und für Färbereizwecke wird ein gelber Farb-
ſtoff entweder durch entſprechende Beizen in grüne Töne übergeführt oder
mit einem blauen Farbſtoffe gemiſcht werden müſſen.


Von den grünen Farbſtoffen, welche die Natur bietet, ſeien hier er-
wähnt:


1. Das Blattgrün, Chlorophyll, der grüne Farbſtoff der Blätter.
Dieſen bietet die Natur in ungeheurer Menge, und es könnte befremden,
daß er noch nicht techniſch verwendet iſt. Dem gegenüber muß hervorgehoben
werden, daß unſere Kenntnis des Chlorophylls noch vor kurzem eine durch-
aus ungenügende war, und daß ſelbſt unſere heutigen Kenntniſſe noch nicht
erſchöpfend genannt werden können, zumal es erſt neuerdings gelungen iſt,
das Chlorophyll als ſolches aus Gras, Blättern u. dergl. zu gewinnen. Nach
Tſchirch findet ſich das Chlorophyll ſtets in Begleitung eines gelben Farb-
ſtoffes, des Xanthophylls, vor; beim Extrahieren des Chlorophylls mittels
Alkohol geht auch das Xanthophyll mit in Löſung, daher derartige Löſungen
ſtets gelbgrün erſcheinen. Erſt neuerdings iſt es Schütz gelungen, das
Chlorophyll vom Xanthophyll zu trennen und reine ſmaragdgrüne
Löſungen
zu erhalten. Dieſe Löſung, im Handel als Schütz’s Chlorophyll
erhältlich, würde unter Umſtänden den Ausgangspunkt für die Anwendung
des Blattgrüns in der Färberei abgeben können. Nach Berzelius iſt das
Blattgrün gegen Licht ganz unbeſtändig. Das mag der Fall ſein, wenn es
zum Färben angewendet wird, ohne durch Beizen auf der Faſer fixiert worden
zu ſein. Wie ſich das Blattgrün, wenn entſprechend fixiert, auf der Faſer
gegen Licht verhält, bleibt erſt noch zu beweiſen. Verſuche in dieſer Richtung
werden darüber Auskunft geben, und ich möchte dazu um ſo mehr raten,
als ſich Zinkbeizen vortrefflich zur Fixierung von Chlorophyll eignen; das
Chlorophyll bildet nämlich mit Zink einen prächtig grünen Farbſtoff, welcher
13,8 Prozent Zinkoxyd enthält und ſich in Alkohol, Aether, Chloroform,
aber nicht in Waſſer löſt. Tſchirch empfiehlt dazu die Kupferverbindung der
Phyllocyaninſäure, eines Derivats des Reinchlorophylls, und bemerkt dabei,
daß die Verbindung von der pflanzlichen Faſer nicht fixiert wird, beſſer von
der tieriſchen.


2. Lokao, Chineſiſchgrün, Chinagrün. Das unter dem Namen
Lokao oder Lukao in den Handel kommende Farbmaterial beſteht aus der
[136] feinpulverigen Abſcheidung aus den Abkochungen der Rinde der in China
heimiſchen Rhamnus chlorophorus und Rhamnus utilis Desc. Wenigſtens
ſcheint er das früher geweſen zu ſein; als die Nachfrage nach Lokao leb-
hafter wurde, hat man zur vollkommeneren Extraktion des Farbſtoffes die
Rinde mit kohlenſaurem Natron unter Zuſatz von etwas Alaunlöſung und
Stehenlaſſen an der Sonne extrahiert.


Eigenſchaften. Der Lokao wird in Geſtalt von mehr oder weniger
länglichen dünnen Blättchen verſendet, von der Stärke des Papiers, von blauer
Farbe mit violettem oder zuweilen grünem Reflex; auf dem Bruche zeigen
ſie bald ein ſchmutziges Graugrün, bald ein dunkles oder violettfarbiges
Blau, auf Papier zerrieben geben ſie einen meergrünen Strich; ſie laſſen ſich
nicht pulvern. Lokao iſt in Waſſer teilweiſe löslich, völlig löslich in Eſſig-
ſäure und in einer konzentrierten Löſung von kohlenſaurem Kali, unlöslich
in Alkohol, Aether und Schwefelkohlenſtoff. Er gibt 21 bis 33 Prozent
Aſche. Auch ganz in Waſſer unlösliche Lokaoſorten kommen in den Handel.
Dieſe ſcheinen durch Extraktion des Farbſtoffes mit Pottaſchelöſung und
nachheriges Fällen mit Alaun dargeſtellt zu ſein; es wären ſomit richtige
Lokaofarblacke. Die Löſungen des Lokao werden durch Aetzalkalien und alka-
liſche Löſungen braun, durch Zink- und Magneſiumſalze blau, durch borſaure
Salze grün, durch Zinnchlorür orange, durch Schwefelammonium purpurrot
gefärbt. — Ueber den Farbſtoff des Lokao hat Kayſer*) die Anſicht aus-
geſprochen, daß derſelbe eine Säure ſei, welche er Lokaonſäure, C42 H48 O27,
nennt, während er den Lokao als den Thonerdekalklack derſelben betrachtet.
Die Lokaonſäure, welche er als ein tiefblaues Pulver beſchreibt, welches ſich
in Ammoniak mit blauer Farbe löſt, ſoll mit Säuren behandelt, ſich ſpalten
in Lokaoſäure, C36 H36 O21 und Lokaoſe, einen inaktiven Zucker von der
Formel C6 H12 O6. — Man wird indeſſen nicht fehlgehen, wenn man den
Farbſtoff als einen Abkömmling des Rhamnins betrachtet, um ſo mehr, da
die alkaliſchen Löſungen desſelben mit den alkaliſchen Löſungen des Rhamne-
tins mehrfache Analogien zeigen und auch, weil die Formel der Lokaonſäure
C36 H36 O21 oder C12 H12 O7 als ein Hydrorhamnetin erſcheint:

Anwendung. Lokao wurde von Köchlin zum Färben von Baum-
wolle und Seide empfohlen, und zwar wird Baumwolle aus alkaliſcher Löſung
(ſchwaches Seifenbad) ohne Beize grün; Seide wird zuvor geſpült und ge-
ſeift, dann in einem ſehr verdünnten Bade, bereitet aus einer Löſung von
Lokao in einer Alaunlöſung, ausgefärbt. Es gibt ein prächtig leuchtendes
Grün, welches auch bei Licht ein reines Grün zeigt. Jetzt iſt es durch die
billigeren und ebenſo feurigen Teerfarben faſt verdrängt worden.


Hieran ſchließt ſich


3. Saftgrün, eine eingedickte Abkochung der unreifen deutſchen Kreuzbeeren
von Rhamnus cathartica L., unter Zuſatz von etwas Alaun und geringen
Mengen von Indigokarminlöſung; ſo entſteht bei fortgeſetztem Abdampfen
ein ſchön grüner Teig, welcher in Rindsblaſen gefüllt (daher auch Blaſen-
grün
genannt), und im Rauche getrocknet wird, wo er ſchließlich zu einer
ſteinharten Maſſe austrocknet. Der Farbſtoff iſt das in den Gelbbeeren ent-
haltene, in Alkohol leicht, in Waſſer faſt gar nicht lösliche Xanthorhamnin.


[137]
V.Braune Farbſtoffe und Gerbſtoffe.

§ 45. Catechu.

Abſtammung. Catechu, auch Pegucatechu, Cachou, Cutch*) ge-
nannt, iſt das Extrakt, d. h. die zur Trockne eingedickte Abkochung ver-
ſchiedener gerbſtoffreicher Pflanzenteile in Oſtaſien heimiſcher Pflanzen. Be-
ſonders vier Sorten liefern das Catechu.


1. Acacia Catechu Willd., in Südaſien heimiſch, zur Familie der
Mimoseae gehörig.


2. Acacia Suma Kurz, in Vorderindien und dem tropiſchen Afrika
heimiſch.


Beide beſitzen ein rotbraunes Kernholz, welches vom Splint befreit,
zerkleinert und dann ausgekocht wird. Das Abſud wird dann ſoweit einge-
dampft, bis es beim Erkalten zu erſtarren beginnt; dann wird der Brei in Thon-
formen oder auf Blätter ausgegoſſen, bisweilen auch auf Matten geſchöpft,
worauf das Extrakt an der Luft und Sonne austrocknet, und in Blöcken,
in Blätter gehüllt, in den Handel kommt.


3. Uncaria Gambir Roxb., zur Familie der Rubiaceae gehörig, in
Hinterindien und Ceylon wildwachſend, auf Borneo und im geſamten Hollän-
diſch-Indien in großartigem Maßſtabe angebaut.


4. Uncaria acida Roxb. Dieſe beiden ſind Sträucher von 2½ bis 3 m
Höhe, deren Blätter und junge Triebe 3 bis 4 mal im Jahre gebrochen
und ſofort in flachen eiſernen Pfannen ausgekocht werden. Nach genügender
Konzentration der Abkochung wird dieſelbe in flache Holzkäſten gegoſſen und
nach genügender Erſtarrung in Würfel geſchnitten oder auch in Blöcke ge-
preßt, welche an der Luft trocknen. Die unter 3 und 4 genannten liefern
das Gambircatechu, auch Gambir oder Katagambe genannt.


Die Angabe der meiſten Autoren, daß auch Areca Catechu, die Areca-
palme, Catechu liefere, iſt falſch; das Extrakt der Arecanuß beſitzt keinen
Gerbſtoff.


Handelsſorten. Streng zu unterſcheiden ſind das Pegucatechu
vom Gambircatechu. — Das erſtere kommt über Bombay und heißt
deshalb auch Bombaycatechu; es bildet unregelmäßige Kuchen oder größere
Blöcke, mit Blättern durchſetzt und in Blätter gehüllt, iſt dunkelſchwarzbraun,
ſtellenweiſe heller, matt oder nur wenig glänzend, faſt ſpröde, undurchſichtig,
mit der Hand leicht in eckige, ſcharfkantige oder körnige Stücke zu zerbrechen,
im Bruch gleichartig, flach oder muſchelförmig, glänzend, bisweilen von
kleinen Hohlräumen durchſetzt, meiſt aber dicht. Das Bengalcatechu bil-
det unregelmäßige, vierſeitige, feſte, ſchwere, graubraune bis dunkelbraune
Stücke; auf dem Bruche laſſen ſich dunkelbraun glänzende und hellbraun
matte Schichten unterſcheiden. — Das Gambircatechu kommt als Block-
gambir
oder Würfelgambir in den Handel. Letzteres bildet 3 bis 4 ccm
große Würfel, außen matt rotbraun, innen gelbbraun, matt, porös, leicht
[138] zerreiblich, erdig, auf Waſſer ſchwimmend; erſteres bildet glatte Kuchen oder
formloſe Stücke und iſt feſter als Würfelgambir.


Eigenſchaften. Mit kaltem Waſſer zerfällt Catechu und bildet eine
trübe dunkelbraune Löſung über einem hellen Bodenſatze; die Flüſſigkeit wird
beim Erwärmen klar. Beim Kochen mit Waſſer löſt ſich der größte Teil
zu einer trüben braunen Flüſſigkeit, welche beim Erkalten ſich noch mehr
trübt. Beim Kochen mit Alkohol löſen ſich 85 Prozent zu einer dunkel-
braunen klaren Löſung. In der wäſſerigen Löſung des Catechus ruft Eiſen-
chlorid einen grünen bis ſchwarzgrünen Niederſchlag hervor, Zinnſalze fällen
die Löſung braungelblich, Bleiſalze ziegelrot, Kupferſalze oder Kaliumbichromat
braun.


Zuſammenſetzung. Der Hauptbeſtandteil des Catechus und zugleich
des Chromogen des Farbſtoffes iſt das Catechin, auch als Catechuſäure,
Tanningenſäure, bezeichnet von der Formel C21 H20 O9 + 5 H2 O. Es
kommt zu 34 bis 36 Prozent fertig gebildet darin vor (Davy) und findet
ſich nicht ſelten an helleren Stellen der Droge kryſtalliniſch vor. In reinem
Zuſtande bildet es farbloſe büſchelige Kryſtallnadeln. Es iſt in heißem Waſſer
und ſehr leicht in Alkohol löslich. Die wäſſerige Löſung reagiert nicht
ſauer und färbt ſich an der Luft citronengelb und beim Kochen dunkelrot;
friſch bereitet, wird ſie durch Eiſenvitriol nicht ſofort verändert, ſpäter
grün gefärbt. Der andere Beſtandteil, 48 bis 52 Prozent des Catechus
ausmachend, iſt die Catechugerbſäure, C13 H12 O5; dieſe iſt in kaltem
Waſſer leicht löslich, und dadurch von dem Catechin zu trennen; die wäſſerige
Löſung reagiert ſauer; durch Eiſenchlorid wird ſie grünlichbraun gefärbt, durch
Leimlöſung gefällt. — Außerdem enthält das Catechu noch 12 bis 16 Pro-
zent Pflanzenſchleim und unlöslichen Rückſtand (Davy).


Anwendung. Das Catechu findet in der Färberei ausgedehnte An-
wendung, ſowohl als Farbſtoff wie als Gerbſtoff, und zwar in der Baum-
wollenfärberei zur Erzeugung brauner, olivfarbener, grüner und ſchwarzer
Töne. Noch bedeutender iſt ſeine Verwendung in der Seidenfärberei zum
Schwarzfärben und Beſchweren. Hierzu werden ganz bedeutende Mengen
verwendet. Endlich dient es zur Herſtellung einiger Catechupräparate:
Präpariertes Catechu, Chemiſchbraun, Havannabraun. Hierüber ſiehe Näheres
unter „Farbſtoffpräparate“.


Prüfung und Wertbeſtimmung. Das Catechu enthält, teils infolge
nachläſſiger Herſtellungsweiſe, teils direkt als Verfälſchungen, Thonerde und
Sand; dieſe bleiben beim Löſen des Catechus ungelöſt als Bodenſatz zurück;
zugemiſchtes getrocknetes Blut iſt beim Filtrieren der heißen wäſſerigen Löſung
auf dem Filter erkennbar, indem das Blutalbumin gerinnt und den Blut-
farbſtoff einhüllt; Gummi und Stärke bleiben als Rückſtand aus der alkali-
ſchen Löſung; aus dieſem Rückſtand löſt heißes Waſſer beide auf, die filtrierte
Löſung gibt bei Gummigehalt auf Zuſatz von Alkohol eine Trübung, bei
Stärke mit Jodtinktur eine blaue Färbung. Etwaige Zuſätze von Rückſtän-
den der Fuchſinfabrikation zeigen ſich ſofort durch die eigentümliche Färbung
der alkoholiſchen Löſung. Auch Kaliumdichromat und Alaun ſollen als Ver-
fälſchungen (zur Erhöhung der dunkleren Farbe) nicht ſelten vorkommen.
Die meiſten dieſer Zuſätze werden auch durch den unverhältnismäßig hohen
Aſchegehalt nachgewieſen. Die Aſche eines guten Catechus darf 6 Pro-
[139] zent nicht überſteigen. — Den Färbewert des Catechus ermittelt man am
beſten durch Probefärben.


§ 46. Kino.

Abſtammung. Das Kino iſt ein dem Catechu ſehr ähnliches Farb-
material, iſt auch, wie jenes, der aus Rindeneinſchnitten ausgefloſſene einge-
dickte Saft verſchiedener Pflanzen und zwar ſtammt:


1. Amboina-Kino von Pterocarpus Maroupium Roxb. (jetzt aus dem
Handel verſchwunden).


2. Bengaliſches Kino von Butea frondosa, B. superba und B. parvi-
flora.


3. Weſtafrikaniſches Kino von Pterocarpus erinaceus.


4. Auſtraliſches Kino von Eucalyptus corymbosa und verſchiedenen
anderen Eucalyptus-Arten.


5. Weſtindiſches Kino von Coccoloba uvifera.


Eigenſchaften. Es ſtellt kleine, unregelmäßige, ſchwarzbraune, eckige,
glänzende, an den Rändern rot durchſcheinende, leicht zerbrechliche, ein braun-
rotes Pulver gebende Stücke vor, welche in heißem Waſſer und in Alkohol
faſt vollſtändig mit blutroter Farbe löslich ſind; es beſitzt keinen Geruch,
aber einen ſtark zuſammenziehenden, hinterher ſüßlichen Geſchmack.


Zuſammenſetzung. Die Hauptbeſtandteile des Kinos ſind das Kinoïn,
C14 H12 O6, farbloſe Prismen, wenig in heißem Waſſer, leicht in Alkohol
löslich, und das Kinorot, C28 H22 O11, welches leicht in Alkohol und
Alkalien löslich iſt und Eiſenſalze grün fällt; beide zuſammen werden in
früheren Werken als Kinogerbſäure bezeichnet und betragen nach Vauquelin
bis zu 85 Prozent des Geſamtgewichts.


Anwendung. Wie beim Catechu. Doch iſt es ein noch wertvolleres
Material als dieſes. Um ſo unbegreiflicher erſcheint es, daß keines von
allen Werken über Färberei das Kino auch nur mit Namen nennt. Nur
Romen erwähnt es, freilich als eine Catechuſorte, was es jedoch weder
ſeiner Herkunft nach, noch nach ſeinem chemiſchen Verhalten ſein kann.


§ 47. Aloë.

Abſtammung und Handelsſorte. Das Handelsprodukt Aloë iſt
der ausgekochte und eingedickte Saft verſchiedener Aloë-Arten. Es kommen
davon eine große Menge Sorten in den Handel, die hier unmöglich be-
ſchrieben werden können. Man wird gut thun, eine gute Kapaloë zu
kaufen.


Eigenſchaften. Eine ſolche ſtellt ſchwarzbraune, glänzende, mehr oder
minder große, harte, ſpröde, leicht zerbrechliche und zerreibliche, an den ſchar-
fen Kanten der Bruchſtücke durchſcheinende, höchſt bitter ſchmeckende und nur
zum Teil in Waſſer lösliche Stücke vor, welche zerrieben ein mattgelbes
Pulver geben.


Anwendung. Die Aloë dient nicht direkt als Farbmaterial, ſondern
nur zur Darſtellung der Chryſaminſäure, eines Oxydationsproduktes der
Aloë, welches ſeinerſeits als Farbmaterial dient und unter Farbſtoffpräparate
näher behandelt iſt.


[140]
§ 48. Braune Rinden- und Fruchtſchalenfarbſtoffe.

Die Rinden mancher unſerer einheimiſchen Bäume liefern in ihren Ab-
kochungen braune Farben, welche in Verbindung mit verſchiedenen Beizen
beachtenswerte Farbtöne liefern. Hierhin zählen die Fichtenrinde,
Birkenrinde, Eichenrinde, Roßkaſtanienrinde, Weidenrinde,
Pappel-, Ahorn- und Platanenrinde
. Alle dieſe Rinden enthalten
farbloſe Chromogene, welche erſt durch Oxydation an der Luft ſich in gelbe,
falbe oder braune Farbſtoffe umſetzen und dementſprechende Töne geben.
Dieſe Chromogene ſind zum großen Teil bekannt als Aesculin, Betulin,
Salicin u. ſ. w., dagegen ſind die daraus entſtandenen Farbſtoffe noch wenig
ſtudiert.


Unter den Rinden unreifer Früchte ſind es beſonders die grünen Frucht-
ſchalen der Walnüſſe
und die ſtachligen Schalen der Roßkaſtanie,
welche in Berührung mit der Luft eine intenſiv braune Farbe geben, welche
ſo charakteriſtiſch iſt, daß ſie direkt als Nußbraun und Kaſtanienbraun be-
zeichnet wird. Dieſe braunen Farbſtoffe gehen an die Faſer direkt an, teils
werden ſie auch als Beizen verwendet. Hellere, reinere braune Töne laſſen
ſich erzielen, wenn man aus den Abkochungen den gleichzeitig reichlich mit
vorhandenen Gerbſtoff zuvor durch Leim fällt.


Die ſämtlichen braunen Pflanzenfarbſtoffe mit Ausnahme der Aloë
bilden den Uebergang von den gelben Farbſtoffen zu den eigentlichen Gerb-
ſtoffen und ſtehen zu dieſen in ganz beſtimmten Beziehungen; gewöhnlich
findet ſich Farbſtoff und Gerbſtoff gleichzeitig vor, und es iſt ziemlich wahr-
ſcheinlich, daß das eine ein Produkt des andern iſt.


§ 49. Gerbſtoffreiche Farbmaterialien.

Alle diejenigen Pflanzen oder Pflanzenteile, welche Gerbſtoff enthalten
— und deren Zahl iſt groß — können auch zu Färbereizwecken dienen.
Alle Gerbſtoffe geben mit Eiſenoxydulſalzen entweder einen grüngrauen oder
einen blaugrauen Niederſchlag, welcher ſich durch weitere Oxydation an der
Luft — was man Vergrünen nennt — in Grünſchwarz oder Blauſchwarz
umſetzt. Die Gerbſtoffe können daher auch als Farbſtoffe angeſehen werden,
und werden in der That auch als ſolche verwendet; häufiger jedoch benutzt
man ſie als Beizen, vielfach auch zum ſog. Abdunkeln, zur Schaffung
einer dunkeln Grundfarbe. Die Anwendung der Gerbſtoffe als Beizmittel,
beſonders für gewiſſe Anilinfarben, beruht auf der Fähigkeit des Gerbſtoffes,
mit dieſen Farblacke zu bilden. Der Wert eines Gerbſtoffes ſowohl als
Farbmaterial, wie zwecks Verwendung zum Beizen, beruht auf ſeinem Ge-
halt an reinem Gerbſtoff. In Muspratts Techniſcher Chemie, Bd. III,
S. 118, findet ſich eine ſehr ausführliche Tabelle über den Gehalt der einzel-
nen gerbſtoffhaltigen Materialien an Gerbſtoff, welcher die für unſere Zwecke
wünſchenswerten Angaben entnommen ſind.


[141]

Die große Anzahl anderer gerbſtoffhaltiger Materialien können wir hier
füglich übergehen, da ſie in der Färberei keine Verwendung finden. Letzteres
iſt zu beklagen, da wir in unſerer Heimat mehr gerbſtoffhaltige Materialien
beſitzen, welche den in der Färberei faſt durchgehends verwendeten Sumach
an Gerbſtoffwert ganz bedeutend übertreffen und billiger ſein würden. Ich
möchte die praktiſche Anwendung dieſer Gerbſtoffe in der Färberei aufs
wärmſte empfehlen. Es ſind das:


  • Friſche Tormentillwurzel mit ... 43 — 46 Prozent Gerbſtoff,
  • Erlenrinde mit ........ 36 „ „
  • Aprikoſenbaum mit ...... 32 „ „
  • Friſche Polygonum bistorta im Sommer 26 „ „
  • Kirſchbaum ......... 24 „ „

Der Sumach dagegen iſt ein Gerbſtoffmaterial von nur untergeordne-
tem Wert, und verdankt ſeine allgemein verbreitete Verwendung lediglich einer
gewiſſen Gewöhnung, einer gewiſſen Heiligſprechung und einer Art Ver-
mächtnis vom Vater auf den Sohn, vom Meiſter auf den Lehrbuben.


Die Wertbeſtimmung der gerbſtoffhaltigen Farbwaren bezweckt die
Ausfindigmachung des Gehaltes an reinem Gerbſtoff. Hier können nur
chemiſche Methoden Platz greifen; Probefärben iſt unthunlich. Die chemiſchen
Methoden der Gerbſtoffbeſtimmung ſind jedoch für den in der Analyſe min-
der Bewanderten zu kompliziert. Deshalb wird es allemal notwendig ſein,
mit der Analyſe einen Chemiker zu betrauen, ſo daß ich von einer Beſchrei-
bung der beiden am meiſten angewandten Methoden, der von Hammer
und der von Löwenthal, hier wohl abſehen kann.


§ 50. Galläpfel.

Herkunft. Die Galläpfel ſind abnorme Auswüchſe auf den Blättern und
Zweigen mehrerer Eichenarten. Dieſe Auswüchſe entſtehen nicht durch den
Stich gewiſſer Weſpenarten
— wie noch bis vor kurzem allgemein an-
genommen wurde —, ſondern durch den Reiz, den das von der Gallweſpe
gelegte Ei auf die nächſten Zellen ſeiner Umgebung ausübt (Beyerinck).
Wahrſcheinlich iſt eine von dem an der Pflanze ſich entwickelnden Organis-
mus abgeſonderte Flüſſigkeit die direkte Veranlaſſung des abnormen Wachs-
tums der Zellen in der Nähe ſolcher Eier, wie auch des abnormen Zuſtrö-
mens nährſtoffhaltiger Säfte in dieſe Neubildungen. Das Ei der Gall-
weſpe iſt alſo ein Schmarotzer, um welchen herum die Pflanze eine geräumige
ſichere Wohnung aufführt. Die Tiere, deren Eier alſo die Veranlaſſung
zur Gallenbildung ſind, gehören den verſchiedenartigſten Gattungen von Tie-
ren an. Die auf den Eichen beobachteten Eier ſtammen von Cynips tinc-
toria,
der Färbergallweſpe Cynips lignicola und Cynips hungarica; und
die Eichenarten, welche uns die meiſten und beſten Gallen liefern, ſind:
[142]Quercus infectoria Oliv., Qu. pedunculata Ehrh., Qu. sessiliflora Sw., Qu.
pubescens Willd, Qu. lenis.
Die chineſiſchen Gallen aber finden ſich
auf den in China heimiſchen Rhus semialata und Rhus javanica durch die
Eier von Aphis chinensis.


Handelsſorten und Eigenſchaften. Es ſollen hier nur diejenigen
Gallen erwähnt werden, welche innerhalb der Färbereitechnik Anwendung
finden. 1. Aleppogallen, türkiſche oder levantiner Gallen. Kugelige oder
birnförmige Körper bis zu 2,5 cm Durchmeſſer, auf der Oberfläche glatt oder
höckerig oder faltig, graugelblich bis ſchwarzgrün, und von ſolcher Härte, daß
ſie unter dem Hammer in ſcharfkantige Stücke zerſpringen. Die Galle ſoll
nicht durchbohrt ſein, d. h. das aus dem Ei entſchlüpfte Inſekt ſoll ſich kein
Schlupfloch gebildet haben, durch welches es die Galle verlaſſen hat; das
Inſekt ſoll ſich vielmehr in verſchiedenen Stadien der Entwickelung in der Galle
noch vorfinden. Die beſten heißen Jerligallen. Sie enthalten bis zu
70 Prozent Gallusgerbſäure C14 H10 O9, 3 Prozent Gallusſäure, 3 Prozent
Zucker, 2 Prozent Ellagſäure und ätheriſches Oel, 2 Prozent Stärke.
2. Oeſterreichiſche oder deutſche Gallen ſind den vorigen ähnlich, von
gleicher Größe, rund, zuweilen mit Höckern, aber mehr rotbraun und innen
ſchwammig; ſie enthalten 25 bis 30 Prozent Gallusgerbſäure. 3. Chine-
ſiſche-Gallen
. Dieſe weichen in der Form von gewöhnlichen Galläpfeln
völlig ab und bilden längliche oder flach rundliche, unregelmäßige, mit mehre-
ren ſtark hervorragenden Ecken verſehene, hellgraue bis rötlichgraue, weich,
faſt ſammetartig ſich anfühlende, übrigens ſpröde, hornartige, innen ganz
hohle, in der Wandung etwa 3 mm dicke Gebilde; ſie enthalten bis zu
75 Prozent Gallusgerbſäure und ſind deshalb die geſchätzteſten. 4. Baſſora-
gallen
, durch Cynips insana auf Quercus tinctoria W. im Orient er-
zeugt, kommen in zerkleinertem Zuſtande unter dem Namen Rove in den
Handel. Sie enthalten 27 Prozent Gerbſtoff und dienen in ihrer Heimat
zum Färben des Adrianopelrot.


§ 51. Knoppern.

Unter den Namen Knoppern kommen zwei weſentlich verſchiedene Drogen
in den Handel und zwar:


1. Echte Knoppern, natürliche Knoppern, Valonien, Ackerdoppen,
Eckerdoppen, orientaliſche Knoppern; dieſes ſind die Fruchtbecher der morgen-
ländiſchen Knopperneiche, Quercus Aegilops, und der Ziegenbarteiche, Quercus
Valonea,
und der auf den griechiſchen Inſeln und in Kleinaſien vorkommen-
den Valonia camata; es ſind dies alſo keine Auswüchſe oder Gallen, ſon-
dern die harten, bis 5 cm im Durchmeſſer haltenden becherförmigen Kelche,
in welchen die Eicheln ſitzen. Sie kommen teils mit, teils ohne Eicheln
vor; letztere ſind geſchätzter. Der Gerbſtoffgehalt wird von verſchiedenen
Autoren zu 19 bis 45 Prozent angegeben. Kommen aus Südoſteuropa
und Kleinaſien.


2. Franzöſiſche Knoppern, franzöſiſche Galläpfel, unnatürliche
Knoppern; gallenähnliche Gebilde an nur jungen Früchten der Stieleiche,
Quercus pedunculata, und der occidentaliſchen Knopperneiche, Quercus Cerris.
Sie umgeben die Eichel meiſt nur auf einer Seite, ſeltener ganz, ſind flach
gedrückte, unförmlich eckige, beinahe ſtachelichte, feſte und weiß bräunliche Stücke
[143] bis Walnußgröße. Dieſe kommen meiſt aus Ungarn, Mähren, Slavonien,
Steiermark. Ihr Farbſtoffgehalt beträgt bis zu 45 Prozent, und ſoll, nach
Löwe, mit dem der Gallen identiſch ſein.


§ 52. Sumach.

Abſtammung und Handelsſorten. Sumach, Schmack, iſt ein
gerbſtoffreiches Farbmaterial, beſtehend aus den jüngern Zweigen, Blättern
und Blütenſtielen mehrerer in Südeuropa heimiſcher Pflanzen; dieſe kommen
zerkleinert, oder gemahlen, als grünlichgraues Pulver in den Handel. Im
Handel kommen mehrere Sorten vor, welche wir in der Reihenfolge, wie ſie
im Handel geſchätzt werden, hier folgen laſſen:


1. Sicilianiſcher Sumach von Rhus coriaria; man unterſcheidet eine
grünlichgelbe prima und eine roſtgelbe secunda Ware.


2. Italieniſcher Sumach, gleichfalls von Rhus coriaria ſtammend; ein
ſchmutzig grünliches Pulver von geringerem Gerbſtoffgehalt.


3. Spaniſcher Sumach von Rhus coriaria und Rhus typhinum; man
unterſcheidet Malaga, den beſten, und zwei mindergeſchätzte: Malina und
Vallodolid.


4. Tiroler Sumach von Rhus cotinus, alſo von derſelben Pflanze,
von der das Fiſetholz ſtammt; riecht ähnlich wie Eichenrinde.


5. Franzöſiſcher Sumach von Coriaria myrtifolia; hiervon vier Quali-
täten, davon die beiden beſten Fauvis und Donzére.


6. Arabiſcher Sumach von Rhus pentaphyllum.


7. Amerikaniſcher Sumach von Rhus canadense und Rhus glabrum.


8. Schwediſcher Sumach von Arbutus uva ursi.


Die geſchätzteſte Sorte von allen iſt der ſicilianiſche Sumach.


Zuſammenſetzung. Der Hauptbeſtandteil des Sumachs iſt die Sumach-
gerbſäure, welche mit der Gallusgerbſäure nicht identiſch iſt. Sie enthält
davon 12 bis 17 Prozent (amerikaniſcher ſoll bis zu 28 Prozent enthalten);
alſo viel weniger als die Galläpfel und die Knoppern. Der Sumach
iſt überhaupt, im Vergleich mit den andern gerbſtoffhaltigen Materialien,
wie ſchon in § 49 auseinandergeſetzt wurde, eine minderwertige Droge und
es muß Wunder nehmen, daß er immer noch ſoviel gebraucht wird. Neben
der Sumachgerbſäure findet ſich im Sumach noch ein gelber Farbſtoff, der
ſich mit dem Gerbſtoff gleichzeitig auf der Faſer niederſchlägt; dieſer Farb-
ſtoff iſt noch nicht näher unterſucht.


Anwendung. Zur Erzeugung grauer und ſchwarzer Farben, ſowie
als Beſchwerungsmittel vornehmlich in der Seidenfärberei. Als Beize und
als Fixiermittel beſonders in der Baumwollenfärberei und Türkiſchrotfärberei.
Ferner dient er zur Erzeugung des „Schmackextrakts“. Hierüber ſiehe
Farbſtoffpräparate.


Prüfung und Wertbeſtimmung. Guter Sumach muß friſch trocken
und ſchön grün von Farbe ſein; weißlich, grau oder braun ausſehender iſt
zu beanſtanden. Die pulverige Form des Sumachs iſt eine Quelle von
Verfälſchungen, als welche Sand, Kreide, Gyps und die Pulver anderer
wertloſer Blätter gelten. Die Beſtimmung des Gerbſtoffgehalts hat durch
Analyſe zu erfolgen; annähernd kann ſie auch durch Probefärben ermittelt
werden.


[144]
§ 53. Andere gerbſtoffhaltige Farbmaterialien.

1. Dividivi, Libidibi, Samak, ſind die Hülſen der in Süd- und
Mittelamerika heimiſchen Caesalpinia coriaria Willd., eines 4 bis 5 m
hohen Strauches; ſie ſind 10 cm lang, S- oder ſchneckenförmig eingerollt
und dann nur 1,5 bis 3 cm lang, flach, außen etwas rauh, glänzend
kaſtanienbraun. Sie enthalten 30 bis 50 Prozent Gerbſäure, welche nach
Löwe Ellagengerbſäure ſein ſoll; ſehr bemerkenswertes Material. Wird zu
grauen Modefarben und Steinfarben, ſowie in der Türkiſchrotfärberei und
zur Bereitung eines Extraktes angewendet.


2. Bablah, indiſcher Gallus, die Hülſen der in Oſtindien heimiſchen
Acacia Bambolah Roxb., A. cineraria, A. nilotica, A. arabica und A. So-
phora.
Sie ſind braun, glatt, feinfilzig, und enthalten 20 Prozent Gerb-
ſtoff, 4 Prozent Gallusſäure, roten Farbſtoff, Harze, Salze ꝛc. Wird für
graue und fleiſchfarbene Modefarben verwendet.


3. Myrobalanen; die birnförmigen bis dattelförmigen Früchte der
in Oſtindien heimiſchen Terminalia citrina, T. Bellirica und T. Chebula,
5 cm
lang, 2,5 cm dick, grauſchwarz, ſehr hart, bitter ſchmeckend. Sie ent-
halten bis zu 45 Prozent Gerbſtoff, welcher mit der Ellagengerbſäure iden-
tiſch ſein ſoll; auch ſollen ſie freie Gallusſäure enthalten.


4. Nußſchalen und Kaſtanienſchalen ſiehe § 48.


5. Fichtenrinde mit 5 — 15 Prozent Gerbſtoff,
Tannenrinde „ 4 — 8 „ „
Erlenrinde „ 3 — 5 „ „ (von Alnus incana)
Hemlockrinde
Ulmenrinde „ 3 — 4 „ „
Roßkaſtanienrinde „ 2 „ „
Buchenrinde „ 2 „ „
Weidenrinde „ 6 — 16 „ „

werden gleichfalls vereinzelt zum Färben verwendet. Neuerdings auch


6. Rotes Quebrachoholz von Loxopterygium Lorentzii oder Aspi-
dosperma Quebracho Schlecht.
mit 16 bis 19 Prozent Gerbſtoff.


7. Die Wurzeln der weißen und gelben Seeroſen, Nymphaea
alba
und Nuphar luteum, welche Gerbſäure, Gallusſäure und einen gelben
Farbſtoff enthalten; die Seeroſe wurde früher mehr als jetzt zum Grau-
und Schwarzfärben angewendet.


8. Algarobilla, die Samenhülſen der in Chile heimiſchen Balsamo-
carpon brevifolium Clos.,
ſie ſind bis 5 cm lang und 1½ cm breit. Der
Gerbſtoffgehalt beträgt 50 bis 80 Prozent, ohne den Gehalt an Ellagſäure;
der erſtere iſt aber ſtark braun gefärbt, weshalb die Verwendung in der
Färberei nur eine beſchränkte iſt.


Von den vorbenannten Gerbſtoffen werden einige auch zu Extrakten,
ſowie zu Präparaten: Knoppernextrakt, Kaſtanienextrakt, Neucatechu, Seiden-
grund u. ſ. w. verwendet. Ueber dieſe vergl. unter „Farbſtoffpräparate“.


[145]
§ 54. Mineraliſche Farbſtoffe.

Unter mineraliſchen Farbſtoffen ſind diejenigen gefärbten anorganiſchen
Verbindungen zu verſtehen, welche zur Färbung von Gewebefaſern verwendet
werden. Da von den in Waſſer löslichen anorganiſchen Verbindungen keine
mit einer Gewebefaſer eine Verbindung eingeht, alſo auch nicht darauf fixiert
werden kann, ſo folgt daraus, daß die mineraliſchen Farbſtoffe ſämtlich unlöslich
ſein müſſen. Da aber ein unlöslicher Körper von den Gewebefaſern nicht
aufgenommen wird, ein nur mechaniſch befeſtigter aber von ſelbſt abfallen
oder ſich abreiben würde, ſo hat man zur Erzeugung von Mineralfarben
auf Geſpinnſtfaſern einen Umweg eingeſchlagen, indem man denſelben in den
Faſerelementen ſelbſt erzeugt
. Zu dem Zwecke läßt man von zwei
Löſungen, welche bei ihrem Zuſammenbringen oder Aufeinanderwirken den
unlöslichen Farbſtoff als Niederſchlag erzeugen, zunächſt die eine auf die
Gewebefaſer wirken; dann wird, ohne zu ſpülen, getrocknet, und dann in
die zweite Löſung eingegangen, worauf ſich der Farbſtoff im Innern der
Faſer unlöslich ablagert. Auf ſolche Weiſe wird das Eiſenroſtbraun,
das Chromorange und Chromgelb, das Berlinerblau u. dergl. auf
der Faſer ſelbſt erzeugt. Die genannten Farben können als ſolche nicht
verwendet und brauchen daher an dieſer Stelle nicht betrachtet zu werden.


2. Farbſtoffpräparate.


§. 55. Allgemeines.

Der Umſtand, daß der größte Teil der bisher betrachteten natürlichen
Farbmaterialien den eigentlichen Farbſtoff nur in verhältnismäßig geringen
Mengen enthält, und daß außer dem Farbſtoffe noch eine Menge anderer,
teils gleichgültiger, teils aber auch ſtörender, mindeſtens aber auch die Farb-
ſtofflöſung aufſaugender und zurückhaltender Stoffe beim Färben mit ſolchen
Rohmaterialien vorhanden ſind, daß ferner dieſe Rohmaterialien mehr oder
minder leicht dem Verderben und der teilweiſen oder völligen Zerſtörung
des Farbſtoffs bei längerer Aufbewahrung ausgeſetzt ſind, ſowie, daß endlich
die Magazinierung ſolcher Waren große Räume nötig macht, auch ver-
hältnismäßig hohe Transportſpeſen verurſacht, — alle dieſe Thatſachen haben
dahin geführt, die Farbſtoffe der Rohmaterialien in konzentrierterer Form,
teils ſogar in reiner Form, aus jenen Rohmaterialien herzuſtellen. Dieſes
Beſtreben hat eine Zahl von Präparaten gezeitigt, welche jene Uebelſtände
zum größten Teil vermeiden und, wenn ſie auch meiſt noch nicht die Farb-
ſtoffe als ſolche repräſentieren, ſo doch eine Form darſtellen, welcher ein
hoher Prozentgehalt des Farbſtoffes zukommt.


Der große Vorteil, den ſolche Präparate gewähren, wenn ſie rein und
unverfälſcht ſind, liegt auf der Hand; leider aber geht mit dem Vorteil auch
die leichte Möglichkeit der Verfälſchung Hand in Hand, welche hier durch
den Augenſchein gar nicht, und durch chemiſche Analyſen nur ſchwierig nach-
gewieſen werden kann.


Die Formen, in denen ſolche Farbſtoffpräparate in den Handel kommen,
ſind: Extrakte und Pulver.


Ganswindt, Färberei. 10
[146]

Die Extrakte ſind dickflüſſige bis zähe feſte Körper, und werden ge-
wonnen durch wiederholtes Auskochen des zerkleinerten rohen Farbmaterials
mit Waſſer entweder in offenen Gefäßen oder unter Dampfdruck, ſolange
noch Farbſtoff ausgezogen wird, Abſetzenlaſſen und Durchſeihen der Brühen
und ſchließliches Eindampfen in großen Keſſeln oder Pfannen bis zur Extrakt-
dicke. In den letzten Jahren hat auch das in der Rübenzuckerfabrikation
gebräuchliche Diffuſionsverfahren mit Erfolg Verwendung gefunden. Das
Eindicken zur Extraktkonſiſtenz geſchieht unter Zuführung möglichſt großer
Wärmemengen und unter fleißiger Ableitung der gebildeten Waſſerdämpfe in
beſonders konſtruierten Apparaten und möglichſt ſchnell, um eine Berührung
der Farbſtofflöſung mit der Luft thunlichſt zu vermeiden; beſonders luft-
empfindliche Extrakte müſſen im Vacuum abgedampft werden. Ein ſolches
Extrakt löſt ſich in warmem Waſſer leicht auf und die Löſung hat dann den
gleichen Wert, reſp. die gleichen Eigenſchaften, wie eine Abkochung des
urſprünglichen Rohmaterials. Meiſt ſind es die Farbhölzer und die Gerb-
ſtoffe, welche in dieſer Form in den Handel kommen. Die Fabrikation ſol-
cher Extrakte liegt in den Händen von Fabrikanten, die die Fabrikation ſol-
cher Farb- und Gerbſtoffextrakte als Spezialität betreiben. Daß derartige
Extrakte nicht nur den Farbſtoff, ſondern auch alle ſonſtigen in Waſſer
löslichen Beſtandteile des Rohmaterials enthalten müſſen, liegt auf der Hand;
es darf daher nicht die Meinung Platz greifen, daß ſolche Extrakte etwa
konzentrierte Löſungen lediglich des betreffenden Farbſtoffes ſeien. Eine
Prüfung und Wertbeſtimmung iſt hier um ſo mehr geboten, da die
Extraktform der Fälſchung direkt Thür und Thor öffnet; es ſei denn, daß
der Käufer ſich auf die Rechtſchaffenheit des Lieferanten unbedingt verlaſſen
kann. Wo das nicht der Fall iſt, ſollte allemal ein Probefärben ſtatt-
finden. Als Vergleichsobjekt müßte man dazu Ausfärbungen mit einem
garantiert reinen Extrakte haben; dieſe Normalausfärbungen müſſen mit
einer Löſung von beſtimmtem Extraktgehalte (z. B. 5 g Extrakt auf 100 g
Waſſer) hergeſtellt ſein. Beim Probefärben muß dann dasſelbe Verhältnis
mit dem zu prüfenden Extrakt eingehalten werden.


Die Farbſtoffpräparate in Pulverform nähern ſich bereits dem
Ideal des reinen Farbſtoffs. Sie ſind meiſt keine eingedickten Auszüge,
vielmehr richtet ſich bei ihrer Darſtellung das Hauptaugenmerk darauf, die
den Farbſtoff begleitenden anderweiten Stoffe des Rohmaterials durch Aus-
fällen oder auf andere Weiſe zu beſeitigen und ſo den eigentlichen Farbſtoff
thunlichſt zu iſolieren, oder, wo das nicht geht, den Farbſtoff ſelber mit
Hilfe chemiſcher Löſungsmittel geſondert zu löſen, oder ihn zu fällen, oder
in eine anderweite chemiſche Verbindung überzuführen, aus welcher er, von
den acceſſoriſchen Beſtandteilen befreit, leicht verwendbar gemacht werden
kann. Derartige Präparate ſind der Fälſchung minder unterworfen.


Bei der Aufzählung und Beſchreibung der nachfolgenden Präparate
werde ich dieſelben lediglich nach ihren Farben einteilen.


§ 56. Rote Farbſtoffpräparate.

1. Cochenillepräparate. Es kommen zwei Präparate in den
Handel:


a)Ammoniakcochenille, Cochenille ammoniacal; man läßt 5 Teile
fein gemahlene Cochenille mit 15 Teilen Salmiakgeiſt unter öfterem Durch-
[147] ſchütteln an einem lauwarmen Orte ſtehen, fügt dann 2 Teile Thonerde
hinzu und dampft vorſichtig in einer Porzellanſchale ſolange ein, bis der
Geruch nach Ammoniak verſchwunden iſt. Dieſes Präparat enthält den Farb-
ſtoff in leicht löslicher Form und kommt entweder in Breiform (en pâte)
oder in kleinen Täfelchen (en tablettes) in den Handel.


b)Cochenillelack. a) Groſeillelack, Karminlack. Man kocht 3 Teile
gepulverte Cochenille mit Waſſer aus, und fällt die vereinigten Abkochungen
mit 1 Teil ſchwefelſaurer Thonerde und 1 Teil Weinſtein. — b) Ponceau-
lack. Man kocht 6 Teile Cochenille mit Waſſer aus und fällt die Ab-
kochung mit 3 Teilen kryſtalliſiertem Zinnchlorür und 2 Teilen Weinſtein.


2. Rotholzextrakte. Dieſe werden durch das Diffuſionsverfahren
aus den verſchiedenen Rothölzern gewonnen. In den Handel kommen drei
Sorten: ein flüſſiges Extrakt von 20° B., ein flüſſiges von 30° B. und
ein feſtes. Ein Kilogramm des trockenen Extrakts entſpricht durchſchnittlich
12 kg Rotholz; nach Romen dagegen ſchwankt die Färbekraft des Rotholz-
extraktes zwiſchen dem Vier- bis Fünffachen des Gewichts des Holzes. Die
Rotholzextrakte kommen bisweilen mit arſenſaurer Thonerde oder mit Zinn-
beize verſetzt in den Handel. Solche Extrakte ſind nicht gerade zu verwer-
fen, aber ihre Verwendung iſt durch dieſe Zuſätze eine beſchränkte; mindeſtens
müßte ſich der Färber vor ſeiner Verwendung, noch beſſer beim Einkauf,
vergewiſſern, ob er ein reines Rotholzextrakt oder ein mit Zuſätzen verſehe-
nes Extrakt kauft.


3. Krapppräparate. Als der Krapp noch ein Farbmaterial erſten
Ranges war, gab es eine ganze Anzahl von Präparaten; von dieſen haben
heutzutage nur noch folgende ein nennenswertes Intereſſe:


a)Garancin oder Krappkohle iſt ein ſchwarzes Pulver von vier
bis ſechsmal größerer Färbekraft als der Krapp. Zur Bereitung desſelben
wird der zerkleinerte Krapp zunächſt mit verdünnter Schwefelſäure (1 Teil
Schwefelſäure, 2 Teile Waſſer) einige Zeit bei gelinder Wärme behandelt,
wodurch die Glycoſide des Krapps zerſetzt werden; die Flüſſigkeit wird da-
durch zuckerhaltig und kann nach dem Ablaufen auf Krappſpiritus ver-
arbeitet werden. Der Rückſtand wird dann mit konzentrierter Schwefel-
ſäure erwärmt, wodurch die holzigen Anteile und andere organiſche Sub-
ſtanzen zum Teil zerſtört, und der Reſt der Glycoſide, ſowie die Kalklacke
geſpalten reſp. zerſetzt werden. Das Ganze wird in Waſſer gegoſſen, der
Niederſchlag geſammelt, mit Waſſer gut ausgewaſchen und getrocknet. Das
Garancin enthält die Krappfarbſtoffe in leicht löslicher Form; die Ausbeute
beträgt 34 bis 37 Prozent. — Die Vorteile, welche die Verwendung des
Garancins gegenüber dem Krapp bieten, ſind nicht zu unterſchätzen; nichts-
deſtoweniger müſſen ſie als unweſentlich gelten im Hinblick auf die noch viel
größern Vorteile, welche die Verwendung künſtlichen Alizarins bietet.


b)Krappblumen; dieſe werden durch Gären des gemahlenen Krapps
gewonnen, indem man dieſen in Kufen mit warmem Waſſer, welches mit
wenig Schwefelſäure ſchwach angeſäuert iſt, mehrere Tage ſtehen läßt, dann
die Flüſſigkeit abfiltriert und den Rückſtand abpreßt und trocknet. Die
Krappblumen werden wie der Krapp angewendet, beſitzen aber den Vorzug,
daß man damit bei niedrigerer Temperatur färben kann, ohne daß das
Bad an Färbevermögen einbüßt, und daß ſie ſchönere, reinere violette Farben
geben als roher Krapp. 100 Teile Krapp geben 55 bis 60 Prozent Krapp-
blumen.


10*
[148]

c)Garanceux iſt ein bröckliger, halbfeuchter Preßkuchen, aus geringen
Krappſorten und den Rückſtänden des Krappfärbeprozeſſes durch Behandeln
mit Schwefelſäure gewonnen. Es iſt ein dem Garancin naheſtehendes Prä-
parat, beſitzt aber nur das doppelte Färbevermögen wie der Krapp ſelber.


d)Krappextrakt. Es kommen zwei Krappextrakte in den Handel:
α) Colorin, das alkoholiſche und zur Trockne eingedampfte Extrakt des
Garancins; es beſteht weſentlich aus Alizarin, mit Purpurin, Fett und ande-
ren in Weingeiſt löslichen Beſtandteilen des Krapps verunreinigt, und bildet
eine ockerfarbige Maſſe. β) Alizarin tinctorial, Färberalizarin,
von Kopp aus dem Garancin durch Deſtillation mit überhitzten Waſſer-
dämpfen, oder aus dem Krapp ſelber durch Extraktion mit einer wäſſerigen
Löſung von ſchwefliger Säure bereitet und als Alizarin verte und Alizarin
jaune
unterſchieden. Dieſe Koppſchen Präparate ſind bereits die reinen
Farbſtoffe des Krapps und verdienen den Namen „Extrakt“ nicht mehr.
Durch Behandeln mit ſchwefliger Säure hat Kopp aus 100 Teilen gutem
Krapp erhalten: 1,15 Prozent Purpurin, 2,5 Prozent grünes Alizarin
(reines Alizarin mit einem grünen Harz verunreinigt), 0,32 Prozent gelbes
Alizarin (die beiden letzteren mit dem 32 bis 36fachen Färbevermögen des
Krapps; das Purpurin mit dem 10fachen Färbevermögen) und 39 Pro-
zent Krappblumen. γ) Azale, ein Extrakt, bereitet durch Extrahieren
der Krappblumen durch ſiedenden Holzgeiſt, Filtrieren des Auszuges und
Fällen desſelben mit Waſſer. Azale in ein gelbliches Pulver, welches wohl
nur aus rohem Alizarin beſteht. δ) Pincoffin, Alizarin commercial,
iſt eine beſondere Art Garancin und kommt in Form eines chokoladebrau-
nen Pulvers in den Handel. Das Färbevermögen ſoll geringer ſein, als
beim Garancin, dagegen ſollen die damit erzeugten Violetts von höherem
Glanz ſein, als die mit Krapp erzielten.


e)Krapplack. Zur Bereitung kocht man 5 Teile Garancin mit
1 bis 2½ Teilen Alaun und 100 Teilen Waſſer aus, filtriert ſchnell und
fällt das Filtrat mit Soda oder Pottaſche mit oder ohne Zuſatz eines Zinn-
ſalzes. Schöne Niederſchläge von großer Echtheit, welche noch bisweilen im
Zeugdruck Verwendung finden.


Mit Ausnahme des Garancins, welches noch viel gebraucht wird,
ſind die übrigen durch das künſtliche Alizarin und Purpurin faſt vollſtändig
verdrängt worden.


4. Safflorpräparate. Die Safflorpräparate ſind durchgehends
mehr oder minder reines Karthamin und die Handelsbezeichnungen Safflor-
extrakt, Safflorkarmin, Safflorrot, Tellerrot bezeichnen eigentlich nur ver-
ſchiedene Konzentrationsgrade der Löſung des Safflorfarbſtoffes. Der Reindar-
ſtellung des Safflorrots hat die Entfernung des Safflorgelbs vorauszugehen.
Dies geſchieht durch wiederholtes Einweichen des Safflors in kaltem Waſſer
unter häufigem Umrühren und Ablaſſen des Waſſers ſolange, bis dasſelbe
farblos abläuft. Dann wird der Safflor ausgepreßt und mit einer 15pro-
zentigen Sodalöſung in der gleichen Weiſe ausgezogen, welche den Safflor-
farbſtoff vollſtändig auflöſt. Aus der abgepreßten und filtrierten roten Flüſ-
ſigkeit ſchlägt Baumwolle nach zuvoriger beinahe vollſtändiger Neutraliſation
mit Eſſigſäure, Weinſäure oder Citronenſäure den Farbſtoff vollſtändig auf
ſich nieder. Von der Baumwolle wird der Farbſtoff durch eine neue 5pro-
zentige Sodalöſung abgezogen und aus der ſo erhaltenen dunkelgelbroten
Flüſſigkeit durch Ueberſättigung mit Citronenſäure das Karthamin in Flocken
[149] abgeſchieden. Man läßt abſetzen und gießt die über dem gebildeten roten
flockigen Niederſchlage ſtehende Flüſſigkeit ab; es reſultiert ein dickflüſſiger
roter Schlamm. Dieſer Schlamm, in Flaſchen gefüllt, iſt das in der Färbe-
rei verwendete Safflorextrakt. Es hat einen ſehr hohen Preis, iſt aber
von großer Ausgiebigkeit und Färbekraft. Die Flaſchen müſſen wohl ver-
ſchloſſen und vor Licht geſchützt aufbewahrt werden, da das Präparat durch
das Licht zerſetzt wird. Streicht man den Schlamm auf Teller oder Taſſen
und trocknet in gelinder Wärme, ſo erhält man das Tellerrot oder
Taſſenrot in Form bronzeartiger Kruſten, die im reflektierten Lichte gold-
gelb mit grünem Schimmer, im durchfallenden Lichte rot ausſehen. — Bringt
man dagegen den Schlamm auf ein Filter, läßt ablaufen, wäſcht den Nieder-
ſchlag mit Waſſer aus, löſt ihn in Alkohol, filtriert, und läßt die alkoholiſche
Löſung langſam verdunſten, ſo erhält man das reine Karthamin oder den
Safflorkarmin als körniges Pulver von ſchwarzgrüner Farbe, welches
beim Reiben Metallglanz annimmt und nur in ſehr feiner Verteilung rot
erſcheint.


5. Orſeillepräparate. Im Handel finden ſich:


a)Orſeilleextrakt; gelbe metalliſch glänzende Stücke, in Waſſer mit
roter Farbe löslich, wahrſcheinlich eine mit Alaun gefällte wäſſerige Orſeille-
löſung; der Niederſchlag wird gewaſchen und getrocknet.


b)Flüſſiges Orſeilleextrakt. Nach Peters wird das Extrakt
durch Ausziehen der Orſeille mit Eſſigſäure und Ueberſättigen der filtrierten
Löſung mit Ammoniak bereitet. Nach Grothe dagegen iſt es nichts weiter
als der auf 25° B. eingedampfte wäſſerige Auszug der Orſeille. Das flüſſige
Orſeilleextrakt kommt häufig mit Blauholzextrakt, auch wohl mit Rotholzextrakt
verfälſcht vor. Ein unverfälſchtes Orſeilleextrakt, mit dem 50fachen Gewicht
Waſſer verdünnt, wird durch Zuſatz von Zinnchlorürlöſung entfärbt, ein
mit Blau- oder Rotholzextrakt verfälſchtes nimmt eine bleibende graue bis
blaue oder eine rote Farbe an.


c)Franzöſiſcher Purpur, Pourpre français, Orſeillepurpur. Dieſes
Präparat enthält den Orſeillefarbſtoff in reinem Zuſtande. Die Herſtellung
iſt der des Orſeillekarmins ähnlich. Die Flechten werden mit einer 15proz.
Ammoniaklöſung extrahirt und der geſättigte Auszug mit überſchüſſiger Salz-
oder Schwefelſäure verſetzt, wodurch die Flechtenſäuren niedergeſchlagen werden,
welche man auf einem Filter ſammelt, vorſichtig wäſcht und trocknet. Die
Flechtenſäuren werden ſodann erneut in Ammoniak gelöſt und die Löſung in flachen
Gefäßen mehrere Tage der Luft ausgeſetzt, bis ſie dunkelpurpurviolett geworden
iſt, und Seide und Wolle ohne Anwendung einer Beize direkt färbt. Dann
wird die Flüſſigkeit mit Schwefelſäure geſättigt und der ſich bildende flockige
Niederſchlag auf einem Filter geſammelt, vorſichtig ausgewaſchen und ge-
trocknet. Das Präparat beſitzt eine ſchöne, tiefe Granatfarbe; es iſt das
vernunftgemäßeſte Orſeillepräparat.


d)Orſeillekarmin. Violette Stücke, löslich in Oxalſäurelöſung mit
roter Farbe. Dieſes Präparat wird durch Behandeln der Orſeille mit
Ammoniak, Fällen der abfiltrierten Löſung mit Salzſäure und abermaliges
Löſen des erhaltenen Niederſchlages in Ammoniak gewonnen. Dieſe Löſung
wird der Luſt ausgeſetzt, bis ſie kirſchrot iſt, dann erhitzt und mit Alaun
oder Chlorcalcium zerſetzt. — Nach Benedikt wird Orſeillekarmin durch
Extraktion der Orſeille mit Waſſer und Eindampfen der Löſung im Vacuum
gewonnen.


[150]

e)Orſeillelack iſt der aus einer wäſſerigen Orſeillelöſung mit Zinn-
ſolution erhaltene Farblack.


6. Alkannarot, Alkannin; ein dunkelrotes weiches Extrakt, welches
nach Hirzel aus der nicht gemahlenen Alkannawurzel durch kaltes Ex-
trahieren mit reinem Petroleumäther und Abdampfen des letztern im Waſſer-
bade bereitet wird. — Ein ähnliches Präparat iſt das von Lepage darge-
ſtellte Anchuſin. Dieſer ſtellt unter Verwendung von Schwefelkohlenſtoff
zuvörderſt ein Extrakt dar, wie das Hirzelſche, und löſt dasſelbe dann in
einer 2 proz. Natronlauge. Zu der filtrierten indigblauen Löſung ſetzt er
nach und nach verdünnte Salzſäure bis zum Ueberſchuſſe hinzu, wodurch ſie
ſich trübt und nach 24 Stunden einen rotbraunen Niederſchlag abſetzt.
Dieſen wäſcht er ſorgfältig mit deſtilliertem Waſſer aus, ſammelt auf
einem Seihetuch, preßt aus und trocknet. Die zerriebene Maſſe iſt ein
purpurrotes Pulver von großem Färbevermögen, löslich in Alkohol, in
Eſſigſäure, in Alkalien, in Aether, Schwefelkohlenſtoff, fetten und ätheriſchen
Oelen.


§ 57. Blaue Farbſtoffpräparate.

1. Indigopräparate. Da der Indigo den Farbſtoff an ſich bereits
vorſtellt, ſo können die Indigopräparate denſelben nur in einer anderen und
leichter anwendbaren Form darbieten wollen. Vorwiegend ſind es Löſungen
von Indigo in rauchender Schwefelſäure, alſo Indigoſulfoſäuren, welche
als Indigopräparate in den Handel kommen, und zwar:


a)Indigokarmin, Indigoextrakt, indigoſulfoſaures Kali oder
Natron, blauer Karmin, Coerulin, (C16 H8 N2 O2 [SO3 K]2). Der Indigo-
karmin kommt entweder in Teigform oder als trockene tiefblaue kupferglän-
zende Maſſe in den Handel; er wird gewonnen durch Löſen von 1¼ kg
feinſt gemahlenem Indigo in 6½ kg rauchender Schwefelſäure, Verdünnen
mit 18 Liter Waſſer (wobei die Indigrotſulfoſäure unlöslich ausfällt), Filtrie-
ren, Sättigen mit 15° B. ſtarker Pottaſche- oder Sodalöſung, Ausſalzen mit
5 kg Kochſalz und Waſchen mit wenig Waſſer. Man gewinnt 17½ kg
Indigokarmin in Teigform. Es kommen drei Sorten im Handel vor als
Karmin I, II, III. Im Durchſchnitt enthält nach Mierzinsky:

Der Indigokarmin iſt in 140 Teilen kaltem Waſſer löslich, leicht in
verdünnter Schwefelſäure. Er färbt animaliſche Faſern direkt, aber mit
einem viel helleren Tone als Indigo, und bei weitem nicht ſo lichtecht; zur
vegetabiliſchen Faſer beſitzt er keine Affinität.


Prüfung von Indigoextrakt. Um Indigoextrakt auf ſeine Reinheit zu
prüfen, kocht man ein Stück Seidenband in einer Löſung des Extraktes, der
man etwas Säure zugefügt hat. Dann wäſcht man aus und kocht nochmals
in reinem Waſſer. Iſt das Extrakt unverfälſcht, ſo wird die Seide weiß.
Erſcheint dieſelbe jedoch mehr oder weniger gefärbt, ſo iſt das Extrakt mit
Anilinfarben gefälſcht. Nach Moyret iſt auch Schießbaumwolle ein geeig-
[151] netes Mittel, um Anilinfarben im Indigoextrakt nachzuweiſen. Dieſelbe
nimmt, mit Indigoextrakt behandelt, nicht die geringſte Färbung an, während
ſie ſich bei Verfälſchung mit Anilin blau färbt.


b)Sächſiſchblau, Indigokompoſition, Indigolöſung, Indigo-
ſulfoſäure, C16 H8 N2 O2 (SO3 H)2, iſt die tiefblaue Löſung, welche man
durch Auflöſen von Indigo in überſchüſſiger rauchender Schwefelſäure, Verdünnen
mit Waſſer und Filtrieren erhält. Es iſt dies dieſelbe Flüſſigkeit, welche man
bei Darſtellung des Indigokarmins gewinnt, ehe man zur Sättigung mit Pott-
aſche ſchreitet. Dieſe Indigolöſung iſt das Hauptmaterial der jetzt veralteten
Sächſiſchblau-Färberei. Zur Erzeugung von Sächſiſchblau wurde
loſe Wolle in der Indigolöſung ausgefärbt und dann mit alkalihaltigem
Waſſer wieder abgezogen, wobei die Verunreinigungen des Indigos auf der
Faſer zurückblieben. Die angeſäuerte Löſung diente dann zum Färben feinerer
Waren.


c)Indigopurpur. Ein Präparat in Form eines rotvioletten
Pulvers, welches die Eigenſchaft hat, mit beliebigen Zuſätzen von Orſeille
ungebeizt Wolle direkt violett zu färben. Zur Darſtellung wird Indigo mit
engliſcher (nicht mit rauchender) Schwefelſäure übergoſſen und unter Abkühlung
½ Stunde damit in Berührung gelaſſen; ſo erhält man eine blaue Löſung
von Indigodiſulfoſäure, welche abfiltriert und auf Indigokarmin verarbeitet
werden kann und ein violettrotes Pulver. Dieſes iſt Indigomonoſulfo-
ſäure
, C16 H9 N2 O2. SO3 H, Phönicinſchwefelſäure, Purpurſchwefelſäure. Das
Pulver wird mit Waſſer, ſpäter mit ganz verdünnter Sodalöſung, ausge-
waſchen, bis das Ablaufende nicht mehr ſauer reagiert, dann getrocknet und
wie oben verwendet.


d)Indigopräparat. Subeil hat eine Vorſchrift zu einer Indigo-
löſung gegeben, welche in alkaliſchem Bade auszufärben iſt. Er bereitet ſich
zunächſt eine dünne Aetzkalilöſung aus 15 Teilen gebranntem Kalk und
30 Teilen Pottaſche in 300 Teilen Waſſer, läßt abſetzen und fügt dazu
2 Teile feinſt gemahlenen Indigo und nach dem Abſetzenlaſſen noch eine
Löſung aus 20 Teilen Zinnſalz, 2 Teilen Pottaſche und 60 Teilen Waſſer;
dann wird das Ganze bis auf 100° erhitzt, abkühlen gelaſſen, die klare
Flüſſigkeit abgegoſſen und unter Zuſatz von etwas Pottaſche zum Färben
verwendet. — Dieſes Präparat iſt alſo eine Löſung von Indigweiß in
Zinnoxydulkali.


e)Konzentrierte Küpe. Die konzentrierte Küpe iſt eine Löſung
von Indigo in Natriumhypoſulfitlöſung, und wird von der Firma Gutbier
und Comp. in Lindenau-Leipzig auf den Markt gebracht.


2. Blauholzpräparate. Am meiſten verwendet wird:


a)Blauholzextrakt. Dasſelbe wird auf die in § 55 beſchriebene
Weiſe bereitet, und ſtellt eine trockene, ſchwarze, glänzende, harzähnliche Maſſe
vor, welche ſich leicht in Stücke zerſchlagen läßt, ſüßlich zuſammenziehend
ſchmeckt und mit Waſſer eine rötlichbraune Löſung gibt. Das ſpez. Gewicht
ſoll 1,45 bis 1,51 ſein. Auch ein flüſſiges Blauholzextrakt kommt als dicke,
ſchwere, ſchwarze, in dünnen Schichten ſchwärzlich-rotbraune Flüſſigkeit von
10, 20, 25, 30 und 35° Bé. in den Handel; die beſten Fabrikate ſind
techniſch reiner Farbſtoff. Reine Extrakte von über 27° B. ſollen nach
Brühl auch bei längerem Lagern keinen merklichen Bodenſatz geben. Das Blau-
holzextrakt findet in der Färberei ausgedehnte Anwendung und bildet daher
[152] einen bedeutenden Handelsartikel; man unterſcheidet amerikaniſches, franzö-
ſiſches und deutſches Extrakt. Es wird vielfach verfälſcht, ja es kommen
ſogar Blauholzextrakte in den Handel, bei denen man vergeblich auf Häma-
teïn fahnden würde. L. Brühl ſchreibt hierüber, Deutſche Färber-Ztg.
1888, Nr. 26, wörtlich:


„Durch vierjährige Praxis in der Extraktbranche gewann ich einen
Einblick in dieſelbe; ich ſah Sachen, welche ſich die kühnſte Phantaſie nicht
ausdenken würde, geſchweige denn ein Färber. Leider iſt es nicht das Aus-
land, welches uns ſolche Produkte zu Markte bringt; zu Ehren der ameri-
kaniſchen und franzöſiſchen Fabriken (wenigſtens der renommierten) muß man
gerechter Weiſe ſagen, daß, wenn auch dieſe Firmen nicht Alles liefern, was
reines Blauholzextrakt iſt, und man zuweilen ſonderbare Gemiſche als
Blauholzextrakt dieſer Provenienz in die Hände bekommt, ſo ſind doch
manche der inländiſchen Firmen in der Beziehung „Extraktpantſcherei“ allen
weit voraus. Der kleine Färber, welcher das Färbematerial billig zu kaufen
gezwungen iſt, fällt dabei meiſt dicke herein. Sind ſchon Ia.-Sorten nicht
über allen Zweifel erhaben, ſo muß man bei IIa.- und namentlich bei den
ſogenannten Facon-Sanford ſagen: „Honny soit qui mal y pense“. Eine
Unterſuchung desſelben iſt daher ſehr zu empfehlen.


Prüfung. Aus dem ſpezifiſchen Gewichte feſter Extrakte, ſowie aus
deren Waſſer- und Aſchengehalt läßt ſich kein Schluß auf die Reinheit eines
Extraktes ziehen, ebenſowenig aus der Farbe und dem Grade der Löslich-
keit. Im allgemeinen läßt ſich nur ſagen, daß reine Extrakte ſelten über
3 Prozent Aſchengehalt aufweiſen.


Die Eigenſchaften und Reaktionen, welche Blauholzextrakt gegen chemiſche
Reagentien reſp. mit denſelben aufweiſt, ſollen denen eines reinen Holzab-
ſudes gleich ſein. Aus dem Verhalten des Extraktes gegen Kupfer- und
Eiſenſalze kann man bereits Schlüſſe auf die Reinheit reſp. Verwendbarkeit
des Extraktes ziehen und wurde das Verhalten der Extrakte gegen Kupfer-
ſalze denn auch öfters ſchon als Baſis kolorimetriſcher Extraktunterſuchungs-
methoden aufgeſtellt. Je annähernder die mit Blauholzextrakt erhaltenen
Reaktionen den Reaktionen ſind, welche reiner Holzabſud liefert, deſto reiner
erſcheint das Extrakt.


Zur allgemeinen Prüfung wird man am beſten folgendermaßen ver-
fahren: 10 g des zu prüfenden Extraktes werden in 100 g Waſſer (am
beſten Kondenſationswaſſer) gelöſt; die Löſung muß klar ſein und auch keinen
Bodenſatz geben; etwa beigemengte Subſtanzen, wie Sand, Erde, Säge-
ſpäne, ausgezogene Gerberlohe
, bleiben ungelöſt zurück und können
durch Filtrieren getrennt und, wenn nötig, gewogen werden. Ein Zuſatz
von Melaſſe wird durch Zuſatz von Hefe zur Extraktlöſung, Gären-
laſſen, Abdeſtillieren und Wägen des gebildeten Alkohols beſtimmt. Nach
Schweiſſinger (Pharm. Centralh. 1889, Nr. 4), ſind ſowohl die flüſſigen,
wie die feſten Extrakte ſtark mit Melaſſe und Dextrin verfälſcht. Man
erkennt dies, wenn man aus der wäſſerigen Löſung den Farbſtoff mit Blei-
eſſig ausfällt und das Filtrat mit Fehlingſcher Löſung erhitzt. Reines
Blauholzextrakt enthält keine die Kupferlöſung reduzierenden Subſtanzen.
Schweiſſinger ſchlägt daher zum Nachweis folgendes Verfahren ein:
3 bis 5 g des Extraktes werden in 50 ccm Waſſer gelöſt, mit 10 ccm
Bleieſſig verſetzt, ſtark durchgeſchüttelt und nach kurzem Stehen auf ein nicht
genäßtes Filter gegoſſen; es läuft ſoviel durch, daß man ſofort im 100 mm Rohr
[153] polariſieren kann. Filtrate aus reinen Extrakten drehen die Polariſations-
ebene nicht oder wenig, jedenfalls jedoch nicht rechts.


Das geſammelte Filtrat (man erhält 25 bis 30 ccm) verſetzt man
jetzt mit ſo viel Salzſäure, daß das Blei als Chlorblei ausgefüllt wird und
außerdem noch etwa 0,5 g Salzſäure vorhanden ſind. Man erhitzt darauf
eine halbe Stunde am Rückflußkühler und läßt erkalten. Ohne das in
ſchönen Kryſtallen ausgeſchiedene Chlorblei zu beachten, neutraliſiert man
mit Natroncarbonat, filtriert und titriert nun mit Fehlingſcher Löſung den
Zucker.


Auf die angegebene Weiſe gelangt man in kurzer Zeit zum Ziele und
die Reſultate ſind meiſt für die Praxis genau genug. Bei einer Reihe
von unterſuchten Extrakten ergaben ſich z. B. folgende Reſultate:


  • Nr. 1. Polariſation in 100 mm + 0,8 Zucker titrimetriſch 8.
  • „ 2. „ „ „ „ + 4,0 „ „ 20.
  • „ 3. „ „ „ „ + 0,8 „ „ 7.
  • „ 4. „ „ „ „ + — „ „ 0.
  • „ 5. „ „ „ „ + 0,8 „ „ 6.
  • „ 6. „ „ „ „ + — „ „ 0.

Von dieſen Extrakten ſind Nr. 4 und 6 notoriſch rein, Nr. 1, 3 und
5 verdächtig, Nr. 2 gefälſcht.


Außerdem iſt Probefärben und Vergleichen mit einer Ausfärbung mit
Normalextraktausfärbungen notwendig. Eine der häufigſten Verfälſchungen
iſt die mit Kaſtanieuextrakt und ähnlichen Gerbſtoffextrakten. Dieſe laſſen
ſich durch Probefärben nicht ohne weiteres erkennen. Hier muß man nach
dem Vorſchlage von Houzeau die ungleiche Löslichkeit des echten Blauholz-
extraktes und des Kaſtanienextraktes in Aether, wie andererſeits in Alkohol,
zu Hilfe nehmen. Reines Blauholzextrakt enthält durchſchnittlich 87 Prozent
in Aether lösliche und 13 Prozent in Alkohol lösliche Stoffe; Kaſtanien-
extrakt dagegen iſt in Aether faſt unlöslich, während es ſich in Alkohol faſt
ganz auflöſt. Ein Gehalt an Kaſtanienextrakt wird daher den Prozentgehalt
der in Aether löslichen Anteile aus Blauholzextrakt vermindern, den der in
Alkohol löslichen erhöhen.


b)Indigoerſatz, Noir impérial, Kaiſerſchwarz. Unter dieſem Namen
kommen ſeit einigen Jahren oxydierte Blauholzextrakte in den Handel,
welche durch Kochen von Blauholzextrakt mit Kupfer-, Eiſen- oder Chrom-
ſalzen unter Zuſatz von Oxalſäure hergeſtellt ſind. Sie haben das Ausſehen
des Blauholzextraktes und färben ungebeizte Wolle unter Zuſatz von etwas
Oxalſäure direkt echt ſchwarz. Dieſes Präparat entſpricht dem urſprünglichen
Rungeſchen Blauholz-Indigblau.


c)Hämateïn, Hématine. Unter dieſem Namen kommen mit beſon-
derer Sorgfalt dargeſtellte Blauholzextrakte franzöſiſcher Provenienz in den
Handel, welche als faſt reiner Farbſtoff zu betrachten ſind. Es kommt aber
auch ein mit Aether bereitetes Extrakt in Pulverform unter dem
Namen Hämateïn in den Handel; letzteres iſt der chemiſch reine Farbſtoff.
Dieſes Hématine wird von Guinon in Havre dargeſtellt; es iſt ein
körniges, rotbraunes, in Waſſer vollkommen lösliches Pulver, welches die
gleichen Farbentöne, wie das Holz gibt. 15 kg Hämateïn ſollen 100 kg
beſtes Campecheholz erſetzen.


[154]
§ 58. Gelbe Farbſtoffpräparate.

1. Gelbholzextrakt, Cubaextrakt. Es bildet gelbbraune, wachs-
glänzende Stücke, welche ſich in Waſſer mit gelber Farbe löſen, und wird
aus dem Gelbholz durch Diffuſion hergeſtellt. Auch ein flüſſiges Gelbholz-
extrakt kommt vor. Die wäſſerige Löſung des Gelbholzextraktes wird auf
Zuſatz von Salzſäure und Salpeterſäure heller und bildet beim Stehen
einen gelben Niederſchlag; Ammoniak oder Natronlauge färben die Löſung
heller oder dunkler orangefarben. Der Wert eines Gelbholzextraktes muß
durch Probefärben feſtgellt werden.


2. Gelbbeerenextrakt. Ein dickes Extrakt, in Waſſer mit gelber
Farbe mit einem Stich ins Braune löslich. Die Löſung wird auf Zuſatz von
Salz- oder Salpeterſäure heller unter Abſetzen eines ſchmutziggelben Nieder-
ſchlages; Ammoniak oder Natronlauge färben dieſelbe heller oder dunkler
rotgelb. Zinnchlorür gibt ſofort, Zinnchlorid erſt auf Zuſatz von etwas
kohlenſaurem Natron einen goldgelben Niederſchlag; eſſigſaures Kupfer gibt
einen gelbbraunen bis olivengrünbraunen Niederſchlag; Eiſenſalze eine dunkel-
olivengrüne bis ſchwarzgrüne Färbung. — Probefärben.


3. Quercitronextrakt. Im Handel kommen zwei flüſſige Extrakte
von 20 und 30° Bé. vor und ein feſtes in Form dunkelbrauner wachs-
glänzender Stücke, welche ſich in Waſſer mit gelber Farbe löſen. Die
Quercitronextrakte zeichnen ſich dadurch aus, daß ſie ſehr bedeutende Mengen
der reinen Farbſtoffe enthalten, manchmal gar faſt reiner Farbſtoff ſind, und
zwar findet ſich bald das Quercitrin, bald das Quercetin, bald ein Gemiſch
beider darin vor. Prüfung durch Probefärben.


4. Flavin. Dieſes jetzt allgemein beliebte Präparat, welches eine
16 mal größere Färbekraft als die Quercitronrinde beſitzt, wird aus dieſer
gewonnen, indem man aus deren Abkochungen den Gerbſtoff durch Leimlöſung
fällt, den entſtehenden Schaum durch Abſchäumen entfernt und dann zur Extrakt-
dicke eindampft. Flavin iſt alſo ein Quercitronextrakt ohne einen Gehalt an
Gerbſtoff; es gibt daher reinere Färbungen als jenes. Es beſteht nach
Hummel-Knecht weſentlich aus Quercetin, was ich jedoch — unter
Vorausſetzung der Richtigkeit der Darſtellungsmethode — ſtark bezweifle.
Nach Bolley wird das Flavin durch Ausziehen der Quercitronrinde mit
Alkalien und Kochen des Auszuges mit verdünnter Schwefelſäure, darge-
ſtellt. Die Ausbeute beträgt 5 Prozent des Quercitrons. Dieſes Präparat
iſt nichts anderes als Quercitrin. Dagegen erlaube ich mir zu bezweifeln,
ob dieſes, auf die eben genannte Weiſe, dargeſtellte Produkt die 16 fache
Färbekraft hat. Es waltet hier, wie auch bei den Quercitrinfarbſtoffen, ein
bedauerlicher Wirrwarr in der Namengebung ob, ſo daß von den Angaben
der verſchiedenen Autoren ſich kaum zwei decken.


5. Quercetin. Nach Schlumberger kocht man 40 kg Quer-
citronrinde mit 120 kg Waſſer und 10 kg Schwefelſäure 2 Stunden lang,
wäſcht aus, filtriert und dampft zum Trocknen ein. Dieſes Produkt
dürfte meines Erachtens weſentlich aus Quercetin beſtehen und ſeinen
Namen daher mit Recht führen. Dieſes Quercetin ſoll (nach Romen) nur
das vierfache Färbevermögen der Quercitronrinde beſitzen, was mir ſtark un-
wahrſcheinlich vorkommt. Dagegen ſoll es (nach Grothe) bei Anwendung
[155] höherer Temperaturen beim Ausfärben viel reinere und hellere Farbentöne
geben als das Flavin, was wiederum mit der angeblich geringen Färbekraft
ſchlecht harmoniert. Alle dieſe Angaben bedürfen ſehr der Beſtätigung oder
Richtigſtellung.


§ 59. Braune Farbſtoffpräparate.

1. Catechupräparate. a)Präpariertes Catechu iſt ein auf
mechaniſche Weiſe gereinigtes Catechu. Man ſchmilzt zu dem Zweck das
käufliche im Waſſerbade, wobei ſich Sand, Erde und dergl. abſetzen, und
preßt zur Entfernung von Blättern durch ein grobes Seihetuch. Der ſo
gereinigte Catechu wird nochmals im Waſſerbade erwärmt und auf 100 Teile
des in Anwendung genommenen Extraktes ¾ Prozent doppelt chromſaures
Kali untermiſcht. Sodann läßt man die Maſſe erkalten. Auch den nicht
erſt gereinigten, ſondern nur fein zerriebenen und mit Kaliumdichromat oder
Kupfervitriol vermiſchten Catechu bezeichnet man als präparierten Catechu.


2. Chemiſchbraun, Havannabraun. Ein durch Behandeln von
Catechu mit oxydierenden Agentien, z. B. Salpeterſäure, Kaliumdichromat,
vanadinſaurem Ammoniak, gewonnenes Braun.


3. Chryſaminſäure, Aloepurpur, C14 H4 (NO2)4 O4, iſt das Pro-
dukt der Einwirkung von kochender konzentrierter Salpeterſäure auf Aloë.
Gleichzeitig bildet ſich Aloëtinſäure, welche durch erneutes Erhitzen mit
Salpeterſäure in Chryſaminſäure übergeführt werden kann. Es wird dazu
im ganzen das neun- bis zehnfache Gewicht der in Arbeit genommenen Aloë
notwendig ſein. Nach dem Aufhören der Gasentwickelung wird das Reak-
tionsprodukt durch ein Tuch gegoſſen und dann in einem dünnen Strahle
in kaltes Waſſer, wobei ſich die Chryſaminſäure ſofort in Flocken abſcheidet.
Man ſammelt die Flocken auf einem Filter und wäſcht ſolange mit Waſſer
aus, bis dasſelbe anfängt, ſich roſenrot zu färben; dann trocknet man. Die
Chryſaminſäure bildet große, goldglänzende Blättchen, ſchmeckt bitter, iſt
löslich in Alkohol und Aether und faſt unlöslich in Waſſer. Sie iſt in
neuerer Zeit wieder von Lindner zum Färben von Wolle und Seide ohne
Beize empfohlen worden. Man erhält ſo purpurbraune bis braune Töne.
Durch Neutraliſation der Flotte mit Kreide ſollen helle und dunkle Nüancen
von Olivengrün erzielt werden. Mit Thonerdebeize ſoll man ſchöne violette
Färbungen auf Seide und Wolle erhalten. Auch roſa, hortenſiablaue,
graue und verſchiedene braune Nüancen laſſen ſich auf Wolle, Seide und
Baumwolle erzielen. — Die Salze der Chryſaminſäure finden gleichfalls
Verwendung, beſonders das Ammoniak und das Natronſalz. Auch als
Beize zum Fixieren von Orſeillefarbe iſt die Chryſaminſäure zu verwenden.
Die mit Aloe erzeugten Farben ſollen ſehr haltbar ſein.


§ 60. Gerbſtoffextrakte.

1. Sumachextrakt, Schmackextrakt. Ein aus dem Sumach durch
Kochen mit Waſſer und Eindampfen zur Trockne gewonnenes Extrakt. Ein
höchſt überflüſſiges Präparat
!


  • 2. Knoppernextrakt
  • 3. Dividiviextrakt

[156]

4. Neucatechu iſt ein Extrakt aus Kiefernholz mit heißem Waſſer
bereitet, in Waſſer leicht löslich. Es enthält 32 Prozent Gerbſtoff, 35 Pro-
zent Gallusſäure, 18,8 Prozent Farb- und Extraktivſtoff. Es wird ganz
wie Catechu verwendet und gibt mit Eiſenſalzen einen grünen Niederſchlag.


  • 5. Nußſchalenextrakt
  • 6. Kaſtanienextrakt

7. Schwarzer Seidengrund; ein Tannenholzextrakt, braunſchwarz,
in Waſſer löslich, mit 40 Prozent Gerbſtoff. Alle dieſe Gerbſtoffprä-
parate haben nur untergeordneten Wert, da ihnen durch die fabrikmäßige
Darſtellung des Tannins ein gewaltiger Konkurrent erwachſen iſt, deſſen
Reinheit neben ſeiner einfachen und leichten Verwendung alle jene, Prä-
parate überflüſſig macht.


3. Künſtliche organiſche Farbſtoffe.


§ 61. Allgemeines.

Als künſtliche Farbſtoffe gelten alle diejenigen, welche aus den Pro-
dukten der chemiſchen Großinduſtrie, nicht ſelten ſogar aus Abfallſtoffen,
durch chemiſche Prozeſſe hergeſtellt werden. Vor 30 Jahren war hiervon
noch nichts bekannt; man brachte eben das Mauveïn in den Handel, einen
heute bereits wieder vergeſſenen Farbſtoff. Dann folgte, vor genau
30 Jahren (1858), die Entdeckung des Fuchſins durch A. W. Hofmann.


Was ſeither geſchehen iſt, werden die ältern Herrn ja noch friſch im
Gedächtnis haben; den jüngeren aber ſei geſagt, daß mit dem Jahr 1858
für die Färberei ein neues Zeitalter begonnen hat, eine Zeit, in welche die
Alten ſich nur ſchwer hineinfinden konnten. Die künſtlichen Farbſtoffe be-
herrſchen den Farbwarenmarkt heute ſo vollſtändig, daß die guten alten na-
türlichen Farbſtoffe und ſelbſt ein Teil der daraus gefertigten Präparate
heutzutage, wenn auch nicht gerade vergeſſen ſind, ſo doch auch nicht mehr
annähernd die Wichtigkeit haben, wie bis vor wenigen Jahren. Eine genaue
Kenntnis der künſtlichen Farbſtoffe, ihrer Eigenſchaften, ihres
Verhaltens gegen andere chemiſche Körper, insbeſondere gegen
die Beizen und ihre Beziehungen zu den Faſern, das muß heute
von einem jeden Färber verlangt werden können
. Dagegen wird
von ihm nicht verlangt werden die Darſtellungsweiſe und die chemiſche
Zuſammenſetzung. So unentbehrlich dies für den Chemiker iſt, ſo will ich doch
den Leſer dieſes Handbuchs nicht mit den Einzelheiten der Darſtellungs-
methoden noch mit zungenbrecheriſchen chemiſchen Namen oder ellenlangen
chemiſchen Formeln quälen; er findet nur das, was er wirklich
braucht und wiſſen muß
. Nur die Grundlage, worauf die heutige
Farbſtoffchemie ruht, möchte hier mit einigen Worten erläutert werden.
Ausgangspunkt der künſtlichen Farbſtoffe, welche anfangs als Anilinfarben,
ſpäter als Teerfarben bezeichnet wurden, iſt der Steinkohlenteer, auf
welchen Runge bereits 1834 als Rohprodukt zur Bereitung von Anilin
hinwies, der Steinkohlenteer, welcher nach Einführung der Leuchtgasfabrikation
als ein maſſenhaft abfallendes läſtiges, unverwendbares Nebenprodukt betrachtet
und entweder verbrannt oder weggeſchüttet wurde. Dieſer Steinkohlenteer iſt der
Urahn unſerer heutigen Farbſtoffe. Vom Steinkohlenteer bis zu den Farbſtoffen
[157] iſt freilich noch ein weiter Weg. Beſonders drei Abſchnitte ſind es, die ſich
inzwiſchen unterſcheiden laſſen: die Teerdeſtillation, die Anilin- oder Halb-
fabrikatproduktion und die Fabrikation der eigentlichen Farbſtoffe.


Die Teerdeſtillation bezweckt die Gewinnung der Rohprodukte der
Anilin- oder Teerfarben durch Deſtillation aus eiſernen Retorten. Es gehen
dabei verſchiedene Deſtillationsprodukte über. Der Teer fängt bereits bei
70° C., alſo noch unter dem Siedepunkt des Waſſers, an, Dämpfe abzu-
geben, welche in geeigneten Vorlagen aufgefangen werden. Die Temperatur
ſteigt allmählich bis auf 400° C., alſo noch höher als der Siedepunkt des
Queckſilbers. Innerhalb der Temperatur von 70 bis 400° C. gehen drei
verſchiedene Körper über und zwar findet ſich
in dem Deſtillate von 70 bis 180° C. das Rohbenzol,
„ „ „ „ 180 „ 250° C. „ Rohnaphtalin,
„ „ „ „ 250 „ 400° C. „ Rohanthracen.


Halbfabrikatproduktion. Dieſe bildet eine eigene Induſtrie,
welche die Reinigung und genauere Trennung vorſtehender Rohprodukte aus-
führt. Sie zerlegt das Rohbenzol weiter in die reineren Produkte: Benzol,
Toluol, Xylol, Cumol
, und ſtellt aus dem rohen Naphtalin und
Anthracen die reinen Fabrikate her.


Dieſe genannten Produkte bilden dann wieder den Ausgangspunkt zur
Darſtellung weiterer Zwiſchenprodukte. So wird in eigenen Fabriken ge-
wonnen durch Behandeln mit Salpeterſäure (Nitrieren):
aus Benzol Nitrobenzol
„ Toluol Nitrotoluol
„ Xylol Nitroxylol
„ Naphtalin Nitronaphtalin.


Behandelt man dieſe Abkömmlinge weiter mit Eiſen und Salzſäure,
ſo erhält man
aus Nitrobenzol Anilin,
„ Nitrotoluol Toluidin,
„ Nitroxylol Xilidin,
„ Nitronaphtalin Naphtylamin.


Dieſe Körper ſind noch keineswegs Farbſtoffe, aber ſie bilden den
Hauptausgangspunkt zur Herſtellung der Stoffe, aus welchen dann endlich
die Farbſtoffe ſelbſt hergeſtellt werden. Die Zahl der daraus techniſch dar-
geſtellten Fabrikate iſt eine ſo große, daß ſie hier gar nicht alle hergezählt
werden können, ſie iſt ſo groß, daß man dieſelbe einteilt in Klaſſen, je nach
ihrer Herkunft, und zwar in: Benzol-Derivate (d. h. Abkömmlinge des
Benzols, Fabrikate, welche ſich vom Benzol ableiten, z. B. Nitrobenzol,
Anilin, Dimethylanilin); Toluol-Derivate, z. B. Nitrotoluol, Toluidin;
Xylol-Derivate; Naphtalin- und Anthracen-Derivate.


Die Farbenfabrikation bildet das letzte Glied in der langen Reihe
jener chemiſchen Prozeſſe. Dieſe Fabrikation, welche in den letzten 15 Jahren
infolge der Entdeckungen gelehrter Forſcher eine ungeahnte Ausdehnung ge-
wonnen hat, verlangt zu ihrem Verſtändnis eine ſo weitgehende Kenntnis
der organiſchen Chemie, daß eine Beſchreibung der einzelnen Operationen
ganz zwecklos wäre. Denn nur wenige Leſer werden im Beſitz der dazu
nötigen Vorkenntniſſe ſein, brauchen es auch gar nicht, denn die Verfahren
[158] ſind faſt alle durch Patente auf abſehbare Zeit geſchützt und überdies hat
die Farbenfabrikation nur im Großbetrieb einen Sinn. Wen ſein Wiſſens-
durſt jedoch treibt, mehr wiſſen zu wollen, dem ſeien folgende Werke em-
pfohlen: Schulz, die Chemie des Steinkohlenteers; Benedikt, die künſt-
lichen Farbſtoffe; Julius, die künſtlichen organiſchen Farbſtoffe.


§ 62. Einteilung der künſtlichen Farbſtoffe.

Schwieriger als das oberflächliche Bild dieſer großen chemiſchen In-
duſtrie iſt die Einteilung der großen Anzahl von Produkten. Für den
Chemiker iſt es nicht ſchwierig, entweder auf Grund der Abſtammung (alſo
der Derivate), oder auf Grund des Fabrikationsprozeſſes eine wiſſenſchaftliche
Einteilung zu finden, oder ſich in einem ſolchen Syſtem zurechtzufinden.
Für den Praktiker iſt das jedoch weniger nütze. Freilich haben ſich eine
Anzahl wiſſenſchaftlicher Namen bereits in die Praxis eingeführt. Wenn
von Anilin-, Naphtalin-, Anthracenfarbſtoffen die Rede iſt, das wird jeder
wiſſen; wenn aber von Phenolfarbſtoffen, Amidofarbſtoffen, Chinolinfarbſtoffen,
Benzidinfarbſtoffen, Azofarbſtoffen u. ſ. w. die Rede iſt, was dann?


Die mir zur Verfügung ſtehenden Werke haben ſämtlich eine Gruppen-
einteilung nach wiſſenſchaftlichen Prinzipien angenommen. Wenn ich in
meinem Handbuche eine derartige Einteilung nicht befolge, ſo iſt für mich
der Umſtand maßgebend, daß es noch kein allgemein anerkanntes Syſtem
gibt, daß ſelbſt zwiſchen den Autoren, welche die Klaſſifikation nach der
Mutterſubſtanz vornehmen, keinerlei Uebereinſtimmung herrſcht, daß bei dem
täglichen Auftauchen neuer Farbſtoffe, ja ſogar ganzer neuer Farbſtoffklaſſen,
der Zeitpunkt für ein einheitliches wiſſenſchaftliches Syſtem, welches allſeitig
genügt, überhaupt noch nicht gekommen erſcheint, und daß endlich das neueſte
von O. N. Witt vorgeſchlagene Syſtem der chromophoren Gruppen für
die Leſer dieſes Handbuches wohl kaum verſtändlich ſein dürfte.


Ich kehre deshalb zu der älteſten Einteilung nach Farben zurück,
nicht etwa, weil ich ſie für die richtigere halte, wohl aber, weil ſie für den
Zweck unſeres Handbuches die praktiſchſte iſt. Was die Ausdrücke Azofarb-
ſtoff, Amidofarbſtoff, Nitroſofarbſtoff und dergl. bedeuten, werde ich bei
paſſender Gelegenheit an beſonders geeigneten Beiſpielen erklären.


§ 63. Charakteriſtik und Eigenſchaften.

Die chemiſche Natur der künſtlichen Farbſtoffe iſt nach ihrer Zuſammen-
ſetzung und ihrem innern Bau eine äußerſt komplizierte. Sie beanſprucht
jedoch nach der techniſchen Seite hin nur untergeordnetes Intereſſe, obſchon nicht
geleugnet werden ſoll, daß durch die Konſtitution, beſonders unter Annahme
von Witts chromophoren Gruppen, manche Eigentümlichkeiten in ihrem Ver-
halten ſich dürften erklären laſſen, welche bisher noch nicht befriedigende Er-
klärung gefunden haben.


Sieht man dagegen von dem innern Aufbau ab, und urteilt nur nach
dem Verhalten der chemiſchen Farbſtoffe, ſo finden wir ſehr bald einfache
Beziehungen, welche das Verſtändnis für und die Bekanntſchaft mit dieſen
Farbſtoffen ſehr erleichtern. So finden ſich eine ganze Anzahl von Farb-
ſtoffe, welche ausgeprägt ſauren Charakter zeigen, und die deshalb auch
[159] wohl, obgleich fälſchlich, als „Farbſäuren“ bezeichnet werden. Allerdings
ſind die „ſauren Farbſtoffe“ nicht ſtets wirkliche Säuren, ſondern vielfach
phenolartige Körper (das normale Phenol wird ja gemeinhin Karbolſäure
genannt), teils auch mono- oder diſulfonſaure Salze oder auch nitrierte
Farbſtoffe. Hierher gehört deshalb der größte Teil der gelben Farbſtoffe,
ein großer Teil der orangen und verſchiedene rote, auch grüne, blaue und
violette.


Aber nicht alle ſauren Farbſtoffe ſind ſo augenſcheinlich charakteriſiert.
Eine Anzahl zeigt dieſe Eigenſchaften nur in geringerem Maße. Kertész*)
hat ſie deshalb als „ſchwachſaure Farbſtoffe“ in eine beſondere Klaſſe
gebracht. Während ſich die ſtarkſauren Farbſtoffe in Waſſer leicht löſen,
ſind die ſchwachſauren in Waſſer meiſt ſchwer löslich. Auch beim Färben
zeigt ſich ein Unterſchied: die Gewebefaſer vermag ſtarkſaure Farbſtoffe —
ſelbſt nach vorherigem Beizen — nicht auf ſich zu fixieren. Dieſes
wird erſt möglich in ſaurem Bade. Die ſchwachſauren Farbſtoffe bedür-
fen des Säurezuſatzes nicht. Zu den ſchwachſauren Farbſtoffen gehören die
meiſten natürlichen Farbſtoffe und die ihnen ähnlichen künſtlichen; ſie ſind
ſämtlich in Alkalien leicht löslich und färben die Gewebefaſer mit Hilfe von
Beizen.


Die dann verbleibenden Farbſtoffe werden gemeinhin als baſiſche be-
zeichnet. Dieſe Bezeichnung iſt — ſofern ſie die eigentlichen Farbſtoffbaſen
(z. B. Anilingelb) betrifft — richtig. Dagegen heißen auch die Salze der
Farbſtoffbaſen, welche nichts weniger als baſiſchen Charakter zeigen, baſiſche
Farbſtoffe, dieſe letzteren aber ſehr mit Unrecht. Es möchte ſich daher
empfehlen, nur die wirklichen Farbſtoffbaſen als baſiſche Farbſtoffe, die
Salze aber als waſſerlösliche neutrale Farbſtoffe zu bezeichnen.
Dieſe ſind ſämtlich in Alkohol leicht löslich und färben Wolle in neutralem
Bade ohne Zuſatz einer Säure, Baumwolle nach zuvorigem Beizen mit
Tannin. Dieſe Einteilung werde ich im weitern Verlaufe bei den einzelnen
Farben gleichfalls einhalten, nämlich: baſiſche, neutrale, ſchwachſaure, ſtark-
ſaure, ſo daß der Färber, ſobald er einmal weiß, in welche Klaſſe ein Farb-
ſtoff gehört, auch wiſſen muß, welche Eigenſchaft derſelbe hat und wie er
angewendet werden kann. Um aber zu wiſſen, in welche Klaſſe ein Farb-
ſtoff gehört, dafür hat Kertész*) eine beachtenswerte Reaktion angegeben;
er empfiehlt eine Löſung von 2 g Pikrinſäure und 5 g eſſigſaurem Natron
in 100 g Waſſer oder andernfalls eine Tanninlöſung, beſtehend aus 2 g
Tannin, 2 g eſſigſaurem Natron in 20 g Waſſer. Bringt man von einer
der beiden Löſungen einige Tropfen zu einer klaren Löſung eines Farbſtoffes,
und erwärmt dann, ſo werden die baſiſchen und neutralen Farbſtoffe nieder-
geſchlagen, die ſchwach und ſtarkſauren dagegen bleiben klar.


Hat man nun einen nicht ſauren Stoff gefunden, d. h. hat die Farb-
ſtofflöſung auf Zuſatz des Reagens ſich getrübt, ſo würde man zunächſt feſt-
zuſtellen haben, ob man einen baſiſchen oder neutralen Farbſtoff vor ſich
hat; die Farbſtoffbaſen ſind aber durchgehends farblos oder nur ſehr ſchwach
gefärbt, dabei färben ſie aber Wolle oder Seide direkt; taucht man z. B.
in die farbloſe Löſung der Roſanilinbaſe Wolle oder Seide und erwärmt,
ſo färben ſich dieſe ebenſo ſtark rot, als wenn ein Anilinſalz vorhanden ge-
[160] weſen wäre. Tritt eine derartige Färbung aus farbloſer oder ſchwach gefärb-
ter Löſung nicht ein, ſo hat man es mit einem Salze der Farbbaſe,
d. h. mit einem neutralen Farbſtoffe zu thun.


Hat dagegen die Pikrinſäurelöſung oder die Tanninlöſung keine Fällung
hervorgebracht, hat man es alſo mit einem ſtark oder ſchwach ſauren Farb-
ſtoffe zu thun, ſo unterſcheidet man durch Probefärben im neutralen Bade,
ob der Farbſtoff angeht oder nicht; iſt das der Fall, ſo hat man es mit
einem ſchwach ſauren Farbſtoff zu thun; muß man dagegen, um das Angehen
der Farbe zu erzielen, dem Bade eine Säure zuſetzen, ſo hat man es mit
einem ſtark ſauren Farbſtoff zu thun.


Auch durch direktes gleichzeitiges Probefärben auf ungebeizte Wolle, un-
gebeizte, mit Tannin gebeizte und mit eſſigſaurer Thonerde gebeizte Baumwolle
gelangt man ſchnell zu einem ſicheren Schluſſe. Wird die Wolle direkt durch
bloßes Erwärmen, und die mit Tannin gebeizte Baumwolle gefärbt, ſo haben
wir einen baſiſchen oder einen neutralen Farbſtoff vor uns; bleibt
die Wolle und die tannierte Baumwolle ungefärbt, und wird dagegen die
mit Thonerde gebeizte Baumwolle fixiert, ſo haben wir es mit einem ſchwach
ſauren
Farbſtoff zu thun; färbt ſich die gebeizte Baumwolle überhaupt
nicht, und die Wolle erſt aus ſaurem Bade, ſo haben wir einen ſtark ſauren
Farbſtoff vor uns; färbt ſich endlich die ungebeizte Baumwolle direkt an, ſo
haben wir es mit einem der neu entdeckten Benzidinfarbſtoffe zu thun.


Die künſtlichen Farbſtoffe kommen entweder in Kryſtallen, welche nicht
ſelten Metallglanz zeigen, oder in Pulver, ſeltener (beſonders die ſchwach
ſauren) in Teigform (en pâte) in den Handel. Der größere Teil iſt in
Waſſer löslich; nur einige wenige müſſen in Alkohol gelöſt werden; dieſe
kommen als „ſpritlöslich“ in den Handel, und werden in einem Gemiſch
aus gleichen Teilen Alkohol und Waſſer unter Anwendung gelinder Wärme
gelöſt. Eine Prüfung und Wertbeſtimmung iſt nur durch Probefärben
zu erreichen, und durch Vergleichung der erzielten Farbe mit einem Normal-
muſter, welches für dieſen Zweck des Vergleichens ein für allemal aufbe-
wahrt und verwendet wird. Zum Probefärben verwendet man bei baſiſchen
und neutralen Farbſtoffen Baumwolle, bei den ſtark ſauren Wolle, bei den
ſchwach ſauren kann man beides verwenden.


§ 64. Art der Anwendung.

Aus der im vorigen Paragraphen enthaltenen Charakteriſtik iſt eigent-
lich ſchon die Art ihrer Verwendung zu erſehen.


Hier ſei nur noch folgendes nachzutragen:


Die künſtlichen Farbſtoffe müſſen in gelöſter Form verwendet,
d. h. ſie müſſen vor dem Gebrauch aufgelöſt werden. Die Löſung muß
klar ſein; nötigenfalls muß ſie filtriert werden. Am beſten löſt man den
Farbſtoff erſt zum Gebrauch auf; das Vorrätighalten von Löſungen iſt nicht
zu empfehlen. Von der friſch bereiteten Löſung empfiehlt es ſich nicht, die
ganze Menge mit einemmal zuzuſetzen, ſondern in kleineren Portionen, wo-
durch ein gleichmäßigeres Angehen der Farbſtoffe erreicht wird.


Baſiſche Farbſtoffe, d. h. die reinen Farbſtoffbaſen, werden nur
höchſt ſelten verwendet, ſondern meiſt in Form ihrer Salze.


[161]

Neutrale Farbſtoffe, d. h. die Salze der Farbſtoffbaſen, werden
zum Färben von Wolle und Seide direkt, d. h. ohne Anwendung von Beizen,
verwendet. Pflanzenfaſern müſſen zuvor nach dem Tannin-Brechweinſtein-
Verfahren gebeizt werden.


Schwach ſaure Farbſtoffe werden auf Seide gar nicht, auf Wolle
und Baumwolle unter Anwendung von Beizen angewendet; wobei als Beize
für Wolle Chromſalze oder Thonerdeſalze, als Beize für Baumwolle Thon-
erdeſalze, Eiſenoxydſalze und Chromoxydſalze in Betracht kommen.


Stark ſaure Farbſtoffe werden nur auf Wolle unter Zuſatz von
Glauberſalz und Schwefelſäure oder an deren Stelle von Natriumbiſulfat
(ſog. „Weinſteinpräparat“) angewendet. Auf Baumwolle eignen ſich die
ſtark ſauren Farbſtoffe nicht, mit Ausnahme der erſt neuerlich entdeckten
Benzidinfarben: Chryſamin, Congo, Benzopurpurin, Benzoazurin, Azoblau,
Heſſiſchgelb ꝛc. Dieſe färben Baumwolle ſubſtantiv, d. h. ohne Anwen-
dung von Beizen. Hierher ſcheinen auch die noch wenig bekannten Ingrain-
Farben zu rechnen zu ſein.


I.Rote Farbſtoffe.

§ 65. Baſiſche rote Farbſtoffe.

Von den wirklich baſiſchen roten Farbſtoffen, d. h. den Farbſtoffbaſen
der roten Farbſtoffe, ſoweit ſie in den Bereich der techniſchen Färberei ge-
hören, ſind nur zwei zu erwähnen: das Pararoſanilin und das Ro-
ſanilin
. Die übrigen Farbſtoffbaſen — Phenylphenazonium, Toluphenazin
und Iſochinolin — haben für die Färberei kein direktes Intereſſe.


Pararoſanilin entſteht durch Oxydation eines Gemiſches aus 2 Mol.
Paratoluidin und 1 Mol. Anilin. Roſanilin entſteht durch Oxydation
eines Gemiſches aus je 1 Mol. Paratoluidin, Orthotoluidin und Anilin.
Dieſe beiden Farbſtoffbaſen ſelbſt ſind farblos; ſie werden jedoch ſchon
durch bloßes Liegen an der Luft rot infolge Aufnahme von Kohlenſäure und
Bildung von kohlenſaurem Salz. Die beiden Baſen bilden ſich ſtets gleich-
zeitig, mindeſtens hat man in der Technik ſtets ein Gemiſch von Para-
roſanilin mit Roſanilin vor ſich. Die beiden Baſen ſind nicht gleichbedeu-
tend, auch von verſchiedener chemiſcher Zuſammenſetzung (das Roſanilin iſt
methyliertes Pararoſanilin), ſtehen aber in engſter chemiſcher Verwandt-
ſchaft und finden ſich ſelbſt in ihren Salzen nie allein, ſondern ſtets in
wechſelnden Mengen gemiſcht vor. Die Roſanilinbaſen ſind dreiſäurige
Baſen, d. h. ſie können, je nachdem ſie ſich mit 1, 2 oder 3 Mol. einer
Säure verbinden, drei Reihen von Salzen bilden. Die erſte Reihe die-
ſer Salze
— mit 1 Mol. Säure — ſind die Roſanilinfarbſtoffe.


Das Roſanilinbaſengemiſch, obgleich farblos, färbt Wolle und Seide
in heißem Bade direkt rot.


§ 66. Neutrale rote Farbſtoffe.

Die neutralen roten Farbſtoffe ſind die Salze der Farbſtoffbaſen.
Sie zeichnen ſich durch ihre leichte Löslichkeit in Waſſer und in Alkohol aus,
Ganswindt, Färberei. 11
[162] werden aber aus ihren Löſungen durch Pikrinſäurelöſung oder Tanninlöſung
(§ 63) beim Erwärmen ausgefällt.


a) Roſanilinfarbſtoffe.

Dieſe ſind Salze der Roſanilinbaſen mit Chlorwaſſerſtoffſäure, Eſſig-
ſäure oder Salpeterſäure, alſo ſalzſaures, eſſigſaures oder ſalpeter-
ſaures Roſanilin
. Ihr Hauptvertreter iſt das Anilinrot oder Fuch-
ſin
, und deſſen Abfallprodukte: Grenadine, Ceriſe, Marron.


1. Fuchſin, ſalzſaures Roſanilin, eſſigſaures reſp. ſalpeterſaures Ro-
ſanilin und Pararoſanilin, Anilinrot, Azaleïn, Harmalin, Magenta,
Solferino, Tyralin, Roſeïn, Rubin, Diamantfuchſin, Gold-
roſeïn, Brillantfuchſin, Neurot
ꝛc. — Vorzugsweiſe wird das ſalz-
ſaure
Salz mit Fuchſin, das eſſigſaure als Roſeïn, das ſal-
peterſaure
als Azaleïn bezeichnet.


Darſtellung. Das geſamte in den Handel kommende Fuchſin wird
durch Oxydation von Anilinöl dargeſtellt. Dieſes Anilinöl oder Rot-
anilin
iſt das in § 65 bereits namhaft gemachte Gemiſch aus je 1 Mol.
Paratoluidin, Orthotoluidin und Anilin. F. Fiſcher gibt in ſeiner Techno-
logie zwei Beiſpiele von der Zuſammenſetzung von Rotölen:

Dieſe „Rotöle“ werden entweder mittels Arſenſäure oder mittels Nitro-
benzol oder Queckſilbernitrat oxydiert.


Arſenſäureverfahren. Je 1000 kg Rotanilin werden mit 1300
bis 1500 kg 75 prozentiger Arſenſäure in eiſernen Keſſeln erhitzt. Die
Keſſel ſind mit einem Deckel verſchloſſen, welcher ein Abzugsrohr für die
entweichenden Dämpfe enthält. Dasſelbe ſteht mit einem Kühlapparat in
Verbindung. Durch die Mitte des Deckels geht ein Rührwerk hindurch.
Hat die Temperatur im Keſſel den Siedepunkt des Anilins überſtiegen, ſo
beginnt eine Miſchung von Anilin und Orthotoluidin, die ſogenannten Echap-
pées der Fuchſinfabrikation, abzudeſtillieren, welche dann zur Erzeugung von
Safranin Verwendung finden.


Das Erhitzen wird ſolange fortgeſetzt, bis eine mit einem eiſernen Stabe
herausgenommene Probe die richtige Farbe und Konſiſtenz der Schmelze an-
zeigt. Die Schmelze wird ſodann durch Einleiten von geſpanntem Waſſer-
dampf verflüſſigt und in große eiſerne Cylinder gepreßt, in welchen ſie mit
Waſſer ausgekocht wird. Oder man läßt den Inhalt der Schmelzkeſſel in
eiſerne oder hölzerne Käſten ab, läßt ſie erſtarren und zerkleinert die Schmelze
vor dem Auskochen.


In Löſung befinden ſich nur arſenigſaure und arſenſaure Salze der
Roſaniline und einiger anderer Baſen, welche ſich als Nebenprodukte ge-
bildet haben, vornehmlich Chryſanilin, dann auch etwas Mauvanilin ꝛc., fer-
ner enthält die Flüſſigkeit überſchüſſige Arſenſäure und harzartige Verun-
reinigungen.


Der in Waſſer unlösliche Teil der Schmelze beſteht aus harzartigen
Subſtanzen, welchen zwei weitere Farbſtoffe, nämlich Mauvanilin und Viol-
[163] anilin beigemiſcht ſind. Außerdem enthält er noch einen Teil des Chryſani-
lins. Aus dieſen Rückſtänden wird das Chryſanilin (Phosphin) und braune
Farbſtoffe
gewonnen, welche die Namen Marron, Grenadine ꝛc. führen
und wechſelnde Gemenge der Chlorhydrate ſämtlicher genannter Baſen ent-
halten. Die Rohfuchſinlöſung wird in große eiſerne Käſten filtriert und mit
viel Kochſalz verſetzt. Dasſelbe dient einerſeits dazu, die arſenigſauren und
arſenſauren Roſaniline durch doppelte Umſetzung in Chlorhydrate überzufüh-
ren, andererſeits aber befördert es die Ausſcheidung des Farbſtoffes durch
„Ausſalzen“.


Das Fuchſin ſcheidet ſich in Kryſtallen aus, die durch Umkryſtalliſieren
aus Waſſer weiter gereinigt werden können. Aus den Mutterlaugen ge-
winnt man geringere Sorten Fuchſin (Ceriſe).


Nitrobenzolverfahren. Zwei Drittel von 100 Teilen Rot-
anilin werden mit Salzſäure neutraliſiert, bei 140° getrocknet und mit dem
andern Drittel gemiſcht. Dann miſcht man 50 Teile Nitrobenzol und 3 bis
5 Teile Eiſenfeile hinzu und erhitzt auf 190°. Es bildet ſich Eiſenchlorür,
welches ſodann den Sauerſtoff des Nitrobenzols auf das Anilin überträgt,
indem es ſich vorübergehend in Eiſenchlorid verwandelt.


Die Schmelze wird nach dem Abdeſtillieren des überſchüſſigen Anilins
in ähnlicher Weiſe, wie beim Arſenſäureverfahren, verarbeitet. Sie enthält
neben Roſanilin ebenfalls Mauvanilin, Chryſanilin ꝛc. Der Hauptvorzug dieſes
Verfahrens beſteht darin, daß es vollſtändig arſenfreies Fuchſin liefert.


Queckſilbernitratverfahren. Rotöl wird durch ſalpeterſaures
Queckſilber oxydiert; es reſultiert dabei ſalpeterſaures Roſanilin, welches ent-
weder als ſolches (Azaleïn) in den Handel kommt, oder durch „Ausſalzen“
mittels Kochſalz in das ſalzſaure Salz übergeführt wird.


Eigenſchaften des Fuchſins. Die Salze, welche die beiden Roſani-
line mit je einem Molekül Säure geben, ſind im auffallenden Lichte metalliſch-
grünglänzend, im durchfallenden in dünnen Schichten rot. Die Löſungen
ſind karminrot, nicht fluorescierend.


Das ſalzſaure Roſanilin, C20 H19 N3 HCl, welches den Hauptbeſtandteil
des techniſchen Fuchſins bildet, kryſtalliſiert in rhombiſchen Tafeln. 1 Teil
Fuchſin löſt ſich in circa 330 Teilen Waſſer von gewöhnlicher Temperatur,
leichter in heißem Waſſer. Es iſt in 10 Teilen Alkohol, ferner in Amyl-
alkohol löslich. Mit konzentrierter Salzſäure gibt es braune Nadeln des
dreifach ſauren Salzes, C20 H19 N3 · 3 HCl, welche ſich in Salzſäure mit
brauner Farbe löſen, beim Uebergießen mit Waſſer hingegen in das einfach
ſaure Salz und in Salzſäure zerfallen.


Aetzalkalien, Ammoniak, Aetzbaryt und Aetzkalk zerlegen Fuchſinlöſungen
und ſcheiden daraus die freie Farbbaſe kryſtalliniſch aus. Reduktionsmittel,
wie Zink und Eſſigſäure, Zinnchlorür ꝛc. entfärben Fuchſin unter Bildung
von Leukanilinſalzen. Die entfärbten Löſungen bleiben beim Stehen an der
Luft farblos (Unterſchied von Safranin, Magdalarot). Das Fuchſin wird
durch Aldehyd in einen blauen Farbſtoff verwandelt.


Das Fuchſin des Handels. Das reinſte Fuchſin des Handels heißt
Diamantfuchſin, Rubin oder Brillantfuchſin. Die geringeren Sor-
ten ſind durch harzartige Beimengungen verunreinigt, welche beim Auflöſen
in Waſſer als grünglänzende Häutchen obenauf ſchwimmen. Sie ſind durch
11*
[164] Filtrieren ſchwer zu entfernen, man entnimmt daher die Fuchſinlöſungen den
Standgefäßen am beſten durch in der Nähe des Bodens angebrachte Tubu-
laturen.


Außerdem enthält das Fuchſin häufig mineraliſche Verunreinigungen,
die beim Verbrennen als Aſche zurückbleiben.


Nach dem Arſenverfahren hergeſtelltes Fuchſin enthält geringere oder
größere Mengen von Arſen, welches in Form von arſeniger und Arſenſäure,
aber auch als metallorganiſche Verbindungen enthalten ſein kann.


Eine Löſung von ganz reinem Fuchſin wird von wäſſeriger ſchwef-
liger
Säure nahezu vollſtändig entfärbt, während unreines Fuchſin unter
denſelben Verhältniſſen ſchmutziggelbe bis braune Löſungen gibt.


Die Prüfung geſchieht durch Probefärben. Die Färbekraft des Fuch-
ſins iſt eine ganz außerordentliche; im Durchſchnitt ſind Färbungen von ⅓
bis ½ Prozent Stärke üblich. — Bisweilen findet es ſich verunreinigt mit
Chryſoidin oder Methylviolett. Chryſoidin wird durch Aufſtreuen des
feingepulverten Fuchſins auf konzentrierte Salzſäure erkannt: das reine
Fuchſin färbt ſich dabei gelb, das Chryſoidin ponceaurot. Methylvio-
lett
wird durch Zuſatz von ein wenig ſalpetrigſaurem Natron und Eſſigſäure
zur Fuchſinlöſung erkannt: bei reinem Fuchſin wird die Löſung gelb bis grün-
lichgelb, bei Anweſenheit von Methylviolett blau oder bläulich. — Mit
Abfallprodukten der Fabrikation verunreinigtes Fuchſin löſt ſich ſchwerer in
Waſſer und bedarf zur Löſung eines geringen Zuſatzes von Eſſigſäure.


Anwendung. Fuchſin färbt Wolle und Seide direkt aus neutralem
Bade, ohne Zuſatz einer Beize. Bei Verwendung von hartem Waſſer iſt
Zuſatz des doppelten Gewichts Eſſigſäure zum Bade nötig; bei Seide em-
pfiehlt ſich ein ſchwaches Baſtſeifenbad mit Zuſatz von etwas Eſſigſäure. —
Baumwolle und Leinen wird zuvor mit Tannin und Brechweinſtein gebeizt.
Jute wird ungebeizt gefärbt. — Fuchſin wird auch mit andern Farbſtoffen
direkt vermiſcht und kommt in derartigen Miſchungen in den Handel; ſo mit
Chryſoidin gemiſcht als Kardinal, Ruſſiſchrot, mit Methylviolett als
Primula, mit Auramin als Fuchſinſcharlach. — Soll beim Färben
Fuchſin mit andern künſtlichen Farbſtoffen kombiniert werden, ſo müſſen dieſe
natürlich gleichfalls neutralfärbende oder höchſtens ſchwach ſaure ſein. — Die
Färbungen mit Fuchſin ſind ſehr lichtunecht und nicht walkecht. Kertész
empfiehlt beim Färben mit Fuchſin einen Zuſatz von Bitterſalz (3 Prozent
vom Gewicht des Gewebematerials); der Farbſtoff ſoll dadurch langſamer an-
gehen und lebhafter werden. Die Färbung auf Baumwolle mittels Tannin
und Brechweinſtein iſt waſchecht.


2. Ceriſe iſt ein Nebenprodukt der Fuchſinfabrikation; man betrachtet
es allgemein als „unreines Fuchſin“; es enthält meiſt Phosphin. Es iſt
in Waſſer wie in Alkohol minder leicht löslich, wie Fuchſin und bedarf zur
Löſung eines Eſſigſäurezuſatzes. Ceriſe gibt eine mehr gelbliche Nüance und
iſt nicht ſo leuchtend, als Fuchſin; es wird nur für billigere Artikel verwendet.
Die Farbſtofflöſungen müſſen vor dem Gebrauch filtriert werden.


3. Grenadin, gleichfalls ein Nebenprodukt der Fuchſinfabrikation, dem
Ceriſe naheſtehend, gibt etwas dunklere Nüancen und iſt matter; wird wie
Ceriſe angewendet, auch zum Abdunkeln neben Fuchſin gebraucht. Ceriſe
und Grenadin kommen auch unter dem Namen Fuchſin J, Grenadin J,
Crimſon, Juchtenrot
, in den Handel.


[165]

4. Marron, Baumwollbordeaux; ein durch Fällung mit Aetz-
natron aus den Fuchſinmutterlaugen gewonnenes Rückſtandsprodukt; es iſt in
Waſſer ſelten klar löslich, ſondern erfordert einen Zuſatz von Salzſäure zur
völligen Löſung. Es gibt rotbraune Farbentöne und iſt bedeutend matter
als die vorigen; kommt in Stücken, oder als Pulver, bisweilen auch als
Teig in den Handel. Anwendung wie bei Ceriſe, aber zu dunkleren Nüancen,
und zu minderwertigen Waren. — Eine Miſchung aus Marron und Methyl-
violett führt den Namen Corinth. — Andere unreine, meiſt Phosphin
enthaltende, Fuchſinſorten kommen unter den Namen Geranium und
Juchtenrot in den Handel.


b) Triphenylmethan-Farbſtoffe.

Hierher gehören eine Anzahl von Farbſtoffen, welche man noch vor
kurzem unter dem Sammelnamen „Safranin“ vereinigte, und andere,
welche dieſen durch ihren Bau und ihr Verhalten nahe ſtehen. Die be-
treffenden Farbſtoffbaſen ſind hier das Dimethyldiamido-Toluphenazin
und das Phenylphenazin. Hierher gehören:


1. Toluylenrot, Neutralrot, ſalzſaures Dimethyldiamido-Tolu-
phenazin. Dieſer neue Farbſtoff iſt zuerſt von O. N. Witt dargeſtellt, und
wird jetzt als faſt chemiſch reines Produkt von Caſſella \& Comp. auf den
Markt gebracht. Er wird dargeſtellt durch Erhitzen einer wäſſerigen ange-
ſäuerten Löſung von Toluylenblau zum Kochen. Es iſt ein dunkel ſchwarz-
grünes Pulver. Die wäſſerige Löſung iſt karmoiſinrot; Natronlauge fällt
daraus die Farbbaſe als gelbbraunen Niederſchlag; Ammoniak fällt orange-
farbene Flocken, welche von Aether rot mit gelber Fluorescenz aufgenommen
werden. — Es exiſtiert auch noch ein homologes „einfachſtes“ Toluylenrot,
ſalzſaures Diamido-Toluphenazin von der Formel C13 H14 N4 · HCl. Das
Toluylenrot findet Anwendung in der Baumwollenfärberei zur Erzeugung
einfacher oder zuſammengeſetzter roter Nüancen unter Benutzung des Tannin-
Brechweinſteinverfahrens; auf Wolle und Seide wird es ſeiner Lichtunecht-
heit wegen nicht angewendet.


2. Safranin, Safraninrot, ſalzſaures Phenylphenazin. Die Dar-
ſtellung des Safranins iſt der des Fuchſins ſehr ähnlich; ſie geſchieht durch
Oxydation von Orthoamidoazotoluol in Gegenwart von Toluidin. Techniſch
wird das Safranin durch Oxydation eines Baſengemiſches von je 1 Mol.
Paratoluylendiamin, Orthotoluidin und Anilin (ein ſolches kommt im Handel
unter dem Namen „Anilin für Safranin“ vor) mittels Kaliumdichromat ge-
wonnen. Das Safranin des Handels kommt teils als ponceaurotes Pulver, teils
als braune Kryſtalle, teils in Teigform vor. Es löſt ſich in heißem Waſſer
ohne Rückſtand; ſchwerer lösliches Safranin wird durch Befeuchten mit
etwas Alkohol löslich gemacht; in Alkohol iſt es ſehr leicht löslich. Die
Löſung wird durch Natronlauge mit braunroter Farbe gefällt; Säurezuſatz
bewirkt keine Fällung; Zinkſtaub entfärbt die Löſung, bei Luftzutritt ſtellt
ſich die urſprüngliche Farbe ſchnell wieder ein. — Anwendung findet es vor-
nehmlich in der Baumwollenfärberei als Erſatz des Safflors, ſeltener für
Seide, faſt gar nicht auf Wolle. Die Art der Anwendung iſt dieſelbe wie
beim Fuchſin. Die mit Safranin erzeugten Töne ſind nicht lichtecht, die auf
gebeizter Baumwolle aber waſchecht, auch etwas lichtechter. Es findet auch
Verwendung zur Imitation und zum Nüancieren von Alizarinrot, muß
[166] dann aber, da die Nüance des Safranins etwas blauſtichig iſt, mit kleinen
Mengen Auramin oder Flavanilin nüanciert werden.


Das Safranin kommt vielfach mit gelben Farbſtoffen vermiſcht in den
Handel. Solche Gemiſche führen z. B. die Namen Baumwollponceau,
Baumwollſcharlach, Echtrot, Neurot, Ponceau B, Ponceau G,
Safraninſcharlach
. Zum Vermiſchen wird meiſt Chryſoidin angewendet.
Auch beim Färben laſſen ſich durch Nüancieren mit neutralen gelben Farb-
ſtoffen alle Nüancen von Türkiſchrot, Ponceau und Scharlach herſtellen,
andererſeits durch Kombinieren (beſonders mit Methylenblau) echte violette
Töne erzielen.


Außer dem vorſtehenden Safranin gibt es noch eine Anzahl andere Farb-
ſtoffe, welche in dieſe Kategorie gehören und ſich ſchon durch ihre Namen
als ſolche charakteriſieren: Phenoſafranin, Toluſafranin, Dimethylſafranin
(Fuchſia d. Geſ. f. chem. Induſtrie in Baſel), Methyläthylſafranin. Dieſe
verhalten ſich ähnlich wie das vorbeſchriebene Safranin, und werden auch
ähnlich verwendet. Die Methyl- und Aethylſafranine haben ſchon mehr vio-
lette Töne; von dieſen war das Tetraäthylphenoſafranin einige Zeit hindurch
als Amethyſt ſtark im Gebrauch; ein ähnliches Produkt iſt Giroflé.
Ueber den methylierten Safranin ſ. neutrale violette Farben.


3. Magdalarot, Naphtalinroſa, Roſonaphtylamin, Su-
danrot, Naphtalinſcharlach
, ſalzſaures Diamido-Naphtyl-Naphtazin;
bildet ſich beim Erhitzen von α-Amidoazonaphtalin mit eſſigſaurem α-Naph-
talin in nur geringen Mengen. Es iſt daher ſelten und teuer und kann
nur beſchränkte Anwendung für helle roſa Töne in der Seidenfärberei fin-
den. Es ſtellt ein ſchwarzbraunes, undeutlich kryſtalliniſches Pulver vor, in
reinem Zuſtande grünglänzende, große Nadeln, welche ſich in Waſſer ſchwer,
in Alkohol leicht löſen. Die alkoholiſche Löſung iſt blaurot und zeigt eine
prachtvoll zinnoberrote Fluorescenz. Dieſer Dichroismus teilt ſich auch den
mit Magdalarot gefärbten Faſern mit, und tritt beſonders ſchön auf Seide
hervor, wenn nur lichte Töne aufgefärbt wurden. Die Anwendung auf
Seide geſchieht in einem ſchwachen Baſtſeifenbade. Die Färbungen ſind
weſentlich echter, als die mit Fuchſin oder Safranin, beſonders gegen ver-
dünnte Säure, weniger gegen Licht.


c) Chinolinfarbſtoffe.

Der einzige rote Farbſtoff dieſer Klaſſe iſt das Chinolinrot, ein
neuerer und noch wenig bekannter Farbſtoff. Die Farbſtoffbaſe iſt das
Iſochinolin. Dieſen Farbſtoff, welchen E. Jacobſen zuerſt entdeckte, hat
A. W. Hofmann jüngſt vorteilhaft darſtellen gelehrt und zwar durch
Erhitzen gleicher Moleküle Benzotrichlorid, Chinolin und Iſochinolin in
Gegenwart von Chlorzink. Das Chinolinrot bildet dunkelbraunrote, bronze-
glänzende Nädelchen, löſt ſich mit karminroter Farbe in Alkohol, die ver-
dünnte Löſung zeigt eine prächtig feuerrote Fluorescenz, die auch beim
Färben auf Seide erhalten bleibt. Das Chinolinrot löſt ſich in Schwefel-
ſäure farblos auf, beim Verdünnen jedoch bringt jeder Tropfen Waſſer
eine intenſive Rotfärbung hervor, welche beim Umrühren wieder verſchwindet;
bei genügender Verdünnung wird die ganze Flüſſigkeit tief fuchſinrot. Die
Anwendung geſchieht ganz wie beim Magdalarot.


[167]
§ 67. Schwach ſaure rote Farbſtoffe.

Hier kommen nur zwei Kategorien von Farbſtoffen in Betracht, welche
wir bei den baſiſchen und neutralen nicht kennen gelernt haben. Bei dieſen
Verbindungen haben wir es nicht mehr mit einer Farbſtoffbaſe oder mit
deren Salzen zu thun; vielmehr zeigen die Farbſtoffe hier bereits ſaure
Eigenſchaften; vielfach ſind es ſaure ätherartige Verbindungen, welche in
Form von Kali- oder Natronſalzen in den Handel kommen. Sie ſind ſämt-
lich in Alkalien leicht löslich.


a) Phtaleïne.

Als Phtaleïne oder Reſorcinfarbſtoffe bezeichnet man eine Reihe
von Farbſtoffen, welche anfänglich Eoſine genannt wurden. Die ſämtlichen
Farbſtoffe der Eoſingruppe ſind Abkömmlinge des Fluoresceïns, welches
durch Zuſammenſchmelzen von 3 Teilen Phtalſäureanhydrid mit 4 Teilen
Reſorcin bei 195° gewonnen wird. Die Eoſine (mit Ausnahme des Tetra-
jodfluoresceïns) zeichnen ſich durch die gelbe bis grüne Fluorescenz der
ammoniakaliſchen rot gefärbten Löſung aus, welche jedoch auf Zuſatz einer
Säure verſchwindet. In kalter Schwefelſäure geben ſie ſchwach gelb-
liche Löſungen (Unterſchied von den Azofarbſtoffen). Mit Thonerde-, Zinn-
und Bleiſalzen geben ſie Farblacke. Die Eoſine löſen ſich zum Teil in
Waſſer, zum Teil nur in Alkohol. Sie wurden wegen ihrer reinen Nüancen
und ihres Luſtres bis vor kurzem vielfach angewendet, ſind aber durch die
lichtechteren Azofarbſtoffe mehr und mehr verdrängt worden.


1. EoſinA (Bad. Anil.- u. Sod.-Fabr.); Eoſin GGF (Caſſella),
Eoſin gelblich
(Akt. f. Anilinfabr.); Waſſerlösliches Eoſin (M. L. \& B.),
iſt das Kali- oder Natronſalz des Tetrabromfluoresceïns. Es wird durch
Einwirkung von Brom oder Bromwaſſer auf in Eſſigſäure gelöſtes Fluores-
ceïn erhalten; es ſcheidet ſich dabei als rote kryſtalliniſche Maſſe ab. Die
Alkaliſalze ſind in Waſſer leicht löslich. Die Löſungen ſind roſa
mit ſtark gelbgrüner Fluorescenz. Verdünnte Mineralſäuren fällen daraus
Tetrabromfluoresceïn als gelben Niederſchlag aus. — Anwendung. Das
gewöhnliche Eoſin gibt eine rotorange Nüance und wird vorwiegend auf
Seide angewendet, worauf die brillanten Nüancen der Eoſine zu voller Gel-
tung kommen. Man färbt in einem ſchwach mit Eſſigſäure angeſäuerten
Baſtſeifenbade. Auf Wolle wird Eoſin ſeltener verwendet; auf Baum-
wolle nach vorherigem Beizen mit Alaun, eſſigſaurer Thonerde, Zink- oder
Bleiſalzen. Dabei geben die Thonerdebeizen einen gelblichen, die Bleibeizen
einen mehr bläulichen Ton; die Fixierung iſt aber wenig feſt.


2. Erythroſin (M. L. \& B.), EoſinJ (Bad. Anil.- und Sodaf.)
ErythroſinB (Akt.-Geſ. f. Anil.-Fabr.), PyroſinB, Primerose soluble,
iſt das Kaliumſalz des Tetrajodfluoresceïns; es wird wie Eoſin dargeſtellt,
nur daß an Stelle von Brom Jod angewendet wird. Es iſt ein braunes,
in Waſſer mit kirſchroter Farbe lösliches Pulver. Die Löſung in Waſſer
fluoresciert nicht. — Anwendung wie bei Eoſin; die damit erzielten Nüan-
cen ſind mehr bläulichrot; auf Baumwolle gibt es ein lebhaftes Roſa.


[168]

3. EoſinBN (Bad. Anil.- u. Sodafabr.), Safroſin (Akt.-Geſ. f. chem.
Induſt.), Eoſinſcharlach B (Caſſella), Methyleoſin (Akt. f. Anil.-Fabr.)
iſt das Natriumſalz des Dibromdinitrofluoresceïns. Es iſt ein braunes kryſtalli-
niſches Pulver, in Waſſer leicht mit gelbroter Farbe löslich; die rein wäſſerige
Löſung beſitzt keine Fluorescenz, eine Löſung in 50proz. Alkohol zeigt eine
ſchwache Fluorescenz. Man erzielt damit auf Seide und Wolle ein geſättigtes
Ponceau. Als Miſchungen mit Eoſin BN kommen einige Farbſtoffe in den
Handel, und zwar iſt Nopalin oder Kaiſerrot eine Miſchung mit Bi-
nitronaphtol, Coccin eine Miſchung mit Aurantia und Lutecienne eine
Miſchung mit Di- und Tetranitrofluoresceïn. Dieſe Miſchungen geben
orangerote Töne. — Die naheverwandten Farbſtoffe Rubeoſin und
Aureoſin kommen im Handel nicht mehr vor.


4. Phloxin iſt das Kaliumſalz des Tetrabromdichlorfluoresceïns. Es
wird erhalten, wenn man Dichlorphtalſäureanhydrid mit Reſorcin zuſammen-
ſchmilzt und nun das ſo gewonnene Dichlorfluoresceïn in gleicher Weiſe, wie
oben beim Eoſin das reine Fluoresceïn, mit Brom behandelt. Es iſt ein
braungelbes Pulver, in Waſſer mit kirſchroter Farbe löslich, leicht löslich in
einer Miſchung aus gleichen Teilen Alkohol und Waſſer; die Löſung iſt durch
große Fluorescenz ausgezeichnet. — Anwendung wie bei Eoſin. Die
Färbungen auf Seide ſind noch etwas blauer und lebhafter als mit Ery-
throſin; Wolle wird bläulichrot gefärbt ohne Fluorescenz.


5. Bengalroſa, Rose bengale, iſt das Natriumſalz des Tetrajod-
dichlorfluoresceïns, und wird durch Behandeln von Dichlorfluoresceïn mit
Jod in gleicher Weiſe, wie beim Phloxin mit Brom gewonnen. Braunes
Pulver, in Waſſer leicht löslich mit kirſchroter Farbe ohne Fluorescenz, gibt
noch etwas blauere Nüancen wie Phloxin. Ein ganz ähnlicher Farbſtoff iſt
Rose bengale B.


6. Methyleoſin (Monnet \& Comp.), Erythrin, Spritlösliches
Eoſin
(Bad. Anil.- u. Sodafabr.), iſt das Kaliumſalz des Tetrabromfluores-
ceïn-Methyläthers. Man erhält es durch Behandeln von Eoſin mit Methyl-
alkohol und Schwefelſäure. Grünglänzendes Pulver oder Blättchen. Es
löſt ſich ſchwer in kaltem, leichter in kochendem Waſſer und in 50prozentigem
Alkohol mit kirſchroter Farbe und gibt gelbere und lebhaftere, auch be-
ſtändigere Nüancen, als das gewöhnliche, waſſerlösliche Eoſin.


7. Aethyleoſin, Primeroſe-Aethyleoſin, RoſeJB, EoſinS
(Bad. Anilin- u. Sodafabr.), iſt das Kaliumſalz des Tetrabromfluoresceïn-
Aethyläthers. Es wird in gleicher Weiſe wie Methyleoſin gewonnen, nur daß
man ſtatt Methylalkohol Aethylalkohol verwendet. Braunes, mit grünen
Kryſtällchen vermiſchtes Pulver. Löſt ſich wie Methyleoſin, die Nüance iſt
aber mehr gelblichrot.


8. Cyanoſin, Methylphloxin, iſt das Kaliumſalz des Tetrabromdi-
chlorfluoresceïn-Methyläthers und wird aus Phloxin mit Methylalkohol und
Schwefelſäure gewonnen in gleicher Weiſe, wie das Methyleoſin aus Eoſin.
Braunrotes Pulver, in kaltem Waſſer unlöslich, in kochendem wenig löslich.
Löſt ſich wie Phloxin. Die Nüance iſt ziemlich gleich der des Erythroſins,
aber bedeutend lebhafter. — Die 3 letzten finden nur in der Seidenfärberei
[169] Verwendung; der Farbſtoff wird in 50prozentigem Alkohol gelöſt und dem
mit Eſſigſäure angeſäuerten Farbbade in einzelnen Portionen zugeſetzt.


9. Rhodamin. Unter dieſem Namen bringt die Badiſche Anilin-
und Sodafabrik ſeit einem Jahre einen neuen Farbſtoff in den Handel,
welcher das Phtaleïn des Diäthylmetaamidophenols iſt. Es ſind grüne
Kryſtalle oder ein rötlich violettes Pulver. Ueber deſſen Eigenſchaften wird
mitgeteilt, daß es auf Wolle und Seide ein Roſa von ſehr reiner Nüance
und großer Fluorescenz liefert. Vor den ſeitherigen, in Nüance naheſtehen-
den Roſafarben, Rose bengale und Phloxin, zeichnet ſich das Rhodamin
durch eine ſehr gute Lichtbeſtändigkeit aus, die ſich ſelbſt in den hellſten
Nüancen noch bewährt. Auf Wolle widerſteht die Farbe einer ziemlich
kräftigen Walke. Der Farbſtoff iſt in Waſſer leicht löslich. Wolle wird
entweder ohne Zuſatz oder in ſaurem Bad mit Glauberſalz und Schwefel-
ſäure kochend gefärbt. Seide kann ebenfalls ohne Zuſatz oder in ſaurem Bad
oder in gebrochenem Baſtſeifenbad gefärbt werden; eine ſchwach ſaure Reaktion
befördert aber das Aufgehen. Die Farbe geht langſam auf die Faſer,
weshalb ſie ſehr gut egaliſiert; die Bäder ziehen nicht aus. Auch auf Baum-
wolle kann Rhodamin gefärbt werden, ſei es mit eſſigſaurer Thonerde oder
auf eine Beize von Tannin und Brechweinſtein, doch iſt die Lichtechtheit auf
der Baumwollfaſer keine hervorragende. Immerhin iſt ſie beſſer als bei
Phloxin oder Rose bengale; ſie kommt ungefähr der des Safflorkarmins gleich.


b) Anthracenfarbſtoffe.

Unter dieſem Namen ſind alle diejenigen Farbſtoffe zu verſtehen, welche
ſich von dem Kohlenwaſſerſtoff Anthracen, C14 H10, ableiten. Dieſer
Körper findet ſich in den höchſtſiedenden Anteilen der Deſtillation des Teeres
(vergl. § 61, Teerdeſtillation), vorzugsweiſe in den bei 320 bis 360° über-
gehenden Anteilen, welche dickflüſſig ſind und früher unter dem Namen
Grünöl als Schmiermittel verwendet wurden. Dieſes enthält etwa 20 Pro-
zent Anthracen. Durch Ausſchleudern in der Centrifuge und darauf folgen-
des Preſſen zwiſchen heißen Platten wird das Rohanthracen gewonnen,
welches 45 bis 60 Prozent Reingehalt hat; es wird dann weiter fein zer-
teilt und mit Steinkohlenteerbenzin extrahiert; das Zurückbleibende wird von
neuem ausgeſchleudert und heiß gepreßt. Das ſo gewonnene Produkt iſt
das techniſche Anthracen. Es iſt noch keineswegs reines Anthracen,
enthält vielmehr noch nicht unbedeutende Anteile von Phenanthren und Carb-
azol, welche jedoch für ſeine Verarbeitung auf Alizarin nicht hinderlich ſind.
Zur Bereitung von Alizarin muß es zunächſt in Anthrachinon überge-
führt werden, ein Oxydationsprodukt des Anthracens von der Formel
C14 H8 O2. Dieſes geſchieht durch Oxydation des durch Sublimation mit
heißem Waſſerdampf zuvor in fein verteilten Zuſtand gebrachten techniſchen
Anthracens mit Kaliumdichromat und Schwefelſäure; das gewonnene Anthra-
chinon wird durch Behandeln mit rauchender Schwefelſäure in Anthrachi-
nonſulfoſäure
verwandelt. Dieſe iſt das Ausgangsprodukt nicht allein
zur Herſtellung des Alizarins, ſondern auch aller übrigen Anthracen-
farbſtoffe.


1. Alizarin, Anthracenrot, Dioxyanthrachinon. Das Alizarin
iſt längſt bekannt; man kannte dafür aber keine andere Herſtellungsweiſe, als
die aus dem Krapp (ſ. § 27); auch über die chemiſche Natur des Alizarins
[170] wußte man bis vor 20 Jahren faſt nichts, man kannte nur ſeine empiriſche
Zuſammenſetzung C14 H8 O4. Erſt als Graebe und Liebermann 1868
gefunden hatten, daß das natürliche Krappalizarin bei der Deſtillation mit
Zinkſtaub Anthracen liefert, war der Weg zur künſtlichen Herſtellung des
Alizarins vorgezeichnet und 1869 wurde dasſelbe von dieſen Forſchern zuerſt
fabrikmäßig dargeſtellt.


Darſtellung. Die Anthrachinonſulfoſäure iſt, je nach dem Gewichts-
verhältnis von Anthrachinon und Schwefelſäure, je nach der Stärke der
Schwefelſäure, der Temperatur und der Dauer der Einwirkung eine Miſchung
von mehr Anthrachinondiſulfoſäure mit weniger Anthrachinonmonoſulfoſäure.
Die Erfahrung hat aber gezeigt, daß nur die Monoſulfoſäure ein reines
Alizarin zu geben vermag, während die Diſulfoſäure ein mit wechſelnden
Mengen von Flavopurpurin und Anthrapurpurin verunreinigtes Alizarin gibt.
Das Hauptaugenmerk iſt daher auf Gewinnung einer Anthrachinonſulfoſäure
mit möglichſt hohem Monoſulfoſäuregehalt zu richten. Man erreicht das am
beſten durch gelindes Erwärmen gleicher Gewichtsteile Anthrachinon und
Schwefelſäureanhydrid und Erhöhen der Temperatur im Oelbade bis auf
160°. Nach einſtündiger Einwirkung gießt man das Reaktionsprodukt in
kochendes Waſſer, erhitzt noch einige Zeit zum Sieden, ſcheidet das noch
etwa 25 Prozent betragende ungelöſte Anthrachinon durch Filtrieren ab und
neutraliſiert das Filtrat mit Natronlauge. Dabei fällt das anthrachinon-
monoſulfoſaure Natrium in weißen Blättchen aus, während das diſulfoſaure
Salz in Löſung bleibt. Auf dieſe Weiſe erhält man annähernd 50 Prozent
des in Arbeit genommenen Anthrachinons in Form von Anthrachinon-
Natriummonoſulfat, welches durch Umkryſtalliſieren gereinigt erhalten werden
kann. Dieſes Salz wird ſodann mit dem 3 bis 4fachen Gewicht Aetznatron
unter Zuſatz von etwas chlorſaurem Kali geſchmolzen — wobei Alizarin-
natron
und Glauberſalz entſteht —, die Schmelze in Waſſer gelöſt und
mit Salzſäure neutraliſiert, gut ausgewaſchen und abgepreßt, und endlich mit
Waſſer zu einer gleichmäßigen Paſte von ca. 20 Prozent Trockengehalt an-
gerührt. Ein derartiges Fabrikat würde ein faſt reines Alizarin vorſtellen.


Eigenſchaften. Das in den Handel kommende Alizarin en pâte iſt
ein gelb ausſehender Teig, welcher in Waſſer unlöslich iſt (das chemiſch
reine Alizarin löſt ſich in 3000 Teilen kochenden Waſſers), ſich aber in Alkalien
und Ammoniak mit blauvioletter Farbe leicht löſt. In Schwefelſäure löſt es ſich
mit braunroter Farbe auf und fällt beim Verdünnen mit Waſſer unverändert
wieder aus. Mit den Metallbaſen gibt es unlösliche oder ſchwerlösliche
Farblacke, von welchen die mit Thonerde- und mit Zinnoxydſalzen rot, die
mit Kalk- und Barytſalzen violett, die mit Eiſenbeize ſchwarzviolett bis ſchwarz
ſind*). Das chemiſch reine Alizarin bildet im waſſerfreien Zuſtande
orangerote Nadeln.


Das Alizarin des Handels, das ſogen. techniſche Alizarin,
iſt kein reines Alizarin, ſondern ein Gemiſch aus Alizarin, Flavopurpurin
und Anthrapurpurin. Iſt es nach der oben angegebenen Methode aus faſt
reinem anthrachinonmonoſulfoſaurem Natrium hergeſtellt, ſo heißt es blau-
ſtichiges Alizarin
oder AlizarinV. Dieſe Handelsmarke enthält
[171] entweder gar keine, oder nur geringe Beimengungen der beiden anderen
Farbſtoffe.


2. Flavopurpurin, AlizarinG 1. (Bad. Anilin- u. Sodafabr.);
AlizarinS D G (M. L. \& Br.)


3. Anthrapurpurin, AlizarinG D (Bad. Anilin- u. Sodafabr.),
AlizarinRX (M. L. \& Br.); AlizarinSXextra (Bayer \& Comp.).
Dieſe beiden Farbſtoffe ſind regelmäßige Begleiter des Alizarins. Sie bilden ſich
beide gleichzeitig, wenn man die Mutterlauge von der Bereitung des anthra-
chinonmonoſulfoſauren Natriums zur Trockne eindampft und den Rückſtand,
welcher neben geringen Mengen des Monoſulfats faſt ganz aus anthrachinon-
diſulfoſaurem Natrium beſteht, mit Aetznatron und etwas chlorſaurem Kali
ſchmilzt und die Schmelze im übrigen behandelt, wie oben bei der Bereitung
des Alizarins angegeben. Der ſo gebildete Teig von 20 Prozent Trocken-
gehalt enthält faſt nur Flavopurpurin und Anthrapurpurin und neben geringen
Mengen von Verunreinigungen nur wenig oder gar kein Alizarin. Das
Gemiſch dieſer beiden Farbſtoffe kommt als gelbſtichiges Alizarin oder
AlizarinG in den Handel. Durch Miſchen von Alizarin V mit Alizarin G
in verſchiedenen Verhältniſſen werden die dazwiſchen liegenden Nüancen her-
geſtellt und mit beſonderen Namen belegt. Wird das Alizarin in Teigform
nicht in wohlverſchloſſenen Gefäßen aufbewahrt, ſo trocknet es ein und ver-
liert dabei ſeine Löslichkeit und erlangt dieſe durch bloßes Anreiben mit
Waſſer nicht wieder. Um es wieder in die lösliche Form überzuführen,
muß es in verdünnter Natronlauge gelöſt werden; die alkaliſche Löſung wird
mit verdünnter Schwefelſäure neutraliſiert und die ausgefällte Maſſe mit
Waſſer mehrmals gewaſchen.


Das Anthra- und das Flavopurpurin kommen für Färbereizwecke niemals
geſondert in den Handel. Beide beſitzen die gleiche chemiſche Zuſammenſetzung
C14 H8 O5; im reinen Zuſtande bildet das Anthrapurpurin orangerote, das
Flavopurpurin gelbe Nadeln.


Eine Prüfung des Alizarins iſt nicht nötig; dasſelbe kommt wohl
kaum verfälſcht in den Handel.


4. Purpurin, Trioxyanthrachinon, Alizarin Nr. 6 (M. L. \&
Br.). Im Krapp findet ſich neben dem Alizarin noch ein zweiter Farbſtoff, das
Purpurin. Im techniſchen Alizarin iſt derſelbe nicht enthalten. Er kann
jedoch aus dem Alizarin künſtlich erhalten werden, entweder nach de Lalande
durch Erhitzen einer Löſung von trockenem Alizarin mit konzentrierter
Schwefelſäure auf 100° und Oxydation mit Braunſtein oder Arſenſäure,
oder nach Caro durch Erwärmen von α-Nitroalizarin mit Schwefelſäure.
Ueber die Eigenſchaften des Purpurins vergl. § 27. Es iſt ſo lichtempfind-
lich, daß eine Löſung in Alaunwaſſer, wenige Stunden dem Sonnenlicht
ausgeſetzt, vollſtändig verbleicht. Aus dieſem Grunde wird es im Großbe-
trieb nicht hergeſtellt.


Anwendung der Anthracenfarbſtoffe. Keiner der vorbeſchriebenen
Farbſtoffe kann direkt zum Färben benutzt werden; ſie bedürfen ſämtlich
eines Fixierungsmittels und erzeugen mit dieſem auf der Faſer ſchöne Farb-
lacke; insbeſondere gibt das Alizarin V mit einer ſchwachen Thonerdebeize
ein ſchönes Roſa, mit ſchwacher Eiſenbeize Violett, mit ſtarker Eiſenbeize
Schwarz, mit gemiſchter Thonerde- und Eiſenbeize Braun, mit Chrombeize
Puce (Bordeauxbraun). — AlizarinG gibt mit Thonerdebeize Rot; iſt
[172] dasſelbe unter Mitbenutzung von Oelbeize hergeſtellt, ſo heißt es Türkiſch-
rot
und bildet eine der echteſten Farben. Die Alizarine werden vorwiegend
zum Färben und Bedrucken von Baumwolle, ſeltener auf Wolle angewendet.
Alle mit den Alizarinen und Beizen erzeugten Farben ſind außerordentlich
echt im Verhalten gegen Licht, Luft, Seife, Walken ꝛc. Das Färben mit
künſtlichem Alizarin hat die alte Krappfärberei vollſtändig
verdrängt
. Ueber die Einzelheiten der Anwendung ſiehe im ſpeziellen Teil
unter Türkiſchrotfärberei.


5. Alizarinpulver*)W (Bayer \& Comp.), AlizarinWS (Bad.
Anilin- und Sodafabr.), iſt das Natronſalz der Alizarinmonoſulfoſäure,
C14 H7 O7 S Na, ein orangegelbes Pulver, in Waſſer leicht löslich mit gelber
Farbe. Färbt mit Thonerde gebeizte Wolle ſcharlachrot, mit Chrom gebeizte
bordeauxrot.


§ 68. Stark ſaure rote Farbſtoffe.

Die Vertreter der ſtark ſauren Farbſtoffe ſind in der Hauptſache aus
andern Farbſtoffen durch Behandeln mit Salpeterſäure (Nitro- oder Nitroſo-
farbſtoffe) oder Schwefelſäure (durch Sulfonieren) in anderweite Verbindungen
übergeführt, welche den Charakter einer Säure zeigen und die deshalb als
Farbſäuren aufzufaſſen ſind. Häufig ſind es jedoch nicht die Säuren als
ſolche, welche in den Handel kommen, ſondern Verbindungen derſelben teils mit
Alkalimetallen, teils auch mit organiſchen Baſen, bei denen jedoch der Ein-
tritt der Baſen den ſauren Charakter wenig oder gar nicht beeinträchtigt.
Die ſämtlichen ſauren Farbſtoffe ſind in Waſſer leicht, in Alkohol
dagegen nur wenig löslich
. Die Anzahl der ſauren Farbſtoffe iſt eine
ſehr große; die bei weitem größte Zahl gehört der Klaſſe der Azofarbſtoffe
an. Von den Vertretern anderer Farbſtoffklaſſen finden ſich unter den roten
Farbſtoffen nur noch je 1 Vertreter der Roſanilin- und der Roſolſäure-
farbſtoffe.


a) Roſanilinfarbſtoffe.

Der einzige Vertreter dieſer Klaſſe iſt das


FuchſinS, Säurefuchſin. Dieſer Farbſtoff beſteht aus einem
Gemenge der Roſanilindi- und Triſulfoſäure, welches man erhält, wenn man
Fuchſin mit rauchender Schwefelſäure auf 100 bis 170° erhitzt. Er kommt
in Form der ſauren Natronſalze dieſer Säuren in den Handel.


Das Säurefuchſin bildet ein grün glänzendes, in Waſſer leicht lös-
liches Pulver. Die Löſung wird durch Alkalien entfärbt, aber nicht gefällt.
Aether nimmt aus der alkaliſchen Flüſſigkeit nichts auf. Unreines Säure-
fuchſin kommt auch als Ceriſe S, Grénadine S und Marron S in den
Handel. — Anwendung. Säurefuchſin läßt ſich auf Wolle aus ſtark ſaurem
Bade ausfärben, iſt aber nur halb ſo ausgiebig wie gewöhnliches Fuchſin.
Es eignet ſich auch vortrefflich zum Nüancieren, ſowie zum Kombinieren
mit anderen ſauren Farbſtoffen, wie Säuregelb oder Indigokarmin ꝛc. Auf
Seide wird es aus einem mit Schwefelſäure verſetzten Baſtſeifenbade gefärbt.


[173]
b) Roſolſäurefarbſtoffe.

Dieſe Farbſtoffe ſtehen in naher Beziehung zu den Roſanilinen; wie
die Roſaniline baſiſche Triphenylmethanfarbſtoffe ſind, ſo die Roſolſäuren ſaure.
Der Hauptvertreter dieſer Gruppe iſt die


Roſolſäure, Aurin R, rotes Korallin, Päonin. Es iſt ein integriren-
der Beſtandteil des gelben Corallins und wird aus dieſem durch Erhitzen
mit Ammoniak unter Druck gewonnen. Im unreinen Zuſtande erhält man
es durch Erhitzen von Phenol mit Oxalſäure und Schwefelſäure auf 120
bis 130°. Im reinen Zuſtande beſteht es aus granatroten Kryſtallen von
blauem Schimmer, die ſich in Alkalien mit roter Farbe löſen. Anwendung
findet das Aurin in der Färberei ſeiner großen Empfindlichkeit gegen Licht,
Seife und Säuren wegen nur ausnahmsweiſe; dagegen wird es in der Woll-
und Kattundruckerei noch verwendet.


c) Azofarbſtoffe.

Sie waren bis zum Jahr 1876 ein unbekannter Begriff. Erſt ſeit-
dem O. N. Witt, und gleichzeitig, aber unabhängig von ihm, Caro im
genannten Jahre das Chryſoïdin entdeckten, beginnt dieſe neueſte Klaſſe der
Farbſtoffe eine mit jedem Jahre zunehmende Wichtigkeit zu erlangen. Heute
darf wohl mit Recht behauptet werden, daß — abgeſehen etwa von den Anthra-
cenfarbſtoffen — keine zweite Farbſtoffklaſſe von ſolcher Wichtigkeit für die
Färberei iſt, als die Azofarbſtoffe. Keine andere Farbſtoffklaſſe enthält ſo
viele Glieder und iſt ſo mannigfach, was Farbe anbelangt, wie die der Azo-
farbſtoffe. Nur Grün iſt nicht vertreten; ſonſt finden ſich alle Töne vom
Rot bis zum tiefſten Violett und Schwarz. Mehr als 100 Vertreter dieſer
Klaſſe befinden ſich heute auf dem Markt, und wenn man die Patentberichte
durchſieht, findet man ſämtliche Farbenfabriken an der Arbeit, den bisherigen
immer neue Azofarbſtoffe anzugliedern. Dieſe Thatſache wird dadurch leicht
verſtändlich, daß die Art ihrer Herſtellung eine verhältnismäßig einfache und
der Verlauf der Reaktion ein glatter iſt; vor allem maßgebend ſind die
Eigenſchaften dieſer Farbſtoffe: ſie ſind leicht löslich in Waſſer und färben
animaliſche Faſern ſubſtantiv, ohne Anwendung einer Beize. Dieſe Eigenſchaf-
ten beſitzen die Roſanilinfarbſtoffe zwar auch; dagegen zeichnen ſich die Azofarb-
ſtoffe durch große Echtheit gegen Licht, Luft und Säure, Seife und Walke aus.


Die Anzahl der Azofarbſtoffe iſt bereits eine ſo große, daß man nach
dem abweichenden Verhalten mehrerer derſelben die Klaſſe in 4 Gruppen
eingeteilt hat: Amidoazofarbſtoffe, Oxyazofarbſtoffe, Tetrazofarbſtoffe, Benzi-
dinfarbſtoffe. Wahrſcheinlich wird dieſe vorläufige Einteilung bald hinfällig
werden, zumal das Azoblau eigentlich ſchon einen Vertreter einer neuen
Gruppe darſtellt, und das neue Primulin, ſo verhältnismäßig wenig man
davon bis jetzt mit Sicherheit weiß, aller Wahrſcheinlichkeit nach gleichfalls
der Vertreter und der Ausgangspunkt für eine neue Gruppe werden zu
wollen ſcheint.


Was iſt nun aber ein Azofarbſtoff? Der Bedeutung des Wortes
nach ein „Stickſtofffarbſtoff“. In der That iſt der Stickſtoff gewiſſermaßen
der Kern, um den ſich das geſamte Uebrige anlagert. Es ſind Abkömm-
linge des Benzols, Toluols ꝛc., entſtanden durch Einwirkung von ſalpetriger
Säure auf deren Amide, Anilin, Toluidin, Xilidin u. ſ. w. Läßt man
z. B. auf ſalzſaures Anilin, in ſalzſäurehaltigem Waſſer gelöſt, bei niederer
Temperatur eine Löſung von ſalpetrigſaurem Natron unter lebhaftem Um-
[174] rühren einwirken, ſo bildet ſich Diazobenzolchlorid neben Chlornatrium
und Waſſer.


C6H5 · NH2 · HCl + HCl + Na NO2 = C6 H5 · N2 · Cl + Na Cl + 2 H2 O
Salzſaures Anilin Natriumnitrit Diazobenzolchlorid


Das Charakteriſtiſche an dieſem neuen Körper iſt der Stickſtoffkern,
aus zwei Stickſtoffatomen beſtehend, welche durch teilweiſe Selbſtbindung
ein Radikal mit 2 einwertigen freien Affinitäten bilden. Im Diazobenzol-
chlorid ſind an dieſen Stickſtoffkern einerſeits das Benzolreſt C6 H5, anderer-
ſeits das Chloratom angelagert. Solche Diazoverbindungen ſind noch keine
Farbſtoffe, vielmehr bilden ſich aus ihnen erſt durch Behandeln mit andern
Derivaten der aromatiſchen Reihe die eigentlichen Farbſtoffe. So bildet ſich
z. B. durch Einwirkung von Diazobenzolchlorid auf Metaphenylendiamin
des Chryſoidin:
C6 H5 · N2 · Cl + C6 H4 (NH2)2 = C6 H5 · N N · C6 H3 (NH2)2 + H Cl
Diazobenzolchlorid Metaphenylendiamin Chryſoidin Salzſäure


Das obengenannte Chryſoidin iſt zugleich ein Beiſpiel eines Amido-
azofarbſtoffes
.


Tritt z. B. an Stelle des Anilins das Xilidin und an Stelle des
Metaphenylendiamins die Naphtoldiſulfoſäure, ſo reſultiert das Xilidinrot
C6 H3 (CH3)2 · N = N · C10 H4 (SO3 H2)2 OH, ein Repräſentant der Oxyazo-
farbſtoffe
.


Kommt die Stickſtoffgruppe N = N zweimal vor, ſo entſtehen die
Tetrazofarbſtofe.


Unter den roten Azofarbſtoffen ſind Amidofarbſtoffe nicht vorhanden.
Dagegen ſind die übrigen Gruppen vertreten.


I.Oxy-Azofarbſtoffe.

Sie werden durch Einwirkung eines Phenols auf die Diazoverbindung
erhalten.


1. CochenilleſcharlachG iſt das Natriumſalz der Anilin-azo-
α-Naphtolmonoſulfoſäure, C6 H5 · N — N · C10 H5 · OH · SO3 Na. Ziegelrotes
Pulver, in Waſſer mit gelbroter Farbe löslich.


2. Ponceau 4 G B (Akt.-Geſ. f. Anilinf.); Croceïnorange
(B. \& Comp.), Brillantorange (M. L. \& Br.), iſt das Natriumſalz
der korreſpondierenden β-Sulfoſäure. Formel wie bei 1. Feurigrotes Pulver,
in Waſſer mit orangegelber Farbe löslich.


3. Ponceau 2 G. (Akt.-Geſ. f. Anilinf., M. L. \& Br.), iſt das
Natriumſalz der Anilin-azo-β-Naphtoldiſulfoſäure,
Feurigrotes Pulver, in Waſſer mit gelbroter Farbe löslich.


4. Orſeille-Erſatz (Akt.-Geſ. f. Anilinf.; Poirrier) iſt das Natrium-
ſalz der Nitranilin-azo-α-Naphtylaminſulfoſäure,
Brauner Teig, in Waſſer mit rotbrauner Farbe löslich.


5. Cochenilleſcharlach 2 R iſt das Natriumſalz der Toluidin-
azo-α-Naphtolmonoſulfoſäure, C6 H4 · CH3 · N — N · C10 H5 · O H · SO3 Na.
Zinnoberrotes Pulver, in kaltem Waſſer ſchwer, in heißem leicht mit gelb-
roter Farbe löslich.


6. PonceauG T (B. \& Comp.) iſt das Natriumſalz der Toluidin-
azo-α-Naphtoldiſulfoſäure, C6 H4 · CH3 · N — N · C10 H4 · O H · (SO3 Na)2.


[175]

7. PonceauR T (B. \& Comp.) iſt dem vorigen iſomer. Rotes
Pulver, in Waſſer mit gelbroter Farbe löslich.


8. Azococcin 2 R (Akt.-Geſ. f. Anilinf.) iſt das Natriumſalz der
Xilidin-azo-α-Naphtolmonoſulfoſäure,
Rotbraunes Pulver, in Waſſer ziemlich ſchwer löslich.


9. Cochenilleſcharlach 4 R iſt dem vorigen iſomer. Feurigrotes, in
Waſſer ſchwer lösliches Pulver.


10. WollſcharlachR, iſt das korreſpondierende Salz der Diſulfoſäure,
C6 H3 (CH3)2 · N — N · C10 H4 · O H · (SO3 Na)2. Eigenſchaften wie bei
vorigem.


11. ScharlachG R (Akt.-Geſ. f. Anilinf.), ScharlachR (B. \&
Comp.) iſt das Natriumſalz der Xilidin-azo-β-Naphtolmonoſulfoſäure. Formel
wie bei 8. Zinnoberrotes Pulver, in Waſſer mit rotgelber Farbe löslich.


12. PonceauG (B. \& Comp.) iſt das korreſpondierende Salz der
Diſulfoſäure. Formel wie bei 10.


13. ScharlachG (B. \& Comp.) iſt dem vorigen iſomer.


14. Ponceau 2 R (Akt.-Geſ. f. Anilinf.; M. L. \& Br.), Xilidin-
rot, Xilidinponceau
, iſt dem vorigen iſomer. Braunrotes Pulver, in
Waſſer leicht löslich.


15. Ponceau 3 R (Akt.-Geſ. f. Anilinf.), Cumidinrot, Cumidin-
ponceau
, iſt das Natriumſalz der φ-Cumidin-azo-β-Naphtoldiſulfoſäure,
Dunkelrotes Pulver, in Waſſer mit kirſchroter Farbe löslich.


16. Ponceau 3 R (M. L. \& Br.) iſt das Natriumſalz der Amido-
äthyldimethylbenzol-azo-β-Naphtoldiſulfoſäure,

17. CoccininB (M. L. \& Br.) iſt das Natriumſalz der Amido-ρ-
Kreſolmethyläther-azo-β-Naphtoldiſulfoſäure,
Eigenſchaften: wie bei 15.


18. Kreſolrot (Bad. Anilin- und Sodaf.) iſt das Natriumſalz der
Amido-ο-Kreſoläthyläther-azo-β-Naphtoldiſulfoſäure,

19. Buffalo-Rubin iſt das Natriumſalz der α-Naphtylamin-azo-α-
Naphtoldiſulfoſäure, C10 H7 · N — N · C10 H4 · O H · (SO3 Na)2. Braunes
Pulver, in Waſſer mit fuchſinroter Farbe löslich.


20. Naphtorubin (B. \& Comp.) iſt dem vorigen iſomer, löſt ſich aber
mit blauroter Farbe.


21. Kryſtallponceau 6 R(Caſſella), NeucoccinR (Akt.-Geſ. f.
Anilinf.), iſt das korreſpondierende Salz der β-Diſulfoſäure. Formel wie
bei 19. Bildet ſchön braunrote, goldig glänzende Kryſtalle, welche ſich in
Waſſer mit purpurroter Farbe löſen.


22. EchtrotB (Bad. Anilin- und Sodaf.), BordeauxB (Akt.-Geſ.
f. Anilinf.), iſt dem vorigen iſomer. Kommt als braunes Pulver in den
Handel und löſt ſich in Waſſer mit fuchſinroter Farbe.


[176]

23. Karminnaphte iſt β-Naphtylamin-azo-β-Naphtol,
Rotbraunes, in Waſſer unlösliches, in Alkohol lösliches Pulver.


24. Thiorubin (Dahl \& Comp.) iſt das Natriumſalz der Thio-ρ-
Toluidin-azo-α-Naphtoldiſulfoſäure,
Rotbraunes Pulver, in Waſſer mit fuchſinroter Farbe löslich.


25. Ponceau 3 G, (Bad. Anilin- und Sodaf.), Ponceau 3 J,
Scharlach 3 J, iſt das Natriumſalz des Aniſidinſulfoſäure-azo-β-Naphtols,

26. Echtrot, EchtrotA (Bad. Anilin- und Sodaf.), Roccellin,
Rauracienne, Ceraſine, Orcellin
Nr. 4, Rubidin, iſt das Natrium-
ſalz des Naphtionſäure-azo-β-Naphtols, C10 H6 · SO3 Na · N — N · C10 H6 · O H.
Braunrotes Pulver, in kaltem Waſſer wenig, in heißem leichter mit pon-
ceauroter Farbe löslich.


27. AzorubinS (Akt.-Geſ. f. Anilinf.), EchtrotC (Bad. Anilin-
und Sodaf.), Karmoiſin (B. \& Comp.), iſt das Natriumſalz der
Naphtionſäure-azo-α-Naphtolmonoſulfoſäure,
Braunes Pulver, in Waſſer mit fuchſinroter Farbe löslich.


28. Croceïn 3 B X (B. \& Comp.) iſt das korreſpondierende Salz der
β-Naphtolmonoſulfoſäure. Formel wie bei 27. Scharlachrotes Pulver, in
Waſſer mit gelbroter Farbe löslich.


29. EchtrotE (Bad. Anilin- und Sodaf.; B. \& Comp.), Echtrot
(Akt.-Geſ. f. Anilinf.), iſt dem vorigen iſomer. Rotbraunes Pulver, in Waſſer
mit bordeauxroter Farbe löslich.


30. Neucoccin (Akt.-Geſ. f. Anilinf.), Brillantponceau (Caſſella),
Cochenillerot
A (Bad. Anilin- und Sodaf.), iſt das Natriumſalz der
Naphtionſäure-azo-β-Naphtoldiſulfoſäure,
Scharlachrotes, in Waſſer leicht lösliches Pulver.


31. EchtrotD (Bad. Anilin- und Sodaf.), BordeauxS (Akt.-Geſ.
f. Anilinf.), Amaranth, (M. L. \& B.; Caſſella), Azoſäurerubin 2 B
(Dahl), iſt dem vorigen iſomer. Rotbraunes Pulver, in Waſſer mit fuchſin-
roter Farbe löslich.


32. Ponceau 6 R (M L. \& Br., Bad. Anilin- und Sodaf.), iſt das
Natriumſalz der Naphtionſäure-azo-β-Naphtoltriſulfoſäure,
Braunes Pulver, im Waſſer mit fuchſinroter Farbe löslich.


33. DoppelbrillantſcharlachG (Akt.-Geſ. f. Anilinf.), Orange-
rot
I, iſt das Natriumſalz des β-Naphtylaminſulfoſäure-azo-β-Naphtols,
Rotbraunes Pulver, in Waſſer mit gelbroter Farbe löslich.


34. Doppelſcharlach extraS (Akt.-Geſ. f. Anilinf.), Brillant-
[177] ſcharlach, Brillantponceau
(B. \& Comp.), iſt das Natriumſalz der
β-Naphtylaminſulfoſäure-azo-α-Naphtolmonoſulfoſäure,
Eigenſchaften wie voriges.


35. Pyrotin (Dahl) iſt dem vorigen iſomer. Eigenſchaften wie 33.


Zwei weitere in dieſe Kategorie gehörige Farbſtoffe, Phenetolrot
(Coccinin), und Aniſolrot (Aniſidinponceau), kommen nicht mehr in den
Handel.


Die Reihenfolge, in der ich die vorſtehenden 35 Oxyazofarbſtoffe aufge-
zählt habe, harmoniert nicht mit den Namen derſelben. Es würde auf den
erſten Blick einleuchten, wenn ich Ponceau R, 2 R, 3 R, 4 R, 5 R, 6 R,
Ponceau G, 2 G, 3 G, 4 G u. ſ. w. aufeinander folgen laſſen würde.
Es ſcheint aber auch nur ſo; thatſächlich ſtehen in der vorſtehenden Reihen-
folge die Farbſtoffe von verwandter chemiſcher Zuſammenſetzung bei einander
und zwar ſo, daß mit den Abkömmlingen des Anilins begonnen iſt, und
daß dann die nächſt höheren homologen Glieder Toluidin, Xilidin, Cumidin,
bis ſchließlich zum Naphtylamin folgen.


Mehrfach finden wir die gleichen chemiſchen Formeln bei verſchiedenen
Körpern. Das iſt nicht etwa ein Irrtum; ſondern es ſind das ſehr nahe
verwandte Körper, welche genau aus den gleichen Gewichtsmengen derſelben
Beſtandteile zuſammengeſetzt ſind, bei denen aber doch die Art der Gruppierung
dieſer Beſtandteile eine abweichende iſt; die Abweichungen ſind jedoch mehr
phyſikaliſcher Natur; es ſind Unterſchiede in ihren Eigenſchaften, welche durch
die chemiſche Formel keinen Ausdruck finden können. Derartige Körper
werden iſomere genannt.


Wir erſehen aus dem bunten Durcheinander der Namen aber zugleich,
daß man durch die gleich oder ähnlich lautenden Namen keineswegs auf eine
gleiche oder ähnliche chemiſche Zuſammenſetzung ſchließen darf. Die Fabriken
verfahren da mit größter Willkür, und das ſchlimmſte iſt, daß oft ein und
derſelbe Name von verſchiedenen Fabriken für ganz verſchiedene Körper ge-
wählt wird; es erſchwert das den Bezug der Farbſtoffe, da es dann z. B.
vorkommen kann, daß man, wenn man den gleichen Farbſtoff unter demſelben
Namen bei 3 verſchiedenen Fabriken beſtellt, leicht 3 verſchiedene Farbſtoffe
bekommt.


Eigenſchaften. Die vorſtehenden Oxyazofarbſtoffe ſind ſämtlich Farb-
ſtoffe vom gelblichen Scharlach bis zum Bordeauxrot; alle ſind in Waſſer leicht
löslich, die Löſungen geben mit Natronlauge oder Ammoniak keinen Nieder-
ſchlag, werden dagegen von Chlorbaryum und Chlorcalcium gefällt. Durch
Zinnchlorür und Salzſäure werden ſie vollſtändig entfärbt.


Anwendung. Die Oxyazofarbſtoffe färben Wolle und Seide ſub-
ſtantiv, Baumwolle dagegen nicht. Wolle wird am beſten mit Natrium-
biſulfat und dem Farbſtoff in dem gleichen Bade ausgefärbt, indem man
mit der Ware bei 35 bis 40° R. eingeht und allmählich zum Kochen ſteigert
und etwa ¼ Stunde hindurch im Kochen erhält. (Natriumbiſulfat iſt
Glauberſalz und Schwefelſäure, von erſterem kann man etwa das 10fache
Gewicht des Farbſtoffes, von Schwefelſäure das Doppelte des Farbſtoffes
Ganswindt, Färberei. 12
[178] nehmen.) — Seide wird im mit Schwefelſäure angeſäuerten Baſtſeifen-
bade gefärbt; für eine normale Färbung genügen 1 bis 2 Prozent Farbſtoff. —
Baumwolle muß zuvor gebeizt werden; am beſten iſt zuerſt Behandeln
mit zinnſaurem Natron auf kaltem Bade, Auswinden, dann auf ein kaltes
Alaunbad, und dann Ausfärben in einer Löſung des Farbſtoffes unter Zu-
ſatz von Alaun bei 35 bis 40° R. Trocknen, ohne zu ſpülen. Die Farbe
iſt nicht waſchecht
. Etwas waſchechtere Färbungen erhält man durch
Vorbeizen mit Türkiſchrotöl und nachherigem Behandeln mit Alaun, im
übrigen wie oben. Die Oxyazofarbſtoffe ſind zur Baumwollenfärberei durch-
aus ungeeignet.


II.Tetrazofarbſtoffe.

1. Azococcin 7 B (Ver. chem. Fabr. Mannheim) iſt das Natrium-
ſalz der Amidoazobenzol-azo-α-Naphtolmonoſulfoſäure,
Braunes Pulver, in Waſſer ſchwer löslich.


2. CroceïnB iſt das Natriumſalz der Amidoazobenzol-azo-α-Naph-
toldiſulfoſäure, C6 H5 · N — N · C6 H4 · N — N · C10 H4 · O H · (SO3 Na)2.
Eigenſchaften wie bei a.


3. Brillant-CroceïnM (Caſſella \& Comp.) iſt dem vorigen iſomer.
Hellbraunes Pulver, in Waſſer mit kirſchroter Farbe löslich.

4. PonceauS, PonceauSSextra (Akt.-Geſ. f. Anilinf.), iſt dem
vorigen iſomer.


5. Ponceau 5 R, Scharlach 5 R, (M. L. \& Br.) iſt das Natrium-
ſalz des Azobenzolazotriſulfo-β-Naphtols,

6. Croceïn 3 B iſt das Natriumſalz der Amidoazotoluol-azo-α-Naph-
toldiſulfoſäure, C6 H4 · CH3 · N—N · C6 H3 · CH3 · N—N · C10 H5 · OH · (SO3 Na)2.
Dunkelbraunes Pulver, in Waſſer mit fuchſinroter Farbe löslich.


Tuchrot. Dieſer neue Farbſtoff der Firma K. Oehler in Offen-
bach wird durch Einwirkung von Diazoamidoazotoluol auf β-Naphtolſulfo-
ſäure gewonnen. Es kommt in 2 Marken in den Handel: Tuchrot B (bläu-
liche Nüance) und Tuchrot G (gelbliche Nüance).


7. TuchrotG iſt das Natriumſalz der Amidoazo-toluol-β-Naphtol-
monoſulfoſäure,

8. TuchrotB iſt das korreſpondierende Salz der Diſulfoſäure,

Er eignet ſich nur für Wolle, ihm kommt aber die vorzügliche Eigen-
ſchaft zu, ſich leicht und bequem mit allen Holzfarben und Farbholzextrakten
kombinieren zu laſſen und damit ſehr licht- und walkechte Farben zu geben,
ſo daß damit gefärbte loſe Wolle mit Weiß verſponnen und verwebt werden
kann, ohne in der Walke zu bluten. Die Fixierung geſchieht nach Angabe
des Fabrikanten am beſten mit chromſaurem Kali und Schwefelſäure, oder
mit Tannin reſp. Sumach. Hierüber ſchreibt die Deutſche Färber-Ztg. 1886,
Nr. 33: „Bei Chrombeizung ſiedet man für Reinrot unter 1 ½ bis 2 ſtün-
[179] digem Kochen mit 3 Prozent zweifach chromſaurem Kali und 3 Prozent
Schwefelſäure an. Für Miſchfarben empfiehlt es ſich, mit 3 Prozent zwei-
fach chromſaurem Kali, 1½ Prozent Kupfervitriol und 1½ Prozent
Schwefelſäure zu beizen, um manche Holzfarben, beſonders die mit Blau-
holz erzeugten, etwas lichtechter zu machen. Man paſſiert die gebeizten
Stücke oder Garne durch Waſſer, bei loſer Wolle iſt ein Begießen derſelben
in den Körben und Ausdrücken oder Centrifugieren der dem Boden zunächſt
liegenden naſſen Teile ratſam.


Zum Färben bediene man ſich möglichſt weichen Waſſers, bei hartem
Färbewaſſer treibe man den Keſſel vorher mit Kleie aus, oder verſetze das-
ſelbe mit 1/10 Prozent konzentrierter Eſſigſäure. Eine nicht zu große Härte
des Waſſers kann indeſſen auch dadurch weniger empfindlich gemacht werden,
daß man dem Farbbade vorerſt etwas Gerbſtoff (am beſten Sumach), und
dann erſt den Farbſtoff zuſetzt. Dieſen rührt man vorerſt mit heißem
Waſſer an und paſſiert die Brühe durch ein feines Haarſieb ins Färbebad.
Bei Miſchfarben kocht man das Gemenge von Gerbſtoff, Gelbholz und
Blauholz auf und fügt erſt danach das Tuchrot zu.


Beim Färben geht man womöglich nicht über 48° R. ein und ſteigert
langſam bis zum Kochen, das man bis zur Erzielung der gewünſchten
Nüance fortſetzt. Bei Hellrot gibt man bei Verwendung von Holzkufen
oder Zinnkeſſeln etwas Salmiakgeiſt, bei Kupferkeſſeln etwas eſſigſaures
Natron zu, um ein gleichförmiges Aufgehen und Durchfärben zu ermöglichen.
Zum Schluſſe kann etwas Eſſigſäure zugegeben werden, um die Nüancen
etwas intenſiver zu erhalten. Durch Anwendung der Marke B oder G in
Verbindung mit Gelbholz oder Blauholz, ohne oder mit darauf folgendem
Abdunkeln mittels Eiſenvitriol oder Kupfervitriol oder beiden, kann man alle
erdenklichen Nüancen vom brennenden Rot bis zum tiefen Schwarz erzielen.
Dabei gibt B mehr blaue, G mehr braune Farbentöne.


Bei Gerbſtoffbeizung geht das Oehlerſche Tuchrot auch direkt in
einem mit Tannin oder Sumach verſetzten Bade an. Die Färbung iſt licht-
echt, wird aber beim Walken blauer; die Walkechtheit ſteigt aber durch nach-
träglichen Zuſatz von Kupfer- und Eiſenvitriol. Bei Mitanwendung von
Blauholz erhält man dunkle Bordeaux-Nüancen, bei nachträglicher Anwen-
dung von Gelbholz entſtehen daraus braune Töne und die Farbe gewinnt
an Haltbarkeit. Um Braun auf einem Bade zu erzielen, kocht man
mit dem Gemiſch von Sumach, Gelbholz (ev. Blauholz) und Tuchrot
1½ Stunden an, kühlt etwas ab, gibt Kupfervitriol zu, kocht ¾ Stun-
den, kühlt wieder ab und dunkelt mit Eiſenvitriol ¾ Stunden lang
kochend, dann wird gut geſpült. Statt 30 bis 40 Teilen Sandel
oder Kaliatur hat man 1 Teil Tuchrot zu ſetzen, welches man dem Farbbade
erſt dann zufügt, wenn die übrigen Farbſtoffe darin aufgekocht worden ſind.
Da es indeſſen mit Eiſen nicht ſo ſtark dunkelt, wie Sandel und Kaliatur,
ſo nehme man dafür etwas mehr Sumach oder Blauholz. Es bleibt noch
hervorzuheben, daß es noch nach dem Zuſatz von Eiſen aufgeht, was bei
den Farbhölzern nicht der Fall iſt. Daher iſt es auch anwendbar zum
Auffetzen von mit Eiſen bereits gedunkeltem Sandelbraun. Auch verſchiedene
neue graue Modefarben (Drap, Schlammgrün ꝛc.) können mit Zuhilfenahme
von Tuchrot auf ähnliche Weiſe hergeſtellt werden.


Die Marke B gibt mit Küpengrund einen prächtigen Aufſatz, der in
jeder Beziehung, namentlich in Bezug auf Echtheit, entſchieden beſſer iſt, als
12*
[180] mit Orſeille und anderen Farben. Bei nicht zu walkenden Waren genügt
es, die angeblaute und gut geſpülte Ware mit einem Gerbſtoff (Gallus,
Sumach, Myrobalanen) und Tuchrot B anzukochen. Wird mit Eiſen geſchwärzt,
ſo erhält man ganz dunkle Nüancen, welche durch Zuſatz von Blauholz ins
Bläuliche nüanciert werden können. Oder man beizt die gebläute Ware
mit Chromalaun und Weinſtein mit oder ohne Kupfervitriol und färbt dann
mit Tuchrot B aus. Gedunkelt wird mit Blauholz oder durch Zuſatz von
Sumach und nachheriges Schwärzen mit Eiſenvitriol oder auch durch Kombi-
nation beider Methoden. Auch kann man vorher damit einen Grund
geben und hierauf mit einer gut ausgeſchärften Waidküpe ausfärben.
Um die Haltbarkeit der braunen Nüancen noch zu ſteigern, vermeidet
man die Mitanwendung von Blauholz und gibt dafür einen ent-
ſprechenden Grund auf der Indigoküpe. Hierauf wird dann entweder mit
Chromalaun, Kupfervitriol und Weinſtein gebeizt und mit Tuchrot und Gelb-
holz ausgefärbt, oder man färbt die geküpte Wolle mit Tuchrot, Sumach und
Gelbholz und dunkelt mit Kupfer- und Eiſenvitriol.


9. Echtſcharlach (Bad. Anilin- und Sodaf.), Doppelſcharlach, iſt
das Natriumſalz des Amidoazobenzolmonoſulfoſäure-azo-β-Naphtols,

10. Azorubin 2 S (Ver. chem. Fabr. Mannheim), Vereinsponceau,
iſt das iſomere Salz des α-Naphtols.


11. Croceïnſcharlach 3 B (B. \& Comp.); Ponceau 4 R B (Akt.-Geſ.
für Anilinf.), iſt das Natriumſalz des Sulfoazobenzolazoſulfo-β-Naphtols,

12. Biebricher Scharlach (Kalle \& Comp.) Ponceau 3 R B (Akt.-
Geſ. für Anilinf.), Azobenzolrot, Neurot, EchtponceauB, iſt das
Natriumſalz des Amidoazobenzoldiſulfoſäure-azo-β-Naphtols,

13. PonceauSextra (Akt.-Geſ. für Anilinf.), Echtponceau 2 B
(Bayer \& Comp.), iſt das Natriumſalz der Amidoazobenzoldiſulfoſäure-
azo-β-Naphtoldiſulfoſäure,

14. Croceïnſcharlach 7 B (B. \& Comp.), Ponceau 6 R B (Akt.-
Geſ. für Anilinf.), iſt das Natriumſalz des Sulfoazotoluolazoſulfo-β-Naphtols,

15. OrſeillinB B (B. \& Comp.) iſt das Natriumſalz der Amidoazo-
toluolſulfoſäure-α-Naphtolſulfoſäure. Formel wie bei 14. Braunes Pulver,
in Waſſer mit fuchſinroter Farbe löslich.


16. BordeauxG (B. \& Comp.) iſt dem Croceïnſcharlach 7 B iſomer.


17. BordeauxB (B. \& Comp.) iſt das Natriumſalz des Amidoazo-
xyloldiſulfoſäure-azo-β-Naphtols,

18. Azoorſeillin iſt das Natriumſalz der Benzidindisazo-α-Naphtol-
monoſulfoſäure,

19. Orſeillerot (Bad. Anilin- und Sodaf.) iſt das Natriumſalz des
Azoxylolazodiſulfo-β-Naphtols,
Dunkelbraunes Pulver, in Waſſer mit orſeilleroter Farbe löslich.


[181]

20. Azarin. Dieſes neuere Produkt iſt die Biſulfitverbindung eines
Farbſtoffes, der das Ammoniakſalz der Dichlor-amidophenol-hydrazo-β-Naph-
tolſulfoſäure vorſtellt. Um das Azarin in Waſſer löslich zu machen, iſt es
mit Natrium-Biſulfit behandelt, und kommt dann als waſſerlösliche Biſulfit-
verbindung unter dem Namen Azarin in den Handel.


Mit den Alkalien, Natron oder Kali, behandelt, gibt Azarin eine
violette Löſung, die, mit Salzſäure oder Schwefelſäure neutraliſiert, den
Farbſtoff in Form eines Niederſchlags abſetzen läßt; hierdurch kann man
es leicht vom Alizarin unterſcheiden, das bekanntlich beim Neutraliſieren mit
Alkalien ebenfalls eine violette Löſung gibt, die aber auf Zuſatz von Salz-
ſäure den Farbſtoff in Form eines gelben Niederſchlages abſcheidet. Sal-
peterſäure gibt mit der alkaliſchen Löſung dieſelbe Reaktion wie Schwefelſäure
und Salzſäure; der Niederſchlag nimmt allmählich eine braune Farbe an.
Aluminiumacetat und Aluminiumſulfocyanür geben beim Sieden einen orangen
Niederſchlag. Natriumphosphat gibt einen ziegelroten Niederſchlag. Eſſig-
ſaurer Kalk gibt einen ſchmutzigbraunen Niederſchlag.


Dargeſtellt wird es durch Einwirkung von Tetrazodioxybenzoſulfon auf
β-Naphtol und Behandeln des gebildeten Azofarbſtoffes mit Biſulfit. Es iſt
eine gelbe, in kochendem Waſſer ſchwer lösliche Paſte. Es iſt dies der erſte
Fall, in welchem unlösliche Azofarbſtoffe in Form der löslichen Biſulfitver-
bindung für Färbereizwecke verwendbar gemacht worden ſind. Das Azarin
iſt damit gewiſſermaßen der Pratotyp einer neuen Klaſſe von Farbſtoffen,
und es iſt nicht unmöglich, daß ihm noch andere dieſer Art folgen werden.


Eigenſchaften und Anwendung. Die Tetrazofarbſtoffe ſind ſämt-
lich in Waſſer löslich; ſie beſitzen ein ausgeſprocheneres Färbevermögen, als
die Oxyazofarbſtoffe, werden im übrigen aber wie jene angewendet. Das
Azarin gibt ein brillantes, ziemlich echtes Rot mit einem ins Karmoiſin
ſpielenden Ton. Es eignet ſich nur für Baumwolle; färbt man dieſe mit
dem Farbſtoff ohne eine Beize, und entfernt das Biſulfit hinterher durch
Kochen in einem ſchwachen Aetznatronbade oder in Kalkmilch, ſo wird
der unlösliche Farblack auf der Faſer abgeſchieden. Reber (Bulletin de
Rouen
) empfiehlt nachheriges Beizen mit eſſigſaurer Thonerde, welcher
etwas Zinnoxydul zugeſetzt wird, Trocknen und Eingehen in ein kaltes
ſchwaches Bad aus eſſigſaurem Kalk mit Soda, Auswaſchen und Aus-
färben in einer Löſung des Farbſtoffes unter Zuſatz von etwas Türkiſch-
rotöl, Spülen, Trocknen und Dämpfen. Von den anderen Beizen iſt
nur das Eiſen zu erwähnen, das, als Acetat von 7° B. angewandt, mit
Azarin eine Mode-Oliveſchattierung von ziemlicher Lebhaftigkeit gibt. — Für
eine allgemeine Anwendung iſt es noch zu teuer.


III.Benzidinfarbſtoffe.

Unter dieſem Namen begreift man eine Gruppe von Tetra-
zofarbſtoffen, welche ſich vom Benzidin ableiten, und welche die merk-
würdige Eigenſchaft beſitzen, tieriſche ſowohl als auch pflanzliche
Geſpinnſtfaſern
direkt ohne Anwendung von Beizen zu färben.
Von dieſen Farbſtoffen kam vor 3 Jahren als erſter Repräſentant das
Congorot in den Handel. Es war der erſte Farbſtoff, der Baum-
wolle ohne Vorbeizen ſeifenecht zu färben vermochte, und ſomit geſtattete,
gemiſchte Gewebe, halbwollene, halbſeidene, ohne zu beizen, in einem Bade
[182] direkt zu färben. 1886 hat Knecht gefunden, daß die Benzidinfarbſtoffe
mit einigen anderen Farbſtoffen unlösliche Lacke bilden, ſo daß dieſelben zu-
gleich die Rolle einer Beize für anderweite Farbſtoffe ſpielen können. Dieſe
neue wertvolle Eigenſchaft geſtattet eine ungemein vielſeitige Verwendung der
Benzidinfarbſtoffe zum gleichzeitigen Fixieren und Nüancieren auf einfachen
wie gemiſchten Geweben. — Von roten Farbſtoffen kommen hier in Be-
tracht:


1. Congo bildet ſich durch Einwirkung von ſalzſaurem Tetrazodiphenyl
auf Naphtionſäure. Bildet ein rotes, waſſerlösliches Pulver. Die wäſſerige
Löſung ſieht türkiſchrot aus und wird durch die geringſte Menge Säure rein
blau gefärbt; einige Tropfen der Löſung, in Eſſigſäure gegeben, färben dieſe
bläulichviolett und es wird Ausſcheidung ſichtbar (Kertész).


2. BenzopurpurinB bildet ſich durch Einwirkung von ſalzſaurem
Tetrazoditolyl auf β-Naphtylaminſulfoſäure. Rotbraunes Pulver. Die
wäſſerige Löſung iſt orangerot; einige Tropfen der Löſung in Eſſigſäure
gegeben, laſſen keine Ausſcheidung erkennen; die Miſchung wird mit der
Zeit immer dunkler (Kertész).


3. Benzopurpurin 4 B bildet ſich durch Einwirkung von ſalpeter-
ſaurem Tetrazoditolyl auf Naphtionſäure; gibt ein blauſtichigeres Rot als
Benzopurpurin B. Braunes Pulver, gibt mit Waſſer eine rote, undurch-
ſichtige Löſung, welche in Eſſigſäure gegeben, kupferfarbig wird und Aus-
ſcheidung gibt (Kertész.)


4. HeſſiſchpurpurB iſt ein dunkelbraunes Pulver, die Löſung in
Eſſigſäure gegeben, iſt zuerſt orange und wird dann rot und ſchließlich violett
(Kertész.)


5. HeſſiſchpurpurN iſt ein rotbraunes Pulver, die Löſung in Eſſig-
ſäure gegeben, färbt dieſe violett; ſoll etwas lichtechtere Färbungen geben,
als Heſſiſchpurpur B. (Kertézs.)


II.Gelbe und orange Farbſtoffe.

§ 69. Baſiſche gelbe und orange Farbſtoffe.

Von Farbbaſen ſind nur zwei zu erwähnen: Das Amidoazobenzol
und das Dimethylamidoazobenzol. Beide färben die Faſer direkt
gelb, werden aber nicht als Farbbaſen ſelber, ſondern in Form ihrer ſalz-
ſauren Verbindungen verwendet. Dieſe zerſetzen ſich beim Kochen, die Salz-
ſäure entweicht und die Farbbaſe färbt die Faſer gelb. Hierher gehört
demnach:


1. Anilingelb, ſalzſaures Amidoazobenzol, C6 H5 · N — N · C6 H4 ·
NH2 · HCl;
das Anilingelb bildet ſich beim Vermiſchen von Diazobenzol-
chlorid mit Anilin und iſt ein Beiſpiel für einen einfach aufgebauten Amidoazo-
farbſtoff. Es bildet blauviolette Nadeln, die ſich in angeſäuertem Waſſer
mit roter Farbe löſen; in einem ſolchen ſauren Bade färbt ſich Seide rot
an, indem ſie das Anilingelb als ſolches aufnimmt; beim nachherigen Spü-
len zerlegt ſich aber das Anilingelb und auf der Faſer bleibt das freie
Amidoazobenzol, die Farbſtoffbaſe, wodurch die Faſer nur gelb gefärbt er-
[183] ſcheint. Das Anilingelb iſt ſehr unecht gegen Säuren und iſt daher durch
neuere Farben faſt vollſtändig verdrängt worden.


2. Dimethylamidoazobenzol wurde in Form ſeines ſalzſauren
Salzes, als ſalzſaures Dimethylamidoazobenzol, C6 H5 · N — N · C6 H4 ·
N (CH3)2 · HCl
, als Farbſtoff benutzt; es zerfällt ſchon in wäſſeriger Löſung
in die freie Farbbaſe, welche ſich auf der Faſer niederſchlägt, und in Salz-
ſäure, welche im Bade bleibt. Seine Hauptverwendung findet das Dimethyl-
amidoazobenzol zur Herſtellung des Helianthins.


§ 70. Neutrale gelbe und orange Farbſtoffe.

a) Amidoazofarbſtoffe.

1. Chryſoïdin, ſalzſaures Diamidoazobenzol, C6 H5 · N — N ·
C6 H3 (NH2)2 · HCl
, rotgelbes kryſtalliniſches Pulver, in Waſſer mit brauner
Farbe löslich; in der Löſung entſteht durch Natronlauge eine rotbraune Fäl-
lung; Salzſäure fällt braungelbe Flocken, Zinnchlorür entfärbt die Löſung. —
Anwendung: Chryſoïdin färbt Wolle und Seide aus neutralen 50
bis 60° R. warmen Bädern direkt ohne Beize, oder aus mit etwas Seife oder
mit wenig Alaun verſetzten Bädern ſchön orangegelb. Färben bei höherer
Temperatur ſchadet der Farbe. Auf Baumwolle wird mit Tannin und
Brechweinſtein gefärbt bei 50° R., nicht höher. Zarte Nüancen auf Baum-
wolle können auch ohne Vorbeizung fixiert werden. Beſonders geeignet
iſt es zum Nüancieren für Miſch- und Modefarben; kommt auch vielfach
mit andern Farbſtoffen gemengt im Handel vor; ſo (nach Kertész) mit
Fuchſin als FuchſinJ oder Kardinal, mit Safranin als Baumwoll-
ponceau, Neurot, Scharlach für Baumwolle
.


2. Bismarckbraun, Phenylenbraun, Veſuvin, Zimmtbraun,
Canelle, Mancheſterbraun, Anilinbraun, Lederbraun, Engliſch-
braun, Goldbraun
, iſt ſalzſaures Triamidoazobenzol, C6 H5 · N — N ·
C6 H2 (NH2)3 · HCl.
Bildet ein ſchwärzliches Pulver, welches ſtets Verun-
reinigungen enthält; dieſe ſind in Waſſer meiſt unlöslich. Die Farbſtoff-
löſung muß deshalb vor der Verwendung filtriert werden; die Löſung iſt
braun und wird durch Natronlauge braun gefällt, durch Zinnchlorür und
Salzſäure entfärbt. — Anwendung: Auf Wolle färbt man direkt ohne Beize
aus neutralem Bade oder unter Zuſatz von etwas Alaun, indem man bei 40°
eingeht und langſam bis zum Kochen treibt; auf Seide in einem ſchwachen
Seifenbade bei 50°, nicht wärmer; Baumwolle muß mit Tannin und Brech-
weinſtein vorgebeizt werden. Auch hier können helle Nüancen auf Baumwolle
ohne vorheriges Beizen gefärbt werden. Die Färbungen auf Wolle, Seide
und Leder ſind rotbraun, auf Baumwolle rein braun. Bismarckbraun eignet
ſich auch vortrefflich zum Nüancieren, wie zum Kombinieren mit anderen neu-
tralen Farbſtoffen.


b) Roſanilinfarbſtoffe.

3. Auramin, ſalzſaures Imidotetramethyldiamidodiphenylmethan,
C17 H24 N3 ClO. Bildet ein gelbes Pulver, welches in kaltem Waſſer ſchwer,
in warmem leicht mit ſchwachgelber Farbe löslich iſt. Beim Kochen
[184] der Löſung zerſetzt ſich der Farbſtoff, deshalb muß beim Färben Kochen
unbedingt vermieden werden
. Es gibt ein reines, lebhaftes, licht- und
ſeifenechtes Gelb, ſowie mit andern neutralen Farbſtoffen ſchöne und leb-
hafte Nüancen. — Anwendung: Beſonders auf Baumwolle nach vor-
herigem Beizen mit Tannin und Brechweinſtein; das Ausfärbebad darf
nicht mehr als 50° warm ſein; auf Wolle direkt aus neutralem Bade; auf
Seide wie bei Fuchſin; bei Wolle und Seide darf die Temperatur nicht
über 55° geſteigert werden.


c) Chinolinfarbſtoffe.

4. Chinophtalon, Chinolingelb ſpritlöslich, Chinaldylenphtalid,
C18 H11 NO2. Ein gelbes Pulver, in Waſſer unlöslich, in Alkohol ſchwer
löslich. Letztere Löſung färbt tieriſche Faſern direkt gelb. Wird zum Fär-
ben wenig oder gar nicht verwendet; dient in der Hauptſache zur Herſtellung
von Chinolingelb (S. 186).


5. Phosphin, Chryſanilin, Ledergelb, ſalpeterſaures Diamido-
phenylacridin, C19 H16 N4 O3. Wird als Nebenprodukt aus den Mutter-
laugen der Fuchſinfabrikation gewonnen, und kommt als orangegelbes, in
Waſſer mit rotgelber Farbe lösliches Pulver in den Handel. Phosphin ge-
hört zu den teureren Farbſtoffen und findet deshalb nur beſchränkte Anwen-
dung, da es durch das billigere Chryſamin faſt verdrängt iſt. Angewendet
wird es beſonders in der Lederfärberei; in der Baumwollenfärberei findet
es nur beſchränkte Verwendung und zwar ſowohl direkt, als auch nach vor-
herigem Beizen mit Tannin und Brechweinſtein, wie auch mit eſſigſaurer
Thonerde. Es gibt mattgelbe Töne.


Phosphin wird nicht ſelten mit dem billigeren Chryſoidin verfälſcht.
Zum Nachweis dieſer Verfälſchung empfiehlt Kertész etwas konzentrierte
reine Salzſäure in ein kleines Porzellanſchälchen zu geben und von dem zu
prüfenden Phosphin einige Stäubchen vorſichtig auf die Salzſäure zu
ſtreuen; färbt ſich die Säure gleichmäßig gelb, ſo war das Phosphin rein,
zeigen ſich jedoch neben den gelben auch ponceaurote Stellen, ſo enthält es
Chryſoidin beigemiſcht.


Unreines Phosphin kommt auch als Philadelphiagelb in den
Handel.


Ein anderer, in dieſe Kategorie gehöriger gelber Farbſtoff, das Flavani-
lin
, findet ſich nicht mehr im Handel.


§ 71. Schwach ſaure gelbe und orange Farbſtoffe.

a) Phtaleïne.

1. Fluoresceïn, Reſorcin-Phtaleïn, C20H12O5. Das Fluoresceïn
iſt der Ausgangspunkt aller Phtaleïnfarbſtoffe; vergl. hierüber § 67, 1, wo
auch ſeine Bildung und Herſtellung beſchrieben iſt. Es färbt zwar Wolle
und Seide in einem ſchwach ſauren Bade gelb, aber die Farbe iſt nicht echt
genug. Mehr Verwendung findet


2. Uranin, das Natriumſalz des Fluoresceïns. Dieſes iſt ein gelb-
braunes Pulver, in Waſſer mit gelber Farbe und intenſiv grüner Fluores-
cenz löslich. Färbt Wolle und Seide in ſchwach ſchaurem Bade gelb, wird
aber in der Hauptſache zum Wolldruck verwendet.


[185]

3. Chryſolin, Benzylfluoresceïn, bisweilen auch als „Uranin“ be-
zeichnet, iſt das Natriumſalz des Benzylfluoresceïns. Bildet Stücke oder
ein rotbraunes Pulver, löſt ſich in Waſſer leicht mit brauner Farbe und
grüner Fluorescenz. Liefert ein brillantes Gelb auf Seide, und wird dar-
auf in mit Eſſigſäure ſchwach angeſäuertem Baſtſeifenbade gefärbt; auf Wolle
wird es wenig und dann am beſten nach vorherigem Beizen mit Alaun,
angewendet. Knecht empfiehlt es zum Ueberfärben von Quercitrongelb
auf Baumwolle.


b) Azofarbſtoffe.

4. Jaune solide (Poirrier), Gelb ſeifenecht, iſt das Natrium-
ſalz der Phenylamidoazobenzolcarbonſäure, C6 H4 · COONa · N — N · C6 H4 ·
NH · C6 H5.
Kommt in Form eines braunen, in Waſſer wenig löslichen
Teiges in den Handel, löslich erſt nach Hinzufügen eines Alkalis. Die
Färbungen damit widerſtehen den Seifen bei einer Temperatur bis zu 50°.
Jaune solide gibt auf Wolle im Seifenbade orange Färbungen. Seine
Hauptanwendung findet es jedoch im Baumwollendruck.


5. Chryſamin, Flavophenin, C28 H20 N4 O6 Na2, iſt ein Benzidin-
farbſtoff von ſehr komplizierter Zuſammenſetzung; kommt als gelbbraunes,
in Waſſer mit braungelber Farbe lösliches Pulver in den Handel. Dem
Chryſamin kommt die Eigenſchaft aller Benzidinfarbſtoffe zu, Baumwolle ſub-
ſtantiv und echt zu färben, gleichzeitig aber auch zum Fixieren anderer Farb-
ſtoffe zu dienen und ſo gewiſſermaßen die Rolle einer Beize zu ſpielen, ſo
daß durch Vorbeizen mit Chryſamin und Aufſetzen eines andern ſauren Azo-
farbſtoffes die verſchiedenſten Nüancen gewonnen werden können, während
andererſeits das Chryſamin mit baſiſchen Farbſtoffen richtige Farblacke bildet.
Dieſe vielſeitige Verwendbarkeit macht das Chryſamin zu einem höchſt wich-
tigen Farbſtoff. Verwendung findet es nur auf Baumwolle und zwar
wird dieſelbe in einem ſchwachen kochenden Seifenbade gefärbt; man erhält
ſo ein lichtechtes Schwefelgelb. Es dient vielfach zur Herſtellung von Nan-
kingtönen, an Stelle des Phosphins. Sehr ſchöne und echte Färbungen
ſoll man nach Kertész auch auf mit Chrom, ſowie auf mit Eiſen vorge-
beizte Baumwolle erhalten, im letztern Falle ein ſchönes echtes Hellbraun.


c) Anthracenfarbſtoffe.

6. Alizarinorange, Nitroalizarin, AlizarinOR (Bad. Anil.
und Sodaf.), AlizarinOG(Bayer \& Comp.), AlizarinN (Leverkus \&
Söhne
). Bildet ſich beim Einwirken von Salpeterſäure auf Alizarin in
einer Löſung von Nitrobenzol. Braungelbe Paſte, in Waſſer unlöslich, in
Sodalöſung oder in Natronlöſung mit fuchſinroter Farbe löslich. Färbt
mit Thonerde gebeizte Baumwolle orange, mit Eiſen gebeizte rötlich violett,
mit Chrom gebeizte rotbraun. Die Färbungen ſind ſehr echt. Trotzdem iſt
ſeine Verwendung eine nur beſchränkte. Im übrigen kann das Alizarin-
orange ganz wie das Alizarin ſelbſt angewendet werden.


7. Galloflavin. Dieſer Farbſtoff bildet ſich durch eine Oxydation
einer alkoholiſchen Gallusſäurelöſung an der Luft. Die eigentümliche Bil-
dung dieſes Farbſtoffes aus der Gallusſäure iſt noch nicht genügend erklärt,
ebenſowenig iſt die Zuſammenſetzung desſelben bekannt. Er kommt als gelber
[186] Teig in den Handel, welcher 20 Prozent feſten Farbſtoff enthält, in Waſſer
unlöslich iſt, dagegen ſich in Natronlauge mit rotbrauner Farbe löſt. Färbt
mit Chrom gebeizte Wolle licht- und ſeifenecht gelb; auf Baumwolle liefert
es mit Thonerde ein helleres Gelb und mit Eiſen eine Olivefärbung.
Galloflavin läßt ſich ſowohl auf Wolle als auf Baumwolle mit allen Alizarin-
farben kombinieren. Die erhaltenen Töne ſind nach Benedikt zwar ſchön,
aber nicht lichtecht.


§ 72. Stark ſaure gelbe und orange Farbſtoffe.

a) Chinolinfarbſtoffe.

Chinolingelb, Chinolingelb waſſerlöslich, iſt das Natrium-
ſalz der Chinophtalondiſulfoſäure. Es wird aus dem Chinophtalon
(§ 70, c) durch Behandeln mit rauchender Schwefelſäure gewonnen. Gelbes,
in Waſſer leicht lösliches Pulver. Färbt Wolle in ſaurem Bade grünlich-
gelb; die Farben ſind ſehr lebhaft. Anwendung auf Wolle unter Zugabe
von Glauberſalz und Schwefelſäure zum Färbebade.


b) Nitrofarbſtoffe.

Als Nitrofarbſtoffe wird eine Klaſſe von Farbſtoffen verſtanden, welche
durch die Einwirkung von Salpeterſäure (durch Nitrieren) auf verſchiedene
Abkömmlinge der bisher betrachteten Körper, wie Phenol, Naphtol u. ſ. w.
entſtehen. Alle dieſe Farbſtoffe ſind gelb oder orange; wir finden daher
nur unter den gelben und orangen Körpern Nitrofarbſtoffe, wogegen ſie bei
keiner andern Farbe wieder auftreten. Alle Nitrofarbſtoffe haben ſauren
Charakter, löſen ſich leicht in Waſſer und färben tieriſche Faſern direkt;
die erzielten Färbungen ſitzen jedoch — zumal bei Wolle — nicht feſt, wer-
den von Wolle durch Waſſer leicht abgewaſchen und ſchmutzen ab — rußen.
Sie beſitzen ſamt und ſonders keine Lichtechtheit. Werden durch Behandeln
mit Schwefelſäure die Nitrofarbſtoffe in die entſprechenden Sulfoſäuren über-
geführt, ſo bleibt die Lebhaftigkeit der Farben dieſelbe, das leichte mechaniſche
Abreiben hört dann aber auf. Die Nitrofarbſtoffe werden auf Wolle mit
Schwefelſäure und Glauberſalz gefärbt.


1. Pikrinſäure, Trinitronaphtol, C6 H2 (NO2)3 · OH. Bildet
ſich durch Einwirken von Salpeterſäure auf Karbolſäure; kommt in gelben, in
heißem Waſſer leicht löslichen Kryſtallen vor; ſchmeckt bitter. Färbt Wolle
und Seide in ſaurem Bade rein gelb, ohne einen Stich ins Orange. Die
Pikrinſäure beſitzt alle den Nitrofarbſtoffen anhaftenden Mängel in ausgeſproche-
nem Maße, und iſt deshalb kein empfehlenswerter Farbſtoff. Es
muß mit Recht wundernehmen, warum hier ſo am Alten feſtgehalten wird,
da uns die Neuzeit doch — und ganz beſonders in gelben Farbſtoffen —
eine ganze Blumenleſe weit mehr empfehlenswerter Farbſtoffe bietet. Zu-
dem iſt die Pikrinſäure giftig, Grund genug, ſie aus der Färberei
gänzlich zu entfernen. — Anwendung: Auf Wolle in ſchwefelſaurem Bade
mit oder ohne Zuſatz von Alaun; desgl. auf Seide in ſchwach ſchwefelſau-
rem Bade ohne oder mit Zuſatz von Baſtſeife. Die Färbungen ſind nicht
lichtecht. Auf Baumwolle fixiert ſich Pikrinſäure nicht. Bisweilen wird die
Pikrinſäure noch zum Nüancieren oder zur Herſtellung von gelblichgrünen
[187] und oliven Miſchfarben benutzt, doch wird ſie auch hier richtiger durch an-
dere gelbe Farbſtoffe (Auramin, Echtgelb, Naphtolgelb) erſetzt.


2. Naphtolgelb, Dinitronaphtol, Martiusgelb, Mancheſtergelb,
Goldgelb, Naphtalingelb, Naphtylamingelb, C6 H3 (NO2)2 · OH, iſt das
Kalkſalz des Dinitro-α-Naphtols, entſteht durch Einwirkung von Salpeter-
ſäure auf α-Naphtolſulfoſäure und bildet gelbrote, waſſerlösliche Kryſtalle.
Auch ein Natrium- und Ammoniumſalz kommen unter gleichem Namen in
Form kleiner glänzender orangegelber Blättchen in den Handel. Färbt Wolle
in ſaurem Bade goldgelb. — Anwendung: Ganz wie Pikrinſäure. Das
Naphtolgelb iſt ſchon bei niedriger Temperatur flüchtig, färbt daher leicht
ab, aber nicht ſo ſehr als Pikrinſäure. Zum Kombinieren mit Indigkar-
min, Säureviolett und andern ſauren Farben eignet es ſich mehr als Pikrin-
ſäure. Dagegen iſt das Naphtolgelb minder ſäureecht als Pikrinſäure.
Wolle färbt man in einem mit Schwefelſäure angeſäuerten Bade, indem man
bei 30° R. eingeht, und allmählich bis zum Kochen treibt. Auch Schwefel-
ſäure und Glauberſalz, oder auch nur Alaun, kann als Sud benutzt werden.


3. Viktoriagelb, Viktoriaorange *), Safranſurrogat *),
Anilinorange
, iſt ein Gemiſch der Kali- oder Ammoniakſalze des
Dinitroorthokreſols und des Dinitroparakreſols, C6 H2 (CH3) · (NO2)2 · OH.
Rotgelbes Pulver (das Kaliſalz verpufft, das Ammoniakſaz verbrennt, ohne
zu puffen), löſt ſich in Waſſer mit orangegelber Farbe. Färbt Wolle und
Seide orange; die Farben ſind aber durchaus unecht. Nicht zu empfeh-
len! — Anwendung
: wie Pikrinſäure.


Palatinorange, das Ammoniumſalz des Tetranitrodiphenols, des-
gleichen das Heliochryſin, das Natriumſalz des Tetranitronaphtols, befinden
ſich nicht mehr im Handel.


4. Neugelb, Flavaurin, iſt das Ammoniakſalz der Dinitronaphtol-
p-Sulfoſäure, C6 H2 · ONH4 · (NO2)2 · SO3 · NH4. Gelbrotes Pulver, wel-
ches ſich beim Erhitzen ſtark aufbläht, ohne zu verpuffen, und ſich in Waſſer
leicht mit gelber Farbe löſt. Färbt Wolle und Seide gelb. Anwendung:
wie beim Naphtolgelb.


5. Aurantia, Kaiſergelb, iſt das Ammoniakſalz des Hexanitrodiphe-
nylamins N · (C6 H2 · [NO2]3)2 · NH4. Rotbraune Kryſtalle, in Waſſer mit
orangegelber Farbe löslich. Färbt Wolle und Seide in ſaurem Bade orange.
Aurantia iſt faſt ſo lichtunecht, wie Pikrinſäure; es iſt nächſt der Pikrin-
ſäure der am wenigſten zu empfehlende Nitrofarbſtoff. — An-
wendung
: wie bei Naphtolgelb.


6. Naphtolgelb S, Säuregelb, iſt das Natriumſalz der Dinitro-
α-Naphtolſulfoſäure, C10 H4 N2 O8 SNa2. Orangegelbes Pulver, in Waſſer
leicht löslich. Färbt Wolle und Seide in ſaurem Bade gelb. Es ſchmutzt
gar nicht ab, und eignet ſich ſehr gut zum Färben für ſich allein, wie auch
zum Kombinieren mit andern Farben. — Anwendung: Auf Wolle mit
Schwefelſäure und Glauberſalz, oder mit Weinſteinpräparat. Die Färbungen
ſind waſchecht und beim Dämpfen nicht flüchtig.


[188]

Granatbraun, Grénat soluble, ein eine Zeitlang gern benutzter
Farbſtoff, iſt jetzt im Handel nicht mehr zu finden.


c) Azofarbſtoffe.

I.Amidoazoſulfoſäuren.

1. Echtgelb, Säuregelb, Echtgelb G., Solidgelb, Neu-
gelb
L, ſind Gemenge von amidoazobenzolmono- und diſulfoſaurem Natron,
C6 H4 · SO3 Na · N — N · C6 H3 · NH2 · SO3 Na. Gelbes, in Waſſer mit
gelber Farbe lösliches Pulver. Färbt Wolle und Seide in ſaurem Bade gelb.
Es geht nur ſehr langſam an die Faſer, iſt aber ſehr echt. — Anwen-
dung
: Nur auf Wolle und Seide, ſowohl zur Erzeugung eines ſelbſtſtän-
digen reinen Gelb, als auch ganz beſonders zum Miſchen mit andern ſauern
Farbſtoffen. Auf Wolle färbt man am beſten in einem ſchwach ſchwefel-
ſauren Bade, ohne Zuſatz von Glauberſalz oder Alaun; auf Seide in einem
Baſtſeifenbade, welches mit Schwefelſäure ſchwach angeſäuert iſt.


2. Helianthin (Bad. Anil. und Sodaf.), OrangeIII(Poirrier),
Methylorange, Dimethylorange, Dimethylanilinorange, Tro-
päolin D, Goldorange
, iſt das Natriumſalz des Sulfanilſäure-azodi-
methylanilins, C6 H4 · SO3 Na · N — N · C6 H4 · N (CH3)2. Ockergelbes,
in Waſſer mit orangegelber Farbe lösliches Pulver. Färbt Wolle in ſaurem
Bade orange. — Anwendung: auf Wolle wie Säuregelb. Knecht hat
auch Beizen mit Zinnchlorid vorgeſchlagen. Auf Baumwolle empfiehlt der-
ſelbe Beizen mit zinnſaurem Natron, Auswinden, Paſſieren durch eine kalte
Alaunlöſung, und ſchließlich Ausfärben in einer konzentrierten Löſung des
Farbſtoffes unter Alaunzuſatz bei nicht höher als 36° R. Die Färbungen
mit Helianthin ſind nicht waſchecht und nicht ſäureecht; der Farbſtoff kann
daher nur beſchränkte Anwendung finden.


3. OrangeIV (Bad. Anil. und Sodaf.), SäuregelbD (Akt.-Geſ.
f. Anilinf.), Neugelb (Bayer \& Comp.), OrangeM (A. G. f. chem.
Induſtr.), Diphenylorange, Diphenylaminorange, TropäolinOO,
iſt das Natriumſalz des Sulfanilſäure-azodiphenylamins, C6 H4 · SO3 Na ·
N — N · C6 H4 · NH · C6 H5.
Orangegelbe, in Waſſer mit gleicher Farbe
lösliche Blättchen. Färbt Wolle in ſaurem Bade orangegelb. Beſitzt aus-
gezeichnete Deckkraft
und iſt nächſt Echtgelb der am meiſten auf Wolle
angewendete gelbe Farbſtoff. — Anwendung: Auf Wolle mit Glauberſalz
und Schwefelſäure, oder nach Kertész mit 6 Prozent Alaun und ½ Pro-
zent Schwefelſäure; auf Seide aus einem mit Eſſigſäure ſchwach angeſäuer-
ten Baſtſeifenbade. Vornehmlich eignet es ſich zum Hervorrufen von Miſch-
farben (z. B. mit Indigokarmin) und Modefarben.


4. Metanilgelb (Bad. Anil. u. Sodaf., Akt.-Geſ. f. Anilinf., Oehler),
Tropäolin G. (Caſſella \& Comp.), OrangeMN (A. G. f. ch. Ind.), iſt das
Natriumſalz des in Amidobenzolſulfoſäureazodiphenylamins, C6 H4 · SO3 Na ·
N — N · C6 H4 · NH · C6 H5;
es iſt alſo dem vorigen iſomer. Braungelbes
Pulver, in Waſſer mit orangegelber Farbe löslich. Färbt Wolle in ſaurem
Bade orangegelb. — Anwendung: Eignet ſich nur als ſelbſtſtändige Nüance,
nicht zu Miſchfarben, und gibt lebhafte, aber nicht beſonders ſäureechte
Färbungen. Auf Wolle wird es aus ganz ſchwach ſchwefelſaurem Bade unter
Zuſatz von Glauberſalz gefärbt; Kertész empfiehlt ſtatt deſſen ein Bad mit
3 bis 4 Prozent Eſſigſäure; auf Seide in ſchwach eſſigſaurem Bade.


[189]

5. Metanilgelb S (Oehler) iſt die Sulfoſäure des Metanilgelbs.
Gelbes, in heißem Waſſer leicht lösliches Pulver. Es ſoll viele Vorzüge
anderer gelber Farbſtoffe in ſich vereinigen, ſich ſowohl zu ſelbſtſtändigen
Nüancen wie zu Miſchungen eignen, ſoll lebhaftere Färbungen geben, als
Echtgelb, und dabei ſäureecht ſein. — Anwendung: wie Echtgelb.


6. Brillantgelb (Bad. Anil. und Sodaf.) iſt das Natriumſalz des
Toluidinſulfoſäureazo-Diphenylamins, C6 H3 · SO3 Na · CH3 · N — N · C6 H4 ·
NH · C6 H5.
Orangegelbes Pulver, in Waſſer leicht löslich. Färbt Wolle
in ſaurem Bade orangegelb. — Anwendung: wie Echtgelb.


7. AzoflavinS (Bad. Anil. und Sodaf.), Azogelb (M. L. \& Br.),
Azoſäuregelb (Akt.-Geſ. f. Anilinf.), Indiſchgelb (B. \& Comp.), ſind
Gemenge von nitriertem Diphenylaminorange mit Nitrodiphenylaminen. Ocker-
gelbe Pulver, in kaltem Waſſer wenig, in heißem leichter mit citronengel-
ber Farbe löslich. Färbt Wolle in ſaurem Bade gelb. — Anwendung:
wie Echtgelb.


II.Oxyazofarbſtoffe.

8. Orange I (Poirrier), α-Naphtolorange, TropäolinOOO
Nr. 1, iſt das Natriumſalz des Sulfanilſäure-azo-α-Naphtols, C6 H4 ·
SO3 Na · N — N · C10 H6 · OH.
Rotbraunes Pulver, in Waſſer mit orange-
roter Farbe löslich. Färbt Wolle in ſaurem Bade orange; liefert ſtark röt-
liche Nüancen, welche aber matt ſind. — Anwendung: Orange I beſitzt
große Deckkraft und wird daher mit Vorliebe zum Grundieren verwendet,
auch zum Miſchen mit andern ſauren Farbſtoffen. Auf Wolle färbt man
am beſten mit Schwefelſäure und Glauberſalz.


9. OrangeII (Bad. Anil. und Sodaf.), β-Naphtolorange,
Tropäolin
OOONr. 2, Mandarin G extra (Akt.-Geſ. f. Anilinf.),
Goldorange (B. \& Comp.), Mandarin, Chryſaureïn, iſt das Natrium-
ſalz des Sulfanilſäure-azo-β-Naphtols. Formel wie bei 8. Gelbrotes Pulver,
in Waſſer mit gleicher Farbe löslich. Färbt Wolle in ſaurem Bade orange.
Anwendung: In ausgedehntem Maßſtab auf Wolle mit Schwefelſäure und
Glauberſalz, ſowohl für ſich allein, als in Verbindung mit andern ſauren
Farbſtoffen; vortrefflich eignet es ſich zum Nüancieren aller erdenklichen
Ponceautöne, ſowie mit Indigokarmin zur Herſtellung grüner, brauner und
olive Farben und aller Arten von Modefarben. Nach einer Aeußerung
Griſons muß ein tüchtiger Färber imſtande ſein, mit Säurefuchſin,
Orange II und Indigokarmin alle erdenklichen Modefarben hervorzubringen. —
Ein Gemiſch von Orange II mit Echtrot A (§ 67, 3, I) kommt unter den
Bezeichnungen Rouge français und Lutecienne*) in den Handel.


10. OrangeG. (Akt.-Geſ. f. Anilinf., M. L. \& B.), Orange-
gelb
, iſt das Natriumſalz der Anilin-azo-β-Naphtoldiſulfoſäure, C6 H5 ·
N — N · C10 H4 · OH · (SO3 Na)2.
Es iſt dem Ponceau 2 G. (§ 68)
iſomer. Gelbrotes Pulver, in Waſſer mit orangegelber Farbe löslich. Färbt
Wolle in ſaurem Bade lebhaft orangegelb, etwas weniger rot wie Orange II,
aber ſehr lichtecht. Anwendung: wie Orange I und II.


[190]

11. Reſorcingelb (Akt.-Geſ. f. Anilinf.), Goldgelb (B. \& Comp.),
Gelb
T (A. G. f. chem. Ind.), Tropäolin O, Tropäolin R, Chry-
ſoin, Chryſeolin
, iſt das Natriumſalz des Sulfanilſäureazoreſorcins,
C6 H4 · SO3 Na · N — N · C6 H3 (OH)2. Braunes Pulver, in Waſſer mit
rötlichgelber Farbe löslich. Färbt Wolle in ſaurem Bade rötlichgelb. Das
Reſorcingelb wird als ein vorzüglicher Farbſtoff gelobt von großer Licht-
und Säureechtheit, er iſt jedoch verhältnismäßig teuer. — Anwendung:
Beſonders auf Wolle, entweder für ſich allein, mehr jedoch zum Hervorrufen
von Grün, Oliv und Braun.


12. Orange N, Jaune N, Curcumeïn, iſt das Natriumſalz des
p-Toluidin-o-ſulfoſäure-azo-diphenylamins. Formel wie bei Brillantgelb (6),
mit dem es iſomer iſt. Gelbrotes Pulver, in Waſſer mit gelber Farbe
löslich. Färbt Wolle in ſaurem Bade orange. — Anwendung: wie
Metanilgelb.


13. Citronin, Curcumeïn (Akt.-Geſ. f. Anilinf.), Neugelb (Till-
manns, E. ter Meer)
, ſind Gemenge von ähnlicher Zuſammenſetzung wie
das Azoflavin (7), dem ſie auch im Ausſehen und Eigenſchaften gleichen.
Das Citronin iſt eine der lebhafteſten gelben Farben, und eignet ſich vor-
nehmlich zum Färben auf Seide. — Anwendung: Auf Wolle mit
Schwefelſäure und Glauberſalz; auf Seide in einem mit Schwefelſäure an-
geſäuerten Baſtſeifenbade.


14. Croceïnorange (Kalle; B. \& Comp.), Brillantorange
(M. L. \& B.), iſt gleichbedeutend mit Ponceau 4 G B.


Luteolin befindet ſich nicht mehr im Handel.


III.Benzidinfarbſtoffe.

15. Chryſamin, ſ. § 71, 5.


16. ChryſaminR iſt das Natriumſalz der o-Tolidin-disazoſalicyl-
ſäure-ſalicylſäure, C28 H20 N4 O6 Na2. Gelbbraunes Pulver, in Waſſer mit
braungelber Farbe löslich. — Anwendung: Nur auf Baumwolle; das
färben geſchieht im Seifenbade. Vergl. auch § 71, 5.


17. Heſſiſchgelb iſt das Natriumſalz einer durch Einwirkung von Dia-
midoſtilbendiſulfoſäure auf Salicylſäure erhalten Säure, C28 H16 N4 O12 S2 Na4.
Ockergelbes Pulver, in Waſſer mit braungelber Farbe löslich. Färbt
Baumwolle im Seifenbade gelb. — Anwendung: Die Firma Leon-
hardt \& Comp
. gibt hierzu folgende Vorſchrift: Man bereite ein Färbe-
bad von 25 l Waſſer auf 1 kg Baumwolle, füge 100 g Kochſalz hinzu,
bringe auf 52° R., gebe die Farbſtofflöſung zu und gehe dann mit der
Baumwolle ein, indem man zugleich 100 g Türkiſchrotöl zugibt, paſſiere
ungefähr ½ Stunde, bis Nüance erreicht, dann kalt ſpülen und trocknen.
Kupferkeſſel ſind dabei zu vermeiden. Die Färbung verliert durch Waſchen
in kochendem Waſſer.


18. Chryſophenin, ein dem vorſtehenden naheſtehender Farbſtoff.
Orangegelbes Pulver, in Waſſer in der Kälte ſchwer, beim Kochen leicht
löslich mit rotgelber Farbe. Färbt Baumwolle im Seifenbade gelb.


19. Brillantgelb, gleichfalls ein Derivat des Diamidoſtilbens, iſt
ein hellbraunes, in Waſſer mit rotgelber Farbe lösliches Pulver. Färbt
[191] Baumwolle im Seifenbade gelb. — Anwendung: wie bei Heſſiſchgelb, nur
daß man ſtatt Türkiſchrotöl Eſſigſäure zugibt. Man erhält ſo rein gold-
gelbe Nüancen; die Färbungen ſind aber nicht recht feſt, und verlieren ſchon
durch Waſchen in kochendem Waſſer.


d) Azooxyfarbſtoffe.

CurcuminS iſt das Natronſalz des Azooxyſtilbendiſulfoſäure,
C14 H8 N2 O7 S2 Na2. Braunes Pulver, löslich in Waſſer mit braungelber
Farbe. Färbt Wolle und Seide in ſaurem Bade rötlichgelb.


e) Hydrazonfarbſtoffe.

1. Tartrazin iſt das Natronſalz der Diſulfodiphenylizin-dioxywein-
ſäure, C16 H12 N4 O10 S2 Na2. Schön orangegelbes Pulver, in Waſſer leicht
löslich mit goldgelber Farbe, unlöslich in Alkohol und nur ſpurenweiſe lös-
lich in Aether. Färbt die animaliſche Faſer leicht und ſubſtantiv ſchön gelb;
die erhaltene Färbung wird durch warme Seifenlöſung nicht verändert und
widerſteht ſelbſt der Anwendung der Schmierſeife, iſt auch von großer Licht-
echtheit. Die damit gefärbten Faſern ſind geeignet, mit andern Faſern ver-
webt oder verſponnen zu werden, ohne zu bluten. Das Tartrazin iſt da-
her einer der wenigen künſtlichen Farbſtoffe, welche loſe Wolle ſubſtantiv
walkecht zu färben vermögen, und darin liegt ein beſonderer Wert. Es iſt
ferner ein ſehr ausgiebiger Farbſtoff, auf Wolle genügen 1 bis 3 Prozent
zur Hervorrufung rein gelber Nüancen. — Anwendung: Auf Wolle mit
Schwefelſäure und Glauberſalz. Der Farbſtoff läßt ſich jedoch auch adjektiv
auf der Wolle fixieren, und zwar durch Beizen mit 5 Prozent Alaun und
1¼ Prozent Weinſtein; man erhält dadurch eine mehr orangegelbe Nüance;
bei Verwendung von mehr Alaun und Weinſtein erhält man gelbrote Töne.
Andere gelbe Nüancen werden durch Anbeizen der Wolle mit Zinnkompo-
ſition oder mit Kaliumdichromat und Schwefelſäure gewonnen. — Auf Seide
gibt Tartrazin gleichfalls lebhafte feurige gelbe Färbungen; man färbt ent-
weder unter Zuſatz von Säuren, oder im gebrochenen Seifenbade.


Das Tartrazin iſt ſomit vielſeitiger Anwendung fähig; zur Zeit ſteht
ſeiner allgemeinen Anwendung noch ſein verhältnismäßig hoher Preis hin-
dernd im Wege.


2. Iſatingelb iſt das Natronſalz des Phenyl-p-ſulfoſäure-oſazoniſatins,
C14 H10 N3 O4 SNa. Orangegelbes Pulver, in Waſſer mit gelber Farbe
löslich. Färbt Wolle und Seide in ſaurem Bade grünlichgelb. — Noch
ſehr wenig bekannt.


f) Anhang.

1. Canarin, Perſulfocyan, C3 N3 S3 H. Das Canarin gehört
nicht zu den Teerfarbſtoffen, bildet ſich vielmehr durch Oxydation von Rhodan-
kalium mit Salpeterſäure, Chlor oder Chromſäure. Es bildet ein orange-
gelbes, in Waſſer, Alkohol und Aether unlösliches Pulver, löslich in Kali-
lauge, ferner in einer 10proz. Löſung von Natriumborat. Gibt auf Baum-
wolle und Wolle unbedingt echte Farben. — Anwendung: Man bereitet
ſich eine Boraxlöſung, löſt darin den Farbſtoff, geht mit der Ware kalt ein
und treibt langſam bis zum Sieden. Spülen und Trocknen. Je nach der
[192] verwendeten Menge des Farbſtoffes erhält man rein gelbe bis orange Töne,
welche gegen Licht, Luft, Seife, Säuren und Bleichmittel abſolut echt ſind.
Das Canarin kann, ähnlich wie das Chryſamin, auch als Beize dienen,
durch Färben der mit Canarin gebeizten Faſern mit baſiſchen und neu-
tralen Teerfarbſtoffen in einem neuen Bade laſſen ſich die verſchiedenſten
grünen und ſcharlachroten Nüancen erzielen. Wir beſitzen wenig der-
artige echte Farbſtoffe
!


2. Primulin heißt ein ſeit Juli 1888 in den Handel kommender
gelber Farbſtoff von noch nicht genügend bekannter Zuſammenſetzung. Nach
Hefelmann iſt er eine Amidoſulfonſäure. Dieſer Farbſtoff erregt berech-
tigtes Aufſehen, da er ein direkt ſubſtantiv färbender Farbſtoff für alle
Faſern
ſein ſoll. Allem Anſchein nach gehört das Primulin zu den Benzi-
dinfarbſtoffen; der Entdecker Green verſchweigt aber wohlweislich die Zu-
ſammenſetzung und daher iſt es immerhin noch nicht mit Sicherheit erwieſen,
ob wir im Primulin einen wirklichen Benzidinabkömmling vor uns haben.


Das Primulin des Handels ſtellt ein gelbes Pulver dar, welches ſich
in heißem Waſſer leicht löſt. Es löſt ſich in ſtarker Schwefelſäure mit
gelber Farbe und blauer Fluorescenz; beim Verdünnen mit Waſſer fällt das
Primulin als orangegelber Niederſchlag zu Boden. Die ſehr verdünnte
wäſſerige Löſung des Primulins hat eine blaue Fluorescenz. In neutralem
oder alkaliſchem Bade färbt Primulin ungebeizte Baumwolle direkt. Die
Farbe iſt das Himmelſchlüſſelgelb, daher ſtammt der Name Primulin.
Die Verwandtſchaft des Farbſtoffes zur Faſer wird durch Zuſatz ge-
wiſſer Salze, wie Natriumſulfat, Natriumnitrat, Soda und Kochſalz —
letzteres iſt vorzuziehen — erhöht, und man kann auf dieſe Weiſe jede be-
liebige Nüance hervorbringen. Das Gelb iſt vollkommen waſch- und alkali-
echt, wird jedoch durch Säuren in Goldgelb umgewandelt. Chryſamin er-
leidet unter gleichen Bedingungen bekanntlich eine Umwandlung in Orange.
Reduzierende Agentien wirken auf Primulin nicht ein, oxydierende dagegen,
wie Chromſäure und Chlorkalk, greifen es an. Erſtere verändert die Nüance
in ein Olive, während eine alkaliſche Chlorkalklöſung oder Natriumhypochlorit
beim Kochen ein Orangegelb erzeugen, das ſich allen Einflüſſen gegenüber
als echt erweiſt. — Anwendung: Auf Baumwolle oder Wolle färbt man
kochend in einem ſäurefreien Bade, wozu Kochſalz geſetzt worden iſt; hierauf
wird gut geſpült. Es iſt durchaus keine Beize nötig.


Wie das Chryſamin, können auch die Primuline mit großem Vorteile
ſelbſt als Beizen für alle baſiſchen Farbſtoffe, z. B. Bismarckbraun, Mel-
dolinblau, Hofmanns Violett, Methylviolett, Malachitgrün, Safranin ꝛc.
ausgedehnte Verwendung finden.


Beſonderes Intereſſe erfordert dieſe Verwendung des Primulins als
Beize, als dadurch nämlich eine gänzlich neue Methode des Färbens oder
vielmehr des Erzeugens von Farbſtoffen direkt auf der Faſer
ſelbſt
inauguriert wird. Durch Diazotierung von „Primulin“ und Kom-
bination mit Phenolen und Aminen entſtehen Azofarbſtoffe. Dieſe von Green
entdeckten Reaktionen können leicht auf der Faſer ſelbſt hervorgerufen werden.
Auf dieſe Weiſe gelangt man zu mannigfaltigen Nüancen, welche ſich durch ihre
außerordentlich große Waſch-, Walk- und Säureechtheit auszeichnen. Ihre
Echtheit in dieſer Beziehung iſt weit größer, als die der Benzidinfarbſtoffe und
wird nur durch das Alizarin und deſſen Abkömmlinge erreicht. Die ſo er-
[193] zielten Farben werden als Ingrainfarben bezeichnet. Da dieſelben
ſämtlich leicht in Waſſer löslich ſind, wenn dieſelben außerhalb der Faſer
erzeugt werden, ſo muß ihre Echtheit auf der innigen Verbindung derſelben
mit der Faſer beruhen und nicht auf Unlöslichkeit, wie das bei den Azo-
farbſtoffen der Fall iſt, welche auf der Faſer gebildet werden. Hier iſt dem-
nach die Baumwolle wirklich gefärbt mit dem Primulin und kann völlig ge-
waſchen werden, bevor die Farbe entwickelt iſt. Die zur Entwickelung ange-
wandten Phenole und Amine ſind in Löſung gegangen.


Primulin färbt auf Wolle und Baumwolle ein ſchönes Schwefelgelb.
Man färbt kochend in einem mit Kochſalz verſetzten Bade und ſpült nachher
gut aus. Die Ingrainfarben werden im allgemeinen nach folgendem Schema
erzeugt: Man zieht die im Primulinbad gelb gefärbte Faſer durch eine mit
Schwefelſäure oder Salzſäure angeſäuerte Löſung von Natriumnitrit, wäſcht
und bringt das Färbegut in alkaliſche Löſungen der Naphtole oder Naphtol-
ſulfoſäuren, welche als Entwicklungsbäder dienen. Dieſe Ingrainfarben
können in allen beliebigen Nüancen erhalten werden und ihre Anwendung
iſt keineswegs auf Baumwolle beſchränkt, ſondern man färbt mit gleichem
Vorteile Wolle, Seide und gemiſchte Gewebe in einer einzigen
Operation ſo echt, wie mit Alizarin, vor welchem die Ingrainfarben noch
den Vorteil haben, nicht zu bluten unter gewöhnlicher Behandlung. Aus-
führlicheres über das Färben mit der neuen Ingrainfarben ſiehe im
ſpeziellen Teil.


III.Grüne Farbſtoffe.

§ 73.

Grüne Farben, d. h. ſelbſtſtändige grüne Farben, nicht Gemenge
und Gemiſche von Blau und Gelb, ſind verhältnismäßig ſelten. Hier kommen
nur dieſe eigentlichen Farbſtoffe in Betracht, während die Zuſammenſtellung
grüner Miſchfarben aus andern Farbſtoffen in die Technik des Färbers ge-
hört und im ſpeziellen Teil abgehandelt wird.


Grüne Farbbaſen kommen nicht vor.


a)Neutrale grüne Farbſtoffe.

Die neutralen grünen Farbſtoffe gehören ſämtlich zur Klaſſe der
Triphenylmethanfarbſtoffe.


1. Malachitgrün (Akt.-Geſ. f. Anilinf.), Viktoriagrün (Bad. Anil.-
und Sodaf.), Neugrün (B. \& Comp.), Solidgrün (Caſſella), Bitter-
mandelölgrün, Echtgrün, Benzoylgrün, Bengalgrün
, iſt das
Zinkchloriddoppelſalz (oder das Eiſenchloriddoppelſalz, oder das oxalſaure
Salz) des Tetramethyldi-β-amidotriphenylcarbinols,
3 C23 H25 N2 Cl + 2 Zn Cl2 + 2 H2 O (Zinkverbindung.)
2 C23 H24 N2 + 3 C2 H2 O4 (Oxalat.)


Das Zinkchloriddoppelſalz bildet meſſinggelbe prismatiſche Kryſtalle, das
Oxalat metalliſch grünglänzende Blättchen, beide in Waſſer mit blaugrüner
Farbe löslich. — Anwendung: Wolle, Seide, Jute und Leder werden ſub-
ſtantiv gefärbt; Wolle ohne irgend welchen Zuſatz, beſſer jedoch nach vor-
Ganswindt, Färberei. 13
[194] herigem Behandeln mit Natriumhypoſulfit. Beizen der Wolle in einem Bade
aus 10 bis 20 Prozent (vom Gewicht der Wolle) käuflichem Hypoſulfit und 5 bis
10 Prozent Schwefelſäure. Dabei bildet ſich eine von ausgeſchiedenem
Schwefel milchig trübe Löſung, in welche man bei 30° R. mit der Wolle
eingeht, und welche man dann langſam bis auf 65° R. erwärmt. Die Wolle
wird dadurch in gewiſſem Sinne geſchwefelt und beſitzt nach dem Aus-
waſchen eine beſondere Anziehungskraft. — Seide wird in einem neutralen
Baſtſeifen- oder reinen Seifenbad gefärbt. — Jute und Leder werden ohne
vorherige Behandlung direkt in der neutralen wäſſerigen Löſung des Farb-
ſtoffes gefärbt. — Baumwolle wird mit Tannin und Brechweinſtein gebeizt
und in neuem Bade ausgefärbt. Lebhaftere Nüancen auf Baumwolle werden
auch durch Beizen mit Tannin und Alaun, ſowie mit Türkiſchrotöl gewonnen;
dunkle ruſſiſchgrüne unter Zuhilfenahme von Eiſenbeizung. Zur Erzielung
gelbgrüner Nüancen empfehle ich Zuſatz von Auramin für Wolle und
Baumwolle, ſobald aus neutralem Bade gefärbt werden kann und die Tempe-
ratur nicht über 55° geſteigert zu werden braucht; zum Nüancieren in
ſaurem Bade empfehle ich OrangeII;Pikrinſäure iſt beim Nüan-
cieren zu vermeiden
, da ſich dabei unlösliches pikrinſaures Tetramethyl-
β-amidotriphenylcarbinol bildet.


Das Malachitgrün dient außer zu ſelbſtſtändigen Nüancen auch in
Kombination mit Methylviolett und Indigokarmin zur Erzielung blaugrüner
Töne, ferner mit Methylviolett und Orange IV gemiſcht zur Imitation von
Indigokarmin.


2. Aethylgrün, Methylgrün (B. \& Comp.), iſt das Zinkchlorid-
doppelſalz des Bromäthylhexamethylpararoſanilinchlorhydrats,
Moosgrünes kryſtalliniſches Pulver, in Waſſer mit grünlichblauer Farbe
löslich. — Anwendung: wie Malachitgrün. Auf Wolle nach vorherigem
Beizen mit Natriumhypoſulfit und Schwefelſäure oder, nach Holliday,
mit eſſigſaurem Zink und eſſigſaurem Natron; auf Seide und Jute wie
mit Malachitgrün; auf Baumwolle mit Tannin und Brechweinſtein. Die
Nüancen ſind mehr bläulichgrün.


3. Brillantgrün (Bad. Anilin- und Sodafabr.; M. L. \& Br.;
B. \& Comp.; Caſſella); Aethylgrün
(Akt.-Geſ. f. Anilinf.); Smaragd-
grün (B. \& Comp.), Solidgrün J (Monnet), Neuviktoriagrün
,
iſt ſchwefelſaures Tetraäthyldi-β-amidotriphenylcarbinol,
C6 H5 · C · [C6 H4 · N (C2 H5)2]2 · SO4 H. Goldglänzende, in Waſſer mit
grüner Farbe lösliche Kryſtalle. — Anwendung: Seide, Wolle, Jute und
Leder werden im neutralen Bade direkt gefärbt, Baumwolle mit Tannin
und Brechweinſtein zuvor gebeizt. Die mit Brillantgrün erzeugten Töne
ſind etwas gelblicher als die mit Malachitgrün. Im übrigen kann das Brillant-
grün genau ſo angewendet werden, wie Malachitgrün.


4. Viktoriagrün 3 B (Bad. Anilin- und Sodaf.), Neuſolidgrün
3 B (Akt.-Geſ. f. chem. Ind.), iſt das Chlorhydrat des Tetramethyldiamidodi-
chlortriphenylcarbinols, C · C6 H3 Cl · [C6 H4 · N (CH3)2]2 Cl. Metalliſch grün-
glänzendes Kryſtallpulver, in kaltem Waſſer ſehr wenig löslich, leichter in
heißem mit grünblauer Farbe. Heiße Löſungen geſtehen beim Erkalten
[195] gallertartig. — Anwendung: wie bei Malachitgrün; die Nüancen ſind mehr
blaugrün.


5. Methylgrün (B. \& Comp.), Pariſer Grün, Lichtgrün, iſt
das Zinnchloriddoppelſalz des Chlormethyl-hexamethylpararoſanilinchlorhydrats,
C · [C6 H4 · N (CH3)2]3 · CH3 Cl · Cl + Zn Cl2. Grüne Kryſtalle, in Waſſer
leicht mit blaugrüner Farbe löslich. — Anwendung: Nur auf Seide im
nicht angeſäuerten Baſtſeifenbade. Hummel empfiehlt auch ſeine An-
wendung auf Wolle nach vorherigem Beizen mit Schwefel, wie bei Malachit-
grün. — Das Methylgrün verträgt keine Hitze; es muß daher bei 40 bis
50° R. gefärbt werden; die Nüance iſt ohnehin bläulich, ein Erhitzen über
50° macht ſie immer bläulicher, da ein Teil des Farbſtoffes ſich dann zer-
ſetzt in Chlormethyl und Methylviolett. Da das Methylgrün zudem nicht
billig iſt, iſt ſeine Verwendbarkeit eine beſchränkte.


6. Jodgrün, Nachtgrün, iſt das Zinkchloriddoppelſalz des Chlor-
methyl-hexamethylroſanilinchlorhydrats; die Formel unterſcheidet ſich von der
vorigen durch ein Mehr von CH2. Dunkelgrüne harte Stücke, in Waſſer
leicht mit blaugrüner Farbe löslich. Färbt Seide im Baſtſeifenbade grün. —
Anwendung: wie bei Methylgrün.


7. Aldehydgrün, Anilingrün. Zuſammenſetzung nicht genau be-
kannt. Amorphes grünes Pulver, in Waſſer unlöslich, in Alkohol wenig
löslich; leicht löslich in einem Gemiſch von Alkohol, Waſſer und Schwefel-
ſäure. Sehr wenig haltbar. Hummel empfiehlt daher, ſich das Aldehydgrün
zum jedesmaligen Gebrauch ſelbſt zu bereiten. Man löſt zu dieſem Zweck
Fuchſin in ſtarker Schwefelſäure auf, und erwärmt dieſelbe mit Aldehyd. Es
reſultiert eine blaue Löſung, welche in eine kochende Löſung vom Natrium-
thioſulfat gegoſſen wird. Die ſo gewonnene Löſung von Aldehydgrün muß
filtriert und ſofort verwendet werden. Färbt Wolle und beſonders Seide
direkt grün.


b)Schwach ſaure grüne Farbſtoffe.

Die beiden hierher gehörenden Farbſtoffe gehören der Klaſſe der Phta-
leïne an.


8. Coeruleïn*) (Bad. Anilin- u. Sodaf.; M. L. \& Br.; B. \& Comp.),
Alizaringrün, Anthracengrün
**), C20 H8 O6, wird durch Erhitzen von
13*
[196] Galleïn mit konzentrierter Schwefelſäure auf 200° erhalten. Kommt als ſchwarze,
in Waſſer und Alkohol unlösliche Paſte in den Handel, mit 10 bis 20 Prozent
Trockenſubſtanz. — Anwendung: Um dieſen unlöslichen Teig zum Grünfärben
verwendbar zu machen, muß er mit Natriumbiſulfit in Löſung gebracht werden.
Reines Coeruleïn gibt damit eine farbloſe Löſung, welche beim Eingehen
mit der Ware und darauffolgendes Erhitzen den Farbſtoff auf die Faſer
niederſchlägt. Es iſt das eine Hydroſulfitküpe des Coeruleïns. Man
kann auch den Teig mit Waſſer verdünnen, Ammoniak in Ueberſchuß und
Zinkſtaub zuſetzen und dann erwärmen; es reſultiert eine bräunlichrote
Löſung, welche als die Zinkſtaubküpe des Coeruleïns zu betrachten iſt.
Die mit dieſer Küpe getränkte und gewundene Ware vergrünt beim Hängen
an der Luft und zwar hier buchſtäblich: man erhält dunkelolivgrüne Töne.
Wir ſehen hieraus, daß das Coeruleïn ſich genau wie der Indigo verhält,
d. h. es muß zuvor in ein Reduktionsprodukt übergeführt werden, welches
im reinen Zuſtande farblos iſt, und daher, entſprechend dem Indigweiß, ſehr
wohl Coeruleïnweiß oder Viridinweiß genannt werden könnte. Aus
dieſem Coeruleïnweiß wird durch den Sauerſtoff der Luft das Grün wieder-
hergeſtellt. Das Färben mit Coeruleïn gehört alſo in das Gebiet
der Küpenfärberei
. Es darf deshalb auch nicht Wunder nehmen, wenn
Griſon*) empfiehlt, Wolle mit Kaliumdichromat zu beizen. Auf Wolle
eignet ſich die Sulfitküpe mehr, auf Baumwolle dagegen die Zinkſtaubküpe.
Man erhält dunkle grüne Töne, welche ſich durch Anwendung verſchiedener
Fixierungsmittel in Bläulichgrün, Oliv und Schwarzgrün modifizieren laſſen.
— Kupfergefäße ſind zu vermeiden.


9. CoeruleïnS iſt die Biſulfitverbindung des Coeruleïns; es
kommt als ſchwarzes Pulver in den Handel, welches in kaltem Waſſer wenig,
leichter in kochendem mit ſchmutzig grünbrauner Farbe löslich iſt. — An-
wendung
: Auf Wolle Beizen mit 2 Prozent chromſaurem Kali oder
(nach Kertész) mit 2 Prozent chromſaurem Kali und 4 Prozent
Weinſtein, und Ausfärben in friſchem Bade, welches die Löſung des Farb-
ſtoffes enthält; man treibt langſam bis zum Kochen und erhält darin eine
halbe Stunde. Je nach der Gewichtsmenge des verwendeten Coeruleïn S
erhält man graugrüne, olivgrüne bis ſchwarzgrüne Töne. Mit Thonerde-
beizen erhält man bläulich graugrüne bis blaugrüne Nüancen, mit Eiſenbeize
olivgrüne bis ſchwarzolive Färbungen. Auf Baumwolle wird mit eſſigſaurer
Thonerde gebeizt, verhängt, im Kreidebade fixiert und dann in einer ein-
fachen Löſung von Coeruleïn S ausgefärbt; man geht bei niedriger Tem-
peratur ein und ſteigert dieſelbe langſam bis zum Sieden. Statt eſſig-
ſaurer Thonerde kann auch mit eſſigſaurem Chrom, Zinnchlorid oder mit
Eiſenvitriol und Weinſtein gebeizt werden. — Zum Nüancieren können
Chryſolin, Gelb ſeifenecht, Alizarinorange, Alizarinblau und Gallein ange-
wendet werden.


[197]
c)Stark ſaure grüne Farbſtoffe.

I. Triphenylmethanfarbſtoffe.

10. Säuregrün (B. \& Comp.), Lichtgrün SF gelblich (Bad. Anil.-
und Sodaf.), Säuregrün SOF, LichtgrünS, iſt das Natriumſalz der
Diäthyldibenzyldiamidotriphenylcarbinoltriſulfoſäure, C37 H35 N2 O10 S3 Na3.
Hellgrünes, mattes, in Waſſer mit grüner Farbe lösliches Pulver. Färbt
Wolle und Seide in ſaurem Bade grün. Das Säuregrün beſitzt nur ge-
ringe Deckkraft und gibt nicht ſo intenſive Färbungen wie die neutralen
grünen Farbſtoffe; dagegen ſchmutzt es nicht ab, und iſt auch ziemlich walk-
echt; ferner eignet es ſich vortrefflich zum Kombinieren mit andern ſauren
Farben, wie Orange II, Alkaliblau, Säureviolett und Säurefuchſin. —
Anwendung: Auf Wolle in ſchwefelſaurem Bade ohne oder mit Zuſatz
von Glauberſalz. Auf Seide färbt man im ſchwach mit Schwefel-
ſäure angeſäuerten Baſtſeifenbade. Auf Baumwolle wird es nicht ange-
wendet. Kupfergefäße ſind zu vermeiden. Das wirkliche echte, ſaure
Säuregrün iſt ein verhältnismäßig teurer Farbſtoff. Der Käufer wird nicht
ſelten Malachitgrün dafür erhalten; es empfiehlt ſich daher beim Einkauf
von Säuregrün eine Prüfung. Der Farbſtoff wird in Waſſer gelöſt und
zur klaren Löſung etwas verdünnte Aetznatronlauge gefügt; tritt Entfärbung
und eine ſchmutzig violette Trübung ein, ſo haben wir es mit Säuregrün
zu thun; entfärbt ſich dieſelbe unter Bildung eines blaßgrünen Niederſchlages,
ſo iſt der Farbſtoff Malachitgrün. Auch Gemiſche beider kommen als Säure-
grün in den Handel. In dieſen weiſt man das Malachitgrün auf folgende
Weiſe nach: man löſt in Waſſer und fügt Natronlauge hinzu, wie oben.
Iſt die Trübung oder der Niederſchlag ſo gemiſchtfarbig, daß man daraus
einen Schluß nicht ziehen kann, ſo läßt man abſetzen, zieht die klare oder
trübe Löſung vom Bodenſatz ab und löſt dieſen in Aether. Fügen wir von
dieſer Aetherlöſung einige Tropfen in konzentrierte Eſſigſäure, ſo färbt ſich
dieſe bei Anweſenheit von Malachitgrün grün; bei reinem Säuregrün tritt
eine ſolche Grünfärbung nicht ein. — Außerdem gibt eine Pikrinſäurelöſung
in reinem Säuregrün keine Fällung oder Trübung; Malachitgrün hingegen
wird dadurch gefällt.


11. GuineagrünB iſt ein dem vorigen ſehr nahe ſtehender Farb-
ſtoff und kommt als dunkelgrünes, glanzloſes, in Waſſer mit grüner Farbe
lösliches Pulver in den Handel. Färbt Wolle und Seide in ſaurem Bade
grün; die erhaltenen Töne ſind dunkler als mit Säuregrün. — Anwendung:
wie Säuregrün. — Prüfung: Zunächſt mit Pikrinſäure; tritt Trübung und
Fällung ein, ſo iſt kein reines Guineagrün vorhanden. Zum Nachweis
von Malachitgrün ſchüttelt man die klare Farbſtofflöſung mit Ammoniak und
Aether, läßt abſetzen und gibt von der oben befindlichen klaren Aetherſchicht
einige Tropfen in konzentrierte Eſſigſäure; bei Anweſenheit von Malachit-
grün färbt ſich die Eſſigſäure grün.


12. Echtgrün iſt das Natronſalz der Tetramethyldibenzylpſeudoros-
anilindiſulfoſäure, C37 H37 N3 O7 S2 Na2. Dunkelblaugrünes, kryſtalliniſches
Pulver, in Waſſer mit grünblauer Farbe löslich. Färbt Wolle in ſaurem
Bade grün. — Anwendung: wie Säuregrün.


Helvetiagrün kommt im Handel nicht mehr vor.


[198]
II. Nitroſofarbſtoffe.

Unter dieſer Bezeichnung werden Farbſtoffe verſtanden, welche Ein-
wirkungsprodukte von ſalpetriger Säure auf Phenole ſind. Bis jetzt ſind
nur 2 Farbſtoffe dieſer Klaſſe bekannt. Das Charakteriſtiſche, wodurch ſie
ſich von allen übrigen künſtlichen und natürlichen Farbſtoffen unterſcheiden,
iſt ihre große Verwandtſchaft zu Eiſenſalzen, mit welchen ſie ſchön grüne,
abſolut echte und gegen die meiſten Reagentien widerſtandsfähige Lacke bilden.


13. Solidgrün (Bad. Anilin- und Sodaf.), Reſorcingrün, Elſaß-
grün, Chlorine, Dinitroſoreſorcin
, C6 H4 N2 O4. Bildet ſich durch
Einwirkung von ſalpetriger Säure auf Reſorcin. Graubraunes Pulver, in
Waſſer in der Kälte ſchwer, leichter beim Kochen löslich; löslich in ver-
dünnter Natronlauge. Das Solidgrün vermag unter Umſtänden
zu explodieren
; es muß an einem feuchten, nicht warmen Orte aufbe-
wahrt werden. — Anwendung: Auf mit holzeſſigſaurem Eiſen gebeizter
Baumwolle gibt es ein ſehr echtes dunkles Olivgrün. Dunklere Nüancen
bis zum Schwarz erhält man durch Schmackieren der Baumwolle vor dem
Eingehen in das Eiſenbad; um tiefdunkle Töne zu gewinnen, läßt man vor
dem Ausfärben die Baumwolle an der Luft vergrünen, geht wieder auf das
alte Schmackbad zurück, paſſiert nochmals das Eiſenbad, und färbt zuletzt in der
Löſung des Farbſtoffes. Durand und Huguenin empfehlen zur Erzielung
eines reinen und vollen Schwarz ein Färbebad aus 2 Prozent Solidgrün
und 2 Teilen Solidviolett in Teig.


14. Naphtolgrün B (Caſſella) iſt das Eiſenoxydulnatronſalz der
Nitroſo-β-naphtolmonoſulfoſäure, C20 H10 N2 O10 S2 Fe Na2. Dunkelgrünes
Pulver, in Waſſer mit gelbgrüner Farbe löslich. — Anwendung: Färbt
Wolle aus ſaurem Bade bei Gegenwart von Eiſenſalzen grün. Ein Beizen
mit Eiſenſalzen iſt nicht nötig. Das Eiſen braucht nur in löslicher Form
(z. B. als Eiſenvitriol) dem Färbebade zugefügt zu werden. Das Naphtol-
grün wird mit Eiſenvitriol, Glauberſalz und Schwefelſäure in einem Bade
gefärbt. Es gibt ein Olivgrün von großer Lichtechtheit und iſt auch gegen
Walkſeife ziemlich widerſtandsfähig. Es läßt ſich ſowohl mit Schmack ab-
dunkeln, als auch mit anderen ſauren Farbſtoffen kombinieren, z. B. mit
Naphtolgelb S und mit Indigokarmin. Es kann auch auf Seide angewen-
det werden; auf Baumwolle wird es nicht verwendet.


Durch Kombinieren hergeſtellte grüne Farben werden erzeugt mit Indigo-
karmin und Pikrinſäure, Naphtolgelb S und Echtgelb.


IV. Blaue Farbſtoffe.

§ 74. Neutrale blaue Farbſtoffe.

a) Azofarbſtoffe.

1. Azoblau (B. \& Comp.) iſt das Natronſalz der o-Tolidin-disazo-α-
naphtolmonoſulfoſäure-α-naphtolmonoſulfoſäure, C34 H24 N4 O8 S2 Na2. Blau-
ſchwarzes Pulver, in Waſſer mit violetter Farbe löslich. Färbt Baumwolle
im Seifenbade rötlichblau bis grauviolett. — Das Azoblau war der erſte
blaue Benzidinfarbſtoff, welcher pflanzliche Geſpinnſtfaſern ſubſtantiv blau
[199] färbte. Die Anwendung dürfte heute eine nur noch beſchränkte ſein, da
das Azoblau durch das nachfolgende ſo gut wie verdrängt iſt.


2. BenzoazurinG iſt das Natronſalz der Dianiſidindisazo-α-naph-
tolmonoſulfoſäure-α-naphtolmonoſulfoſäure, C34 H24 N4 O10 S2 Na2. Blau-
ſchwarzes Pulver, in Waſſer mit blauvioletter Farbe löslich. — Anwendung:
Nur auf Baumwolle. Man erhält durch Ausfärben im Seifenbade ein
volles dunkles Blau von indigoähnlichem Ton mit einer ſchwach rötlichen
Nüance. Das Benzoazurin G iſt beſtändig gegen Seife und gegen Säuren,
auch ziemlich lichtecht. Die Ausfärbungen zeigen die Eigentümlichkeit, daß
ſie beim Erwärmen rot werden; beim Erkalten kehrt jedoch die blaue Farbe
wieder. Die Färbungen rußen nicht. Das Benzoazurin läßt ſich mit
Chryſamin ins Grünliche, mit Benzopurpurin ins Violette nüancieren.


b) Triphenylmethanfarbſtoffe.

3. Viktoriablau B, Viktoriablau BS, iſt das Chlorhydrat des
Phenyltetramethyltriamido-α-naphtyldiphenylcarbinols, C33 H32 N3 Cl. Bronze-
glänzende Kryſtallkörner, in kaltem Waſſer ſchwer, in heißem leicht löslich;
in Alkohol mit rein blauer Farbe leicht löslich. — Anwendung: Wolle und
Seide werden direkt gefärbt; es iſt jedoch notwendig, ſowohl beim Löſen, wie
beim Ausfärben einen Zuſatz von Eſſigſäure zu machen, da das Viktoria-
blau ziemlich empfindlich gegen kalkhaltiges Waſſer iſt. Die Färbungen mit
Viktoriablau rußen ſchwach ab; Kertész ſchlägt deshalb vor, die Wolle
zuvor mit 2 bis 3 Prozent Alaun anzuſieden. Die „Deutſche Färberzeitung“
(1886, Nr. 21) empfiehlt einen Sud mit Glauberſalz und Schwefelſäure,
ferner zum Erzielen von grünlichblauen Tönen Zuſatz von Indigokarmin,
zur Erzeugung von Himmelblau dagegen einen Sud von Glauberſalz, Alaun
und Chlorzinn. Auf Seide färbt man in mit Eſſigſäure angeſäuertem Baſt-
ſeifenbade. Baumwolle wird mit Tannin und Brechweinſtein gebeizt; dem
Färbebade wird auch hier etwas Eſſigſäure zugegeben. Knecht empfiehlt
Beizen mit Türkiſchrotöl und eſſigſaurer Thonerde. Schultz und Julius
geben an, daß Baumwolle ſich auch direkt im eſſigſauren Bade färben laſſe.
Die mit Viktoriablau erzeugten Farben zeichnen ſich durch große Lebhaftig-
keit und große Widerſtandsfähigkeit beim Walken aus, ſind dagegen nicht be-
ſonders lichtecht.


4. Nachtblau iſt das Chlorhydrat des Tolyltetramethyltriamido-α-
naphtyldiphenylcarbinols, C34 H34 N3 Cl. Violettes, bronzeglänzendes Pulver,
in Waſſer mit blauvioletter Farbe löslich. — Anwendung: Wie Viktoriablau.
Der Farbſtoff erfordert noch etwas mehr Eſſigſäurezuſatz als der vorige.
Die Färbungen ſind etwas grünſtichiger und zeichnen ſich durch beſondere
Reinheit aus, ſind aber nicht lichtecht.


5. Viktoriablau 4 R iſt das Chlorhydrat des Phenylpentamethyl-
triamido-α-naphtyldiphenylcarbinols, C34 H34 N3 Cl. Es iſt ein dem Nacht-
blau iſomerer Farbſtoff in Form eines bronzeglänzenden Pulvers, welches
ſich in heißem Waſſer mit blauvioletter Farbe löſt. — Anwendung: Wie
Viktoriablau B. Die Färbungen beſitzen eine ſchwach violette Nüance. Durch
Kombinieren von Viktoriablau B mit 4 R erhält man verſchiedene Zwi-
ſchentöne.


[200]

6. Diphenylaminblau iſt ein der Roſanilingruppe angehöriger
Farbſtoff, deſſen Zuſammenſetzung noch nicht mit Sicherheit ermittelt iſt
(wahrſcheinlich das Chlorhydrat des Triphenylpararoſanilins). Braunes
Pulver, in Waſſer unlöslich, in kaltem Alkohol wenig, leichter in heißem
Alkohol löslich. — Anwendung: Nach Schultz und Julius wird das
Diphenylaminblau nur zur Darſtellung der verſchiedenen Marken Alkaliblau
und Bayriſchblau gebraucht; Knecht gibt dagegen an, daß es ein ſchöneres
Blau als das Anilinblau liefern ſoll. Nach Kertész ſollen die Färbungen
mit Diphenylaminblau auch bei Gaslicht ein reines Blau zeigen.


7. Anilinblau ſpritlöslich, Roſanilinblau, SpritblauO
(Bad. Anil. und Sodaf.), Gentianablau 6 B (Akt.-Geſ. f. Anilinf.),
Opalblau (Caſſella), Feinblau, Alkoholblau. Unter dieſen und noch
vielen andern Namen (Dahlia, Parmablau, Lyonerblau, Baſeblau, Humboldt-
blau, Enzianblau, Anilinblau B, 2 B, 3 B, 4 B, 5 B, Bleu de nuit, Bleu
lumière, Bleu impérial
) kommen Farbſtoffe in den Handel, welche die ſalz-
ſauren, ſchwefelſauren oder eſſigſauren Salze ſowohl des Triphenylroſanilins
wie des Triphenylpararoſanilins oder Gemiſche dieſer Salze ſind. Daraus
erklärt ſich die große Anzahl von Handelsmarken und der verſchiedenen Be-
nennungen. Das Anilinblau bildet ſich durch Einwirkung von Anilin auf
ein Gemiſch von Roſanilin und Pararoſanilin in Gegenwart von Eſſigſäure
oder Benzoëſäure. Aus der Verſchiedenartigkeit dieſes Gemiſches der Ro-
ſaniline und den Unterſchieden, ob die Einwirkung in Gegenwart von Eſſig-
ſäure oder Benzoëſäure vor ſich ging, entſpringen die verſchiedenſten Nü-
ancen vom grünſtichigen Himmelblau bis faſt zum Violett. Im Handel
erſcheint das ſalzſaure Salz als graugrünes, das ſchwefelſaure und eſſig-
ſaure Salz als blauviolettes mattes Pulver. Anilinblau iſt in kaltem Waſſer
völlig unlöslich, in kochendem auch nur in kleinen Mengen. In Alkohol
löſt ſich das ſalzſaure und ſchwefelſaure Salz nur ſchwierig; das eſſigſaure
dagegen leicht mit blauer Farbe. — Anwendung: Die ſchwere Löslichkeit
des Anilinblaus ſteht einer allgemeinen Anwendung desſelben im Wege.
Der Farbſtoff muß in dem 50 fachen Gewicht Alkohol gelöſt werden und von
dieſer Löſung dem Färbebade portionenweis zugegeben werden. Am meiſten
gebraucht wird es für Seide; man färbt in einem lauwarmen, mit Schwefel-
ſäure angeſäuerten Baſtſeifenbade unter allmählicher Steigerung bis zum
Sieden. Wolle kann mit Schwefelſäure und Glauberſalz, auch mit Alaun
angeſotten und dann im Farbbade ausgefärbt werden. Kertész empfiehlt
überdies noch einen Zuſatz von Zinnchlorid zum Färbebad, oder noch beſſer
ein vorheriges Anſieden der Wolle mit 5 Prozent Weinſtein, 1 Prozent
Zinnkompoſition und 4 Prozent Alaun und Ausfärben im Farbſtoffbade
unter Zuſetzen von 2 Prozent Schwefelſäure. Baumwolle ſoll zum Aus-
färben mit Anilinblau zuvor mehrmals nacheinander abwechſelnd durch ein
Seifenbad und dann durch ein Bad von eſſigſaurer Thonerde paſſiert und
ſchließlich im Färbebade, dem etwas eſſigſaure Thonerde zugegeben war, aus-
gefärbt werden (Knecht). Aber auch durch Beizen mit Gerbſäure (ohne
Brechweinſtein) und Ausfärben in dem mit Alaun verſetzten Färbebade kann
das Anilinblau auf Baumwolle fixiert werden. — Trotzdem der Farbſtoff
ſeiner Schwerlöslichkeit wegen nicht ſelten ungleich angeht, wird er auf Wollen-
garn mit Vorliebe ſeiner großen Walkechtheit wegen verwendet.


[201]
c) Oxazinfarbſtoffe.

8. Neublau (Caſſella), BaumwollblauR (Bad. Anil.- u. Sodaf.),
Echtblau 2 B für Baumwolle, Echtblau R für Baumwolle in
Kryſtallen
(Akt.-Geſ. f. Anilinf.); Naphtylenblau R in Kryſtallen
(B. \& Comp.), iſt das Chlorid des Dimethylphenylammonium-β-naphtoxazins,
C18 H15 N2 OCl. Dunkelviolettes, bronzeglänzendes Pulver, in Waſſer mit
blauvioletter Farbe leicht löslich. — Anwendung: Nur für Baumwolle.
Bei der Handhabung vermeide man thunlichſt ein Einatmen des feinen Farb-
ſtoffſtaubes! Man beizt die Baumwolle nach dem Tannin-Brechweinſtein-
verfahren und färbt in einem neutralen oder ganz ſchwach mit Salzſäure
angeſäuerten Farbſtoffbade aus. Man erhält ſo tiefe indigoblaue Töne von
ziemlich großer Lichtechtheit. Neublau kann auch zum Ueberſetzen von mit
Indigo angeblauter Ware benutzt werden.


9. Muscarin iſt das Chlorid des Dimethylphenyl-p-ammonium-β-
oxy-naphtoxazins, C18 H15 N2 O2 Cl. Braunviolettes Pulver, in kaltem Waſſer
ſchwer, in kochendem leicht mit blauvioletter Farbe löslich. — Anwendung:
Nur auf Baumwolle, wie Neublau; gibt hellere Töne wie voriges.


10. Nilblau iſt das ſchwefelſaure Salz des Dimethylphenyl-p-am-
monium-α-amidonaphtoxazins, (C18 H16 N3 O)2 SO4. Grünes, bronzeglänzen-
des Kryſtallpulver, in kaltem Waſſer ſchwer, in warmem leicht mit blauer
Farbe löslich. — Anwendung: Auf Seide und Wolle direkt wie bei Fuchſin;
auf Baumwolle nach dem Brechweinſteinverfahren.


d) Thioninfarbſtoffe.

11. Methylenblau (Bad. Anil.- und Sodaf.), Aethylenblau
(Oehler), Methylenblau DBB (M. L. \& Br.), Phenylenblau
, iſt
das Chlorhydrat oder das Zinkchlorid-Doppelſalz des Tetramethylthionins,
C16 H18 N3 SCl. Dunkelblaues, in Waſſer mit blauer Farbe leicht lösliches
Pulver. — Anwendung: Faſt nur auf Baumwolle. Die Baumwolle wird mit
Tannin und Brechweinſtein gebeizt und dann in einem neuen Bade entweder
ohne allen Zuſatz, oder mit Zuſatz von Soda (Knecht) oder von Eſſigſäure
(Kertész) ausgefärbt. Das Methylenblau gibt auf Baumwolle rein grünblane
Töne, welche wegen ihrer großen Seifenechtheit ſehr beliebt ſind. Auch die Licht-
echtheit des Methylenblaus iſt ziemlich bedeutend, ſobald dasſelbe für
ſich verwendet wird
, während es im Gemenge mit andern Farbſtoffen
ſeine Lichtechtheit nicht bewahrt. Dunklere und reinblaue Nüancen erhält
man durch Beizen mit eſſigſaurer Thonerde, Verhängen, im Kreidebad fixie-
ren, durch ein Schmackbad paſſieren und ſchließlich Ausfärben in einer Farb-
ſtofflöſung. Indigoblaue Töne erhält man durch Beizen mit Tannin, Paſ-
ſieren durch ein Bad von eſſigſaurem Eiſen, und Ausfärben unter Erhitzen. —
Prüfung: Im Handel kommen als Methylenblau auch Farbſtoffgemiſche
vor, welche oft nur den vierten Teil an Methylenblau beſitzen; auch unter
den Namen Marineblau, Echtblau, Indigoblau u. dergl. m. kommen Mi-
ſchungen von Methylenblau mit Methylviolett, oder mit Methylviolett und
Malachitgrün in den Handel. Zum Nachweis dieſer Beimiſchungen gibt
Storck folgendes Verfahren an: Zur Farbſtofflöſung wird etwas Zinnſalz-
Salzſäurelöſung gegeben und gut umgeſchüttelt, ſo lange bis die Löſung voll-
[202] ſtändig farblos iſt. Dann wird eſſigſaures Natron zugegeben, bis ſich ein
Niederſchlag zeigt. Iſt die Farbe desſelben oder die der Flüſſigkeit ſelber
rein weiß, ſo war reines Methylenblau vorhanden; wird die Farbe violett,
ſo war Methylviolett allein, wird ſie blau, ſo war Methylviolett und Malachit-
grün vorhanden.


e) Safraninfarbſtoffe.

12. Neutralblau iſt Phenyldimethyl-p-amidophenonaphtazoniumchlorid,
C24 H20 N3 Cl. Braunes, glanzloſes Pulver, in Waſſer mit violetter Farbe
leicht löslich. — Anwendung: Auf Wolle und Seide faſt gar nicht. Auf
Baumwolle wie Safranin (S. 165). Die Nüance iſt ein mattes, nicht licht-
echtes Blau; in Kombinationen mit andern Farben ſoll die Lichtechtheit zu-
nehmen.


13. Basler Blau iſt Tolyldimethylamidophenotolylimidonaphtazonium-
chlorid, C32 H29 N4 Cl. Braunes Kryſtallpulver, in Waſſer mit blauvioletter
Farbe löslich. — Anwendung: Färbt mit Tannin und Brechweinſtein ge-
beizte Baumwolle blau.


f) Reſorcinfarbſtoffe.

14. Reſorcinblau, Fluorescierendes Blau, ein Farbſtoff von
bislang noch unbekannter Konſtitution von der Formel C18 H7 Br6 N3 O5.
Das Handelsprodukt bildet eine braunrote, mit grünen Kryſtällchen erfüllte
Löſung, welche ſich in Waſſer beim Kochen mit rotvioletter Farbe und grüner
Fluorescenz löſt. — Anwendung: Faſt nur auf Seide, welche dadurch
blau mit bräunlichroter Fluorescenz gefärbt wird; dieſe erſcheint bei Gaslicht
mehr rot. Durch Kombination erhält man ſchöne Nüancen, welche gleich-
falls Fluorescenz zeigen. Man färbt aus einem mit Eſſigſäure gebrochenen
Baſtſeifenbade. Auch auf Wolle läßt ſich das Reſorcinblau verwenden, und
zwar direkt aus neutralem Bade; auch Wolle zeigt eine bräunliche Fluores-
cenz; die Färbungen mit Reſorcinblau ſollen gegen Licht, Seife und Säuren
ſehr echt ſein.


§ 75. Schwach ſaure blaue Farbſtoffe.

a) Anthracenfarbſtoffe.

1. Alizarinblau (Bad. Anilin.- u. Sodaf., M. L. \& Br.), Alizarin-
blau R (B. \& Comp.), Alizarinblau G W., Anthracenblau
, iſt
Dioxyanthrachinonchinolin, C17 H9 NO4. Dunkelblaue, glänzende Kryſtällchen
oder ein Teig mit 10 Prozent Trockenſubſtanz, unlöslich in Waſſer, wenig
löslich in kochendem Alkohol mit blauer Farbe. — Anwendung: Wolle wird
mit 2 bis 3 Prozent doppelt chromſaurem Kali mit oder ohne Hinzufügung
von Weinſtein angeſotten, über Nacht darin belaſſen, am nächſten Morgen
geſpült und ins Färbebad gegangen; Kupfergefäße ſind zu vermei-
den
! Das Färbebad bereitet man ſich aus warmem Waſſer mit dem nöti-
gen Alizarinblau unter Zuſatz von etwas Eſſigſäure. Der Farbſtoff geht
nur bei länger anhaltendem Kochen an die Faſer; man läßt 1½ bis 2 Stun-
den unter fleißigem Hantieren und Umziehen kochen. Will man die Dauer
des Kochens abkürzen, ſo fügt man dem Färbebade von vornherein etwas
[203] Natriumbiſulfit hinzu, um das Alizarinblau in die lösliche Form überzu-
führen, und erwärmt dann allmählich bis zum Kochen, wobei das Natrium-
biſulfit zerfällt und das Alizarinblau in ſeiner unlöslichen Form an die
Wolle geht. Endlich kann man nach Art der Küpenfärberei mittels Zink-
ſtaub und Soda reduzieren (Alizarinblau-Zinkſtaub-Küpe), in dieſer Küpe
färben und in der Luft vergrünen laſſen. Alle drei Methoden liefern gleich
günſtige Reſultate. Wegen ſeiner großen Walkechtheit eignet es ſich vortreff-
lich zum Färben loſer Wolle, welche mit weißer Wolle zuſammen verſpon-
nen oder verwebt werden ſoll. — Baumwolle wird wiederholt in Türkiſch-
rotöl gebeizt und getrocknet, dann auf friſchem Bade mit ſalpeterſaurem
Chrom behandelt, über Nacht darin liegen gelaſſen; am andern Morgen,
ſpülen, auswinden und in das Färbebad eingehen, welches man ſich aus
kaltem Waſſer, Alizarinblau und Nakriumbiſulfit bereitet. Allmähliches Er-
wärmen bis zum Kochen, bei welchem man es ½ Stunde erhält. Man er-
zielt ſo lebhaft indigoblaue Töne von ganz beſonderer Echtheit gegen Licht,
Seife, Walke ꝛc. Die Färbungen mit Alizarinblau haben dem Indigo gegen-
über den großen Vorteil, nicht abzuſchmutzen. Das Alizarinblau wird des-
halb von vielen dem Indigo an Schönheit und Echtheit gleichgeſtellt, von
manchen ſogar dem Indigo vorgezogen. Zweifellos zählt das Alizarin-
blau zu den echteſten und beſten Farbſtoffen
! — Bei Abänderung
der Vorbeizen erhält man andere Nüancen; wendet man ſtatt Kaliumdichro-
mat Alaun an, ſo erzielt man ein ſchönes glänzendes Indigoblau mit rotem
Schimmer; am beſten verwendet man 5 Prozent Alaun und 5 Prozent
Weinſtein. Wendet man ſtatt des Alauns Zinnchlorür an, ſo erhält man
ein rötliches Purpurblau; dieſes iſt jedoch weniger zu empfehlen, da die
Färbung meiſt ungleichmäßig und ſtumpf ausfällt. Auf Baumwolle erhält
man ähnliche Nüancen, wenn man nach der Behandlung mit Türkiſchrotöl
ſtatt mit eſſigſaurem Chrom mit eſſigſaurer Thonerde oder mit Zinnchlorür
behandelt. — Zum Nüancieren von Alizarinblau iſt das Coeruleïn, wel-
ches genau dieſelbe Behandlung erfordert, vorzüglich geeignet, wodurch man
äußerſt echte blaugrüne Töne erhält; andererſeits kann man durch Alizarin-
zuſatz rötlichere Nüancen erzielen. — Seide wird durch Beizen mit eſſig-
ſaurer Thonerde oder eſſigſaurem Eiſen zum Färben vorbereitet und nach
dem Spülen in beſonderem Bade mit Alizarinblau unter Natriumbiſulfitzu-
ſatz ausgefärbt. Zum Schluß Schönen durch Kochen in einem ſchwachen
Seifenbade. — Kalkhaltiges Waſſer iſt bei Verwendung von Alizarinblau
unbedingt zu vermeiden, da letzteres mit dem Kalk eine unlösliche Ver-
bindung eingeht.


2. AlizarinblauS iſt die Natriumbiſulfitverbindung des Alizarin-
blaus, C17 H11 NO10 S2 Na2. Chokoladebraunes Pulver, in Waſſer leicht
löslich mit gelbbrauner Farbe. Die Anwendung iſt eine ſehr einfache.
Wolle wird wie bei Alizarinblau mit Kaliumdichromat oder Alaun und Wein-
ſtein gebeizt und in beſonderem Bade in einer einfachen wäſſerigen Löſung
von Alizarinblau S ausgefärbt. Für die Färbung der Baumwolle mit Ali-
zarin S fehlt es zur Zeit noch an einer empfehlenswerten Methode. Die
mit Alizarinblau S erzielten Nüancen ſind ganz die gleichen wie bei Aliza-
rinblau.


[204]
b) Indophenole.

3. IndophenolblauN (Durand und Huguenin), α-Naphtol-
blau (Caſſella)
, ein Produkt der Einwirkung von Nitroſodimethylanilin auf
α-Naphtol, C18 H16 N2 O, iſt ein dunkelbraunes, in Waſſer unlösliches, in
Alkohol mit blauer Farbe lösliches Pulver. — Anwendung: Um Indophenol
für Färbereizwecke verwendbar zu machen, muß es, ganz wie Indigo, durch
Reduktionsmittel in Indophenolweiß übergeführt werden. In dieſer Indo-
phenolküpe wird ausgefärbt. Verhängen an der Luft zum Vergrünen ge-
nügt hier nicht; es bedarf einer kräftigeren Oxydation in einem Bade von
Kaliumdichromat. Die damit erzielten Farben ſind den mit Indigoküpen
erhaltenen ſehr ähnlich, auch ſehr lichtecht; aber ſchon die geringſte Spur
Säure verwandelt das Indigoblau in Braun. Dieſe fatale Reaktion macht
das Indophenol zum Färben geradezu unverwendbar; größere Verwendung
findet es im Woll- und Baumwolldruck. Soll indeſſen mit Indophenol
wirklich gefärbt werden, ſo fertigt man ſich vor allem eine Löſung von Indo-
phenolweiß
, C18 H18 N2 O, wozu Köchlin folgende Vorſchrift gibt:
2 kg Indophenol, 10 l Eſſigſäure 6° Bé., 10 l eſſigſaure Zinnlöſung 20° Bé.
gelinde erwärmen, bis Entfärbung und Löſung eintritt. Wolle wird hierin
direkt ausgefärbt, ausgewunden, geſpült, und in einem ſchwachen Bade von
Kaliumdichromat die Farbe entwickelt. Baumwolle wird zuvor mit Türkiſch-
rotöl präpariert.


§ 76. Stark ſaure blaue Farbſtoffe.

a) Triphenylmethanfarbſtoffe.

1. Alkaliblau (Caſſella), Alkaliblau extraI (Akt.-Geſ. f. Anilinf.,
M. L. \& B.); Lösliches Anilinblau, Nicholſonblau, Blen soluble,
iſt ein Gemiſch der Natronſalze der Triphenylroſanilin- und der Triphenyl-
pararoſanilin-monoſulfoſäure; alſo z. B. C37 H28 N3 SO3 Na. Je nach ſeiner
Zuſammenſetzung iſt es ein hell- oder dunkelblaues Pulver, in kaltem Waſſer
ſehr ſchwer, in heißem Waſſer leicht löslich. Aus denſelben Gründen wie
beim ſpritlöslichen Anilinblau finden ſich hier eine Unzahl von reinblauen
bis rotblauen Nüancen, welche unter den verſchiedenſten Phantaſienamen auf
den Markt kommen. Für Baumwolle iſt es nicht verwendbar. — Anwen-
dung
: Die Färbemethode weicht von der üblichen etwas ab. Wolle
wird in einem Sodabade unter Zuſatz von Borax und der nötigen Farbſtoff-
menge gekocht (5 Prozent Soda, 5 Prozent Borax), gewaſchen, und dann
in einem mit Schwefelſäure angeſäuerten Entwickelungsbade bei 50° R. bis
zur vollen Entwickelung der Farbe behandelt. Das Färbebad (alſo das
erſtere) darf nur ganz ſchwach alkaliſch ſein, ſo daß unter Umſtänden die
Soda ganz in Wegfall kommen kann, und ein bloßer Zuſatz von Borax oder von
Natronwaſſerglas oder Salmiakgeiſt ſchon genügt. Dem ſchwefelſauren Bade
kann nach Kertész vorteilhaft etwas Zinkvitriol zugeſetzt werden. Keinen-
falls darf das ſchwefelſaure Bad höher als 60° R. erhitzt werden, andern-
falls erhält man minder lebhafte Farben. — Wenn es ſich um Erzielung
einer beſtimmten Nüance nach Probe handelt, muß aus dem Färbebade be-
ſtändig Probe gefärbt und im ſauren Bade entwickelt werden, um den Zu-
ſatz von Farbſtoff und die Dauer des Färbens regeln zu können. Mit
[205] Alkaliblau erhält man ſchöne lebhafte ultramarinblauähnliche Töne; es eignet
ſich überdies prächtig zum Nüancieren, z. B. mit Orange II oder Croceïn-
ſcharlach. In dieſem Falle färbt man das Alkaliblau im erſten Bade und
ſetzt die andern Farbſtoffe dem Entwickelungsbade zu. — Seide wird ganz
wie Wolle gefärbt.


2. AlkaliblauD iſt wahrſcheinlich das Natronſalz der Diphenylamin-
blaumonoſulfoſäure. Dunkelblaues Pulver, in kaltem Waſſer unlöslich, in
kochendem leicht mit blauer Farbe löslich. — Anwendung: wie Alkaliblau.


3. BayriſchblauD S F iſt das Natronſalz der Diphenylaminblaudi-
mit etwas -Triſulfoſäure. Indigoblaues Pulver, in Waſſer leicht löslich. —
Anwendung: Färbt Seide im gebrochenen Seifenbade blau; gibt
rein blaue Töne.


4. BayriſchblauD B F, das Natronſalz der Diphenylaminblautri-
ſulfoſäure, iſt ein blaues, nicht glänzendes, in Waſſer mit blauer Farbe
lösliches Pulver. — Anwendung: Baumwolle wird mit Tannin und Brech-
weinſtein gebeizt und in einer Farbſtofflöſung ausgefärbt; Seide wird im
gebrochenen Seifenbade ausgefärbt.


5. Methylblau (Caſſella), Methylwaſſerblau (Bad. Anilin- und
Sodaf.), Brillantbaumwollblau grünlich (D. \& Comp.), Methyl-
blau
M B I (Oehler), iſt das Natronſalz der Triphenylpararoſanilintriſulfo-
ſäure, C37 H26 N3 S3 O9 Na3, und dem vorigen iſomer. Dunkelblaues Pulver,
in Waſſer mit blauer Farbe löslich. — Anwendung: Nur auf Baumwolle,
welche mit Tannin und Brechweinſtein vorgebeizt iſt. Dem Färbebad wird
etwas Alaun beigegeben und bei 50 bis 55° R. ausgefärbt. Das Methyl-
blau gibt beſonders reine grünlichblaue Töne, welche auch bei Gaslicht rein
blau erſcheinen.


6. Waſſerblau 6 Bextra, Chinablau (Akt.-Geſ. für Anilinf.),
WaſſerblauO (Bad. Anilin- und Sodaf.), Opalblau (Caſſella),
Baumwollenblau, Bleu marine,
ſind die Natron-, Kalk- oder Am-
moniakſalze der Di- und Triſulfoſäuren des Triphenylpararoſanilins, reſp.
Gemenge derſelben, z. B. C37 H26 N3 O9 S3 Na3. Durch die Verſchiedenheit
der Zuſammenſetzung begründet, kommen hier wieder eine große Anzahl von
Nüancen vor, vom hellen Grünlichblau bis zum dunklen Indigoblau, welche
durch allerlei Namen (Waſſerblau 00, 0, I, II, III, IV, Papierblau,
Guernſeyblau, Vollblau, Reinblau, Lichtblau, Nachtblau, Marine-, Lila-,
Rotblau, Seidenblau) unterſchieden werden. — Je nach Zuſammenſetzung
ein blaues glänzendes Pulver oder Stücke, welche ſich in Waſſer mit blauer
Farbe löſen. — Anwendung: Auf Seide wie bei Anilinblauſprit löslich;
auf Baumwolle wie bei Methylblau. Gibt ſchön grünblaue Nüancen.


b) Induline und Nigroſine.

7. Indulin (B. \& Comp., Bad. Anilin- und Sodaf.), Nigroſine
waſſerlöslich, Echtblau
R (Akt.-Geſ. für Anilinf.), EchtblauB,
Echtblau grünlich, Indulin 3 B, Indulin 6 B, ſind die Natronſalze der
Sulfoſäuren der verſchiedenen ſpritlöslichen Induline. Ueber die Konſtitution
iſt noch verhältnismäßig wenig bekannt. — Eine andere Art waſſerlöslicher
Induline iſt im Jahr 1886 der Firma Dahl \& Co. patentiert werden.


[206]

Während die bei Anwendung von Anilin erhaltenen Induline ſprit-
löslich ſind und, um waſſerlöslich zu ſein, in die Sulfoſäuren übergeführt
werden müſſen, erhält man beim Zuſammenſchmelzen von Diamidoderivaten
des Benzols mit Amidoazoverbindungen direkt waſſerlösliche baſiſche Farb-
ſtoffe der Indulingruppe. Die Darſtellung der Farbſtoffe geſchieht durch
mehrſtündige Einwirkung von Diaminen des Benzols, Toluols oder Xylols
auf Amidoazobenzol, Amidoazotoluol, Amidoazoxylol, gemiſchte Amidoazo-
verbindungen des Benzols, Toluols oder Xylols, Dimethyl-, Diäthyl-, Phenyl-
und Tolylamidoazoverbindungen der genannten Kohlenwaſſerſtoffe und die
unter dem Namen Tropäolin D und Tropäolin 00 bekannten Sulfoſäuren
des Dimethyl- und Phenylamidoazobenzols, ſowie Chryſoidin und Bismarck-
braun bei einer Temperatur von ca. 180°. Die erhaltenen Farbſtoffbaſen
werden in Salze übergeführt.


Techniſch wichtig ſind beſonders die durch die Einwirkung der Paradi-
amine auf ſalzſaures Amidoazobenzol oder Amidoazotoluol entſtehenden
Farbſtoffe, da ſie ganz weſentlich lichtechter ſind und blauere Nüancen liefern,
als die mit Metadiaminen dargeſtellten.


Behandelt man die auf Woll-, Baumwoll- oder Leinenfaſer mittels
dieſer Farbſtoffe erzielten Farben in der Wärme mit Oxydationsmitteln, wie
Kaliumbichromat, Kaliumchlorat, Ferridcyankalium, Eiſenchlorid, ſo nehmen
ſie einen dunkleren Ton an und werden waſchecht.


Ueber die Dahlſchen waſſerlöslichen Induline iſt noch verhältnismäßig
wenig bekannt. Bekannter ſind die obigen Natronſalze der Sulfoſäuren,
ſowie ihre Verwendung, obgleich ſich auch hier die Anſichten noch keineswegs
geklärt haben.


Die Nigroſine ſind chemiſche Körper, welche den Indulinen nahe
ſtehen, haben aber im Verhältnis zu den Indulinen eine mehr grau-
violette Farbe. Auch die Induline ſelbſt zeigen alle Nüancen vom Blau-
violett bis zum Blau, und färben Wolle dementſprechend. Bei zweckent-
ſprechender Wahl erzielt man echt indigoblaue Töne. — Anwendung: Auf
Wolle färbt man im ſchwefelſauren Bade ohne oder mit Zuſatz von Glauber-
ſalz. In der „Deutſchen Färberzeitung“ wird empfohlen, Indulin wie Alkali-
blau zu färben, alſo dem Färbebade Borax zuzuſetzen und nach einſtündigem
Kochen die Farbe in einem ſchwefelſauren Bade zu entwickeln. Um dunklere
Farben zu erzielen, empfiehlt ſich ein Zuſatz von Orange II, zur Erzielung
röterer Töne Nüancieren mit Säurefuchſin; das von Einigen beobachtete
ungleichmäßige Angehen der Induline ſoll ſich durch eine unmittelbar vorher-
gehende Behandlung in einem ſchwachen Chlorkalkbade und Paſſieren durch
ein ſchwaches Salzſäurebad vermeiden laſſen. — Die Induline ſind
nebſt dem Alizarinblau die echteſten blauen Farben, welche exi-
ſtieren
. Ihre Anwendung kann daher auf das dringendſte empfohlen wer-
den. Auf Baumwolle werden ſie zum Färben nicht verwendet, wohl aber
zum Baumwollendruck. Die Induline kommen unter den verſchiedenſten
Namen in den Handel: Indigoſchwarz, Coupiers Blau, Blackley-Blau,
Blauſchwarz, Echtblau, Blau B, Blau J. Nach Seitz*) ſoll man den
Farbſtoff auch auf Baumwolle mittels Tannin fixieren können. Die In-
[207] duline kommen auch mit anderen Farbſtoffen gemiſcht in den Handel, z. B.
mit Waſſerblau gemiſcht als Marineblau, mit Lävulinſäure gemiſcht als
Lävulinblau, in Acetinen gelöſt als Acetinblau.


Die ſpritlöslichen Induline haben für die Färbereitechnik gar kein
Intereſſe, um ſo mehr dafür im Zeugdruck.


§ 77. Künſtlicher Indigo.

Der hohe Preis des Indigos einerſeits und das unermüdliche Streben
der Wiſſenſchaft andererſeits haben nach langen vergeblichen Verſuchen auch zur
Darſtellung des Indigos auf künſtlichem Wege geführt. Adolf Bayer in
München hat den Indigo oder vielmehr das Indigoblau 1880 ſynthetiſch
dargeſtellt, und dasſelbe als einen Abkömmling der Orthonitrophenylpropiol-
ſäure erkannt. Dieſe epochemachende Entdeckung wurde hoffnungsvoll begrüßt;
doch haben ſich dieſe Hoffnungen bisher nicht zu erfüllen vermocht, da der
Preis des künſtlichen Indigos ein viel zu hoher iſt, um dem natürlichen
Konkurrenz machen zu können.


Der künſtliche Indigo kommt auch nicht als ſolcher in den Handel,
ſondern nur die OrthonitrophenylpropiolſäureC6 H4 · NO2 · C · C · COOH,
welche als Ausgangspunkt zur Erzeugung von Indigblau auf der Faſer
dient. Dieſe Säure, kurzweg Propiolſäure genannt, iſt eine gelblichweiße
aus Kryſtallblättchen beſtehende, in Waſſer lösliche Paſte. Fügt man zur
wäſſerigen Löſung Traubenzucker unter Erwärmen hinzu, ſo wird die Pro-
piolſäure zu Indigblau reduziert. In der alkaliſchen Löſung enthaltene
Gewebe würden indigblau gefärbt werden. Die ſo erhaltene Färbung iſt
rein ſchwarzblau, ohne den dem Indigo charakteriſtiſchen rötlichen Reflex. —
Anwendung: Zunächſt in ſehr beſchränktem Umfange zur Erzeugung von
Blaudruck; zum Färben eignet es ſich ſeines hohen Preiſes wegen vorläufig
gar nicht.


V.Violette Farbſtoffe.

§ 78. Neutrale violette Farbſtoffe.

a) Benzidin- und Tolidinfarbſtoffe.

1. Congo-Corinth iſt das Natriumſalz der Benzidin-disazo-naphtion-
ſäure-α-naphtolmonoſulfoſäure, C32 H21 · N5 O7 S2 Na2. Grünſchwarzes
Pulver, in Waſſer mit fuchſinroter Farbe löslich. Färbt Baumwolle im
Seifenbade braunviolett. Die Art der Anwendung iſt die gleiche wie bei
Congo (§ 68).


2. Azoblau iſt das Natronſalz der o-Tolidin-disazo-α-naphtolmono-
ſulfoſäure-α-naphtolmonoſulfoſäure, C34 H24 N4 O8 S2 Na2. Blauſchwarzes
Pulver, in Waſſer mit violetter Farbe löslich. Färbt Baumwolle im Seifen-
bade grauviolett. Art der Anwendung wie bei Congo. Die Färbungen mit
Azoblau ſind ziemlich lichtecht und widerſtehen auch der Einwirkung ſtarker
Säuren.


[208]

3. Congo-CorinthB iſt das Natronſalz der o-Tolidin-disazo-naph-
tionſäure-α-naphtolmonoſulfoſäure, C34 H25 N5 O7 S2 Na2. Grünſchwarzes
Pulver, in Waſſer mit fuchſinroter Farbe löslich. Anwendung und Nüancen
wie bei Congo-Corinth. Beide Congo-Corinths laſſen ſich durch Kombinieren
mit Congo zu Rötlichviolett und mit Benzoazurin zu Schwarzviolett nüan-
cieren.


4. RoſazurinG iſt das Natronſalz der o-Tolidin-disazo-methyl-β-
naphtylaminmonoſulfoſäure, C35 H28 N6 O6 S2 Na2. Rotbraunes Pulver, in
Waſſer mit kirſchroter Farbe löslich. Färbt Baumwolle im Seifenbade
bläulichrot.


5. RoſazurinB iſt das Natronſalz der o-Tolidin-disazo-methyl-β-
naphtylaminmonoſulfoſäure-methyl-β-naphtylaminmonoſulfoſäure,
C36 H30 N6 O6 S2 Na2.
Braunes Pulver, in Waſſer mit kirſchroter Farbe löslich. Gibt bläulichere
Nüancen als Roſazurin G.


6. Azoviolett iſt das Natronſalz der Dianiſidin-disazo-naphtionſäure-
α-naphtolmonoſulfoſäure, C34 H25 N5 O9 S2 Na2. Schwarzblaues Pulver, in
Waſſer mit rotvioletter Farbe löslich. Färbt Baumwolle im Seifenbade
violett.


7. Heliotrop iſt das Natronſalz der Dianiſidin-disazo-methyl-β-
naphtylaminſulfoſäure-methyl-β-naphtylaminſulfoſäure, C36 H30 N6 O8 S2 Na2.
Braunes Pulver, in Waſſer mit fuchſinroter Farbe löslich. Färbt Baum-
wolle im Seifenbade heliotrop.


8. Heſſiſch Violett iſt das Natronſalz des Diamidoſtilbendiſulfo-
ſäure-disazo-α-naphtylamin-β-naphtols, C34 H23 N5 O7 S2 Na2. Schwarzes
Pulver, in Waſſer mit rotvioletter Farbe löslich. Färbt Baumwolle im
Seifenbade violett.


9. RoſazurinB B iſt das Natronſalz der Benzidinſulfon-disazo-β-
naphtylaminſulfoſäure, C32 H20 N6 O8 S3 Na2. Dunkelbraunes Pulver, in
Waſſer mit fuchſinroter Farbe löslich. Färbt Baumwolle im Seifenbade
rotviolett.


b) Triphenylmethanfarbſtoffe.

10. MethylviolettB, Pariſer Violett, iſt das ſalzſaure Salz
des Pentamethylpararoſanilins, C24 H28 N3 Cl. Dieſer vielgebrauchte Farb-
ſtoff wird durch Oxydation von Dimethylanilin mit Kupferchlorid erhalten.
Er kommt in den Handel als Stücke oder als Pulver von grünem Metall-
glanz, und iſt in Waſſer mit violetter Farbe leicht löslich. — Anwendung:
Wolle und Seide werden direkt ohne Zuſatz im neutralen Farbbade gefärbt.
Die Verwandtſchaft des Methylvioletts zu den tieriſchen Faſern iſt eine ſehr
große; die Faſer nimmt den Farbſtoff begierig auf; man erhält ſo leicht
unegale Färbungen. Es empfiehlt ſich daher ein Zuſatz von etwas Seife
zum Färbebade (2 Prozent vom Gewicht der Ware). Für Wolle empfiehlt
Kertész einen Zuſatz von je 5 Prozent Bitterſalz und Zinkvitriol vom Gewicht
der Wolle, oder auch einen Zuſatz von 10 Prozent Bitterſalz und 2 Prozent
Schwefelſäure; die Färbungen auf Wolle ſchmutzen leicht ab; Zuſatz von
Alaun zum Färbebade verhindert das Rußen allerdings, erzeugt aber ſtumpfe
Farben; auf Seide empfiehlt er das Methylviolett in mit Weinſäure ange-
[209] ſäuertem Farbbade auszufärben und nachher mit Schwefelſäure zu avivieren.
Baumwolle wird mit Tannin und Brechweinſtein gebeizt und bei 35 bis
40° R. in neutralem Bade ausgefärbt. Knecht empfiehlt auch Präparieren
mit Türkiſchrotöl und eſſigſaurer Thonerde. Viel gebraucht wird es in der
Baumwollſtückfärberei als Aufſatz auf in der Küpe angeblaute Stücke.
Fernerweit wird es ſehr viel verwendet in Miſchung mit Viktoriagrün zum
Hervorrufen indigoblauer Töne, und im Gemiſch mit Methylenblau zur Er-
zeugung von Marineblau. — Alle mit Methylviolett erhaltenen Töne ſind
ſehr wenig lichtecht; gegen Seife ſind ſie etwas widerſtandsfähiger, beſonders
die auf Baumwolle.


11. Kryſtallviolett (Bad. Anilin- und Sodaf.), Violett 6 B
(Monnet), iſt das ſalzſaure Salz des Hexamethylpararoſanilins, C25 H30 N3 Cl.
Das waſſerfreie Salz bildet Kryſtalle von grünem Metallglanz, das kryſtall-
waſſerhaltige bronzeglänzende Kryſtalle, welche ſich in Waſſer mit violetter
Farbe löſen. — Anwendung: auf Wolle, Seide und Baumwolle wie das
vorige. Die Färbungen mit Kryſtallviolett geben durchgehends blauere Töne
als Methylviolett B.


12. Benzylviolett, Pariſer Violett 6 B,Methylviolett 6 B,
Methylviolett 6 Bextra (Akt.-Geſ. f. Anilinf.; Caſella; M. L. \& B.),
Violett 5 B (B. \& Comp.), Violett 6 B (B. \& Comp.), iſt das
Chlorhydrat des Pentamethylbenzylpararoſanilins, C31 H34 N3 Cl. Es
wird durch Benzylierung von Methylviolett B gebildet und kommt als
metalliſch braunglänzende Stücke oder als Pulver in den Handel. Die
wäſſerige Löſung zeigt einen eigentümlichen ſcharfen Geruch. — Anwendung:
wie Methylviolett B; Nüancen wie bei Kryſtallviolett. Beim Löſen von
Benzylviolett empfehle ich die Löſung vor dem Gebrauch zu filtrieren, da
man ſonſt leicht fleckige Färbungen erhält. Das Benzylviolett iſt einer der
gebräuchlichſten Teerfarbſtoffe.


13. Hofmanns Violett, Jodviolett, Dahlia, Primula,
Rotviolett
5 Rextra (Bad. Anilin- und Sodafabr.), Violett 5 R
(B. \& Comp.), ViolettR (Monnet), iſt nächſt dem Mauveïn und dem
Fuchſin einer der älteſten angewandten Teerfarbſtoffe (vergl. § 3, S. 7). Es wird
gebildet durch Einwirkung von Jodmethyl oder Chlormethyl auf Fuchſin und iſt
ſelten oder nie ein einheitliches Produkt, ſondern ſtets ein Gemiſch der Salze
verſchiedener Säuren mit verſchiedenen Aethyl- oder Methylderivaten des
Rosanilins oder des Pararoſanilins oder beider. Eine von dieſen Zu-
ſammenſetzungen iſt z. B. das Chlorhydrat des Triäthylroſanilins,
C26 H32 N3 Cl. Bei dieſer Mannigfaltigkeit iſt es wohl erklärlich, wenn
dieſer Farbſtoff in verſchiedenen Marken in den Handel kommt, und dem-
entſprechend auch in ſeinen Eigenſchaften große Unterſchiede zeigt; es finden
ſich dort alle Schattierungen vom reinen Violett bis zum Violettrot. Die
mehr violette Marke iſt das eigentliche Hofmanns Violett, grünglänzende,
in Waſſer mit blauvioletter Farbe lösliche Stücke; die mehr rote Marke
iſt das Rotviolett 5 R extra, ein grünes kryſtalliniſches Pulver, welches eine
fuchſinrote Löſung gibt. — Anwendung: Das echte Hofmanns Violett färbt
Wolle und Seide direkt, Baumwolle nach vorherigem Beizen mit Tannin und
Brechweinſtein oder auch nach Behandlung mit Türkiſchrotöl und eſſigſaurer
Thonerde; die Anwendung iſt jedoch durch das Methylviolett faſt ganz
in den Hintergrund gedrängt. — Die rote Marke wird nur für Wolle
Ganswindt, Färberei. 14
[210] verwendet, welche damit direkt in neutralem Bade, oder wie bei Methyl-
violett B angegeben, bläulichrot gefärbt wird.


14. Aethylviolett iſt das Chlorhydrat des Hexaäthylpararoſanilins,
C31 H42 N3 Cl. Grünes kryſtalliniſches Pulver, in Waſſer mit veilchenblauer
Farbe löslich. Färbt Wolle, Seide und mit Tannin und Brechweinſtein
gebeizte Baumwolle blauviolett. Anwendung: wie bei Methylviolett B.
Die Nüancen werden etwas blauer als dort. Die Lichtechtheit iſt die gleiche
wie dort.


15. Reginaviolett, Reginapurpur, Phenylviolett, Violet
impérial rouge,
iſt ein Gemiſch von eſſigſauren Salzen des Mono-
phenyl- reſp. Mono-o-Tolylroſanilins und der entſprechenden Derivate des
p-Roſanilins. Grünes Pulver, in Waſſer mit rotvioletter Farbe löslich.
Anwendung: Nur in der Wollenfärberei zur Erzielung rotvioletter Töne,
direkt in neutralem Bade*).


In die Kategorie der neutralen violetten Farbſtoffe gehört auch das
Lauthſche Violett, ein Thioninfarbſtoff und dem Methylblau nahe ver-
wandt. Dasſelbe iſt ſalzſaures Thionin, C12 H10 N3 S Cl. Es färbt Wolle
und Seide direkt, und mit Tannin und Brechweinſtein gebeizte Wolle violett,
hat aber ſeines hohen Preiſes wegen ſich nicht einzuführen vermocht. — Von
einem Alkaliviolett, welches Knecht erwähnt, iſt mir bis jetzt nichts
bekannt geworden.


c) Eurhodine.

16. Neutralviolett iſt das Chlorhydrat des Dimethyldiamidophena-
zins, C14 H15 N4 Cl. Grünlich ſchwarzes Pulver, in Waſſer mit violett-
roter Farbe löslich. Anwendung: Färbt mit Tannin und Brechweinſtein
gebeizte Baumwolle rotviolett. Beim Arbeiten mit Neutralviolett iſt mit
Vorſicht zu verfahren, da das Pulver leicht ſtäubt und dabei die Schleim-
häute angreift.


d) Safranine.

17. Giroflé, Xilyldimethylamidophenylxylazoniumchlorid, C24 H27 N4 Cl.
Braune Paſte oder graugrünes Pulver, in Waſſer mit fuchſinroter Farbe
löslich. Färbt mit Tannin und Brechweinſtein gebeizte Baumwolle rot-
violett. Die damit erzielten Färbungen ſind matt und nicht lichtecht.


18. Mauveïn, Roſolan, Chromviolett, der älteſte bekannte Teer-
farbſtoff, von Perkin 1856 entdeckt, entſteht durch Oxydation von toluidin-
haltigem Anilin mit Chromſäuregemiſch. Es erſcheint im Handel als rot-
violette Paſte, iſt unlöslich in der Kälte, beim Kochen ſchwer mit violett-
roter Farbe löslich. Anwendung: in der Seidenfärberei zum Weißnüan-
cieren im Strang.


[211]
§ 79. Schwach ſaure violette Farbſtoffe.

a) Triphenylmethanfarbſtoffe.

1. Galleïn, Alizarinviolett, Anthracenviolett, iſt ein Oxy-
dationsprodukt des Pyrogallolphtaleïns von der Formel C20 H10 O7. Das
Galleïn iſt kein Anthracenfarbſtoff und hat mit den Alizarinfarben nur die
Art der Anwendung gemein. Im Handel erſcheint er als violette Paſte
von 10 Prozent Trockenſubſtanz oder in getrocknetem Zuſtande als dunkel-
grünes, metalliſch glänzendes Kryſtallpulver, welches in kaltem Waſſer wenig,
in heißem leichter mit ſcharlachroter Farbe löslich iſt. Anwendung: Das
Galleïn iſt ein ſchöner Farbſtoff, der nach Art der Alizarinfarben vielſeitige
Verwendung finden kann, aber leider noch viel zu wenig benutzt wird. Es
gehört in jene Kategorie von Farbſtoffen, welche mit verſchiedenen Beizen ver-
ſchiedene Farblacke geben, den ſogenannten polygenetiſchen Farbſtoffen;
es erzeugt auf Wolle, Seide und Baumwolle ſchöne violette Nüancen, welche
ziemlich licht- und ſeifenecht ſind. Auf Baumwolle gibt Galleïn mit
eſſigſaurer Thonerde ein mattes Rotviolett, mit Zinnbeizen ein noch röteres
Violett, mit Eiſenbeize und mit Chrombeize ein bläuliches Violett. Wolle
beizt man am beſten mit 2 Prozent Kaliumdichromat (ohne Zuſatz von
Schwefelſäure) und färbt in beſonderem Bade unter langſamem Erhitzen bis
zum Sieden aus. Man erhält ſo ein ſchönes gleichmäßiges Violett. Beizt
man die Wolle mit Alaun und Weinſtein, ſo erhält man ein Rotviolett,
mit Eiſenvitriol und Weinſtein hingegen ein Schwarzviolett. Seide wird
mit Galleïn ganz wie mit Alizarin gefärbt. — Die Ausfärbungen mit
Galleïn ſind ſämtlich ſehr walkecht, und eignen ſich auch zum Miſchen
mit Holzfarben und mit Alizarinfarben.


b) Oxazine.

2. Gallocyanin, Solidviolett, iſt das Chlorid der Dimethyl-
phenylammoniumdioxyphen-oxazincarbonſäure, C15 H13 N2 O5 Cl. Bildet ent-
weder eine graugrüne, 10prozentige Paſte, oder ein bronzefarbenes, in Waſſer
unlösliches, in Alkohol mit blauvioletter Farbe lösliches Pulver. Anwendung:
Färbt Wolle, Seide und Baumwolle. Wolle wird entweder direkt gefärbt,
beſſer aber wohl mit Kaliumdichromat gebeizt, und in einem beſonderen,
neutralen Bade ausgefärbt, indem man kalt eingeht und allmählich bis zum
Kochen ſteigert, worauf man noch etwa 1 Stunde im Kochen erhält. —
Seide wird ohne vorherige Beize im Farbſtoffbade unter Zugabe von etwas
Baſtſeife gefärbt. Baumwolle wird am beſten mit einer alkaliſchen Löſung
von Chromoxyd gebeizt; ausgefärbt wird in beſonderem Bade mit dem
mit Hilfe von Natriumbiſulfit gelöſten Gallocyanin bei 65° R. Man
erhält ſo ſchöne blauviolette, dem Mauveïn ähnliche Töne. Tiefere Fär-
bungen erhält man, wenn man mit Zinnchlorid und dann erſt mit alka-
liſcher Chromoxydlöſung beizt. Das Gallocyanin eignet ſich trefflich zum
Nüancieren. So erzielt man durch Zuſatz von Quercitron oder Kreuzbeeren
ein dunkles Indigoblau, welches ſehr beliebt iſt. Durch Aenderungen im
Gewichtsverhältnis des Quercitronzuſatzes erhält man mit Leichtigkeit alle
Nüancen von reinem Blauviolett bis zum Grünblau. Das Gallocyanin
14*
[212] empfiehlt ſich beſonders auch zur Uniblaufärberei. Endlich läßt es ſich auch
lediglich mit Tannin fixieren und der ſo erhaltene Farblack dient wiederum
als Fixationsmittel für Anilinfarben. Es iſt ſomit der ausgedehnteſten An-
wendung fähig. Die damit erzielten Farben ſind lebhaft und dabei ziem-
lich echt.


3. Prune iſt der Methyläther des Gallocyanins, C16 H15 N2 O5 Cl.
Braunglänzende Kryſtällchen oder ein dunkelbraunes Pulver, in Waſſer leicht
löslich. Anwendung: Wolle wird mit Kaliumdichromat gebeizt und in
beſonderem Bade ausgefärbt, wie bei Gallocyanin. Baumwolle wird
entweder mit Tannin vorgebeizt, oder, wie bei Gallocyanin, mit Chromoxyd-
kalilöſung und Ausfärben in beſonderem Bade. Prune iſt dem Gallocyanin
nahe verwandt und wird in der gleichen Weiſe verwendet. Seiner bequemen
Löslichkeit wegen iſt es leichter verwendbar, wie das erſtere. Die Färbungen
ſind blauviolett.


§ 80. Stark ſaure violette Farbſtoffe.

a) Triphenylmethanfarbſtoffe.

1. Rotviolett 4 R S iſt das Natronſalz der Dimethylroſanilintri-
ſulfoſäure, C22 H20 N3 O9 S3 Na3. Rotviolettes, in Waſſer leicht lösliches
Pulver. Färbt Wolle in ſaurem Bade etwas bläulicher als Fuchſin S.


2. Säureviolett 6 B iſt das Natronſalz der Pentamethylbenzylpara-
roſanilinſulfoſäure, C31 H34 O4 S Na. Dunkel violettes, in Waſſer lösliches
Pulver. Färbt Seide und Wolle in ſaurem Bade violett.


3. Rotviolett 5 R S iſt das Natronſalz der Aethylroſanilinſulfoſäure,
C22 H20 N3 O9 S3 Na3. Braunviolette metalliſch glänzende Stücke, in Waſſer
mit fuchſinroter Farbe löslich. Färbt Wolle in ſaurem Bade rotviolett,
noch rötlicher als Rotviolett 4 R S.


4. Reginaviolett waſſerlöslich iſt wahrſcheinlich das Natronſalz
der Diphenylroſanilintriſulfoſäure. Braunviolette Stücke oder Pulver, in
Waſſer mit violetter Farbe löslich. Färbt Wolle in ſaurem Bade rotviolett.


Vorſtehende 4 Farbſtoffe eignen ſich faſt nur für Wolle und werden
ganz wie Säurefuchſin angewendet. Durch Kombinieren mit anderen ſauren
Farbſtoffen laſſen ſich zuſammengeſetzte Miſchfarben erzeugen.


b) Azofarbſtoffe.

5. BlauſchwarzB (Bad. Anilin- und Sodafabr.), Azoſchwarz
(M. L. \& B.), iſt das Natronſalz der β-Naphtylaminſulfoſäure-azo-α-naph-
tylamin-azo-β-naphtoldiſulfoſäure
Blauſchwarzes Pulver, in Waſſer mit blauvioletter Farbe löslich. Anwendung:
Färbt Wolle in ſaurem Bade blauviolett. Die damit erzielten Töne erinnern
an Indulin, und zwar an die violetten Marken, ſind aber dunkler. Auch
auf Seide kann es im mit Schwefelſäure gebrochenen Baſtſeifenbade zum
Hervorrufen dunkel blauvioletter Farben benutzt werden. An Echtheit gleichen
die Färbungen mit Blauſchwarz denen mit Indulin.


[213]
VI.Braune, graue und ſchwarze Farbſtoffe.

§ 81. Braune Farbſtoffe.

Die künſtlichen braunen Farbſtoffe gehören faſt durchweg den ſtark ſauren
Farbſtoffen an. Baſiſche braune Farbſtoffe exiſtieren überhaupt nicht. Von neu-
tralen
braunen Farbſtoffen exiſtieren nur das Bismarckbraun. Dieſes
iſt ſchon bei den neutralen gelben Farbſtoffen § 70 abgehandelt worden. Zu
den ſchwach ſauren braunen Farbſtoffen gehört nur ein Anthracenfarb-
ſtoff, das


1. Anthracenbraun, Anthragallol, Trioxyanthrachinon,
C14 H5 O8. Es entſteht durch Erhitzen von Gallusſäure mit Benzoíſäure
und Schwefelſäure und ſtellt eine dunkelbraune, in Waſſer unlösliche, in
Alkohol mit gelber Farbe lösliche Paſte von 20 Prozent Trockenſubſtanz vor.
Anwendung: Nur in der Wollenfärberei und ganz wie Alizarin; durch
Beizen mit Kaliumdichromat erhält man ein intenſives Gelbbraun; eſſigſaure
Thonerde gibt ein helleres Braun, Zinnbeize ein rötliches Braun, Kupfer-
vitriol ein Kaſtanienbraun. — Auch mit Chromoxydkali gebeizte Baumwolle
wird braun gefärbt. Das Anthracenbraun zeichnet ſich, wie alle Anthracen-
farben, durch große Echtheit gegen Licht und Beſtändigkeit gegen Walke und
durch ſeine Kombinationsfähigkeit mit andern Alizarinfarben aus.


Hierher gehören in gewiſſem Sinne auch noch das Purpurin (§ 67,
S. 171), welches mit Chrom gebeizte Baumwolle rotbraun färbt, und das
Alizarinorange (S. 185), welches die gleiche rotbraune Färbung auf
chromgebeizte Baumwolle liefert.


Stark ſaure Farbſtoffe.

a) Azofarbſtoffe.

2. SäurebraunG (Akt.-Geſ. f. Anilinf.) iſt das Natronſalz der
Anilinazo-m-diamidoazobenzol-p-ſulfoſäure,
Braunes, waſſerlösliches Pulver. Färbt Wolle in ſaurem Bade braun.


3. Reſorcinbraun iſt das Natronſalz des Xilidin-azo-ſulfanilinſäure-
azo-reſorcins, C6 H3 · (C H3)2 · N — N · C6 H2 · (O H)2 · N — N · C6 H4 · SO3 Na.
Braunes, waſſerlösliches Pulver. Anwendung: Reſorcinbraun iſt ein durch-
aus echtes, lebhaftes Gelbbraun, und gibt auf Wolle und Seide in ſaurem
Bade Färbungen, welche in Bezug auf Licht- und Walkechtheit allen anderen
vorgezogen werden können. Zur Zeit iſt ſein Preis noch etwas hoch.


4. EchtbraunG (Akt.-Geſ. f. Anilinf.; Tillmanns, E. ter Meer)
iſt das Natronſalz des Sulfanilſäure-disazo-α-naphtols,
Braunes Pulver, in Waſſer mit rotbrauner Farbe löslich. Färbt Wolle
in ſaurem Bade braun.


5. Echtbraun (M. L. \& B.) iſt das Natronſalz des Xilidinſulfo-
ſäure-disazo-α-naphtols,
Dunkelbraunes Pulver, in Waſſer mit brauner Farbe löslich. Färbt Wolle
in ſaurem Bade rotbraun.


[214]

6. Echtbraun (B. \& Comp.) iſt das Natronſalz des Naphtionſäure-
dis-azoreſorcins,
Färbt Wolle in ſaurem Bade braun.


7. Echtbraun (Bad. Anilin- und Sodaf.) iſt das Natronſalz des
Naphtionſäure-azo-α-naphtols, C10 H6 · SO3 Na · N — N · C10 H6 · OH.
Dunkelbraunes, in Waſſer mit gelbbrauner Farbe lösliches Pulver.


8. SäurebraunR (Akt.-Geſ. f. Anilinf.) iſt das Natronſalz des
Naphtionſäure-azo-chryſoïdins,
Braunes waſſerlösliches Pulver.


9. Echtbraun 3 B (Akt.-Geſ. f. Anilinf.) iſt das Natronſalz des
β-Naphtylaminſulfoſäure-azo-α-naphtols, C10 H6 · SO3 Na · N — N · C10 H6 · OH.
Braunes, in Waſſer mit braunroter Farbe lösliches Pulver.


Anwendung: Die ſämtlichen ſtark ſauren braunen Farbſtoffe finden
nur in der Wollenfärberei Verwendung, indem man dem Farbbade Glauber-
ſalz und Schwefelſäure hinzufügt.


Das früher viel angewendete Granatbraun, Great soluble, befindet
ſich nicht mehr im Handel.


Zu den braunen Farbſtoffen zählen in gewiſſem Sinne auch noch das
TuchrotB (§ 68, S. 178), welches mit Wolle in ſaurem Bade, beſonders
unter Zuſatz von Sumach und Gelbholzextrakt, mit eventuellem Abdunkeln mittels
Kupfervitriol, ſchöne lebhafte gelb- bis rotbraune Färbungen gibt; das Azo-
orſeïllin
(§ 68, S. 180), welches Baumwolle in ſaurem Bade braunrot
färbt, ſowie das Congocorinth und CongocorinthB (§ 78, 1 u. 3),
welche beide auf Baumwolle im Seifenbade braunviolette Färbungen geben.


§ 82. Graue und ſchwarze Farbſtoffe.

a) Graue Farbſtoffe.

Einen richtigen grauen Farbſtoff beſitzen wir zur Zeit noch nicht. Von
einigen Autoren wird das Nigroſin als grauer Farbſtoff angeſprochen.
Das Nigroſin oder richtiger die Nigroſine bilden mit den Indulinen
(§ 76, b) eine Farbſtoffklaſſe, deren Repräſentanten ſämtlich durch Erhitzen
von Amidoazobenzol oder Nitrobenzol mit Anilinſalz gewonnen werden und
eine Nüance von Indigoblau bis Hellgrau zeigen. Sie ſind ſämtlich in
Waſſer unlöslich, werden aber durch Behandeln mit Schwefelſäure in die
waſſerlöslichen Natronſalze der Sulfoſäuren der ſpritlöslichen Nigroſine und
Induline übergeführt, welche dann in verſchiedenen Marken als Nigroſin
waſſerlöslich
als ſchwarze glänzende Stücke in den Handel kommen,
welche ſich mit grauvioletter Farbe löſen, in Alkohol unlöslich ſind. Es
färbt Wolle und Baumwolle je nach dem verwendeten Nigroſin grauviolett
bis violettſchwarz. Anwendung: wie bei Indulin (§ 76). — Aehnliche Töne,
wie mit den Nigroſinen, erhält man mit Azoblau (§ 78).


Ein reines ſchönes Stahl- oder Silbergrau wird immer durch Kombi-
nation erzielt werden müſſen, läßt ſich aber auch direkt auf der Faſer erzeugen.
Hierüber vergl. den ſpeziellen Teil.


[215]
b) Schwarze Farbſtoffe.

Eigentliche ſchwarze Farbſtoffe in Subſtanz gab es bis vor wenigen
Jahren noch nicht, alle ſchwarzen Farben wurden durch geeignete Kombina-
tionen aus Blauholz, Gelbholz, Sumach, Eiſenvitriol, Kaliumdichromat,
Kupfervitriol und anderen Ingredienzien bewirkt und direkt auf der Faſer
erzeugt. Auch das vielberufene Anilinſchwarz iſt kein ſchwarzer Farb-
ſtoff und kommt daher erſt im zweiten Teile dieſes Buches im Kapitel
„Schwarzfärberei“ zur Behandlung.


Wirklich ſchwarze Farbſtoffe in Subſtanz ſind erſt ſeit dem Jahre 1885
reſp. 1887 in den Handel gelangt und zwar 3 Azofarbſtoffe und 1 An-
thracenfarbſtoff:


1. Wollſchwarz (Akt.-Geſ. für Anilinf.; Bad. Anilin- und Sodaf.)
iſt das Natronſalz des Amidoazobenzoldiſulfoſäure-azo-p-tolyl-β-naphtylamins,
C29 H21 · N5 O6 S2 Na2. Blauſchwarzes Pulver, im Waſſer mit violetter
Farbe löslich. Anwendung: Zum Färben von loſer Wolle oder von
Kammzug unter Zufügung von Glauberſalz und wenig Schwefelſäure,
Eingehen bei gewöhnlicher Temperatur und allmählichem Erhitzen bis zum
Sieden. Je nach der Menge des Farbſtoffs erhält man tief blauſchwarze
bis rein ſchwarze Töne.


2. Naphtolſchwarz (Caſſella) iſt das Natronſalz der Amidoazo-
naphtalindiſulfoſäure-azo-β-Naphtoldiſulfoſäure,
Blauſchwarzes, in Waſſer mit violetter Farbe lösliches Pulver. Zur An-
wendung geben die Herren Caſſella \& Comp. folgende Vorſchriften.


I.Für loſe Wolle, Garne und dünne Stoffe: Die möglichſt
gut gereinigte Wolle koche man während ½ Stunde auf einem mit circa
15 kg Glauberſalz beſtellten Bade, ſodann füge man den gelöſten Farbſtoff
zu und zwar circa 8 kg für loſe Wolle, 6 bis 7 kg für Garn, 4 bis 5 kg
für Stoff, laſſe wieder ¼ Stunde kochen, und ſetze ſodann bis circa 10 kg
Weinſteinpräparat allmählich zu, worauf man noch ½ bis ¾ Stunden gut
kochen läßt, bis zur Erſchöpfung des Bades.


II.Für dicke, loſe Filze und Woll- und Haarfilzhüte, bei
welchen es unthunlich iſt, die Ware öfters aus dem Bad zu heben, kann
man das Bad, wie unter I. angegeben, mit Glauberſalz, Weinſteinpräparat
und je nach Qualität der Ware 5 bis 8 kg Farbſtoff vorbereiten, bei ge-
mäßigter Temperatur eingehen, langſam bis zum Kochen erwärmen und
kochend ausfärben.


III.Starke, feſte Gewebe, welche in einem Bade nicht gut durch-
färben, koche man circa 1 Stunde in einem mit 10 kg Weinſteinpräparat
und 2 kg chromſaurem Kali beſtellten Bade, laſſe nach dem Herausgehen
mehrere Stunden oder über Nacht liegen, waſche ſodann gut aus und bringe
auf das mit 5 bis 6 kg Farbſtoff beſtellte Färbebad, koche ½ Stunde ohne
weiteren Zuſatz, füge dann ungefähr 5 kg Weinſteinpräparat zu und laſſe
noch ¾ bis 1 Stunde gut kochen.


Allgemeine Bemerkungen: Das Färben von Naphtolſchwarz
geſchieht am beſten in Holzgefäßen; kupferne Gefäße beeinträchtigen die
Nüance etwas. Statt unter Zuſatz von Weinſteinpräparat kann man mit
[216] 5 bis 6 kg 66° Schwefelſäure färben. Bei kontinuierlichem Färben werden
bei jeder folgenden Färbung 10 kg Glauberſalz und circa 6 kg Weinſtein-
präparat reſp. 4 kg 66° Schwefelſäure zugegeben. Für tiefſchwarze
Färbung
ſetze man dem Färbebad noch etwas Gelb zu.


Wir empfehlen zu dieſem Zweck circa ¾ bis 1 kgNaphtolgelb
oder ½ bis ¾ kgIndiſchgelb oder auch 2 bis 2½ kgNaphtolgrün.


3. Violettſchwarz (Bad. Anil. und Sodaf.) iſt das Natronſalz des
p-Phenylendiamin-disazo-α-naphtolmonoſulfoſäure-α-naphtylamins,
Bronzeglänzendes Pulver, in Waſſer mit braunroter Farbe löslich. Dieſer
Farbſtoff iſt noch ſehr wenig bekannt. Er iſt ausgezeichnet durch die Eigen-
ſchaft, ſowohl Baumwolle wie Wolle in neutralem Bade direkt violettſchwarz
zu färben.


4. AlizarinſchwarzS (Bad. Anilin und Sodaf.) iſt die Natrium-
biſulfitverbindung des Naphtazarins, C10 H7 SO7 Na, alſo eine konzentrierte
Alizarinſchwarz-Sulfit-Küpe. Schwarze, in kaltem Waſſer unlösliche, in
kochendem Waſſer mit rotbrauner Farbe lösliche Paſte. Anwendung: Auf
mit Kaliumdichromat gebeizte Wolle erhält man ein tiefes Schwarz, welches
bei der Darüberſicht einen rotbraunen Stich zeigt. Zuſatz von Coeruleïn
zum Färbebade ſoll dieſen Uebelſtand (nach Knecht) beheben. Bei Ver-
wendung kleiner Farbſtoffmengen erhält man ein Schieferſchwarz.


Um die Leſer mit allen in der Zeit ſeit Ausarbeitung des Manuſkripts
und des Erſcheinens des gedruckten Werkes im Buchhandel neu entdeckten
und in den Handel gekommenen Erſcheinungen vertraut zu machen, werden
dieſe Neuheiten am Schluſſe des Buches in einem beſonderen „Nachtrage“
angefügt werden. Der Verfaſſer.


[[217]]

Chemikalienkunde.


§ 83. Allgemeines.


Mit den in den vorigen beiden Hauptabſchnitten Gewebefaſerkunde
und Farbwarenkunde behandelten Geſpinnſtfaſern und Farbſtoffen iſt jedoch
ein Färben noch nicht möglich. Auch der gewandteſte Färber wird aus
Seidengarn und den grünglänzenden Kryſtallen des Fuchſins noch keine rot-
gefärbte Seide erzielen können. Er bedarf dazu noch mindeſtens eines
Körpers: des Waſſers. Was wäre der Färber ohne Waſſer? das Waſſer
iſt ein unentbehrlicher, unumgänglicher Faktor in der Färberei, und mit den
3 Faktoren Gewebefaſer, Farbſtoff und Waſſer laſſen ſich ſchon eine recht
anſehnliche Menge von Färbungen erzielen. In vielen Fällen reichen aber
auch dieſe 3 Faktoren noch nicht aus; z. B. wird niemand mit Wolle,
Orange II und Waſſer eine gelb gefärbte Wolle erzielen, oder mit Baum-
wolle, Malachitgrün und Waſſer eine grün gefärbte Baumwolle; im erſten
Falle bedarf er noch der Schwefelſäure und des Glauberſalzes, im andern
Falle des Sumachs oder des Tannins und des Brechweinſteins, um zu einer
eigentlichen Färbung zu gelangen. Die Verbindungsfähigkeit, die Anziehungs-
kraft, oder die chemiſche Verwandtſchaft zwiſchen Faſer und Farbſtoff iſt für
jede Faſer und für jeden Farbſtoff eine verſchiedene; ſie iſt in manchen
Fällen eine ſo große, daß es nur des Waſſers bedarf, um die Verbindung
des Farbſtoffes mit oder die Einlagerung des Farbſtoffes in der Faſer zu
bewirken. In allen den zahlreichen Fällen, wo die Verwandtſchaft zwiſchen
Faſer und Farbſtoff eine minder große iſt, wird zwar auch eine Färbung
erzielt; dieſe iſt aber ſo unbeſtändig, daß ſchon ein Spülen im Waſſer den nur
mechaniſch anhaftenden Farbſtoff wieder entfernt. Alle jene Farbſtoffe,
welche zur Gewebefaſer eine ſo große Verwandtſchaft beſitzen,
daß ſie unter Zuhilfenahme lediglich des Waſſers eine richtige
Färbung der Faſer erzielen, werden direkte oder ſubſtantive
Farbſtoffe genannt
. Die Anzahl ſolcher Farbſtoffe iſt nicht eben groß,
und ſie wird noch kleiner dadurch, daß eine Anzahl dieſer direkten Farbſtoffe
keineswegs alle, ſondern nur gewiſſe Faſern ſubſtantiv färbt. Der größere
Teil der heute üblichen Farbſtoffe bedarf zur Erzeugung einer feſt haftenden
[218] Färbung der Faſer noch der Mitwirkung verſchiedener chemiſcher Stoffe,
durch welche eine Verbindung von Faſer und Farbſtoff herbeigeführt, reſp.
vermittelt wird. Alle diejenigen Farbſtoffe, welche zur Färbung
der Faſer noch der Mitwirkung von Chemikalien bedürfen,
werden indirekte oder adjektive Farbſtoffe genannt
.


Die Chemikalien, welche dieſem Zweck dienen, ſind verſchiedener Art;
ſie ſind teils anorganiſcher Natur, Säuren, Baſen, Metallſalze, teils or-
ganiſcher Natur, Gerbſtoffe, Oele, Seifen u. ſ. w. Auch die Art und Weiſe,
wie dieſe Stoffe wirken, wie ſie die Vermittelung der Verbindung von Faſer
und Farbſtoff herbeiführen, iſt eine verſchiedene, wie auch die Art der Ver-
wendung eine oft weſentlich abweichende iſt. Alle dieſe Chemikalien ſind
wichtige Hilfsmittel der Färbereitechnik und werden teils als Beizen, teils
als Fixierungsmittel (d. h. Mittel zur Befeſtigung der Farben) bezeich-
net. Die Beſchreibung dieſer Chemikalien, ihre Herſtellung, Eigenſchaften,
Prüfung und Anwendung bildet den Inhalt des vorliegenden dritten Haupt-
abſchnittes.


§ 84. Das Waſſer.


Bei den alten Griechen galt das Waſſer als eines der vier Elemente*).
Daß indeſſen das Waſſer ein Element, d. h. ein nicht weiter zerlegbarer
Körper, nicht iſt, daß es vielmehr aus zwei Elementen, Sauerſtoff und
Waſſerſtoff, beſteht, iſt ſchon 1785 durch Lavoiſier nachgewieſen, und darf
als bekannt vorausgeſetzt werden. Für die Färberei hat dieſe Thatſache nur
untergeordnete Bedeutung. Der Vollſtändigkeit halber aber mag erwähnt
werden, daß ein chemiſch reines Waſſer aus 8 Gewichtsteilen Sauerſtoff und
1 Gewichtsteil Waſſerſtoff beſteht. Obgleich nun in der Natur das Waſſer
in ungeheuren Mengen enthalten iſt, — es bildet den Hauptbeſtandteil der
Erdoberfläche, — ſo finden wir doch nirgends in der Natur das Waſſer
in jenem Zuſtande der Reinheit, daß wir es als chemiſch reines Waſſer be-
zeichnen könnten; vielmehr enthält das Waſſer ſtets größere oder geringere
Mengen anderweiter Stoffe beigemengt, gelöſt, welche je nach dem Ur-
ſprung des Waſſers verſchieden ſind. Bei der großen Wichtigkeit des
Waſſers für die Färberei und bei dem notoriſchen Einfluß, den manche dieſer
Beimengungen auf den Färbeprozeß ausüben, iſt es notwendig, hierauf näher
einzugehen.


Zunächſt iſt zu unterſcheiden zwiſchen dem Waſſer, welches uns die
Erde bietet (Flußwaſſer, Quellwaſſer, Brunnenwaſſer), und dem, welches
aus der Luft kommt (Regenwaſſer). Das letztere iſt in der Atmoſphäre
als unſichtbarer Waſſerdunſt enthalten, und wird daraus als Regen abge-
ſchieden, ſobald die Temperatur der Atmoſphäre ſo weit ſinkt, daß dieſe das
Waſſer in Dunſtform nicht mehr gelöſt zu halten vermag. Solches Regen-
waſſer kommt dem Ideal eines chemiſch reinen Waſſers ſehr nahe; es ent-
hält nur höchſt geringe Spuren mechaniſch mitgeriſſener feſter Subſtanzen,
ſowie kleine Mengen von Ammoniak und ſalpetriger Säure gelöſt, von
welchen es durch Kochen ohnehin befreit werden kann. Solch friſch ge-
fallenes Regenwaſſer iſt für Färbereizwecke vorzüglich geeignet
.
[219] Es ſteht aber nicht immer in den Mengen zur Verfügung, in denen es ge-
braucht wird, ſo daß von einer regelmäßigen Verwendung von Regenwaſſer
nicht mehr die Rede ſein kann.


In der Praxis wird gemeinhin zwiſchen weichem und hartem Waſſer
unterſchieden. Weiches Waſſer nennen wir ein Waſſer, welches wenig
oder gar keine mineraliſchen feſten Beſtandteile gelöſt enthält; in die Kate-
gorie der weichen Wäſſer gehört das künſtlich dargeſtellte deſtillierte
Waſſer
, welches in der That chemiſch reines Waſſer iſt, das Konden-
ſationswaſſer
der Fabriken, welches durch Abkühlen des überflüſſigen
Dampfes in den Kondenſatoren gewonnen wird, und das Regenwaſſer;
im gewöhnlichen Leben werden auch einzelne Sorten Bach- und Flußwaſſer,
ſobald ſie mit Seifenlöſung ſofort einen Schaum geben, ohne flockige
Kalkſeife abzuſcheiden
, zu den weichen Waſſern gerechnet, was genau
genommen falſch iſt. — Hartes Waſſer nennt man jedes Waſſer mit
einem größeren Gehalt an gewiſſen Mineralſalzen, beſonders von Kalk- und
Magneſiumſalzen; zu den harten Waſſern zählt das meiſte Flußwaſſer,
das Quellwaſſer, Brunnenwaſſer, vor allem das Seewaſſer oder
Meerwaſſer.


Die Härte des Waſſers wird durch den verſchieden großen Gehalt
an jenen Salzen beſtimmt. Jedes harte Waſſer iſt urſprünglich weich geweſen.
Das weiche Waſſer aber beſitzt eine große Löſungsfähigkeit für viele mineraliſche
Salze, auch für ſolche, welche im gewöhnlichen Leben als unlöslich bezeichnet
werden. Gerade dieſe ſind es, welche das Waſſer hart machen: Gyps,
Kreide und Magneſit und das — freilich leicht lösliche — Bitterſalz.
Allerdings iſt die Kreide nicht als ſolche, d. h. nicht als einfach kohlenſaurer
Kalk, ſondern als doppelt kohlenſaurer Kalk enthalten, ebenſo wie der Mag-
neſit als doppelt kohlenſaure Magneſia. Jedes Quellwaſſer enthält nämlich
größere oder geringere Mengen Kohlenſäure, und der Gehalt hieran befähigt
das Waſſer, auch die Carbonate des Kalks und der Magneſia in Löſung
überzuführen.


Ein Waſſer, welches nur doppelt kohlenſauren Kalk oder doppelt kohlen-
ſaure Magneſia, oder beide, aber keinen Gyps, gelöſt enthält, kann von dieſen
unerwünſchten Beſtandteilen durch Kochen befreit werden; bei der Siedetempe-
ratur des Waſſers zerlegen ſich nämlich die doppelt kohlenſauren Erden in
Kohlenſäure, welche gasförmig entweicht und in einfache Carbonate, welche
als unlösliches weißes Pulver ausfallen. Ein derartiges Waſſer wird alſo
durch Kochen ſeine Härte verlieren. In geringerem Grade, als durch
Kochen, wird auch durch längeres Stehen an der Luft oder durch das
Dahinfließen auf weite Entfernungen (im Strom) dieſe Härte mehr und
mehr vermindert; aus dieſem Grunde ſind die Flüſſe, je näher der Mün-
dung, immer ärmer an kohlenſauren Salzen, alſo weicher, wie an der Quelle
und an anderen Stellen des Stromlaufes. Die Härte eines ſolchen Waſſers
iſt alſo eine vorübergehende. Rührt dagegen die Härte von Gyps und
Bitterſalz her, ſo ändert Kochen daran nichts; dieſe Härte verſchwindet
nicht
; ſie heißt in dieſem Falle bleibende Härte. Die Härte vor dem
Kochen eines harten Waſſers wird als Geſamthärte bezeichnet.


Die Kenntnis von der Härte des zu Färbereizwecken dienenden Waſſers
iſt von ſo großer Wichtigkeit, daß eine regelmäßige, etwa monatliche, regel-
recht ausgeführte Waſſeranalyſe wohl am Platze wäre. In größeren, nach
[220] vernunftgemäßen Grundſätzen geführten Färbereien dürfte eine ſolche wohl
regelmäßig ausgeführt werden. Die Härte eines Waſſers wird durch
Härtegrade bezeichnet, und zwar verſteht man darunter in Deutſchland
die Einheiten von Kalk und Magneſia in 100000 Teilen Waſſer, d. h. ein
Waſſer von 20° Härte enthält in 100000 Teilen 20 Teile Kalk und
Magneſia.


Um nun ein Urteil zu gewinnen, ob ein Waſſer mit gefundener oder
bekannter Härte brauchbar iſt oder nicht, fragt es ſich, zu welchen Zwecken
das Waſſer dienen ſoll. Für einen großen Teil der Färbeoperationen ſind
einige Härtegrade (4 bis 5°) noch nicht von Bedeutung; Bigot geht
ſogar noch weiter,*) indem er ſagt, „daß die mineraliſchen Beimengungen
ziemlich wirkungslos und unſchädlich ſind.“ Knecht iſt anderer Anſicht.
Nach meinen ſubjektiven Anſchauungen iſt ein mehr als 5° Härte
zeigendes Waſſer für Färbereizwecke nicht ſonderlich geeignet, für gewiſſe
Fälle iſt ſogar ein noch minder hartes unbrauchbar. Das Waſſer dient in
der Färberei hauptſächlich doch als Löſungsmittel für die Farbſtoffe; ein
weiches Waſſer vermag mehr Farbſtoff zu löſen, als ein
hartes
. Mehrere Farbſtoffe geben ſogar mit hartem Waſſer Fällungen,
z. B. Coeruleïn und noch einige andere, bei denen ich im zweiten Abſchnitt
vor der Verwendung kalkhaltigen Waſſers gewarnt habe; die ſämtlichen
Gerbſtoffe (Tannin, Catechu, Sumach) geben gerbſaure unlösliche Nieder-
ſchläge. Im allgemeinen werden bei Verwendung harten Waſſers zum
Farbbade die Farben ſtumpf, wahrſcheinlich infolge kleiner Mengen ge-
bildeter Kalkfarblacke, daher dieſe Stumpfheit des Tones auch durch Spülen
und Waſchen nicht verſchwindet. Waſſer mit vorübergehender Härte kann
beim Auffärben ſaurer Farben ſogar die Säure neutraliſieren und ſo einen
erneuten Zuſatz von Säure nötig machen, mit anderen Worten einen Ver-
luſt an Säure herbeiführen. Dieſe Thatſachen verſchwinden jedoch hinſicht-
lich ihrer Bedeutung vor dem Falle, wo das Waſſer zum Seifenbade
verwendet werden ſoll. Hartes Waſſer zerſtört die Seife
.
Im Moment der Löſung der Seife im Waſſer tritt eine Wechſelwirkung ein
zwiſchen den Fettſäuren der Seife und dem Kalk und Magneſiaſalzen, der-
geſtalt, daß die Fettſäuren ſich mit Kalk und Magneſia zu unlöslicher Kalk-
und Magneſiaſeife verbinden, welche in käſigen Flocken, in der Flüſſigkeit
herumſchwimmen. Dieſe Kalk- und Magneſiaſeifen beſitzen keinerlei Waſch-
kraft, und ſo lange nicht die letzte Spur von Bicarbonaten, oder von Gyps
und Bitterſalz in dieſe fettſauren Verbindungen übergeführt iſt, ſo lange
kann von einer Löſung der Seife keine Rede ſein. Mancher Leſer wird
dieſe Thatſache unterſchätzen; ſolchen Optimiſten ſei hiermit geſagt, daß
1 kg Kalk 13,5 kg gewöhnliche Seife zerſetzt, und daß bei einer
durchſchnittlichen Härte des Waſſers von 10 Prozent, wie ſie z. B. der
Rhein bei Köln und die Donau bei Wien zeigt, auf je 54 cbm Waſſer
1 Centner beſte Seife, von geringeren Sorten entſprechend mehr, endgiltig
verloren geht. Auf ein Jahr berechnet, ergibt das ſchon eine ganz reſpek-
table Summe. So wird z. B. der Geſamtverluſt an Seife, der durch die
Benutzung harten Waſſers, lediglich in London verloren geht, auf jährlich
2¾ Millionen Kilo geſchätzt. Die Zahl beweiſt beſſer als alles andere
die Wichtigkeit, welche die Kenntnis der Härte des Waſſers hat.


[221]

Die Fälle, in welchen die Härte des Waſſers von Vorteil für den
Färbeprozeß iſt, ſind ſo gering, daß ſie mit Recht unbeachtet bleiben können.
Es wird deshalb ſtets das Beſte und Richtigſte ſein, hartes
Waſſer überhaupt nicht zu verwenden, ohne es vorher weich
gemacht zu haben
. Denn die Schädlichkeit harten Waſſers beruht nicht
allein auf dem Verluſt an Seife, größer noch iſt häufig der Schaden, wel-
chen die gebildete flockige, ſchmierig fettige Kalk- und Magneſiaſeife verur-
ſacht. Dieſe hängt ſich an einzelne Stellen der im Bade befindlichen Garne
oder Stoffe als öliger Schlamm an und verhindert dadurch das Angehen von
Beize oder Farbſtoffe an die Faſer; ſie haftet dazu ſo zähe an der Faſer,
daß ſie ſelbſt durch Spülen nicht zu entfernen iſt; ungleiche, flockige Färbungen
ſind die Folge davon. Dagegen könnte man ſich nur durch Filtrieren oder
Durchſeihen des Bades ſchützen, ſobald ſich Seifenſchaum zu bilden beginnt,
und durch Eingehen mit der Ware in das filtrierte Bad. Aber ſelbſt dieſes
Auskunftsmittel möchte nur teilweiſe Abhilfe ſchaffen; denn einmal iſt das
Durchſeihen großer Waſſermengen eine heikle Sache, andererſeits wird die
Kalk- und Magneſiaſeife die Poren des Seihetuches ſehr bald verſchmieren
und damit die Operation zu einer ſehr unerfreulichen machen. Ich möchte
deshalb raten, in allen jenen Fällen, wo man auf hartes Waſ-
ſer einmal angewieſen iſt, vorher durch einen beſonderen
Reinigungsprozeß dem Waſſer ſeine Härte zu nehmen
. Darüber
ſiehe weiter unten.


Zu den Stoffen, welche das Waſſer nicht ſelten verunreinigen, gehört
nächſt den bisher betrachteten Kalk- und Magneſiaſalzen auch das Eiſen,
gleichfalls in Form des doppelten kohlenſauren Salzes. Beſonders häufig
findet ſich das Eiſen im Bach- und Quellwaſſer. Eiſenhaltiges Waſſer verrät
ſich meiſt von ſelbſt, ohne eine beſondere Prüfung, bei längerem Stehen an
der Luft, indem es ſich dann trübt und einen ſchlammigen, roſtfarbenen Boden-
ſatz gibt. Eiſenärmeres Waſſer, beſonders dann, wenn es zugleich organiſche
Stoffe gelöſt enthält, bildet auch wohl eine feine, regenbogenfarbig ſchillernde
Haut, welche langſam zu Boden ſinkt. Solches Waſſer iſt direkt
unbrauchbar
und muß unbedingt einem Reinigungsprozeß unterworfen
werden.


Andere ſeltener vorkommende Verunreinigungen des Waſſers ſind kohlen-
ſaures Natron (Soda), ſaure Salze (z. B. Eiſen- oder Kupfervitriol) und
freie organiſche Säuren (vornehmlich in ſolchem Waſſer, welches aus Torf-
mooren abfließt), endlich Schwefelwaſſerſtoffgas, welches ſich durch ſeinen
Geruch nach faulen Eiern kund gibt. Solches Waſſer iſt entweder über-
haupt, mindeſtens aber für verſchiedene Operationen im Färbereibetriebe,
zu verwerfen.


§ 85. Reinigung des Waſſers.


Bei der Verſchiedenartigkeit der Verunreinigungen wird es ſofort ein-
leuchten, daß ein einheitlicher, für alle Fälle gleich brauchbarer Reinigungs-
prozeß nicht denkbar iſt. Vielmehr muß ein ſolcher für die verſchiedenen
Verunreinigungen, welche zuvor durch eine Waſſeranalyſe feſtgeſtellt werden
müſſen, auch entſprechend abgeändert werden. Von ſolchen Waſſeranalyſen
wollen die Meiſten freilich nichts wiſſen; ich hingegen lege den Hauptwert
auf eine wohl ausgeführte quantitative Analyſe, da dieſe allein uns die An-
[222] haltepunkte gibt, nicht allein, mit welchen Mitteln ein ſolches Waſſer
zu reinigen iſt, ſondern auch — und das iſt noch wichtiger — wieviel von
dieſen Mitteln angewendet werden muß, um ein reines weiches Waſſer zu
erzielen. Denn es bedarf hierzu ganz beſtimmter Gewichts-
mengen
, welche durch Rechnung gefunden werden können. Wollen wir z. B.
ein gypshaltiges Waſſer durch Sodazuſatz reinigen, ſo werden wir durch zu
geringen Sodazuſatz wohl ein weniger gypshaltiges, aber kein gypsfreies
Waſſer erhalten; verwenden wir dagegen die Soda im Ueberſchuß, ſo erhalten
wir allerdings ein gypsfreies Waſſer; aber ſtatt des erhofften reinen Waſſers
erhalten wir jetzt ein ſodahaltiges, was womöglich noch ſchädlicher iſt, als
ein gypshaltiges. Waſſer reinigungsuniverſalmittel, als welche
früher
— und vom Färber der alten Schule heute noch — Alaun oder
Kleie angeſehen wurden, gibt es nicht
. Dieſe Mittel reinigen das
Waſſer nicht, ſie verunreinigen es höchſtens noch mehr.


Das Reinigen des Waſſers iſt ohnehin keine leichte Aufgabe. So
leicht es iſt, kleine Waſſermengen, ſobald man ihre Verunreinigung durch
Analyſe feſtgeſtellt hat, chemiſch zu reinigen, ſo ſchwierig geſtaltet ſich der
Prozeß bei den Waſſermengen, um welche ſich’s im Färbereibetriebe handelt.
Solche erfordern umfangreiche Anlagen, große Sammelbaſſins u. ſ. w. und
nur ganz große Färbereien würden in der Lage ſein, eine derartige Anlage
zu ſchaffen. Hier ſollen zunächſt nur die Methoden beſprochen werden, welche
ſich innerhalb des Rahmens einer mittleren oder kleineren Färberei wirklich
ausführen laſſen.


Entfernung der vorübergehen den Härte. Wie ſchon oben erwähnt,
iſt ein Waſſer, welches nur vorübergehend hart iſt, durch einfaches Kochen
zu reinigen. Solch große Maſſen kochen ſich aber ſchwer; im Dampfkeſſel
wäre das zwar leicht zu erreichen, aber ein Dampfkeſſel iſt von dem Ideal
der Reinheit weit entfernt. Ueberdies iſt für viele Zwecke das Ausfällen
der Bicarbonate gar nicht einmal notwendig; es genügt für die meiſten
Zwecke in der Färberei, wenn dieſelben in anderweite Verbindungen überge-
führt werden, welche bei den Färbeoperationen nicht ſtörend wirken. Das
kann durch einen vorſichtigen Zuſatz von Eſſigſäure erreicht werden.
Das Waſſer iſt dabei thunlichſt zu erwärmen. Nach jedem Eſſigſäurezuſatz
iſt tüchtig mit einem hölzernen Rührſcheit durchzurühren. Der Eſſigſäure-
zuſatz hat in immer kleineren Mengen vorſichtig und ſo lange zu erfolgen,
bis das Waſſer neutral reagiert und weder blaues Lackmuspapier rot, noch
rotes blau gefärbt wird. Ein derartig verbeſſertes Waſſer enthält dann
eſſigſauren Kalk und eſſigſaure Magneſia, welche für die eigentlichen Färbe-
operationen nicht ſchädlich ſind. Zu Seifenbädern freilich darf ein ſolches
Waſſer auch nicht benutzt werden.


Auch Zuſatz von Aetzkalk, entweder in Form von Kalkwaſſer oder
Kalkmilch, kann mit Vorteil zur Beſeitigung der vorübergehenden Härte an-
gewendet werden; die gelöſten Bicarbonate werden dadurch in einfach kohlen-
ſaure Salze übergeführt, welche als unlöslich zu Boden fallen. — Soda
kann zur Entfernung der vorübergehenden Härte nicht ange-
wendet werden
. Dagegen läßt ſich mit Vorteil ſtatt des Kalkes Aetz-
natronlauge
anwenden. Dadurch werden die Kalk- wie die Magneſiaſalze
als einfache Carbonate ausgefällt; ein durch Aetznatronlauge gereinigtes vor-
übergehend
hartes Waſſer enthält aber ſtets etwas Soda, welche ſich dabei
bildet; es iſt alſo nicht für alle Zwecke verwendbar, eignet ſich aber ſehr gut
[223] zu Seifenbädern, ſowie auch zum Färben der Baumwolle mit Benzidinfarb-
ſtoffen. Auch läßt ſich ein derartig gereinigtes Waſſer durch Zuſatz von
wenig Schwefelſäure bequem zum Färben von Wolle und Seide in ſauren
Bädern verwendbar machen. Der Zuſatz von Aetznatron fällt auch etwa
gleichzeitig vorhandenes Eiſen aus, auch werden dadurch etwa vorhandene
organiſche Subſtanzen zerſtört.


Entfernung der bleibenden Härte. Hierzu eignet ſich am beſten
die Soda. Sie zerſetzt ſowohl den Gyps wie das Bitterſalz, indem ihre
Kohlenſäure mit dem Kalk und der Magneſia unlöslich ſich abſcheidenden
kohlenſauren Kalk und kohlenſaure Magneſia bildet, während die Schwefel-
ſäure dieſer Salze ſich mit dem Natron der Soda zu ganz unſchädlichem
ſchwefelſaurem Natron oder Glauberſalz vereinigt.


Entfernung der gemiſchten Härte. Handelt es ſich um das
Weichmachen von Waſſer, welches ſowohl kohlenſaure als ſchwefelſaure Salze
enthält, ſo eignet ſich hierzu am beſten das Aetznatron; dieſes zerſetzt in der
oben beſchriebenen Weiſe zuerſt die Bicarbonate, welche als Monocarbonate
unlöslich abgeſchieden werden, unter Bildung von Soda; die Soda aber wirkt
ſofort wieder auf die ſchwefelſauren Salze unter abermaliger Fällung von
unlöslichem Carbonat und Bildung von Glauberſalz. Gleichzeitig werden
Eiſenſalze und organiſche Beimengungen zerſetzt oder zerſtört.


Der Fall für die Reinigung des Waſſers im großen Maßſtabe liegt
alſo am einfachſten bei der gemiſchten Härte. Auf dieſer Methode fußen
denn auch die in der Praxis gebrauchten Verfahren der Waſſerreinigung im
großen; vielfach wird dabei die Abänderung beliebt — z. B. bei dem Ver-
fahren von Gaillet und Huet —, daß ſtatt der Aetznatronlauge eine
Löſung von Natronkalk verwendet wird.


Entfernung des Eiſens. Die Entfernung des Eiſens aus eiſen-
haltigem Waſſer iſt mit großen Schwierigkeiten verknüpft; die Fällung des
Eiſens als unlösliches Oxydhydrat iſt zwar leicht zu bewerkſtelligen, und
zwar durch Natronlauge oder Ammoniak; der ſchlammige braune Niederſchlag
aber iſt beim Durchſeihen oder Filtrieren ſehr hinderlich; die Filtration müßte
mit ganz beſonderer Sorgfalt ausgeführt werden, da durch ein nicht ganz
dichtes Seihetuch noch kleine Mengen dieſes Niederſchlages hindurchgehen,
welche ganz ebenſo ſchädlich wirken, wie gelöſtes Eiſen, weil dieſelben ja durch
ſaure Beizen oder Farbſtoffe leicht wieder gelöſt werden können. Für eine
ſorgfältige Filtration großer Mengen ſind aber in der Praxis die Bedingungen
nicht vorhanden. Alle dieſe Momente ſollten dazu beſtimmen, eiſen-
haltiges Waſſer zum Färben überhaupt nicht, ſondern lediglich zur
Bereitung von Eiſenbeizen oder zu Bädern zum Dunkeln zu verwenden.


Das patentierte Gailletſche Waſſerreinigungsverfahren*).

Die meiſten Vorrichtungen zum Reinigen des Waſſers ſind ein-
fache Behälter
von viereckiger oder runder Form, in denen das durch die
chemiſchen Zuſätze getrübte Waſſer entweder ruhig ſteht oder langſam
und ſenkrecht aufſteigt
und dabei ſeine ſchwimmenden und feſten Teil-
chen abſetzen ſoll. Für kleine Waſſermengen ſind ſolche Behälter immer-
hin noch ausführbar; ſowie es ſich aber um etwas größere Waſſermengen
[224] handelt, nehmen ſie gleich bedeutende Abmeſſungen an, ſie werden recht teuer
und erfüllen den Zweck der Klärung nur noch ſehr unvollkommen, weil die
Zeit zum Abſetzen der feſten Teilchen zu ungenügend iſt. Eine kurze Be-
trachtung des Vorganges zeigt uns auch ſofort den Mangel der Einrichtung.
In dem Gefäße Fig. 15 a befinde ſich bis zur Linie a b ſtehendes oder lang-
ſam aufſteigendes Waſſer mit ſchwimmenden feſten Teilchen, die ſpezifiſch
ſchwerer als Waſſer ſind. Diejenigen Schichten werden ſich am erſten klä-
ren, welche zu oberſt liegen; die Klärung des ganzen Inhaltes wird aber
ſo lange dauern, bis die Unreinigkeiten ſämtlicher oberen Schichten durch
alle darunter liegenden hindurch geſunken ſind, und das wird mit den feinen,
leichten Teilchen immer geraume Zeit dauern, und zwar um ſo länger,
je höher
der Behälter iſt. Denken wir uns, bei ruhendem Waſſer, die
Höhe a c des Gefäßes (Fig. 15 b) durch vier bewegliche Böden m n in fünf
gleiche Teile geteilt, ſo wird nunmehr die Klärung des ganz en In-
haltes in ⅕ der Zeit vor ſich gehen
.


Figure 15. Fig. 15

a.


Figure 16. Fig. 15

b.


Figure 17. Fig. 15

c.


Und wenn wir nun die Bleche m n, anſtatt wagerecht, geneigt anord-
nen (Fig. 15 c), ſo daß auf ihnen der abgeſetzte Schlamm niederrutſchen
muß, ſo brauchen ſie nicht mehr beweglich, ſondern können im Gefäß feſt
angebracht ſein.


Figure 18. Fig. 15

d.


Handelt es ſich um ein Gefäß, in welchem das
Waſſer aufſteigen ſoll, ſo zeigt Fig. 15 d, in welcher
Art die Bleche m n anzuordnen ſind; immer haben wir
hier, wie in Fig. 15 c, eine Anzahl Gefäßchen von ge-
ringer Höhe, in denen die Klärung des trüben
Waſſers im ganzen Gefäß gleichzeitig vor
ſich geht
.


Auf dieſen Grundſätzen beruht die Setzmaſchine
zum Klären von trüben Flüſſigkeiten
, deren
Erfinder Herr Ingenieur Paul Gaillet in Lille und
welche der Maſchinenbauanſtalt Humboldt im deut-
ſchen Reiche unter Nr. 38032 patentiert iſt.


Dieſe Setzmaſchine beruht aber auch auf wiſſenſchaftlichen Sätzen der
mechaniſchen Aufbereitung.


In Fig. 16 ſtellt D die beſagte Setzmaſchine dar, ſie wird gebildet
durch einen länglichen Kaſten aus Blech mit unten zulaufenden Schrägungen,
welche an eine Reihe von Spitztrichtern a aus Gußeiſen auslaufen. Im
Inneren des Kaſtens ſind geneigte flache Wände derart zu einer Kolonne
nebeneinander angeordnet, daß die Flüſſigkeit, wie die Pfeile bezeichnen, ſich
[[225]]

Figure 19. Fig. 16.


[226] in vielfachen Windungen hindurch nach dem Ausfluß hin bewegen muß. Die
trübe Flüſſigkeit tritt durch das ſchräge Rohr (rechts in der Zeichnung) ein
und verfolgt den ihr durch die ſchrägen Wände vorgeſchriebenen Weg, auf
welchem die ſchwimmenden feſten Teilchen ſich auf die Wände abſetzen und
als Schlamm von ihnen nach abwärts in die Spitztrichter rutſchen; zweck-
mäßig angebrachte Hähne ermöglichen, den abgeſetzten Schlamm mit größter
Leichtigkeit zu entfernen. Je näher die Flüſſigkeit dem Ausfluſſe des Kaſtens
zurückt, deſto klarer wird ſie ſein, und vor dieſem Ausfluß iſt ſie gezwungen,
noch durch ein Filter C (Hobelſpäne oder Koksſtückchen zwiſchen gelochten
Blechen) zu ſteigen, welches aber weniger den Zweck hat, zu filtrieren, als
zu ſtauen und ſo den Waſſerſtand im Apparat zu regeln. Bei b tritt die
Flüſſigkeit völlig klar aus, vorausgeſetzt, daß der Setzmaſchine, ihrem In-
halte entſprechend, die richtige Menge gleichmäßig zugeführt wird. Dieſe
gleichmäßige Zuführung wird bewirkt durch den Regulator C, indem bei
einer gewiſſen Stellung des Schiebers der Waſſerſtand durch den zugehöri-
gen Schwimmer auf gleicher Höhe erhalten wird.


Figure 20. Fig. 17.

Die in Fig. 16 im Durchſchnitt und in Fig. 17 in der Geſamt-
anſicht gezeichnete Setzmaſchine ſtellt eine Einrichtung dar, in der dieſe
Setzmaſchine in ein Ganzes eingefügt iſt, in einen Apparat zum
Weichmachen von hartem Waſſer
. Ueber dem SetzkaſtenD ſind
die beiden ReagensbehälterB angebracht, in welchen abwechſelnd die
Reagenslöſung von Kalkwaſſer und Soda angerichtet wird; auf dieſen
Behältern ſteht der ZuflußkaſtenA, in den das harte Waſſer von einer
Pumpe oder einem höher gelegenen Waſſerbehälter gelangt. Der Kaſten A
iſt mit einem Ueberlaufrohre verſehen und ſpeiſt durch das unter die-
ſem liegende Rohr die entſprechende Abteilung des Zuflußregulators
mit hartem Waſſer. Die Reagenslöſung wird aus einem Behälter B
durch einen Schwimmerabfluß ſtets nahe der Oberfläche, wo ſie immer klar
iſt, entnommen und gelangt gleichfalls durch ein Rohr nach der anderen
Abteilung des Regulators C. Der Abſluß aus jeder Regulatorabteilung
wird durch einen Schieber richtig eingeteilt, ſo daß das harte Waſſer und
die Reagenslöſung erſt in der mittleren Abteilung des Regulators C zu-
ſammentreffen und miteinander durch den Trichter und das Rohr unter C
in den Setzkaſten D gelangen. Auf dem langen gewundenen Wege durch
[227] den Setzkaſten und beſonders beim Durchgang durch das nach oben ſpitz
zulaufende Loch in jedem zweiten ſchrägen Blech haben die beiden Flüſ-
ſigkeiten die ſchönſte Gelegenheit, ſich innig zu miſchen, ſo
daß die Reagensmittel theoretiſch genau ausgenutzt werden
können
, was in anderen Apparaten, und gar in gewöhnlichen Behältern,
gar nicht der Fall ſein kann, ein weiterer Vorzug, der dieſer Vorrichtung
zu ihrer hervorragenden Klärfähigkeit noch zuzurechnen iſt. — Damit durch
die beiden Schieberöffnungen im Regulator C ſtets dieſelbe Flüſſigkeitsmenge
ausfließe, muß in beiden Abteilungen der Waſſerſtand unveränderlich auf je
einer und derſelben Höhe erhalten werden, und das wird durch die beiden
Schwimmer bewirkt, welche durch je ein Ventil die Mündung der Zufluß-
rohre von hartem Waſſer und Reagenslöſung öffnen und ſchließen. Um die
ganze Einrichtung ſelbſtthätig und von jeder Beaufſichtigung unabhängig zu
geſtalten, bringt man das Tellerventil in der mittleren Regulatorabteilung
in Verbindung mit einem Schwimmer in dem Behälter, welcher das auf-
bereitete Waſſer aufnimmt. Wird dieſem Behälter kein Waſſer entnommen
ſo ſchließt der ſteigende Schwimmer durch das Tellerventil jeglichen Zufluß
zum Setzkaſten D ab, im Regulator ſteigt der Waſſerſtand ebenfalls, und
die beiden Schwimmer des Regulators ſchließen nunmehr auch den Zufluß
von hartem Waſſer und Reagenslöſung. Sobald die Entnahme von auf-
bereitetem Waſſer wieder beginnt, tritt die ganze Vorrichtung durch die Ein-
wirkung der erwähnten drei Schwimmer von ſelbſt wieder in Thätigkeit.


Die Zubereitung der Reagenslöſung in einem der Behälter B, welche
höchſtens 15 bis 20 Minuten Zeit in Anſpruch nimmt, und von der eine
Behälterfüllung je nach der Zuſammenſetzung des Waſſers 6 bis 12 Stun-
den vorhält, geſchieht folgendermaßen: In dem aus gelochtem Blech ange-
fertigten Korb unter A wird die zu einer Behälterfüllung nötige Menge
Kalk abgelöſcht und durch Waſſer aus A, welches durch einen Stutzen zu-
läuft, in den Behälter B als Kalkmilch abgeſpült; die erforderliche Menge
Soda (am beſten kalcinierte Soda mit etwa 98 Prozent NaCO3) wird
unmittelbar in B gegeben; während nun das Waſſer aus A in B fließt,
rührt der Arbeiter mit einer durchlöcherten Krücke den Inhalt von B kräftig
durcheinander, und zwar ſo lange, bis der Waſſerſpiegel den Boden des
Korbes berührt. Nun läßt man die Löſung etwa 10 Minuten ſtehen, nach
welcher Zeit ſie ſich völlig geklärt hat und zum Gebrauche fertig iſt.


Bei großen Apparaten haben die Behälter B ein bedeutendes Faſſungs-
vermögen; mit gutem Willen könnte der Arbeiter zwar das Aufrühren rich-
tig ausführen. Da dieſes nun doch eine ziemliche Kraftanſtrengung ver-
langt, ſo thut man gut, in die Behälter B ein Dampfgebläſe einzubauen;
man iſt dann wenigſtens ſicher, daß die Arbeit des Aufrührens auch ordent-
lich gethan wird.


Daß die Temperatur des harten Waſſers von keinem Belang für das
Verfahren iſt, brauche ich nach dem früher Geſagten nur noch zu erwähnen.


Entfernung von ſuſpendierten Körpern. Neben den chemiſchen
Verunreinigungen des Waſſers kommen auch noch mechaniſche in Betracht,
d. h. Körper, welche, ohne gelöſt zu ſein, im Waſſer ſchwimmen oder ſich
darin in der Schwebe befinden. Die Natur dieſer Stoffe iſt eine ſehr ver-
ſchiedene, teils mineraliſche (z. B. der ſchlammige Thon, welchen die Flüſſe
im Frühjahr nach der Schneeſchmelze mit ſich führen), teils organiſche
15*
[228] (Reſte von Pflanzen- und Tierkörpern). Solch trübes Waſſer iſt nicht ohne
weiteres verwendbar; es bedarf gleichfalls der Reinigung. Dieſe kann teils
auf mechaniſchem, teils auf chemiſchem Wege erfolgen.


Die mechaniſche Reinigung trüben Waſſers kann durch Abſitzen-
laſſen
auf einfachſte Weiſe geklärt werden. Dieſes erfordert aber Zeit

Figure 21. Fig. 18.

Excelſior-Filterpreſſe.


[229] und große Gefäße, deren Raum nicht jedem zu Gebote ſteht. Andere be-
kannte Mittel ſind die der Filtration, namentlich durch plaſtiſche Kohle,
ſog. Kohlenfilter. Zur Bewältigung großer Waſſermengen müßten indes
eine große Anzahl ſolcher Filter beſchafft werden, was der Methode doch
hinderlich im Wege ſteht. Am geeignetſten zur Filtration großer Waſſer-
mengen ſind die Filterpreſſen, Apparate, welche für größere Betriebe
geradezu unentbehrlich ſind. Eine ſolche Filterpreſſe, wie ſie von der Firma
Wegelin und Hübner in Halle a/S. gebaut und durch die Fig. 18 auf
Seite 228 veranſchaulicht iſt, liefert genügende Mengen kryſtallklaren Waſſers
bei verhältnismäßig geringem Raumbedarf. Die Leiſtung einer derartigen
Filterpreſſe iſt je nach der Größe pro Stunde 2 bis 82 cbm. Ein Apparat
von 1,60 m Länge und 1,2 m Breite mit 6 Filterkammern liefert pro
Stunde 2 cbm. Die Einführung des zu filtrierenden Waſſers geſchieht ent-
weder mittels einer Pumpe, oder durch natürlichen Druck aus einem Hoch-
reſervoir.


Die chemiſche Reinigung trüben Waſſers wird dadurch erreicht, daß
im Waſſer ein Niederſchlag erzeugt wird, welcher entweder vermöge ſeiner
Schwere den ſuſpendierten Körper mechaniſch mit zu Boden reißt, oder
vermöge ſeiner geringen Schwere an die Oberfläche zieht. — Der erſte Fall
wird erreicht durch Alaun*). Am beſten wird zuerſt eiſenfreier gelöſter
Alaun dem Waſſer beigemengt, worauf ein wenig ebenfalls gelöſte Soda
zugeſetzt und gut umgerührt wird. Es findet hierbei eine Ausſcheidung von
Thonerde in großen Flocken ſtatt, welche das Trübe des Waſſers einhüllen,
und beim Abſetzen mechaniſch mit zu Boden reißen. Ein Durchſeihen des
Waſſers wird freilich auch in dieſem Falle nicht zu umgehen ſein. — Der
zweite Fall wird erreicht durch Zinnchlorid (Doppeltchlorzinn). Von ei-
ner Löſung dieſes Salzes ſind nur verhältnismäßig geringe Mengen not-
wendig zur Klärung des Waſſers. Durch den Zuſatz der Löſung wird das
Waſſer vorerſt noch trüber; wird dann aber tüchtig gerührt und langſam
auf 40 bis 50° erwärmt (etwa durch eingeleiteten Keſſeldampf), ſo ſcheidet
ſich Zinnoxyd in Flocken aus, welche ſich bald an der Oberfläche des Waſſers
ſammeln und das Suſpendierte mechaniſch mit ſich führen. Da in dieſem
Falle die ſchaumigen Flocken mittels eines Schöpflöffels abgenommen werden
können, ſo iſt ein Abſetzen oder Durchſeihen nicht nötig.


Am Schluſſe möge ausdrücklich betont werden, daß durch die letzt
beſchriebenen Operationen nur eine Klärung des Waſſers erreicht wird;
das klare Waſſer kann deshalb noch immer hart ſein, und würde in dieſem
Falle vor ſeiner Verwendung noch von ſeiner Härte zu befreien ſein.


Auch noch eine große Menge anderer Klärmittel gibt es, z. B. Eiweiß,
Tannin u. dergl., ſie ſind jedoch zum Klären großer Mengen, weil zu koſt-
ſpielig, nicht verwendbar.


§ 86. Dampfkeſſel- und Kondenſationswaſſer.


Wenn irgendwo das Waſſer von ſeiner Härte völlig befreit werden
muß, ſo iſt das der Fall beim Waſſer zur Keſſelſpeiſung. Die unaufhör-
[230] lichen Klagen über Keſſelſteinbildung, über die Schädigung, die der Dampfkeſſel
dadurch erleidet, über die zeitweilige Betriebsſtörung durch Keſſelklopfen,
über den infolge Keſſelſteinbildung vermehrten Kohlenverbrauch, abgeſehen von
der durch plötzliche Loslöſung von Keſſelſteinkruſten leicht möglichen Explo-
ſionsgefahr würden ſofort verſtummen, wenn man ſich entſchließen wollte,
das Speiſewaſſer vor dem Einpumpen in den Keſſel weich zu machen
und abſetzen zu laſſen. Ein mit ſolch weich gemachtem Waſſer be-
ſchickter Keſſel kann keinen Keſſelſtein bilden
; er kann dauernd ohne
Störung oder Unterbrechung in Betrieb gehalten werden.


In der Praxis geſchieht das Weichmachen des Waſſers meiſt erſt im
Keſſel ſelbſt. Das iſt ein Fehler. Was nützt das weiche Waſſer im
Keſſel, wenn trotzdem der geſamte Kalk-, Magneſia- und Eiſengehalt des
Waſſers ſich im Keſſel befindet? Wenn auch von einzelnen Technikern dar-
auf hingewieſen wird, daß dieſe Verunreinigungen im Keſſel ſich als Schlamm
befinden und keine harte Kruſte bilden, ſo iſt dieſer Schlamm doch immer-
hin keine Wohlthat für den Keſſel; er bewirkt ein ſtoßendes Kochen, eine
ungleichmäßige Dampfentwickelung und macht auch von Zeit zu Zeit ein Ab-
blaſen des Keſſels notwendig. Warum alſo erſt einen Schlamm im Keſſel
erzeugen, den man außerhalb des Dampfkeſſels erzeugen und beſeitigen
kann? Die Reinigungsmethoden für Keſſelſpeiſewaſſer ſind ganz dieſelben,
wie im vorigen Paragraphen angegeben. Alle ſogenannten Keſſelſteinmittel,
welche in großer Anzahl und mit großer Reklame empfohlen werden, ſpeku-
lieren auf die Unkenntnis des Publikums; günſtigſten Falles beſtehen ſie aus
Soda. Einen nachweisbaren Nutzen wird man niemals davon haben. Man
reinige daher lieber das Waſſer und behalte ſein Geld!


Der Waſſerdampf, wie er im Dampfkeſſel gebildet wird, iſt Waſ-
ſer in ſeiner reinſten Form
. Er ſollte überall, wo er ſeine Arbeit
verrichtet hat, abgekühlt und geſammelt werden. Dieſem Zwecke dient der
Kondenſator (d. h. Verdichter). Das im Kondenſator geſammelte Waſſer,
das Kondenſationswaſſer, ſollte der Theorie nach chemiſch reines,
deſtilliertes Waſſer ſein. Es iſt in der That ein von mineraliſchen Be-
ſtandteilen völlig freies, abſolut weiches Waſſer; es enthält jedoch faſt ſtets
geringe Anteile von Schmier- oder Mineralölen, welche beim Durchgange
des Dampfes durch die Ventile der Leitungsröhren oder durch die Maſchine
mechaniſch mitgeriſſen werden. Dieſes Waſſer iſt wegen ſeiner Weichheit
für Färbereizwecke beſonders geeignet; es iſt jedoch ſeiner Oelteile wegen
nicht ohne weiteres verwendbar, ſondern muß vorher genügend gereinigt
werden.


Das Reinigen des Kondenſationswaſſers geſchieht am einfach-
ſten auf mechaniſchem Wege, indem man Oel und Waſſer ſich ruhig vonein-
ander trennen läßt, das unten befindliche Waſſer durch einen Hahn abläßt,
um dann dasſelbe durch Koks oder beſſer durch Knochenkohle und nachher
noch durch eine Kies- oder Sandſchicht treten zu laſſen. Zur völligen Ent-
fernung der öligen Beſtandteile empfiehlt ſich auch ein tüchtiges Durch-
rühren mit einer darauf gegoſſenen dünnen Schicht Benzin, Abſetzenlaſſen
und Verfahren wie oben. Gemeinhin enthält das Kondenſationswaſſer auch
kleine Mengen Eiſen. Man überzeugt ſich davon leicht, wenn man in ein
Reagierglas etwas Kondenſationswaſſer gibt, einige Tropfen chemiſch reine
Salzſäure hinzufügt (die käufliche iſt ſtets eiſenhaltig, iſt deshalb zum Nach-
[231] weis nicht verwendbar) und dann einige Tropfen einer Löſung von gelbem
Blutlaugenſalz zufließen läßt. Eine entſtehende blaue Farbe zeigt Eiſen
an. Wird das Kondenſationswaſſer eiſenhaltig gefunden, ſo kann es nur
für dunkle Farben verwendet werden; färbt es ſich dagegen nicht blau, ſo
kann es für alle feineren Färbereizwecke unbedenklich verwendet werden.


Um Kondenſationswaſſer zu ſammeln und abzuleiten, dazu dient der
Kondenſationswaſſerableiter mit Hebelſchwimmer und entlaſtetem
Ventil.


Figure 22. Fig. 19.

Der in Fig. 19 abgebildete Kondenſationswaſſerableiter hat gegenüber
den älteren Konſtruktionen den Vorteil, daß er trotz ſeiner geringen äußeren
Dimenſion eine bedeutende Leiſtungsfähigkeit beſitzt und bei allen Dampf-
preſſungen bis 8 Atmoſphären gleich ſicher funktioniert. Das mit dem Dampf
zuſammen durch den oberen Anſchlußſtutzen eintretende Kondenſationswaſſer
kann durch den am ſeitlichen Ventilgehäuſe befindlichen Ausgangsſtutzen ins
Freie oder, bei Anwendung einer Rohrleitung, nach einem beliebigen Ver-
wendungsort geleitet werden, ohne im Innern des Topfes durch irgend
welche Querſchnittsverengungen gehemmt zu werden.


Der Apparat iſt ſo konſtruiert, daß man nach Entfernung des Ventil-
deckels und des kleinen ovalen Befeſtigungsflantſches für den Hebel das Ventil
leicht herausnehmen, reinigen und eventuell nachſchleifen kann.


Oben auf dem Deckel des Topfes befindet ſich ein kleiner Lufthahn,
der beim erſten Anſtellen des Dampfes zur Entfernung der in den Röhren
befindlichen Luft geöffnet werden kann; eine ſeitlich angebrachte Verſchrau-
bung dient zum Ablaſſen des Waſſers vor längeren Betriebspauſen der be-
treffenden Dampfleitung.


[232]

Kondenſationswaſſerableiter anderer Syſteme ſind die durch nachſtehende
Abbildungen erläuterten der Firma C. H. Weisbach in Chemnitz:


A.Mit offenem Schwimmer. Die in Fig. 20 A u. B veranſchau-
lichten Kondenſationswaſſerableiter vereinigen große Zuverläſſigkeit mit größ-
ter Einfachheit.


Die Konſtruktion derſelben geſtattet bei etwaigem Verſchmutzen leichtes
Auseinandernehmen und Reinigen.


Figure 23. Fig. 20

A.


Figure 24. Fig. 20

B.


B.Syſtem Robinſon. Dieſer Apparat (Fig. 21 A und B) beſteht
im weſentlichen aus einem eiſernen, oben mit einem loſen Deckel geſchloſſenen
Waſſerkaſten und aus einem kupfernen Schwimmer, welcher, je nachdem der-
ſelbe in ſeiner tiefſten oder höchſten Stellung ſich befindet, einen ſeitlich
angebrachten Hahn öffnet oder ſchließt. Durch dieſe einfache Vorrichtung
wird eine ſelbſtthätige Regulierung der Funktion erreicht.


Figure 25. Fig. 21

A.


Die einfachſten Apparate dieſer Art ſind die röhrenförmigen Kon-
denſationswaſſerableiter
.


[233]
Figure 26. Fig. 21

B.


§ 87. Die Säuren.


Als Säuren bezeichnet man alle jene chemiſchen Stoffe in gasförmiger,
flüſſiger oder feſter Form, welche die Eigenſchaft haben, ſich mit Baſen
und Metalloxyden zu Salzen zu verbinden; ihren Namen führen ſie daher,
daß ihre wäſſerige Löſung ſauer ſchmeckt; die für die Säuren charakteriſtiſche
Eigenſchaft iſt ihre Wirkung auf dem blauen Lackmusfarbſtoff, welcher dadurch
zwiebelrot gefärbt wird. — Von den Säuren, welche Gasform beſitzen,
kommt eigentlich nur die ſchweflige Säure zur Verwendung. Die Kohlen-
ſäure kommt weder in Gasform, noch in ihrer komprimierten Form als
flüſſige Kohlenſäure in Gebrauch, und die Blauſäure, wenn überhaupt, dann
nur in wäſſeriger Löſung. Die in der Färberei meiſt gebrauchten Säuren
kommen zum Teil als Flüſſigkeiten in den Handel, teils ſind ſie feſte Kryſtalle
oder geſtaltloſe Pulver. Faſt alle Säuren ſind in Waſſer leicht löslich;
einige wenige ſind unlöslich, löſen ſich dann aber in ſtark alkaliſchen Löſungen,
z. B. Kieſelſäure.


1. Salpeterſäure, Scheidewaſſer, HNO3, hat ihren Namen vom Sal-
peter, aus dem ſie durch Deſtillation mit Schwefelſäure in eigenen Fabriken
gewonnen wird. Die Salpeterſäure des Handels iſt eine klare, farbloſe oder
gelb gefärbte, an der Luft rauchende Flüſſigkeit von eigentümlichem unan-
genehmem Geruch. Sie färbt die Haut gelb, ebenſo Wolle und Seide. An
feuchter Luft ſtößt ſie einen weißen, beißenden Dampf aus, weshalb ſie in
Glasflaſchen mit Glasſtöpfel oder in ſteinernen Flaſchen mit Schraubenſtöpſeln
aufbewahrt werden muß. Die käufliche Säure iſt zwar mit mancherlei
anderen Stoffen (ſalpetrige Säure, Salzſäure, Schwefelſäure, Eiſen u. a. m.)
verunreinigt; für ihre Verwendung in der Färberei iſt ſie jedoch genügend
rein. Sie enthält gemeinhin 50 bis 52 Prozent an waſſerfreier Säure,
was einem ſpezifiſchen Gewicht von 1,2 bis 1,4 und einer Stärke von 35
bis 36° Bé. entſpricht. Mit Waſſer iſt ſie in jedem Verhältniſſe
miſchbar. Anwendung: Zur Auflöſung von Metallen bei der Bereitung
von Beizen (z. B. des Zinns), und zur Löſung metalliſcher Niederſchläge
(z. B. des Eiſenoxydes bei Darſtellung des ſalpeterſauren Eiſens). Pflanzen-
farben, ſelbſt die des Indigos, werden dadurch zerſtört, weshalb man ſie auch
zum Beizen von Indigo benutzt hat.


2. Schwefelſäure, Vitriolöl, H2 S O4, kommt in 2 verſchiedenen
Marken in den Handel, welche beide in der Färberei ſtarke Verwendung
finden.


[234]

a)Nordhäuſer Schwefelſäure, rauchende Schwefelſäure,
H2 S2 O7, iſt eine Auflöſung von Schwefelſäureanhydrid in gewöhnlicher
Schwefelſäure, und ſtellt eine dicke, ölige, klare, bräunliche Flüſſigkeit vor,
welche an der Luft dicke, weiße, erſtickende Dämpfe von Schwefelſäurean-
hydrid ausſtößt, höchſt ätzend wirkt und ſich mit Waſſer unter Ziſchen und
ſtarker Erhitzung miſcht. Das ſpezifiſche Gewicht ſchwankt zwiſchen 1,86
bis 1,90. Anwendung: Nur zum Auflöſen des Indigos und zur Be-
reitung von Indigokarmin und Sächſiſchblau.


b)Engliſche Schwefelſäure, rohe Schwefelſäure. Die engliſche
Schwefelſäure iſt eine klare farbloſe bis bräunliche, ſehr ſaure, nicht rauchende
Flüſſigkeit von ölartiger Konſiſtenz, und wird im großen durch Verbrennen
von Schwefel in Gegenwart von Salpeterſäure in den ſogen. Bleikammern
erzeugt. Das in Deutſchland übliche Handelsprodukt hat ein ſpezifiſches
Gewicht von 1,83 bis 1,84, was etwa 66° Bé. entſpricht. — Sowohl
die Nordhäuſer, als die engliſche Schwefelſäure ſind nicht rein; die gewöhn-
lichen, von der Fabrikation herrührenden Verunreinigungen ſind Salzſäure,
Stickoxyde, Bleiſulfat und Arſen. Die Anweſenheit dieſer Stoffe iſt ihrer
Verwendung in der Färberei jedoch nicht weiter hinderlich. Die engliſche
Schwefelſäure löſt ſich mit Waſſer in jedem Verhältniſſe, wobei bedeutende
Erhitzung eintritt, welche bis zum Sieden des Waſſers ſteigen kann. Beim
Vermiſchen von Schwefelſäure mit Waſſer iſt große Vorſicht anzuwenden:
ſtets muß die Schwefelſäure in das in ſchwenkende Bewegung verſetzte Waſ-
ſer gegoſſen werden, niemals das Waſſer in die Schwefelſäure!
Anwendung
: In der Wollenfärberei zuſammen mit Glauberſalz zum Auf-
färben ſaurer Farbſtoffe; zuſammen mit Kaliumdichromat (Chromſäurege-
miſch) zum Beizen der Wolle; zum Neutraliſieren alkaliſcher Löſungen, zur
Darſtellung von Türkiſchrotöl, zum Reinigen und Putzen der kupfernen Keſſel
und anderen ähnlichen Zwecken mehr.


3. Schweflige Säure, S O2, wird in zwei Formen angewendet.
a)Gasförmige Schwefligſäure wird durch Verbrennen von Schwefel
in den Schwefelkammern bereitet. Der Schwefel verbrennt mit ſchwach
bläulicher Flamme; das gebildete Schwefligſäuregas iſt ein farbloſes, ſtechend
und erſtickend riechendes Gas, welches, in größerer Menge eingeatmet, giftig
wirkt. Anwendung: Zum Bleichen von Seide und Wolle. Wegen ſeiner
giftigen Eigenſchaften iſt es unbedingt notwendig, daß die Schwefelkammer,
ehe ſie betreten wird, ordentlich gelüftet werde. b)Wäſſerige Schweflig-
ſäure iſt eine Auflöſung von Schwefligſäuregas in Waſſer und ſtellt eine
waſſerhelle farbloſe Flüſſigkeit mit dem Geruch des verbrennenden Schwefels
vor. Blaues Lackmuspapier wird davon zuerſt gerötet, dann gebleicht. Das
Handelsprodukt enthält 3½ bis 10 Prozent gasförmige ſchweflige Säure;
letzterer Gehalt entſpricht etwa 7° Bé. Anwendung: Wie die gasförmige
Säure zum Bleichen von Seide und Wolle, ſowie zur Reduktion von Indigo
mit Zink. Ihre Wirkung beruht darauf, daß ſie die natürlichen Farbſtoffe
durch Reduktion in farbloſe Leukoverbindungen überführt.


4. Salzſäure, Chlorwaſſerſtoffſäure, H Cl, iſt ein farbloſes, ſtechend
riechendes Gas, welches jedoch als wäſſerige Löſung in den Handel gelangt.
Sie wird als Nebenprodukt bei der Sodafabrikation gewonnen als eine gelb-
liche bis gelbe, klare oder wenig trübe, an der Luft ſtark rauchende, ſauer
und erſtickend riechende Flüſſigkeit von ſehr verſchiedenem Gehalt an waſſer-
[235] freier Säure. Die gewöhnliche im Handel meiſt vorkommende Säure hat
einen Gehalt von 32 Prozent und ein ſpezifiſches Gewicht von 1,160 =
20° Bé. Die käufliche rohe Salzſäure iſt ſtets mit mehr oder weniger großen
Mengen Chlor, ſchwefliger Säure, Schwefelſäure, Thonerde, Eiſenchlorid und
Arſen verunreinigt. Von allen dieſen Verunreinigungen iſt nur das Eiſen-
chlorid von Nachteil; es iſt die Urſache der gelben Farbe der rohen Salz-
ſäure; es muß daher beim Einkauf von Salzſäure auf ein möglichſt eiſen-
freies Präparat geſehen werden, alſo auf eine farbloſe oder möglichſt wenig
gelb gefärbte Säure; je eiſenfreier die Säure, deſto wertvoller iſt ſie für
die Zwecke der Färberei und Bleicherei. Der Eiſengehalt, ſofern er ſich nicht
ſchon durch die gelbe Farbe der Säure kennzeichnet, wird durch Sättigen
der Salzſäure mit Salmiakgeiſt, bis dieſelbe danach riecht, Zuſatz von etwas
Weinſäure und Zufügen von Schwefelammonium nachgewieſen: es entſteht
ein ſchwarzer Niederſchlag. Anwendung: Die Salzſäure dient vornehm-
lich in Verdünnung mit Waſſer (bis die verdünnte Säure 1 bis 2° Bé. zeigt)
zum Bleichen von Geweben; außerdem dient ſie vielfach zur Löſung von
Metallen (z. B. zur Bereitung von Chlorzinn), zur Bereitung von Königs-
waſſer, von Chlorgas und Chlorkalk. Zur Zinnſalzbereitung muß eine von
ſchwefliger Säure möglichſt freie Salzſäure verwendet werden. Man prüft
für dieſen Zweck vorher eine Probe durch Hinzufügen von einem Körnchen
metalliſchem Zinn; bei einem Gehalt von ſchwefliger Säure bildet ſich ein
brauner Niederſchlag und ein Geruch nach faulen Eiern.


5. Königswaſſer, Salpeterſalzſäure, iſt eine Miſchung von
1 Teil Salpeterſäure mit 3 Teilen Salzſäure. Am beſten ſtellt man ſich
dieſe Miſchung zum jedesmaligen Gebrauche her. Durch Miſchung der beiden
Säuren tritt Zerſetzung ein, und die gelbe Flüſſigkeit enthält bei richtigem
Miſchungsverhältnis weder Salpeterſäure, noch Salzſäure, ſondern eine
Löſung von Chlor und ſalpetriger Säure in Waſſer. Das Königswaſſer
löſt faſt alle Metalle (mit Ausnahme von Blei und Silber, welche beiden
in unlösliche Chloride übergeführt werden), ſogar Gold und Platin. An-
wendung
: Faſt nur zur Bereitung von Zinnchlorid (Doppelt-Chlorzinn).


6. Arſenige Säure, Arſenik, As2 O3, wird als Nebenprodukt bei
der Verarbeitung der Kobalterze gewonnen. In den Handel kommt ſie als
glasartige Maſſe von muſcheligem Bruch, iſt in friſchem Zuſtande durch-
ſcheinend, etwas gelblich gefärbt, wird aber bei längerem Liegen an der Luft
weiß und undurchſichtig, porzellanartig. Sie iſt geruchlos, ſchmeckt ſcharf,
ekelerregend, hinterher ſüßlich; ſie wird durch Hitze, ohne vorher zu ſchmelzen,
in grauweiße Dämpfe verwandelt, welche nach Knoblauch riechen, und beim
Erkalten ſich wieder zu einem weißen Pulver verdichten. Sie löſt ſich in
56 Teilen kalten und 12 Teilen kochenden Waſſers; die Löſung iſt farblos
und reagiert ſchwach ſauer. Mit den Baſen bildet ſie die arſenigſauren
Salze. Anwendung: Die Anwendung der arſenigen Säure iſt ihrer
großen Giftigkeit wegen eine beſchränkte; ſie ſoll den Farben einen lebhafteren
Ton verleihen. Eine Löſung von arſeniger Säure in Glycerin wird als
Beize mit Vorteil angewendet; größer iſt die Verwendung in der Druckerei.


Daß die Verwendung arſenhaltiger Beizen in der Färberei nicht ſo
ſchädlich iſt, als man allgemein glaubt, iſt durch das Geſetz betr. die Ver-
wendung geſundheitsſchädlicher Farben, vom 5. Juli 1887, indirekt aner-
kannt worden. In der That wird derjenige Anteil der arſenigen Säure,
[236] welcher nicht als Farblack in unlösliche Form übergeführt wird, aus den
Garnen oder Geweben durch Spülen und Seifen ganz oder doch bis auf
kaum nennenswerte Spuren entfernt. In Verbindung mit Eiſenſalzen (wie
z. B. bei einigen dunkeln Violetts) iſt die Verwendung von Arſenik abſolut
unſchädlich.


7. Arſenikſäure, Arſenſäure, As2 O5, eine noch höhere Oxydations-
ſtufe des Arſens als die vorige, wird als ſolche in der Färberei nicht ver-
wendet, ſondern nur in Form ihres Natriumſalzes, des arſenſauren Natriums;
über dieſes ſiehe weiter unten.


8. Chromſäure. Die reine Chromſäure, wie ſie in Form zinnober-
roter kleiner Kryſtallnadeln im Handel erſcheint, wird in der Färberei nicht
gebraucht. Dagegen wird ſie unendlich mehr gebraucht, als die meiſten
glauben werden, und zwar wird ſie für dieſen Zweck ſelbſt erzeugt. Jenes
bekannte Gemiſch aus Kaliumdichromat und Schwefelſäure iſt in der Haupt-
ſache eine Löſung von Chromſäure. Dieſes Chromſäuregemiſch dient
dann vornehmlich in der Wollenfärberei zum Beizen der Wolle, namentlich
zum Fixieren von Alizarinfarben und einiger Azofarben. Die Chromſäure,
welche in der Färberei zur Verwendung gelangt, kommt ſtets in Form ihrer
doppelt ſauren Salze, als Kaliumdichromat, neuerdings auch als Natrium-
dichromat in den Handel. Näheres über dieſe ſiehe unter Kaliumſalze und
Natriumſalze.


9. Zinnſäure wird nur in Form ihres Natronſalzes verwendet,
näheres darüber findet ſich unter Natriumſalze.


10. Molybdänſäure iſt von Hermbſtädt als Beize zum Befeſtigen
mehrerer Farben auf Baumwolle empfohlen werden. Sie wird zuweilen
gemeinſchaftlich mit Zinnpräparaten zur Darſtellung ſchöner blauer Farben
benutzt.


11. Eſſigſäure, Eiseſſig, CH3 · COO H, welche in größerer oder
geringerer Verdünnung auch die Namen Eſſig und Eſſigſprit und in minder
großer Reinheit die Namen Holzeſſig und Holzeſſigſäure führt, iſt in
konzentriertem Zuſtande (als Eiseſſig) eine klare, farbloſe, ſehr ſauer
riechende Flüſſigkeit, welche völlig flüchtig iſt und ſich mit Waſſer, Weingeiſt
und Aether in jedem Verhältniſſe miſcht, bei niedriger Temperatur (+ 17° C.)
kryſtalliniſch erſtarrt und bei 110° C. ſiedet. Das ſpezifiſche Gewicht, wel-
ches ſonſt zur Beſtimmung des Gehalts mit Sicherheit verwendet wird, iſt
bei der Eſſigſäure zu dieſem Zweck nicht zu benutzen, da beim Verdünnen
eine Kontraktion und infolge deſſen eine Erhöhung des Gewichts ſtattfindet;
aus demſelben Grunde gibt das Beauméſche Aräometer keinen Anhalte-
punkt. Man wird ſich daher beim Einkauf entweder auf die Ehrlichkeit des
Lieferanten verlaſſen oder eine vollſtändige Gehaltsprüfung anſtellen müſſen.
Eine ſolche aber erfordert eine gewiſſe Uebung in maßanalytiſchen Handgriffen,
und wird am beſten von einem Chemiker ausgeführt. Die Grundſätze, nach
denen eine ſolche Prüfung ausgeführt wird, beruhen auf der Ermittelung
derjenigen Menge von Normalnatronlauge, welche durch ein beſtimmtes Ge-
wicht der zu prüfenden Säure neutraliſiert wird. Anwendung: Die Eſſig-
ſäure gehört zu den im Färbereibetriebe oft und gern gebrauchten Stoffen;
ihre Anwendung iſt eine ungemein vielſeitige; in größeren Mengen wird ſie
verwendet zum Auflöſen von Metalloxyden oder Carbonaten behufs Dar-
ſtellung eſſigſaurer Salze, z. B. des eſſigſauren Eiſens und des eſſigſauren
[237] Kalks; ferner dient ſie zum Neutraliſieren alkaliſcher Löſungen, als Hilfs-
mittel zum Auflöſen einiger Farbſtoffe, und in der Seidenfärberei beſonders
als Zuſatz beim Färben in ſauren Bädern und zum Schönen und Beleben
der Farben. — Die Holzeſſigſäure oder Holzſäure, welche durch trockene
Deſtillation aus Holz gewonnen wird, iſt einer ſo allgemeinen Anwendung
nicht fähig; ſie iſt gelb bis bräunlich gefärbt und enthält verſchiedene teer-
ähnliche Brenzprodukte gelöſt, welche beim ſpäteren Neutraliſieren der Säuren
unlöslich werden und als Fett- oder Harztropfen ſich abſcheiden. Beim
Färben loſer Wolle hat das weniger zu bedeuten; man ſollte indes die An-
wendung des Holzeſſigs und Holzeſſigſäure aus den oben angegebenen
Gründen beſchränken und nur in der Braun- oder Schwarzfärberei Gebrauch
davon machen.


12. Weinſäure, Weinſteinſäure,
Große, harte, weiße, durchſcheinende Kryſtalle von ſtarkem, aber angenehm
ſaurem Geſchmack, geruchlos, luftbeſtändig, beim Erhitzen unter Ausſtoßung
von nach verbranntem Zucker riechenden Dämpfen verkohlend, beim weiteren
Erhitzen ohne Rückſtand verbrennend. Sie löſt ſich in weniger, als ihrem
gleichen Gewicht Waſſer. Sie wird aus Weinſtein oder aus weinſaurem
Kalk durch Behandeln mit Schwefelſäure gewonnen. Von dieſer Darſtellung
her enthält die Weinſäure bisweilen noch Schwefelſäure; eine ſolche Wein-
ſäure wird an der Luft feucht; man achte daher beim Einkauf auf luft-
trockene
Ware. Anwendung: Die Weinſäure findet ſehr bedeutende
Verwendung im Zeugdruck; in der Färberei iſt ihre Anwendung nur eine
beſchränkte: ſie dient als Zuſatz beim Beizen der Wolle mit Kaliumdichromat
(um die Chromſäure in Freiheit zu ſetzen) und in der Seidenfärberei zum
Beleben der Farben. Vielfach wird ſtatt der Weinſäure der Weinſtein an-
gewendet.


13. Citronenſäure, C3 H4 (OH) · (COO H)3, iſt in dem ausgepreßten
Safte der Citronen enthalten und wird daraus in anſehnlichen, farbloſen,
durchſcheinenden lufttrockenen Kryſtallen gewonnen, welche in warmer Luft ver-
wittern, keinen Geruch, aber angenehm ſauren Geſchmack beſitzen. In ihrem
Anſehen, wie auch in ihren Löslichkeitsverhältniſſen ähnelt ſie der Weinſäure,
mit der ſie von einem Laien leicht verwechſelt werden kann, und mit der ſie,
da die Citronenſäure weſentlich teurer iſt, vielfach verfälſcht wird. Zur
Prüfung auf Weinſäure mache man ſich eine ſchwache wäſſerige Löſung (1:3)
und füge ein gleiches Volumen einer weingeiſtigen Löſung von eſſigſaurem
Kali (1:3) hinzu: es darf kein kryſtalliniſcher weißer Niederſchlag entſtehen;
andernfalls enthält die Citronenſäure Weinſäure. Anwendung: So um-
fangreich ihre Verwendung in der Druckerei, ſo beſchränkt iſt ſie in der
Färberei; ſie dient nur zum Rotfärben der Baumwolle mit Safflor.


14. Oxalſäure, Kleeſäure, Zuckerſäure, (CO OH)2 + 2 H2 O.
Findet ſich fertig gebildet in dem Sauerklee (Oxalis), daher die beiden Namen.
Sie wird in eigenen Fabriken durch Schmelzen von Sägeſpänen mit Aetz-
alkalien erhalten und kommt mit 42,6 Prozent Waſſergehalt in farb- und
geruchloſen, luftbeſtändigen, in der Wärme verwitternden, kleinen rhombiſchen
Säulen oder Nadeln in den Handel; ſie ſchmeckt ſtark ſauer und iſt giftig.
Sie ſchmilzt bei 100° und zerlegt ſich bei höherer Temperatur in Kohlen-
ſäure und Kohlenoxyd, ohne einen kohligen Rückſtand zu hinterlaſſen. Sie
[238] iſt dadurch, wie durch ihre Löslichkeit, leicht von den beiden vorigen zu
unterſcheiden. Sie löſt ſich erſt im neunfachen Gewicht kalten Waſſer,
dagegen ſehr leicht in heißem. Anwendung: Wegen ihrer großen Ver-
wandtſchaft zu den Metalloxyden als Beizmittel, auch zur Zerſtörung des
Indigos, ſeltener als Löſungsmittel für Farben, beim Detachieren zum Ver-
tilgen von Roſt- oder Eiſenflecken. Ihre Hauptverwendung findet ſie in der
Kattundruckerei.


15. Tannin, Gerbſäure, Digallusſäure.
Unter dem Namen Tannin werden eine Anzahl von Körpern verſtanden,
welche den Gerbſtoff verſchiedener Pflanzenteile vorſtellen, z. B. der Gall-
äpfel, der Eichenrinde, des Sumachs, der Knoppern, der Myrobalanen,
der Dividiviſchoten u. dergl. m., von denen jedoch noch keineswegs mit
völliger Sicherheit feſtgeſtellt iſt, ob alle dieſe Gerbſtoffe gleich oder gleich-
wertig ſind. Nur ſoviel ſteht feſt, daß der Gerbſtoff der Galläpfel und
jener des Sumachs einander gleich ſind. Was in dieſem „Handbuch“ als
„Tannin“ bezeichnet wird, iſt durchgehends die Galläpfelgerbſäure.


Das Tannin, wie es durch Extraktion von chineſiſchen oder gewöhnlichen
Galläpfeln fabrikmäßig gewonnen wird, ſtellt ein gelbes, gelbliches oder faſt
weißes, feines, ſtaubig trockenes Pulver von ſchwachem eigentümlichem Ge-
ruche und ſtark zuſammenziehendem, nicht ſaurem Geſchmack vor; ſie löſt ſich
leicht im gleichen Gewicht Waſſer; die Löſung iſt rotbraun; Zuſatz von Koch-
ſalz ſcheidet aus dieſer Löſung das Tannin wieder ab. Neuerdings kommt
ein Tannin in Kryſtallform unter dem Namen „Dr.Byk’s Kryſtall-
tannin“ in den Handel; es ſind ſchöne, goldgelb ausſehende, glänzende
Kryſtalle, die ſich unbeſchadet des Ausſehens lange Zeit aufbewahren laſſen.
Prüfung: Die pulverige Form des Tannins gibt bisweilen Anlaß zu
Verfälſchungen; man hat Dextrin, Thonerdeſalze, ja ſelbſt gemahlene Myro-
balanen bis zu 30 Prozent des Gewichts darin gefunden. Zur Feſtſtellung
von Verfälſchungen löſt man 1 Teil Tannin in 5 Teilen Waſſer; es muß
ſich alles löſen und die Löſung muß klar ſein, ſie muß ferner bei Hinzu-
fügung eines gleichen Volumens Alkohol und dann eines halben Volumens
Aether klar bleiben.


Anwendung: Das Tannin iſt einer der häufigſten angewendeten
Körper, beſonders in der Baumwollenfärberei und in der Seidenfärberei.
In der Baumwollenfärberei dient es als Beize für alle im Haupt-
abſchnitt II beſchriebenen neutralen Farbſtoffe, indem ſie mit denſelben un-
lösliche Farblacke bildet, welche ſich gleichzeitig auf die Faſer niederſchlagen.
Die Baumwolle wird deshalb mit Tannin gebeizt. Der Theorie nach
müßte eine direkt mit Tannin gebeizte Baumwolle ohne weiteres mit dem
Farbſtoff gefärbt werden können. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß die Ver-
wandtſchaft des Tannins zur Baumwollfaſer keine ſonderlich große iſt, da
durch Spülen im fließenden Waſſer einer Baumwolle ihr geſamter Tannin-
gehalt wieder entzogen werden kann. Die Erfahrung hat aber ferner ge-
lehrt, daß Tannin auch in unlöslicher Form imſtande iſt, ſich mit gelöſten
Farbſtoffen zu Farblacken zu verbinden. Auf dieſe Beobachtungen hin hat
man das Tannin-Brechweinſteinverfahren kombiniert, indem man das
Tannin mit Hilfe von Brechweinſtein, in neueſter Zeit auch mit einigen
anderen Antimonſalzen, als gerbſaures Antimonoxyd, Antimontannat, auf der
Faſer befeſtigt, und eine ſo vorgebeizte Baumwolle im Farbebade ausfärbt.
[239] Ausführlicheres ſiehe unter Antimonpräparate und unter Baumwollenfärberei.
In ähnlicher Weiſe, wie das Tannin mittels Antimonverbindung als Anti-
montannat auf der Faſer fixiert wird, kann man es auch mit anderen Me-
tallen als unlösliche gerbſaure Metallverbindung auf der Faſer niederſchlagen.
In der Praxis geſchieht dies nur mit Thonerde- und Zinnſalzen, mit
Metallverbindungen, welche als ſolche wiederum als Beize für ſchwach ſaure
Farbſtoffe gelten. Man erzeugt ſo zuweilen mittels eſſigſaurer Thonerde
und Tannin Aluminiumtannat, ſowie durch Zinnchlorid und Tannin Zinn-
tannat auf der Faſer, welche die gleiche Anziehungskraft für ſchwach ſaure
Farbſtoffe haben, wie die verwendeten löslichen Salze allein.


Von ganz beſonderem Wert iſt noch das Verhalten des Tannins zu
Eiſenſalzen. Das Tannin gibt nämlich mit Eiſenſalzen blauſchwarze, in
Waſſer
lösliche Verbindungen; dieſe Tanninverbindungen beſitzen aber zu
allen Geſpinnſtfaſern eine bedeutende Affinität und ſchlagen ſich auf denſelben
in unlöslicher Form nieder. Dieſe Thatſache iſt das Fundament der Schwarz-
färberei. Die Faſern, vor allem die Seide, können ſehr bedeutende Mengen
dieſes Eiſentannats in ſich einlagern (Seide z. B. bis zu ⅓ ihres
eigenen Gewichts). Durch wiederholtes abwechſelndes Eingehen in ein
Tanninbad und ein Eiſenbad, Zurückgehen auf das Tanninbad u. ſ. w.,
ſowie ferner durch Anwendung ſtärkerer oder dünnerer Löſungen kann man
alle rein blauſchwarzen Töne vom hellen Grau bis zum intenſiven Schwarz
erzielen. Weiteres darüber unter Schwarzfärberei. — In ähnlicher Weiſe,
wie zum Schwarzfärben, können die Tannineiſenverbindungen auch dazu
dienen, anderen Farben einen dunkleren Ton zu verleihen, indem man ent-
weder beim Vorbeizen oder Färben etwas Tannin zugibt und nach dem
Färben und Spülen auf ein Eiſenbad geht, oder, indem man mit Eiſen-
tannat grundiert und dann erſt in der Farbſtofflöſung ausfärbt. Die erſtere
Methode iſt das Dunkeln oder Abdunkeln.


16. Blauſäure, Cyanwaſſerſtoff, HCN, kommt als ſolche nicht
zur Verwendung; wohl aber wird eine ſehr ſchwache Löſung erzeugt, wenn
man gelbes Blutlaugenſalz in Löſung mit Schwefelſäure vermiſcht, wie dies
beim Kaliblaufärben des Tuches bisweilen geſchieht.


17. Kieſelſäure, Si O2, wird gleichfalls nicht direkt verwandt, ſondern
erſt auf der Faſer erzeugt, wenn man ein mit Waſſerglas imprägniertes
Garn oder Gewebe in eine verdünnte Mineralſäure bringt. Eine auf dieſe
Weiſe mit Kieſelſäure beladene Wolle oder Baumwolle zeigt für einige
Farbſtoffe eine beſondere Verwandtſchaft, ſo daß in vereinzelten Fällen die
Kieſelſäure als Beizmittel zu betrachten iſt; hierzu dient das Waſſerglas,
welches teils als Kali-, teils als Natronwaſſerglas in den Handel kommt.
Ueber dieſes ſiehe unter Kalium- und Natriumſalze.


18. Pikrinſäure, ſiehe § 72, b 2.


§ 88. Die Baſen.


Baſen werden alle jenen chemiſchen Stoffe genannt, welche zu dem im
vorigen Paragraph erklärten Säuren eine ſo große Verwandtſchaft beſitzen, daß
ſie ſich mit ihnen zu anderweiten Körpern verbinden, welche wir als Salze
bezeichnen. Schon unter den Farbſtoffen hatten wir Gelegenheit, einige Baſen
kennen zu lernen, ſo das Anilin, das Roſanilin, das Amidoazobenzol.
[240] Dieſe ſind organiſche Baſen, d. h. ſie ſtammen in irgend welchem Grade
aus Produkten des Lebensprozeſſes tieriſcher oder pflanzlicher Individuen; ſie
unterſcheiden ſich dadurch von den anorganiſchen Baſen, welche minera-
liſcher Natur ſind und mit den chemiſchen Vorgängen im Lebeweſen nichts
zu thun haben. In vorliegendem Abſchnitt haben wir es — mit alleiniger
Ausnahme des Ammoniaks — nur mit anorganiſchen Baſen zu thun.
Dieſe ſind durchweg Metallhydroxyde, d. h. Verbindungen, in denen außer
dem Metall noch die Beſtandteile des Waſſers enthalten ſind. Die Baſen
ſind in allen drei Aggregatzuſtänden vertreten; ſo iſt z. B. Ammoniak gas-
förmig, Anilin flüſſig, Kalk feſt; manche ſind in Waſſer löslich, z. B. Aetz-
natron, andere nicht, z. B. Magneſia; die löslichen zeigen baſiſche Reaktion,
d. h. ſie verhalten ſich den Säuren entgegengeſetzt: ſie beſitzen einen ausge-
ſprochen laugenhaften Geſchmack und färben rotes Lackmuspapier wieder
blau, den gelben Farbſtoff der Curcuma braun und den violetten der
Veilchen und Georginen grün. Dieſe löslichen Baſen (einſchließlich des
Ammoniaks) nennt man auch Alkalien; ihr charakteriſtiſches Verhalten
gegen die vorgenannten Farbſtoffe wird als alkaliſche Reaktion bezeich-
net. Die unlöslichen Metallhydroxyde, z. B. Eiſenhydroxyd, Thonerde-
hydrat, zeigen dieſe Reaktion nicht. Wohl aber haben ſie mit jener die
Eigenſchaft gemeinſam, mit Säuren Salze zu bilden; dieſes geſchieht unter
Abſpaltung von Waſſer, z. B.
Aetzkali Salzſäure Chlorkalium Waſſer.
Die Verwandtſchaft zu den Säuren iſt bei den Alkalien größer als bei den
Metallhydroxyden. Dieſe verſchiedene Verwandtſchaftsgröße nennt man
Alkalinität oder Baſicität; ſie kann ſo verſchieden ſein, daß z. B. das
Thonerdehydrat, Aluminiumhydroxyd, ſich gegen ſtarke Säuren (Schwefel-
ſäure, Eſſigſäure) als Baſe, gegen ſtarke Baſen aber, z. B. gegen Aetznatron,
als Säure verhält. Letztere Verbindung iſt das in der Färberei mehrfach
gebrauchte Thonerdenatron oder Natriumaluminat.


Von den Baſen wird der größere Teil in der Färberei nur an Säuren
gebunden als Salze verwendet; als freie Baſen finden nur die wenigen
folgenden Verwendung.


1. Salmiakgeiſt iſt eine wäſſerige Löſung des AmmoniaksN H3.
Dieſes iſt ein ſtechendes, eigentümlich riechendes, farbloſes, nicht atembares
Gas von 0,589 ſpez. Gewicht, welches vom Waſſer mit großer Begierde
aufgenommen wird. 1 Liter Waſſer vermag bei einer Temperatur von 0°
und normalem Barometerſtand 1050 Liter Ammoniakgas zu abſorbieren.
Dieſe wäſſerige Löſung iſt der Salmiakgeiſt oder die Ammoniakflüſſigkeit des
Handels, eine farbloſe wäſſerige Flüſſigkeit von dem charakteriſtiſchen Geruch
des Gaſes und ſtark baſiſchen Eigenſchaften und 0,960 ſpez. Gewicht. Durch
Kochen läßt ſich das Ammoniak daraus entfernen. Der Salmiakgeiſt iſt
auch bei gewöhnlicher Temperatur flüchtig, bei Annäherung von Salzſäure
dichten weißen Nebel bildend.


Das Ammoniak findet ſich in großen Mengen, an Schwefelſäure ge-
bunden, als Ammonſulfat in dem Gaswaſſer der Leuchtgasfabriken, und
wird daraus fabrikmäßig gewonnen, indem man das Sulfat nach vorheriger
Reinigung mit Aetzkalk einer Deſtillation unterwirft. Die chemiſchen Fabriken
liefern das Ammoniak in doppelter bis dreifacher Stärke; ſolche Löſungen
[241] beſitzen ein ſpez. Gewicht von 0,90 bis 0,92 und müſſen zum Gebrauche
mit der entſprechenden Waſſermenge verdünnt werden. Der Wert eines
Salmiakgeiſtes richtet ſich nach ſeinem Gehalt an Ammoniakgas, wie er ſich
durch das ſpez. Gewicht leicht ergibt und aus der nachfolgenden Tabelle zu
erſehen iſt.


Tabelle des Gehaltes der Ammoniakflüſſigkeit an Ammoniak-
gas bei 14°. (Nach Carius.)


Anwendung findet das Ammoniak zum Neutraliſieren ſaurer Flüſſig-
keiten und zum Fixieren einzelner Metalloxyde, z. B. der Oxyde des Chroms
und des Bleioxyds auf der Faſer, zum Auflöſen und Abziehen von auf den
Geweben befindlichen Kupferſalzen, als Hilfsmittel zum Löſen einiger natür-
licher Farbſtoffe, z. B. des Cochenille- und des Orſeillefarbſtoffes, zur Löſung
des Indigos in der Harnküpe, zum Schönen für einzelne Farben, endlich
als Fleckentilgungsmittel bei gebrauchter Garderobe.


2. Aetzkali, Kalihydrat, Kaliumhydroxyd, KHO, iſt das am
ſtärkſten ätzend wirkende Alkali. Es wird aus der Pottaſche durch Kochen
mit Aetzkalk gewonnen. Die dabei entſtehende Löſung von Aetzkali, die
Kalilauge, iſt eine gelbliche, ölartige, mit Waſſer in allen Verhältniſſen
miſchbare Flüſſigkeit von eigentümlich laugenhaftem Geruch. Durch Ein-
dampfen der Lauge in ſchmiedeeiſernen Keſſeln bis zur Trockne und ſchließ-
liches Schmelzen erhält man das trockne Aetzkali entweder als krümliges
weißes Pulver oder in Form gegoſſener weißer Stangen. Es zieht begierig
Feuchtigkeit aus der Luft an und zerfließt ſchließlich vollſtändig zu einer
Ganswindt, Färberei. 16
[242] ölartigen Flüſſigkeit, welche eine mit Pottaſche verunreinigte ſtarke Kalilauge
vorſtellt; es zieht ferner Kohlenſäure aus der Luft an, damit Pottaſche
bildend. Es muß aus dieſem Grunde vor Luftzutritt ſorgfältig geſchützt
aufbewahrt werden. Die Kalilauge zieht gleichfalls begierig Kohlenſäure
an; gleichzeitig greift ſie das Glas der Gefäße, in denen ſie aufbewahrt
wird, an; insbeſondere iſt dies der Fall an der Stelle, wo der Stöpſel in
den Hals eingeſchliffen iſt, ſo daß derartige Glasgefäße nicht ſelten gar nicht
mehr zu öffnen ſünd. Es empfiehlt ſich daher, Stöpſel wie [Halsöffnung]
vor dem Einfüllen der Lauge zu paraffinieren. — Anwendung wie bei
Aetznatron, nur verhältnismäßig ſeltener, weil das Aetzkali teurer iſt.


3. Aetznatron, kauſtiſche Soda, Natriumhydroxyd, Na OH;
wird aus Soda mit Aetzkalk in ganz derſelben Weiſe gewonnen, wie
Aetzkali aus Pottaſche. Soda iſt nämlich kohlenſaures Natron und gibt
beim Behandeln mit Kalk ihre Kohlenſäure an dieſen ab, welcher als un-
löslicher kohlenſaurer Kalk zu Boden fällt, während Aetznatron in Löſung
bleibt:
Na2CO3+CA(OH)2=2NaOH+CaCO3.
Soda Kalk Aetznatron Kreide.

Die erhaltene Löſung bildet die Natronlauge des Handels; ſie iſt etwa
40° Be. ſtark und enthält dann 30 Prozent Natriumhydroxyd. Sie gleicht
im Ausſehen und Eigenſchaften ganz der Kalilauge. Gemeinhin iſt ſie mit Koch-
ſalz, Glauberſalz, Eiſenoxyd und Thonerde verunreinigt. — Anwendung:
Zur Neutraliſation ſaurer Löſungen, wie angeſäuerter Bäder, Citronenſaft
u. dergl.; zur Löſung der in Waſſer unlöslichen Alizarinfarben, ſowie zur
Bereitung des Thonerdealuminats; für letztere beiden Zwecke darf die Natron-
lauge kein Eiſen enthalten; ſie muß für dieſe Fälle geprüft werden. Man
verdünnt zu dieſem Zwecke 1 ccm Natronlauge mit der vierfachen Menge
deſtillierten Waſſers, überſättigt mit chemiſch reiner (nicht mit käuflicher roher)
Salzſäure, und fügt dann einige Tropfen einer Löſung von gelbem Blut-
laugenſalz hinzu; tritt dabei keine blaue Fällung oder Färbung ein, ſo iſt
die Natronlauge für die gedachten Zwecke genügend rein. Für bloße Sät-
tigungszwecke ſchadet auch ein kleiner Eiſengehalt nichts.


4. Aetzkalk, gebrannter Kalk, Ca O, wird durch Brennen des
Kalkes in den Kalkbrennereien im großen dargeſtellt. Ein guter gebrannter
Kalk bildet harte, ſtaubig trockene, graulich- oder gelblich-weiße Stücke,
welche in der Hauptſache aus Aetzkalk beſtehen, aber je nach dem
Urſprung des zum Brennen verwendeten Kalkſteins mit wechſelnden Mengen
Magneſia, Thonerde und Eiſenoxyd verunreinigt ſind. Beim Liegen an
feuchter Luft wird er allmählich bröcklig und zerfällt zu einem weißlichen
Pulver, welches zum Teil aus Kalkhydrat, zum Teil aus kohlenſaurem Kalk
beſteht. Die Verwandtſchaft des gebrannten Kalks zur Kohlenſäure und zu
Waſſer iſt die gleiche, wie beim Aetzkali und -Natron. Wird gebrannter
Kalk mit Waſſer begoſſen, ſo erhitzt er ſich bedeutend, und zerfällt unter
Ausſtoßung reichlicher Waſſerdämpfe und Verbreitung eines laugenartigen
Geruchs unter Waſſeraufnahme zu Kalkhydrat, Calciumhydroxyd,
gelöſchtem Kalk
. Dieſer bildet lockere, leicht zerreibliche Stücke, oder ein
mehr oder minder ſtaubig trockenes weißliches Pulver von der Zuſammenſetzung
Ca (OH)2. Wird gebrannter Kalk mit ſoviel Waſſer begoſſen, daß er davon
[243] bedeckt wird, ſo löſcht er ſich vollſtändig und bildet gleichzeitig mit dem zum
Löſchen nicht notwendigen Waſſer einen zarten weißen Brei, welcher mit
mehr Waſſer vermiſcht, die Kalkmilch bildet. Der gelöſchte Kalk iſt in
Waſſer etwas löslich und zwar in kaltem mehr wie in heißem; 1 Teil Kalk
bedarf 700 bis 800 Teile Waſſer zu ſeiner Löſung; 1 l deſtilliertes Waſſer
vermag etwa 1⅓ g Kalk zu löſen; dieſe Löſung bildet das Kalkwaſſer,
eine klare, farbloſe, ſchwach alkaliſch ſchmeckende Flüſſigkeit, welche beim Kochen
ſich trübt (da das kochende Waſſer nicht ſoviel Kalk gelöſt zu halten ver-
mag) und beim Stehen an der Luft Kohlenſäure aufnimmt und unter Ab-
ſcheidung von kohlenſaurem Kalk milchig trüb wird. — Prüfung: Da der
Kalk viel gebraucht wird, und es notwendig iſt, ſich von ſeiner Verwendbar-
keit vorher zu überzeugen, ſo prüft man ihn auf folgende einfache Weiſe: Man
löſcht eine kleine Menge des gebrannten Kalkes durch Beſprengen mit Waſſer,
und löſt die zu Pulver zerfallenen Stücke in Salpeterſäure; ein verwendbarer
Kalk muß ſich darin bis auf einen geringen Rückſtand auflöſen, und zwar
ohne oder faſt ohne Aufbrauſen. — Anwendung: Der Kalk findet in der
Färberei vielſeitige Anwendung, und zwar zum Aetzendmachen der Pottaſche
und der Soda, in Form von Kalkwaſſer beim Bleichen (Kalken) der
Baumwolle, als gelöſchter Kalk zur Darſtellung des Chlorkalks in der
Bleicherei, in großen Mengen auch als Hilfsmittel zum Löslichmachen des
Indigos als weſentlicher Beſtandteil des Küpenanſatzes und endlich zur
Darſtellung mehrerer Kalkſalze.


5. Magneſia, gebrannte Magneſia, Mg O, wird durch Glühen
(Brennen) des Magneſits in gleicher Weiſe gewonnen, wie der gebrannte
Kalk aus dem Kalkſtein. Die Magneſia iſt ein feines, weißes, dichtes und
ſchweres, oder ſehr lockeres und leichtes, geruch- und geſchmackloſes, in
Waſſer ſo gut wie unlösliches Pulver, welches langſam die Kohlenſäure der
atmoſphäriſchen Luft an ſich zieht, ohne dabei im Ausſehen eine Veränderung
zu erleiden. — Anwendung: Zur Bereitung von eſſigſaurer und ſalpeter-
ſaurer Magneſia. Ein geringer Gehalt der Magneſia an kohlenſaurem Salz
iſt dabei nicht von ſchädlichem Einfluß.


6. Thonerdehydrat, Aluminiumhydroxyd, Al2 (OH)6, bildet
ſich beim Fällen der Löſung eines Thonerdeſalzes mit Ammoniak oder Soda;
bei dieſer wechſelſeitigen Umſetzung bildet ſich ſchwefelſaures Natron, welches
in Löſung bleibt, Thonerdehydrat, welches unlöslich zu Boden fällt, und
Kohlenſäure, welche entweicht.


Al2 (SO4)3 + 3 Na2 CO3 + 3 H2 O = Al2 (OH)6 + 3 Na2 SO4 + 3 CO2
Schwefelſaure Soda Waſſer Thonerdehydrat.
Thonerde


Wenn die Fällung bei gewöhnlicher Temperatur vorgenommen wird,
iſt das Thonerdehydrat ein weißer gallertartiger Niederſchlag. In dieſer
gallertartigen Form (en pâte) kommt es in den Handel. Ein ſehr empfehlens-
wertes Fabrikat für die Verwendung in der Technik iſt die von der chemiſchen
Fabrik Goldſchmieden hergeſtellte Löwigs Patent-Thonerde. — Prü-
fung
: Hauptbedingung an dieſem Präparat iſt, daß es nicht zu alt iſt; es
muß ſich in Eſſigſäure vollkommen löſen, ohne aufzubrauſen (ein Aufbrauſen
würde unzerſetztes kohlenſaures Natron verraten, von mangelhaftem Aus-
waſchen herrührend). Das Präparat muß auch frei von Schwefelſäure ſein;
16*
[244] bei deren Anweſenheit würde in der Löſung in Eſſigſäure durch einige Tro-
pfen einer Löſung von eſſigſaurem Baryt ein weißer Niederſchlag entſtehen.


Ein eiſenhaltiges Thonerdehydrat iſt zu verwerfen; man prüft auf
Eiſen durch Löſen einer kleinen Menge in chemiſch reiner Salzſäure und
Zufügen einiger Tropfen einer Löſung von gelbem Blutlaugenſalz; es darf
nicht ſofort eine Blaufärbung eintreten. — Anwendung: Das Thonerde-
hydrat beſitzt in ausgeſprochenem Maße die Eigenſchaft, Farbſtoffe an ſich
zu ziehen und mit ihnen Farblacke zu bilden. In der Praxis wird das
Thonerdehydrat erſt auf der Faſer ſelbſt erzeugt; das Präparat des Handels
dient dagegen zur Darſtellung reiner eſſigſaurer Thonerde, reinen Chlor-
aluminiums und des Thonerdenatrons.


7. Chromoxyd, Cr O, wird als ſolches nicht direkt in der Färberei
verwendet, ſondern — wo es wegen ſeiner ausgezeichneten Fähigkeit, Farb-
lacke zu bilden, angewendet wird — erſt auf der Faſer erzeugt. Auch fehlt
es noch an einer befriedigenden Methode der Fixation des Chromhydroxydes
auf der Faſer; am beſten iſt wohl noch die von Köchlin für Pflanzen-
faſern angegebene Löſung: 100 g eſſigſaures Chrom von 15° Bé. mit 50 g
Waſſer vermiſcht und allmählich in 100 g Natronlauge von 36° Bé. einge-
tragen. Dieſe Löſung kann als eine Löſung von Chromhydroxyd in über-
ſchüſſiger Natronlauge und eſſigſaurem Natron angeſehen werden.


8. Mangandioxyd, Braunſtein, MnO2, kommt als Erz in der
Natur in großen Mengen vor und bildet ſchwere, kryſtalliniſche oder derbe,
ſchwarze bis grauſchwarze, metallglänzende, abfärbende Maſſen von 4,5 bis
5,1 ſpez. Gewicht. — Anwendung: Der Braunſtein dient in erſter Linie
zur Fabrikation von Chlorkalk, indem er mit Salzſäure Chlor entwickelt.
Ferner wird dabei gleichzeitig das in der Färberei angewendete Mangan-
chlorür gebildet, welches wiederum zur Erzeugung von Biſterbraun auf der
Faſer benutzt wird.


9. Bleioxyd, Bleiglätte, PbO, iſt ein Hüttenprodukt und bildet
ſich beim Erhitzen des metalliſchen Bleies an der Luft. Das Handelspro-
dukt bildet ein gelbliches bis blaßrötlich-gelbes Pulver, welches beim Er-
hitzen bräunlichrot, beim Erkalten aber wieder hell wird; es iſt ſehr ſchwer
(ſpez. Gewicht 9,3) und kaum löslich in Waſſer, dagegen leicht löslich in
Eſſigſäure und Salpeterſäure, ſowie in Kali- und Natronlauge. — Anwen-
dung
: Die Bleiglätte bildet den Ausgangspunkt zur Gewinnung der als
Bleibeizen dienenden Salze.


Rotes Bleioxyd, Mennige, wird nur in der Zeugdruckerei verwendet.


10. Eiſenhydroxyd, Fe2 (OH)6. Der in der Natur als Mineral
vorkommende Ocker oder Oker iſt ein mit wechſelnden Mengen Thonerde
verunreinigtes Eiſenhydroxyd. Es iſt ein gelbbraunes, ockerfarbenes Pulver,
durch Schlämmen des natürlichen Minerals erzeugt. — Anwendung: In
der Appretur zu unechtem Chamois-Fond.


11. Baryumſuperoxyd. Ein Produkt chemiſcher Fabriken, erhalten
durch Erhitzen von Aetzbaryt in der Luft oder in Sauerſtoffgas zur Rot-
glut; vornehmlich in Gegenwart von Waſſerdampf. Weißes, von Aetzbaryt
ſcheinbar nicht zu unterſcheidendes Pulver. — Anwendung: Zur Bereitung
von Waſſerſtoffſuperoxyd und zum Bleichen von Seide.


[245]

Salze.


§ 89. Ammoniakſalze.


1. Kohlenſaures Ammoniak, Ammoncarbonat, Hirſchhorn-
ſalz, flüchtiges Laugenſalz
, 2 NH4 · HCO3 + (NH4)2 CO3. Weiße,
harte, klingende, durchſcheinende, faſerig kryſtalliniſche, an der Oberfläche wie
mit einem körnigen weißen Pulver beſtäubte Maſſen von ſtarkem Ammoniak-
geruch. Beim Erwärmen iſt das Salz völlig flüchtig; es löſt ſich in 4 Tei-
len Waſſer langſam, aber vollkommen; die Löſung ſchmeckt ſcharf ſalzig und
reagiert alkaliſch. Es wird fabrikmäßig durch Sublimation von ſchwefel-
ſaurem Ammoniak und Kreide gewonnen. Da es an der Luft Ammoniak-
gas abgibt, muß es in verſchloſſenen Gefäßen aufbewahrt werden. — An-
wendung
: In gleicher Weiſe wie der Salmiakgeiſt zum Neutraliſieren.
Neuerdings iſt es von Liechti zum Fixieren von Thonerde auf Baum-
wolle empfohlen worden.


2. Chlorammonium, Salmiak, NH4 Cl, kommt entweder in großen,
weißen, längsfaſerigen Kuchen oder in kleinen Kryſtallen vor; er beſitzt
einen ſtechend ſalzigen Geſchmack, iſt luftbeſtändig, geruchlos, beim Erhitzen
ohne Rückſtand flüchtig, in 3 Teilen kaltem, 1 Teil ſiedendem Waſſer lös-
lich; die Löſung darf weder blaues noch rotes Lackmuspapier verändern.
Der Salmiak in Kruſten wird durch Sublimation von ſchwefelſaurem Am-
moniak mit Kochſalz, der kryſtalliſierte Salmiak durch Einleiten von Am-
moniakgas in Salzſäure, und Eindampfen der erhaltenen Löſung bis zur
Kryſtalliſation gewonnen. Der kryſtalliſierte Salmiak zieht Waſſer aus der
Luft an. Der Salmiak des Handels enthält 94 Proz. Chlorammonium. Er iſt
nicht ſelten mit ſchwefelſaurem Ammoniak (von der Fabrikation her) verun-
reinigt. Ein ſolcher Gehalt ergibt ſich beim Verſetzen der verdünnten Salmiak-
löſung mit einer Löſung von ſalpeterſaurem Baryt durch eine weiße Trü-
bung. — Anwendung: Der Salmiak dient in Miſchung mit Salpeterſäure
zur Darſtellung mehrerer Zinnpräparate, ferner bei Bereitung verſchiedener
Beizen, ſowie als Zuſatz zu kupferhaltigen Tafeldruckfarben; es dient auch
als Zuſatz zu eſſigſauren Thonerdelöſungen, ſowie als Zuſatz zu gewiſſen
Farben, welche zu ihrer Oxydation der Feuchtigkeit bedürfen.


3. Vanadinſaures Ammoniak, Ammoniumvanadat, VO4 (NH4)3.
Ein von Witt in die Kattundruckerei eingeführtes Präparat, welches auch
in der Färberei, obgleich ſeltener, als Sauerſtoffübertrager bei der Anilin-
ſchwarzfärberei benutzt wird. Das Salz beſitzt die ausgeſprochene Eigen-
ſchaft, Sauerſtoff verhältnismäßig ſchnell aufzunehmen und wieder ab-
zugeben. Dieſe Fähigkeit iſt ſo groß, daß ſchon ganz kleine Mengen aus-
reichend ſind, große Mengen Anilinſalz (das Zehntauſendfache ihres eigenen
Gewichts) in Anilinſchwarz überzuführen. Aus dem gleichen Grunde iſt
es im Blaudruck zum Aetzen weißer Figuren auf küpenblau gefärbtem Grunde
empfohlen worden. Eine Vorſchrift für ein derartiges Aetzweiß findet ſich
in der „Deutſchen Färber-Zeitung“ 1887, Nr. 34.


4. Rhodanammonium, NH4 · SCN, iſt ein Produkt chemiſcher Fabri-
ken; es bildet farbloſe, leicht zerfließliche Kryſtallblätter. — Anwendung:
In Verbindung mit Salmiak als Aetzbeize für Biſter; häufiger wohl als
Hilfsmittel zur Darſtellung von Rhodanaluminium.


[246]

§ 90. Kaliumſalze.


1. Kaliumcarbonat, Pottaſche, kohlenſaures Kali, K2 CO3.
Das kohlenſaure Kali kommt in Handelsmarken von ſehr verſchiedener Rein-
heit und ſehr verſchiedenem Werte in den Handel, von denen beſonders die
rohe und die gereinigte Pottaſche uns intereſſieren. Früher wurde die
Pottaſche nur aus Pflanzenaſche durch Auslaugen gewonnen; dieſe Methode
wird heute nur noch im Innern Rußlands und in den Ländern der Slovakei
befolgt; die heutige bei uns im großartigen Maßſtabe fabrizierte Pottaſche
wird entweder aus der Schlempe der Melaſſebrennereien, oder aus den Waſch-
wäſſern der Wollwäſchereien, die größte Menge aber wohl aus dem rohen
Chlorkalium der Staßfurter Salze gewonnen. Beſonders die auf die letzte
Weiſe gewonnene Pottaſche, welche alle anderen mehr und mehr aus dem
Handel verdrängt, iſt ziemlich reines kohlenſaures Kali, von dem ſie bis zu
98 Proz. enthält, während die beſten Sorten aus Holzaſche gewonnener Pottaſche
günſtigſten Falles etwa 88 Prozent enthalten, die aus Schlempekohle oder
aus Wollſchweiß aber 92 Prozent. Auch noch andere Verfahren der Pott-
aſchefabrikation ſind heute üblich. Eine Aufzählung oder gar Beſchreibung
dieſer Verfahren würde hier zu weit führen. Die nach den neueren Me-
thoden bereitete Pottaſche ſtellt ein blendend weißes Pulver vor, welches noch
kleine Mengen von Soda (½ bis 2½ Prozent), Chlorkalium (½ bis 2½
Prozent) und ſchwefelſaures Kali (½ bis 3 Prozent), ſowie Thonerde und
Kieſelſäure in Spuren enthält. Eine derartige Pottaſche iſt für ihre Ver-
wendung in der Färberei genügend rein. Der Wert der Pottaſche iſt ab-
hängig von ihrem Gehalt an reinem Kaliumcarbonat. Wie verſchieden der-
ſelbe ſein kann (die geringeren Qualitäten aus Holzaſche bereiteter Pottaſche
enthalten nur circa 44 Prozent), haben wir bereits oben geſehen; dieſer Ge-
halt kann leicht noch weiter herabgemindert werden durch einen Feuchtigkeits-
gehalt, denn die Pottaſche zieht mit Begierde Feuchtigkeit aus
der Luft an
. Ueberdies kommt noch eine hydratierte Pottaſche in den
Handel, welche zwar ziemlich reines Kaliumcarbonat iſt, aber doch circa
18 Prozent Waſſer enthält. Es wird ſich deshalb beim Einkauf ſtets eine
Gehaltsbeſtimmung nötig machen. Dies geſchieht auf alkalimetriſchem Wege
mittels titrierter Säure. Da chemiſche Wagen u. dergl. in Färbereien nur
ſelten vorhanden ſein dürften, ſo wird es ſich empfehlen, eine derartige
titrierte Salzſäure unter der Bezeichnung Normalſalzſäure für alkalimetri-
ſche Zwecke aus chemiſchen Fabriken (z. B. Trommsdorf in Erfurt) zu be-
ziehen. Nun löſt man genau 34,55 g der zu prüfenden Pottaſche in ſoviel
deſtilliertem Waſſer, daß die Geſamtlöſung genau 500 ccm beträgt. Iſt
die Löſung trüb, ſo läßt man vollkommen klar abſetzen, und benutzt von der
klaren Löſung genau 100 ccm zur Unterſuchung. Man verſetzt dieſelbe mit
einigen Tropfen Lackmustinktur und läßt ſodann aus einer 100 ccm Quetſch-
hahnbürette von der Normalſalzſäure vorſichtig in kleineren Abſätzen ſo lange
zufließen, bis ein merkliches Aufbrauſen nicht mehr erfolgt, und die Farbe
der Flüſſigkeit eben anfängt, aus dem Blauen ins ſchwach Zwiebelrote über-
zugehen. Es empfiehlt ſich, die Pottaſchenlöſung gleich von vornherein zu
erwärmen, um eine Abſorption der entwickelten Kohlenſäure durch die Flüſ-
ſigkeit zu verhindern. Im Augenblicke der Farbenveränderung hört man mit
dem Säurezuſatz auf. Die Anzahl Kubikcentimeter Normalſäure,
[247] welche bis zur Sättigung notwendig war, gibt direkt den Prozentge-
halt der Pottaſche an Kaliumcarbonat
an. Werden z. B. 85 ccm
Normalſalzſäure verbraucht, ſo enthält die unterſuchte Pottaſche 85 Prozent
kohlenſaures Kali. Bei einiger Uebung iſt eine derartige Beſtimmung be-
quem in 10 bis 15 Minuten auszuführen. — Anwendung: die Pottaſche
dient beim Blaudruck zum Anſatze der Pottaſchenküpe, ferner zum Bleichen,
ſowie zur Darſtellung anderer Kaliumſalze.


2. Chlorſaures Kali, Kaliumchlorat, ClO3 K, wird in chemiſchen
Fabriken dargeſtellt, indem man Chlorgas in erwärmte dünne Kalkmilch leitet;
dabei bildet ſich zunächſt chlorſaurer Kalk und Chlorcalcium; die gewonnene
Löſung wird mit Chlorkalium verſetzt und bis zu einer gewiſſen Konzentra-
tion eingedampft, wobei das chlorſaure Kali beim Erkalten auskryſtalliſiert.
Es bildet harte, farbloſe, glänzende, geruchloſe, luftbeſtändige, kühlend ſalzig
ſchmeckende Tafeln oder Blättchen, oder ein krümliges weißes Pulver; bei
normaler Temperatur löſt es ſich in 17 Teilen Waſſer; in heißem Waſſer
iſt es viel leichter löslich. Es wirkt infolge ſeines Chlorgehalts kräftig oxy-
dierend; die oxydierende Wirkung iſt bisweilen von ſolcher Heftigkeit, daß
Exploſion eintritt. Es muß daher beim Zuſammenbringen mit andern Kör-
pern, nicht minder für ſich allein, mit großer Vorſicht behandelt werden, da
es ſchon durch Reiben, durch Stoß oder Druck von ſelbſt zu explodieren
vermag. — Anwendung: Als Oxydationsmittel in der Anilinſchwarzfärberei.


3. Doppelt arſenſaures Kali, Macquers Doppelſalz, ar-
ſenikaliſches Mittelſalz
, KH2 AsO4, wird durch Zuſammenſchmelzen
von gleichen Teilen weißem Arſenik und Kaliſalpeter, Auflöſen der Schmelze
in Waſſer und Eindampfen zur Kryſtalliſation gewonnen. Es bildet große,
luftbeſtändige Kryſtalle. — Anwendung: Als Erſatz des Kuhkots zur Be-
feſtigung von Beizen auf Geweben, hauptſächlich aber in der Kattundruckerei
als Aetzreſervage, um die Fixierung einer Beize auf dem Gewebe zu ver-
hindern. Vergl. auch Natriumarſenat. S. 253.


4. Kieſelſaures Kali, Kaliwaſſerglas, K2 Si4 O9. Eine dick-
liche, klare oder faſt klare Flüſſigkeit, welche eine Löſung von 1 Teil der
waſſerfreien Verbindung in 5 Teilen Waſſer vorſtellt. — Anwendung: Wie
das Natronwaſſerglas, jedoch ſeltener im Gebrauch.


5. Uebermanganſaures Kali, Kaliumpermanganat, KMnO4.
Ein Produkt chemiſcher Fabriken, erhalten durch Einleiten von Kohlenſäure-
gas in rohes Kaliummanganat, bis die Löſung purpurrot geworden iſt. Es
bildet kleinere oder größere rhombiſche Prismen, welche im auffallenden Lichte
ſchwarz, metalliſch glänzend, im durchfallenden Lichte tief violettrot erſcheinen;
es löſt ſich in Waſſer mit tief purpurvioletter Farbe, welche, nach Anſäuren
mit etwas Schwefelſäure, durch Eiſenvitriol, ſchweflige Säure, Natrium-
hypoſulfit, Oxalſäure u. ſ. w. entfärbt wird. Das Kaliumpermanganat be-
ſitzt ein großes Oxydationsvermögen, indem es ſich ſelbſt, je nach den ob-
waltenden Umſtänden, zu Manganſuperoxyd, — Oxyd oder — Oxydul redu-
ziert. — Anwendung: Zum Bleichen, beſonders der Jute.


6. Salpeterſaures Kali, Kaliumnitrat, Kaliſalpeter, KNO3.
Ein in durchſichtigen, langen, geſtreiften, ſechsſeitigen, rhombiſchen Säulen
kryſtalliſierendes oder als weißes Pulver vorkommendes Salz von kühlend
ſtechendem Geſchmack. Bei gewöhnlicher Temperatur löſt es ſich in etwa
4 Teilen Waſſer, — Anwendung: Einige Vorſchriften laſſen den Salpeter
[248] zur Darſtellung von Zinnkompoſition, ſowie von ſalpeterſaurer Thonerde ver-
wenden; auch dient er bisweilen in Löſung, mit Salzſäure vermiſcht, an
Stelle von Königswaſſer.


7. Doppelt chromſaures Kali, Kaliumdichromat, K2 Cr2 O7.
Von allen in der Färberei verwendeten Kaliumſalzen iſt das Dichromat das
meiſt verwendete, ſo daß es vielfach ſchlechthin mit „Kali“ bezeichnet wird.
Das Kaliumdichromat (auch ſaures oder rotes chromſaures Kali genannt)
wird in einigen Fabriken durch Zuſammenſchmelzen von Chromeiſenſtein mit
gebranntem Kalk und Pottaſche, Auslaugen der Schmelze mit möglichſt
wenig heißem Waſſer und Verſetzen dieſer Löſung zuerſt mit Pottaſche, dann
mit Schwefelſäure gewonnen. Beim Erkalten der heißen Löſung kryſtalli-
ſiert zuerſt das Dichromat heraus. Es bildet große orangegelbe, trikline
Säulen oder Tafeln, welche luftbeſtändig ſind, und ſich in 10 Teilen Waſſer
mit gelber Farbe löſen.


Das Kaliumdichromat iſt ein kräftiges Oxydationsmittel; es gibt leicht
einen Teil ſeines Sauerſtoffes ab und die Chromſäure wird zu Chromoxyd
reduziert; die oxydierende Kraft wird durch Zuſatz einer Säure, welche die
Chromſäure in Freiheit ſetzt, erhöht; z. B. Schwefelſäure, Weinſäure. Im
erſteren Falle bildet ſich bei der Oxydation als Nebenprodukt Chromalaun,
im anderen Falle aber Chromweinſtein. Das Kaliumdichromat, wie es in
großen gelbroten Kryſtallen in den Handel kommt, iſt für Färbereizwecke
genügend rein; ein gemahlenes dagegen ſollte man nicht kaufen. Es iſt
giftig! — Anwendung
: Es dient zur Oxydation mancher Farbſtoffe und
Entwickelung der Farben, z. B. des Blauholzſchwarz, des Catechubraun und
Chrombraun, des Ferrocyanzinnblau und -Grün; ferner zur völligen Oxy-
dation des Emeraldins (des grünen Anilinſchwarz) zu reinem Schwarz;
ferner zur Darſtellung anderer Chrompräparate, z. B. Chromgelb und Chrom-
orange, auf oder außerhalb der Faſer. Andererſeits dient das Kalium-
dichromat als treffliches Beizmittel für Wolle, entweder in wäſſeriger Löſung
für ſich allein, oder mit Zuſatz von Schwefelſäure, oder Weinſäure, Wein-
ſtein, Oxalſäure. Endlich dient es in der Blaudruckerei zum Weißätzen des
Indigos.


8. Saures weinſaures Kali, Weinſtein, Kaliumbitartrat,
Cremor Tartari, C4 H4 O4 (OH) OK. Als Weinſtein werden die ſtein-
harten Kruſten verſtanden, welche ſich bei der Gärung des Moſtes an den
Wandungen der Weinfäſſer abſetzen; ſie ſind kryſtalliniſch und von rötlich-
grauer oder grauweißer Farbe, je nachdem ſie von rotem oder weißem Wein
herrühren. In dieſer Form bildet er den rohen Weinſtein des Handels.
Durch Auflöſen in ſiedendem Waſſer und Behandeln der Löſung mittels
Tierkohle und Thon, Klären- und Kryſtalliſierenlaſſen wird daraus der ge-
reinigte Weinſtein
dargeſtellt. Dieſer bildet durchſcheinend harte rhom-
biſche Kryſtalle oder ein weißes kryſtalliniſches Pulver von ſchwach ſäuer-
lichem Geſchmack. Er iſt nur ſchwierig löslich in Waſſer (1 Teil braucht
192 Teile kaltes, oder 20 Teile kochendes Waſſer), leicht löslich in ätzen-
den oder kohlenſauren Alkalien. — Anwendung: In der Wollenfärberei als
Zuſatz zum Beizbad, wenn eine Beizung mit Thonerdeſalzen angezeigt er-
ſcheint; bisweilen auch als Zuſatz zu Zinnbeizen, ſowie zum Beizbade für
Kaliumdichromat. Welche Rolle der Weinſtein dabei eigentlich ſpielt, iſt
noch nicht genau ermittelt worden.


[249]

9. Saures oxalſaures Kali, Kaliumbioxalat, Kleeſalz,
Das Kleeſalz wird durch Neutraliſieren von Oxalſäure mit Pott-
aſche gewonnen; dabei entſteht das neutrale, leicht lösliche Oxalat. Fügt
man hierzu weitere Oxalſäure, ſo bildet ſich das ſchwer lösliche ſaure Oxalat,
welches in großen, farbloſen, der Weinſäure nicht unähnlichen Kryſtallen
auskryſtalliſiert; es iſt luftbeſtändig, geruchlos, ſchmeckt ſehr ſauer, iſt in
Waſſer nur wenig löslich (es braucht 14 Teile kochendes Waſſer). Es iſt
giftig. — Anwendung: Im Zeugdruck zu Aetzreſervagen; in der Lappen-
färberei nur als Fleckentilgungsmittel für Tinten- und Eiſenflecke.


10. Kaliumeiſencyanür, Ferrocyankalium, gelbes Blut-
laugenſalz, blauſaures Kali
, K4 Fe (CN)6 + 3H2 O. Wird fabrik-
mäßig durch Schmelzen von Pottaſche mit ſtickſtoffhaltigen organiſchen Stoffen
unter Zuſatz von Eiſen erhalten. Es bildet große, weiche, citronengelbe, in
4 Teilen Waſſer lösliche quadratiſche Prismen von bitterem, nicht eiſenartigem
Geſchmack. Trotz ſeines hohen Blauſäuregehalts iſt das gelbe Blutlaugen-
ſalz nicht giftig. Mit Eiſenoxydſalzen gibt es ſofort einen blauen Nieder-
ſchlag, welcher als Berliner Blau bekannt iſt. — Anwendung: Zur Dar-
ſtellung von Kaliblau, Berliner Blau auf der Faſer.


11. Kaliumeiſencyanid, Ferridcyankalium, rotes Blut-
laugenſalz, rotes blauſaures Kali
, 6 KCN · Fe2 Cy6, wird durch
Einleiten von Chlor in eine heiße Löſung von gelbem Blutlaugenſalz
dargeſtellt; es bildet große, dunkelrubinrote, waſſerfreie, rhombiſche Pris-
men, welche ſich in Waſſer mit braungrüner Farbe löſen. Mit Eiſen-
oxydſalzen gibt es keinen, dagegen mit Eiſenoxydulſalzen ſofort einen
Niederſchlag von Berliner Blau. — Anwendung: Wie das vorige; und in
der Druckerei als Zuſatz zu Dampfſchwarz.


12. Rhodankalium, K · SCN, wird in chemiſchen Fabriken durch
Erhitzen eines Gemenges von gelbem Blutlaugenſalz, Pottaſche und Schwefel
und Auskochen der geſchmolzenen Maſſe mit Weingeiſt gewonnen. Es bildet
waſſerhelle, langgeſtreifte Säulen, iſt an der Luft zerfließlich, leicht löslich
und leicht zerſetzbar. — Anwendung: Als Reſerve für Anilinſchwarz.


§ 91. Natriumſalze.


1. Kohlenſaures Natron, Natriumcarbonat, Soda,
Na2 CO3 + 10 H2 O. Faſt alle im Handel vorkommende Soda wurde bis
vor wenig Jahren lediglich nach dem Leblancſchen Prozeß gewonnen, in-
dem das natürliche Steinſalz durch Behandeln mit Schwefelſäure in Glauber-
ſalz und letzteres durch Schmelzen mit Kalk und Kohle in Rohſoda über-
geführt wurde, welche dann ausgelaugt und zur Kryſtalliſation gebracht
wurde. Eine ſo bereitete Soda bildet große, farbloſe, durchſichtige Stücke,
welche durch Abgabe ihres Kryſtallwaſſers an der Luft verwittern und in
ein zartes, lockeres, weißes Pulver zerfallen. Die kryſtalliſierte Soda oder
Kryſtallſoda enthält circa 37 Prozent trockenes kohlenſaures Natron und
löſt ſich in 1½ Teilen Waſſer. — Neuerdings kommt eine andere Soda unter
dem Namen Ammoniakſoda in den Handel. Dieſe wird durch wechſel-
ſeitige Zerſetzung von Ammonbicarbonat und Kochſalz in wäſſeriger Löſung
erzeugt; es bildet ſich dabei Salmiak und das ſchwer lösliche Natrium-
[250] bicarbonat, welches ſich als kryſtalliniſches Pulver abſcheidet und durch nach-
folgendes Glühen in Monocarbonat übergeführt wird. Die Ammoniakſoda
iſt faſt reines Natriumcarbonat und enthält davon circa 98 Prozent. Die
Soda ſchmeckt und reagiert ſtark alkaliſch. Sie iſt von ihrer Darſtellung
her mit kleinen Mengen von Chlornatrium und Natriumſulfat verunreinigt,
nicht ſelten enthält ſie auch Aetznatron in kleinen Mengen beigemiſcht; alle
dieſe Verunreinigungen ſchaden ihrer Verwendung in der Färberei jedoch nicht;
dagegen muß ein etwaiger Eiſengehalt beanſtandet werden. Der Wert der
Soda beruht auf ihrem Gehalt an Natriumcarbonat und iſt durch Titration
auf gleiche Weiſe, wie bei der Pottaſche beſchrieben, feſtzuſtellen, nur mit dem
Unterſchiede, daß man, ſtatt wie dort 34,55 g in Arbeit zu nehmen, hier
26,54 g der zu prüfenden Soda in Arbeit nimmt, zu 500 ccm auflöſt, und von
der klaren Löſung 100 ccm zur Unterſuchung verwendet. Die verbrauchte
Anzahl von Kubikcentimetern Normalſalzſäure gibt dann direkt den Prozent-
gehalt von Natriumcarbonat an.


Anwendung: Die Soda findet die mannigfaltigſte Verwendung, und
zwar zum Weichmachen des Waſſers, wie zum Einweichen und Waſchen der
Garne, zum Bleichen der Baumwolle, zur Herſtellung der Javelleſchen
Lauge, zu jeder Art von Neutraliſation, zum Anſetzen der Sodaküpen, und
ſie bildet das Ausgangsmaterial zur leichten Darſtellung einer großen An-
zahl anderer in der Färberei gebrauchter Natriumverbindungen. Endlich
eignet ſie ſich auch zum Fixieren von Eiſenoxyd und Chromoxyd auf der
Faſer.


2. Salpeterſaures Natron, Natriumnitrat, Natronſal-
peter, Chiliſalpeter
, Na NO3. Ein in Chile in ungeheuren Mengen
natürlich vorkommendes Salz, welches durch Umkryſtalliſieren gereinigt wird.
Es kryſtalliſiert in würfelförmigen Rhomboedern, welche aus der Luft Feuchtig-
keit anziehen und ſich in ihrem gleichen Gewicht Waſſer löſen. — An-
wendung
: wie Kaliſalpeter.


3. Chlornatrium, Natriumchlorid, Kochſalz, Steinſalz,
Na Cl. Dieſe in gewaltigen Maſſen über die ganze Erde verbreitete und
ſelbſt im Meerwaſſer enthaltene Natriumverbindung iſt wohl ſo allgemein be-
kannt, daß ſie keiner Beſchreibung bedarf. Die Anwendung des Kochſalzes
iſt in der Färberei nur eine untergeordnete und beruht auf der Eigenſchaft,
durch ihre eigene leichte Löslichkeit in Waſſer andere darin gelöſte Stoffe
unlöslich zu machen und abzuſcheiden, was man Ausſalzen nennt. Auf
dieſe Weiſe wird die Seife aus ihren Löſungen ausgeſalzen; ähnliches geſchieht
bei der Fabrikation des Türkiſchrotöls; auch die Teerfarbſtoffe werden aus
ihren Löſungen ausgeſalzen. In einigen Fällen, obgleich ſelten, dient das
Kochſalz auch als Zuſatz zum Färbebad, ſo z. B. bei dem in der neueſten
Zeit erſt in den Handel gelangten Primulin.


4. Chlorſaures Natron, Natriumchlorat, ClO3 Na, wird aus
Kalkmilch, Chlor und Chlornatrium in analoger Weiſe gewonnen, wie bei
chlorſaurem Kali (§ 90) angegeben. Es iſt ein kryſtalliniſches, in ſeinem
gleichen Gewichte Waſſer lösliches Salz. — Anwendung: An Stelle des
chlorſauren Kalis wegen ſeiner leichten Löslichkeit, beſonders bei der Oxydation
von Anilinſchwarz.


5. Unterchlorigſaures Natron, Natriumhypochlorit, Chlor-
ſoda
, Na OCl, wird nur in wäſſeriger Löſung gebraucht. Eine ſolche Löſung
[251] iſt die unter dem Namen Eau de Javelle, Javelliſche Lauge, be-
kannte Bleichflüſſigkeit. Dieſe Javelliſche Lauge, welche viel gebraucht wird,
ſtellt man ſich mit Vorteil ſelbſt dar und gebe ich dazu folgende Vorſchrift:
In einem ſteinernen Mörſer reibt man 8 Teile Chlorkalk mit 40 Teilen
Waſſer zu einem zarten Schlamm an, fügt dann noch 20 Teile Waſſer hinzu
und gießt das Ganze in einen großen ſteinernen Topf, worin man über Nacht
abſetzen und ſich klären läßt. Am nächſten Morgen bereitet man ſich eine
ſiedend heiße Löſung von 10 Teilen Soda in 40 Teilen Waſſer, und gießt
in dieſelbe unter beſtändigem Rühren die klare Chlorkalklöſung. Es ſcheidet
ſich ein weißer Niederſchlag ab, den man abſetzen läßt, und von dem ab
man die klare Löſung in Flaſchen füllt, welche bis an den Stöpſel gefüllt
werden müſſen. Es iſt eine ſchwach grünlich gelbe, ſchwach nach Chlor riechende
Flüſſigkeit, welche außer Natriumhypochlorit auch Chlornatrium gelöſt ent-
hält. Sie enthält mindeſtens 2 Prozent wirkſames Chlor.


6. Schwefelſaures Natron, Natriumſulfat, Glauberſalz,
Na2 SO4 + 10 H2 O, wird in großen Mengen als Zwiſchenprodukt bei der
Sodafabrikation nach dem Leblancſchen Prozeß gewonnen. Es kryſtalliſiert
in großen, durchſichtigen, monoklinen Säulen, welche circa 56 Prozent Kryſtall-
waſſer enthalten, an der Luft verwittern und zu einem weißen Pulver zer-
fallen. Es iſt in Waſſer leicht löslich. — Anwendung: Der Zweck der An-
wendung von Glauberſalz in der Färberei iſt in den meiſten Fällen die Er-
zielung einer höheren Temperatur des Färbebades und eines gleichmäßigen
Angehens der Farben an die Faſer. Dieſes wird durch die leichte Löslich-
lichkeit des Glauberſalzes in der Weiſe erreicht, daß nicht der ganze Farb-
ſtoff des Färbebades ſich auf einmal zu löſen vermag, ſondern daß die Glauber-
ſalzlöſung von dem im Ueberſchuß vorhandenen ungelöſten Farbſtoff nur ſo
viel löſt, als ſie von dem bereits gelöſten Farbſtoffe gleichzeitig an die Faſer
abgibt. Das Glauberſalz würde in dieſer Weiſe als ein Regulator wirken,
und thatſächlich erzielt man damit ein allmähliches und gleichmäßiges Angehen
der Farben. Von beſonderer Bedeutung wird der Glauberſalzzuſatz bei
ſauren Farbſtoffen, zumal in allen den Fällen, wo außer dem ſauren Farb-
ſtoffe auch noch andere zugefügt werden ſollen, zur Erzielung eines anderen
Tones. Hier ſpielt das Glauberſalz eine doppelte Rolle: einmal die oben
beſchriebene, ſodann aber bildet es mit der Schwefelſäure des ſauren Bades
ſaures ſchwefelſaures Natron, Natriumdiſulfat, welches ſich dem
ſauren Farbſtoff gegenüber als Säure, dem andern Farbſtoff gegenüber als
Salz verhält. Gewöhnlich wird dieſe Verbindung gleich von vornherein er-
zeugt, indem man Glauberſalz und Schwefelſäure gleichzeitig zum Färbe-
bade gibt. Die Angaben in der Fachpreſſe weichen ſo weſentlich voneinander
ab, daß man daraus den Schluß ziehen muß, die Herſtellung des Natrium-
diſulfats ſei eine unbeabſichtigte, zufällige, denn oft genügt die Schwefel-
ſäuremenge nicht zur Erzeugung dieſer Verbindung, oft überſteigt ſie die
Glauberſalzmenge um das Vielfache. Zur Erzeugung des doppelt
ſchwefelſauren Natrons bedarf man auf 8 Teile kryſtalliſiertes
Glauberſalz 3 Teile engliſche Schwefelſäure von
66° Bé. Dadurch,
daß man in dieſem beſtimmten Verhältniſſe entweder von vornherein oder
erſt im Laufe des Färbeprozeſſes Aenderungen vornimmt, hat man es ganz
in ſeiner Hand, entweder die Wirkung der Schwefelſäure oder die des Glauber-
ſalzes mehr zur Wirkung kommen zu laſſen, und vermag ſo ganz nach Gut-
[252] dünken ein lebhafteres Angehen des Farbſtoffes zu begünſtigen oder zu ver-
hindern, und alſo im Farbbade ſelbſt nach Belieben zu nüancieren.


7. Schwefligſaures Natron, Natriumſulfit, Na2 SO3, wird
nur in ſehr ſeltenen Fällen in der Färberei benutzt, und dann als Reſerve für
Anilinſchwarz als Zuſatz zu unterſchwefligſaurem Natron, nicht für ſich
allein.


8. Saures ſchwefligſaures Natron, Natriumbiſulfit, Na HSO3.
Ein Produkt chemiſcher Fabriken in Form feiner weißer Kryſtalle, welche
durch Einleiten von Schwefligſäuregas in Natronlauge und Kryſtalliſation
erhalten werden. Es beſitzt den erſtickenden Geruch der ſchwefligen Säure;
es löſt ſich leicht in Waſſer, auch die Löſung haucht Dämpfe von ſchwefliger
Säure aus. — Anwendung: Als Löſungsmittel für eine Anzahl von Ali-
zarin- und Anthracenfarben, z. B. Coeruleïn, Alizarinblau u. ſ. w.; ſodann bildet
es das Ausgangsmaterial zur Darſtellung des unterſchwefligſauren Natrons.


9. Unterſchwefligſaures Natron, Natriumhypoſulfit, Anti-
chlor, Natriumthioſulfat
, H Na SO2 + 5 H2 O, bildet große, waſſerhelle,
ſchiefe, luftbeſtändige Säulen von kühlend ſalzigem, hinterher bitterem Ge-
ſchmack. Es bildet das Hauptmaterial zum Anſatz der Indigoſulfitküpe und
wird am beſten ſelbſt bereitet. Ganswindt gibt hierzu (N. Erfind. u. Erf.,
1888 S. 344) folgende Vorſchrift: 312 Teile Natriumbiſulfit werden in ſoviel
Waſſer gelöſt, daß eine Löſung von 31° B. erhalten wird; in dieſe Löſung
werden 130 Teile metalliſches Zink, am beſten als Zinkblech in aufgerollten
Spiralen oder als Zinkſpäne, gegeben. Dabei iſt Hauptbedingung, daß die
Einwirkung des Zinks auf die Natronlöſung unter möglichſtem Luftabſchluß
vor ſich gehe, was nicht allein durch den zu erreichenden Zweck, ſondern
auch durch den Umſtand bedingt wird, daß die Löſung an der Luft Dämpfe
von ſchwefliger Säure ausſtößt, welche für den Arbeiter höchſt beſchwerlich
ſind. Am beſten verwendet man ein cylindriſches Gefäß aus Steingut.
Als Verſchluß dient am beſten ein ſtarker Holzdeckel, nachdem man zuvor auf
den Rand des Steingutgefäßes einen Gummiring gelegt hat. Das Gefäß
wird dann mit der Löſung des ſauren ſchwefligſauren Natrons und dem
Zink möglichſt bis zum Rande gefüllt, der Deckel aufgelegt und mit Steinen
beſchwert. Eine Rührvorrichtung iſt nur dann vonnöten, wenn Zinkgranalien
oder Zinkſtaub verwendet werden; bei ſpiralig gerolltem Zinkblech iſt ſie über-
flüſſig. Selbſt von einem bloßen Umrühren mit Holzſpatel möchte ich ab-
raten, da ein ſolches Umrühren mit Zuführung von Luft verbunden ſein
würde. Die völlige Umwandlung in Natriumhypoſulfit erfolgt auch ohne
Umrühren, wenn man der Reaktion einige Stunden Zeit läßt. Dabei ſcheidet
ſich Zinknatriumſulfit ab, und die Löſung des Natriumhypoſulfits kann klar
dekantiert und abgehebert werden. Eine derartige Löſung iſt wenig haltbar.
Um ſie haltbarer zu machen, gießt man Kalkmilch in dieſelbe. Man rührt
210 g gebrannten Kalk nach dem Löſchen mit ſoviel Waſſer an, daß das
Ganze 1 l beträgt. Auf den Liter der obigen Hypoſulfitlöſung kommen etwa
460 g Kalkmilch; man durchmiſcht gut, läßt abſetzen, und füllt die klare
Löſung auf große bis unter den Stopfen zu füllende Flaſchen. Dieſe Löſung
iſt minder zerſetzbar, muß aber auch vor Berührung mit der Luft ſorgfältig
geſchützt werden. In Angriff genommene Flaſchen müſſen entweder völlig
ausgebraucht oder der verbleibende Reſt in eine entſprechend kleinere vollzu-
füllende Flaſche gethan werden. — Anwendung: Zur Bereitung der Hypo-
[253] ſulfitküpe, zum Entfernen des von der Bleiche her in den Geweben über-
ſchüſſig vorhandenen Chlors, ſowie (nach Stein) als reſervierendes Mittel
für Anilinſchwarz in Reſervealizarinrotartikeln.


10. Kieſelſaures Natron, Natriumſilikat, Natronwaſſer-
glas
, Na2 Si4 O9. Eine klare, farbloſe oder ſchwach gelbliche, dickliche
Flüſſigkeit. Zu deren Gewinnung wird Quarzſand mit der Hälfte ent-
wäſſerter Soda und etwas Holzkohlenpulver zuſammengeſchmolzen, der Rück-
ſtand mit Waſſer ausgekocht und die gewonnene Löſung zur Syrupdicke ein-
gedampft. Sie reagiert alkaliſch und hat ein ſpezifiſches Gewicht von 1,3
bis 1,4. — Anwendung: Als teilweiſer Erſatz des Kuhkotbades, entweder
für ſich allein, oder unter Zuſatz von Kreide, in der Türkiſchrotfärberei.
Das durch Umſetzen mit der eſſigſauren Thonerde ſich bildende Alumi-
niumſilikat ſcheint für Alizarin ſtarke Verwandtſchaft zu beſitzen.


11. Borſaures Natron, Natriumbiborat, Borax,
Na2 B4 O7 + 10 H2 O, wird durch Sättigen von Borſäure mit Soda ge-
wonnen und bildet harte, farbloſe, durchſcheinende Kryſtalle, welche in
14 Teilen kaltem, in ½ Teil kochendem Waſſer löslich ſind, an trockener
Luft nur wenig verwittern, zuſammenziehend ſalzig ſchmecken und bei ſchnellen
Temperaturveränderungen leicht zerſpringen, beim Erhitzen aber unter Ab-
gabe ihres Kryſtallwaſſers ſich aufblähen. — Anwendung: Als Mordant,
und in der Türkiſchrotfärberei im Kuhkotbad und zum Avivieren; ferner als Zuſatz
zum Färbebade bei einer kleinen Gruppe von Triphenylmethanfarbſtoffen, als
deren Hauptrepräſentant das Alkaliblau zu betrachten iſt (vergl. S. 204);
ferner zum Fermentieren von Blauholz und in der Appretur zum Löſen
von Caſeïn.


12. Phosphorſaures Natron, Natriumphosphat, Kuhkot-
ſalz
, Na2 H PO4 + 12 H2 O; ein durch Sättigen von Phosphorſäure mit
Soda erhaltenes Salz in großen, klaren, leicht verwitternden Kryſtallen von
kühlend ſalzigem Geſchmack und alkaliſcher Reaktion. Als eines der Erſatzmittel
für das Kuhkotbad verwendet. Früher gebrauchte man phosphorſauren Natron-
kalk; jetzt verwendet man phosphorſaures Natron und Kreide. — Prüfung:
Es ſoll bisweilen mit Kochſalz vermengt in den Handel kommen; man löſt
eine kleine Probe in wenig warmem Waſſer und läßt kryſtalliſieren; Koch-
ſalz verrät ſich dann durch ſeine kleinen würfelförmigen Kryſtalle.


13. Arſenſaures Natron, Natriumarſenat, Na2 H As O4 + 7 H2 O.
Es kommt ein Salz im Handel vor, welches mit großen Mengen Kochſalz
und Soda verunreinigt iſt und dem Namen nicht mehr recht entſpricht. Da
letztere Beimengung für die Verwendung keineswegs gleichgiltig iſt, möchte
es ſich empfehlen, das Salz ſelbſt herzuſtellen. 100 Teile gepulverter
Natronſalpeter und 116 Teile weißer Arſenik werden zuſammen erhitzt, die
Maſſe mit der achtfachen Menge kochenden Waſſers ausgezogen und die Löſung
ſolange mit einer Sodalöſung verſetzt, bis die Miſchung alkaliſch reagiert.
Durch Verdunſten derſelben erhält man farbloſe, prismatiſche, in Waſſer leicht
lösliche Kryſtalle von ſchwach alkaliſcher Reaktion. Es iſt ſehr giftig! —
Anwendung
: Wie das vorige als Erſatz des Kuhkots, als Fixiermittel für
Beizen in der Färberei und Druckerei.


14. Saures chromſaures Natron, Natriumdichromat,
Na2 Cr2 O7 + 2 H2 O, wird neuerdings von Schleſien aus in den Handel ge-
bracht und durch Verſetzen einer Löſung von einfach chromſaurem Natrium
[254] mit überſchüſſiger Chromſäure erhalten. Es bildet hyacinthrote, dünne, zer-
fließliche, leicht lösliche Säulen oder ein rotbraunes kryſtalliniſches Pulver.
Es iſt billiger, als das entſprechende Kaliſalz bei einem gleichzeitigen
Mehrgehalt von Chromſäure; es enthält 76,3 Prozent Chromſäure und iſt
leichter löslich als jenes. Die gewöhnlichen Verunreinigungen des käuflichen
Salzes ſind Waſſer, Kochſalz, Glauberſalz, Kaliumdichromat und Natrium-
monochromat. Die Anweſenheit dieſes letzteren erfordert eine eigene Be-
ſprechung und Prüfung.


Eine Methode zur direkten Beſtimmung von Chromat in Gegenwart
von Bichromat iſt noch nicht bekannt und infolge deſſen beſteht die meiſt an-
gewandte Methode der Analyſe ſolcher Miſchungen darin, daß man das Bi-
chromat direkt beſtimmt durch Titrieren mit normaler Alkalilöſung in Gegen-
wart von Phenolphtaleïn, bis, durch deſſen vollſtändige Umwandlung in
normales Chromat, bei geringem Alkaliüberſchuß, das rötliche Gelb der
Löſung ſich in ein gelbchliches Rot verwandelt; indem man nun die ſo ge-
fundene dem Bichromat entſprechende Menge Chromſäure abzieht von der
überhaupt vorhandenen Menge, wie ſie mit Eiſenoxydulſalzen beſtimmt wurde,
erhält man als Reſt die Chromſäuremenge, die in der Probe als Chromat
vorhanden iſt.


Die Reſultate ſind durchaus befriedigend, doch hat die Methode einen
praktiſchen Nachteil in der Thatſache, daß die vollſtändige Umwandlung des
Bichromats in normales Salz durch das Phenolphtaleïn nicht mit genügen-
der Schärfe angezeigt wird, und der Operateur muß beim Einſtellen ſeiner
Normalalkalilöſung mit reinem Kaliumbichromat einen Grad neutraler
Färbung treffen, die beim Titrieren unbekannter Mengen genau wieder er-
reicht werden muß.


Anwendung: Wie das Kaliumdichromat, und im Blandruck vornehm-
lich als Gelbätzpapp.


15. Thonerdenatron, Natriumaluminat, Al2 (OH)6 · 6 Na OH.
Dieſe Beize wird der Färber wohl ſtets ſelbſt herzuſtellen genötigt ſein.
Am einfachſten löſt man 6 Teile Thonerdehydrat en pâte in 4 Teilen Natron-
lauge von 36° Bé. unter Erwärmen. Steht ſolches Thonerdehydrat nicht zu
Gebot, ſo empfehle ich folgendes Verfahren: Man bereite ſich eine kochend
heiße Löſung von ſchwefelſaurer Thonerde und füge zu dieſer Löſung eine
Natronlauge von 30° Bé. im dünnen Strahl allmählich zu, ſo lange, bis ſich
der anfangs gebildete gallertartige Niederſchlag wieder gelöſt hat; beim Ab-
kühlen der Löſung kryſtalliſiert Glauberſalz heraus, von dem die Löſung ab-
zugießen iſt; ſie iſt eine farbloſe, alkaliſch reagierende Flüſſigkeit. In neuerer
Zeit wird Natriumaluminat im großen dargeſtellt dadurch, daß man Kryolith
mit Aetzkalk, oder Bauxit mit Soda reſp. Glauberſalz und Kohle, ſowie auch
mit Kochſalz in überhitztem Waſſerdampf zuſammenſchmilzt und die Schmelze
auslaugt. — Anwendung: Im beſchränkten Maße als Beize in der Baum-
wollenfärberei und Kattundruckerei.


16. Zinnſaures Natron, Natriumſtannat, Präparierſalz,
Zinnſoda
, Na2 Sn O3 + 3 H2 O. Dieſes vielgebrauchte Salz wird fabrik-
mäßig dargeſtellt; man kann es jedoch ſehr gut und mit Vorteil ſich ſelbſt
darſtellen und ich rate dazu um ſo mehr, als das Handelsprodukt gewöhn-
lich mit Kochſalz und Soda verunreinigt iſt, bisweilen auch arſenſaures
Natron enthält. Man erhitze in einem geräumigen eiſernen Keſſel über Feuer
[255] 10 kg Natronlauge von 36° Bé., 1 kg Kochſalz, 4 kg Natronſalpeter zum
Kochen und erhalte im Kochen ſo lange, bis die Maſſe anfängt, dickflüſſig
zu werden und ein hineingeworfenes Stückchen granuliertes Zinn ſofort darin
ſchmilzt. Dann fügt man 3½ kg granuliertes Zinn hinzu und rührt unter
tüchtigem Feuern beſtändig um; die Maſſe wird dabei immer dicker und
nimmt eine bleigraue Farbe an; bald entwickeln ſich weiße Dämpfe, dann
erſcheinen einzelne Funken in der Maſſe und ſchließlich kommt die Maſſe
ins Glühen. Man entfernt dann den Keſſel vom Feuer, ſchüttet den
Inhalt in einen eiſernen Kaſten und läßt erkalten. So dargeſtellt, bildet
es eine weiße, in Waſſer lösliche Kryſtallmaſſe. Das Präparat des Handels
kommt nicht ſelten in großen Kryſtallen vor, welche durch Auflöſen obigen
Präparates und Kryſtalliſierenlaſſen erhalten ſind. Bei längerem Aufbewahren
zerſetzt es ſich zum Teil und gibt dann keine ganz klare Löſung in Waſſer
mehr. Obgleich in dieſem Präparate das Zinn als Zinnſäure enthalten iſt,
ſo wird beim Zuſatz einer Mineralſäure doch nur Zinnoxyd gefällt; auf dieſer
Reaktion beruht die Anwendung. Der Wert des Präparates beruht ſomit
lediglich in ſeinem Zinngehalt, welcher analytiſch nachgewieſen werden ſollte.
Anwendung: Im großen Umfange zur Druckerei der Baumwolle und Wolle,
vornehmlich im Kattundruck.


17. Wolframſaures Natron, Natriumwolframat, Na2 WO4,
iſt von Heppe (Deutſche Färber-Ztg. 1886, Nr. 29) als Beizmittel an
Stelle des vorigen und an Stelle von Zinnſalz empfohlen worden. That-
ſächliche Verwendung hat es bisher gefunden zum Imprägnieren von Ge-
weben, um dieſe unverbrennlich zu machen und zum Beſchweren der Seide,
wozu es ſeines hohen ſpezifiſchen Gewichts wegen beſonders geeignet er-
ſcheint. Schließlich wäre noch des Vorſchlages zu gedenken, die Wolfram-
gelatine zum Animaliſieren der Baumwolle zu benutzen. Ob poſitive Ver-
ſuche in dieſer Richtung gemacht worden ſind, habe ich nicht in Erfahrung
bringen können.


18. Eſſigſaures Natron, Natriumacetat, Rotſalz,
CH3 · COO Na + 3 H2 O. Es wird durch Sättigen von Eſſigſäure oder Holz-
eſſig mit Soda gewonnen, und bildet große, farbloſe rhombiſche Säulen, welche
kühlend ſalzig ſchmecken und ſich in 3 Teilen Waſſer löſen. — Anwendung:
In der Färberei noch hier und da zur Bereitung der Rotbeize. Wichtiger
iſt die Verwendung als Zuſatz zu ſtark ſauren Farben (nach Stein), deren
Säuren beim Verflüchtigen durch das Dämpfen die Faſer angreifen würden;
durch das eſſigſaure Natron werden dieſe Säuren in der Hitze an das Natron
gebunden und Eſſigſäure in Freiheit geſetzt.


19. Citronenſaures Natron, hergeſtellt durch Neutraliſieren von
Citronenſaft oder kryſtalliſierter Citronenſäure durch Soda, wird vornehmlich
in der Zeugdruckerei benutzt.


20. Weinſaures Natron ſoll nach Grothe als Beize in der
Wollenfärberei und als Aetzbeize im Kattundruck Verwendung finden.


21. Xanthogenſaures Natron dient gleichfalls nur in der Zeug-
druckerei und zwar als Reduktionsmittel der Orthonitrophenylpropiolſäure zur
Erzeugung des künſtlichen Indigoblaus auf der Faſer.


[256]

§ 92. Calciumſalze.


1. Kohlenſaurer Kalk, Calciumcarbonat, Schlemmkreide,
Ca CO3. Die Kreide findet ſich häufig und oft ſehr rein in der Natur. Die
für techniſche Verwendung beſtimmte kommt in geſchlemmtem Zuſtande in den
Handel und bildet ſo mehr oder minder harte, weiße, zerreibliche Maſſen,
welche faſt ganz aus kohlenſaurem Kalk beſtehen und nur noch einen kleinen
Gehalt an kohlenſaurer Magneſia haben. Sie darf in keinem Falle harte
ſteinige Stücke enthalten, andernfalls muß ſie vor dem Gebrauche noch ein-
mal fein gemahlen und geſiebt werden; ſie bildet dann ein zartes weißes,
weiches, leicht abfärbendes, im Waſſer unlösliches Pulver. — Anwendung:
Die Kreide dient vornehmlich in Form von Kreidebädern zum Neutra-
liſieren oder Abſtumpfen vorhandener Säuren, ſowie zur Herſtellung anderer
Kalkſalze. Zu der von Hummel empfohlenen Verwendung als Fixiermittel
für Thonerde auf Baumwolle dürften ſich jedoch lösliche Kalkſalze mehr
empfehlen. Bekannt iſt die Verwendung von Kalkbädern beim Türkiſchrot-
färben, weniger bekannt iſt die Verwendung der Kreide als eigentlicher Farb-
ſtoff und zwar zum Weißfärben. Näheres über die „Kreideweißfärberei“
enthält die „Deutſche Färber-Ztg.“ 1886, Nr. 36.


2. Salpeterſaurer Kalk, Calciumnitrat, Ca (NO3)2. Dieſes
zuweilen als Mordant gebrauchte Salz ſtellt man ſich am beſten ſelbſt in
Löſung dar. Ich empfehle dazu, die rohe Salpeterſäure des Handels mit
dem gleichen Gewicht Waſſer zu verdünnen, und feingeriebene Schlemmkreide
in kleinen Mengen zuzufügen ſolange noch Aufbrauſen erfolgt. Zuletzt fügt
man noch etwas Kreide überſchüſſig hinzu, erhitzt langſam bis zum Kochen,
läßt abſetzen und gießt am nächſten Morgen klar ab. Man erhält ſo eine
waſſerhelle, klare Flüſſigkeit von ſchwach alkaliſcher Reaktion.


3. Chlorkalk, Bleichkalk. Dieſes vielbenutzte Handelsprodukt wird
in chemiſchen Fabriken — oft in Sodafabriken als Nebenprodukt — herge-
ſtellt, indem Chlorgas über friſch gelöſchten noch etwas waſſerhaltigen Kalk
geleitet wird, und zwar bei einer Temperatur von nicht über 20° R. Das
Chlorgas wird vom Kalk einfach abſorbiert (verſchluckt, aufgenommen); ſobald
kein Chlor mehr aufgenommen wird, iſt der Chlorkalk fertig. Derſelbe wird
von vielen Antoren auch als unterchlorigſaurer Kalk bezeichnet; das iſt
jedoch nur zum Teil richtig. Der Chlorkalk iſt ein Gemiſch aus
wechſelnden Mengen von unterchlorigſaurem Kalk, Chlorcalcium
und gelöſchtem Kalk
. Das wirkſame Prinzip im Chlorkalk aber iſt der
unterchlorigſaure Kalk, Calciumhypochlorit


Eigenſchaften: Der Chlorkalk iſt ein weißes, bröckliges Pulver, das
an feuchter Luft ſchmierig wird und einen ſchwachen chlorähnlichen
Geruch beſitzt. Er iſt mit Hinterlaſſung des unlöslichen Kalkhydrats in
15 Teilen Waſſer löslich, die filtrierte wäſſerige Löſung iſt farblos, beſitzt
einen herben Geſchmack und zeigt eine alkaliſche Reaktion; rotes Lackmus-
papier wird daher anfangs gebläut, dann aber gebleicht. Verdünnte
Säuren
, ſelbſt die ſchwächſten, entwickeln, im Ueberſchuß angewendet,
Chlor
, worauf ſeine Anwendung in der Bleicherei beruht. Erhitzt man
Chlorkalk oder ſetzt man ihn dem direkten Sonnenlicht aus, ſo gibt er teils
[257] Sauerſtoff ab, teils zerſetzt er ſich in Chlorcalcium und chlorſauren Kalk.
Letzteres geſchieht auch beim Kochen von Chlorkalklöſungen. Daraus
folgt, daß Chlorkalklöſungen, wenn ſie wirkſam ſein ſollen,
niemals warm angewendet werden dürfen
; denn die ſich dabei bil-
denden Chlorcalcium und chlorſaurer Kalk haben keine bleichende Kraft.
Es folgt ferner daraus, daß der Chlorkalk in trockenen kühlen Räumen und
vor Licht geſchützt aufbewahrt werden muß.


Prüfung: Im Chlorkalk iſt das Chlor in zweierlei Formen vorhan-
den; einmal als Chlorcalcium; das in dieſer Form vorhandene Chlor be-
ſitzt keinerlei bleichende Kraft und iſt deshalb auf die Wertbeſtimmung des
Chlorkalks ohne Einfluß; ſodann als unterchlorigſaurer Kalk, aus welchem
durch verdünnte Säuren, ſelbſt ſchon durch die Kohlenſäure der Luft, das
geſamte Chlor entwickelt wird. Dieſes im unterchlorigſauren Kalk enthaltene
Chlor heißt daher auch das wirkſame Chlor und bedingt direkt den Wert
des Chlorkalks. Im Handel kommen Chlorkalke von 10 bis 44 Prozent
wirkſamem Chlor vor; es geht daraus hervor, daß es notwendig iſt, den
Gehalt an wirkſamem Chlor zu beſtimmen
. Es gibt hierzu mehrere
Methoden, welche jedoch alle ein Vertrautſein mit chemiſchen Arbeiten voraus-
ſetzen. Wer dazu nicht glaubt imſtande zu ſein, überlaſſe die Unter-
ſuchung lieber einem Chemiker. Für Geübtere empfiehlt ſich folgendes
Verfahren: 10 g einer Durchſchnittsprobe Chlorkalk werden mit Waſſer zu
einem zarten Brei angerieben, dieſer in eine Literflaſche geſpült und letztere
bis zur Marke mit deſtilliertem Waſſer aufgefüllt. Andererſeits bereitet man
ſich eine Löſung von 13,95 g arſeniger Säure in Aetznatronlauge, verſetzt
mit Salzſäure bis zur ſtark ſauren Reaktion und füllt gleichfalls bis zum
Liter auf. Von dieſer ſalzſauren Arſenigſäurelöſung bringt man 10 ccm
in ein Becherglas, verdünnt mit deſtilliertem Waſſer, gibt einige Tropfen
einer Indigolöſung hinzu und läßt nun von der gut durchmiſchten Chlor-
kalklöſung aus einer Bürette ſolange zufließen, bis die blaue Farbe des
Indigos verſchwindet. 10 ccm Arſenigſäurelöſung entſprechen 0,1 g Chlor.
Hätte man z. B. 30 der Chlorkalklöſung bis zur Entfärbung des Indigos
nötig gehabt, ſo erfährt man den Gehalt an wirkſamem Chlor durch folgende
Rechnung:
der zu unterſuchende Chlorkalk hätte dann 33⅓ Prozent wirkſames Chlor
enthalten.


Auch die Methode der Oxydation von chemiſch reinem ſchwefelſaurem
Eiſenoxydul in ſchwefelſaurer Löſung und Titration mit Kaliumpermanganat,
ſowie die neuerdings viel benutzte Methode der Beſtimmung mittels Jod-
kaliumlöſung und Titrieren mit 1/10 Natriumthioſulfat unter Benutzung von
Stärkelöſung als Indikator gibt genaue Reſultate.


Anwendung: In ausgedehntem Maße zum Bleichen vegetabiliſcher
Faſern, und zur Bereitung des unterchlorigſauren Natrons. — Bei Berei-
tung der Chlorkalklöſung empfiehlt es ſich, den Chlorkalk zuerſt mit wenig
Waſſer zu einem Schlamm anzurühren und dann erſt die größere Waſſer-
menge hinzuzufügen.


4. Schwefelſaurer Kalk, Calciumſulfat, Gyps, Ca SO4 +
2 H2 O
, iſt nächſt der Kreide die in der Natur am häufigſten vorkommende
Kalkverbindung. Er kommt als geſchlämmtes, höchſt feines, weißes Pulver
vor und findet in vereinzelten Fällen Verwendung als Appreturmittel.


Ganswindt, Färberei. 17
[258]

5. Eſſigſaurer Kalk, Calciumacetat, (CH3 · C O O)2 Ca + 2 H2 O.
Ein roher eſſigſaurer Kalk kommt als grauweißes Pulver in den Handel,
welches durch Sättigen von Holzeſſig mit Kreide oder Kalkſtein gewonnen
wird. — Einen reineren eſſigſauren Kalk ſtellt man ſich am beſten ſelbſt
dar, indem man Kreide oder auch gelöſchten Kalk in Eſſigſäure löſt, im
erſteren Falle ſolange, bis kein Aufbrauſen mehr erfolgt, im zweiten Falle
ſolange, bis ſich der zugeſetzte Kalk nicht mehr löſt. Im erſteren Falle
empfiehlt es ſich, nach erfolgter Sättigung noch etwas gelöſchten Kalk hinzu-
zugeben, tüchtig durchzurühren und dann abſetzen zu laſſen; bei der Bereitung
mit gelöſchtem Kalk braucht man nur für einen kleinen Ueberſchuß zu ſorgen;
man erreicht dadurch ein eiſenfreies Präparat. Man erhält eine klare,
farbloſe Löſung, welche man als ſolche verwendet. — Anwendung: Der
rohe holzeſſigſaure Kalk dient zur fabrikmäßigen Darſtellung der Rotbeize.
Das reinere ſelbſtbereitete Präparat wendet man in allen den Fällen an,
wo ein Kalkgehalt des Waſſers geboten erſcheint, wie in der Krapp- und
Türkiſchrotfärberei, beim Färben mit Alizarin, Coeruleïn, Galleïn, Gallofla-
vin ꝛc. und wo der geringe Härtegrad des Waſſers einen ſolchen Zuſatz
überhaupt notwendig macht.


6. Rhodancalcium, Ca (S C N)2 + 3 H2 O, ein Produkt chemiſcher
Fabriken, bildet ein farbloſes, kryſtalliſierbares, in Waſſer lösliches Salz. —
Anwendung: Zur Darſtellung von Rhodanaluminium.


§ 93. Magneſiumſalze.


1. Schwefelſaure Magneſia, Magneſiumſulfat, Bitterſalz,
Mg S O4 + 7 H2 O. Kommt in der Natur vielfach in mehr oder minder
konzentrierten Löſungen (als ſog. Bitterwäſſer) vor, findet ſich aber auch
mit 1 Atom Kryſtallwaſſer als Kieſerit in den Staßfurter Abraumſalzen;
als ſolcher nimmt er an der Luft Feuchtigkeit auf und geht in Bitterſalz
über. Das Handelsprodukt bildet kleine, weiße, farbloſe Kryſtalle von ekel-
haft bitterſalzigem Geſchmack, in Waſſer leicht löslich. — Anwendung: In
England, ſeltener bei uns, als Beſchwerungsmittel für einzelne Gewebe;
auch iſt es als Zuſatz zum Farbbade beim Färben mit ſtark ſauren Farb-
ſtoffen empfohlen worden, ein Vorſchlag, deſſen Nützlichkeit mir noch keines-
wegs recht einleuchten will.


2. Kohlenſaure Magneſia, Magneſiumcarbonat, Mg2 CO3.
Ein durch Fällen von Bitterſalz mit Soda erhaltenes Produkt in Form
eines weißen ungemein leichten, in Waſſer unlöslichen, in Säure unter
Aufbrauſen löslichen Pulvers. Es findet in der Färberei keine direkte Ver-
wendung, ſondern dient nur zur Darſtellung von ſalpeterſaurer und von
eſſigſaurer Magneſia. Die in der Literatur hier und da ſich findenden
Angaben über die Verwendung der kohlenſauren Magneſia in der Appretur
ſind (nach Romen) nicht richtig. An Stelle der kohlenſauren Magneſia
kann ganz gut der natürliche, gemahlene Magneſit verwendet werden.


3. Chlormagneſium, Magneſiumchlorid, Mg Cl2. Das Chlor-
magneſium iſt ein Produkt der Staßfurter Induſtrie und wird aus dem
Carnallit, einem Doppelſalz aus Chlorkalium und Chlormagneſium K Cl, Mg Cl2
+ 6 H2 O
, durch Behandeln mit Waſſer gewonnen, wobei dieſer in ſeine
beiden Komponenten zerfällt. Das Chlormagneſium des Handels, auch
[259] unter dem Namen Cryſtal-ſize vorkommend, bildet große harte, durch-
ſcheinende bis durchſichtige, an der Luft leicht zerfließende, in Waſſer ſehr
leicht lösliche Stücke oder Maſſen, welche noch kleine Anteile an Bitterſalz
oder Glauberſalz, und Kochſalz reſp. Chlorkalium enthalten. — Anwendung:
In der Appretur; es erteilt den Geweben einen angenehmen, weichen Griff;
es verhindert Pilzbildung, beſchwert das Gewebe und ſorgt für einen gleich-
mäßigen Feuchtigkeitsgehalt. In der Weberei dient es zum Schlichten, um
die Sprödigkeit der Fäden zu vermindern. Neuerdings hat das Chlor-
magneſium noch Anwendung in der Bleicherei gefunden, indem Löſungen von
Chlormagneſium, 27° Bé. ſtark, durch Elektrolyſe zerlegt, zum Bleichen nach
den Hermiteſchen Patenten verwendet werden. Ausführlicheres hierüber
vergl. „Deutſche Färber-Ztg.“ 1887, Nr. 13 und 25.


4. Kieſelſaure Magneſia, Talk, Talcum, Speckſtein, iſt ein
nicht ſelten vorkommendes Mineral, welches gepulvert ein ſchweres weißes,
zwiſchen den Fingern ſich ſchlüpfrig anfühlendes, in Waſſer unlösliches Pulver
vorſtellt. — Anwendung: In der Appretur, doch nur in beſchränktem
Maße und in Gemeinſchaft mit andern Appreturmitteln, daß er wegen ſeiner
glatten Außenfläche an den Geweben nur wenig haftet.


5. Unterchlorigſaure Magneſia, Magneſiumhypochlorit,
, wird durch wechſelſeitige Zerſetzung von Chlorkalk und Bitter-
ſalz gewonnen. Die unter dem Namen Grouvelleſche oder Ramſayſche
Bleichflüſſigkeit vorkommenden Bleichmittel ſind weiter nichts als Löſungen
von Magneſiumhypochlorid. — Anwendung: Als kräftiges Bleichmittel. Nach
Jokiſch hat ſie beim Bleichen zarterer Stoffe den Vorzug, daß die beim
Chlorkalk und der Javelleſchen Lauge vorhandene Nebenwirkung eines Aetz-
alkalis hier in Wegfall kommt.


6. Salpeterſaure Magneſia, Magneſiumnitrat, Mg (NO3)2.
Zur Bereitung dieſes Salzes, welches man ſich ſelbſt darſtellt, ſättigt man
mit dem gleichen Gewicht Waſſer verdünnte rohe Salpeterſäure mit kohlen-
ſaurer Magneſia, bis kein Aufbrauſen mehr erfolgt, fügt noch etwas ge-
brannte Magneſia hinzu, erwärmt gelind, läßt abſetzen und verdünnt mit
Waſſer auf 15° Bé. — Anwendung: Als Mordant.


7. Eſſigſaure Magneſia, Magneſiumacetat, (CH3 · COO)2 Mg,
wird in gleicher Weiſe wie das vorige, durch Sättigen von Eſſigſäure mit
kohlenſaurer Magneſia dargeſtellt. — Anwendung: Als Mordant (Grothe).


§ 94. Baryumſalze.


1. Kohlenſaurer Baryt, Baryumcarbonat, Ba CO3. Kommt
in England als Witherit in der Natur vor, kann auch künſtlich durch Fällen
von ſalpeterſaurem Baryt mit Soda, beſſer mit kohlenſaurem Ammoniak
erhalten werden. Sehr ſchweres, weißes, in Waſſer kaum, in Säuren
unter Aufbrauſen lösliches Pulver. Giftig! In Deutſchland durch Reichs-
geſetz verboten. — Anwendung: In vereinzelten Fällen als Appreturmittel,
ſonſt zur Darſtellung anderer Barytſalze.


2. Schwefelſaurer Baryt, Baryumſulfat, Schwerſpat,
Mineralweiß, Blanc fixe
, Mg SO4. Findet ſich in der Natur und
17*
[260] wird auf Mühlen gemahlen und dann geſchlämmt. Der künſtlich durch
Fällen von Chlorbaryum mit Schwefelſäure erhaltene ſchwefelſaure Baryt iſt
wegen ſeiner blendenden Weiße, ſeiner Unlöslichkeit in Waſſer, ſeiner
Unveränderlichkeit durch atmoſphäriſche Einflüſſe und ſeines hohen ſpezifiſchen
Gewichts hochgeſchätzt. — Anwendung: In vielfacher Weiſe bei der Appre-
tur der Weißwaren, ſowie als Füllmittel bei denſelben Waren.


3. Chlorbaryum, Baryumchlorid, Ba Cl2, wird fabrikmäßig aus
dem Witherit oder Schwerſpat gewonnen; es bildet farbloſe, rhombiſche
Tafeln und Blätter, iſt luftbeſtändig und in Waſſer leicht löslich. Giftig! —
Anwendung
: Seines hohen ſpez. Gewichts wegen als Appreturmittel in
gewiſſen Fällen. Den Anforderungen des Farbwarengeſetzes vom 5. Juli
1887 entſpricht dieſer Artikel nicht und ſollte daher als Appreturmittel keinen-
falls Verwendung finden.


4. Chlorſaurer Baryt, Baryumchlorat, Ba (Cl O3)2 + H2 O,
iſt ein Produkt chemiſcher Fabriken und entſteht bei der Einwirkung von
Chlor auf heiße Baryumhydroxydlöſung neben Chlorbaryum. Farbloſe, mono-
kline, in 4 Teilen Waſſer lösliche Kryſtalle. — Anwendung: In neueſter
Zeit wegen ſeiner leichten Löslichkeit an Stelle des chlorſauren Kalis zur
Oxydation von Anilinſchwarz und Dampfbraun.


5. Unterchlorigſaurer Baryt, Baryumhypochlorid, ,
iſt aus den gleichen Gründen, welche für das Magneſiumhypochlorid ange-
führt wurden, als Bleichmittel empfohlen worden.


6. Chromſaurer Baryt, Baryumchromat, gelbes Ultramarin,
Barytgelb
, Ba Cr O4, iſt der ſchöne gelbe Niederſchlag, welcher beim Ver-
miſchen neutraler Baryumſalzlöſungen mit Kaliumdichromatlöſung entſteht. —
Anwendung: In der Zeugdruckerei.


7. Rhodanbaryum, Ba (S C N)2 + 2 H2 O, ein Produkt chemiſcher
Fabriken, bildet kleine farbloſe Kryſtalle, welche lediglich zur Darſtellung von
Rhodan-Aluminium verwendet werden.


8. Manganſaurer Baryt, Ba Mn O4, ein durch Patent geſchütztes
Präparat, iſt ein grünblaues unlösliches Pulver, welches die Eigenſchaft be-
ſitzt, ganz wie Waſſerſtoffſuperoxyd Sauerſtoff abzugeben, und deshalb als
Bleichmittel für Leimlöſungen, Lohbrühen, Extraktlöſungen ꝛc. empfohlen iſt.
Zum Bleichen von Geſpinnſtfaſern iſt dasſelbe keinenfalls zu verwenden.


§ 95. Thonerdeſalze.


Die Salze der Thonerde und deren Doppelſalze ſpielen in der Färberei
eine ganz hervorragende Rolle. Faſt alle Thonerdeverbindungen beſitzen die
ausgeſprochene Neigung, mit einer großen Anzahl von Farbſtoffen unlösliche
Verbindungen, Farblacke, zu bilden. Geht dieſer Prozeß im Becher-
oder Reagenzglaſe vor ſich, ſo fällt der Farblack als unlösliches Pulver zu
Boden; ſpielt ſich der Vorgang aber im Innern einer Gewebefaſer ab, ſo
lagert ſich der Farblack zwiſchen die Elemente der Faſer und
färbt ſie mit der Farbe des Farblackes. Von dieſer Eigenſchaft der Thon-
erdeverbindungen wird in allen den Fällen Gebrauch gemacht, wo die Ver-
wandtſchaft des Farbſtoffes zur Faſer keine genügende iſt und eines ver-
[261] mittelnden Einfluſſes bedarf, um ein Befeſtigen des Farbſtoffes auf der Faſer
indirekt zu erreichen.


Zur Erreichung dieſes Zieles wird die betreffende Gewebefaſer mit der
Thonerdeſalzlöſung getränkt, gebeizt; der Körper, welcher dann die Ver-
mittelung beſorgt (hier alſo die Thonerdeſalze), heißt Beizſtoff oder Beize.
Die Thonerdeſalze, vornehmlich der Alaun, ſind ſchon im Altertum als Beizen
angewendet worden. Von beſonderer Wichtigkeit ſind ſie für alle jene Farb-
ſtoffe, welche ich vorher als „ſchwach ſaure“ bezeichnet habe. Je nach den
verſchiedenen Eigenſchaften der Gewebefaſern, ſowie mit Rückſicht auf die
abweichenden Eigenſchaften der verſchiedenen Farbſtoffe, ſind eine Menge von
Thonerdeverbindungen dargeſtellt worden, welche ſich urſprünglich jedoch alle
vom Alaun ableiten.


1. Alaun, ſchwefelſaure Kali-Thonerde, Kalium-Aluminium-
ſulfat
, Al2 K2 (SO4)4 + 24 H2 O, oder ſchwefelſaure Ammoniak-
Thonerde, Ammonium-Aluminiumſulfat
, (NH4)2 Al2 (SO4)4 +
24 H2 O
. Die Gewinnung des Alauns bildet eine Induſtrie für ſich und
wird in den Alaunwerken oder Alaunhütten betrieben. Die Rohmaterialien,
welche zur Gewinnung des Alauns benutzt werden, liefert die Natur in
Form von Alaunſchiefer, Alaunerde; ſelten wird der Alaunſtein (ein
natürlicher unlöslicher baſiſcher Alaun) oder Alunit verwendet (er liefert den
ſog. römiſchen Alaun); auch Thon (Kaolin, Pfeifenthon), Kryolith, Bauxit,
Feldſpat, ſowie thon- und ſchwefelkieshaltige Braunſteinkohlen werden zur
Alaungewinnung verwendet. Das einzuſchlagende Verfahren iſt je nach dem
Rohmaterial ein verſchiedenes. In großen Grundzügen beruht die Fabri-
kation teils auf einem Röſten, teils auf einem Verwittern der Mineralien
und darauf folgendem Auslaugen und Eindampfen bis zu einer Konzentra-
tion, bei welcher ſich das Eiſen als „Vitriolſchmand“ abſcheidet. Man hat
dann eine ſtarke Löſung von ſchwefelſaurer Thonerde vor ſich, welche mit
der zur Alaunbildung erforderlichen Menge ſchwefelſaurem Kali oder Am-
moniak verſetzt wird. Durch Stören der Kryſtalliſation erhält man den
Alaun als Alaunmehl, welcher durch wiederholtes Umkryſtalliſieren von
dem letzten anhängenden Eiſen befreit wird.


Eigenſchaften: Das Handelsprodukt beſteht meiſt aus ſehr großen,
glasglänzenden Kryſtallmaſſen, welche die Form des Oktaëders (in welcher
der Alaun kryſtalliſiert) nur ſehr undeutlich erkennen laſſen. Ein reinerer
Alaun iſt farblos, ein eiſenhaltiger gelblich bis rötlich gefärbt. Er iſt in
Waſſer ziemlich leicht löslich; ſeine wäſſerige Löſung ſchmeckt ſüßlich zu-
ſammenziehend und reagiert ſauer. Er verwittert etwas an der Luft, ſchmilzt
in der Wärme, verliert bei andauerndem Erhitzen ſein Kryſtall- und Kon-
ſtitutionswaſſer, bläht ſich ſchließlich auf und bildet eine ſchwammige
weiße Maſſe, welche ſich in Waſſer kaum noch auflöſt. Ammoniakalaun
beſitzt dieſelbe Kryſtallform, dasſelbe Löſungsvermögen und dasſelbe Verhal-
ten, und unterſcheidet ſich vom Kalialaun nur beim Erhitzen dadurch, daß
er Ammoniakdämpfe entwickelt.


Prüfung: Ein für Färbereizwecke verwendbarer Alaun muß von Eiſen
möglichſt frei ſein; eine kleine Spur Eiſen iſt zuzulaſſen. Ein Alaun kann
als genügend rein verwendet werden, wenn er, gelöſt, auf Zuſatz einer Löſung
von gelbem Blutlaugenſalz gar nicht oder erſt nach 10 Minuten bläulich
gefärbt wird. Zeigt ſofortige Bläuung oder ſofortige Fällung einen bedeuten-
[262] deren Eiſengehalt an, ſo muß man zur Reinigung des Alauns ſchreiten.
Einen eiſenfreien Alaun erhält man nach Runge durch Löſen des gewöhn-
lichen Alauns in ſeinem dreifachen Gewichte Waſſer, Erhitzen zum Kochen und
Rühren ſo lange, bis das Ganze erkaltet iſt. Es fällt ein Teil des Alauns
als eiſenfreies Alaunmehl nieder; der Reſt bleibt mit dem geſamten Eiſen
in der Flüſſigkeit gelöſt*).


Anwendung: Als Beize in der Wollenfärberei zur Befeſtigung ſchwach
ſaurer Farbſtoffe; ebenſo in der Seidenfärberei und Druckerei. In der
Baumwollenfärberei wird Alaun nur wenig verwendet. Bei der Verwen-
dung von Alaun als Beize iſt zu beachten, daß kupferne Gefäße thunlichſt
zu vermeiden ſind, da Kupfer in Alaunlöſung etwas löslich iſt und das ge-
löſte Kupfer Flecke erzeugen kann.


2. Neutraler Alaun, römiſcher Alaun, kubiſcher Alaun,
K2 Al2 (SO4)4 + Al2 (OH)6 + 24 H2 O. Dieſe Thonerdeverbindung kry-
ſtalliſiert nicht in Oktaëdern, ſondern in Würfeln. Er wird aus dem bei
Tolfa nahe Civita-Vecchia, der Hafenſtadt Roms, in einigen Gegenden Un-
garns und auf mehreren Inſeln des griechiſchen Archipels gefundenen Alaun-
ſtein gewonnen. Künſtlich kann der neutrale Alaun dargeſtellt werden durch
Erwärmen von friſch gefälltem Thonerdehydrat mit Alaunlöſung, oder, indem
man einer Alaunlöſung ſo lange Alkalicarbonat vorſichtig zuſetzt, als der
jedesmal entſtehende Niederſchlag ſich gerade noch auflöſt. Aus der klaren
Löſung kryſtalliſiert dann der Alaun in großen farbloſen Würfeln aus,
welche neutrale Reaktion zeigen. Der in den Handel kommende römiſche
Alaun iſt ſchwach roſenrot gefärbt von ganz geringen Spuren Eiſen, zeichnet
ſich im übrigen aber durch große Reinheit aus, beſonders durch faſt völlige
Abweſenheit von Eiſen, und erfreut ſich deshalb beſonderer Beliebtheit. Der
Gehalt des neutralen Alauns an waſſerfreier Thonerde iſt faſt doppelt ſo
groß als beim gewöhnlichen Alaun; während beim letzteren der Thonerde-
gehalt 11,90 (bei Ammoniakalaun 10,83) Prozent beträgt, enthält der neu-
trale Alaun 19,60 Prozent Thonerdeanhydrid.


Anwendung: Wie gewöhnlicher Alaun; der neutrale Alaun hat
jedoch den großen Vorteil, auch auf Baumwolle anwendbar zu ſein, er hat
ferner den Vorteil größern Thonerdegehalts und die Abweſenheit ſaurer
Reaktion, welche, wie beim Alaun, manche Farben ungünſtig beeinflußt.
Der neutrale Alaun kann den gewöhnlichen in allen Fällen mit
Vorteil erſetzen
, nicht umgekehrt.


3. Baſiſcher Alaun wird erhalten, wenn man einer Alaunlöſung ſo
viel Alkalicarbonat zuſetzt, daß ein bleibender Niederſchlag von Thonerde-
hydrat entſteht. Die von letzterem abfiltrierte, alkaliſch reagierende Flüſſig-
keit hinterläßt dann beim Verdampfen den ſog. baſiſchen Alaun. Auf obige
Weiſe bereitet, erhält man den baſiſchen Alaun in Löſung. Nur in Löſung
iſt er zu verwenden; beim Eindampfen oder beim Erwärmen der Löſung
über 40° ſcheidet ſich derſelbe als weißes, erdiges, geſchmackloſes Pulver
aus, welches ſich in Waſſer nicht löſt. Dieſes Pulver ſoll nach der Formel
K2 Al2 (SO4)2 (OH)4 zuſammengeſetzt ſein und nach Schmidt 35,17 Prozent
Thonerde enthalten. Ueber das in Löſung enthaltene Salz, welches dieſer
[263] Zuſammenſetzung wohl kaum entſprechen dürfte, liegen neuere zuverläſſige
Analyſen nicht vor.


Anwendung: Wie der neutrale Alaun; doch iſt die Anwendbarkeit
durch die leichte Zerſetzbarkeit des baſiſchen Salzes, und infolge der Leichtig-
keit der Abſcheidung von Thonerdehydrat auf der Faſer, ſowie der verhältnis-
mäßig großen Mengen des abgeſchiedenen Thonerdehydrats eine noch größere.


4. Schwefelſaure Thonerde, Aluminiumſulfat, konzentrier-
ter Alaun
, Al2 (SO4)3 + 18 H2 O. Das im Alaun vorhandene ſchwefel-
ſaure Kali oder ſchwefelſaure Ammonium iſt bei der Färberei ohne alle
Wirkſamkeit und daher nutzlos. Dieſe Betrachtung führte ſchon vor längerer
Zeit dazu, nach einem „konzentrierten“ Alaun zu ſtreben, d. h. einem Alaun
ohne Kalium- und Ammoniumſulfat, oder noch richtiger, nach reiner ſchwefel-
ſaurer Thonerde. Wohl gelang es, eine ſolche herzuſtellen, aber das Präpa-
rat enthielt ſtets ſo große Beimengungen von Eiſen und Schwefelſäure, daß
es ſich für Färbereizwecke nicht einzuführen vermochte und daß man vorzog,
den reineren, wenn auch an Thonerde ärmeren Alaun weiter zu verwenden.
In neuerer Zeit aber kommt die ſchwefelſaure Thonerde in ſo reiner Form
in den Handel, daß ſie ohne weiteres verwendet werden kann. Seit man
gelernt hat, ein völlig ſchwefelſäurefreies und faſt eiſenfreies Thonerdehydrat
darzuſtellen, iſt es auch gelungen, ein genügend reines Aluminiumſulfat zu
erzielen durch Löſen von friſch gefälltem reinem Thonerdehydrat in konzen-
trierter Schwefelſäure von 50° Bé. Auch durch Löſen von möglichſt eiſen-
und kalkfreier feinſt gemahlener Porzellanerde unter Erwärmen erhält man
eine genügend reine ſchwefelſaure Thonerde; man läßt die Löſungen ſich klä-
ren, zieht klar ab, und dampft die Laugen zur Kryſtalliſation ein.


Eigenſchaften: Es erſcheint im Handel in formloſen, gelblich weißen
bis weißen Maſſen, ſeltener in viereckigen Tafeln, löſt ſich in zwei Teilen
Waſſer, aber faſt gar nicht in Alkohol. Die wäſſerige Löſung reagiert ſauer
und ſchmeckt ſüßlich zuſammenziehend. Beim Erhitzen ſchmilzt es zuerſt
in ſeinem Kryſtallwaſſer, bläht ſich dann ſtark auf und geht in waſſerfreies
Aluminiumſulfat über, was ſich nur ſehr langſam wieder in Waſſer löſt.


Prüfung: Es iſt nur auf einen Eiſengehalt zu prüfen. 1 g des
Salzes im 10fachen Gewicht Waſſer gelöſt, dürfen auf Zuſatz eines Tropfens
Gerbſäurelöſung keine oder eine nur ſchwach bläuliche Färbung geben. Tritt
ſchwarzblaue Färbung auf, ſo iſt das Salz nicht verwendbar und zu be-
anſtanden.


Anwendung. Wie beim Alaun, vornehmlich in der Wollenfärberei.


5. Neutrale ſchwefelſaure Thonerde, neutrales Aluminium-
ſulfat
, Al4 (SO4)3 (OH)6 + 18 H2 O. In noch höherem Maße als der
Alaun beſitzt die normale (ſaure) ſchwefelſaure Thonerde die Eigenſchaft,
neutrale und baſiſche Salze zu bilden. Das neutrale Salz erhält man durch
Digerieren von friſch gefälltem Thonerdehydrat mit einer Löſung des nor-
malen Sulfats, ſolange noch Hydrat gelöſt wird; ein etwaiger Rückſtand
muß durch zugefügte neue Salzlöſung in Löſung gebracht werden. Nach
Hummel erhält man dasſelbe Präparat (Hummel bezeichnet es als baſi-
ſches Aluminiumſulfat) durch Neutraliſieren von 2 Mol. des normalen Salzes
mit 6 Mol. Natriumbicarbonat. Man hat dann zu einer Löſung von
19 Teilen ſchwefelſaurer Thonerde 10 Teile doppelt kohlenſaures Natron
hinzuzufügen. Hierbei bildet ſich zugleich Glauberſalz, welches nach Hummel
[264] zur Zerſetzung des neutralen Salzes in Gegenwart einer Geſpinnſtfaſer
weſentlich beiträgt. Es iſt nicht recht verſtändlich, wie das Glauberſalz hier
wirken ſoll; einleuchtender und wahrſcheinlicher iſt wohl, daß das Glauber-
ſalz im Beizbade die gleiche Rolle ſpielt wie im Farbbade, daß es nämlich
das allmähliche gleichmäßige Angehen des Thonerdehydrats an die Gewebe-
faſer bewirkt. Das neutrale Aluminiumſulfat wird nur in Löſung verwendet. —
Anwendung: In der Baumwollenfärberei zum Beizen der Baumwolle
unter Zuhilfenahme von Fixiermitteln wie kohlenſaures Ammoniak, phosphor-
ſaures Natron, Waſſerglas, Türkiſchrotöl u. dergl.


6. Baſiſche ſchwefelſaure Thonerde. Unter dieſem Namen be-
greift Hummel eine Anzahl von Aluminiumfulfaten, welche wohl richtiger
als „neutrale“ Sulfate zu betrachten wären. Als eigentlich baſiſches Sul-
fat iſt dagegen nur jene Verbindung anzuerkennen, welche durch Löſen von
friſch gefälltem Thonerdehydrat in der Löſung des normalen Sulfats ſich
dann bildet, wenn im Ueberſchuß vorhandenes Thonerdehydrat ungelöſt zurück-
bleibt. Derartige Löſungen eignen ſich vorzüglich zum Beizen der Geſpinnſt-
faſern, da ſie durch letztere bereits in der Kälte, noch leichter bei ſchwachem
Erwärmen zerlegt werden in Thonerdehydrat, welches ſich auf der Faſer
niederſchlägt, und in neutrales oder in normales Sulfat, welches in der
Löſung zurückbleibt. Die zurückbleibende Salzlöſung kann immer wieder
mit Thonerdehydrat in baſiſches Salz übergeführt werden und bildet ſo ein
ungemein einfaches und bequemes Mittel zur Befeſtigung des Thonerde-
hydrats auf der Faſer.


7. Chloraluminium, Aluminiumchlorid, Al2 Cl6. Ein Pro-
dukt chemiſcher Fabriken, durch Auflöſen von Kaolin in Salzſäure erhalten,
bildet harte, weißliche, gelbliche bis grünliche, an der Luft rauchende, zer-
fließliche, in Waſſer unter Erwärmen leicht lösliche Maſſen. — Anwendung:
Zum Carboniſieren der Wolle, wobei das Chloraluminium unter erhöhter
Temperatur und geſteigertem Druck nur die vegetabiliſchen Faſern zerſtört,
die Wollfaſer aber nicht angreift. Dieſe Wirkung beruht wohl auf einer
Diſſociation des Chloraluminiums in Thonerdehydrat und Salzſäuregas,
welches letztere dann die Pflanzenfaſer zerſtört. Vergl. auch § 5, S. 18.
Neuerdings iſt das Chloraluminium auch zum Bleichen vorgeſchlagen wor-
den, indem man deſſen Löſung mit Hilfe der Elektrolyſe zerlegt, wobei ſich
chlorſaure und unterchlorigſaure Thonerde bilden ſollen.


8. Neutrales und baſiſches Chloraluminium. Um zu dieſen
zu gelangen, bereitet man ſich zunächſt eine reinere Löſung des normalen
Chlorids durch Fällen von Aluminiumſulfat mit gleichen Gewichtsteilen Chlor-
baryum. Von dieſer Löſung gelangt man zu baſiſcheren Verbindungen; durch
Löſen von Thonerdehydrat kann man zu zwei Verbindungen gelangen, welche
nach Hummel die Zuſammenſetzung Al2 Cl5 (OH) und Al2 Cl4 (OH)2 haben;
zu noch baſiſcheren Verbindungen gelangt man, wenn man zu der obigen
Löſung Natriumcarbonat bis zur alkaliſchen Reaktion hinzufügt; Hummel
bezeichnet zwei baſiſche Verbindungen Al2 Cl3 (OH)3 und Al2 Cl2 (OH)4 als
dargeſtellt und gibt an, daß die Löſungen dieſer neutralen und baſiſchen
Chloride weder durch Erwärmen, noch durch Verdünnen ihrer Löſungen zer-
ſetzt werden. — Anwendung: In vereinzelten Fällen (und dann ohne greif-
baren Zweck) als Beizmittel für Wolle.


[265]

9. Unterſchwefligſaure Thonerde, Aluminiumhypoſulfit,
Aluminiumthioſulfat
, , iſt früher von Kopp als Beize für
Baumwolle empfohlen worden. Das Salz wird am beſten durch Doppel-
zerſetzung von 3 Teilen Natriumhypoſulfit mit 4 Teilen Aluminiumſulfat
gewonnen. Nach den Angaben Kopps gibt dieſe Beize vollere Farben, als
die eſſigſaure Thonerde, iſt dabei billiger und verhindert die Oxydation des
Eiſens. So einleuchtend das iſt, ſo ſcheint die Verwendung in der Praxis
doch auf Schwierigkeiten geſtoßen zu ſein, da ſich in der Literatur keine
weiteren Angaben darüber finden.


10. Schwefligſaure Thonerde, Aluminiumſulfit, Al2 (SO3)3,
wird durch Löſen von friſch gefälltem Thonerdehydrat oder Thonerde en pâte
in konzentrierter wäſſeriger Schwefligſäure gewonnen. Die Löſungen der
ſchwefligſauren Thonerde zerfallen beim Kochen in ſchweflige Säure, welche
gasförmig entweicht, und Thonerdehydrat, welches in Gegenwart von Gewebe-
faſern ſich in dieſen ablagert. Dieſe leichte Zerſetzbarkeit wird als Vorzug
gerühmt, doch darf nicht überſehen werden, daß das entweichende Schweflig-
ſäuregas große Beläſtigung verurſacht und daß man durch Anwendung des
baſiſchen Aluminiumſulfates gleiche Reſultate erzielen kann. — Anwendung:
Als Beize für Baumwolle.


11. Chlorſaure Thonerde, Aluminiumchlorat, Al2 (ClO3)6,
gehört zu den Präparaten, welche man ſich ſelbſt anfertigen muß. Ich
empfehle dazu, ſich die folgenden zwei Löſungen zu bereiten: a) 1 Teil
chlorſaures Kali in 10 Teilen kochendem deſtilliertem Waſſer; b) 4 Teile
ſchwefelſaure Thonerde in dem gleichen Gewicht Waſſer. Man gießt dann
a in b hinein, läßt abſetzen und filtriert noch warm. — Anwendung: Die
klare Löſung dient als Mordant.


12. Unterchlorigſaure Thonerde, Aluminiumhypochlorit,
, wird durch Wechſelzerſetzung einer filtrierten Chlorkalklöſung
mit einer Löſung von ſchwefelſaurer Thonerde gewonnen. Dieſe Löſung
führt den Namen Wilſons Bleichflüſſigkeit. Weiß hat ſich ein Verfahren
patentieren laſſen, nach welchem ähnliche, aber noch energiſcher wirkende
Bleichverbindungen der Thonerde erhalten werden durch direkte Einwirkung
von Chlor auf Aluminate, namentlich Natrium-, Calcium- und Magneſium-
aluminat, wobei alſo der Chlorkalk völlig umgangen wird.


Die bleichenden Thonerdeverbindungen können in Form einer Löſung,
wie auch in feſtem Zuſtande dargeſtellt werden. Im erſteren Falle leitet man
Chlor in eine zweckmäßig verdünnte Löſung von Natriumaluminat bezw. in
Waſſer, in welchem Calciumaluminat oder Magneſiumaluminat oder beide
zugleich ſuſpendiert ſind. Im zweiten Falle läßt man das Chlor auf die
feſten Aluminate einwirken, wobei man die bleichende Verbindung in einer
feſten, dem Chlorkalk ähnlichen Form erhält.


Man laſſe das Chlor ſolange auf die gelöſten bezw. ſuſpendierten oder
die feſten Aluminate einwirken, als noch eine ſichtlich lebhafte Aufnahme
desſelben ſtattfindet, wobei alle Vorſichtsmaßregeln, welche für die Darſtellung
von flüſſigem und feſtem Bleichkalk gelten (Vermeidung einer zu ſtarken
Temperaturerhöhung u. ſ. w.), beobachtet werden. Sobald das Chlor in
größerer Menge dem Apparat entweicht, iſt die Umſetzung erfolgt und die
[266] Verbindung hat den höchſten Gehalt an wirkſamem Chlor erreicht. Bei
fortgeſetzter Einwirkung des Chlors tritt unter Abgabe von Sauerſtoff Zer-
ſetzung ein, und es nimmt dann der Gehalt an geſamtem Chlor zu, dagegen
der an wirkſamem Chlor ab. Dieſe Abſpaltung von Sauerſtoff macht ſich,
wenn die Aluminate in Waſſer gelöſt oder ſuſpendiert angewendet werden,
durch eine ſehr lebhafte Gasentwickelung unter ſtarkem Schäumen bemerkbar.


Nach den Unterſuchungen des Erfinders ſoll die Umſetzung zwiſchen
Chlor und Aluminat nach folgenden wenig wahrſcheinlichen Gleichungen vor
ſich zu gehen:


a) Bei Natriumaluminat:

b) Bei Calciumaluminat:

Ganz analog der Gleichung b) ſoll die Umſetzung von Magneſium-
aluminat vor ſich gehen. Die wahre Konſtitution der neuen bleichenden
Verbindungen dürfte ebenſo ſchwer feſtzuſtellen ſein, als dies beim Chlor-
kalk der Fall iſt.


Die nach dieſem Verfahren hergeſtellten Thonerdeverbindungen wirken
infolge Abgabe von ozoniſiertem Sauerſtoff außerordentlich ſchnell bleichend,
und zwar gelingt es, wie im großen angeſtellte Verſuche ergeben, leicht,
Geſpinnſte, Gewebe, Papiermaſſe u. ſ. w. in wenigen Tagen, ohne Auslegen,
vollig weiß zu bleichen, wobei auch die bei Anwendung von Chlorkalk den
Chlorbädern folgenden Säurebäder wegfallen. Von Wichtigkeit iſt ferner,
daß die nach dieſem Verfahren hergeſtellten bleichenden Thonerdeverbindungen
die Faſer weit weniger angreifen als Chlorkalk.


Anwendung: Als Bleichmittel.


13. Salpeterſaure Thonerde, Aluminiumnitrat, Al2 (NO3)6,
hat man ſich ſelber zu bereiten, indem man gleiche Teile Alaun und ſal-
peterſaures Blei zuſammen in Waſſer löſt und nach öfterem Umſchütteln und
Abſetzenlaſſen das Klare abzieht, den weißen Niederſchlag noch mit etwas
Waſſer nachwäſcht, wieder abſetzen läßt und das Klare dem erſten zugibt.
Die Löſung iſt keine reine ſalpeterſaure Thonerde, ſondern ſalpeterſaure
Kali-Thonerde, aber für unſere Zwecke vollkommen genügend. Der ſchwere,
ſchlammige, weiße Niederſchlag kann aufbewahrt werden; er bildet das für
mehrere Schutzpappen in der Blaudruckerei wertvolle ſchwefelſaure Blei
en pâte. Ein reines Fabrikat erhält man durch Auflöſen von Thonerde-
hydrat in Salpeterſäure. Dieſe gibt das normale Salz mit ſaurer Reak-
tion; es gibt aber auch neutrale und baſiſche Nitrate, welche indeſſen, ent-
ſprechend den neutralen und baſiſchen Chloriden, weder beim Erwärmen,
noch beim Verdünnen der Löſungen ſich zerſetzen. — Anwendung: Als Mor-
dant auf Baumwolle, beſonders zum Hervorbringen gelber Nüancen bei
Alizarindampfrotfarben in der Kattundruckerei (Hummel).


14. Kieſelſaure Thonerde, Aluminiumſilikat, Al2 Si2 O7 +
2 H2 O
. Die kieſelſaure Thonerde bildet, mit kieſelſaurem Kali zu einem
[267] Doppelſalz verbunden, den bekannten Feldſpat, ein oft ganze Gebirgs-
züge bildendes Mineral. Unter dem Einfluß von Sonne, Luft und Regen
verwittert der Feldſpat, und zerfällt in ſeine beiden Beſtandteile, von denen
das ſalpeterſaure Kali vom Regen gelöſt und fortgeſchwemmt wird. Die
kieſelſaure Thonerde aber bleibt zurück, und zwar oft in reichen Lagern, mehr
oder minder rein, nicht ſelten faſt ganz rein, in China, England, Frankreich,
Oeſterreich, Sachſen u. ſ. w. Dieſe kieſelſaure Thonerde iſt das, was wir
als Kaolin, Pfeifenthon, Porzellanerde oder Chinaclay be-
zeichnen. Derſelbe bildet ein weißes oder ſchwach gelbliches oder ein wenig
graues Pulver, welches ſich fettig anfühlt und in Waſſer unlöslich iſt. Es
kommt geſchlämmt in den Handel und bedarf keiner weiteren Reinigung. —
Anwendung: Als Appreturmittel und im Blaudruck zur Herſtellung von
Schutzpappen.


15. Arſenſaure Thonerde, Aluminiumarſenat. Zur Dar-
ſtellung dieſes ſelten gebrauchten Mordants empfiehlt Romen, 1 Teil eſſig-
ſaure Thonerde von 10° Bé. mit 4 Teilen arſenſaurem Natron von 10° Bé.
zu miſchen.


16. Rhodanaluminium, Al2 (SCN)6, Aluminiumſulfocyanid.
Das normale Rhodanaluminium erhält man durch Fällen von 5 Teilen
ſchwefelſaurer Thonerde mit Rhodancalcium oder 7 Teilen Rhodanbaryum.
Die farbloſe Löſung kann durch Zuſatz verſchiedener Mengen von Alkali-
carbonaten — ganz wie beim Alaun — zur Herſtellung neutraler und
baſiſcher Aluminiumrhodanide dienen, von denen durch Liechti und Suida
einige hergeſtellt ſind. Das normale Rhodanaluminium iſt eine ſehr ſtabile
Verbindung, deren Löſung ſelbſt durch Kochen nicht zerſetzt wird. Das neu-
trale Salz, noch mehr die baſiſchen Sulfocyanide, korreſpondieren mit dem
neutralen und baſiſchen Alaun und den neutralen und baſiſchen Aluminium-
ſulfaten; je baſiſcher ſie ſind, deſto leichter zerſetzbar ſind ſie. Das normale
Rhodanaluminium zeigt keine ſaure Reaktion. — Verwendung: Bisher ſei-
nes hohen Preiſes wegen nur im Baumwollendruck.


17. Thonerdenatron, ſ. Natriumaluminat S. 254.


18. Eſſigſaure Thonerde, Aluminiumacetat, Al2 (CH3 · COO)6.
Von allen in der Textilinduſtrie verwendeten Thonerdeſalzen iſt die eſſigſaure
Thonerde die am meiſten angewendete. Was ihr dieſe große Beliebtheit ver-
ſchafft hat, iſt die leichte Zerſetzbarkeit des Salzes und die Flüchtigkeit der
Eſſigſäure; beim Trocknen der mit eſſigſaurer Thonerde gebeizten Faſern
ſchlägt ſich nämlich die Thonerde auf der Faſer nieder und die Eſſigſäure ver-
flüchtigt ſich, ohne einen ſchädlichen Einfluß auf die Faſer auszuüben. Wie
wichtig die eſſigſaure Thonerde, beweiſt die große Anzahl von Vorſchriften
zu ihrer Herſtellung. Viele davon ſind rein empiriſch, viele wieder für ganz
beſondere Zwecke ausgearbeitet. Eine große Anzahl der Löſungen ſind blei-
haltig, was manchmal nichts ſchadet, aber niemals was nützt und doch leicht
vermieden werden kann. Ich gebe im nachfolgenden einige vernunftgemäße
Vorſchriften zur Darſtellung einer guten eſſigſauren Thonerde.

ohne Erwärmen gelöſt; ſchließlich wird mit Waſſer auf 12° Bé. verdünnt.
[268]853 Teile gefällte und gepreßte Thonerde von circa 11 Prozent
werden in
147 „ Eſſigſäure von 7½° Bé. gelöſt.

Es reſultiert eine eſſigſaure Thonerde von 15° Bé. (Stein).


1 Teil ſchwefelſaure Thonerde wird in
2 „ Waſſer gelöſt. — Andererſeits wird
1 „ eſſigſaurer Kalk in
2 „ Waſſer gelöſt und beide Löſungen ineinander gegoſſen,

abſetzen gelaſſen und das Klare verwendet. Dieſe eſſigſaure Thonerde iſt
etwas kalkhaltig, was ihr beim Färben mit Alizarin direkt als Empfehlung
dient.


6 Teile ſchwefelſaure Thonerde,
7 „ eſſigſaurer Baryt,
18 „ Waſſer.

Nach völliger Zerſetzung hat die klare Löſung etwa eine Stärke von 10° Bé.;
der weiße Niederſchlag iſt nicht wegzuwerfen; er iſt der § 95, 2 beſchriebene
ſchwefelſaure Baryt, der in der Appretur wieder verwendet werden kann.


Glanz (D. R. P. 20913) läßt das Aluminiumſulfat durch den nicht
giftigen eſſigſauren Strontian zerſetzen, ein Vorſchlag, der Beachtung
verdient. Es müßte dann auf
11 Teile ſchwefelſaure Thonerde,
10 „ eſſigſaurer Strontian, und
30 „ Waſſer kommen.


Früher wurde die eſſigſaure Thonerde durchgehends aus Alaun und
Bleizucker bereitet. Man nahm von beiden gleiche Teile oder vom Alaun
etwas mehr. Man erhielt dabei ſchwefelſaures Blei als Nebenprodukt, wel-
ches man zu Schutzpappen in der Blaudruckerei verwendete.


Alle dieſe Vorſchriften bezwecken die Herſtellung des normalen, ſauer
reagierenden Salzes.


Es exiſtieren aber auch noch neutral reagierende und baſiſch reagierende
Aluminiumacetate. Walter Crum hat eine ganze Anzahl ſolcher Ver-
bindungen dargeſtellt und gezeigt, daß, je baſiſcher ein ſolches Salz, auch die
Zerſetzbarkeit eine leichtere ſei und daß dieſe ſchon bei geringerer Temperatur
vor ſich gehe, als bei dem normalen Salze. Da es durchaus keine Schwierig-
keiten bereitet, ein ſolches mehr neutrales oder baſiſches Aluminiumacetat her-
zuſtellen, ſo empfehle ich das nachfolgende Verfahren: 30 Teile kryſtalliſiertes Alu-
miniumſulfat (unverwittert) werden in 80 Teilen Waſſer gelöſt, mit 36 Teilen
verdünnter Eſſigſäure (ſpez. Gew. 1,041) verſetzt und in dieſe Miſchung portion-
weiſe unter Umrühren 13 Teile Calciumcarbonat, mit 20 Teilen Waſſer
angerührt, eingetragen. Unter Entweichung von Kohlenſäuregas und Aus-
ſcheidung von Calciumſulfat geht baſiſch eſſigſaure Thonerde in Löſung. Zur
vollſtändigen Umſetzung hat man die Miſchung 24 Stunden an einen kühlen
Ort zu ſtellen und wiederholt umzurühren. Da Wärme bei der Bildung des
baſiſchen Aluminiumacetates ungünſtig wirkt, iſt nicht allein jede Erhitzung
auszuſchließen, ſondern ſelbſt höhere Sommertemperatur zu meiden. Nach-
dem die Miſchung durch ein Colatorium geſchieden, werde der Niederſchlag
[269] ohne Auswaſchen gepreßt und die vereinigte Flüſſigkeit filtriert. Dieſe Löſung
enthält neutrales Aluminiumacetat von der Zuſammenſetzung

Auch von den älteren Vorſchriften zur Darſtellung eſſigſaurer Thonerde
kommen einige unbewußt auf eine baſiſche Verbindung; ſo z. B.:
Schwefelſaure Thonerde 120 Teile,
Eſſigſaures Blei 100 „
Kreide 8½ „
Waſſer 400 „ und
Alaun 100 Teile,
Bleizucker 100 „
Soda 10 „
Waſſer 250 „


Eigenſchaften: Alle auf die eine oder andere Art gewonnenen
Löſungen von eſſigſaurer Thonerde, normale wie neutrale, ſind klare, waſſer-
helle Flüſſigkeiten*) von eigentümlich ſüßem, adſtringierendem Geſchmack; die
Löſungen des normalen Salzes riechen deutlich nach Eſſigſäure, die Löſungen
der neutralen Salze nur äußerſt ſchwach, der baſiſchen Salze gar nicht. Beim
Erwärmen oder Kochen tritt Zerſetzung in dem oben angedeuteten Sinne ein.
Nach Hummel ſoll in reinem normalen Acetat weder durch Erwärmen
noch durch Verdünnen Zerſetzung erfolgen; dagegen ſoll eine ſolche ſtets ſofort
eintreten, ſobald gleichzeitig Sulfate (z. B. Glauberſalz oder überſchüſſige
ſchwefelſaure Thonerde) vorhanden ſind.


Anwendung: Als Beize in der Baumwollen- und Leinenfärberei; in
ausgedehntem Maße in der Türkiſchrotfärberei der Baumwolle als Mordant
für verſchiedene gelbe, orange, rote bis blaue Töne, wobei man Löſungen
von verſchiedener Stärke und mehr oder minder baſiſchem Charakter, je nach
dem zu erzielenden Zwecke, verwendet.


19. Eſſigſchwefelſaure Thonerde, Aluminiumſulfacetat.
Bei der Herſtellung der eſſigſauren Thonerde nach der alten Methode aus
Alaun und Bleizucker nahm man häufig, um einen Bleigehalt der Löſung
unmöglich zu machen, weſentlich mehr Alaun, als zur Zerſetzung notwendig
war, und gelangte ſo zu einer Löſung, welche neben der neugebildeten eſſig-
ſauren Thonerde noch unzerſetzte ſchwefelſaure Thonerde erhielt. Man hat
beobachtet, daß gerade ſolche Löſungen zum Beizen vorzugsweiſe geeignet er-
ſcheinen, weil ſie ihren Gehalt an Thonerdehydrat leicht und in ziemlich
hohem Prozentgehalt an die Faſer abgeben. Ob die Bezeichnung Aluminium-
ſulfacetat (Hummel) gerechtfertigt iſt, ob alſo ein wirkliches Doppelſalz aus
eſſigſaurer Thonerde mit ſchwefelſaurer Thonerde vorliegt, das erſcheint je-
doch fraglich. Denn die in der Praxis verwendeten Löſungen ſind doch recht
ſehr willkürlich zuſammengeſetzt und weit eher als eine einfache Miſchung,
denn als chemiſche Verbindung zu betrachten. Daran ändern auch die
chemiſchen Formeln nichts, welche Liechti und Suida aufgeſtellt haben, auch
[270] die Thatſache nicht, daß es normale, neutrale und baſiſche Verbindungen
dieſer Art gibt. Daß auch hier die baſiſchen Sulfacetate leichter zerſetzbar
ſind, als die normalen, iſt von Liechti und Suida feſtgeſtellt worden, ein-
zelne geben faſt ihren geſamten Thonerdegehalt an die Faſer ab. Durch dieſe
Eigenſchaft beanſpruchen dieſe Doppelverbindungen volle Beachtung. Bei der
leichten Zerſetzbarkeit dieſer Doppelſalze iſt es jedoch nicht leicht, ein ſtets
gleichmäßig ſtarkes Präparat zu erhalten, und es verdient der Vorſchlag
D. Köchlins, das unlösliche baſiſche Aluminiumſulfat (welches beim Er-
wärmen der löslichen baſiſchen ſchwefelſauren Thonerde ausfällt) in warmer
Eſſigſäure zu löſen, beherzigt zu werden. — Anwendung: Die Aluminium-
ſulfacetate wirken aus den vorher erläuterten Gründen als Beizen auf Baum-
wolle kräftiger, wie die ſchwefelſaure Thonerde und wie der Alaun. Sie
haben aber bisher die nötige Beachtung noch nicht gefunden und es iſt das
unbeſtrittene Verdienſt Köchlins, ſowie Liechtis und Suida’s, auf dieſe
eigentümlichen Verbindungen und ihre für die Textilinduſtrie ſehr wertvollen
Eigenſchaften aufmerkſam gemacht zu haben.


20. Holzſaure Thonerde, ordinäre Rotbeize, iſt ein ſehr un-
reines Aluminiumſulfacetat, zu welchem an Stelle von Eſſigſäure rohe Holz-
ſäure oder holzſaurer Kalk oder holzſaures Blei verwendet worden iſt. Es
iſt eine gelbe bis braune, empyreumatiſch riechende Flüſſigkeit von 12 bis
15° Bé. — Anwendung: Als Baumwollbeize für ordinäres Rot, Braun,
Oliv ꝛc. Heutzutage, wo wir ohne ſonderliche Mehrkoſten ein weit reineres
Präparat erhalten können, ſollte dieſes nichts weniger als ſaubere Präparat
mit Recht verlaſſen werden.


21. Weinſaure Thonerde, Aluminiumtartrat, wird erhalten
durch Löſen von Thonerdehydrat in einer ſtarken Weinſäurelöſung. Ob dieſe
Verbindung ſich auch in jenen Fällen bildet, wo man im Sude Weinſtein
neben Alaun verwendet, iſt experimentell noch nicht bewieſen. — Anwendung:
Als Mordant.


22. Oxalſaure Thonerde, Aluminiumoxalat, wird in entſprechen-
der Weiſe durch Auflöſen von Thonerdehydrat in Oxalſäurelöſung erhalten. —
Anwendung: wie voriges.


§ 96. Eiſenſalze.


Die Eiſenverbindungen kommen in zwei Verbindungsformen vor, als
Oxydulſalze und als Oxydſalze. Die erſteren gehen durch Oxydation, d. h.
durch Aufnahme von Sauerſtoff, oft ſchon durch bloßes Stehen oder Liegen
an der Luft in Oxydſalze über, ſo daß wir in letzter Inſtanz immer auf
Eiſenoxydſalze kommen. Die Wirkung der als Beizen verwendeten Eiſen-
ſalze iſt die gleiche, wie bei den Thonerdeſalzen. Die Gewebefaſern zerlegen
dieſe Eiſenſalze und bemächtigen ſich eines Teiles des Eiſens; ob als Oxyd
oder Oxydhydrat, oder ob in Form eines baſiſchen Oxydſalzes, will ich hier
unentſchieden laſſen. Keinenfalls wird eine Oxydulverbindung zerlegt und
man ſollte bei Anwendung von Eiſenbeizen mit dieſer Thatſache rechnen und
in allen den Fällen, wo man die Wahl zwiſchen einer Oxydul- und einer
Oxydbeize hat, letzterer den Vorzug geben.


1. Schwefelſaures Eiſenoxydul, Ferroſulfat, Eiſenvitriol,
Fe SO4 + 7 H2 O. Der rohe Eiſenvitriol des Handels iſt ein Nebenprodukt
[271] bei manchen Operationen der chemiſchen Großinduſtrie; er wird z. B. bei
der Alaunfabrikation aus Alaunſchiefer und bei der Schwefelſäurefabrikation
erhalten, und kommt in mattgrünen, an der Oberfläche durch Verunreinigung
mit Hydroxyd ſtellenweiſe bräunlichen, gewöhnlich etwas feuchten Kryſtallmaſſen
vor. Er löſt ſich in Waſſer mit ſchwach grünlicher Farbe; die Löſung zieht
aus der Luft Sauerſtoff an, wird gelblich und läßt einen braungelben Nieder-
ſchlag von Eiſenhydroxyd fallen. — Anwendung: Obgleich der Eiſenvitriol
das häufigſt vorkommende Eiſenpräparat iſt, wird es doch direkt zum Beizen
wenig angewendet. Dagegen bildet es den Ausgangspunkt zur Herſtellung
aller übrigen Eiſenpräparate und wird ferner zu jener Operation verwendet,
die gemeinhin als „Dunkeln“ oder „Abdunkeln“ bezeichnet wird. Bisweilen
dient es auch zur Herſtellung von Roſtgelb auf Baumwolle.


2. Schwefelſaures Eiſenoxyd, Ferriſulfat, Fe2 (SO4)3. Die
braune Löſung des ſchwefelſauren Eiſenoxydes wird faſt ſtets als „ſalpeterſaures
Eiſen“ bezeichnet, obwohl kaum je eine Bezeichnung unberechtigter iſt, als eben
dieſe. Dieſe Bezeichnung iſt lediglich zu einer Irreführung der Begriffe geeignet,
zumal es in der That ein wirkliches ſalpeterſaures Eiſen gibt und zumal
dieſes auch in der That verwendet wird. Ich werde deshalb die Bezeichnung
ſalpeterſaures Eiſen in dieſem Buche niemals gebrauchen, ſondern da, wo
es ſich um das ſalpeterſaure Salz handelt, ſtets „Ferrinitrat“ gebrauchen.
Zur Darſtellung des ſchwefelſauren Eiſenoxydes wird allerdings Salpeter-
ſäure verwendet, aber dieſelbe wird dabei zerſetzt und ein Teil ihres Sauer-
ſtoffs dient lediglich dazu, um das ſchwefelſaure Eiſenoxydul zu ſchwefel-
ſaurem Eiſenoxyd zu oxydieren, der Reſt geht als Unterſalpeterſäure in Form
brauner Dämpfe in die Luft.


Darſtellung: 80 Teile Eiſenvitriol werden in einem geräumigen
Kolben mit 40 Teilen Waſſer übergoſſen, darauf mit Vorſicht 15 Teile
Schwefelſäure und ſchließlich 18 Teile Salpeterſäure (ſpez. Gewicht 1,185)
hinzugegeben, worauf man die Miſchung im Waſſerbade unter freiem Himmel
oder einem guten Abzug erhitzt, bis nach Entbindung des Stickoxydes die
anfangs braunſchwarze Flüſſigkeit ſich geklärt hat und 1 Tropfen derſelben, mit
Waſſer verdünnt, durch Ferricyankalium nicht mehr gebläut wird (Turnbulls-
blau). Darauf wird die Flüſſigkeit in einer tarierten Porzellanſchale auf
100 Teile abgedampft. Wenn der Rückſtand alsdann noch Salpeterſäure
enthält, die ſich in der heißen Flüſſigkeit durch den Geruch wahrnehmen
läßt, ſo iſt er mit Waſſer zu verdünnen und abermals einzudampfen. Die
Flüſſigkeit wird bis zum ſpez. Gewicht 1,430 mit Waſſer verdünnt und
enthält dann 10 Prozent Eiſen.


Eigenſchaften: Die Ferriſulfatlöſung bildet eine gelbbraune, etwas
dickliche, geruchloſe Flüſſigkeit von ſaurem, ſtark zuſammenziehendem (tinten-
artigem) Geſchmack und ſaurer Reaktion.


Anwendung: Wird als ſolches zum Beizen nicht benutzt, ſondern
dient nur zur Herſtellung des folgenden.


3. Baſiſch ſchwefelſaures Eiſenoxyd, Baſiſches Ferriſulfat.
Das Eiſenoxyd bildet, ähnlich wie die Thonerde, normale, neutrale und
baſiſche Salze. Ein derartiges Präparat erhält man aus dem vorigen durch
Auflöſen von friſch gefälltem Eiſenoxydhydrat; die Herſtellung eines reinen
Eiſenoxydes iſt jedoch wegen des langwierigen Auswaſchens mit großen
Schwierigkeiten verknüpft, ſo daß dieſer Weg der Darſtellung nicht geraten
[272] erſcheint. Vernunftgemäßer, ſchneller und billiger kommt man zum Ziel,
wenn man — wie auch Hummel empfiehlt — das normale Ferriſulfat
umgeht und direkt zum baſiſchen Salz gelangt. Da das Präparat, wo es
einmal gebraucht wird, in großen Maſſen gebraucht wird, ſo iſt die Dar-
ſtellung nicht ganz ohne Schwierigkeiten. Aus eigener Erfahrung möchte ich
zu folgendem Verfahren raten.


Darſtellung: 80 Teile Eiſenvitriol löſt man in einer Miſchung von
80 Teilen Waſſer und 7 Teilen konzentrierter Schwefelſäure. Man benütze
dazu entweder eine geräumige Steingutſchale, welche nicht mehr als zur
Hälfte gefüllt ſein darf (denn die Maſſe ſteigt ſpäter plötzlich), oder große
Woulffſche Flaſchen von Steingut (wie ſie z. B. die Firma Gebr.
Nordmann
in Treben \& Haſelbach bei Altenburg liefert). Die Arbeit
iſt, wenn man mit Schalen arbeitet, auf einem Herde direkt unter der Eſſe,
wenn man mit Woulffſchen Flaſchen arbeitet, im Freien vorzunehmen.
Nun wird die Löſung zum Kochen erhitzt, entweder durch Kohlenfeuer oder
durch Einleiten von geſpanntem Dampf, und nach und nach 24 Teile kon-
zentrierte Salpeterſäure zugefügt. Die Löſung wird dabei faſt ſchwarz; eine
Gasentwickelung findet bis dahin nicht ſtatt. Dann aber kommt ein Moment,
wo zuerſt die Flüſſigkeit zu prickeln beginnt. Dieſes iſt ein Warnungsſignal
für den Arbeiter: unmittelbar darauf beginnt eine ſtürmiſche Entwickelung der
braunen, ſehr giftigen Stickoxyddämpfe unter Aufſchäumen und Steigen der
Flüſſigkeit. Die Reaktion iſt kurz darauf beendet und man läßt die Flüſſig-
keit ſich abkühlen und klären. Die Stärke der Löſung wird verſchieden ver-
langt, 43 bis 56° Bé., wobei zu beachten iſt, daß dieſelbe ein Verdünnen
mit Waſſer nicht verträgt, ohne ſich zu zerſetzen.


Eigenſchaften: Ein nach dieſer Vorſchrift hergeſtelltes baſiſches Ferri-
ſulfat iſt eine ſchwere, dunkelbraunrote Flüſſigkeit von 1,35 bis 1,70 ſpez.
Gewicht und enthält ca. 16 Prozent Eiſen. Beim Verdünnen mit Waſſer
wird die Löſung zerſetzt, indem ein unlösliches mehr baſiſches Salz als
brauner Schlamm ſich abſcheidet, während ein mehr ſaures Salz in Löſung
bleibt.


Anwendung: In großen Mengen in der Seidenfärberei zum Be-
ſchweren der Seide; in der Baumwollenfärberei zum Schwarzfärben der
Baumwolle. Ausführlicheres ſiehe unter Seidenfärberei im 2. Teil.


4. Ferrinitrat, Fe2 (NO3)6 + 18 H2 O. Das wirkliche, echte ſalpeter-
ſaure Eiſen iſt nicht jene unter 3 beſchriebene dunkelbraunrote Flüſſigkeit, ſondern
es bildet farbloſe, durchſichtige Kryſtalle. Man erhält dieſes Salz durch Löſen
von Eiſen in einer Salpeterſäure von 1,352 ſpez. Gewicht, bis das ſpez.
Gewicht der Löſung auf 1,5 geſtiegen iſt. Das normale Nitrat hat ſaure Reak-
tion. Durch einen Ueberſchuß an Eiſen erhält man baſiſche Nitrate, welche
der Löſung die gewöhnliche eiſenrote Färbung geben. — Anwendung: In
der Baumwollenfärberei zum Erzeugen von Roſtfarben.


5. Eiſenchlorid, Ferrichlorid, Fe2 Cl6. Eine Löſung des normalen
Eiſenchlorids wird erhalten durch Löſen von Eiſendraht in Salzſäure und
Oxydation der erhaltenen Eiſenchlorürlöſung mittels Salpeterſäure. Die Eiſen-
chloridlöſung bildet eine klare, tief braungelbe Flüſſigkeit, von ſchwachem Ge-
ruch nach Salzſäure, ſaurem, ſehr zuſammenziehendem Geſchmack und ſaurer
Reaktion. Der Eiſengehalt ſchwankt je nach der Konzentration der Flüſſig-
keiten zwiſchen 10 bis 15 Prozent.


[273]

Anwendung: Nach Schmidt und nach Grothe ſoll es als Beize
in der Seidenfärberei verwendet werden. Mir iſt davon nichts bekannt,
auch kommt mir dieſe Art der Verwendung aus dem einfachen Grunde un-
wahrſcheinlich vor, weil eher die Seide durch das Eiſenchlorid, als das Eiſen-
chlorid durch die Seide zerlegt werden dürfte.


6. Eiſennitroſulfat. Dieſe Verbindung kommt in der Praxis
unter dem unglückſeligen Namen „Eiſennitrat“ vor, dem es ganz und gar
nicht entſpricht. Es iſt ein Doppelſalz oder richtiger wohl ein Gemiſch aus
normalem (reſp. baſiſchem) ſchwefelſaurem Eiſenoxyd und wirklichem Ferri-
nitrat. Man gelangt zu einer Löſung des Nitroſulfats oder richtiger der
Nitroſulfate, wenn man bei den sub 2 und 3 gegebenen Vorſchriften die
Schwefelſäure wegläßt. Man erhält ſo Verbindungen (?) von der Zuſammen-
ſetzung Fe2(SO4)2(NO3)2 oder Fe2 (SO4)2 · NO3 · OH. Braunrote Löſungen
von verſchiedener Zuſammenſetzung. — Anwendung: In der Baumwollen-
färberei zum Schwarzfärben.


7. Eſſigſaures Eiſen, Eiſenacetat, Eiſenbeize, Fe(C2 H3 O)2.
Dieſe Verbindung iſt das Oxydulſalz. Man gewinnt es durch Auflöſen von
roſtfreien Eiſenfeilſpänen in ſchwach verdünnter Eſſigſäure mit der Vorſicht,
daß ſtets etwas ungelöſtes Eiſen im Ueberſchuß vorhanden iſt. Es reſultiert
eine klare, ſchwach hellgrüne Löſung. Hummel behauptet, daß die eſſig-
ſaure Eiſenoxydullöſung ſich ſchnell zerſetze. Dem gegenüber muß ich hervor-
heben, daß eine auf vorſtehende Weiſe gewonnene Löſung, wenn man ſtets
für etwas überſchüſſiges roſtfreies Eiſen (Nägel, Blech) in der Flüſſigkeit
Sorge trägt, wenn man die Gefäße bis unter den Stöpſel vollfüllt, und die
Ballons an einem hellen, ſonnenbeſchienenen Ort aufbewahrt, ſich ohne die
geringſte Zerſetzung jahrelang unzerſetzt hält. — Anwendung
:
Wie das baſiſch ſchwefelſaure Eiſenoxyd in der Baumwollenfärberei.


8. Holzſaures Eiſen, Schwarzbeize. Dieſes Präparat iſt das-
ſelbe, wie das vorige, nur daß ſtatt der Eſſigſäure Holzeſſig verwendet wird.
Es iſt nächſt dem baſiſch ſchwefelſauren Eiſenoxyd wohl die gangbarſte als
Beize verwendete Eiſenlöſung. Sie wird daher auch fabrikmäßig hergeſtellt
und kommt als dunkelolivgrüne Löſung von 12 bis 15° Bé. in den Han-
del; eine ſolche von 12° Bé. enthält 12 Prozent Eiſen. Gemeinhin wird
die Schwarzbeize gekauft; ich möchte raten, ſie ſelber herzuſtellen.


Die Darſtellung bedarf keiner großen chemiſchen Vorkenntniſſe noch
manueller Geſchicklichkeit. In einen Ballon gebe man Holzeſſig von 3° Bé.,
ſo daß der Ballon zu ¾ bis ⅞ gefüllt iſt, und gebe dann roſtfreie Nägel
oder Eiſendrehſpäne oder Draht hinzu. Die Löſung erfolgt in einem warmen
Raume (z. B. einer Trockenſtube) ziemlich glatt unter Entwickelung von
Waſſerſtoffgas. Zwei Bedingungen ſind dabei einzuhalten: daß dieſe Löſung
im Lichte (d. h. nicht in einem dunkeln Raume) ſtattfinde und daß der Zu-
tritt der Luft verhindert werde. Letzteres iſt ſehr einfach dadurch zu er-
reichen, daß man die Oeffnung mit einem Korkſtöpſel ſchließt, durch welchen
man ein beiderſeits offenes gebogenes Glasrohr ſteckt. Da man dafür
ſorgen muß, daß ſtets etwas ungelöſtes Eiſen im Ueberſchuß vorhanden ſein
muß, ſo werden auf 100 kg Holzeſſig von 3° Bé. 4 kg Eiſen verwendet
werden können. Ein auf dieſe Weiſe dargeſtelltes eſſigſaures Eiſen be-
darf keiner Prüfung, es iſt für Färbereizwecke vollkommen rein. Anders
ſtellt ſich der Fall freilich mit dem käuflichen.


Ganswindt, Färberei. 18
[274]

Eigenſchaften: Das holzſaure Eiſenoxydul ſtellt eine dunkelolivfarbene
Flüſſigkeit vor, welche ſchwach nach Eſſigſäure und gleichzeitig nach Rauch
und Teer riecht und ſchwach ſäuerlich und dabei tintenhaft zuſammenziehend
ſchmeckt. Das ſpezifiſche Gewicht und die Beauméſchen Grade wechſeln
ſehr, je nach dem Eiſengehalt und der Darſtellungsart. Das holzſaure
Eiſen ſoll als Beize beſſer wirken wie das unter 7. aufgeführte eſſigſaure Eiſen-
oxydul. Moyret ſchreibt das einem Gehalt an Eiſenoxyd zu; es iſt ſehr wohl
möglich, daß das käufliche Präparat Oxydſalz enthält, aber es iſt nicht recht
einzuſehen, warum das eſſigſaure Eiſenoxyd den Beizwert erhöhen ſoll, da doch
das Oxydſalz ſelbſt (nach Hummel) keine ſonderliche Beizkraft beſitzt und
daher faſt gar nicht angewendet wird. Weit wahrſcheinlicher erſcheint, daß
die dem Holzeſſig eigenen, von der trockenen Deſtillation des Holzes her-
rührenden Brenzprodukte, obenan das Guajakol, in Gegenwart des Eiſens
oder vielleicht ſelbſt mit demſelben einen Holzteerfarbſtoff bilden, einen jener
Reſorcinfarbſtoffe, welche durch ihre große Verwandtſchaft zum Eiſen aus-
gezeichnet ſind und die etwa dem Naphtolgrün entſprechen, eben jenem Stoff,
der auch im Caſſellaſchen Naphtolſchwarz enthalten iſt.


Prüfung: Von dem holzſauren Eiſen wird verlangt, daß es kein
Oxydſalz (eſſigſaures Eiſenoxyd) und keinen Eiſenvitriol (ſchwefelſaures Oxydul)
enthalte. Erſteres wird durch Zuſatz einiger Tropfen von Blutlaugenſalz-
löſung durch die ſofort entſtehende blaue Färbung oder Fällung erkannt;
letzteres gibt auf Zuſatz von Chlorbaryum einen weißen Niederſchlag. Der
Wert des Handelsproduktes iſt durch das ſpezifiſche Gewicht nicht zu be-
ſtimmen, da die Brenzprodukte dasſelbe beeinflußen. Der Eiſengehalt muß
daher durch chemiſche Analyſe feſtgeſtellt werden. — Anwendung: Holzſaures
Eiſen findet ausgedehnte Anwendung in der Seidenfärberei zum Beſchweren
der Seide, ſowie zum Schwarzfärben, weniger in der Baumwollenfärberei,
gar nicht in der Wollenfärberei, dagegen in ausgedehntem Maße im Baum-
wolldruck.


9. Eſſigſaures Eiſenoxyd, Ferriacetat, Fe2 (C2 H3 O2)6. —
Darſtellung: Durch Auflöſen friſchgefällten Eiſenhydroxyds in verdünnter
Eſſigſäure. Letztere vermag das getrocknete (bihydrathaltige) Eiſenoxyd nicht
aufzulöſen, darum iſt die friſche Fällung desſelben notwendig. Dieſelbe geſchieht
durch Ammoniak aus der Löſung des Eiſenchlorids oder ſchwefelſauren Eiſen-
oxyds. Beide Flüſſigkeiten werden zuvor mit Waſſer ſtark verdünnt und am
geeignetſten die Eiſenlöſung unter kräftigem Umrühren in das Ammoniak ein-
gegoſſen. Dabei iſt Sorge zu tragen, daß das Ammoniak bis zuletzt vor-
walte und die Reaktion der Miſchung ſchließlich noch ſchwach alkaliſch ſei.
Der gewonnene Niederſchlag wird auf einem leinenen Kolatorium von dem
flüſſigen Teile getrennt, dann in ein geräumiges Gefäß gebracht und wieder-
holt durch Aufgabe von vielem Waſſer und Abgießen desſelben nach dem
Abſetzen gereinigt, bis das Ablaufende durch Silbernitrat, reſp. Baryumnitrat
nicht mehr getrübt wird. Alsdann ſammelt man den Niederſchlag abermals
auf dem (ausgewaſchenen) Kolatorium, läßt gut abtropfen, ſchlägt die Lein-
wand über demſelben zuſammen, umgibt ſie mit mehrfacher Lage Fließpapier
und bringt das Ganze in die Preſſe, welche man zu Anfang ſehr langſam,
ſchließlich aber mit ſtärkſtem Drucke anzieht. Der Preßkuchen, welcher
bröckelig-trocken ſein muß, wird aus dem Tuche möglichſt ohne Verluſt und
in kleine Stückchen zerbrochen in eine gewogene Flaſche gebracht und mit
[275] der verdünnten Eſſigſäure übergoſſen. Auf 5 Teile der unten beſchriebenen
Löſung von baſiſch ſchwefelſaurem Eiſen werden 3 Teile Eſſigſäure benötigt.
Die Auflöſung darf nicht durch Erwärmen unterſtützt werden. Man erhält
ſo ein ⅔ baſiſches Ferriacetat.


Eigenſchaften: Dunkelrotbraune Flüſſigkeit von ſchwachem Geruch nach
Eſſigſäure, ſüßlich zuſammenziehendem Geſchmack und ſaurer Reaktion. Beim
Erhitzen zerſetzt ſie ſich und läßt einen rotbraunen Niederſchlag von Eiſen-
hydroxyd fallen. Sie verhält ſich alſo gerade ſo, wie die normale und
baſiſch eſſigſaure Thonerde.


Anwendung: Früher mehr als jetzt zum Schwarzfärben der Seide,
auch dürfte es ſich in der Baumwollenfärberei zur Erzeugung von dunklen
Alizarinfarblacken eignen.


10. Salpetereſſigſaures Eiſenoxyd, Ferrinitracetat, dient
gleichfalls zum Beſchweren und Färben der Seide. Es wird ſtellweiſe noch
in Menge verwendet und dann in folgender Weiſe dargeſtellt. Man löſt
Eiſenfeilſpäne in Salpeterſäure und fügt nach erfolgter Löſung immer wieder
Feilſpäne hinzu, bis ſchließlich das Ganze zu einem Kryſtallbrei von baſiſchem
Ferrinitrat erſtarrt iſt. Dieſer wird ſodann in warmer Eſſigſäure mit der
Vorſicht gelöſt, daß etwas von dem Niederſchlage noch ungelöſt bleibt. Es
reſultiert eine tiefrote Löſung, welche die Eigenſchaften des Nitrats und Acetats
in ſich vereinigt.


11. Weinſaures Eiſenoxydul, Ferrotartrat, wird durch
Auflöſen von roſtfreiem Eiſen in einer Auflöſung von Weinſäure erhalten
und bildet weiße Blättchen, welche in Waſſer ſchwer löslich ſind. — An-
wendung
: zu ſubjektiven Eiſenfarben.


12. Weinſaures Eiſenoxyd, Ferritartrat, wird durch Digerieren
von friſch gefälltem Eiſenhydroxyd mit einer Weinſäurelöſung gewonnen,
und bildet eine klare braunrote Flüſſigkeit, welche, vorſichtig zum Trocknen
eingedampft und auf Glasplatten geſtrichen, durchſichtige, rote, in Waſſer
lösliche Lamellen bildet. — Anwendung: Man benutzt die Löſung ſtellweiſe
zu ſubjektiven Eiſenfarben.


13. Eiſenalaun, Ferrokaliumſulfat, K2 Fe2 (SO4)4 + 24 H2 O.
Ein Produkt chemiſcher Fabriken, welches aber auch bequem im Färberei-
Laboratorium dargeſtellt werden kann durch Miſchen der Löſungen von
ſchwefelſaurem Eiſenoxyd und von ſchwefelſaurem Kali und Kryſtalliſieren-
laſſen. Man erhält ſo ſchöne, blaß amethyſtfarbene Kryſtalle von der Form
des Alauns, welche durch teilweiſe Verwitterung und Zerſetzung an der
Oberfläche gelblichweiß beſtäubt erſcheinen; ſie löſen ſich leicht in Waſſer, die
Löſung zerſetzt ſich beim Erwärmen unter Abſcheidung von Eiſenhydroxyd. —
Anwendung: Als Beize für nüancierte glatte Böden, und auch zur Garn-
färberei, obgleich die Zerſetzung des Eiſenalaunes ziemlich ſchnell vor ſich
geht und zu Ungleichmäßigkeiten Veranlaſſung geben kann. Neuerdings dient
es vornehmlich in der Wollfärberei zum Beizen der Wolle für das Färben
mit Alizarinfarben.


14. Eiſenweinſtein, Ferrokaliumtartrat, K (Fe O) C4 H4 O6.
Falls im Handel nicht erhältlich, kann das Präparat ſelbſt bereitet werden
und zwar durch Vermengen von friſch gefälltem Eiſenhydroxyd (deſſen Be-
18*
[276] reitung ſiehe unter 9) mit Weinſtein und zweiſtündiges Erwärmen bei 60°.
Man erhält ſo eine klare braunrote Löſung, welche bisweilen zu ſubſtantiven
Eiſenfarben benutzt wird.


15. Eiſencyanürcyanid, Berlinerblau, (Fe2)2 (Fe Cy6)3.
Dieſe ſchön blaue Eiſenverbindung gehört zu jenen mineraliſchen Farbſtoffen,
welche als ſolche nicht direkt verbraucht, ſondern beim Färbeprozeß erſt auf
der Faſer ſelbſt erzeugt werden. Ueber dieſe Art, blau zu färben, ſiehe den
zweiten ſpeziellen Teil. — Dagegen wird das Berlinerblau vielfach als
Druckfarbe im Tafeldruck und Kattundruck verwendet. Man benutzt dann
entweder das Handelsprodukt (ein dunkelblaues Pulver oder ein Teig von
gleicher Farbe mit 20 bis 35 % Berlinerblau) oder ſtellt ſich dasſelbe durch
Fällen einer Löſung von wäſſerigem gelbem Blutlaugenſalz mit Eiſenchlorid-
flüſſigkeit (ſiehe 5) her. — Eigenſchaften: Tiefblaues Pulver ohne Geſchmack
und Geruch, in Waſſer und verdünnten Säuren unlöslich, löslich in wäſſeriger
Oxalſäurelöſung, beim Erhitzen verglimmend; mit Kalilauge erhitzt, unter
Ausſcheidung von rotbraunem Eiſenhydroxyd ſich zerſetzend. Das käufliche
Präparat iſt bisweilen mit Thonerde, Schwertſpat und dergl. verfälſcht.
Das Berlinerblau en pâte muß auch auf ſeinen Waſſergehalt unterſucht
werden.


16. Oxalſaures Eiſenoxydul, Ferrooxalat, wird zuweilen in der
Blaudruckerei als Aetzbeize benutzt. Farbloſe, leicht lösliche Kryſtalle.


17. Unterſchwefligſaures Eiſenoxydul, Ferrohypoſulfit, iſt
als Baumwollbeize empfohlen worden; über ihre Verwendung in der Praxis
iſt mir nichts bekannt geworden.


18. Eiſenpyrophosphat, phosphorſaures Eiſen, iſt in ammo-
niakaliſcher Löſung als Baumwollbeize für Alizarinfarben empfohlen.


19. Eiſenchlorür, Fe Cl2, wird zur Bereitung einer mit Blauholz
gefertigten ſchwarzen Druckfarbe auf Wollſtoffe verwendet.


20. Gelbes und rotes Blutlaugenſalz, ſiehe unter Kaliumſalze,
§ 90, 10 und 11.


§ 97. Manganſalze.


Die Manganſalze kommen, ähnlich den Eiſenſalzen, in zwei Verbindungs-
ſtufen vor, als Oxydule und Oxyde. Sie zeigen zwar auch die Fähigkeit,
Farblacke zu bilden, und können daher im gewiſſen Sinne auch als Beizen
betrachtet werden, indem ſich beim Beizen Manganoxydul auf der Faſer ab-
ſcheidet, welcher ſich an der Luft in Manganſuperoxyd umwandelt. Gemein-
hin aber geht die Thätigkeit der Manganſalze auf der Faſer weiter, indem
ſie einen Teil ihres Sauerſtoffs abgeben und ſomit weniger als Beize, wie
als Oxydationsmittel wirken.


1. Manganchlorür, Manganſalz, Mn Cl2 + 4 H2 O, iſt ein Neben-
produkt der Chlorbereitung; überall da, wo aus Braunſtein und Salzſäure
oder aus Braunſtein, Kochſalz und Schwefelſäure Chlor entwickelt wird,
bleibt im Entwickelungsgefäß neben unzerſetztem Braunſtein eine Löſung von
Manganchlorür. Dasſelbe kommt entweder als waſſerhaltiges Salz von
obiger Zuſammenſetzung in den Handel, als blaßrote, an der Luft zerfließ-
liche Kryſtalle, oder als waſſerfreie, geſchmolzene hellbräunliche Maſſe, welche
[277] ſich in Waſſer mit roſenroter Farbe löſt. — Anwendung: Zur Herſtellung
von Catechu- und Modefarben und zur Erzeugung von Manganbiſter, ſowie
des eſſigſauren Mangans.


2. Manganſulfat, Manganvitriol, Mn SO4 + 5 H2 O. Man
gewinnt dieſes Salz aus Braunſtein und konzentrierter Schwefelſäure, indem
man dieſelben zu einem Teig anrührt und dieſen in einem Tiegel allmählich
bis zur Rotglut erhitzt. Die erkaltete Maſſe wird mit Waſſer ausgezogen
und das Filtrat zur Kryſtalliſation eingedampft. Der Manganvitriol er-
ſcheint, wie das Manganchlorür, in blaßroten Kryſtallen oder in kryſtalliniſchen
Kruſten, welche in Waſſer ſehr leicht löslich ſind. — Anwendung: Zu
gleichen Zwecken wie das vorige.


3. Salpeterſaures Mangan, Mangannitrat, Mn(NO3)2 + 6 H2 O,
kann mit Vorteil aus den Rohlaugen der Chlorfabrikation (ſ. oben unter 1)
gewonnen werden, indem man nach dem Abgießen vom unzerſetzten Braun-
ſtein und Abſtumpfen der freien Salzſäure das Mangan mit Soda fällt
und das geſammelte und ausgewaſchene Mangancarbonat in verdünnter
Salpeterſäure löſt. Das kryſtalliſierte Mangannitrat bildet farbloſe, leicht
zerfließliche, feine, in Waſſer ſehr leicht lösliche Nadeln. — Anwendung:
Im Zeugdruck zur Herſtellung einiger Tafeldruckfarben.


4. Eſſigſaures Mangan, Manganacetat, Mn (C2 H3 O2)2. Dieſes
Präparat iſt man genötigt ſelber zuzubereiten. Hierzu empfehle ich folgendes
Verfahren: 8 Teile Manganchlorür werden in ihrem gleichen Gewicht warmen
Waſſers gelöſt; andererſeits löſe man 15 Teile Bleizucker in 15 Teilen
warmen Waſſers und gieße die warme Bleizuckerlöſung unter beſtändigem
Umrühren in dünnem Strahl in die Manganchlorürlöſung. Man läßt er-
kalten, abſetzen und gießt die klare Löſung vom gebildeten Chlorblei ab. —
Anwendung: Wie das Manganchlorür.


5. Weinſaures Mangan, Mangantartrat, gewinnt man durch
Löſen von Mangancarbonat (über deſſen Bereitung ſiehe unter 3) in Wein-
ſäurelöſung bis zur völligen Neutraliſation. — Anwendung: Im Zeugdruck
zu ähnlichen Zwecken wie das ſalpeterſaure Mangan.


§ 98. Chromſalze.


Die Chromſalze tragen durchgehends den entſchiedenen Charakter der
Beizen, und zwar wirken ſie ganz wie die Thonerde- und die Eiſenſalze,
indem ſie ſich, unter gewiſſen Vorausſetzungen mit der Faſer in Berührung
gebracht, zerſetzen. Die Faſer bemächtigt ſich dabei des Chromoxydes, wel-
ches ſeinerſeits mit dem Farbſtoff einen unlöslichen Farblack bildet, der ſich
in die Gewebeelemente der Faſer einlagert und letztere gefärbt erſcheinen
läßt. Außer den Chromoxydſalzen werden auch die Salze der Chromſäure,
beſonders das doppelt chromſaure Kali und das doppelt chromſaure Natron,
und zwar dieſe nur zum Beizen der Wolle, angewendet.


1. Schwefelſaures Chrom, Chromoſulfat, Cr2 (SO4)3 + 15 H2 O,
bildet ſchöne violettrote Oktaëder, welche ſich in gleichem Gewicht kalten
Waſſers löſen. Dieſes iſt das normale ſauer reagierende Salz. Auf ähn-
liche Weiſe, wie bei den Thonerde- und Eiſenſalzen, gelangt man von dieſem
aus durch Löſen von Chromhydroxyd in der Löſung des neutralen Salzes
oder durch teilweiſe Neutraliſation mittels Soda zu neutralen und baſiſchen
[278] Salzen und es wiederholt ſich hier die ſchon dort ausführlicher behandelte
Eigentümlichkeit, daß dieſe Salze in dem Maße, als ſie baſiſcher werden,
auch leichter und reichlicher ihren Chromoxydgehalt an die Faſer abgeben.
Nach Liechti und Suida gibt z. B. eine Löſung von normalem Sulfat
von ihrem Chromoxyd nur 12,8 Prozent, eine gleich ſtarke Löſung eines
baſiſchen Salzes von der Zuſammenſetzung Cr4 (SO4)3 (OH)6 dagegen
86,4 Prozent an die Baumwollfaſer ab. — Anwendung: In der Färberei
zum Beizen, beſonders der Baumwolle, in der Druckerei als Mordant oder
zum Aufdruck von Chromgrün.


2. Chromalaun, ſchwefelſaures Chromoxydkali, K2 Cr2 (SO4)4
+ 24 H2 O
, iſt ein wohlfeiles Nebenprodukt der Teerfarbeninduſtrie. Es
wird in allen jenen Fällen gewonnen, in denen organiſche Körper durch
das übliche Chromſäuregemiſch (Kaliumdichromatlöſung und Schwefelſäure)
oxydiert werden, wie das z. B. bei der Ueberführung von Anthracen in
Anthrachinon der Fall iſt (ſ. § 62). Der Chromalaun wird dann in Form
dunkelvioletter Kryſtalle erhalten, welche ſich in 7 Teile Waſſer löſen. Die
kalt bereitete Löſung hat eine dunkelviolette Farbe, wird beim Erhitzen grün,
nimmt beim Erkalten aber wieder die urſprüngliche violette Farbe an.
Dieſer violette Chromalaun iſt der normale, ſauer reagierende. Es gibt
aber auch noch einen neutralen und mehrere baſiſche Chromalaune, ganz in der
gleichen Weiſe, wie das beim Thonerdealaun (§ 95) des Näheren erörtert
wurde. Auch hier tritt der ſchon wiederholt beſchriebene Fall ein, daß dieſe
Verbindungen mit der Zunahme ihrer Baſicität ſich leichter zerſetzen und
ihren Chromgehalt zum Teil an die Faſer abtreten. Nach Liechti und
Suida gibt eine Löſung von normalem Chromalaun, welche pro Liter
224,6 g enthält, nur 1,8 Prozent des verfügbaren Chromoxydes an [Baum-
wollfaſer]
ab, eine gleiche Menge des baſiſchen Chromalauns von der For-
mel K2 Cr2 (SO4)2 (OH)4 hingegen 87,5 Prozent. Vergleichen wir dieſe
Zahlen mit den unter 1) angegebenen, ſo kommen wir bei beiden Chromſalzen
auf den ziemlich gleichen Effekt, und es muß ſogar an Hand dieſer Zahlen
für baſiſche Präparate der Chromalaun, für neutrale Präparate das ſchwefel-
ſaure Chrom vorgezogen werden. — Anwendung: wie das Chromſulfat.
In der Wollenfärberei zuweilen als Erſatz für Kaliumdichromat; in der
Baumwollenfärberei (nach Köchlin) zum Klotzen ſolcher Gewebe, welche in
Gallocyanin ausgefärbt werden ſollen; ferner zur Darſtellung von eſſig-
ſaurem, ſalpeterſaurem und ſalzſaurem Chrom (Chromchlorid).


Anmerkung: Man gelangt bei Chromſalzen nicht ſelten ſtatt zu
violetten Löſungen zu grünen. Dieſe Thatſache iſt bisher noch nicht genügend
erklärt; man nahm an, daß das Chromoxyd in zwei Modifikationen exiſtiere,
in einer violetten und einer grünen, und dementſprechend auch 2 Reihen von
Salzen bilde, violette Chromoxydſalze und grüne Salze. Neuerdings ſcheint
man ſich jedoch der Annahme zuzuneigen, daß bei der Umwandlung des
violetten Salzes in das grüne durch Erwärmen eine Diſſociation ſtattfinde,
d. h. eine Zerſetzung, welche nur ſolange andauert, als die höhere Tempe-
ratur wirkt, dagegen mit dem Aufhören der Temperatur auch in die ur-
ſprüngliche Verbindung zurückkehrt.


3. Chromchlorür, Cr Cl2, wird nach folgender Vorſchrift von Stein
erhalten: 2100 Teile Kaliumdichromat, 450 Teile Mehl und 1800 Teile
Salzſäure von 19° Bé. werden erwärmt und nach und nach fernere
[279] 3450 Teile Salzſäuee von 19° Bé. zugegeben, dann 600 Teile kryſtalliſierte
Soda in 1200 Teilen Waſſer gelöſt. Das Ganze wird auf 10000 Teile
geſtellt, welche 10° Bé. zeigen. — Anwendung: Als Mordant.


4. Chromchlorid, Cr2 Cl6 + 6 H2 O, wird durch Zerſetzung von
ſchwefelſaurem Chrom und Chlorbaryum gewonnen. Ich empfehle zur Dar-
ſtellung 9 Teile Chromſulfat mit 13 Teilen kryſtalliſiertem Baryumchlorid
zu zerſetzen, den weißen Niederſchlag einmal mit wenig Waſſer nachzuwaſchen
und die klare violette Löſung zu verwenden, den weißen Niederſchlag aber
zu ſammeln und für Appreturzwecke (Blanc fixe) zu verwenden. Auch dieſe
violette Löſung geht durch Erhitzen in die grüne Modifiaktion über. Neutrale
und baſiſche Löſungen gewinnt man durch Neutraliſation mit Chromhydro-
oxyd oder Soda. Das Chromchlorid wie die neutralen und baſiſchen
Chromide zeigen annähernd das gleiche Verhalten in Bezug auf ihre Zer-
ſetzlichkeit wie das Sulfat; ihre Zerſetzung erfolgt jedoch etwas leichter
(Liechti und Suida). — Anwendung: Wie das ſchwefelſaure Chrom als
Beize, auch wurde es von Köchlin zur Bildung von Chromoxyd für Unis
vorgeſchlagen.


5. Salpeterſaures Chrom, Chromnitrat, Cr2 (NO3)6 + 18 H2 O.
Dieſer Mordant muß ſelbſt dargeſtellt werden. Stein gibt hierzu folgende
Vorſchrift: In 6359 Teilen kochendem Waſſer werden gelöſt 1940 Teile
Chromalaun und 1701 Teile ſalpeterſaures Blei. Man läßt abſetzen und
erhält 4800 Teile ſalpeterſaures Chrom von 20° Bé. mit 4,6 Prozent Chrom-
oxyd. Die Löſung iſt im auffallenden Lichte blau, im durchfallenden rot.
Durch mehr oder minder vollſtändiges Neutraliſieren mit Chromhydroxyd
oder Soda erhält man neutrale und baſiſche Nitrate, welche mit zunehmender
Baſicität ihren Chromoxydgehalt leichter an die Faſer abgeben. Die Nitrate
ſind leichter zerſetzbar als die korreſpondierenden Chloride. H. Schmid
(Chemiker-Zeitung) erwähnt beſonders eine baſiſches Nitrat, deſſen Konſti-
tution von folgender Formel dargeſtellt wird: .


Dieſes Salz erhält man, indem man das normale Salz mit kohlen-
ſaurem Natron neutraliſiert.


Er glaubt, daß wenn man an Stelle dieſer Baſis weniger ſättigende
Salze nähme, man einerſeits zu einer vollſtändigeren Sättigung ohne Nieder-
ſchlag gelangen könnte, und daß anderſeits die erdalkaliſchen Baſen, auf deren
Anwendung die vorhergehenden Betrachtungen ſchon hinweiſen, auch als
Beizen wirken könnten; die Erfahrung hat dieſe Anſichten gerechtfertigt.


Nimmt man 1 Molekül Kaliumbichromat in einem paſſenden Medium,
um in Gegenwart von 4 Molekülen Salpeterſäure, HNO3, reduziert zu
werden, ſo kann man nach dem Erkalten durch Kryſtalliſation 2 Moleküle
ſalpeterſaures Kalium, KNO3, abſcheiden und man bekommt als direktes
Produkt 2 Moleküle normales Cr NO3 OH = Cr2 (NO3)2 (OH)2. Dieſes
gegen das Violettreaktiv neutrale Salz reagiert auf Lackmuspapier ſtark
ſauer. Bei hoher Temperatur getrocknet ſchwächt es die damit imprägnierten
Faſern. Auf 20° Bé. verdünnt, kann man, ohne eine Spur Chromoxyd zu
fällen, ½ Molekül Ca CO3 oder ½ Molekül Mg CO3 einführen, wovon
jedes Molekül zur Sättigung 2 Moleküle HNO3 erfordert, woraus man für
die entſprechenden Nitrate die Formeln Ca (NO3)2 und Mg (NO3)2 ableiten
muß.


[280]

Daraus folgt weiter, daß die neue baſiſche Verbindung die Formel
hat:

Dieſe Beize reagiert nur noch ſchwach auf Lackmus und kann ohne
Nachteil getrocknet werden. Genügend verdünnt, zerſetzt ſie ſich auf naſſem
Wege von ſelbſt, beſonders auf geöltem Stoff. Praktiſch bereitet man ſie
wie folgt:
Kaliumbichromat . . . . . . . . . 2,950 kg
Kochendes Waſſer . . . . . . . . . 5 l
Salpeterſäure 36° Bé. . . . . . . . 3,510 „


Darauf gießt man langſam und unter Umrühren folgende Miſchung
ein:
Glycerin. . . . . . . . . . . . 0,75 l
Salpeterſäure 36° Bé. . . . . . . . 1,170 kg.


Danach wird einige Minuten ſtark erhitzt, um die Reaktion zu voll-
enden:


Nach dem Erkalten ſcheidet das Bad ungefähr 2 kg Kaliumnitrat aus
und zeigt 40° Bé. Man bringt es auf 20° und fügt nach und nach, unter
ſtarkem Umrühren, um das Entweichen der Kohlenſäure zu begünſtigen, un-
gefähr 500 g kohlenſauren Kalk oder 550 g kohlenſaure Magneſia hinzu,
wobei die Menge je nach Reinheit und Waſſergehalt dieſer Salze etwas
wechſelt. Auch iſt es nützlich, durch eine gewöhnliche alkalimetriſche Titrierung
von dem einen oder dem anderen die Menge zu beſtimmen, welche genau ein
Mokekül HNO3 oder 117 g Salpeterſäure von 36° Bé. ſättigt. — Anwen-
dung
: Hauptſächlich im Baumwolldruck zur Erzeugung von Catechuchrombraun.


6. Chlorſaures Chromoxyd, Chromchlorat, Cr2 (ClO3)6, wird
durch Zerſetzung von Chromalaun mit chlorſaurem Baryt dargeſtellt. Stein
gibt dazu folgende Vorſchrift: 2099 Teile chlorſaurer Baryt werden in
6363 Teilen kochendem Waſſer gelöſt und 1588 Teile Chromalaunpulver
hinzugefügt. Man filtriert unter Abkühlen und ſtellt auf 15° Bé. Dieſes
iſt das normale Chlorat. Ein baſiſcheres erhält man, gleichfalls nach
Stein, durch Löſen von 740 g friſch gefälltem Chromhydroxyd in 9260 Tei-
len der obigen heißen Miſchung von chlorſaurem Chromoxyd (ſamt dem
Niederſchlage). — Anwendung: Beide werden als Mordants gebraucht und
zwar beim Baumwolldruck für Schwarz, Olive und Dampfbraun.


7. Chromfluorid, Cr2 Fl6 + 8 H2 O, durch Auflöſen von Chrom-
oxydhydrat in wäſſeriger Fluorwaſſerſtoffſäure gewonnen, iſt ſeit dem Jahre
1888 in den Handel gebracht worden; es ſtellt ein kryſtalliniſches grünes
Pulver dar, welches 42 bis 43 Prozent Chromoxyd enthält und in Waſſer
leicht mit grüner Farbe löslich iſt. — Anwendung: Nach den Verſuchen,
welche Dr.Lange mit dieſem neuen Chrompräparat gemacht hat, ſcheint
dasſelbe als Wollbeize ganz beſonders ſich zu eignen und wohl imſtande,
das Kaliumdichromat zu erſetzen. Der Wert des Fluorchroms beruht auf
ſeiner leichten Zerſetzlichkeit, auf der leichten Abgabe des Chromoxyds an die
Wollfaſer, wogegen die frei werdende Flußſäure der Faſer und den Farb-
ſtoffen gegenüber unſchädlich ſein ſoll. Die Anwendung von Kupfergefäßen
iſt jedoch zu vermeiden, da dieſe durch Fluorwaſſerſtoffſäure ſtark angegriffen
[281] werden; das Anſieden iſt daher in Holzgefäßen auszuführen. Weiteres über
die Anwendung des Fluorchroms vergl. Deutſche Färber-Zeitung 1888,
Nr. 16.


8. Eſſigſaures Chrom, Chromacetat, Cr2 (C2 H3 O2)6, kann
auf mehrfache Art gewonnen werden; entweder a) durch Doppelzerſetzung
von gleichen Teilen Chromalaun und Bleizucker oder b) durch Ausfällen
von Chromoxydhydrat (aus Chromalaun durch Sodalöſung) und Löſen des
ausgewaſchenen noch feuchten Niederſchlages in Eſſigſäure; oder c) durch
Reduktion von Kaliumdichromat in ſchwefelſaurer Löſung mit Mehl (ent-
ſprechend dem Verfahren unter 3.) und Fällen der erhaltenen Löſung durch
Bleizucker. Hier möge noch eine Vorſchrift von Stein Aufnahme finden,
welche von den bisherigen abweicht: 926 Teile ſaures chromſaures Kali
werden in 8627 Teilen Eſſigſäure von 6° Bé. in der Siedehitze gelöſt,
dazu 447 Teile brauner Kandiszucker gefügt und ſolange mit Kochen fort-
gefahren, bis man mit eſſigſaurem Blei keinen Niederſchlag mehr erhält.
Das eſſigſaure Chrom iſt eine grüne Flüſſigkeit, je nach der Darſtellung,
von 11 bis 23° Bé.; ſie kann bis zur Trockne verdampft werden,
ohne ſich zu zerſetzen
. Neutrale und baſiſchere Chromacetate erhält man
durch teilweiſes oder ganzes Sättigen mit Chromhydroxyd oder Natrium-
carbonat. Je nach der Darſtellungsart gelangt man dabei zu violetten oder
grünen Löſungen, welche in ihrem Verhalten mancherlei Abweichungen zeigen;
Liechti und Snida haben darüber umfangreiche Verſuche angeſtellt, deren
Reſultate uns hier zu weit abführen würden. Daß auch hier die Neigung zur
Zerſetzung mit der Baſicität wächſt, möge nicht verſchwiegen werden. — An-
wendung
: Hauptſächlich in der Baumwolldruckerei zur Befeſtigung von
Alizarinblau, Alizarinbraun, Coeruleïn, Galleïn, Gallocyanin, Blauholz-
extrakt ꝛc.


9. Schwefeleſſigſaures Chrom, Chromſulfacetate. Unter
dieſem Namen verſteht Hummel Miſchungen oder Verbindungen von ſchwefel-
ſauerem mit eſſigſaurem Chromoxyd, welche erhalten werden, wenn man zu
einer Löſung von Chromalaun ſolche Mengen Bleizucker zuſetzt, welche zu
einer vollſtändigen Zerſetzung nicht genügen. Solche Löſungen dürften in
der Praxis wohl manchmal unabſichtlich entſtehen; dieſelben nähern ſich, je
nachdem das Sulfat oder das Acetat in ihnen vorwaltet, in ihren Eigen-
ſchaften dem einen oder dem andern. Auch baſiſche Sulfacetate können er-
halten werden, wenn ſtatt des normalen Chromalauns ein baſiſcher zur Ver-
wendung gelangt. — Anwendung: Wie das eſſigſaure Chrom.


10. Salpetereſſigſaures Chrom, Chromnitracetat, nach
Stein von der Zuſammenſetzung , nach Hummel da-
gegen Cr2 (NO3)2 (C2 H3 O2)4. Dieſes Doppelſalz iſt ſehr beliebt und wird
in verſchiedener Stärke hergeſtellt. Stein gibt dafür folgende Vorſchriften:


a) Zu 12° Bé.: In 5217 Teilen kochendem Waſſer werden gelöſt
2609 Teile Chromalaun, 1087 Teile eſſigſaures Blei und 1087 Teile ſalpeter-
ſaures Blei. Man läßt abſetzen.


b) Zu 30° Bé.: In einem Topfe werden in 2759 Teilen kochendem
Waſſer 1836 Teile doppelt chromſaures Kali gelöſt, dann 2107 Teile
Salpeterſäure von 36°, ferner, aber langſam und tropfenweiſe, 545 Teile
Glycerin von 28° Bé. und ſchließlich 2758 Teile Eſſigſäure von 7° Bé.
[282] zugeſetzt. Wenn die Miſchung vollzogen iſt, wird alles in einen Keſſel ge-
than und während zwei Stunden gekocht, bis die Flüſſigkeit eine grüne
Farbe angenommen hat; dann gibt man ſie wieder in den Topf und läßt
während 12 Stunden auskryſtalliſieren, zieht die Flüſſigkeit ab, wäſcht die
Kryſtalle ab und fügt das Waſchwaſſer, ungefähr 1 l, zur erſten Flüſſigkeit.
Man erhält ſo circa 9000 Teile ſalpetereſſigſaures Chrom von 30° Bé.
mit circa 4,6 Prozent Chromoxyd. — Anwendung: Die gemiſchte Beize
verwendet man beim Druck von Dampfſchwarz oder Indigoerſatz auf Baum-
wolle.


11. Rhodanchrom, Chromrhodanür, Cr2 (CNS)6. Dieſe Beize
wird durch Wechſelzerſetzung der Löſungen von normalem Chromſulfat und
Rhodanbaryum gewonnen. Man läßt das Gemiſch abſitzen und zieht die
Flüſſigkeit zum Gebrauch ab. Das Rhodanchrom iſt eine ſehr beſtändige
Verbindung, es eignet ſich daher auch ſehr wenig als Beize. Es ſcheint
mir überhaupt fraglich, ob dasſelbe zur Zeit noch benutzt wird.


12. Weinſaures Chromoxyd, Chromtartrat, ſoll ſich bei der
Einwirkung von Weinſteinſäure auf Kaliumdichromat bilden. Dieſe Angabe
ſcheint mir nicht recht glaubwürdig. Nach meiner Anſchauung wird in allen
jenen Fällen, wo man zum doppeltchromſauren Kali Weinſäure hinzufügt,
Weinſtein, ſaures weinſaures Kali gewonnen, welches ſich als ſchwerlös-
lich kryſtalliniſch niederſchlägt, während eine Löſung von Chromſäure mit
mehr oder weniger Kaliumdichromat verunreinigt, in Löſung bleibt. Dagegen
erhält man ein ſchönes weinſaures Chrom, wenn man weinſauren Kalk in
ſtark verdünnter Schwefelſäure kalt löſt, und in dieſe Löſung eine kalt ge-
ſättigte Löſung von ſchwefelſaurem Chromoxyd eingießt. — Anwendung: In
der Kattundruckerei als Reſerve für einige Dampffarben.


13. Wolframſaures Chrom wird erhalten durch Wechſelzerſetzung
von gleichen Gewichtsteilen Chromalaun und wolframſaurem Natron. — An-
wendung
: Selten in der Kattundruckerei.


14. Chromoxydnatron iſt bisher in der Färberei noch nicht einge-
führt worden. Ich möchte indeſſen die Aufmerkſamkeit auf dieſes Präparat
lenken, da es zum bequemen Fixieren von Chromoxyd auf der Faſer beſon-
ders geeignet erſcheint. Verſetzt man nämlich die Löſung eines von fixem
Alkali vollkommen freien Chromoxydſalzes (z. B. des normalen Sulfats) in
der Siedehitze mit mäßig verdünnter Natronlauge, ſo erhält man einen
grünlich blauen Niederſchlag von gewäſſertem Chromoxydhydrat, welcher noch
feucht in kalter Natronlauge ſich völlig klar auflöſt. Eine ſolche Löſung iſt
ein Seitenſtück zum Thonerdenatron. Aus einer ſolchen Löſung von Chrom-
oxydnatron wird das Chromhydroxyd beim Erwärmen vollkommen abge-
ſchieden; an Leichtigkeit und Eleganz der Chromoxydabſcheidung übertrifft
dieſes Chrompräparat alle andern Chromſalze und dürfte dieſe Methode der
Chrombeizung für pflanzliche Geſpinnſtfaſern bequemer und ſchneller von
ſtatten gehen, wie die H. Köchlinſche Methode der Fixierung. Ich füge
hinzu, daß dieſe Beize für ihre Verwendung jedesmal friſch bereitet werden
muß.


[283]

§ 99. Antimonverbindungen.


Bei der eigenartigen Stellung, welche das Antimon einnimmt, kann von
Antimonſalzen in dem gleichen Sinne, wie von Thonerde- oder Eiſenſalzen,
nicht wohl die Rede ſein. Eine ebenſo eigenartige Stellung nehmen die
Antimonverbindungen in der Färberei ein, indem ſie nicht eigentlich als
Beizen aufgefaßt werden können, ſondern nur als ſogenannte „Fixiermittel
für Beizen“. In der Hauptſache dreht es ſich bei den Antimonverbindungen
darum, die Gerbſäure in unlöslicher Form auf den vegetabiliſchen Faſern zu
befeſtigen. Soweit die Erfahrungen bis jetzt reichen, ſcheinen ſich alle lös-
lichen Antimonverbindungen als Fixiermittel zu eignen, dagegen iſt neuerdings
ein großer Streit darüber entbrannt, welches von dieſen Päparaten das
vorzüglichſte oder geeignetſte ſei. Es kommen dabei die folgenden Präparate
in Betracht.


1. Antimonoxyd, Sb2 O3. Das Antimonoxyd*) wird durch Zer-
ſetzen von Antimonchlorür mit kohlenſaurem Natron erhalten als kryſtallini-
ſches weißes Pulver, welches, friſch gefällt und mit Waſſer gewaſchen, in
Waſſer verteilt und in dieſer Form direkt verwendet wird. Das Antimon-
oxydhydrat iſt in Waſſer faſt ganz unlöslich; ſeine Wirkung auf die Faſer
kann daher nur eine beſchränkte ſein. Dies iſt auch der Grund, warum
man mit gefälltem Antimonoxyd nur ungenügende Reſultate erhält, ſo ver-
nunftgemäß es an ſich auch erſcheint, Antimonoxyd auf der Faſer zu fixie-
ren. Behufs beſſerer Wirkung iſt der Vorſchlag gemacht worden, das Antimon-
oxyd in Form einer alkaliſchen Antimonoxydglycerin-Löſung in Anwendung
zu bringen, jedoch ſcheint dieſe ganz beachtenswerte Methode auch nicht die
gehofften Reſultate gegeben zu haben. — Zur Anwendung in der Praxis
empfiehlt Kertész folgendes Verfahren: Zum Beizen tannierter Stränge
oder loſer Baumwolle gebe man in das zurechtgeſtellte Waſſer 4 bis 5 Pro-
zent käufliches Antimonchlorid, füge 3 bis 4 Prozent vorher in Waſſer ge-
löſte kalcinierte Soda zu, rühre gut um und behandele darin die tannierte
Ware gerade wie im Brechweinſteinbade.


2. Antimonchlorür, Sb Cl3, iſt eine ſtark ätzende, weiße, kryſtallini-
ſche butterartige Maſſe, welche an der Luft zu einer trüben Flüſſigkeit zer-
fließt, mit viel Waſſer vermiſcht ſich aber unter Abſcheidung eines unlös-
lichen weißen Niederſchlages (Antimonoxydchlorid) zerſetzt. Es iſt daher bei
ſeiner Auflöſung für Beizzwecke mit großer Vorſicht zu verfahren, und zwar
kann man die Zerſetzung verhindern durch Hinzufügen von Salzſäure oder
noch beſſer Weinſäure. Es kommt auch im Handel als konzentrierte Löſung
von 34° Bé. vor. Das Antimonchlorür iſt nur beſchränkt anwendbar, da
es gewiſſen Farben durch ſeinen Salzſäuregehalt ſchadet.


3. Weinſaures Antimonoxydkali, Brechweinſtein,
K (Sb O) C4 H4 O6 + ½ H2 O. Der Brechweinſtein iſt bis vor kurzem dasjenige
Antimonpräparat geweſen, welches faſt durchgehends zum Befeſtigen der Gerb-
ſäure gedient hat. Es iſt dies die von Brookes \& Comp. aufgefundene,
allgemein als Tannin-Brechweinſteinverfahren bezeichnete Methode. — Der
[284] Brechweinſtein wird in großen Mengen verbraucht und daher fabrikmäßig
hergeſtellt, indem man gereinigten Weinſtein mit Antimonoxyd und Waſſer
kocht. Der Brechweinſtein bildet farbloſe, glänzende, große rhombiſche Okta-
ëder, die an der Luft allmählich ihr Kryſtallwaſſer verlieren, undurchſichtig
werden und zu einem weißen Pulver zerfallen. Nicht ſelten kommt es auch
als Pulver in den Handel. Er löſt ſich in 14 bis 15 Teilen kaltem, in
2 Teilen kochendem Waſſer; die Löſung ſchmeckt ekelhaft metalliſch und wirkt
brechenerregend. Eine Brechweinſteinlöſung bringt in einer Tanninlöſung
einen unlöslichen Niederſchlag hervor, welcher allgemein als gerbſaures Anti-
monoxyd betrachtet wird. Derſelbe Niederſchlag erzeugt ſich auch auf reſp.
in der Faſer, und dieſer Niederſchlag erſt iſt die eigentliche Beize zum Be-
feſtigen neutraler Farbſtoffe auf der Baumwoll- und Leinenfaſer (vergl. § 64,
Teil II, § 67). Der Brechweinſtein iſt ziemlich teuer und daher leicht Verfäl-
ſchungen ausgeſetzt. Ein guter unverfälſchter Brechweinſtein muß 43,4 Proz.
Antimonoxyd enthalten; es empfiehlt ſich deshalb, in zweifelhaften Fällen,
beſonders bei gepulverter Ware, eine Antimonbeſtimmung durch einen Che-
miker ausführen zu laſſen.


Da der Preis des Brechweinſteins ein verhältnismäßig hoher, ſo iſt
man bemüht geweſen, denſelben durch billigere Antimonpräparate zu erſetzen,
welche in nachfolgendem behandelt ſind.


4. Antimonſulfit-Schwefelnatrium, Schlippeſches Salz,
Na3 Sb S4 + 9 H2 O. Man erhält dasſelbe, wenn man rohes Schwefel-
antimon (Grauſpießglanzerz) mit Natronlauge und Schwefel kocht; aus der
filtrierten Löſung ſcheidet ſich das Salz in blaßgelben regelmäßigen Tetra-
ëdern von bitterlich-alkaliſchem Geſchmack aus. Das Salz löſt ſich leicht
in Waſſer; aus der Löſung fällen Säuren das Antimonſulfid (Goldſchwefel)
als orangerotes Pulver, nach der Gleichung: 2 Na3 Sb S4 + 3 H2 SO4 =
Sb2 S5 + 3 Na2 SO4 + 3 H2 S
. Alkalien dagegen fällen unter Bildung von
Natriumſulfhydrat Antimonoxyd nach der Gleichung: Na3 Sb S4 + Na HO +
2 H2 O = Sb O3 + 4 Na SH + H
. — Anwendung: Nach Luſſy ſoll das
Schwefelantimon ſich direkt als Mordant für verſchiedene Anilinfarben eig-
nen; er empfiehlt, das Garn oder Gewebe durch eine Löſung des Salzes
zu paſſieren und in einem ſchwefelſauren Bade das Antimon zu fällen; das
Färben folgt dann als dritte Operation. So angewendet würde das Na-
trium-Sulfantimoniat nicht als Fixiermittel für eine Beize, ſondern als Beize
ſelbſt aufzufaſſen ſein.


5. Antimonfluorid, Sb Fl3, iſt nur ſchwer in feſter Form darzu-
ſtellen; auch iſt das erhaltene Salz ſehr leicht zerfließlich und haucht unter
Zerſetzung Fluorwaſſerſtoffſäure aus. Man kann dasſelbe daher nur in
wäſſeriger Löſung in den Handel bringen. Antimonfluorid löſt Metalle auf,
auch greift es Glas an; es kann alſo weder in Metallbehältern, noch in
Glasballons aufbewahrt werden, man muß dazu Holzfäſſer oder Stein-
gutgefäße verwenden. Dieſe Eigenſchaften ſtehen der allgemeinen Anwen-
dung des Antimonfluorids hindernd im Wege. Abgeſehen davon aber liefert
das Antimonfluorid ganz gute Reſultate.


6. Oxalſaures Antimonkali, Brechweinſteinerſatz, K3 Sb(C2 O4)3
+ 6 H2 O,
wird nach einem patentierten Verfahren durch Erwärmen von
Antimonoxyd mit einer Kleeſalzlöſung gewonnen. Es wurde beim Er-
ſcheinen dieſes Salzes vor 2 Jahren hervorgehoben, daß dasſelbe weſentlich
[285] billiger ſei, als Brechweinſtein; das iſt wohl wahr; dafür enthält es aber
auch nur 23,64 Prozent Antimonoxyd (gegen 43,6 beim Brechweinſtein),
und ſo muß man zur Erzielung des gleichen Effektes faſt das doppelte Ge-
wicht nehmen. Es wird dem oxalſauren Salze nachgerühmt, daß es ſich leichter
zerſetze und ſein Antimonoxyd leichter abgebe. Nach dieſer Richtung hin
iſt allerdings das Oxalat dem Brechweinſtein vorzuziehen. Andererſeits darf
jedoch nicht verſchwiegen werden, daß das Oxalat zu ſeiner Verwendung
kalkfreies Waſſer erfordert. Auch wird von Gegnern des Oxalats her-
vorgehoben, daß die freiwerdende Oxalſäure auf einige Farben einen nachteili-
gen Einfluß ausübe. Das Urteil über das oxalſaure Antimonoxydkali dürfte
heute noch nicht abzuſchließen ſein; doch erhellt aus den bisher vorliegenden
Reſultaten immerhin bereits ſoviel, daß dasſelbe in einer Anzahl von Fällen
ſehr wohl imſtande iſt, den Brechweinſtein zu erſetzen.


7. Milchſaures Antimonoxydul, Antimonlactat. Zur Dar-
ſtellung desſelben hat Waite ein Patent erhalten und zwar werden 200 kg
Milchſäure von 25 Prozent Gehalt und 25 kg Salpeterſäure gemiſcht
und ſoviel Antimonpulver hinzugefügt, als die Säuren aufzulöſen vermögen.
Das Gemiſch wird auf 65° erwärmt. — Der Vorteil dieſer Beize vor
dem Brechweinſtein ſoll darin beſtehen, daß die Bäder nicht ſo ſauer wer-
den, wie das beim Brechweinſtein (und auch beim Oxalat) allerdings der
Fall iſt.


8. Antimonfluorid-Ammoniumſulfat, Antimonſalz, Sb Fl3,
SO4 (NH4)2
. Dieſes Doppelſalz iſt ſeit dem Herbſt 1887 auf den Markt
gekommen und ſtellt ein Präparat dar, durch welches zum erſtenmal die An-
wendung des Antimonfluorids in handliche Form gebracht worden iſt. Es
ſind farbloſe, harte, luftbeſtändige Kryſtalle von ſtark ſaurer Reaktion; die
Löſung greift Glas und Metalle
an. 100 Teile kaltes Waſſer löſen
140 Teile Antimonſalz. Dabei bleibt die Löſung auch bei der größten Ver-
dünnung vollkommen und dauernd klar. Das Antimonſalz enthält 47 Pro-
zent Antimonoxyd (Brechweinſtein 43,6 Prozent). Hinſichtlich des Preiſes
geſtattet es dem Brechweinſtein gegenüber eine Erſparnis von 48 Prozent.


Bei Anwendung des Antimonſalzes verfährt man ebenſo wie bei der
Verwendung von Brechweinſtein. Man beizt je nach Bedürfnis mit Sumach,
Sumachextrakt, Gallus oder Tannin, und behandelt nachher in bekannter
Weiſe mit einer Löſung von Antimonſalz, indem man dem Antimonoxydge-
halt entſprechend für je 1 kg Brechweinſtein 0,9 kg Antimonſalz und für
je 1 kg Antimonoxalat 0,5 kg des Salzes anwendet. — Scheurer em-
pfiehlt, das Beizbad ſo einzurichten, daß auf 100 l Waſſer 400 g Antimon-
ſalz und 200 g Kryſtallſoda kommen, und die Paſſage bei 40° R. vor-
zunehmen.


Antimonſalz hat ſeiner Zuſammenſetzung entſprechend ſchwach ſaure Eigen-
ſchaften, ähnlich wie Alaun. Bei dunkleren Farben, welche nach dem Gerb-
ſtoffbade mit Blauholz und Eiſenverbindungen abgedunkelt werden, empfiehlt
es ſich deshalb, in einzelnen Fällen Brechweinſtein beizubehalten.


Die Manipulation mit Antimonſalzlöſung muß in Holz- oder blanken
Kupfergefäßen geſchehen. Die Löſung darf in Glas- oder Steingutgefäßen
nicht aufbewahrt werden.


Für Baumwollenſtrang- und Stückfärberei, ferner für Halbwollenſtück-
und Halbſeidenſtückfärberei hat ſich bereits das flüſſige Antimonfluorid auf
[286] das beſte in der Praxis bewährt; um ſo mehr wird dies beim Antimonſalz
der Fall ſein, welches durch ſeine Kryſtallform die Garantie für vollkommen
chemiſche Reinheit bietet.


9. Antimonnatriumfluorid, Doppeltantimonfluorid, Sb Fl3,
Na Fl
. Faſt unmittelbar nach dem Erſcheinen des Antimonſalzes erſchien
das „Doppeltantimonfluorid“, eine weitere praktiſche Form des Antimon-
fluorids als ein ſehr ſchön kryſtalliſierendes, tadelloſes, chemiſch reines Anti-
monſalz (derbe trikline Prismen) im Handel, welches in der That ganz
vorzügliche Reſultate gibt. Das „Doppeltantimonfluorid“ hat 66 Prozent
Antimonoxyd, während Brechweinſtein nur 43,4 Prozent beſitzt, es enthält
mithin 52 Prozent mehr Antimonoxyd als der Brechweinſtein, ſtellt ſich
alſo billiger wie dieſer. 100 Teile kaltes Waſſer löſen nur 6 Teile Brech-
weinſtein, dagegen 63 Teile „Doppeltantimonfluorid“. 100 Teile heißes
Waſſer löſen 166 Teile „Doppeltantimonfluorid“. Dasſelbe löſt ſich klar
in jedem Waſſer auf, auch bei größter Verdünnung. Die Reaktion iſt
ſchwach ſauer. Man darf jedoch mit dem „Doppeltantimonfluorid“ nicht
in Eiſen- oder Glasgefäßen manipulieren; am beſten verwendet man Holz-
kufen, da Metallgefäße angegriffen werden; zum Schutze der Hände benutzt
man am beſten Gummihandſchuhe. Das „Doppeltantimonfluorid“ greift
tieriſche oder pflanzliche Faſern nicht an und bildet mit dem Tannin und
den Farbſtoffen ebenſo echte und ſchöne Farblacke wie der Brechweinſtein.
Die Anwendung des „Doppeltantimonfluorids“ iſt genau dieſelbe wie bei
Brechweinſtein. Man macht ſich ein Bad zurecht, in dem ſtatt je 1 kg
Brechweinſtein nur 658 g „Doppeltantimonfluorid“ enthalten ſind, was im
Antimonoxydgehalt der beiden Präparate (43,4 : 66) begründet iſt. Bei der
gleichmäßigen Ausbildung dieſes ungewöhnlich ſchön kryſtalliſierenden Präpa-
rats iſt jegliche Verfälſchung ausgeſchloſſen. Zu bemerken iſt noch, daß man
auf Zuſatz einer Chlorbaryumlöſung keinen Niederſchlag von ſchwefelſaurem
Baryt erhalten darf.


§ 100. Arſenverbindungen.


Von den Arſenverbindungen iſt nur das Schwefelarſen, Auripig-
ment, Operment
, As2 S3, zu erwähnen, ein gelbes, durch Schmelzen
von Schwefel mit weißem Arſenik dargeſtelltes Pulver. Dieſes Produkt ent-
hält meiſt über 90 Prozent arſenige Säure und iſt daher giftig. Das
Schwefelarſen iſt ein gutes Reduktionsmittel und dient als ſolches zur Re-
duktion des Indigos in der Opermentküpe. Ausführlicheres hierüber ſiehe
zweiten Teil.


§ 101. Zinkſalze.


Die Zinkſalze haben für die Färberei nicht annähernd die Wichtigkeit,
wie die bisher behandelten Metallſalze. Es ſind wohl einzelne derſelben als
Beizen in Anwendung, aber zu einer allgemeinen Anwendung haben ſie es
nicht gebracht.


1. Schwefelſaures Zinkoxyd, Zinkſulfat, Zinkvitriol,
Zn SO4 + 7 H2 O; wird in chemiſchen Fabriken durch Löſen von Zink in ver-
dünnter Schwefelſäure gewonnen; es bildet farbloſe, rhombiſche mit Bitter-
[287] ſalz leicht zu verwechſelnde Kryſtalle, welche in ihrem gleichen Gewicht Waſſer
löslich ſind. Es kommt auch ein roher Zinkvitriol als kryſtalliniſche harte, etwas
hygroſkopiſche Maſſe vor, welche jedoch arſenhaltig und daher unverwendbar
iſt. Von einem Zinkvitriol für Färbereizwecke muß Freiheit von Eiſengehalt
verlangt werden, ſeine Löſung darf weder durch gelbes noch durch rotes Blut-
laugenſalz blau gefärbt oder gefällt werden. — Anwendung: Als Mordant
für einzelne Modefarben und als Zuſatz zu Catechufarben; beim Blaudruck
als Schutzpapp gegen die Indigoküpe bei Lapisartikeln; im Zeugdruck iſt die
Anwendung des Zinkvitriols eine weit ausgedehntere.


2. Chlorzink, Zinkchlorid, ZnCl2. Im waſſerfreien Zuſtand ſtellt
es eine weißliche, halb durchſichtige Maſſe dar, welche an der Luft zerfließt
und ſich in Waſſer leicht löſt. — Anwendung: Als Reſerve für einige natür-
liche hellblaue Farben; neuerdings (in Gemeinſchaft mit Chlormagneſium) als
Appreturmittel und Beſchwerungsmittel. Es ſpielt dabei lediglich eine anti-
ſeptiſche Rolle, indem es ſelbſt in ganz ſchweren Apprets die Schimmel-
bildung vollſtändig hindert. Das Zinkchlorid macht die Stärke zäher, be-
feſtigt das Kaolin oder das Mineralweiß ſicherer, verleiht den Waren den
gewünſchten Grad von Fülle, hält ſie feucht und dadurch weich und biegſam.
Das Zinkchlorid iſt ſehr ſchwer, ſo daß es außer der Vermehrung der Zähig-
keit der Stärkeſubſtanzen und der Biegſamkeit, die es den Waren verleiht,
ſie auch ſchwerer macht. Ein guter Prozentſatz Zinkchlorid kann den reinen
Waren zugeſetzt werden, ohne Stärke, und doch ſehen die Waren voller aus,
ohne das Ausſehen zu haben, etwas Fremdes zu enthalten. Es greift das
Blau der Appretur bei Weißwaren nicht an.


3. Salpeterſaures Zink, Zinknitrat, Zn (NO3)2, wird durch
Auflöſen von Zink in verdünnter Salpeterſäure und Kryſtalliſierenlaſſen ge-
wonnen. Man erhält ſo farbloſe vierſeitige hygroſkopiſche Prismen, welche
ſich in Waſſer leicht löſen und höchſt unangenehm ſchmecken. — Anwendung:
Als Reſerve gegen die Indigoküpe.


4. Eſſigſaures Zink, Zinkacetat, Zn (C2 H3 O2)2 + H2 O. Dieſes
Salz kommt in den Handel als kleine, waſſerhelle, perlmutterglänzende
Kryſtallflitter und Schuppen; es iſt weich, biegſam, in Waſſer leicht löslich,
von herb metalliſchem Geſchmack. — Anwendung: Zum Fixieren der Gerb-
ſäure und der Tanninfarben auf der vegetabiliſchen Faſer an Stelle des
Brechweinſteins; nach H. Schmidt*) ſoll das eſſigſaure Zink das Tannin
viel vollſtändiger fixieren als Brechweinſtein.


5. Weinſaures Zink, Zinktartrat, durch Fällen von Zinkvitriol-
löſung mit einer Löſung von neutralem weinſaurem Kali bereitet, iſt ein
unlösliches weißes Pulver, welches in vereinzelten Fällen zu Reſerven be-
nutzt wird.


6. Oxalſaures Zink, Zinkoxalat, durch Fällen von Zinkvitriol
mit Kleeſalzlöſung bereitet, iſt ein kryſtalliniſches, in Waſſer ſehr ſchwer, in
einem Ueberſchuß von Oxalſäure leichter lösliches Pulver, welches bisweilen
als Reſerve benutzt wird.


[288]

§ 102. Zinnſalze.


Die Zinnſalze zählen in der Färberei zu den vorzüglichſten und belieb-
teſten Beizen, da ſie mit den ſchwach ſauren Farbſtoffen beſonders lebhafte
und ſchöne Farblacke bilden. Das Zinn bildet zwei Reihen von Salzen,
Oxydulſalze und Oxydſalze; beide Klaſſen von Salzen kommen in der Färberei
zur Verwendung; bei der erſten Reihe iſt zu bemerken, daß die betreffenden
Salze ſtarke Reduktionsmittel ſind, ſo daß ihre Verwendung da, wo ſie eine
Reduktion bewirken könnten, von vornherein ausgeſchloſſen erſcheint, ausge-
nommen der Fall, wo das direkt beabſichtigt wird.


1. Chlorzinn, Zinnchlorür, Zinnſalz, Sn Cl2 + 2 H2 O. Das
Zinnchlorür wird ziemlich viel gebraucht und deshalb fabrikmäßig dargeſtellt.
Es kommt nicht ſtets in genügender Reinheit in den Handel. Da es durch
Auflöſen von Zinn in Salzſäure dargeſtellt wird, ſo enthält es gemeinhin
die Verunreinigungen der Salzſäure: Arſen, Eiſen, Kupfer, Blei, Zink.
Man erhält jedoch auch nahezu chemiſch reines Zinnſalz im Handel; man
erkennt ſolches an der rein weißen Farbe der großen, klaren Kryſtalle, welche
in ihrer Form (monoklinoëdriſche Prismen) an Magneſiumſulfat und Zink-
vitriol erinnern. Solch große, klare Kryſtalle können unbedingt ohne weiteres
verwendet werden; Kryſtallgrus oder ein halbfeuchtes kryſtalliniſches Pulver
iſt mit Mißtrauen zu betrachten und muß auf ſeine Reinheit und ſeinen Zinn-
gehalt geprüft werden. Ein gutes Zinnſalz muß 52 Prozent Zinn enthalten.
Es kommt auch eine Löſung des Zinnchlorürs unter dem Namen „Einfach-
chlorzinn“ in den Handel; ein ſolches iſt ſtets von ſehr wechſelnder Stärke
und bietet willkommene Gelegenheit zu Verfälſchungen. Der Färber wird
ſtets wohl thun, ſeinen Bedarf an Zinnſalz in wohl ausgebildeten Kryſtallen
zu kaufen, und ſich ſeine Löſung ſelber zu bereiten. Das Zinnſalz löſt ſich
in wenig Waſſer klar, in viel Waſſer mit ſchwach milchiger Trübung, welche
auf Zuſatz einer kleinen Menge Salzſäure oder Salmiak ſofort verſchwindet.


Die Prüfung des Salzes auf ſeinen Zinngehalt wird am beſten einem
Chemiker übergeben. Grobe Verfälſchungen, wie mit den gleichgeſtaltigen
Kryſtallen von Bitterſalz und Zinkvitriol, kann man auch ſelbſt auf folgende
Weiſe entdecken: man löſt ein wenig des zu unterſuchenden Zinnſalzes in
Waſſer, ſetzt chemiſch reine Salzſäure bis zur völligen Klärung hinzu,
und dann eine Löſung von Chlorbaryum: ein weißer Niederſchlag verrät
eine abſichtliche Verfälſchung mit Bitterſalz oder Zinkvitriol. Gibt in der
angeſäuerten Zinnſalzlöſung rotes Blutlaugenſalz eine blaue Färbung oder
Fällung, ſo muß es gleichfalls zurückgewieſen werden.


Anwendung: Seine Verwendung iſt eine vielſeitige. In der Wollen-
färberei dient das Zinnchlorür als Beize, nicht ſelten als direkter Zuſatz zum
Farbbade, ſowie zum Beleben der Farben; in der Seidenfärberei zur Er-
zeugung von Catechu- und Soupleſchwarz und im Baumwollendruck neben
Thonerdebeizen als Mordant, hauptſächlich zur Erzielung roter Farben mit
Cochenille, ſowie in der Krapp- und Türkiſchrotfärberei; ferner als Aetzbeize
auf Grundfarben, welche aus Mangan und Eiſenoxyd dargeſtellt ſind; als
Aetzweiß auf Indigogrund u. ſ. w.


2. Doppeltchlorzinn, Zinnchlorid, „ſalpeterſalzſaures Zinn“,
Sn Cl4 + 5 H2 O. Dieſe Beize wird man ſich mit Vorteil ſelbſt bereiten.
Es gibt mehrere Methoden, welche ſämtlich auf der Oxydation des Zinn-
[289] chlorürs beruhen, ſei es durch Chlor, ſei es durch Sauerſtoff. Gemeinhin
wird Salpeterſäure dazu benutzt. Ich empfehle folgende Verhältniſſe: 11 Teile
kryſtalliſiertes Chlorzinn, 4 Teile Waſſer, 12 Teile konzentrierte Salzſäure,
4 Teile Salpeterſäure. Die Salpeterſäure wird dabei vollſtändig zerſetzt,
indem ein Teil zur Oxydation verwendet wird, der Reſt aber als Stickoxyd
in die Luft entweicht. Von einer Bildung von ſalpeterſaurem
Zinn kann dabei keine Rede ſein
. Daher iſt auch die Bezeichnung
ſalpeterſalzſaures Zinn — ſo gebräuchlich ſie iſt — total falſch. Vor-
zuziehen iſt indeſſen die Oxydation mit chlorſaurem Kali, da hierbei die
läſtige Entwickelung von Stickoxyd in Wegfall kommt. Die Gewichts-
verhältniſſe bleiben ganz dieſelben wie oben, nur treten an Stelle der
4 Teile Salpeterſäure 4 Teile chlorſaures Kali. Chlorzinn wird in
Salzſäure und Waſſer gelöſt und das chlorſaure Kali in kleinen Portionen
nacheinander eingetragen. Nach Beendigung der Reaktion muß eine farb-
loſe
Löſung reſultieren; eine etwaige Gelbfärbung verrät freies Chlor, in
welchem Falle noch etwas Zinnchlorür bis zum Verſchwinden der gelben
Farbe zugegeben werden muß.


Das Zinnchlorid des Handels bildet eine kryſtalliniſche, weiße, weiche, in
Waſſer leicht lösliche Maſſe; in reinſter Form ſchöne große Kryſtalle, konzen-
trierte Löſungen halten ſich unverändert, verdünnte zerſetzen ſich allmählich;
beim Kochen erleiden ſie Zerſetzung unter Abſcheidung von Zinnhydroxyd.


Anwendung: Das Zinnchlorid dient in der Baumwollenfärberei als
Beize beim Färben mit Rotholz, ſowie beim Färben halbwollener Gewebe
zum Beizen des Baumwollfadens, zuſammen mit Tannin oder Schmack,
beim Färben mit Holzfarben, ſowie ohne Gerbſtoffzuſatz in der Cochenille-
und Krappfärberei; ferner zum Avivieren der Farben. In der Wollen-
färberei wird es zum Färben mit Jodgrün auf Wolle und Halbwolle ange-
wendet; in der Seidenfärberei dient es zum Beſchweren.


3. Zinnchlorürchlorid, Kompoſition, Phyſik, Roſirſalz,
eine Miſchung aus wechſelnden Mengen Zinnchlorür- und -chlorid, wird
durch Auflöſen von gekörntem Zinn in Königswaſſer erhalten. Romen em-
pfiehlt ſtatt deſſen eine Löſung von Zinnchlorür in ſeinem gleichen Gewicht
Salpeterſäure. Früher wurde dieſer „Kompoſition“ beſonderer Wert bei-
gemeſſen.


4. Salpeterſaures Zinnoxydul, Sn (NO3)2. Dieſes Präparat,
welches nicht mit dem ſog. „ſalpeterſalzſauren“ Zinn verwechſelt werden darf,
iſt durch Auflöſen von friſch gefälltem Zinnoxydulhydrat in verdünnter Sal-
peterſäure zu erhalten, und ſtellt dann eine farbloſe oder ſchwach gelblich ge-
färbte Flüſſigkeit vor. — Löſt man jedoch, wie meiſt üblich, granuliertes Zinn
in verdünnter Salpeterſäure, ſo erhält man eine tiefgelbe Löſung, welche
wohl ſchwerlich ſalpeterſaures Zinnoxydul enthalten dürfte. — Anwendung:
Dieſe Zinnlöſung dient als Wollbeize für Cochenilleſcharlach.


5. Zinnchloridammonium, Pinkſalz, Sn Cl4 (NH4)2 Cl2, wird
am einfachſten bereitet durch Vermiſchen konzentrierter heißer Löſungen von
Zinnchlorid und Salmiak; es fällt dann das Doppelſalz als Kryſtallmehl
aus, welches man auf einem Trichter ſammelt, abtropfen läßt und trocknet.
Man erhält ſo ein weißes, neutrales, kryſtalliniſches Pulver, welches ſich in
Waſſer leicht löſt; eine konzentrierte Löſung ändert ſich durch Kochen nicht,
Ganswindt, Färberei. 19
[290] eine verdünnte läßt beim Kochen das geſamte Zinnoxyd fallen. — An-
wendung
: In der Kattundruckerei; jetzt nicht annähernd mehr von der
Bedeutung, wie früher, obgleich es ſeiner leichten Zerſetzbarkeit und ſeiner
neutralen Eigenſchaft wegen als Erſatz an Stelle des ſtets ſauer reagierenden
Zinnchlorürs dienen könnte.


6. Ferrocyanzinn, blauſaures Zinn, Sn2 (CN)4 · Fe (CN)2, wird
durch Wechſelzerſetzung von 4 Teilen gelbem Blutlaugenſalz mit 5 Teilen
kryſtalliſiertem Zinnſalz gewonnen. — Anwendung: Im Zeugdruck als
Präparat für Blau (Stein).


7. Eſſigſaures Zinnoxydul, Zinnacetat, Sn (C2 H3 O2)2, wird
durch Wechſelzerſetzung von 3 Teilen Zinnſalz mit 4 Teilen Bleizucker er-
halten. Verwendet man zur Zerſetzung 4 Teile kochendes Waſſer, ſo hat
die nach dem Abgießen von dem gebildeten Chlorblei gewonnene farbloſe
Löſung von eſſigſaurem Zinn eine Stärke von 14° Bé. Das eſſigſaure Zinn
iſt nicht ſonderlich beſtändig; es zerſetzt ſich leicht, indem es unter Aus-
hauchen von Eſſigſäure in ein baſiſcheres Salz übergeht. — Anwendung:
Als Beize zu lichten Tafeldruckfarben.


8. Oxalſaures Zinn, Zinnoxalat, Sn (C2 O4)2, erhält man durch
Löſen von (mit Soda aus Zinnchlorid) friſch gefälltem Zinnoxydhydrat in
einer Löſung von Oxalſäure mittels Erwärmen als farbloſe Löſung. — An-
wendung
: Als Mordant.


9. Citronenſaures Zinn erhält man nach Stein durch Wechſel-
zerſetzung von citronenſaurem Natron mit kryſtalliſiertem Zinnſalz. — An-
wendung
: Zur Erzeugung ſchöner gelber Farblacke mit gelben Farbſtoff-
extrakten.


10. Zinnſaures Natron, Präparierſalz, Grundierſalz,
ſiehe § 91, 15.


11. Zinnbeize nennt Stein ein durch Fällen von 2 Teilen Zinn-
chloridlöſung von 13° Bé. mit 1 Teil Salmiak erhaltenes, ausgewaſchenes
und noch feucht mit friſchem Waſſer angerührtes Zinnoxydhydrat.


§ 103. Kupferſalze.


Die Kupferſalze ſpielen in der Färberei nur eine untergeordnete Rolle
und zwar dann mehr wegen ihrer oxydierenden Eigenſchaften, weniger als Beize.


1. Schwefelſaures Kupfer, Kupfervitriol, SO4 Cu + 5 H2 O,
iſt ein Nebenprodukt der hüttenmänniſchen Gewinnung des Kupfers und
kommt in großen, harten, blauen Kryſtallen in den Handel, welche ſich in
5 Teilen Waſſer löſen und meiſt eiſenhaltig ſind. Um einen Eiſen-
gehalt nachzuweiſen, erwärmt man die wäſſerige Löſung des Kupfervitriols,
fügt etwas chemiſch reine Salpeterſäure hinzu und dann Ammoniak; es ent-
ſteht ſofort eine bläuliche, ſich dagegen ſchnell wieder auflöſende Fällung;
wenn Eiſen zugegen, ſo bleiben braune Flocken ungelöſt zurück. Um einen
ſolchen eiſenhaltigen Kupfervitriol zu reinigen, muß man ſeine wäſſerige Löſung
eine Zeit lang mit kohlenſaurem Kupfer oder Kupferoxydhydrat in Berührung
laſſen, wobei alles Eiſen ausgefällt und ſtatt deſſen Kupfer aufgenommen
wird. Dann wird filtriert und kryſtalliſieren gelaſſen. — Anwendung:
Als Vor- oder Nachbeize zur Erzeugung von Catechu- und Blauholzfarben,
[291] zur Oxydation von Anilinſchwarz, zum Abdunkeln und Nüancieren, ſowie
zur Darſtellung von Schwefelkupfer und einiger anderer Kupferpräparate.


2. Salpeterſaures Kupfer, Kupfernitrat, Cu (NO3)2 + 3 H2 O.
Man erhält dasſelbe am beſten durch Auflöſen von kohlenſaurem Kupfer in
verdünnter Salpeterſäure, bis kein Aufbrauſen mehr erfolgt, oder nach anderer
Methode durch Wechſelzerſetzung von 3 Teilen Kupfervitriol mit 4 Teilen
ſalpeterſaurem Blei. In beiden Fällen erhält man eine blaue Löſung, aus
der beim Konzentrieren dunkelblaue, ſehr zerfließliche Kryſtalle erhalten werden
können. Es iſt jedoch nicht nötig, das Salz in Kryſtallen zu gewinnen, zu-
mal eine Löſung des Salzes beſtändiger iſt. Ein etwaiger Eiſengehalt wird
durch Ueberſättigen mit Ammoniak nachgewieſen, wobei man bei Anweſenheit
von Eiſen einen braunen Niederſchlag erhalten würde. — Anwendung:
Seiner bedeutenden Oxydationskraft wegen als Oxydationsmittel, z. B. für
Anilinſchwarz, für Catechufarben, als Reſerve für dunkelblaue und Lapis-
artikel; im Zeugdruck als oxydierender Zuſatz zu einigen Dampffarben ꝛc.


3. Chlorkupfer, Kupferchlorid, Cu Cl2 + 2 H2 O, wird durch Auf-
löſen von Kupferoxyd in Salzſäure erhalten. Man erhält eine hellblaue
Löſung, welche beim Eindampfen lebhaft grün wird und beim Kryſtalliſieren
rein grüne, rhombiſche Nadeln gibt, welche in Waſſer und Alkohol leicht lös-
lich ſind und an der Luft ſchnell zerfließen. Es kommt auch eine Löſung
von 40° Bé. in den Handel; ein ſolches Fabrikat muß jedoch auf Eiſen wie
auf Schwefelſäure unterſucht, und es muß der Kupfergehalt beſtimmt werden.
Bei Selbſtherſtellung fallen dieſe Unterſuchungen fort. — Anwendung:
Als Oxydationsmittel bei Catechufarben; im Zeugdruck bei Tafelfarben und
als Reſerve gegen die Indigoküpe.


4. Neutrales eſſigſaures Kupfer, Kupferacetat,
Cu (C2 H3 O2)2 + H2 O. Dieſes Salz, welches in der Praxis den ſonderbaren Na-
men „deſtillierter Grünſpan“ führt, wird durch Auflöſen des im Handel befind-
lichen Grünſpans oder von Kupfercarbonat in Eſſigſäure und Kryſtalliſieren-
laſſen gewonnen. Es bildet ſchöne, glänzende, dunkelgrüne, rhombiſche Nadeln,
die in Waſſer mit blaugrüner Farbe löslich ſind. Die Kryſtalle verwittern
an der Luft. — Anwendung: Als Grundlage von Reſerven für dunkel-
blaue Artikel; im Zeugdruck zu Tafeldruckfarben.


5. Baſiſch eſſigſaures Kupfer, Grünſpan,
Cu (OH)2 · Cu (C2 H3 O2)2 + 5 H2 O.
Der Grünſpan kommt in grünen oder bläulichgrünen, feſten, ſchwer zerreib-
lichen Broten oder Kugeln in den Handel, welche ſich nur teilweiſe in
Waſſer, nahezu völlig in verdünnter Schwefelſäure, verdünnter Eſſigſäure,
ſowie auch in Ammoniak auflöſen; die erſteren Löſungen beſitzen eine grüne,
die letzteren eine tiefblaue Färbung. Der Grünſpan iſt für Färbereizwecke
genügend rein zu erachten, wenn er ſich in reiner und mit Waſſer verdünnter
Salpeterſäure völlig und ohne merkliches Aufbrauſen löſt. — Anwendung:
In allen Fällen, wo das neutrale eſſigſaure Kupfer gebraucht werden kann; doch
braucht man annähernd die doppelte Menge; es iſt daher jedenfalls vorteil-
haft, ſich des neutralen Salzes zu bedienen oder auch, den Grünſpan durch
Auflöſen in verdünnter Eſſigſäure zuvor in das neutrale Salz überzu-
führen.


6. Holzſaures Kupfer iſt ein weniger reines neutrales Kupfer-
acetat. Man gewinnt es durch Wechſelzerſetzung von 5 Teilen Kupfervitriol
19*
[292] mit 4 Teilen holzſaurem Blei in 9 Teilen Waſſer, Abſetzenlaſſen und Ab-
gießen. — Anwendung: Wie das neutrale eſſigſaure Kupfer, aber für
minder wertvolle Artikel, ſpeziell für Holzfarben.


7. Baſiſch chromſaures Kupfer, Kupferchromat,
Cu3 CrO6 + 2 H2 O, bildet ſich als brauner Niederſchlag, wenn man eine Löſung
von Kaliumdichromat mit Kupfervitriol kocht. Geſchieht das in Gegenwart von
Wollengarn- oder Gewebe, ſo fixiert ſich das Kupferchromat darauf und
ſoll mit Vorteil als Beize verwendet werden können.


8. Rhodankupfer, Kupferrhodanid, Cu (CSN)2, als weißer Teig
im Handel befindlich, iſt zur Oxydation von Anilinſchwarz an Stelle von
Schwefelkupfer vorgeſchlagen worden.


9. Schwefelkupfer, Cu S, erhält man durch Wechſelzerſetzung von
Kupfervitriol mit Natriumſulfhydrat *) als ſchweren, ſchwarzen Niederſchlag,
welcher, gut ausgewaſchen, unter Waſſer aufbewahrt wird. — Anwendung:
Als Sauerſtoffüberträger in der Anilinſchwarzfärberei. Es wird dem Anilin-
ſalz beigemiſcht; bei der auf das Klotzen folgenden Oxydation geht das
Schwefelkupfer in ſchwefelſaures Kupfer über, welches wieder einen Teil
ſeines Sauerſtoffes an das Anilinſalz abgibt u. ſ. f.


§ 104. Bleiſalze.


Die Bleiſalze können kaum noch als Beizen betrachtet werden, denn ſie
zeigen keine Neigung zu Verbindungen mit den Gewebefaſern und dienen vor-
nehmlich zur Herſtellung von Mineralfarben direkt auf der Faſer, wogegen
ſie eigentliche Farblacke nicht bilden.


1. Eſſigſaures Blei, Bleizucker, Pb (C2 H3 O2)2 + 3 H2 O. Ein
Produkt chemiſcher Fabriken in glänzenden, farbloſen, weichen, vierſeitigen
Tafeln, welche in 2 Teilen Waſſer löslich ſind. Die Löſung ſchmeckt zuerſt
ſüß, dann ekelhaft metalliſch. Bleizucker iſt giftig! — Anwendung:
Es dient als Hilfsſubſtanz zur Herſtellung von Beizen, ſo der eſſigſauren
Thonerde, des eſſigſauren Eiſens, eſſigſauren Chroms u. ſ. w., ſodann zur
Darſtellung von Chromgelb und Chromorange auf der Faſer.


2. Holzſaures Blei, gelber Bleizucker, iſt ein (ſtatt aus reinem
Eſſig) aus Holzeſſig bereiteter Bleizucker, welcher einen großen Teil der Brenz-
produkte desſelben enthält und dadurch gelb bis braun erſcheint. Er iſt billiger,
aber auch, abgeſehen von ſeinen Verunreinigungen, minderwertiger, ſo daß
man bei der Verwendung des billigen rohen Präparats durchaus nicht etwa
ſpart. — Anwendung: Zu gleichen Zwecken wie das vorige, d. h. zu
holzſauren Mordants.


3. Baſiſch eſſigſaures Blei, Bleieſſig,
Pb O [Pb (C2 H3 O2)2]2 + H2 O, wird erhalten durch Zuſammenreiben von
3 Teilen Bleizucker mit 1 Teil Bleiglätte; dieſes Gemiſch wird in einer
Flaſche mit 10 Teilen Waſſer unter häufigem Durchſchütteln beiſeite geſtellt
bis der anfangs rötliche Bodenſatz rein weiß geworden iſt. Durch Abſetzen-
[293] laſſen und Filtrieren erhält man eine klare, farb- und geruchloſe Flüſſigkeit
von zuſammenziehendem ſüßlichem Geſchmack und alkaliſcher Reaktion. —
Anwendung: Dieſe Flüſſigkeit dient zum Beſchweren weißer Seide, ſowie
zur Darſtellung von Chromgelb und Chromorange auf der Faſer.


4. Dreibaſiſch eſſigſaures Blei wird nach einem engliſchen Patent
von A. Gatty dargeſtellt, indem zu einer Löſung von normalem Bleiacetat
vorſichtig Ammoniak in kleinen Mengen hinzugegeben wird, ſolange die ent-
ſtehende Fällung noch von ſelbſt verſchwindet. Farbloſe Flüſſigkeit. —
Anwendung: Zum Beizen von Baumwolle, Baumwollgarn oder Baum-
wollſtoffen. Das Bleioxyd wird direkt an die Faſer übertragen, ohne daß
dasſelbe durch beſondern Prozeß beſonders fixiert zu werden braucht. Dient
als Mordant für verſchiedene Farben.


5. Salpeterſaures Blei, Bleinitrat, Pb (NO3)2. Dieſes Salz
wird durch Löſen von Blei oder Bleiglätte in heißer verdünnter Salpeterſäure
erhalten; es bildet ſehr ſchwere, undurchſichtige, farbloſe, in Waſſer lösliche
Kryſtalle von ſaurer Reaktion. Es muß eiſenfrei ſein, auch auf einen
Kupfergehalt muß geprüft werden. — Anwendung: Zur Herſtellung einiger
ſalpeterſaurer Mordants durch Wechſelzerſetzung; außerdem in der Baum-
wollenfärberei und Zeugdruckerei zur Erzeugung von Orange und Gelb.


6. Schwefelſaures Blei, Bleiſulfat, Pb SO4. Man erhält das-
ſelbe als Nebenprodukt bei der Bereitung von eſſigſaurer Thonerde aus
Alaun und Bleizucker als ſchweren, weißen, unlöslichen Niederſchlag, welcher
ausgewaſchen und als Teig aufbewahrt wird. — Anwendung: In der
Blaudruckerei als Schutzpapp; auch als Füllmittel in der Appretur.


7. Chromſaures Blei, Bleichromat, Chromgelb, Pb Cr O4,
wird meiſt auf der Faſer ſelbſt erzeugt, indem man letztere mit der Löſung
eines löslichen Bleiſalzes (z. B. Bleizucker) imprägniert, dann eine Löſung
von Glauberſalz paſſiert, wobei ſich ſchwefelſaures Blei auf der Faſer fixiert,
und ſchließlich auf ein heißes Bad von Kaliumdichromat bis zur Entwickelung
des Gelb geht. Für die Anwendung des Chromgelbs als Druckfarbe kommt
es als gelbes Pulver oder als Chromgelbteig in den Handel.


8. Baſiſch chromſaures Blei, Chromorange, wird aus dem
vorigen ſowohl im freien Zuſtande, als auch auf der Faſer durch Erhitzen
mit Kalkmilch in das baſiſche Chromat umgewandelt; die Einwirkung des
Kalkwaſſerbades hat bis zur vollen Entwickelung des Orange zu währen.
Als Druckfarbe kommt es, wie das vorige, en pâte in den Handel, ſelte-
ner als Pulver.


§ 105. Seltenere Metallſatze.


1. Eſſigſaures Uranoxyd, Uranacetat, UO2 (C2 H3 O2)2 + H2 O,
kommt in den Handel als gelbe, in Waſſer leicht lösliche Kryſtalle. Es
iſt als Beize für Holzfarben vorgeſchlagen worden. Nach Topper*) gibt
es mit 3 Prozent Blauholz ein zartes, reines Lavendel, und mit 15 Pro-
zent ein gutes Blau.


[294]

2. Schwefelſaures Nickeloxydulammoniak,
Ni SO4 · (NH4)2 SO4 + 7 H2 O. Kleine, hellſmaragdgrüne Kryſtalle. Sie
ſind gleichsfalls als Beize für Holzfarben vorgeſchlagen worden und geben
nach Topper mit Blauholz ein helleres oder dunkleres Rötlichgrau; nach
Liechti und Ulrich erhält man mit Alizarinblau S reine und zarte Schat-
tierungen von Blau. Nach dem Färben beſitzt die Farbe zunächſt eine ſtumpf-
grünliche Schattierung, aber durch Seife wird das Blau rein und glänzend.
Die Farbe iſt ſehr feſt und widerſteht einem zweiſtündigen Kochen in einer
2 prozentigen Sodalöſung.


3. Vanadiumchlorid, Vd Cl3, gewinnt man am beſten ſelbſt durch
Reduktion von vanadinſaurem Ammoniak mit Salzſäure und Glycerin. Man
erhält durch Erwärmen eine intenſiv blaue Löſung, welche bei der Oxydation
von Anilinſchwarz als Sauerſtoffüberträger wirkt, indem ſich Vanadiumoxy-
chlorid bildet, welches dann ähnlich wie das Schwefelkupfer wirkt.


§ 106. Die Seifen.


Obgleich die Seifen ihrem äußeren Anſehen nach nichts gemein haben
mit jenen Körpern, welche wir als Salze bezeichneten, ſo ſind ſie doch nichts
anderes, als eben ſolche Salze, d. h. Verbindungen von Säuren mit Baſen.
Als Baſen kommen hierbei nur Kali und Natron in Betracht und man
unterſcheidet demgemäß alle Seifen in Kaliſeifen und Natronſeifen.
Die Säuren, welche ſich mit Kali und Natron zu Seifen verbinden, ent-
ſtammen den Fetten und heißen daher Fettſäuren, und dementſprechend die
Seifen fettſaure Salze. Zu dieſen Fettſäuren gehört z. B. die Stearin-
ſäure, jene harte weiße Maſſe, welche das Hauptmaterial unſerer Stearin-
kerzen bildet, und das rohe Elaïn (Stearinöl), rohe Oelſäure. Dieſe und
noch viele andere Fettſäuren bilden den Hauptbeſtandteil unſerer Fette. Zur
Darſtellung der Seifen werden die Fettſäuren aus dem Fette keines-
wegs erſt rein dargeſtellt, ſondern durch direktes Verſieden von Aetzkali- oder
Aetznatronlauge mit den Fetten die betreffenden Fettſäuren an das Alkali ge-
bunden. Dieſe Fabrikation wird in den Seifenſiedereien als eigener Zweig
der chemiſchen Induſtrie gehandhabt. Es entſtehen dabei die fettſauren
Salze und Glycerin als Nebenprodukt.


Eigenſchaften: Kaliſeife, auch grüne oder ſchwarze Seife oder
Schmierſeife genannt, bildet eine grünlichgelbbraune, mit helleren feſteren
Stücken durchſetzte, weiche, ſchmierige, ſich ſchlüpfrig anfühlende, in Waſſer
unter ſtarker Schaumbildung (Seifenſchaum) ſich löſende Maſſe. Die Färbung
iſt keine natürliche, ſondern wird durch Indigo, Eiſenvitriol und Galläpfel
erzeugt. Eine Kaliſeife iſt alſo weit davon entfernt, das Ideal einer Seife
zu ſein, denn von der dunkeln Schmiere iſt nur ein Teil wirkliche Kaliſeife,
der Reſt beſteht aus Waſſer, Glycerin, unverſeiftem Fett, unverſeifter Kalilauge,
und den größeren oder geringeren Mengen abſichtlicher Verunreinigungen.
Zu dieſen Kaliſeifen werden eben nur die geringſten und billigſten Oele,
Fettabfälle, Thran, die Bratenſaucen-Rückſtände der Hotels und Reſtaura-
tionen u. dergl. m. verwendet. Als Verunreinigungen (Füllmittel) enthält
die Kaliſeife Pottaſche, ſchwefelſaures Kali, Kaliwaſſerglas, Stärkemehl. —
Eine ungefüllte reine Kaliſeife, welche etwa den ausgeſalzenen harten
[295] Natronſeifen entſpräche, kommt im Handel nicht vor. Man ſagt, eine Kali-
ſeife laſſe ſich nicht „ausſalzen“, weil dann die Kaliſeife in eine Natron-
ſeife ſich umwandele. Das iſt richtig und falſch zugleich! Richtig iſt, daß
beim Ausſalzen mit Kochſalz keine Kali-, ſondern Natronſeife abgeſchieden
wird. Aber wer nötigt uns denn, Kaliſeife mit Chlor natrium auszuſalzen?
Man ſalze die Kaliſeife mit Chlorkalium aus, dann geht jene
ominöſe Umwandlung in Natronſeife nicht vor ſich, und es wird eine reine
Kaliſeife
ausgeſalzen. Die reine Kaliſeife iſt eine feſte, zähe,
wenig durchſcheinende Maſſe
; ſie wird erſt durch einen Zuſatz von
Pottaſche und Aetzkali in jene durchſcheinende und geſchmeidige Maſſe ver-
wandelt, welche der Schmierſeife eigen iſt. In der Textilinduſtrie iſt mehr-
fach der Wunſch nach einer brauchbaren Kaliſeife laut geworden; es ſind
denn auch in Fachblättern 2 Vorſchriften dazu gegeben worden; dieſelben
waren aber ſo abenteuerlich und zeugten von ſo wenig Verſtändnis, daß ich
den Unſinn beſſer hier nicht wiedergebe. Wer eine treffliche Seife haben
will, der bereite ſich die oben beſchriebene reine Kaliſeife; dieſe genügt allen
Anforderungen. Im allgemeinen hat der Gebrauch der Kaliſeife gegen früher
ſehr abgenommen. — Natronſeifen werden durch Behandeln der Fette
mit Natronlauge gewonnen. Sie unterſcheiden ſich von den Kaliſeifen vor
allem durch ihre Konſiſtenz: Die Natronſeifen ſind feſt, hart und heißen
darum auch harte Seifen; auch werden zu ihrer Herſtellung meiſt an
und für ſich ſchon feſte Fette verwendet, wie Talg, Cocosöl, Palmkernöl ꝛc.
Sämtliche Natronſeifen werden durch Ausſalzen mit Kochſalz gewonnen;
ſie zeichnen ſich infolgedeſſen vorteilhaft vor den Kaliſeifen durch ihre größere
Reinheit aus. Die Natronſeifen werden wieder eingeteilt in Kernſeifen
und gefüllte Seifen. Letztere kommen für Färbereizwecke nicht in Be-
tracht. Erſtere ſollen hart, feſt, undurchſichtig, auch nicht einmal durch-
ſcheinend, weiß bis gelb, einfarbig oder marmoriert ſein; ſie ſollen in warmem
Waſſer völlig klar und ohne Rückſtand löslich ſein. Sie ſollen ſich durch Schaben
mit einem Meſſer in ein ſtaubfeines Pulver verwandeln laſſen. Der Waſſer-
gehalt ſoll 30 bis 34 Prozent nicht überſteigen; ältere Seife, welche durch
längeres Liegen an der Luft ausgetrocknet iſt, iſt daher wertvoller. Von
einer guten Natronſeife wird man auch verlangen dürfen, daß ſie neutral
ſei, d. h. daß ſie weder unverſeiftes Fett noch freies Aetznatron enthalte.


Zuſammenſetzung. Als Typus für eine gute Natronkernſeife dient
die Marſeiller Seife, welche folgende durchſchnittliche Zuſammenſetzung
zeigt:
Fettſäure ..... 64 Prozent
Natron ...... 6 „
Waſſer ...... 30 „


Als unbedingte Normalzahlen kann man dieſe Zahlen aber nicht be-
trachten, da die verſchiedenen Fettſäuren eine verſchiedene chemiſche Zu-
ſammenſetzung und ein verſchiedenes Verbindungsgewicht beſitzen und da
dadurch wiederum der Alkaligehalt beeinflußt wird. Durch die vervoll-
kommnete Technik der Seifenfabrikation kommen jetzt Seifen in den Handel,
welche ihrer Härte und Feſtigkeit nach als Kernſeife erſcheinen, ohne es zu
ſein; eine derartige Pſeudo-Kernſeife enthält oft 66 Prozent Waſſer, oft
auch noch andere „Füllmittel“, ohne daß das äußere Anſehen der Seife eine
ſolche Täuſchung vermuten läßt. Aus allem bisher Geſagten geht zweifellos
[296] hervor, daß es in jedem Falle das beſte iſt, eine Wertbeſtimmung der Seife
vorzunehmen, zumal der Bedarf an Seife im Färbereibetriebe ein bedeu-
tender iſt.


Prüfung und Wertbeſtimmung: Aus dem über die Zuſammen-
ſetzung der Seifen Geſagten geht hervor, daß bei der Wertbeſtimmung einer Seife
in Betracht kommt: der Trockengehalt, das Verhältnis von Fettſäure zum
Alkali, die Natur des Alkalis und die der Fettſäure oder der das Fett ver-
tretenden Subſtanz, und die abſichtliche oder unabſichtliche Beimengung fremder
Subſtanzen. — In den häufigſten Fällen beſchränkt ſich der Konſument
auf die Kenntnis der Menge des in der Seife enthaltenen Waſſers, weil
dieſes die gewöhnlichſte Beimengung iſt, und zwar eine ſolche, welche — wie
oben erwähnt — in ſehr bedeutender Menge darin enthalten ſein kann, ohne
dabei das äußere Anſehen und die Feſtigkeit entſprechend zu ändern. Zur
Beſtimmung des Trockengehalts wird eine abgewogene Menge geſchabter
Seife, etwa 100 g, im Waſſerbade ſolange getrocknet, bis keine Gewichts-
abnahme mehr ſtattfindet; die Gewichtsdifferenz gibt direkt den Waſſergehalt
in Prozenten an. Sicherer verfährt man, wenn man ſich 100 g aus ver-
ſchiedenen Stellen der zu prüfenden Seife zu 1 l auflöſt, und von dieſer
Seifenlöſung 100 ccm, welche 10 g Seife entſprechen, zur Prüfung ver-
wendet; man dampft dieſe zuerſt im Waſſerbade, dann in einem tarierten
Kölbchen im Luftbade ein, indem man dabei auf 130 bis 140° C. erhitzt
und zugleich einen Luftſtrom durchſaugt, der vorher behufs Erwärmung um
das Luftbad ſich windende Bleiröhren paſſiert. Iſt alles Waſſer fort, dann
läßt man im Exſiccator über Schwefelſäure erkalten und wägt. Der Fett-
gehalt
der Seife wird gefunden durch Zerlegen derſelben mit einer Säure.
Nach Bolley werden 6 bis 10 g Seife, teils aus dem Innern der Stücke,
wo mehr Feuchtigkeit vorhanden, teils von mehr ausgetrocknetem Rande ge-
nommen, (um dem mittleren Feuchtigkeitsgehalt näher zu kommen), in einer
Porzellanſchale mit ihrem 20 bis 30fachen Gewicht 12fach verdünnter
Schwefelſäure übergoſſen und ſolange auf einer Lampe erwärmt, bis das
Fett klar obenauf ſchwimmt. Das Fett von Oelſeifen ſcheidet ſich ſchneller
ab, als das von Talgſeifen, es läßt ſich jedoch, da es nicht erſtarrt, von
der unterhalb befindlichen Flüſſigkeit nur ſchwer trennen. Man pflegt dann
6 bis 10 g gut getrockneten, genau abgewogenen weißen Wachſes oder Stearin-
ſäure zuzuſetzen und mit dem Fett zuſammenſchmelzen zu laſſen. Die Fett-
maſſe ſtellt dann eine zuſammenhängende, nach dem Erkalten harte Scheibe
dar, die mittels eines Spatels ſich von der Flüſſigkeit und der Wand der
Schale leicht abheben läßt. Nun wird das ſaure Waſſer abgegoſſen, der
Fettkuchen mit reinem Waſſer nochmals geſchmolzen und wieder erkalten ge-
laſſen. Schließlich wird derſelbe ſolange mit deſtilliertem Waſſer abgeſpült,
bis das Ablaufende durch Chlorbaryum nicht mehr getrübt wird, endlich im
Exſiccator getrocknet und gewogen. Das gefundene Gewicht abzüglich des
zugeſetzten Wachſes oder Stearins
gibt die Menge des Hydrats der
vorhandenen Fettſäuren, von welcher letztgefundenen Zahl dann noch
3,25 Prozent für Hydratwaſſer in Abzug zu bringen ſind.


Ein einfacheres, aber für unſere Zwecke völlig ausreichendes Mittel zur
Fettbeſtimmung iſt das von Cailletet. 10 g Seife werden mit 10 ccm
titrierter Schwefelſäure und 20 ccm Terpentinöl in einer 50 ccm faſſenden
und in 0,5 ccm eingeteilten Glasröhre geſchüttelt und die Volumenvermehrung
[297] des Terpentinöls gemeſſen. Dieſe Methode ſoll den Vorteil haben, daß
Harz ſich gar nicht oder nur ſehr wenig in dem Terpentinöl löſt und als
eine untere Schicht unter demſelben ſich abſcheidet.


Zur Beſtimmung des Alkalis iſt ein kleines genau abgewogenes
Quantum (1 bis 2 g) in einem verdünnten Alkohol zu löſen und mit Nor-
malſäure alkalimetriſch zu beſtimmen. Dieſe Beſtimmung iſt am beſten von
einem Chemiker auszuführen. Durch dieſe Methode findet man den Ge-
ſamtgehalt
an Alkali. Ob freies, unverſeiftes Alkali in der Seife
enthalten war, iſt daraus nicht zu erkennen. Da aber die zum Färben
und Avivieren beſtimmte Seife freies Alkali unbedingt nicht enthalten darf
und da eine alkalihaltige Seife die Seide und in geringerem Maße auch
die Wolle angreifen und beſchädigen würde, ſo iſt es notwendig, auch eine
Beſtimmung von freiem Alkali*) vorzunehmen. Hierzu hat ſich ſal-
peterſaures Queckſilberoxydul als geeignet erwieſen. Eine Löſung dieſes
Salzes, in die Löſung einer neutralen Seife getropft, gibt dabei weißes
fettſaures Queckſilberoxydul, während bei Anweſenheit von freiem Kali
gelbes Queckſilberoxyd gebildet wird; bei Gegenwart von wenig Alkali
bildet ſich eine rotbraune baſiſche Queckſilberoxydverbindung. — Um Alkali-
carbonat quantitativ zu beſtimmen, wird die bei 100° getrocknete Seife
in 96 proz. Alkohol gelöſt, die Löſung abgegoſſen, der Rückſtand wieder-
holt mit Alkohol gewaſchen, den Waſchflüſſigkeiten die erſte Löſung zugefügt,
das Ganze mit deſtilliertem Waſſer vermiſcht und ſchließlich mit Normal-
ſchwefelſäure unter Benutzung von Lackmustinktur als Indikator titriert.
Ob eine Kernſeife unverſeiftes Fett enthält, zeigt ſich meiſt ſchon durch
das ſchlüpfrige fettige Gefühl, auch pflegen ſolche Seifen ſich nur ſchwierig und
dann auch nicht klar zu löſen. Zur Auffindung freien Fettes behandelt
man nach Bolley die Kernſeife mit Benzol oder mit Petroleumäther, worin
die Kernſeife unlöslich iſt, während das unverſeifte Fett ſich darin löſt.
Die zu unterſuchende Seife muß jedoch zuvor durch Trocknen bei 100° vom
größten Teile ihres Waſſers befreit worden ſein. Beim Verdampfen des
Benzols oder Petroleumäthers bleibt dann das Fett als ſolches zurück. —
Die Prüfung auf unverſeiftes Fett iſt ſehr zu empfehlen, da dasſelbe ſtets
Anlaß zur Bildung fleckiger Ware gibt. Eine Prüfung auf Ver-
fälſchungen
dürfte nur ſelten Platz greifen, da ſie bei ausgeſalzenen Kern-
ſeifen nicht wohl vorkommen können; auch geſtattet ſchon die Unterſuchung auf
den Waſſergehalt und den Fettgehalt einen Schluß darauf, ob überhaupt
auf Verfälſchungen zu unterſuchen ſei. Eine Seife, die nicht mehr als
35 Proz. Waſſer, und nicht weniger als 60 Proz. Fettſäuren enthält, bedarf
einer weiteren Unterſuchung nicht und kann unbedenklich verwendet werden.


Die Wirkungsweiſe der Seifen hat man urſprünglich ſo zu erklären
verſucht, daß man der wäſſerigen Löſung, ſpeziell dem Seifenſchaum, eine
emulgierende Kraft zuſchrieb, d. h. die Eigenſchaft, Fremdkörper, vornehmlich
in Waſſer unlösliche, einzuhüllen, und mechaniſch mit der Seifenlöſung zu
entfernen. Zu ſolchen Fremdkörpern gehören Ruß, Staub, Schweiß, Fett
[298] und vor allem Schmutz, dieſer Stoff, der eigentlich weiter nichts als ein
Conglomerat der vorgenannten iſt. Auf dieſer Eigenſchaft der Seife beruht
ihre Anwendung als Waſch- und Reinigungsmittel. Später erlangte die
Anſicht Chevreuls die Oberhand, daß die neutralen Natronſeifen beim
Auflöſen in Waſſer in ſaure fettſaure Salze und freies Alkali ſich zerlegen,
daß letzteres die Verunreinigungen ablöſe, erſtere aber als unlösliche Körper
die Verunreinigungen einhüllen. Dieſe Anſchauung iſt durch die neuere
Theorie Rotondis verdrängt worden, daß durch die Einwirkung des
Waſſers die neutralen Seifen in baſiſche und in ſaure fettſaure Salze zer-
legt werden, daß alſo bei dieſer Zerſetzung kein freies Alkali auftritt. Die
baſiſchen Salze ſind in Waſſer löslich, löſen in der Wärme Fettſäuren und
die ſauren fettſauren Salze und emulgieren neutrale Fette; durch die Ein-
wirkung und Aufnahme der Kohlenſäure der Luft werden ſie unlöslich; ſo-
mit ſind es die baſiſch fettſauren Salze, welchen die reinigende Wirkung
zukommt. Die Rotondiſche Hypotheſe geſtattet auch die Erklärung einzelner
Erſcheinungen, welche ſich durch die Chevreulſche Theorie nicht erklären
laſſen, z. B. die Thatſache, daß beim Seifen von gefärbten, mit Thonerde
gebeizten Stoffen ſowohl Thonerde von der Faſer in Löſung, als Fettſäure
aus dem Seifenbade an die Faſer geht.


Anwendung: Die Anwendung der Seife in der Färberei iſt eine
ungemein vielſeitige; die Frage nach der Wahl einer Seife richtet ſich
ganz nach dem Zweck, dem ſie dienen ſoll. Handelt es ſich lediglich um
eine Reinigung von Schmutz, um eine Wäſche, ſo kann man wohl eine
freies Alkali enthaltende Schmierſeife verwenden, auch in der Türkiſchrot-
färberei iſt der Gebrauch von Kaliſeife nicht ausgeſchloſſen. In der Haupt-
ſache aber iſt auch beim Waſchen (beſonders von Seide und Wolle) einer
neutralen Kernſeife der Vorzug zu geben. In allen den Fällen, wo es
ſich um die Verwendung der Seife direkt zum Färben oder zum Fixieren
von Farben handelt, muß unbedingt eine neutrale Natronſeife verwendet
werden. Dieſes iſt ein für allemal der Fall in der Seidenfärberei, ſowie
bei der Färberei der Baumwolle mit Benzidinfarbſtoffen. Vielfach dient die
Seife auch zum Schönen, zum Beleben der Farben nach beendetem Färben,
insbeſondere für Schwarz und für dunkle Modefarben auf ſchweren Ge-
weben.


Von den Natronſeifen des Handels, welche in der Färberei Verwendung
finden, ſind zu nennen:


1. Marſeiller Seife. Sie wird aus den billigeren geringeren Olivenöl-
ſorten in Südfrankreich und Italien bereitet; letztere heißt wohl auch Vene-
tianiſche Seife
. Dieſe Seifen galten Jahrhunderte hindurch als Muſter
der beſten Seife und waren es auch in der That. Der Nimbus iſt ge-
ſchwunden; Marſeille liefert längſt keine muſtergiltigen Seifen mehr und
die Analyſen von Braconnet, Thénard, Bolley u. A. haben gezeigt,
daß die heutigen Marſeiller Seifen den Wert einer guten deutſchen Talgkern-
ſeife längſt nicht mehr erreichen. Der Ausdruck „Marſeiller Seife“ hat ſich
aber erhalten; nur bedeutet er nicht mehr eine mit beſonderer Sorgfalt her-
geſtellte Olivenölſeife, ſondern man bezeichnet damit heute jede beſſere ausge-
ſalzene Natronkernſeife, insbeſondere auch die nächſtfolgende Sorte.


2. Talgkernſeife. Dieſe wird aus ausgelaſſenem und gereinigtem
Talg und Natronlauge bereitet. In der Hauptſache kommt ſie als ſog.
„geſchliffene“ Seife in den Handel, d. h. als eine waſſerhaltige Seife, welche
[299] etwa in der Mitte ſteht zwiſchen einer reinen Kernſeife und einer ſog. ge-
füllten Seife. Eine ſolche Talgkernſeife iſt weiß, nicht ſelten auch marmo-
riert. Es kommt indes auch eine reine Kernſeife in den Handel. Die Zu-
ſammenſetzung iſt eine wechſelnde, wie folgende Analyſen zeigen:


Ein Vergleich dieſer Zuſammenſetzung mit den Grenzwerten der eben
angegebenen Normalſeife zeigt ohne weiteres die Verwendbarkeit der guten
Sorten Talgkernſeife.


3. Palmkernölſeifen, aus Palmöl und Natronlauge bereitet, gewöhn-
lich gleichzeitig mit andern Fetten und mit Harzen; ſie enthalten als Kern-
ſeife
15 bis 25 Prozent Waſſer, 61 bis 72 Prozent Fettſäuren, 8,5 bis
10 Prozent Alkali; als geſchliffene Seifen 30 bis 40 Prozent Waſſer,
46 bis 55 Prozent Fettſäuren, 6,5 bis 8 Prozent Alkali. Die Kernſeife
der Palmölſeife iſt alſo auch verwendbar, kommt aber im Handel — in
Deutſchland wenigſtens — ſelten rein vor.


4. Harte Elaïnſeife, durch Verſeifen von roher Oelſäure (Stearinöl)
mit Natronlauge gewonnen; ſie iſt gelbbraun, ſchäumt vorzüglich, und iſt
bei geringem Waſſergehalt ſehr feſt. Sie enthält durchſchnittlich 15 bis
23 Prozent Waſſer, 65 bis 69 Prozent Fettſäuren und 6,5 bis 10 Prozent
Natron.


5. Harzſeife. Fichtenharz und Kolophonium mit Alkalien gekocht,
bilden die Reſinate, ſeifenartige Verbindungen, welche eigentlich Harzſeifen
genannt werden müßten, ſchmierige weiche Maſſen, welche für ſich nicht
marktfähig ſind und auch nicht als Seife verwendet werden können. Was
unter dem Namen Harzſeifen in den Handel kommt, ſind Gemenge von
Fettſeifen mit Reſinaten. Bei Darſtellung dieſer Harzſeifen werden die
Fette und das Harz für ſich verſeift und dann die erhaltenen Seifen im
Keſſel vereinigt. Eine ſo bereitete Talgharzſeife enthält 22 bis 27 Proz.
Waſſer, 62 bis 70 Proz. Fett- und Harzſäuren, 6,5 bis 8 Proz. Natron.


Von den gefüllten Seifen, welche in den Handel kommen und
auch in der Textilinduſtrie bisweilen gebraucht werden, beſſer aber nicht
gebraucht werden ſollten
, ſind zu nennen:


6. Eſchweger Seife; eine Seife, entſtanden durch gemeinſames Ver-
ſeifen von Cocosöl, Talg, Palmöl und Knochenfett. Sie ſieht einer ſoliden
Kernſeife ähnlich, iſt feſt, hart und trocken, beſitzt auch eine ſehr gute reini-
gende Wirkung, iſt milde und greift die Farbe der Gewebe nicht an. Als
Fleckſeife iſt ſie zu empfehlen. Nach Analyſen von Schneider und Schäd-
ler
enthält die Eſchweger Seife 42 bis 47 Prozent Waſſer, 41 bis 45 Pro-
[300] zent Fettſäuren, 5 bis 6,5 Natron, 1 ¾ bis 2 Prozent Soda. Die Eſchweger
Seifen entſprechen ſomit nicht mehr denjenigen Anforderungen, welche man
an eine für Färbereizwecke verwendete Seife gemeinhin ſtellt.


7. Waſſerglasſeife iſt eine durch Vermiſchen von Cocosſeifenleim
mit einer konzentrierten Waſſerglaslöſung (30 bis 40° Bé.) erhaltene Seife.
Man erhält ſo eine feſte, ſehr harte, wie Seife ausſehende Maſſe, welche
aber kaum mehr als Seife bezeichnet werden kann, denn eine ſolche Seife
enthält 50 bis 55 Prozent Waſſer, 3 bis 5 ½ Prozent Fettſäuren und
10,5 Prozent Natron. Für Färbereizwecke ſollte eine Waſſerglasſeife keinen-
falls verwendet werden.


8. Gallſeife, eine Seife, entſtanden durch Vermengen friſcher Galle
mit getrockneter Seife; man formt ſie entweder zu Kugeln (Fleckkugeln) oder
preßt ſie in Stücke. Sie dient ihres Gallengehalts wegen als Fleckmittel.


9. Baſtſeife iſt die dickliche Flüſſigkeit, welche beim Entſchälen der
Seide erhalten wird, eine ſchwach alkaliſche, wäſſerige Auflöſung des Seiden-
leims. Näheres hierüber vergl. § 6 Eigenſchaften und Verarbeitung der
Rohſeide. Das Baſtſeifenbad iſt ein faſt unentbehrliches Requiſit der Seiden-
färberei. Die Baſtſeife iſt ſomit keine eigentliche Seife. Dagegen iſt der
von Hummel vorgeſchlagene Baſtſeifenerſatz — eine mit Gelatine ver-
ſetzte Seifenlöſung — eine wirkliche Seife.


10. Ricinusölſeife, eine Natronſeife, welche durch Verſeifen von
Ricinusöl mit der erforderlichen Menge verdünnter Natronlauge erhalten
wird. Dieſe Seife wird meiſtens nicht ausgeſalzen, ſondern als Seifenleim
verwendet, und kommt auch bisweilen — obgleich fälſchlich — als „Tür-
kiſchrotöl“ in den Handel. Sie dient als Appreturmittel, um dem Ge-
webe einen weichen Griff zu verleihen.


§ 107. Türkiſchrotöl.


Das in der Türkiſchrotfärberei vielfach angewendete und in großen
Mengen in den Handel kommende Präparat, auch Sulfoleat oder Aliza-
rinöl
genannt, iſt eigentlich nichts anderes als eine flüſſige Seife; von an-
dern Seifen unterſcheidet ſie ſich jedoch vorwiegend dadurch, daß als Alkali
das Ammoniak dient, und daß ſtatt einer gewöhnlichen Fettſäure hier eine
ſulfonierte Fettſäure in die Verbindung tritt. Nach dem von Müller-
Jacobs
angegebenen Verfahren dürfte das Türkiſchrotöl zu betrachten ſein
als ricinölſulfoſaures Ammoniak, eine Verbindung, für welche ich an
anderer Stelle *) der Kürze halber den Namen Sulfoſeife vorgeſchlagen
habe. Das Türkiſchrotöl wird meiſt fabrikmäßig gewonnen, obgleich es nicht
unvorteilhaft wäre, ſich dasſelbe ſelbſt zu bereiten. Man läßt alsdann in
100 Teile Ricinusöl 20 Teile Schwefelſäure von 66° Bé. langſam und
in dünnem Strahle einfließen; man muß dabei beſtändig gut rühren und
zugleich für entſprechende Abkühlung, nötigenfalls mit Eis, Sorge tragen,
denn die Reaktion iſt eine ſehr heftige; im andern Falle könnte es zur Bil-
[301] dung von ſchwefliger Säure kommen. Das Gemiſch darf ſich keinenfalls
höher als 50° erwärmen. Das ſyrupartige zähe Gemiſch beſteht aus wech-
ſelnden Mengen von Sulfoleïnſäure, von Oxydationsprodukten derſelben, von
unverändertem Oel, von nicht in chemiſche Bindung überführter Schwefel-
ſäure und von Glycerinſulfoſäure, herrührend von der Einwirkung der
Schwefelſäure auf das freiwerdende Glycerin der Triglyceride. Man läßt
die Maſſe erkalten, verdünnt mit Waſſer und neutraliſiert langſam und unter
beſtändigem Umrühren mit verdünntem Aetzammoniak. Man läßt über Nacht
ſtehen; am andern Morgen hat ſich das ſulfoleïnſaure Ammoniak abgeſchie-
den und wird nach ſeiner Trennung von der wäſſerigen ſalzigen Mutterlauge
durch wiederholtes Durchſchütteln mit konzentrierter Kochſalzlöſung gereinigt.
Im letztern Falle hätte man mindeſtens den Vorteil eines gleichmäßigen
Fabrikats. Die in den Handel gelangenden Fabrikate werden nach vonein-
ander abweichenden Vorſchriften gefertigt, und fallen ſehr verſchieden aus,
ſind ſogar nicht ſelten chemiſch ganz und gar verſchiedene Körper. Romen*)
beſchreibt dasſelbe als „eine dickliche, ſyrupähnliche Flüſſigkeit, durchſcheinend,
klar, von gelblichrotem Anſehen, ähnlich einer ſehr konzentrierten Gummi-
löſung; in Waſſer gegoſſen, bildet es mit dieſem ſofort eine innige Emul-
ſion von weißer oder ganz waſſerheller Farbe, welche im erſteren Falle genau
einer Oel- und Soda- oder Pottaſchenemulſion gleicht. Es hat einen ſchar-
fen beißenden Geſchmack, einen fettigen, eigentümlich penetranten Geruch und
fühlt ſich wie ein mit Gummi verſetztes Oel an“. Ganswindt hingegen
ſchildert ſie an oben bezeichneter Stelle als „neutrale, mehr oder minder dicke,
ſyrupähnliche, hellgelbe Flüſſigkeit vom ſpez. Gewicht 1,023; ſie fühlt ſich
bei der erſten Berührung fettig an, beim Verreiben zwiſchen den Händen
hingegen merkt man ſofort, daß man es mit einer richtigen Seife zu thun
hat. Sie miſcht ſich in jedem Verhältniſſe mit Waſſer, und löſt
ſich in Waſſer zu einer ſtark ſchäumenden Flüſſigkeit von bitterem, ſcharfem,
hinterher alkaliſchem, auf der Zunge lange anhaltendem Geſchmacke. Beim
Einreiben der Hände verhält ſie ſich genau wie die gewöhnlichen Seifen u. ſ. w.“


Das Türkiſchrotöl, wie es zur Alizarinfärberei gebraucht wird, muß
neutral ſein, es darf rotes Lackmuspapier weder blau, noch blaues rot
färben. Ein Präparat, welches dieſen Anforderungen nicht genügt, iſt zu
verwerfen. Der Waſſergehalt des Sulfoleats iſt in gleicher Weiſe zu
ermitteln, wie der Fettgehalt der Seifen, indem man nach Stein 10 g
Türkiſchrotöl mit 25 g getrocknetem Wachs auf 75 g einer geſättigten Koch-
ſalzlöſung zuſammenſchmilzt.


Anwendung: Als Oelbeize in der Türkiſchrotfärberei mit Alizarin,
um dadurch beſonders lebhafte und echte Farben zu erzielen.


§ 108. Fette und Oele.


Die Fette und Oele ſind Produkte des lebenden Tier- und Pflanzen-
körpers und werden von einzelnen Individuen in ſo großen Mengen erzeugt,
daß ſie (z. B. beim Schwein) mehr als die Hälfte des geſamten Körperge-
wichts betragen können. Sie ſind entweder ſchon bei gewöhnlicher Tempe-
[302] ratur flüſſig oder auch unter 100°, und zwar unzerſetzt, ſchmelzbar. In
der Kälte werden die feſten Fette härter, die meiſten flüſſigen erſtarren; ſie
fühlen ſich eigentümlich ſchlüpfrig, fettig, an, und machen auf Papier einen
durchſcheinenden Fleck, der weder bei längerem Beizen, noch beim Erhitzen
verſchwindet. Die Fette ſind ſämtlich leichter als Waſſer, ſie ſchwimmen
auf demſelben; ſie ſind in Waſſer unlöslich, ſehr ſchwer in Alkohol, dagegen
leicht in Aether, Schwefelkohlenſtoff, Chloroform, Benzin ꝛc.


Von der großen Menge der Fette und Oele kommt für Färbereizwecke
nur eine verhältnismäßig kleine Zahl in Betracht.


Ihrer chemiſchen Zuſammenſetzung nach ſind die Fette als äther-
artige Verbindungen von Fettſäuren mit Glycerin
zu betrachten;
es ſind ſtets auf 1 Atom Glycerin 3 Atom Fettſäuren zu rechnen, weshalb
die Fette auch als Triglyceride bezeichnet werden. Beim Verſeifungs-
prozeß, alſo beim Behandeln der Fette und Oele mit Aetzalkalien, werden
die Fette zerlegt, indem die Fettſäuren ſich mit dem Alkali zu Seife ver-
binden (vergl. § 105), während das Glycerin frei wird und ſich in der
ſog. „Unterlange“ findet.


Wirkungsweiſe: Alle Fette und Oele werden durch den Sauerſtoff
der Luft in höherem oder geringerem Grade verändert. Einige Oele trock-
nen dabei vollſtändig ein (z. B. Leinöl), andere Fette werden ranzig; der
ranzige Geruch iſt ein ſicheres Zeichen für das Auftreten freier Fettſäuren.
Dieſe freiwillige Zerſetzung der Fette wird durch Berührung mit Waſſer,
ſowie durch Lichteinwirkung beſchleunigt. Eine derartige Zerſetzung der Oele
muß es auch ſein, welche dieſelben für die Verwendung als Oelbeizen
geeignet macht. Mindeſtens müſſen wir uns mit einer ſo allgemeinen An-
nahme für ſolange begnügen, bis ein anderweiter einwandfreier Beweis für
die Wirkung der Oele erbracht ſein wird.


Anwendung finden die Fette und Oele teils als Oelbeizen, und zwar
auf Baumwolle und zum Fixieren von Thonerdebeizen, ſowie als Einfet-
tungsmittel und auch in der Appretur.


1. Olivenöl, Baumöl, Provenceröl, Tournantöl. Das aus
dem Fruchtfleiſch der Oliven, der Früchte des Oelbaums, Olea euro-
paea
L., durch Preſſen gewonnene Oel. Die erſte Preſſung geſchieht kalt
und ohne großen Druck, ſie liefert das feinſte Olivenöl, welches als Jungfernöl,
huile de vierge, in den Handel kommt. Dann folgt eine zweite ſehr ſcharfe
kalte, und darauf eine dritte heiße Preſſung. Die zweite Preſſung liefert
noch ein klares, gelbes, als Speiſeöl verwendbares Olivenöl; die dritte
Preſſung gibt das bereits eigentümlich ranzig riechende grünliche Baumöl.
Nach der dritten Preſſung wird der Preßkuchen zerkleinert, mit überhitztem
Waſſerdampf behandelt und nochmals ſcharf heiß gepreßt. Man erhält ſo
das Tournantöl, ein dickes trübes ranziges Oel, welches durch Erwärmen
ein klares gelbes Oel von 0,916 bis 0,918 ſpez. Gewicht gibt. Dieſes
Tournantöl iſt das in der Färberei verwendete Oel. Die Anwendung iſt
eine beſchränkte; es dient faſt nur noch als Zuſatz zu Druckfarben, um ihnen
eine gewiſſe Weichheit zu erteilen.


2. Ricinusöl. Das aus dem Samen der Ricinusſtaude, Ricinus
communis
L., durch Preſſen gewonnene dickflüſſige, gelblichweiße Oel
von ſchwachem Geruch und 0,95 bis 0,96 ſpez. Gewicht; im Winter ge-
[303] friert es zu einer weißlichen, halb durchſichtigen Maſſe. Von allen andern
Oelen unterſcheidet es ſich durch ſeine Löslichkeit in ſtarkem Alkohol;
ein Ricinusöl, welches dieſe Eigenſchaft nicht zeigt, iſt verfälſcht. Außer in
Alkohol löſt ſich das Ricinusöl auch in Aether, Chloroform, Schwefelkohlen-
ſtoff, Benzol u. ſ. w. Die hauptſächlichſte Anwendung findet das Ricinusöl
zur Bereitung des Türkiſchrotöls und der Ricinusölſeife; die geringeren brau-
nen Sorten dienen auch direkt als Zuſatz zur Appretur.


  • 3. Rüböl.
  • 4. Seſamöl.
  • 5. Baumwollenöl.
  • 6. Thran.
  • 7. Talg.
  • 8. Cocosöl.

§ 109. Indifferente Stoffe.


Als indifferente Stoffe ſind ſolche Körper zu bezeichnen, welche weder
auf die Farbſtoffe noch auf die Faſer einen merklichen Einfluß haben. Sie
kommen in der Färberei faſt nur als Löſungsmittel gelegentlich zur An-
wendung.


1. Alkohol, Weingeiſt, Spiritus, C2 H5 · OH. Ein Produkt der
Brennereien und Spritraffinerien. Der Sprit kommt in verſchiedenen Stär-
ken, d. h. mehr oder minder waſſerhaltig, in den Handel. Das Inſtrument,
welches zum Meſſen der Stärke dient, iſt das Aräometer, eine geeichte
Senkſpindel, welche den Volumprozentgehalt an Alkohol in Graden an-
gibt; ein 96 grädiger Spiritus enthält ſomit auf 100 l 96 l abſoluten Al-
kohol und 4 l Waſſer; ein 80grädiger Spiritus enthält auf 100 l 80 l
abſoluten Alkohol und 20 l Waſſer. Infolge des Branntweinſteuergeſetzes
iſt der nicht zum Genuß dienende und von der hohen Steuer befreite Alko-
hol nur in denaturiertem Zuſtande zu haben, in welchem Zuſtande er
einen ſehr unangenehmen Geruch beſitzt, welcher von dem Denaturierungs-
mittel herrührt; im übrigen iſt er eine farbloſe, mit ſchwach blauer Flamme
brennbare, mit Waſſer in jedem Verhältnis miſchbare Flüſſigkeit. Eine Ver-
wendung von Sprit findet nur zum Auflöſen einzelner in Waſſer unlöslicher
Teerfarben, z. B. der ſpritlöslichen Eoſine und der ſpritlöslichen Induline
und Nigroſine ſtatt.


2. Glycerin, C3 H5 · (OH)3, iſt der eine der beiden Beſtandteile der
Fette. Bei der Verſeifung der Fette und Oele mit Alkalien werden die
erſteren in ihre beiden Beſtandteile geſpalten; die Fettſäuren verbinden ſich
mit den Alkalien zu Seifen, während das Glycerin in Freiheit geſetzt wird.
Glycerin iſt daher ein Nebenprodukt der Seifenfabrikation; es findet ſich in
der Unterlauge der Seifenſiedereien, welche den Ausgangspunkt zur Gewin-
nung des Rohglycerins bilden, aus welchen nach verſchiedenen Methoden, die
hier nicht erörtert werden können, das reine Glycerin gewonnen wird. Es
kommt in verſchiedener Reinheit in den Handel; das reine Glycerin iſt ab-
ſolut farblos, waſſerhell, klar, durchſichtig, ohne Geruch, von rein ſüßem Ge-
[304] ſchmack, von dünner Syrupskonſiſtenz; es hat ein ſpez. Gewicht von 1,267,
und miſcht ſich mit Waſſer und Alkohol in jedem Verhältniſſe, iſt jedoch in
Aether, Chloroform, Schwefelkohlenſtoff ꝛc. unlöslich. Geringere Sorten
ſind gelblich bis braun, und enthalten die Beſtandteile der Seifenſiederunter-
lauge in geringerer oder größerer Menge; ein ſolches Glycerin ſollte nicht
verwendet werden. Wenn die Verwendung in der Färberei auch nicht ein
abſolut reines Glycerin erfordert, ſo muß doch ein gereinigtes verlangt wer-
den, wie es als raffiniertes Glycerin von ſchwach gelblicher Farbe bis
faſt farblos in den Handel kommt; ein ſolches Glycerin muß kalkfrei ſein
(es darf mit oxalſaurem Ammoniak keine Trübung oder Niederſchlag geben),
es darf kein Kochſalz enthalten (es darf mit Höllenſteinlöſung keinen käſigen
Niederſchlag geben) und darf keine Schwefelſäurereaktion zeigen (es darf
blaues Lackmuspapier nicht rot färben).


Anwendung: Es wird in vereinzelten Fällen als Löſungsmittel für
Farbſtoffe angewandt. Auch als Appreturmittel wird es gern gebraucht, weil es
den Waren eine gewiſſe Geſchmeidigkeit und einen angenehmen Griff verleiht.
Es dient ferner zur Bereitung eines Mordants, des Glycerinarſeniks, und
neuerdings als Zuſatz zu Bleichflüſſigkeiten.


3. Benzin iſt kein einheitlicher chemiſcher Körper, ſondern ein Ge-
miſch verſchiedener leicht flüchtiger Kohlenwaſſerſtoffe, wie ſolche bei der
Verarbeitung des Steinkohlenteers, als auch des Rohpetroleums in den er-
ſten Fraktionen der Deſtillationsprodukte enthalten ſind. Je nach der Her-
kunft unterſcheidet man daher auch: Petroleumbenzin und Steinkohlen-
benzin
. Obgleich dieſelben chemiſch voneinander vollſtändig verſchieden ſind,
ſtimmen ſie in ihren phyſikaliſchen Eigenſchaften faſt ganz miteinander überein,
und es iſt für den Färber gleichgültig, welches von beiden er anwendet.
Benzin charakteriſiert ſich als eine farbloſe, leicht flüchtige, ätherartig riechende,
leicht brenzliche Flüſſigkeit, welche ſich mit Waſſer nicht miſcht; es iſt un-
gemein leicht entzündlich und feuergefährlich; es entzündet ſich ſogar noch
in weiter Entfernung von der brennenden Flamme. Es müßte in jeder
Färberei zum Geſetz gemacht werden, mit Benzin nur bei Tage, niemals
aber bei Lampen- oder Gaslicht
, zu arbeiten. Das Benzin beſitzt
ein ſehr bedeutendes Löſungsvermögen für Fette, Oele, Harze, Wachs, Teer
u. dergl. und verdankt dieſem Umſtande ſeine Anwendung als Fleckmittel.
In großem Maße findet es Verwendung in den chemiſchen Wäſchereien, wo
es in eigenen Benzinwaſchmaſchinen, welche die Widerbenutzung des verwen-
deten Benzins geſtatten, zum Entflecken verwendet wird.


4. Terpentinöl findet ſich im Terpentin, dem aus den Nadelhölzern
ausfließenden gelblichweißen, körnigen, honigdicken Balſam, aus welchem es
durch Deſtillation mit Waſſerdampf abgeſchieden wird, während Kolophonium
oder Fichtenharz als Rückſtand zurückbleibt. Es bildet eine waſſerhelle, klare,
ſtark und eigentümlich riechende, das Licht ſtark brechende, in Waſſer unlös-
liche und damit nicht miſchbare Flüſſigkeit von 0,86 bis 0,89 ſpez. Gew.
Das Terpentinöl zeichnet ſich durch ſeine Neigung, Sauerſtoff aufzunehmen
und in Ozon umzuwandeln und dieſes an andere Körper wieder abzugeben,
vor anderen Körpern aus; es iſt ein vortrefflicher Sauerſtoffüberträger.


[305]

§ 110. Bleichmittel.


Hier finden nur diejenigen Bleichmittel noch einen Platz, welche in die
bisherige Einteilung nicht ſich einrangieren ließen, nämlich Schwefel und
Waſſerſtoffſuperoxyd.


1. Schwefel. Der zum Bleichen (Schwefeln) von Wolle und Seide
vielfach verwendete Schwefel kommt teils als Stangenſchwefel teils als ſub-
limierter Schwefel in Pulverform in den Handel; im erſteren Falle bildet
er 4 bis 5 cm dicke runde Stangen, hart, ſchwefelgelb, faſt geruchlos, ſpröde;
ſie laſſen ſich leicht zu Pulver zerſtoßen und zerreiben. Der pulverförmige
Schwefel, Schwefelblumen, iſt ein gelbes, niemals ganz trockenes, krüm-
liges Pulver von ſchwachem Geruch, unlöslich in Waſſer; es enthält ſtets
etwas ſchweflige Säure. Beide Formen müſſen ohne Rückſtand verbrennen.
Die Verbrennung geſchieht in den Schwefelkammern zu ſchwefliger Säure
(vergl. auch § 87, 3).


2. Waſſerſtoffſuperoxyd, H2 O2, beſteht, wie das Waſſer, aus
Sauerſtoff und Waſſerſtoff, enthält jedoch auf die gleiche Menge Waſſerſtoff
die doppelte Menge Sauerſtoff, hat aber mit Ausnahme ſeiner Farbe und
Form nichts mit dem Waſſer gemein. Es wird in chemiſchen Fabriken
durch Behandeln von Baryumſuperoxyd mit verdünnten Säuren erhalten
und kommt für den techniſchen Bedarf niemals in konzentrierter Form, ſon-
dern ſtets nur in ſchwach angeſäuerter wäſſeriger meiſt 3 bis 10prozentiger
Löſung in den Handel. Dieſe bildet eine farbloſe, waſſerhelle Flüſſigkeit
von eigentümlichem Geruch und nur geringer Beſtändigkeit; ſie muß an einem
kühlen Ort vor Licht geſchützt aufbewahrt werden, auch gut verſchloſſen ſein,
da ſie ſich ſchon an der Luft, wenn auch langſam, zerſetzt.


Das Handelsprodukt muß für ſeine Verwendung als Bleichmittel
mit dem 5 bis 10fachen Gewicht Waſſer verdünnt *), mit Ammoniak bis
zur alkaliſchen Reaktion verſetzt und kalt verwendet werden. Das Handels-
produkt iſt zwar nicht chemiſch rein (es enthält geringe Mengen ſaures
Baryumphosphat und andere Verunreinigungen), welche jedoch den Bleich-
prozeß nicht beeinfluſſen.


§ 111. Appreturmittel.


In dieſem Paragraphen finden nur diejenigen Appreturmittel Erwähnung,
welche nicht bereits als Salze, Fette u. dergl. einen Platz gefunden haben.


1. Stärke, Stärkemehl. Die Stärke iſt ein Produkt des pflanz-
lichen Lebens und kommt in den Pflanzen ſtets in Form von Körnern vor.
Dieſe ſind ſtets farblos und weichen in Bezug auf Größe und Form oft
ſehr weſentlich voneinander ab. Dieſe Abweichungen ſind ſo bedeutend, und
die Größe und Form der einzelnen Stärkekörner iſt ſo charakteriſtiſch für
die einzelnen Arten, daß man in den meiſten Fällen daraus allein ſchon einen
Ganswindt, Färberei. 20
[306] Rückſchluß auf die Abſtammung der Stärke ziehen kann. Dieſe Verhältniſſe
ſind jedoch nur mit Hilfe eines Mikroſkops zu erkennen. Die Stärke findet
ſich in allen Teilen der Pflanze, vorzugsweiſe aber in den Knollen (Kartoffel,
Tapioka) und in den Samen (Weizen, Reis, Mais). Sie wird durch Zer-
reiben und Schlemmen der betreffenden Pflanzenteile mit Waſſer gewonnen.


Die Stärke des Handels bildet ein mehr oder weniger glänzendes,
weißes, zart anzufühlendes, zwiſchen den Fingern knirſchendes, geruch- und
geſchmackloſes, in Waſſer, Alkohol, Aether, Chloroform, Benzin ꝛc. unlös-
liches Pulver. Dagegen vermag die Stärke bei Behandlung mit
Waſſer bis 80 Prozent ihres eigenen Gewichts Waſſer zurück-
zuhalten
; beim Trocknen an der Luft enthält ſie dann durchſchnittlich 35 bis
36 Prozent Waſſer, an feuchter Luft ſteigt aber der Gehalt bis auf
56 Prozent (Tſchirch). Eine ſolche Stärke läßt ſich auch nicht ſieben und
ballt zuſammen, wenn man ſie in der Hand drückt. Man ſtellt daher in
den Stärkefabriken durch Anwendung künſtlicher Wärme eine Stärke her,
welche 18 bis 20, oft ſogar nur 12 bis 15 Prozent Waſſer enthält. Dieſe
iſt locker und läßt ſich ſieben. Ihrer Zuſammenſetzung nach beſteht die
Stärke des Handels außer Stärke und Waſſer noch aus kleinen Anteilen
Aſche, ſtickſtoffhaltiger Subſtanz, Fett und Rohfaſer, wie folgende Tabelle von
König zeigt:

Die Stärke reagiert neutral. Erwärmt man vorſichtig getrocknete Stärke
über 100°, ſo bleibt ſie bis über 160° unverändert, geht jedoch bei 200°
ohne Gewichtsabnahme in Dextrin über und wird dadurch waſſerlöslich.
Waſſerhaltige Stärke wird ſchon bei erheblich niedrigerer Temperatur in Dextrin
übergeführt.


Wird Stärke in kaltem Waſſer verteilt, ſo ſetzt ſie ſich bald, ohne ge-
löſt zu werden, als feines Pulver zu Boden; erwärmt man ſie aber mit
dem Waſſer, ſo tritt, je nach der Stärkeſorte, früher oder ſpäter Verkleiſte-
rung ein. Da die Stärke ſowohl zu Appreturzwecken, wie für Verdickungen,
ſtets verkleiſtert werden muß, wird es von Intereſſe ſein, die nachſtehende
Tabelle der Verkleiſterungstemperaturen (nach Lippmann) kennen zu lernen:

[307]

Durch die Verkleiſterung werden die Stärkekörner nicht gelöſt, ſie quellen
vielmehr nur außerordentlich auf (auf das 25 bis 30fache), dehnen und zer-
ſprengen dann die Hüllen, die als zarte Häutchen noch im Kleiſter zu finden
ſind und fließen endlich zuſammen. Je dichter ſie liegen, deſto feſter und
zäher iſt der Kleiſter.


Prüfung: Die Stärke wird ihrer mannigfachen techniſchen Anwendung
wegen vielfach verfälſcht. Die Zuſätze, welche ihr gemacht werden, ſind je-
doch derart, daß ſie die Verwendung der Stärke als Appreturmittel nicht
ſchädigen. Häufig ſind es ſogar Körper, welche ſelbſt als Appreturmittel
Verwendung finden z. B. Kreide, Gyps, Schwerſpath, oder welche ein be-
ſonderes Weiß oder einen beſonderen Glanz hervorrufen ſollen, z. B. Ultra-
marin, Stearin. Die erſtgenannten Beſchwerungsmittel werden durch eine
Aſchenbeſtimmung (eine über 8/10 Prozent Aſche enthaltende Stärke iſt als
verfälſcht anzuſehen). Notwendig iſt nach dem eben Geſagten eine Wert-
beſtimmung
(eine über 20 Prozent Waſſer enthaltende Stärke iſt zu be-
anſtanden); notwendig iſt ferner die Prüfung auf Neutralität (eine mit dem
doppelten Gewicht deſtillierten Waſſers angerührte Stärke darf blaues Lack-
muspapier nicht rot färben; eine Rotfärbung verrät Schwefelſäure oder
Milchſäure). Für die Verwendung im Zeugdruck beſonders wichtig iſt ſein
Verdickungsvermögen. Dieſes wird nicht direkt ermittelt, ſondern man
ſchließt nur darauf nach der Zeitdauer, welche ein jedesmal aus 100 g der
zu prüfenden Stärke und 1 kg Waſſer unter gleichen Bedingungen bereiteter
Kleiſter braucht, um in Milchſäuregärung überzugehen. Man ſchließt aus
der Länge der Zeit bis zum Sauerwerden auf die Kleiſterkonſiſtenz, und von
da auf das Verdickungsvermögen.


Die gebräuchlichſten Sorten der Stärke ſind folgende:


a)Kartoffelſtärke, aus den Kartoffeln durch Zerreiben und Schlem-
men gewonnen. Sie iſt blendend weiß und ſtark glänzend. Unter dem
Mikroſkop erkennt man ſie durch ihre großen, regelmäßigen, eiförmig läng-
lichen Körner, in denen eine Schichtung deutlich wahrnehmbar iſt.


b)Weizenſtärke, aus Weizenmehl bereitet. Weiße, zerreibliche Stücke,
minder glänzend als die vorige. Waſſergehalt 14 bis 16 Prozent. Die
Körner der Weizenſtärke erſcheinen unter dem Mikroſkop klein und rund.


c)Reisſtärke, aus Reismehl dargeſtellt, bildet große, gelblich weiße,
ſtrahlige Stücke von geringem Glanz. Sie iſt dichter und ſchwerer, als die
vorigen. Unter dem Mikroſkop erſcheint ſie als kleine eckige Körperchen.


d)Maisſtärke, aus türkiſchem Weizen gewonnen. Sie ſteift beſſer
und gleichmäßiger als Weizenſtärke; die Appretur iſt aber weniger fein.
Unter dem Mikroſkope zeigt ſie ganz kleine runde und mittlere eckige
Körner.


2. Dextrin, gebrannte Stärke, geröſtete Stärke, Stärke-
gummi, Leiogomme, Leiocom, Gommeline
. Alle dieſe Namen ſind
Bezeichnungen für eine durch Röſten oder durch Behandlung mit verdünnten
Säuren in eine lösliche Modifikation übergeführte Stärke. Das Dextrin iſt
ein Uebergangsprodukt von der Stärke zum Stärkezucker und als ſolcher
ſelten reines Dextrin, ſondern ein wechſelndes Gemiſch von Zwiſchenprodukten,
20*
[308] deren eine ganze Anzahl exiſtieren und deren hauptſächlichſtes das Dextrin iſt.
Das Dextrin des Handels iſt alſo ein Gemiſch von reinem Dextrin mit den
übrigen Zwiſchenprodukten. Es kommt entweder als rein weißes Pulver
(reines Dextrin) oder als gelbliches bis bräunliches Pulver (gebrannte Stärke)
oder als gummiartiges Pulver von weißlicher Farbe in den Handel. Das
reine Dextrin iſt geruch- und geſchmacklos und löſt ſich in gleichen Teilen
Waſſer zu einem neutral reagierenden, klebrigen Syrup. Die beiden andern
Handelsprodukte löſen ſich nicht vollſtändig, es bleibt ein erheblicher Rück-
ſtand ungelöſt. In der Praxis pflegt man als „Dextrin“ nur die aus
Kartoffelſtärke durch Erwärmen mit verdünnter Schwefelſäure dargeſtellte
Ware, dagegen als „Leiogomme“ oder „Gommeline“ die durch Röſten aus
Kartoffelſtärke bereitete zu bezeichnen. Das Dextrin enthält bis zu 8 Prozent
Waſſer. — Prüfung: Die Prüfung erſtreckt ſich auf den Waſſergehalt,
auf die Neutralität und auf das Verdickungsvermögen. — Anwendung:
In ausgedehntem Maße als Verdickungsmittel für Druckfarben und Beizen.


3. Mehl. Hier kommen nur Weizen-, ſeltener Roggenmehle in Be-
tracht. Die Verwendung von Mehl als Appreturmittel wird höchſt ver-
ſchiedenartig beurteilt. Thatſächlich wird es verwendet, und es iſt nicht ein-
zuſehen, warum es nicht Verwendung finden ſollte, da der Kleber gehalt
desſelben es als Verdickungsmittel beſonders geeignet erſcheinen läßt. Natür-
lich muß das Mehl nicht verfälſcht oder verdorben ſein. Die Prüfung auf
Reinheit des Mehles iſt eine teils mikroſkopiſche, teils chemiſche (Aſchebe-
ſtimmung). Die Prüfung auf das Verdickungsvermögen führt der Appreteur
ſelber aus.


4. Gummi arabicum, Senegalgummi, Mogadorgummi,
Gheziregummi
, ſind Bezeichnungen für den in Körnern, Thränen oder
Stücken erhärteten ausgefloſſenen Saft verſchiedener in Afrika heimiſcher
Bäume. Es erſcheint im Handel in mehr oder minder großen, farbloſen
bis dunkelbraunen, durchſichtigen oder durchſcheinenden, harten, ſpröden Stücken
mit muſcheligem Bruch, welche in Waſſer langſam, aber vollſtändig löslich
ſind und eine ſchleimige, dickliche, klare Löſung geben. — Gummi arabicum
iſt heute ein ſehr ſeltener und teurer Artikel geworden; ſeit der Sudan
europäiſcher Kultur verloren iſt, kommt das ſchöne Kordofangummi ſchon ſeit
2 Jahren faſt gar nicht mehr in den Handel und man muß ſich mit Gehzire,
Senegal und dem noch geringeren Mogadorgummi behelfen. Auch ſind eine
Anzahl künſtlicher Präparate als Erſatz des Gummis in den Handel gekom-
men, welche freilich das Gummi nicht entfernt erſetzen. Die verſchiedenen
Sorten enthalten vielfach nicht unbedeutende Verunreinigungen, Sand-, Holz-
und Rindenſtücke, welche beim Löſen ungelöſt zurückbleiben; zur Befreiung
von dieſen Unreinigkeiten iſt die Gummilöſung durch ein Flanelltuch durch-
zuſeihen. — Anwendung: Als Verdickungsmittel für zarte Druckfarben.


5. Traganth, gewöhnlich Gummitraganth genannt, ſtammt von einer
kleinaſiatiſchen Papilionacee. Die Droge kommt in gewundenen dünnen Streifen
und Blättern von ſchwach gelber oder milchig weißer Farbe in den Handel,
welche hornartig ſind, aber in kaltem Waſſer aufquellen und in kochendem
Waſſer ſich löſen. Solche Löſungen gerinnen beim Erkalten zu einer dicken
ſchleimigen Flüſſigkeit; hierauf beruht ihre Verwendung. — Traganth iſt
teuer, aber ſeine charakteriſtiſche Form ſchützt es vor groben Verfälſchungen.
[309] Den Appreteur kümmert nur ſein Verdickungsvermögen. Stein empfiehlt,
zur Prüfung 25 g Traganth in 2 kg Waſſer 24 Stunden zu quellen, dann
anhaltend zu kochen, die durchgeſeihte Löſung auf 2 kg zu ergänzen und nach
24 Stunden ihr Verdickungsvermögen zu prüfen.


6. Leim, Gelatine. Leim iſt ſtets tieriſchen Urſprungs; er iſt das
Bindematerial einer großen Anzahl von Beſtandteilen des Tierkörpers, ſo
der Knochen, Haut, Sehnen, Knorpel, Hufe, und wird aus dieſen, ſowie
aus ſonſtigen tieriſchen Abfällen aller Art durch Auskochen gewonnen. Die
erkaltete Abkochung bildet nach dem Erkalten die Leimgallerte, welche, in
flache Scheiben geſchnitten und auf Bindfadennetzen getrocknet, die Leim-
tafeln
bildet. Der Leim kommt in verſchiedenen Formen und Sorten in
den Handel und zwar: a) als Gallert in Fäſſer verpackt (um den ſchwieri-
gen Austrocknungsprozeß zu umgehen); b) in durchſichtigen, klaren, gelben
bis braunen Tafeln (Mühlhäuſer Leim, Kölner Leim); c) in undurch-
ſichtigen
weißlichen bis bräunlichen, mit mehr oder minder großen Mengen
Barytweiß verſetzten Tafeln (Ruſſiſcher Leim); d) als Gelatine; dieſe iſt
ein mit ganz beſonderer Sorgfalt hergeſtellter, völlig farbloſer Leim, in ganz
dünnen Tafeln. — Der Leim iſt ſtickſtoffhaltig und wird aus ſeinen Löſungen
durch Gerbſäure niedergeſchlagen. Auf dieſer Eigenſchaft beruht ſeine Be-
nutzung als zeitweiliges Fixiermittel für Gerbſäure. Sonſtige Verwendung
findet Gelatine als Zuſatz zum Farbbade bei Muſtern mit Weiß (Stein);
vornehmlich aber in der Appretur in allen den Fällen, wo eine gewiſſe Feſtig-
keit und Steifheit neben kräftigem Griff erzielt werden ſoll.


7. Albumin, Eiweiß, wird in der Färberei nur ſehr ſelten gebraucht;
dafür bildet es einen Hauptartikel in der Zeugdruckerei. Es gibt ſowohl
tieriſches als auch Pflanzeneiweiß. Hier intereſſiert uns nur das tieriſche.
Dasſelbe iſt in reinem Zuſtande und reichlicher Menge in den Vogeleiern
enthalten und bildet die weiße Hülle des Eidotters. Dieſes reine Eiweiß
kommt in neuerer Zeit als weißes lockeres, in Waſſer leicht lösliches Pulver
unter der Bezeichnung „Trockenes Eiereiweiß“ in den Handel. Ge-
bräuchlicher — weil billiger — iſt das Blutalbumin. Das Eiweiß iſt
ein Hauptbeſtandteil des Bluts und wird daraus nach Entfernung des Blut-
fibrins und des Blutfarbſtoffes in eigenen Fabriken gewonnen. Es erſcheint
im Handel als hornartige, hellgelbe bis braune Blättchen, die in Waſſer lös-
lich ſind, aber beim Erwärmen der Löſung über 70° oder durch Dampf,
ferner durch verdünnte Säuren, Thonerdeſalze, Zinkſalze, Bleiſalze und ähn-
liche Körper dauernd in Waſſer unlöslich werden; dagegen läßt ſich unlöslich ge-
wordenes Albumin durch Ammoniakſalze wieder in Löſung überführen. Auf
dieſer Eigenſchaft beruht ſeine Verwendbarkeit in der Druckerei; es dient
zur Fixierung unlöslicher Körperfarben. Das Albumin an ſich beſitzt direkte
Verwandtſchaft zu den Teerfarbſtoffen und könnte daher ſehr wohl auch als
Beize dienen, iſt dazu aber zu teuer.


8. Caſeïn iſt der bei der Molkenbereitung ſich als unlöslich ausſchei-
dende Käſeſtoff. Als Handelsware bildet es ein gelbliches krümliges Pulver,
welches in Waſſer unlöslich iſt, in alkaliſchen Flüſſigkeiten oder in Borax-
löſung ſich dagegen löſt. — Anwendung: Im Zeugdruck als Erſatzmittel
für Albumin, da es in gelöſter Form, ähnlich wie Albumin, durch Dämpfen
koaguliert.


[310]

9. Harze. Fichtenharz und Kolophonium, die Rückſtände von der
Terpentinölfabrikation, kommen als hellgelbe, goldgelbe bis braune, harte,
ſpröde, leicht zerreibliche Stücke mit muſcheligem Bruche in den Handel; die
Stücke ſind an der Kante durchſcheinend, auf der Oberfläche meiſt wie mit
einem zarten Pulver beſtäubt. Die gereinigten Harze müſſen ſich in kochender
Sodalöſung völlig ohne Rückſtand löſen. — Anwendung: Vereinzelt für
Bleicherei und Appretur.


10. Stearin iſt die bekannte weiße Maſſe, aus der die Stearinkerzen
gefertigt werden. Es bildet neben Glycerin den Hauptbeſtandteil einer An-
zahl von Fetten, beſonders feſten Fetten. In den Stearinfabriken werden
dieſe Fette — vorzugsweiſe Talg und Palmöl — durch Säuren oder Aetz-
alkalien (Kalk) in ihre Beſtandteile zerlegt. Das Stearin des Handels iſt
ein Gemenge von Stearinſäure und Palmitinſäure, und bildet weiße Blöcke
oder Platten, welche bei 66° C. ſchmelzen. — Anwendung: Als Zuſatz
zur Appretur, beſonders von Weißwaren, um den Geweben einen größeren
Glanz und einen milden und feinen Griff zu verleihen.


11. Paraffin iſt ein Produkt der trockenen Deſtillation der Braun-
kohlen. Es wird in den Paraffin- und Solarölfabriken gewonnen und kommt
als feſte, weiße, durchſcheinende, leicht weich werdende, bei 45 bis 70°
ſchmelzende Maſſe in den Handel; es löſt ſich in Alkohol und Aether und
läßt ſich mit anderen Fetten und Oelen leicht zuſammenſchmelzen. — An-
wendung
: Als vorzügliches Appreturmittel, welches Weichheit, Glanz und
einen ſchönen milden weichen Griff gibt.


12. Wachs iſt ein ſehr ſchönes, aber teures und daher nur beſchränkte
Anwendung findendes Appreturmittel. Es iſt ein Produkt der Bienen und
kommt in den Handel als a) gelbes Wachs, b) weißes Wachs. Letzteres
iſt das reinere, gebleichte Produkt und bildet runde, dünne, durchſcheinende,
weiße Scheiben von 12 bis 15 cm Durchmeſſer; es iſt geruchlos, hart,
brüchig, wenig löslich in Alkohol und Aether, leicht löslich in Benzin,
Chloroform, Schwefelkohlenſtoff; es ſchmilzt bei 63 bis 64° und läßt ſich
mit Fetten, Oelen und Harzen in jedem Verhältnis zuſammenſchmelzen. Es
wird häufig verfälſcht. Die Prüfung iſt ſchwierig und wird, wenn es ſich
um verläßliche Reſultate handelt, am beſten einem Apotheker oder Chemiker
übertragen. Zur Verfälſchung dienen: Waſſer, Stärke, Gyps, Schwerſpath,
Harz, Talg, Cereſin, Pflanzenwachs, Stearin und Paraffin.


13. Walrat ſtammt vom Pottfiſch oder Potwal, Catodon macroce-
phalus,
einem Seeſäugetier von ungeheuren Dimenſionen, was am beſten
daraus hervorgeht, daß ein einziges Tier bis zu 5000 kg Walrat liefert,
daß dieſes ⅕ des geſamten Fettgehalts ausmacht und daß dieſe große Fett-
maſſe von etwa 500 Centnern in einer Höhlung unterhalb des Schädels ſich
befindet. Es bildet ſchneeweiße, perlmutterglänzende, etwas durchſcheinende,
ein wenig fettig anzufühlende, großblätterige, zerbrechliche Kryſtallmaſſen von
ſchwachem Geruch. Es ſchmilzt bei 45 bis 54°, iſt in Waſſer unlöslich,
löſt ſich aber leicht in kochendem Weingeiſt, in Aether, Chloroform, Schwefel-
kohlenſtoff, wenig in Benzin und Petroleumäther. Bei längerem Liegen an
der Luft wird er gelblich und ranzig; auf Papier hinterläßt er keinen Fett-
fleck, andernfalls iſt er verfälſcht. Kochende Natronlauge greift ihn nicht
an, worauf zugleich ſeine Prüfung beruht (Talg und Stearin, als Ver-
[311] fälſchungen darin enthalten — werden verſeift). Der Hauptbeſtandteil des
Walrats iſt Palmitinſäure-Cetyläther. — Die Hauptmenge der durchſchnittlichen
Jahresausbeute von etwa 130000 Centnern wird als Appreturmittel ver-
wendet.


14. Diverſe. Außer den bisher aufgezählten finden noch zeitweilige
Verwendung oder ſind zur Verwendung vorgeſchlagen worden: Carragheen,
Leinſamen
und Salep, deren Schleim als Verdickungsmittel gebraucht
wird; Ly-chow, ein grauweißes, in Waſſer lösliches Pulver, allem Anſchein
nach eine ſchwach gebrannte Stärke; Geloſe, Haï-Thao, japaniſcher Fiſch-
leim, eine Agar-Agar-Sorte, wie das vorige als Verdickungsmittel gebraucht;
Japanwachs, Cereſin, und eine Anzahl von Surrogaten für die sub
1 bis 12 angeführten Körper, wie Pflanzenleim, Pflanzengummi, Appa-
retin
(eine konzentrierte Löſung von Stärke in Aetznatronlauge), Endos-
min, Redarin
u. ſ. w.


Hierher gehört gewiſſermaßen auch noch das Ultramarin, jene ſchöne
blaue Farbe, welche der Stärke zugeſetzt wird, um das geſtärkte Gewebe rein
weiß erſcheinen zu laſſen.


§ 112. Hilfsmittel.


Hier ſollen nur noch einige Körper Erwähnung finden, die teils zeit-
weilig noch Anwendung in der Färberei finden, teils als Hilfsmittel zur
Prüfung und Unterſuchung hinzugezogen werden.


1. Kleie iſt die beim Mahlen der Getreidekörner abfallende, ſtickſtoff-
reiche und fettreiche Schale. Die Anwendung der Kleie beruht auf ihrem
Eiweißgehalt, um durch denſelben Farben auf der Faſer zu fixieren. Die
Kleie wird deshalb in Form des Kleienbades angewendet, welches die
Waren nach dem Färben paſſieren. Nach Schmidt macht die Kleie die
Färbung lebhafter und gleichmäßiger, aber auch ſchwächer. — Kleie dient
ferner, beſonders bei der Färberei der alten Schule, noch zum Weichmachen
des Waſſers und zum Austreiben des Keſſels, was wohl auch ſeinem Ei-
weißgehalt zu verdanken iſt. Die Kleie waren Vorläufer des Albumins,
welches in allen den Fällen, wo Kleie zur Verwendung gelangt, mit weit
größerem Vorteil verwendet werden kann.


2. Walkerde. Zum Walken dient eine poröſe Thonerde. Dieſelbe
wird faſt allgemein mit gefaultem Harn angerührt und in der Miſchung
je nach der Feinheit der Tuche Schmierſeife, Palmöl- oder ſelbſt Olivenöl-
ſeife mit aufgelöſt.


3. Aether. Ein Produkt chemiſcher Fabriken; eine farbloſe, leicht be-
wegliche und leicht flüchtige, ſehr entzündliche Flüſſigkeit von charakteriſtiſchem
Geruche, nur ſehr wenig löslich in Waſſer. Er dient nur zur Prüfung
auf die Löslichkeit und auf die Reinheit einiger im Färbereibetriebe häufiger
vorkommender Fette und Appreturmittel, ſeltener als Fleckmittel.


4. Chloroform, CH Cl3. Eine farbloſe, ſchwere, leicht bewegliche und
leicht flüchtige, aber nicht entzündliche Flüſſigkeit von ätherartigem ſüßem
Geruch; das Einatmen der Chloroformdämpfe erzeugt Bewußtloſigkeit, es iſt
daher bei der Anwendung von Chloroform Vorſicht anzuwenden. Es dient
nur als Fleckmittel beim Detachieren.


[312]

5. Malz iſt gekeimte Gerſte, wie ſie in Brauereien erzeugt wird. Ihr
Gebrauch beſchränkt ſich auf das Abziehen der Stärke von verdorbenen
Stücken, indem dieſelbe durch Behandeln mit Malz in lösliches Dextrin
übergeführt und dann durch Spülen leicht aus dem Gewebe entfernt wer-
den kann.


6. Chemiſch reine Salzſäure wird nur zur Prüfung auf einen
Eiſengehalt verwendet. Sie iſt aus Apotheken zu beziehen und in einem
mit Glasſtöpfel verſehenen Gläschen aufzubewahren.


[[313]]

Zweiter Teil.
Beſonderer Teil.


[[314]][[315]]

Die mechaniſchen Färbereiarbeiten (Operationen) und die
dazu nötigen Apparate und Maſchinen.


§ 1. Einleitung.


Nachdem wir im erſten Teile des Handbuches die Geſpinnſtfaſern, die
verſchiedenen natürlichen und künſtlichen Farbſtoffe, und die Chemikalien ken-
nen gelernt haben, beſchäftigt ſich der zweite Teil mit dem vernunftgemäßen
Aufeinanderwirkenlaſſen dieſer Stoffe zum Zwecke der Erzeugung von ge-
färbten Faſern, Geſpinnſten oder Geweben.


Die Erzeugung gefärbter Faſern oder die Färberei loſer
Wolle, Baumwolle
ꝛc. kommt in allen den Fällen vor, in welchen es
ſich um ein gründliches vollkommenes Durchfärben der Faſer handelt, ehe
dieſelbe verſponnen und verwebt wird; es wird beſonders bei der Wolle ge-
handhabt, indem ſowohl die loſe Wolle als ſolche, oder das Vorgeſpinnſt,
d. h. die Streck- oder Krempelbänder, reſp. der Kammzug, dem Färbepro-
zeß unterworfen werden.


Die Erzeugung gefärbter Geſpinnſte bildet das Gebiet der
Garnfärberei und wird überall da angewendet, wo es ſich um die Her-
ſtellung von gefärbtem Garn entweder als Handelsartikel (Strickgarn, Näh-
garn, Häkelgarn, Zwirn ꝛc.) oder als Kettengarn und Schußgarn für Weberei-
zwecke handelt. Die Garnfärberei muß in allen den Fällen Platz greifen,
wo es ſich um Gewebe mit verſchiedenen Farben handelt.


Die Erzeugung gefärbter Gewebe umfaßt das Gebiet der Stück-
färberei
, welche in allen den Fällen angewendet wird, bei denen es ſich
um Färbung nur der oberſten Gewebeſchichten handelt und auf eine
vollkommene Durchfärbung der inneren Gewebepartien kein Gewicht gelegt
zu werden braucht. Dieſe Art der Färberei bedeutet alſo eine Farbſtoff-
erſparnis, hat aber den Nachteil, daß bei der Abnutzung beim Tragen ſolcher
Gewebe leicht die minder gefärbten Gewebeſchichten an die Oberfläche ge-
langen, ein fataler Umſtand, der ſich z. B. bei dunkelblauen Militärtuchen
bisweilen ſehr unangenehm bemerkbar macht. Ein beſonderes Gebiet der
Stückfärberei iſt die Kleiderfärberei.


[316]

§ 2. Die Färbereiarbeiten im allgemeinen.


Die mit den zu färbenden Faſern, Garnen oder Stücken in der Färberei
vorzunehmenden Arbeiten kann man füglich in 3 Teile zerlegen und zwar in:


  • 1. vorbereitende Arbeiten,
  • 2. Hauptarbeiten,
  • 3. Vollendungsarbeiten.

Die vorbereitenden Arbeiten umfaſſen alle jene Operationen,
denen Faſern, Garne und Stücke unterworfen werden müſſen, bevor ſie zum
eigentlichen Färbeprozeß zugelaſſen werden können. Dieſe vorbereitenden
Arbeiten umfaſſen das Waſchen, Trocknen und Bleichen.


Die Hauptarbeiten umſchließen die Vorbereitung der Farbſtoffe,
durch Zerkleinerung (Indigo), Extraktion (Farbhölzer), Löſen (Teerfarbſtoffe),
die Herſtellung der Farbbäder, das Beizen der Faſern, um ſie zur Auf-
nahme des Farbſtoffes tauglich zu machen, und das eigentliche Färben.


Die Vollendungsarbeiten umſchließen das Spülen, Schönen, Trock-
nen, Mangeln, Dämpfen, Appretieren und event. Lüſtrieren.


Faſt eine jede dieſer Arbeiten zerfällt wieder in verſchiedene Einzel-
arbeiten, welche in den nachfolgenden Paragraphen ausführlich erörtert wer-
den ſollen.


§ 3. Das Waſchen.


Die Operation des Waſchens zerfällt naturgemäß in drei weitere Ar-
beiten: das Einweichen, das eigentliche Waſchen und das Spülen.


Das Einweichen iſt für alle Arten von Faſern, Garn und Stücke
das gleiche; es beſteht im einfachen Hineinlegen in oder im Begießen mit
der Waſchflüſſigkeit, als welche entweder Waſſer, Pottaſche-, Soda- oder
Seifenlauge zu verſtehen iſt. Oft wird lediglich Waſſer zum Einweichen
verwendet und der Alkalienzuſatz erſt beim eigentlichen Waſchen in Anwen-
dung gebracht. Das Waſſer ſelbſt wird oft erwärmt, indem man heißen
Dampf in dasſelbe leitet; ein eigentliches Kochen findet beim Einweichen
nicht ſtatt. Das Einweichen geſchieht in hölzernen Bottichen, Wannen oder
Kufen, ſeltener in Keſſeln.


Das eigentliche Waſchen iſt eine mechaniſche Reinigung und kann
durch Reiben mit den Händen, durch Drücken, Preſſen, Quetſchen unter
Waſſer oder Lauge, oder auch außerhalb der Flüſſigkeit erfolgen, wenn die
Ware hinterher wieder in die Waſchflüſſigkeit getaucht wird. Das Cha-
rakteriſtiſche für den Waſchprozeß iſt die mechaniſche Reibung
und der gleichzeitige Druck
. Neben dem mechaniſchen Reinigungsprozeß
läuft ein chemiſcher her, welcher durch die Alkalien, Pottaſche, Soda, Seife
inauguriert wird und in ſeinen theoretiſchen Umriſſen bereits § 106 be-
ſchrieben iſt; er bezweckt die Befreiung des Faſermaterials von Schmutz,
Fett, Staub, und allen jenen Beſtandteilen, welche demſelben durch die Be-
handlung beim Verſpinnen und Verweben zugeſetzt werden (Oel, Stärke
u. dergl.); er bezweckt die gleichmäßige Aufweichung des Faſermaterials, um
ein gleichmäßiges Färben zu erreichen und den Fatalitäten einer fleckigen
oder geſtreiften Ware von vornherein aus dem Wege zu gehen; er bezweckt
die Empfänglichmachung des Faſermaterials für die völlige Aufnahme von
[317] Farbſtofflöſungen und Beizflüſſigkeiten, um zu verhindern, daß die Färbung
nur ein mechaniſches Obenaufliegen des Farbſtoffes ſei.


Als Waſchmittel ſind gemeinhin Soda, Schmierſeifen, auch wohl
neutrale Natronſeifen in Gebrauch. Nicht ſelten wird aber auch noch ge-
faulter Harn zum Waſchen verwendet. Dieſe Methode iſt nicht anders als
eine Schweinerei zu bezeichnen, denn wir haben treffliche Mittel, welche
ebenſo gut wirken wie gefaulter Harn und dabei größte Sauberkeit verbür-
gen. Kohlenſaures Ammoniak erſetzt den Harn voll und ganz und
wird daher von Hummel mit Recht als vorzügliches Waſchmittel empfohlen.
Bei der Wahl der Seifen iſt darauf zu achten, daß animaliſche Faſern
(Wolle, Seide) in Alkalien löslich und in minder ſtarken doch nicht ganz
unlöslich ſind; man wird daher wohl thun, will man das Faſermaterial
nicht an Qualität und Quantität ſchädigen, bei Wolle und Seide nur neu-
trale Natronſeifen zu verwenden; dagegen iſt es bei vegetabiliſchen Faſern
wohl angebracht, Alkalicarbonate (Pottaſche, beſſer Soda) und Seifen mit
einem Gehalt an freiem Alkali (ſ. § 106) mit oder ohne Zuſatz von Am-
moniak anzuwenden. Gegen die Verwendung von Seifeurinde (Quillaya-
rinde*) iſt nichts einzuwenden; ebenſowenig gegen Zuſätze wie etwa Harz-
ſeife. Dagegen werden Zuſätze wie Waſſerglas, Kochſalz beſſer weggelaſſen;
ihre Wirkung beruht lediglich auf Einbildung und ſie können dem Waſch-
prozeſſe nichts nützen. Dringend warnen aber möchte ich vor allen jenen
mit großer Reklame angeprieſenen Waſchmitteln, welche unter allerhand Na-
men (Bleichſoda, Doppelſoda, Waſchkryſtall) und in allerhand Packungen
angeprieſen werden; derlei Präparate ſind nicht das, was ſie ſein ſollen,
und leiſten nicht annähernd das, was ſie nach der Angabe ihrer Erzeuger
leiſten ſollen; ſie haben zudem einen Preis, der ihren wahren Wert um das
vielfache überſteigt; darum: fort mit ſolchen Geheimmitteln aus den
Färbereien
!


Das eigentliche Waſchen kann in den gleichen Bottichen oder Kufen
vorgenommen werden, wenn es als Handarbeit geübt wird. In größeren
Färbereien wird das Waſchen jedoch durchgehends mit Maſchinen gehand-
habt, und zwar ſind die Maſchinen verſchiedenartig konſtruiert, je nachdem
es ſich um das Waſchen von loſer Faſer, von Garn oder Stücken handelt.


Das Spülen kann entweder in fließendem Waſſer vorgenommen wer-
den und iſt dann Handarbeit, oder es wird von Maſchinen beſorgt. Jede
Waſchmaſchine kann natürlich auch als Spülmaſchine wirken, ſobald die Lange
durch einfaches Waſſer erſetzt wird. Es gibt aber auch Maſchinen, welche
die Waſch- und Spüloperation nacheinander auszuführen geſtatten.


§ 4. Waſchen loſer Geſpinnſtfaſern.


Hierbei handelt es ſich vorwiegend um das Waſchen loſer Wolle,
und zwar ſoll hier nur dasjenige Waſchen in Betracht gezogen werden,
welches mit einer bereits entſchweißten Wolle vorgenommen werden ſoll, mit
einer Wolle alſo, welcher bereits durch die Rückenwäſche und die Fabrik-
[318] wäſche der Wollſchweiß und das Wollfett entzogen worden iſt. (Ueber dieſen
Teil der Wollwäſcherei verweiſe ich auf das in § 5 unter Wolle, S. 16
und 17, bereits Geſagte.)


Bei einer derartigen entſchweißten Wolle wird die Operation des Ein-
weichens füglich in Wegfall kommen können; man geht dann ſofort zum
Waſchen über und benutzt als Waſchflüſſigkeit ein Seifenbad aus 2½ bis
5 Prozent einer guten Natronkernſeife. Daß hierzu kalkfreies Waſſer
zu benutzen iſt, verſteht ſich von ſelbſt. In kleineren Färbereien vollführt
man das Waſchen der loſen Wolle durch wiederholtes Umrühren, Untertauchen
und Preſſen an die Wandung des Waſchgefäßes, Herausnehmen und Ab-
laufenlaſſen der Waſchflüſſigkeit aus einem Siebe oder einem Faſſe mit durch-
löchertem Boden. In größeren Etabliſſements benutzt man beſondere Waſch-
maſchinen. Hummel beſchreibt die Maſchine von Mc. Naught folgender-
maßen: Die Maſchine beſteht aus einem großen, gußeiſernen Troge, der mit
einer ſinnreichen Einrichtung von Gabeln oder Rechen verſehen iſt, die Wolle
wird an einem Ende des Troges gleichmäßig auf einem endloſen Tuche aus-
gebreitet. Beim Eintritt in die Maſchine wird dieſelbe ſofort mittels einer
durchlöcherten Platte unter die Oberfläche der Flüſſigkeit gedrückt und lang-
ſam von den Zähnen des Hauptrechens bis an das andere Ende des Waſch-
troges befördert, wo ſie von den Zähnen des kleinen Rechens über das Ende
hinaus geſtoßen wird und in die Quetſchwalzen gelangt. Die Rechen be-
wegen ſich in der Tiefe um etwa 45 cm langſam vorwärts, werden dann
ganz aus der Flüſſigkeit herausgehoben, gelangen durch eine ſchnelle Rück-
wärtsbewegung in die urſprüngliche Lage und werden wieder in die Flüſſig-
keit geſenkt. Durch dieſe abwechſelnde Bewegung wird die eingeführte Wolle
ſehr gleichmäßig in die Quetſchwalzen geliefert. Der durch die letzteren
ausgepreßte Seifenſud ſammelt ſich in einem Behälter an und wird von da
durch ein Rad wieder in den Waſchtrog gehoben. Nachher wird die Wolle
in einer ähnlichen Maſchine mit Waſſer gewaſchen. Eine vollſtändige Waſch-
einrichtung beſteht aus wenigſtens drei ſolchen Maſchinen (Leviathan).


C. H. Weisbach in Chemnitz hat zu gleichem Zwecke eine Waſch-
maſchine konſtruiert, welche aus einem ovalen eiſernen Bottich (Fig. 22) von
2 zu 3 m Größe beſteht, ferner einem Waſſerzufluß- und einem -Abflußhahn,
einem durchlöcherten Doppelboden, einem mittleren Sockel und zwei in einen
ſoliden eiſernen Oberbau eingelagerte und durch Kurbelwellen angetriebene
Rechen, welche eine beſtändige Bewegung und Wendung der zu waſchenden
Faſer bedingen. Der Antrieb erfolgt durch Los- und Feſtriemenſcheibe
mit Ausrücker. Dieſelbe Maſchine dient auch zum Spülen.


Rohe loſe Baumwolle kann mit der gleichen Maſchine ebenfalls ge-
waſchen werden. Dem gleichen Zweck gilt eine von derſelben Firma gebaute
noch einfachere Waſch- und Spülmaſchine mit Holzbottich und
Waſchflügeln
(ſ. Fig. 23 S. 320). Dieſe beruht auf den gleichen Prin-
zipien wie die vorige; der Bottich iſt aber etwas kleiner und aus Holz ge-
fertigt; die Bewegung und das Wenden der loſen Wolle oder Baumwolle
wird an Stelle der Rechen hier durch einen Waſchflügel bewirkt. Dieſe Ma-
ſchine wird auch für Pelzfärbereien und zum Waſchen von Strumpfwaren
verwendet.


[319]
Figure 27. Fig. 22.

Waſchmaſchine für loſe Baumwolle und Wolle.


§ 5. Waſchen der Garne.


Das Waſchen der Garne hat den Zweck, den während des Spinnens
denſelben zugeſetzten Gehalt an Oelen oder Fett zu entfernen. Wurden
zum Spinnen wirkliche Fette und fette Oele ohne Zuſatz von Mineralölen
genommen, ſo bezweckt das Waſchen eine einfache Verſeifung dieſer Fette
durch Alkalien oder alkaliſche Seifen (bei den Pflanzenfaſern) oder durch
neutrale Seifen (bei Wolle). Anders liegt der Fall, wenn es ſich um mit
Mineralölen verſetzte Fette handelt. Dieſe werden nicht verſeift; ſie ſind
zwar flüchtig, aber erſt in einer Temperatur, welcher man die Geſpinnſt-
faſern überhaupt nicht ausſetzen darf; durch Trocknen ſind die Mineralöle
alſo nicht zu entfernen.


Zebrowsky hat jüngſt vorgeſchlagen, zum Waſchen und Entfetten
loſer Wolle Benzin anzuwenden*); dieſer Vorſchlag verdient wohl auch einige
Beachtung für Garne, da es ſich hier einzig und allein um eine Befreiung
[320]

Figure 28. Fig. 23.

Waſch- und Spülmaſchine mit Holzbotlich und Waſchflügeln.


[321] von Fett und Mineralöl handelt. Hierzu würde die Waſchmaſchine von
Lommatſch ſich vielleicht eignen. Dieſelbe beſteht aus einem großen oberen
und zwei kleineren unteren Behältern, ſowie einer Pumpe und Röhren nebſt
Geſtell und Antriebsvorrichtung. In dem großen Behälter befindet ſich eine
Trommel, welche aus drei Kammern beſteht, welche bezwecken, daß die Garne
regelmäßig auf den ganzen Umfang der Trommel verteilt werden, ein Ver-
wirren verhindert und ein gründliches Ausſchleudern ermöglicht wird. Die
unteren Behälter nebſt Pumpe ſind mit den oberen durch Röhren, welche
mit Hähnen zum Abſchließen verſehen ſind, verbunden. Wird das Benzin
von einem unteren Behälter in den oberen gepumpt, ſo tritt durch das Aus-
gleichsrohr die Luft des oberen in den unteren Behälter, wird es dagegen
wieder abgelaſſen, ſo muß die Luft wieder auf demſelben Wege in den obe-
ren Behälter kommen. Die Pumpe kann an der Riemenſcheibe ein- und
ausgehängt werden. Sind die Kammern nun gefüllt, ſo wird der obere Be-
hälter gut verſchloſſen und das Benzin eingepumpt. Hierauf wird die Trom-
mel gedreht, wodurch die darin befindlichen Garne mit Benzin kräftig ge-
waſchen werden. Iſt das genügend geſchehen, ſo wird das Benzin wieder
in ſeinen Behälter abgelaſſen. Will man ganz ſorgfältig arbeiten, dann
wird nochmals aus dem zweiten Behälter Spülbenzin eingepumpt und die
Trommel wieder in Bewegung geſetzt. Iſt man auch damit fertig, wird
das Benzin wieder abgelaſſen und die Trommel mittels der großen Antriebs-
vorrichtung in ſchnellſte Rotation verſetzt, wodurch die Garne rein ausge-
ſchleudert werden, ſchließlich werden ſie aus dem Apparat genommen, um
das anhaftende Benzin vollſtändig verdunſten zu laſſen.


Hummel erwähnt in ſeiner „Färberei und Bleicherei der Geſpinnſt-
faſern“ der Verſuche Roths und meint, daß dieſe Verſuche es wahrſchein-
lich erſcheinen ließen, der Schwierigkeiten der Entfernung der Mineralöle
auf dem Wege des Auswaſchens Herr zu werden. Verfaſſer dieſes Buches
vermag aus den Verſuchen Roths dieſe Anſicht nicht zu gewinnen. Da-
gegen empfiehlt Verfaſſer, in allen den Fällen, wo man es mit be-
merkbaren Mengen von Mineralöl zu thun hat, als Waſch-
mittel an Stelle der Seife das ricinölſulfoſaure Ammonium
oder Natrium anzuwenden
, deſſen Emulgierungsfähigkeit die der üblichen
Seifen bedeutend übertrifft. Verfaſſer hat das leichtflüſſige Terpentinöl ohne
Umſtände mit Türkiſchrotöl auszuwaſchen vermocht; Mineralöle von einer
den Fetten nahekommenden Konſiſtenz werden ſich daher noch leichter ent-
fernen laſſen. Die Anwendung von Türkiſchrotöl an Stelle von Seife
ändert an der Operation des Waſchens nicht das geringſte und ebenſo wenig
an den dazu etwa verwendeten Maſchinen.


An Waſchmaſchinen zum Waſchen von Garn iſt kein Mangel.
In kleineren Betrieben wird das Garn mit der Hand gewaſchen, ähnlich
wie beim Waſchen loſer Faſern angegeben wurde. Die Flüſſigkeit wird mit
Hilfe einer auf dem Boden der Waſchkufe liegenden Dampfſchlange oder auch
mittels Gummiſchlauch auf die erforderliche Temperatur erwärmt, wiederholt
umgezogen und dann durch zwei mit Kautſchuk überzogene Holzquetſchwalzen
gehen gelaſſen, welche den Ueberſchuß der Waſchflüſſigkeit auspreſſen. Schließ-
lich folgt Spülen zuerſt in warmem, dann in kaltem Waſſer.


In nachſtehendem wollen wir den Garnwaſchmaſchinen eine erhöhte
Aufmerkſamkeit ſchenken, weil dieſelben ohne oder doch nur mit geringen Aen-
derungen zugleich als Färbemaſchinen dienen können.


Ganswindt, Färberei. 21
[322]

Garnwaſchmaſchine mit 4 Walzen (Fig. 24), von C. G. Hau-
bold
jun. Dieſe Maſchine eignet ſich namentlich, um Garne vor dem Fär-
ben in Seife oder Soda zu waſchen. Ueber einen viereckigen hölzernen
Bottich mit der Waſchflüſſigkeit ragen von einem ſeitlich daneben befindlichen
Geſtelle zwei Walzenpaare; auf jedes Walzenpaar wird ein Strähn gebracht;
von jedem dieſer Walzenpaare iſt die untere Walze geriffelt und feſtgelagert
und erhält den Antrieb durch Stirnräder; die oberen dagegen ſind glatt ge-
dreht, liegen mit ihrer eigenen Schwere auf der unteren und können ſich
in ihren Lagern heben und ſenken, dienen ſomit als Quetſchwalzen. Um
die Garnſträhne während des Ganges bequem auflegen und abnehmen zu
können, ſind die Walzen an ihren freiſtehenden Enden koniſch abgedreht.
Die Garnſtränge hängen mit ihrem unteren Teil in der Waſchflüſſigkeit.
Leiſtung bis 500 kg pro Tag.


Figure 29. Fig. 24.

Garnwaſchmaſchine mit 4 Walzen.


Garnwaſchmaſchine mit 6 Walzen (Fig. 25), von C. G. Hau-
bold
jun. Das Prinzip iſt genau das gleiche, wie bei der vorigen Ma-
ſchine; die Anordnung der Walzen iſt aber eine doppelſeitige; auf jeder
Seite befinden ſich 3 Walzen und je 1 Holz- oder Eiſenkaſten. Die Walzen
ſind ſo gelagert, daß je 2 kleine die untern bilden, auf welche das Garn
gehangen wird; zwiſchen dieſen kleinern Walzen liegt dann die dritte von
größerem Durchmeſſer; dieſe iſt mit Kupfer überzogen und dient als Quetſch-
walze. Es kommen jedesmal 4 Garnſträhne zur Bearbeitung. Alles Uebrige
erhellt ohne Weiteres aus der nachſtehenden Zeichnung.


[323]
Figure 30. Fig. 25.

Garnwaſchmaſchine mit 6 Walzen.


Garnwaſch- und Spülmaſchine oder Rundwaſchmaſchine von
C. G. Hauboldjun. (Fig. 26). Dieſe iſt eine der jetzt wohl am häufig-
ſten zur Verwendung gelangenden Garnwaſchmaſchinen.


Die Garnwaſch- und Spülmaſchine hat den Zweck, die umſtänd-
liche, unzureichende und koſtſpielige Handwäſcherei zu vermeiden und dieſe
beſonders im Winter für die Arbeiter ſo läſtige Arbeit durch eine zu-
verläſſige Maſchine zu erſetzen. Man baute zuerſt Waſchmaſchinen mit einem
einfachen Bottich und oberhalb mehrere rotierende Walzen. Dieſe Maſchine
dient heute noch für einzelne Zwecke, z. B. Einweichen in Soda, Seife,
Oel, Lauge Beize ꝛc.


21*
[324]
Figure 31. Fig. 26.

Rundwaſchmaſchine.


Es ſind jetzt nur noch 2 Maſchinen, die zur Ausführung kommen.
Die veraltete Langwaſchmaſchine, bei welcher die Spulen auf einem endloſen
Riemen auf zwei Seiten befeſtigt ſind und eine rück- und vorwärtsgehende,
rotierende Bewegung erhalten, und dann eine runde Waſchmaſchine mit
rotierender Vor- und Rückwärtsbewegung ohne Drehung der Walzen.


Die Rundwaſchmaſchine beſteht aus einer ſoliden Fundamentplatte mit
angegoſſenem Lagerſtänder für die 2 Hauptwellen der Maſchine An der
einen kurzen, ſtarken, vertikalen Welle ſind zwei in horizontaler Richtung
drehbare große Räder befeſtigt, wovon das obere 12 reſp. 24 Spulen in je
zwei Lagern aufnimmt. Die Spulen beſtehen aus einer Welle, auf deren
Ende auf gußeiſernem Boden viereckige Kupferwalzen befeſtigt ſind. In der
Mitte der Welle iſt eine kleine koniſche Scheibe befeſtigt, die auf dem koniſch
gedrehten unteren großen Rad ſich drehen kann. Außerdem beſitzt dieſes
untere Rad ein Sperrrad, worin ein Sperrhaken eingreift, und einen Zapfen
für die Bewegung. Dieſer Zapfen, ſowie auch das Rad, erhält durch eine
Kurbel, an der zweiten vertikalen Haupt- und Betriebswelle befeſtigt, eine
hin- und hergehende Bewegung. — Bei der Vorwärtsbewegung werden beide
Räder zuſammen von der Kurbel bewegt, dabei bekommen alſo die Spulen
eine Vorwärtsbewegung. Indem die Kurbel jedoch zurückgeht, folgt ein
Stoß, wobei die obere Scheibe mit den Spulen vorwärts bewegt reſp. geſtoßen
wird, und bei dieſer Bewegung müſſen die Spulen ſich um ihre Achſe
drehen. Die Rückwärtsbewegung wird, da das obere Rad von dem unteren
feſtgehalten, für beide Räder gemeinſchaftlich, und erhalten alſo die Spulen
keine Bewegung um ihre eigene Achſe. Dieſes, und daß man durch eine
Bremſe während des Ganges der Maſchine das mehr oder weniger Vor-
wärtsrücken oder Spulen regulieren kann, iſt von ſehr großer Bedeutung
und bietet ſämtlichen anderen Waſchmaſchinen gegenüber einen großen Vorteil.


Der runde, aus einem gußeiſernen 3- reſp. 6 teiligen Boden mit ſchmiede-
eiſernem Seitenkranz beſtehende Waſſerkaſten hat auf einer Stelle eine Er-
weiterung, in deſſen Mitte ſich zwei hölzerne Trennungswände befinden;
auf der linken reſp. rechten Seite erfolgt das Auflegen und Abnehmen der
Garne. An der Abnahmeſtelle iſt am Boden des Kaſtens ein Waſſerzufluß-
rohr angebracht. Das gebrauchte Waſſer fließt über das eine Brett durch
vier am Boden des Kaſtens angebrachte Löcher bei der Aufhängeſtelle ab.
Das Garn muß alſo eine dem Waſſer entgegengeſetzte Bewegung machen,
wobei, je reiner das Garn wird, deſto reiner das Waſſer entgegenſtrömt;
dadurch iſt das Waſchen der Garne ein ganz vollkommenes. Der Antrieb
der Maſchine geſchieht von der vertikalen Welle aus mit Los- und Feſt-
[325] riemenſcheiben. Zur Ausgleichung der Stöße iſt ein großes Schwungrad
und Gummipuffer angebracht.


Der hier und da erhobene Einwand, daß durch die Wirkung der Zentri-
fugalkraft die Wäſche der Garne eine einſeitige werde, hat ſich ſowohl vom
theoretiſchen Standpunkte aus, als auch auf Grund langjähriger Erfahrungen
als durchaus hinfällig erwieſen.


Zur Handhabung der Maſchine ſind zwei Mann notwendig, einer zum
Abnehmen und einer zum Auflegen der Garnſträhne.


Garnwaſchmaſchine (Fig. 27) von A. Wever \& Comp. in Barmen.
(D. R. P. Nr. 7851.)


Dieſe Maſchine findet hauptſächlich
in größeren Bleichereien, Türkiſchrot-
und Kouleurfärbereien, überhaupt da Ver-
wendung, wo es darauf ankommt, ſehr
große Quantitäten ſchnell zu waſchen.


Die Maſchine iſt auf gemauertem
Fundament, welches gleichzeitig einen
Waſſerkanal bildet, montiert; die einzel-
nen Teile der Maſchine ſind: die Funda-
mentplatten mit Rahmen, der auf Kreis-
ſegmenten bewegliche Spulenrahmen, mit
Transportſcheiben, Transportriemen mit
32 oder 40 Meſſingſpulen.


Die Spulen ſind beiderſeitig mon-
tiert und ihre Bewegung erfolgt in einem
in vertikaler Ebene liegenden Rund-
lauf. Das zu waſchende Garn wird an
einer Seite aufgehangen und verläßt auf
der anderen Seite gewaſchen die Ma-
ſchine; die Bewegung des Garnes iſt eine
dreifache: 1. eine hin- und hergehende,
2. eine im Bündel (Strähn) ſich drehende,
und 3. eine auf- und abſteigende. Der
Antrieb der Maſchine kann von der Trans-
miſſion durch Riemen oder durch ein direk-
tes Dampfmaſchinchen erfolgen, und die-
nen zur Bewegung eine Kurbel und ein
Rädervorgelege und zur Ausgleichung
ein Schwungrad.


Der Lauf des Waſſers iſt dem Lauf
des Garnes entgegen und kann die Be-
wegung des Garnes ſo reguliert werden,
daß das Garn bei einem Durchlauf 30
bis 25 oder 20 mal hin- und hergezogen
wird.


Zur Bedienung der Maſchine ſind
4 Perſonen erforderlich; dieſelben waſchen
pro Stunde event. bis zu 2000 Garn-
ſträhne.


Figure 32. Fig. 27.

Garnwaſchmaſchine.


[326]

Garnwaſchmaſchine ohne Rundlauf. (Langes Syſtem.) Fig. 28.


Dieſe Maſchine iſt für mittlere und kleinere Färbereien und Bleichereien
ſehr zu empfehlen. Die Meſſingſpulen liegen zu beiden Seiten der Ma-
ſchine in einem Spulenrahmen, der wiederum parallelogrammartig an einer
auf Säulen ruhenden Traverſe ſchwingend angeordnet iſt. Sehr einfach
konſtruierte und ſicher arbeitende Mechanismen bewirken eine hin- und
hergehende
und eine drehende Bewegung des Garnes. Unter jeder Spulen-
reihe befindet ſich ein Waſſerkaſten mit regulierbarem Zu- und Abfluß. Der An-
trieb der Maſchine erfolgt durch Riemenbetrieb oder ein direktes Dampfmaſchin-
chen, und iſt die Geſchwindigkeit derſelben ſowohl wie die Größe des Hin- und
Herganges regulierbar. — Zur Bedienung gehören je nach Größe 1 bis 2 Leute.


Figure 33. Fig. 28.

Garnwaſchmaſchine ohne Rundlauf, von C. H. Weisbach in Chemnitz.


[327]

Garnwaſchmaſchine mit fix gelagerten Spulen. (Fig. 29.)


Dieſe Maſchine findet hauptſächlich für Leinengarne, Seide ꝛc. Ver-
wendung. Sie beſteht aus dem ſtarken eiſernen Geſtell, auf dieſem
ſind in verſchiedener Anzahl (5, 6, 8 und 10 in Reihe) die Waſchköpfe
montiert. Sämtliche Waſchköpfe ſind durch Stirnräder angetrieben und
hohl, und ſtehen mit einer daneben liegenden Waſſerleitung in Verbindung,
ſo daß ununterbrochen friſches Waſſer durch jeden einzelnen Strang fließt,
deswegen eignet ſich dieſe Maſchine auch beſonders gut zum gleich-
zeitigen Waſchen verſchieden kouleuriger Garne
.


Unter den Spulen befindet ſich auch ein Waſſerkaſten und mit den
Strähnen in Verbindung ſteht ein beweglicher Rechen, welcher dem Garn
eine hin- und hergehende Bewegung erteilt. Zur Bedienung der Maſchine
iſt nur eine Perſon erforderlich.


Figure 34. Fig. 29.

Garnwaſchmaſchine mit fix gelagerten Spulen, von C. H. Weisbach in Chemnitz.


[328]

Kleine Garnwaſchmaſchine von A. Wever u. Comp. (Fig. 30.)
(Deutſches Reichspatent.)


Dieſe Maſchine unterſcheidet ſich von der Fig. 27 beſchriebenen Maſchine
derſelben Firma dadurch, daß die Spulen hin- und hergezogen werden und ſich
um ihre Achſe drehen, aber nicht von einer Seite der Maſchine zur andern
rücken, ſo daß das Garn nicht wie bei der größeren Waſchmaſchine zuerſt
im gebrauchten Waſſer und am Ende der Waſchung in rein zufließendem
Waſſer gewaſchen wird. Die Antriebswelle mit Feſt- und Losſcheibe endigt
in einer Kurbel, welche mittels Kurbelſtange den Spulrahmen hin- und
herzieht.


Figure 35. Fig. 30.

Kleine Garnwaſchmaſchine.


Mit der Aufzählung der beſchriebenen Maſchinen iſt dieſes Gebiet der
Maſchinenkunde indes noch keineswegs erſchöpft; ſo beruht z. B. die Garnwaſch-
maſchine von Durancon und Lapierre auf dem Prinzip des Schlagens
der Garnſträhne
; eine andere Maſchine beruht wiederum auf dem Prinzip
des Stampfens der Garne (Stampfwaſchmaſchine). Bei dieſer iſt der
hölzerne Waſchbottich drehbar und das Waſchen wird durch Stampfen aus-
geübt, welche durch eine horizontale Welle mit Hebedaumen auf und nieder
bewegt werden (ſ. weiter unten).


An die Garnwaſchmaſchinen reihen ſich die Spülmaſchinen, welche
faſt durchweg als Waſchmaſchinen bezeichnet werden. Die älteſte und ein-
fachſte dieſer Art iſt wohl die Garnfacherſpülmaſchine der Zittauer Ma-
ſchinenfabrik und Eiſengießerei, bei welcher ſich über einem ovalen mit Ab-
flußrohr verſehenen hölzernen Bottich eine durch Kurbelſcheibe getriebene
Fachvorrichtung hin- und herbewegt, an welcher ſich die die Garne enthal-
tende Leiſte befindet, ſo daß durch die Facherbewegung das Garn genau ſo
bewegt wird, wie beim Spülen mit der Hand.


Dieſelbe Fabrik baut kombinierte Garn-, Waſch- und Spül-
maſchinen
mit einem durch Kurbel hin- und herbeweglichen Rahmen aus
Gußeiſen, auf welchem kupferne Spulen aus Gußeiſen in einer Spindel ge-
lagert ſind, auf welcher Zahngetriebe ſitzen, die in eine feſtſtehende Zahn-
ſtange eingreifen und dadurch abwechſelnd rechts und links rotierende Be-
[329] wegung erhalten. Durch dieſe Vorrichtung wird genau dieſelbe Bewegung
der Garne hervorgebracht, wie beim Waſchen mit der Hand durch Hin- und
Herſchleudern und gleichzeitiges Drehen im Waſſer.


Eine weitere Garnwaſch- und Spülmaſchine derſelben Fabrik
(Fig. 31) kennzeichnet ſich durch 5 über einen cementierten Waſſerbottich in
Metalllagern laufende Haſpel mit ſelbſtthätiger Vor- und Rückwärtsumdrehung
durch Riemenſcheibenbetrieb, wodurch ein beſtändiges Umziehen der Garne
erzielt wird.


Figure 36. Fig. 31.

Garnwaſch- und Spülmaſchine.


Eine der neueſten, ſinnreich konſtruierten Maſchinen iſt die von Corron
(D. R.-P. 42302). Dieſe Maſchine dient nach der Patentſchrift zum Waſchen
und Färben von Garn aus Seide, Wolle, Baumwolle oder allen anderen Ge-
ſpinnſtfaſern in Strähnen. Die Strähne werden bei dieſer Maſchine nicht
nur in der Flotte hin- und herbewegt, ſondern auch auf Stöcken aus der
Flotte gehoben und an einer anderen Stelle wieder in dieſelbe eingetaucht,
und ſchließlich wird auch das Umziehen der Strähne durch die Maſchine
ſelbſt verrichtet. Letztere Arbeit beſteht bekanntlich darin, daß die Strähne
auf ihren Trägern, den Stöcken, ſo gewendet werden, daß derjenige Teil
der Strähne, welcher am tiefſten in die Flotte eingetaucht war, auf die
obere Fläche des Stockes zu liegen kommt.


Derjenige Teil der Maſchine, welcher die Stöcke hebt und ſenkt und
das Umziehen der Strähne bewirkt, beſitzt eine hin- und zurückgehende Be-
wegung, ſo daß man die Geſpinnſte der Einwirkung der Flotte
ſolange, wie man will, ausſetzen kann
.


Der eben erwähnte Teil der Maſchine mit hin- und hergehender Be-
wegung auf der Kufe beſteht aus einem Wagen mit Armen oder mit ge-
zahnten Scheiben, welche die Stöcke nacheinander ergreifen und heben und
dieſelben nachher wieder auf die Ränder der Kufe niederlegen.


[330]

Das Umziehen der Strähne kann während der hin- und zurückgehenden
Bewegung der Stöcke oder während nur einer dieſer Bewegungen ſtatt-
finden.


Apparat und Verfahren zum Färben, Waſchen, Bleichen
aller Arten von Garn im Strang
, Fig. 32. (D. R. P. 40174
vom 28. Okt. 1886. Erhardt Dittmar u. Oskar Zehmiſch, Brünn.)


Das Garn erhält mit Hilfe der zur Aufnahme der Strähnen be-
ſtimmten rotierenden, flachen Latten h und vertikal unter denſelben befind-
lichen ovalen Latten i eine der ſchleudernden Bewegung der Hand nach-
geahmte Bewegung. Bürſten k, welche parallel zu den Latten angeordnet
ſind, verhindern hierbei ein Aufwickeln der Fäden auf die letzteren. Ein
ſeitliches Schwanken und daraus entſtehendes Ineinanderwirren der Strähnen
wird durch in den vertikal beweglichen Kaſten a der Länge nach eingeſetzte
Stäbe j verhütet.


Figure 37. Fig. 32.

Apparat zum Färben, Waſchen, Bleichen.


In den Fällen, wo ein Waſchen mit gleichzeitigem Walken beabſichtigt
wird, insbeſondere für baumwollene und leinene Garne, wird die Stampf-
waſchmaſchine
(Fig. 33) angewendet. Der hölzerne Bottich iſt um eine
vertikale Achſe drehbar, während Stampfen, welche durch den aus der Zeich-
nung erſichtlichen Mechanismus mittels Hebedaumen gehoben werden, in dem-
ſelben auf- und niedergehen. Die Hebedaumen befinden ſich auf der Antriebs-
welle (Zeichnung rechts). Der Bottich hat doppelten Boden und am unteren
Umfang einen Zahnkranz, durch welchen er ſeine Bewegung erhält. Damit
die der Drehachſe des Bottichs naheliegende Ware nicht mehr Schläge erhält,
[331] als die nach dem Rande hin, werden die entſprechenden Stampfen weniger
oft, oder auch weniger hoch gehoben. Dieſe Maſchine wird bisweilen auch
zum Stärken baumwollener Ware verwendet.


Figure 38. Fig. 33.

Stampfwalke der Zittauer Maſchinenfabrik.


Von der üblichen Drehung um die eigene Achſe abweichend iſt die


Patentierte Waſchmaſchine von E. ter Welp in Berlin (D. R.-P.
Nr. 38300), (Fig. 34), welche ſich durch eine diagonal gelagerte
Trommel und wechſelnde Drehrichtung charakteriſiert. Der weſentlichſte Teil
dieſer Maſchine iſt die Trommel von kanneliertem Kupferblech, deſſen Achſe
nicht mit der geometriſchen Cylinderachſe zuſammenfällt, ſondern in der Diago-
nale des rechteckigen Cylinderquerſchnittes liegt. Das Innere des Cylinders
iſt vollſtändig leer; die beiden Zapfen, auf welchen der Cylinder ruht, ſind
hohl, ſo daß durch den einen Dampf, heißes oder kaltes Waſſer und event.
ſelbſt Lauge in das Innere geleitet werden und durch den andern wieder heraus-
[332]

Figure 39. Fig. 34.

Waſchmaſchine.


gelangen können. Am Eingangszapfen befindet ſich ein Gabelrohrſtück, mit
welchem die Rohrleitungen für Dampf und Waſſer zu verbinden ſind. Zum
Füllen des Cylinders dient eine im Cylindermantel befindliche ovale, mit-
tels eines durch einen Hebelarm abnehmbaren Deckels verſchließbare Ein-
füllöffnung. Fig. 35 zeigt die Maſchine mit dem abgenommenen Deckel.
Iſt die Maſchine mit den Garnen beſchickt, ſo beginnt die Umdrehung der
Maſchine; infolge der geneigten Lage des Cylinders wird die eingelegte
Ware nicht allein in der Umdrehungsrichtung an die Cylinderwandung ge-
ſchleudert, ſondern gleichzeitig in der Längsachſe hin- und hergeſchoben, da-
[333] durch erfährt der Inhalt der Trommel eine beſtändige Veränderung ſeiner
Lage. Der Antrieb der Maſchine geſchieht mittels offenen und gekreuzten
Riemens, wodurch der Cylinder wechſelweiſe vor- oder rückwärts bewegt
werden kann; am Antrieb befindet ſich eine Vorrichtung, welche nach einer
beſtimmten Anzahl von Umdrehungen die Richtung der Bewegung ſelbſt-
thätig in das Gegenteil verkehrt. An der tiefſten Stelle des Cylinders be-
findet ſich ein Ablaßhahn für die Waſchflüſſigkeit. Damit die gewaſchenen
Garne aus der zum Stillſtand gebrachten Maſchine nicht herausgehoben zu
werden brauchen, iſt unterhalb des mit einem Zahnrad verſehenen Einzugs-
zapfens eine Kurbelvorrichtung angebracht, durch welche die geöffnete Trommel
bequem gewendet werden kann, ſo daß die Garne in eine darunter befindliche
Garnwage fallen können.


Figure 40. Fig. 35.

Waſchmaſchine mit dem abgenommenen Deckel.


Werden 2 ſolcher ter Welpſchen Maſchinen derart vereinigt, daß 2
Trommeln von einem Antrieb getrieben werden, ſo entſteht die Zwillings-
Waſchmaſchine
. Sie beſitzt den Vorteil, daß jederzeit jede der beiden
Trommeln einzeln zum Stillſtand gebracht werden kann. Dadurch wird
ein ununterbrochenes Arbeiten ermöglicht, weil in derſelben Zeit, wo die eine
Maſchine entleert und neu gefüllt wird, die andere ſich in Thätigkeit befin-
det, und umgekehrt.


[334]

§ 6. Waſchen von Geweben.


Das Waſchen von Geweben oder das Waſchen im Stück bezweckt
genau dasſelbe Reſultat, wie das Waſchen der Garne: Befreiung des Ge-
webes von allen ihm aus dem Spinn- und Webprozeſſe anhaftenden mechani-
ſchen und chemiſchen Verunreinigungen, wie Staub, Fett u. dergl. Es
kommen alſo für das Weſen der Wäſche dieſelben Grundſätze zur Anwen-
dung, wie bei der Garnwäſcherei; auch betreffs der Wahl der Waſchmittel
iſt nichts Neues hinzuzufügen. Dagegen iſt die Praxis des Waſchens im
Stück mit mehr Schwierigkeiten verknüpft, als die der Garnwäſche; dieſelben
werden hervorgerufen durch die eigentümliche Form des Stückes. Hat man
es mit einfachen Geweben zu thun, ſo ſind lediglich die Schwierigkeiten zu

Figure 41. Fig. 36.

Waſchrad.


[335] überwinden, welche die Stückform als ſolche bietet; iſt das Gewebe aber
ein gemiſchtes, ſo kommen noch die Schwierigkeiten hinzu, welche durch
die abweichenden phyſikaliſchen Eigenſchaften der verſchiedenen Geſpinnſtfaſern
bedingt werden.


Wird die Stückwäſcherei mit der Hand ausgeführt, ſo unterſcheidet ſie
ſich in nichts von der gewöhnlichen Hauswäſche; ſie beſteht alsdann im Ein-
weichen, Anſeifen und partienweiſen Durchreiben mit den Händen. Die ein-
fachſte Vorrichtung, bei der das Reiben mit den Händen durch mechaniſches
Reiben und mechaniſchen Druck in einem ſich um ſeine Achſe drehenden
Cylinder bewirkt wird, iſt das Waſchrad (Fig. 36), welches auch für
Garn benutzt wird. Dasſelbe beſteht aus einem radförmigen, hölzernen,
durch ſchmiedeeiſerne Reifen verbundenen Gefäß von etwa 2 m Durchmeſſer
und 80 cm Breite und wird durch Unterſchiedswände in 4 Kammern ge-
teilt. Jede Kammer iſt mit einem Mannloch verſehen, durch welches die
zu waſchende Ware in die Kammern eingelegt wird. Die Außenwand jeder
Kammer iſt mit einigen kleineren Oeffnungen verſehen, welche ein Auslaufen
des Schmutzwaſſers geſtatten. Die Achſe des Rades iſt im größeren Teil
hohl und dient für den Waſſerzulauf; von derſelben ſtrömt durch beſondere
Leitung das Waſſer nach jeder Kammer. Die Drehung eines Rades von
genannter Dimenſion erfolgt durch Dampf; Waſchräder von kleineren Dimen-
ſionen können durch eine Kurbel in Betrieb geſetzt werden. Während der
Rotation überſchlägt ſich die Ware beſtändig und das Waſchen wird bewirkt
durch die Reibung an den Kammerwänden und den eigenen Druck. Das
Waſchrad beſitzt indeſſen Nachteile, welche ſeiner ausgedehnteren Anwendung
hinderlich ſind: es geſtattet nicht das Waſchen größerer Poſten auf einmal
und ſetzt eine Zerſtückelung des Materials voraus.


Aehnliche primitive Stückwaſchmaſchinen ſind die Stampfwaſch-
maſchine
und die iriſchen Waſchwalken (Fig. 37 a und b), deren Prinzip
auf S. 328 bereits erwähnt wurde. An dieſen Waſchhämmern befindet
ſich das zu waſchende Gewebe (oder Garn) in einem eiſernen oder hölzernen
Kaſten, über welchem ein maſſives Holzgerüſt ſich erhebt, an welchem die

a


b


Figure 42. Fig. 37

a und b. Waſchwalken (Iriſche Waſchhämmer).


[336] ſchweren hölzernen Hämmer oder Klöppel angebracht ſind, welche durch eine
ſeitlich unterhalb des Kaſtens angebrachte Welle mit Hebedaumen nachein-
ander gehoben werden, und beim jedesmaligen Niederfallen die Lage der
auszuwaſchenden Ware verändern.


Die Stückwaſchmaſchinen neuerer Konſtruktion zerfallen in zwei große
Abteilungen:


1. Strangwaſchmaſchinen, bei denen die Ware durch Zuſammen-
legen die Form eines Stranges erhält und in dieſer Form — als Strang —
entweder einen kontinuierlichen Kreislauf oder einer Spiralbewegung unter-
worfen wird.


2. Breitwaſchmaſchinen, bei denen die Stücke in voller Waren-
breite zum Waſchen gelangen.


Zu den gebräuchlichſten Maſchinen der erſteren Klaſſe gehört die
Strangwaſchmaſchine für alle Arten Waren in loſem Strang,
wie ſie durch die nachſtehende Fig. 38 im Durchſchnitt dargeſtellt wird; ſie
beſteht in der Hauptſache aus zwei Ausquetſchwalzen, gewöhnlich aus Buchen-

Figure 43. Fig. 38.

Strangwaſchmaſchine.


holz, einem großen hölzernen, in ein ſtarkes Eiſengeſtell eingelaſſenen Kumpf
mit durchlöchertem Boden und Abflußklappe, Strangführung, Leitwalze und
Haſpeln. Der Strang läuft endlos durch die hölzernen Quetſchwalzen, wird
über eine Leitwalze eingeführt und durch einen Leithaſpel in den Kumpf zu-
rückgefacht. Dieſer enthält gewöhnlich 3 bis 4 Fächer, jedes mit einer
[337] Strangführung verſehen. Wird die Maſchine zum Spülen benutzt, ſo be-
findet ſich unter den Quetſchwalzen ein Holzkaſten mit Ablaufrohr, um das
ausgequetſchte Waſchwaſſer aufzufangen und abzuführen. Solche Maſchinen
baut die Zittauer Maſchinenfabrik und Eiſengießerei, vorm. A. Kiesler \&
Comp
. in Zittau und die Firma C. G. Hauboldjun. in Chemnitz.
Letztere Fabrik baut dieſelben auch mit freiſtehendem Kumpf nach beifolgender
Zeichnung (Fig. 39).


Figure 44. Fig. 39.

Große Strangwaſchmaſchinen (Fig. 40a und b), namentlich für
baumwollene und leinene Bleichwaren, wie ſie nachſtehend durch Querſchnitt
und Längsanſicht veranſchaulicht werden, baut die Zittauer Maſchinenfabrik.
Dieſe Strangwaſchmaſchine beſteht aus einem ſtarken Eiſengeſtellt, zwei Holz-
walzen, darauf zwei kleinere Druckwalzen von Pockholz, mit Schraubendruck
und Gummipuffern, einem großen Leithaſpel, einem ſelbſtthätig hin- und herbe-
weglichen Rechen für die Strangführung mit ſelbſtthätiger Ausrückung reſp.
Knotenfänger, ſowie mit zwei Porzellanringen für Ein- und Ausgang der
Ware und einem Kaſten zum Entfernen des Abquetſchwaſſers. Der Verlauf
der Strangführung iſt in der Zeichnung durch Pfeile angedeutet.


Für große Etabliſſements eignet ſich beſonders die Continue-Strang-
waſchmaſchine
(Fig. 41) der Firma C. H. Weisbach in Chemnitz.
Dieſe Waſchmaſchinen werden auch zu zweien kombiniert und durch einen
entgegengeſetzt der Ware laufenden Waſſerkanal verbunden. Es läuft alſo
der Strang kontinuierlich durch beide Maſchinen und fließt das Waſſer dort
ein, wo der Strang gereinigt iſt, und da aus, wo der Strang eintritt. Die
Maſchine wird über ein Baſſin montiert und beſteht aus den ſtarken eiſer-
Ganswindt, Färberei. 22
[338]

Figure 45. Fig. 40

a und b. Große Strangwaſchmaſchine.


nen Geſtellen, den zwei 3 m langen Quetſchwalzen mit Hebeldruck und Ge-
wichtsbelaſtung, der wechſelnden Rechenführung mit ſelbſtthätiger Ausrückung
bei Knotenbildung, den zwei oberen Zug- und Auspreßwalzen aus Pockholz
mit Hebeldruck und Gewichtsbelaſtung und den Porzellanringen an den Strang-
Ein- und Ausführungsſtellen. An der hinteren Seite der Maſchine befindet
ſich ein Spritzrohr und eine Abhaſpelwalze. Der Antrieb der Maſchine
geſchieht durch einen mit der Hauptwelle der Transmiſſion verbundenen Riemen.
Eignet ſich vornehmlich für Cottonbleichereien.


Figure 46. Fig. 41.

Continue-Strangwaſchmaſchine.


Dieſelbe Firma baut noch zwei Strangwaſchmaſchinen, welche
den Vorteil haben, zugleich als Breitwaſchmaſchinen benutzt wer-
den zu können. Die Strangwaſchmaſchine mit im Kreislauf
geführtem Strang
(Fig. 42) beſteht in der Hauptſache aus dem hölzer-
nen Waſſerkaſten, ſtarken eiſernen Geſtellwänden, welchem ein Quetſchwalzen-
paar eingelagert iſt, unter welchen ein Behälter für Aufnahme des Schmutz-
waſſers ſich befindet; endlich gehören dazu die Strangführungsrechen, eine
Leitwalze und eine angetriebene Abhaſpelwalze. Der Antrieb erfolgt durch
[]zu Seite 338.

Figure 47. Fig. 42.

Strangwaſchmaſchine mit im Kreislauf geführtem Strang.


[][339] Los- und Feſtriemenſcheibe mit Ausrücker. Soll dieſe Maſchine als Breit-
waſchmaſchine dienen, ſo müſſen die Strangführungsrechen in Wegfall kom-
men oder ſie werden, — falls die Maſchine beiden Zwecken dienen ſoll —
zum Herausnehmen eingerichtet. Dieſe Maſchine eignet ſich für Zanellas,
halbwollene und wollene Damenkleiderſtoffe leichter Qualität.


Die Strangwaſchmaſchine mit Druckregulator der Firma
C. H. Weisbach in Chemnitz zeigt Fig. 43 im Querſchnitt. Dieſelbe iſt nach
einem außerordentlich kräftigen Modell gebaut und beſteht aus den eiſernen Ge-
ſtellwänden, einem durch Holz verkleideten Oberbau, einem ſehr ſtarken höl-
zernen Flottenkaſten mit ſeparatem Abfluß und zwei Holzwalzen mit Spritz-
rohr. Die Oberwalze kann gegen die Unterwalze durch einen Druckregulator
eingeſtellt werden. An der Maſchine befindet ſich auch eine Leitwalze, eine

Figure 48. Fig. 43.

Strangwaſchmaſchine mit Druckregulator.


22*
[340] Lattenwalze zum Abfachen und die (herausnehmbaren) Strangführungen.
Der Antrieb erfolgt wie bei der vorigen. Die Maſchine findet hauptſächlich
Verwendung zum Auswaſchen ſtärkerer wollener Waren, wie Tuche, Decken,
Kammgarnſtoffe.


Zu den Strangwaſchmaſchinen müſſen auch die Sylinderwalken
(Fig. 44) gerechnet werden. Dieſe dienen beſonders zum Waſchen und Walken
von Flanellen, Kleider- und Mäntelſtoffen, und beſtehen aus einem großen höl-
zernen Waſchkaſten, welcher in ſolidem Eiſengeſtell ruht, von vorn und hin-
ten leicht zugänglich und mit zwei Thüren verſehen iſt. Im Innern befinden
ſich die Walkcylinder (Roulettes), deren Stellung zu den übrigen Teilen
der Maſchine je nach dem angewendeten Syſteme verſchieden iſt. Die Strang-
führung wird durch Porzellanringe bewirkt.


Figure 49. Fig. 44.

Cylinderwalken von Ernſt Geßner in Aue.


Von den eigentlichen Breitwaſchmaſchinen gehören zu den gangbarſten:


Die Breitwaſchmaſchinen der Zittauer Maſchinenfabrik, beſonders
für wollene, halbwollene und halbſeidene Stoffe, als: Orleans, Rips, Damaſt,
Zanella, Alpaca, Gloria u. dergl. Dieſe Maſchine (Fig. 45) beſteht aus
einem dreiteiligen, behufs beſter Waſſerausnutzung etagenförmig angeordneten
Holzkaſten. Die Quetſchwalzen ſind von Eiſen und mit Doppelhebeldruck
verſehen. Die weitere Anwendung, ſowie der Weg, den die Ware zu
nehmen hat über die Leithaſpeln, Spann-, Abzieh- und Fachvorrichtung, er-
gibt ſich aus der Zeichnung.


[][]

Zu Seite 341.


Figure 50. Fig. 46.

Breitwaſchmaſchine Z. X.


[341]
Figure 51. Fig. 45.

Breitwaſchmaſchine.


Auf den gleichen Prinzipien beruht die


BreitwaſchmaſchineZ X von C. G. Hauboldjun., Chemnitz,
welche Fig. 46 in der Geſamtanſicht darſtellt.


Die Hauptbeſtandteile dieſer Maſchine ſind: Waſchtrog, Leitwalzen,
Quetſchwalzen, Ab-, Aufwickel- und Legevorrichtung, Antrieb. Der Waſch-
trog iſt aus beſtem Kiefernholz feſt zuſammengefügt und durch Zwiſchen-
wände in mehrere, gewöhnlich 2 bis 3 Abteilungen getrennt. Auf dem Troge
iſt am Eingang die Abwickelvorrichtung und der Faltenlegeapparat, in der
Nähe der Zwiſchenabteilungen die Quetſchwalzen und im Boden die
Ablaßventile zum Entleeren an geeigneter Stelle angebracht. Die Leit-
rollen bilden einen weiteren wichtigen Teil der Maſchine, da von deren
zweckmäßigen Anordnung die Erzielung einer gründlichen Wäſche hauptſächlich
abhängt. Die Leitwalzen ſind ſolche, welche im Kreiſe herumgeführt werden
[342] und bilden die vier Arme eines Kreuzes (Waſchflügel) an ihren Enden die
Lagerungen für dieſelben. Bei dieſer Anordnung wird das Gewebe ener-
giſcher mit dem Waſſer in Berührung gebracht und dadurch ein ſchnelles und
gründliches Waſchen ermöglicht; es iſt noch zu bemerken, daß man ſelbſt
verhältnismäßig dünne Gewebe waſchen kann, ohne daß dieſelben in irgend
einer Weiſe ſtrapaziert oder bei leidlicher Behandlung beſchädigt werden.
Am Ende jeder Abteilung befinden ſich die Quetſchwalzenpaare, durch welche
nach dem Verlaſſen der Leitwalzen das Gewebe ſeinen Weg nehmen muß,
bevor es durch die darauffolgende Trogabteilung geführt wird. Die Quetſch-
walzen ſind von Eiſen, gewöhnlich mit Stoff umwickelt und circa 180 bis
200 mm im Durchmeſſer; die obere erhält Gewichtsbelaſtung. Vor dem Ein-
tritt in ein Quetſchwalzenpaar wird das Gewebe extra noch durch ein Spritz-
rohr mit reinem Waſſer abgeſpült. Nach dem Verlaſſen der letzten Quetſch-
walzen wird das Gewebe entweder auf Rollen gewickelt oder über der
Maſchine zurück nach dem Legeapparat geführt und hier gefaltet. Der An-
trieb erfolgt durch Los- und Feſtriemenſcheibe. Dieſe Maſchine dient haupt-
ſächlich zum Waſchen ſtarker Waren, als: Velvet, Kalmuck, Druckwaren ꝛc.


Komplizierter im Bau und ohne die etagenförmige Anordnung der
Waſſerkäſten iſt die


Breitwaſchmaſchine mit Warenführung durch Leitwalzen,
Fig. 47, von C. H. Weisbach in Chemnitz. Auf durch Traverſen ver-
bundenen kräftigen eiſernen Geſtellwänden ſind in den Käſten eine entſprechende
Anzahl Auspreßwalzenpaare eingelagert und von einer gemeinſchaftlichen Schaft-
welle mittels koniſcher Räder angetrieben.


Die Preßwalzenpaare ſind aus Holz oder Eiſen und können im letztern
Falle mit Kupfer-, Meſſing- und Gummiüberzügen verſehen werden. Hinter,

Figure 52. Fig. 47.

Breitwaſchmaſchine mit Warenführung durch Leitwalzen.


[][]

Zu Seite 343.


Figure 53. Fig. 48.

Breitwaſchmaſchine mit in den Käſten liegenden Platſch- und Transporthebeln.


[343] reſp. vor jedem Auspreßwalzenpaar befindet ſich ein Waſſerkaſten, in welchem
eine entſprechende Anzahl runde oder viereckige Leitwalzen oben und unten
eingelagert ſind, um die Ware im ſenkrechten Lauf durch die Waſchflotte zu
führen. Die viereckigen Leitwalzen haben den Vorzug, der Ware gleich-
zeitig eine hin- und hergehende ſpielende Bewegung zu geben. Die Maſchine iſt
verſehen mit Einlaßvorrichtung für aufgerollte und getafelte Ware, ſowie mit
einer Aufwickelvorrichtung und Legezeug. Die Maſchine wird in verſchiedener
Kaſtenzahl ausgeführt, und dienen die mit größerer Käſtenzahl auch als
Netz-, Säure- und Spülmaſchinen, ſowie als Degummier- oder Kuh-
miſtmaſchine.


Eine kompliziertere Maſchine derſelben Firma iſt die


Breitwaſchmaſchine mit in den Käſten liegenden Pflatſch-
und Transporthaſpeln
, Fig. 48. Dieſe Maſchine beſteht aus den ſtarken
hölzernen, mit gußeiſernen Eckſchienen befeſtigten und durch Schrauben ver-
ankerten Waſchflottenkäſten. Jeder Kaſten beſitzt ein Ablaßventil, und über
jedem Kaſten liegt ein angetriebenes eiſernes Ausquetſchwalzenpaar mit
Schmutzwaſſerkaſten und Spritzrohr.


Die eiſernen Ausquetſchwalzen können auf Wunſch mit Kupfer-, Meſ-
ſing- oder Gummiüberzügen verſehen werden.


In jedem Kaſten liegen einige Leitwalzen, welche die Waren auf- und
abführen, und 3 von außen durch Stirnräder angetriebene Haſpeln mit
Leitrollen oder ſogenannte Waſchflügel, deren Umfangsgeſchwindigkeit mit
der der Auspreßwalzen genau übereinſtimmt.


Durch die vorbezeichneten Waſchflügel wird einesteils dem Waſſer eine
ſtarke Bewegung, andernteils dem Stoff eine fortwährend veränderte Richtung
im Lauf gegeben und dadurch eine energiſche Reinigung herbeigeführt.


An jeder Maſchine befindet ſich eine Einlaßvorrichtung für aufgerollte
Ware und ein windenförmiger Bremsapparat für getafelte Ware; die ge-
reinigte Ware kann am letzten Ausquetſchwalzenpaar aufgerollt oder über
Leitwalzen oberhalb der Maſchine hinweg nach einem Legezeug geführt
werden, ſo daß Ein- und Auslauf der Ware auf einer Seite iſt und kann,
wenn erforderlich, eine Partie Ware ohne Unterbrechung auch mehr als
einmal durchgewaſchen werden.


Die Maſchine kann ſowohl zum Warm- als Kaltwaſchen, ebenſo
zum Ausſieden, wie als Breitſeifmaſchine verwendet werden und übt
auf die Bindung des Gewebes inſofern durchaus keinen nachteiligen Einfluß
aus, als alle Transobjekte genau mit der gleichen Geſchwindigkeit angetrieben
ſind.


Abweichend von den bisherigen iſt die


Ripswaſchmaſchine von C. H. Weisbach in Chemnitz (Fig. 49).
Dieſe beſteht aus den eiſernen Geſtellen mit Lager und Lagerſtändern, zwei
hölzernen Waſchtrögen mit Leitwalzen; über den Trögen befinden ſich je ein
Paar hölzerne oder eiſerne Quetſchwalzen mit Hebeldruck und Gewichtsbe-
laſtung; außerdem beſitzt die Maſchine noch einen windenförmigen Brems-
apparat am Einlaß und doppelſeitige Antriebsriemenſcheiben. Dieſe Maſchine
findet hauptſächlich Verwendung zum Auswaſchen und Auslaugen fettiger
Stoffe, von wollenen und halbwollenen Ripſen, Thibets u. dergl. Dieſe
Maſchine bildet den Uebergang zu den nachfolgenden Crabbmaſchinen; ſie
[344] kann auch ſehr wohl als einfache Crabbmaſchine betrachtet werden, und führt
als ſolche wohl auch den Namen „Brennbock“.


Figure 54. Fig. 49.

Rips-Waſchmaſchine.


Das Waſchen gemiſchter Gewebe verurſacht wegen der verſchiedenen
Verwandtſchaft der verſchiedenen Gewebefaſern zum Waſſer manche Schwierig-
keit. Ein ſolches Gewebe „krumpft“ ſich, es zieht ſich unregelmäßig zu-
ſammen und wird auf der ganzen Fläche uneben, indem ſich kleine Er-
höhungen bilden. Eine ſolche Ware wird unanſehnlich und unverkäuflich.
Die Operation, welche dieſes Krumpfen gemiſchter Gewebe verhindert, heißt
Crabben. Das Crabben beſteht in einem Durchziehen der Gewebe in
der vollen geſpannten Breite zunächſt durch kochend heißes Waſſer, von da
direkt durch zwei ſchwere eiſerne Walzen unter Anwendung ſtarken Druckes.
[][] Zu Seite 345.

Figure 55. Fig. 51.

Crabbmaſchine mit 2 Walzenpaaren. Geſamtanſicht.


[345] Die Ware wird ſodann von dem unteren Cylinder, welcher ſich in dem
kochenden Waſſer dreht, aufgewunden und von hier in ein zweites kochendes
Waſſerbad geleitet, wieder einem ſcharfen Druck zwiſchen eiſernen Walzen
ausgeſetzt, aufgerollt und die gleiche Operation in einem Troge mit kaltem
Waſſer wiederholt. Auf das Crabben folgt ſofort das Dämpfen. Das
Gewebe wird von dem letzten Sylinder, auf welchen es aus dem kalten
Waſſerbade aufgewunden war, feſt auf einen durchlöcherten hohlen Metall-
cylinder gewunden, in welchen man Dampf eintreten läßt, ſolange, bis dieſer
das Tuch durchdringt; dann wird das Verfahren auf einem zweiten Dampf-
cylinder wiederholt und zwar ſo, daß die vorher außerhalb liegenden Schichten
des Tuches jetzt innerhalb zu liegen kommen.


Um die beiden Operationen des Crabbens und Dämpfens richtig zu
verſtehen, muß an die Eigenſchaft der Wolle erinnert werden, diejenige Form,
welche man ihr in hoher Temperatur und unter Druck gibt, auch nach dem
Erkalten beizubehalten. Nach dem Crabben und Dämpfen kann ein gemiſch-
tes Gewebe ruhig auf einer der vorbeſchriebenen Breitwaſchmaſchinen ge-
waſchen werden, ohne ein runzliges Ausſehen zu bekommen.


Das Crabben geſchieht in eigenen Maſchinen, Crabbmaſchinen, welche
mit 1, 2 oder 3 Paar Walzen gebaut werden. Das Crabben, wie es vor-
hin beſchrieben wurde, iſt auf einer dreifachen Crabbmaſchine gedacht. Der
Weg, den das Gewebe beim Crabben zu nehmen hat, iſt am beſten aus dem
Querſchnitt einer zweifachen Crabbmaſchine (Fig. 50) zu erſehen. Fig. 51
zeigt dieſelbe doppelte Crabbmaſchine in der Geſamtanſicht; Fig. 52 eine
dreifache Crabbmaſchine mit 3 Walzenpaaren.


Figure 56. Fig. 50.

Crabbmaſchine mit 2 Walzenpaaren. Querſchnitt.


[346]
Figure 57. Fig. 52.

Crabbmaſchine mit 3 Walzenpaaren.


Die drei verſchiedenen Crabbmaſchinen ſind in den Einzelheiten ziemlich
übereinſtimmend, jedes Walzenpaar iſt ſolid in eiſernem Geſtell gelagert, die
untere Walze bekommt den Antrieb, die obere iſt mit einer Belaſtungs-
reſp. Hebevorichtung verbunden, welche geſtattet, daß man je nach Bedürfnis
mit geringerem oder größerem Druck arbeitet, oder aber die Walzen ganz
entlaſtet und voneinander abhebt.


Dies wird bei der einfachen und doppelten Maſchine durch direkte
Hebelbelaſtung mit verſtellbaren Belaſtungsgewichten erzielt, bei der dreifachen
Crabbmaſchine hingegen durch Rädervorgelege und Zahnſtange kombiniert
mit Belaſtungsſegment. Unter jedem Walzenpaar befindet ſich ein Kaſten
von Holz mit eiſernen Seitenwänden für die betreffende Flüſſigkeit, er ent-
hält eine Leitwalze zur Durchführung der Ware, ein Dampfrohr zum Kochen
und Ablaßventil. Die einfache Crabbmaſchine beſitzt Auf- und Abwickelvor-
richtung in einem Apparat vereinigt, die zweifache Maſchine dieſelben in ge-
[347] trennter Anordnung, während die dreifache Maſchine auf beiden Seiten
Einrichtungen hat, welche ſowohl als Abwickelung mit Bremſe oder als Auf-
wickelung mit Planſcheibenantrieb dienen. Bei der einfachen Maſchine wird
der Betrieb auf die einzelnen Walzen durch koniſche Räder übertragen, welche
durch Mitnehmerkuppelung ein- und ausgerückt werden können, ſo daß jedes
Walzenpaar für ſich arbeiten kann; das erſte und dritte Walzenpaar iſt für
Rück- und Vorwärtsgang eingerichtet.


Meiſt findet man dieſe Maſchinen als „Krappmaſchinen“ bezeichnet,
was indes völlig verkehrt iſt, da derlei Maſchinen mit Krapp nichts zu
ſchaffen haben. Infolge des ausgeübten hohen Walzendruckes dienen die
Crabbmaſchinen auch zur Erzeugung des Lüſters auf gewebten Stoffen, ſpeziell
auf Halbwoll- und Halbſeidenwaren, z. B. Orleans, Alpacas, Zanellas,
Cloth, Gloria; faſt alle Regenſchirmware iſt durch ſolche Crabbmaſchinen
gegangen. Der durch das Crabben und Dämpfen erzeugte Glanz iſt ein
dauernder und wird durch die nachfolgenden Operationen des Waſchens,
Färbens und Trocknens nicht mehr verändert. Die Crabbmaſchinen werden
daher oft auch bloß als Lüſtriermaſchinen verwendet.


§ 7. Das Trocknen.


Das Trocknen hat den Zweck, die von den Faſern, Garnen und Ge-
weben während des Waſchens und Spülens aufgenommenen Waſſermengen
wieder zu entfernen, und zerfällt in zwei Teile: das Entwäſſern und
das eigentliche Trocknen.


Das Entwäſſern, auch als „Vortrocknen“ bezeichnet, bezweckt die
Entfernung des größern Teiles des anhängenden Waſſers auf mechaniſchem
Wege
, d. h. durch Ausdrücken, Auspreſſen, Quetſchen, Schleudern, bei
Garnen und Geweben auch durch Wringen. Schon bei der Betrachtung der
Geſpinnſtfaſern haben wir geſehen, welche bedeutenden Mengen Waſſer die
einzelnen Geſpinnſtfaſern aufzunehmen vermögen, und mit welcher Zähigkeit
ſie dieſelben feſthalten. Daher gelingt es auch nicht, durch das Entwäſſern
eine Ware zu trocknen. Eine ſcharf centrifugierte oder heftig ausgewringte
Ware enthält immer noch bedeutende Waſſermengen, welche durch mechaniſche
Mittel nicht zu entfernen ſind, ſondern nur durch Trocknen.


Das Trocknen beſteht in einer Verdunſtung des Waſſers, welche ent-
weder freiwillig ſtattfindet, oder eine künſtliche iſt, ſobald ſie durch
Wärme unterſtützt wird. Die freiwillige Verdunſtung hat genügend trockne
Luft und reichlichen Luftwechſel zur Vorausſetzung; ſie geht naturgemäß nur
langſam vor ſich und iſt darum meiſt nicht anwendbar, weil Zeit Geld iſt.
Es wird daher ſtets Wärme angewendet werden müſſen. Das Trocknen
kann aber auch dann noch nach 2 verſchiedenen Richtungen geſchehen: 1. in
Trockenräumen oder Trockenſtuben, wobei durch Heizung und geeignete
Ventilation der Zweck erreicht wird; 2. durch Trockenmaſchinen. Eine
geeignete Trockenanlage iſt ein notwendiges Erfordernis für jede Färberei
und ſoll daher weiter unten ausführlichere Betrachtung finden.


[348]

§. 8. Das Trocknen loſer Faſern.


Früher geſchah das Entwäſſern loſer Wolle ꝛc. durch Ablaufenlaſſen
der Ware auf einem Siebe, Ausdrücken zwiſchen den Händen und Trocknen
auf Horden. Jetzt findet ſich faſt in jeder Färberei eine Centrifuge oder
Schleuder, in kleinern mit Handbetrieb, in größern mit Dampfbetrieb.
Ein jede Centrifuge hat als Hauptbeſtandteil einen ſiebförmig durchlöcherten
oben offenen Cylinder aus ſtarkem Kupferblech, welcher auf einem Konus
ruht, durch welchen dem Cylinder die Drehungsgeſchwindigkeit erteilt wird.
Dieſer Cylinder iſt am beſten aus Fig. 59 zu erſehen; er iſt zur Aufnahme
des zu entwäſſernden Materials beſtimmt. Der zweite Hauptbeſtandteil iſt
ein gußeiſerner oder ſchmiedeeiſerner Mantel, höher als der Kupfercylinder,
welchen er umgibt; dieſer Mantel ſteht auf einem eiſernen Boden, welcher
ſowohl als Fundament für den rotierenden Konus (ſ. oben), wie auch zum
Auffangen der ausgeſchleuderten Flüſſigkeit dient, die durch eine in dem
Boden befindliche Oeffnung direkt abgeleitet werden kann. Um eine mög-
lichſt vollkommene Entwäſſerung des auszuſchleudernden Materials zu er-
reichen, iſt es notwendig, dem Kupfercylinder die größte zuläſſige Geſchwin-
digkeit zu erteilen; mit der zunehmenden Geſchwindigkeit des Cylinders wächſt
naturgemäß der auf die Cylinderwandung wirkende Druck in ſteigender Pro-
greſſion; in gleichem Maße wächſt natürlich die Centrifugalkraft, durch welche
die eingelegte Ware immer ſtärker und heftiger gegen die Cylinderwandung
gepreßt wird, wobei die darin enthaltene Flüſſigkeit durch die durchlochte
Wandung hinausgeſchleudert wird. Der Eiſenmantel dient zum Auffangen
der ausgeſchleuderten Flüſſigkeit, welche auf dem Eiſenboden ſich ſammelt
und nach Bedarf abgelaſſen werden kann.


Der Antrieb der Centrifugen geſchieht entweder durch Kurbeln und
mittels Hand, oder mittels Riemenſcheibe oder wohl auch mittels eines
eignen kleinen Motors.


Centrifuge mit Oberbetrieb (Fig. 53 und 54). In dem ſtarken
ſchmiedeeiſernen Schutzmantel, welcher mit dem gußeiſernen Fundamentboden
ein feſtes Gefüge bildet, rotiert der durchlöcherte Schleuderkeſſel mit der
vertikalen Achſe, welche oben und unten kräftig gelagert und an ihrem oberen
Ende mit einem Konus verſehen iſt. Dieſer Konus (und mit ihm Achſe
und Keſſel) wird durch die auf der horizontalen Achſe befeſtigte koniſche
Scheibe durch Friktion in Bewegung geſetzt. Die horizontale Achſe wird
entweder durch eine Riemenſcheibe von der Transmiſſion aus oder durch eine
beſondere Dampfmaſchine, wie in Fig. 53, angetrieben. Die Bremſe wird
durch einen rechts ſichtbaren Hebel gehandhabt und bewirkt ein ſchnelles Ein-
halten des Keſſels nach genügender Schleuderung. Die ausgeſchleuderte
Flüſſigkeit ſammelt ſich in einer Vertiefung des Bodens und fließt ſeitlich
durch ein Rohr ab. Zur vollſtändigen Vermeidung von Oelflecken iſt unter
dem oberen Lager ein Oelfänger angebracht, welcher das etwa nach unten
ſickernde Schmieröl in ſich aufnimmt, von wo es jederzeit leicht abgezapft
und wieder verwendet werden kann.


[[349]]
Figure 58. Fig. 53.

Centrifuge mit Oberbetrieb.


Figure 59. Fig. 54.

Vertikalſchnitt.


[350]

Centrifuge mit Unterbetrieb (Fig. 55 und 56). Bei dieſen
Maſchinen liegt der Schleuderkeſſel oben und der Antrieb unten. Der
Unterſatz beſteht aus Gußeiſen, der den Keſſel umgebende Schutzmantel aus
Schmiedeeiſen. Der Sammelboden für die Flüſſigkeit befindet ſich zwiſchen
dem Keſſelboden und der Riemenſcheibe und gibt die Flüſſigkeit an ein Aus-
flußrohr ab. Unten quer durch den Unterſatz liegt eine ſtarke eiſerne Brücke
zur Aufnahme des beweglichen Spurlagers, in welchem die Keſſelachſe läuft.
Die letztere iſt oben, aber unterhalb des Keſſels, in einem Halslager gelagert,
welches ſo angeordnet iſt, daß es ſich etwaigen Schwankungen des Keſſels
bezw. der Achſe anſchmiegt, ohne zu leiden. — Um ſolche Schwankungen,
welche durch einſeitige Belaſtung des Keſſels entſtehen, während des Be-
triebes zu entfernen, und ſo der Maſchine einen ruhigen, gleichmäßigen
Gang zu verleihen, iſt unter dem Keſſel ein einfach konſtruierter Regulator

Figure 60. Fig. 55.

Centrifuge mit Unterbetrieb.


[351]

Figure 61. Fig. 56.

Vertikalſchnitt.


angebracht, welcher ſeinen Schwerpunkt ſtets nach der Seite hin verlegt, wo
der Keſſel zu leicht belaſtet iſt. Die unten auf der Achſe ſitzende Riemen-
ſcheibe erhält ihren Antrieb durch eine direkt wirkende Dampfmaſchine (Fig. 55)
oder durch ein beſonderes Riemenvorgelege. Zum ſchnellen Einhalten dient
eine Trittbremſe, welche auf eine Bremsſcheibe gleichmäßig einwirkt. Dieſe
Maſchinen bedürfen keines Steinfundamentes und können auf hölzernen
Fundamentrahmen montiert und ſelbſt in höher gelegenen Stockwerken be-
trieben werden.


Figure 62. Fig. 57.

Centrifuge für Handbetrieb.


[352]

Centrifuge für Handbetrieb (Fig. 57). Dieſe iſt wie die vorige
gebaut und unterſcheidet ſich davon nur durch die Anordnung der Antriebs-
vorrichtung. Der Antrieb geſchieht mittels zweier Handkurbeln, deren hori-
zontal gelagerte Achſe ein Schneckenrad trägt, welches auf die vertikale Vor-
gelegeachſe einwirkt, deren Riemenſcheibe die Bewegung auf die Keſſelachſe
überträgt.


Figure 63. Fig. 58.

Compound-Centrifuge.


[353]

Compound-Centrifuge (Fig. 58). Dieſe eignet ſich für große
Färbereien
. Sie beſteht aus 2 Centrifugen mit unterem Antrieb, von
welchen jede abwechſelnd arbeitet; während die eine beladen wird, arbeitet
die andere. Der Antrieb erfolgt durch eine Dampfmaſchine mit Keilräder-
vorgelege laut Zeichnung.


Fig. 59 iſt eine neuere Art Schleudermaſchine, eine ſogen. Panzer-
Centrifugal-Trockenmaſchine
der Firma C. H. Weisbach in Chem-
nitz. Die Centrifugalmaſchinen dienen keineswegs allein zum Entwäſſern
loſer Faſern, ſondern können mit gleichem Vorteil auch für Garne und Ge-
webe verwendet werden. Zum Entwäſſern loſer Wolle hat C. G. Haubold
in Chemnitz auch noch eine Ausquetſchmaſchine gebaut, welche jedoch vor-
wiegend für Wollgarn verwendet wird und daher im nächſten Paragraph
abgehandelt iſt.


Figure 64. Fig. 59.

Panzer-Centrifugal-Trockenmaſchine.


Schleudermaſchine zum Bleichen, Waſchen, Färben, Trock-
nen und Imprägnieren in ununterbrochener Folge
(Fig. 60).


Figure 65. Fig. 60.

Schleudermaſchine zum Bleichen ꝛc.


Ganswindt, Färberei. 23
[354]

Die Trommel dieſer Schleudermaſchine wird durch einen Deckel D ge-
ſchloſſen gehalten und dieſer in der Trommel derart geführt, daß er infolge
eines aus der Trägheit entſtehenden Beſtrebens, gegen die in Bewegung be-
findliche Trommel zurückzubleiben, auf das Material ſelbſtthätig nieder-
gepreßt wird, und dieſes um ſo mehr zuſammendrückt und eine Verſchiebung
der Stoffe an die Außenwand der Trommel, ſowie ein ſtellenweiſe zu leichtes
Paſſieren der Flüſſigkeit verhindert, je raſcher die Trommel läuft und je
kräftiger ſomit die Schleuderkraft die durch den Deckel einſtrömende Flüſſig-
keit durch das Material zu treiben ſucht. In der Mitte der Trommel iſt
ein in der Längsrichtung nachgiebiger und an der Innenſeite mit Verteilungs-
rinnen verſehener Korb K angeordnet, der dazu dient, einen inneren Hohl-
raum herzuſtellen und zu erhalten, um die zur Behandlung des Materials
dienenden Reagentien einſtrömen zu laſſen. (D. R. P. 38875 vom 2. Juni
1886. Adolf Waldbaur, Stuttgart.)


Dieſe Einrichtung ſoll offenbar zur Verwirklichung der gleichen Idee
dienen, für welche auch die Obermaierſchen und andere Apparate konſtruiert
worden ſind, d. h. Durchtreiben konzentrierter Färbebäder durch das als
Filter angeordnete zu färbende Faſermaterial.


§ 9. Das Trocknen von Garnen.


Da, wo Maſchinen nicht verwendet werden, oder wo die kleinere Menge
ein Anwenden von Maſchinen ausſchließt, geſchieht das Entwäſſern von
Garnen durch Wringen mit der Hand. Wo eine Centrifuge zur Verfügung
iſt, wird auch dieſe mit Erfolg verwendet werden können. In größeren
Betrieben wird man ſich aber mit Erfolg eine der beiden folgenden Maſchinen
bedienen:


Ausquetſchmaſchine mit Federdruck (Fig. 61), zum Ausquetſchen
der Garne, hauptſächlich Wollengarne, oder auch für loſe Wolle, von C. H.
Hauboldjun. in Chemnitz.


Dieſe Maſchine beſteht aus zwei, in ſoliden Geſtellen gelagerten guß-
eiſernen Walzen, welche mit Rändern verſehen ſind, um dieſelben mit Seilen
oder Stoff umwickeln zu können; mittels Schrauben und Federdruck wird
die obere Walze auf die untere gepreßt und durch die Federn ergibt ſich
beim Durchgang der Garne ein elaſtiſcher Druck. Die Walzen ſind durch
gleich große Räder miteinander verbunden und die untere erhält den Antrieb,
unterhalb derſelben iſt ein Holzkaſten, welcher die ausgepreßte Flüſſigkeit
auffängt. Vor und hinter den Walzen befindet ſich je eine Anzahl Holz-
walzen in ſchiefer Ebene, ſo gelagert, daß der höchſte Punkt der letzten
Walze in gleicher Höhe mit der Oberkante der unteren Preßwalze liegt.
Dieſe Holzwalzen dienen zum Ein- und Ausführen der Garne, erhalten
Antrieb und ſind untereinander durch Räder verbunden. — Soll die Ma-
ſchine zum Auspreſſen für loſe Wolle ſein, ſo wird ſtatt der trans-
portierenden Holzwalzen ein endloſes Filztuch angewendet.


Ausquetſchmaſchine der Zittauer Maſchinenfabrik (Fig. 62 u. 63),
nur für leinene Garne in ähnlicher Konſtruktion wie vorſtehend beſchrieben;
dieſe Maſchine iſt größer und ſtärker gebaut, und hat ſtatt des Federdruckes
doppelten Hebeldruck und größere Räderüberſetzung mit Klauenausrückung.


[355]
Figure 66. Fig. 61.

Ausquetſchmaſchine mit Federdruck.


Figure 67. Fig. 62.

Garnquetſche.


23*
[356]
Figure 68. Fig. 63.

Garnquetſche (Geſamtanſicht).


Auch die bedeutende Kraft einer hydrauliſchen Preſſe iſt zum Zweck
des Garntrocknens dienſtbar gemacht, wie ſich am beſten aus der nach-
ſtehenden Zeichnung der hydrauliſchen Garntrockenpreſſe (Fig. 64)
von Wever \& Comp. in Barmen ergibt. Sie unterſcheidet ſich von den
gewöhnlichen hydrauliſchen Preſſen nur dadurch, daß das Kopfſtück einen mit
Kupfer bekleideten Eiſen- oder Eichenholzſtempel trägt, welcher den inneren
Dimenſionen des mit Garn angefüllten Preßwagens entſpricht. Zu jeder
dieſer Preſſen gehören zwei auf Schienen laufende Preßwagen von Holz mit

Figure 69. Fig. 64.

Hydrauliſche Garntrockenpreſſe.


[357] ſtarker Verſchraubung, von denen der eine ſich in der Preſſe befindet, während
der andere ent- und beladen wird. Durch eine am Preßtiſch angebrachte
Knaggenvorrichtung wird der Wagen mit Leichtigkeit in die Richtung des Preß-
kernes gebracht. Nach Inbetriebſetzung der Pumpe hebt ſich der Preßtiſch
mit dem Wagen, der Stempel drückt das Garn zuſammen und preßt ſomit
das Waſſer heraus, welches durch den im Wagen befindlichen Siebboden
einen leichten Abfluß hat. Die ausgepreßten Garne erhalten allerdings
durch Druck und Reibung an den Wänden einen etwas gedrückten und ge-
glätteten Faden, was die Preſſe eigentlich nur für die Vorarbeiten brauchbar
macht, durch größere Leiſtung, leichtere Bedienung und bei weitem geringeren
Kraftbedarf aber doch der Centrifuge vorzuziehen iſt, um ſo mehr, als ſich
Druck und Glätte des Fadens ſofort verliert, wenn die Garne wieder naß
geworden ſind und mittels Centrifuge ausgeſchleudert werden, worauf man
dann dieſelbe im lockeren Zuſtand herausnimmt.


Zum völligen Trocknen von Leinen- und Baumwollgarnen in Strähnen,
wie auch für loſe Wolle, Jute-, Wollen- und Seidengarnen, dient die von
der Zittauer Maſchinenfabrik, wie auch von C. H. Hauboldjun. in Chem-
nitz gebaute


Garntrockenmaſchine nach ſchottiſchem Syſteme (Fig. 65).


Mit dieſer Maſchine kann ein großes Quantum Garn ohne Berück-
ſichtigung der äußeren Temperaturverhältniſſe in ſehr kurzer Zeit getrocknet
werden. Das Garn iſt einer gleichmäßigen Temperatur unterworfen, wo-
durch die Partien auch gleichmäßig zum Trocknen gelangen und ergibt einen
ſchöneren und weicheren Griff. Der Apparat nimmt zu dem großen zu
trocknenden Garnquantum und überhaupt zu jeder anderen Trockenanlage für
Garne den geringſten Raum ein, braucht auch das wenigſte Heizmaterial.
In ſeinen weſentlichen Teilen beſteht er aus einem ſolid gefügten Holzge-
häuſe, in welchem die Rahmen, gewöhnlich 36 Stück, Aufnahme finden,
und einem Fahrſtuhl, der dieſelben mittels Aufzug an die Einführung des
Apparates befördert, einem großen, kräftig wirkenden Exhauſtor, der die heiße
Luft aus dem unter dem Apparat liegenden Heizregiſter durch die im Ge-
häuſe befindlichen Rahmen zieht und ins Freie abführt. Die Rahmen ſind
ſehr ſolid zuſammengefügt, mit Zahneiſen und Oeſen verſehen, in welchen
die zur Spannung der Garne nötigen Blechrollen gelagert ſind. Das Ab-
wärtsbewegen der im Gehäuſe befindlichen Rahmen erfolgt durch Hand
mittels Kurbel und Rädermechanismus, während das Einführen derſelben
außerhalb durch einen Aufzug und durch den vom Exhauſtor erzeugten Luft-
ſtrom ſelbſtthätig geſchieht. Der Betrieb iſt ein kontinuierlicher und dauert
der Durchgang der Rahmen durch den Apparat etwa 50 Minuten bei einem
Quantum von 75 kg Garn.


Durch ein Vorgelege wird der Exhauſtor und der Aufzug in Bewegung
geſetzt.


Das Heizelement iſt dem Heizkeſſel mit eingewalzten Weißblechröhren
entſchieden vorzuziehen; es bietet bei geringeren Koſten größere Betriebs-
ſicherheit und Dauerhaftigkeit, da Reparaturen faſt ganz ausgeſchloſſen ſind
und vorkommenden Falls ſich dann nur auf Erneuerung einer Gummidichtung
belaufen können. Zur Heizung der Elemente kann auch Abdampf benutzt
werden.


[358]
Figure 70. Fig. 65.

Garntrockenmaſchine nach ſchottiſchem Syſtem.


Dieſe Trockenmaſchine hat ſich durch ihre durchgehend zweckentſprechende
Konſtruktion und den erforderlichen geringen Raumbedarf allgemein einge-
führt.


C. H. Weisbach in Chemnitz hat ſich eine


Rotierende Garntrockenmaſchine (Fig. 66) patentieren laſſen,
welche nach dem Patentinhaber folgende Vorteile beſitzt:


1. Vermeidung der hohen Temperatur in den Trockenſtuben, wodurch
die Beeinträchtigung des Glanzes der Farbe und der Elaſtizität des Garnes
beſeitigt wird.


2. Eine durch die niedrige Temperatur erzielte ſehr bedeutende Erſpar-
nis an Feuerungsmaterial.


3. Gänzlicher Wegfall der Feuergefährlichkeit beim Trocknen der Garne.


[359]
Figure 71. Fig. 66.

Rotierende Garntrockenmaſchine.


4. Vollſtändige Beſeitigung des oft großen Schaden verurſachenden ſo-
genannten Ausſchlagens der Farben, das ſo oft in Trockenſälen vorkommt,
in welchen verſchiedene Farben getrocknet werden.


5. Die Garne werden durch die rotierende Bewegung von allen Un-
reinlichkeiten und Farbſtoffrückſtänden, wie Curcuma, Gallus, Schmack ꝛc.
befreit, bleiben weich und voll und erhalten ein friſches und glänzendes
Ausſehen.


6. Bedeutende Raumerſparnis.


Auf der Weisbachſchen patentierten Garntrockenmaſchine werden die
baumwollenen Garne, nachdem ſie gut ausgeſchleudert worden ſind, in Zeit
[360] von circa 1¼ Stunde, die wollenen Garne in Zeit von 40 bis 45 Minuten
bei circa 36° R. und genügender Luftzirkulation vollſtändig getrocknet und
beträgt die Leiſtungsfähigkeit in 12 Stunden von baumwollenen Garnen
circa 250, von wollenen Garnen circa 400 kg.


Ganz beſonders eignen ſich dieſe Garntrockenmaſchinen auch zum Trock-
nen geſchlichteter Garne, indem bei großer Leiſtung ein glatter, glänzender,
runder, elaſtiſcher und loſer Faden erzielt wird, kein Zuſammenkleben ſtatt-
findet und die Farben durch das Trocknen in keiner Weiſe beeinträchtigt
werden.


Die Konſtruktion der Maſchine beſteht vorerſt aus zwei eiſernen Stän-
dern, welche die Lager für eine horizontale Welle enthalten; auf dieſer Welle
ſind in unmittelbarer Nähe der Lager zwei Armſterne befeſtigt und befinden
ſich in jedem Arme fünf durchgehende Oeffnungen, welche bei dem Armſterne,
der ſich an der Antriebsſeite befindet, durch an der äußeren Fläche feſtge-
ſchraubte Bleche wieder geſchloſſen ſind. An die Arme des linken Arm-
ſternes ſind verſchiebbare, mit Griffen verſehene Bleche angebracht, welche
4 Oeffnungen enthalten, die genau die Größe der Oeffnungen in den Armen
ſelbſt haben; dieſe Bleche ſind durch zwei Führungen an die Arme befeſtigt
und werden durch die im Innern jedes Armes befindliche Spiralfeder in
einer Stellung erhalten, in welcher die in den Armen ſelbſt befindlichen
Oeffnungen durch das zwiſchen den Oeffnungen in den Blechen ſtehen ge-
bliebene Material geſchloſſen bleiben; außerdem befinden ſich in dieſen Blechen
noch Einfräſungen, welche ein Zurückſchieben nach dem Innern zu geſtatten
und zwar ſoweit, daß die Oeffnungen in den Blechen genau auf die in den
Armen ſelbſt paſſen; durch die in jedem Arme angebrachte Spiralfeder wird
das Blech von ſelbſt wieder vorgezogen und dadurch die Oeffnung in den
Armen wieder geſchloſſen. Zwiſchen die erwähnten Armſterne werden die
Holzwalzen eingelegt, nachdem das Garn auf je zwei Walzen eines Armes
aufgehängt worden iſt; durch Zurückſchieben des Bleches an dem linken Arm-
ſterne werden die Oeffnungen desſelben zum Durchſtecken der Walzen frei;
nachdem dieſe nun auch in die Oeffnungen des rechten Armſternes ſoweit
eingeführt ſind, daß ſie an dem Verſchlußbleche anſtoßen, wird das Blech
an den Armen des linken Armſternes durch die Spiralfeder nach vorn ge-
zogen, ſo daß die Oeffnungen beider Armſterne geſchloſſen ſind und die
Walzen eine ſichere Lagerung haben. Hiernach erfolgt die Inbetriebſetzung
der Maſchine durch Führung des Riemens von der Los- auf die Feſtſcheibe;
dieſe letztere ſetzt die Welle und mit derſelben die Armſterne in Bewegung,
ſo daß die Garne, welche auf die Holzwalzen aufgeſpannt ſind, in der Luft
herumgeführt werden und dadurch jene bedeutende Bewegung derſelben er-
zielt wird, welche die bereits erwähnte ſchnelle Trocknung herbeiführt. Die
in jedem Arme befindlichen fünf Oeffnungen haben den Zweck, die Stellung
der Walzen nach dem Verhältniſſe der Weifenlänge regulieren zu können;
die eine Walze wird ſtets in die am äußerſten Ende der Arme befindliche
Oeffnung gebracht, während die andere Walze je nach der Länge der Weife
in eine der übrigen Oeffnungen eingelegt wird. Um die Bedienung möglichſt
vorteilhaft zu geſtalten, werden zu jeder patentierten Garntrockenmaſchine
zwei Satz = 32 Stück Holzwalzen geliefert, ſo daß, während die Maſchine
im Betriebe iſt und eine Partie Garn trocknet, auf den zweiten Satz Garn
aufgeſteckt und dieſes ſofort eingelegt werden kann, wenn das in der Maſchine
befindliche Garn trocken iſt.


[361]

Hierhin ſind ſchließlich auch noch die


Antrockenapparate zum Trocknen von Garnproben (Fig. 67) der
Firma C. G. Hauboldjun. zu rechnen. Dieſelben haben den Zweck, kleine
Garn- oder Gewebemuſter ſchnell trocknen zu können, um die Nüance zu beur-
teilen. Das zu trocknende Muſter wird zwiſchen zwei Meſſingſiebe eingelegt,
dieſelben ſind in geringer Höhe über einem Rippenheizregiſter, welches ent-
ſprechend der Größe und Form des Apparates iſt, angebracht, durch ein
Ventil läßt man Dampf einſtrömen, und die nun vom Regiſter ausſtrömende
Wärme dringt durch die Siebe und trocknet auf dieſe Weiſe die Muſter.
Das ſich bildende Kondenſationswaſſer wird durch einen Ablaßhahn aus dem
Rippenheizregiſter entfernt.


Figure 72. Fig. 67

a. Antrockenapparate.


[362]
Figure 73. Fig. 67

b. Antrockenapparate.


§ 10. Trocknen von Geweben.


Zum Entwäſſern von Geweben können gleichfalls Centrifugen Ver-
wendung finden, doch wird man bei Strangwäſche, beſonders da, wo regel-
mäßig im Strang gewaſchen wird, eine


Strangausquetſchmaſchine (Squeezer) nicht entbehren können.
Eine ſolche (Fig. 68) iſt auch für Garne in Ketten zu verwenden und be-
ſteht aus dem Eiſengeſtell und 2 Walzen aus Meſſing, Holz, Baumwolle,
Jute oder Cocosfaſer, nebſt ſelbſtthätig beweglichem Porzellanring als Strang-
führung und doppelt überſetztem Hebeldruck.


Für ſolche Gewebe, welche auf der Breitwaſchmaſchine gewaſchen ſind,
eignet ſich am beſten die


Horizontale Centrifugaltrockenmaſchine (Fig. 69) für Stück-
färberei. Dieſelbe geſtattet ein Centrifugieren im breit aufgewickelten Zu-
ſtande und ſchützt daher die Gewebe vor Falten, Knittern. Die Maſchine
iſt nach dem Prinzip der Centrifugen gebaut, nur iſt der kupferne Cylinder
hier nicht vertikal gedacht, ſondern er iſt eine horizontal rotierende
Centrifugaltrommel. Nachdem die Ware an das an der Centrifugaltrommel
befeſtigte Mitlauftuch angeheftet iſt, ſetzt der Arbeiter die Trommel durch einen
Druck mit dem Fuße auf den mit einem Hebel in Verbindung ſtehenden
Riegel, welcher beim Stand des Arbeiters nach dem Fußboden angebracht
iſt, in langſam rotierende Bewegung, wodurch die Ware exakt aufgewickelt
wird. Dabei iſt der Arbeiter imſtande, durch Abheben des Fußes von
dem Riegel die Rotation der Trommel jeden Augenblick zu hemmen, um
[363]

Figure 74. Fig. 68.

Strangausquetſchmaſchine.


Figure 75. Fig. 69.

Horizontale Centrifugaltrockenmaſchine.


etwa eingelaufene Falten entfernen zu können. Nachdem nun die Ware auf
die Trommel gewickelt iſt, wird das Ende durch eine Schnur befeſtigt, der
Deckel geſchloſſen, und der Trommel durch die Führung des Riemens von
der Los- auf die Feſtſcheibe, ſowie durch eine an der andern Seite der An-
triebswelle und eine auf der Trommel angebrachte Riemenſcheibe die zum
Entwäſſern erforderliche große Tourenzahl mitgeteilt. Iſt dann die Ware
möglichſt vollſtändig von der darin enthaltenen Feuchtigkeit befreit, ſo wird
die Maſchine ausgerückt, die Rotation der Trommel durch eine ſchnell wirkende
Bremsvorrichtung gehemmt, und die Ware abgezogen. — Dem gleichen Zweck
dient die


[364]

Horizontale Centrifuge der Zittauer Maſchinenfabrik (Fig. 70). Die-
ſelbe dient vornehmlich zum Trocknen von Sammet, Plüſchen u. dergl. dicken
Waren. Die Maſchine beruht auf den gleichen Prinzipien, und iſt nach der
bei der vorigen Maſchine gegebenen Erläuterung ſofort verſtändlich.


Figure 76. Fig. 70.

Horizontale Centrifuge.


Will man mit der Breitwaſchmaſchine gewaſchene Gewebe nicht im auf-
gewickelten, ſondern im glatten geſpannten Zuſtande trocknen, ſo dienen dieſem
Zweck die Spannrahmen und Trockenmaſchinen der verſchiedenen
Syſteme. Es ſind das ſehr große und ſehr komplizierte Maſchinen, welche
beim Trocknen gefärbter Gewebe ausführlicher behandelt werden ſollen
(vergl. § 31, Trockenmaſchinen).


§ 11. Das Bleichen.


Die durch die Operationen des Waſchens und Trocknens vorbereiteten
Waren beſitzen oft noch nicht diejenige Weiße, welche von ihnen verlangt
werden muß, wenn ſie für helle Farben beſtimmt ſind. In dieſem Falle
muß die Ware gebleicht werden. Das Bleichen iſt ein rein chemiſcher Vor-
gang, welcher die Zerſtörung von inkruſtierender Subſtanz und den natür-
lichen Farbſtoffen der Faſern bezweckt. So anſcheinend leicht das für den
erſten Augenblick erſcheinen mag, ſo wird die Sache dadurch ſchwierig, daß
es ſchwer möglich iſt, den Grenzpunkt zu beſtimmen, wo der eigentliche Zweck
des Bleichens erreicht iſt, ohne daß bereits die Elemente der Geſpinnſtfaſer
ſelbſt gelitten haben. Sodann iſt auf die Natur der zu bleichenden Subſtanz
Rückſicht zu nehmen. „Eines ſchickt ſich nicht für Alle“; dieſes Sprichwort
iſt auch hier recht angebracht.


Die Bleichmittel wirken in den meiſten Fällen oxydierend auf den Farb-
ſtoff ein; eine Ausnahme macht allein die ſchweflige Säure, welche die merk-
[365] würdige Eigenſchaft beſitzt, mit einer großen Anzahl unlöslicher Farbſtoffe
lösliche farbloſe Verbindungen — Leukoverbindungen — zu bilden,
ſo daß der vorher unlösliche Farbſtoff durch Waſchen und Spülen entfernt
werden kann. Die Bleichmittel ſelbſt ſind im erſten Teile dieſes Hand-
buches ausführlich erörtert; hier mögen ſie nur kurz zuſammengeſtellt werden:
Schwefel, ſchweflige Säure und ſchwefligſaure Salze, Chlorkalk und eine
ganze Reihe von unterchlorigſauren Salzen, Kaliumpermanganat, Waſſerſtoff-
ſuperoxyd, wozu in neuerer Zeit noch jene Stoffe kommen, welche zur Bleiche
mittels Elektrolyſe verwendet werden: Chlormagneſium und Chloralu-
minium.


§ 12. Bleichen der Wolle.


Die Wolle wird als loſe Wolle niemals gebleicht, ſondern nur als
Garn oder Gewebe, und auch nur dann, wenn ſie entweder weiß bleiben
ſoll, oder wenn ſie zu hellen Farben beſtimmt iſt; zu dunkleren oder mitt-
leren Farben beſtimmte wird nicht gebleicht. Von Bleichmitteln für Wolle
kommen nur 2 in Betracht: Schwefel, reſp. ſchweflige Säure, und Waſſer-
ſtoffſuperoxyd.


Bleichen mittels Schwefel. Dieſe Operation wird allgemein als
das Schwefeln der Wolle bezeichnet. Es wird in den ſog. Schwefel-
kammern
vorgenommen, das ſind aus Back- oder Ziegelſteinen hergeſtellte
Räume, am beſten ohne Kalkabputz, mit Thür und von außen verſchließ-
baren
Fenſtern verſehen, am beſten auch am Dache mit einer von unten
zu öffnenden reſp. zu ſchließenden Klappe. In dieſe Kammer werden die
zu bleichenden Wollwaren (Garne, Tuche ꝛc.) auf hölzerne Böcke oder horizon-
tal gezogene Leinen gehängt. Der Schwefel wird am beſten in Stangen-
form angewendet, welche gröblich zerſtückelt in einen ſteinernen Topf ge-
ſchüttet und dann angezündet werden *). Dann werden alle Fenſter und
Thüren ſo dicht als möglich geſchloſſen und die Ware der Einwirkung der
ſchwefligſauren Dämpfe 6 bis 8 Stunden, unter Umſtänden auch länger,
überlaſſen. Der Fortgang des Bleichens kann durch die Fenſter beobachtet
werden. Man nimmt durchſchnittlich 6 bis 8 Prozent vom Gewicht der
Ware an Schwefel. Es muß hier bemerkt werden, daß die gasförmige
ſchweflige Säure ein giftiges Gas iſt, welches nicht eingeatmet werden darf.
Es iſt deshalb unbedingt notwendig, daß vor dem Betreten
der Schwefelkammer ein mindeſtens halbſtündiges Lüften vor-
hergeht, und zwar müſſen zu dem Zweck ſowohl Thüren, wie
Fenſter und Dachklappe geöffnet werden
. Nach beendetem Bleichen
wird in vorbezeichneter Weiſe gelüftet und die Ware geſpült. Das Spülen
muß in reinem kalkfreiem Waſſer geſchehen. Auf ein gründliches Spülen
iſt beſonderes Gewicht zu legen, damit die waſſerlösliche Leukoverbindung
völlig aus der Wolle entfernt wird. Geſchieht das Spülen nicht mit der
nötigen Gründlichkeit, ſo iſt der Erfolg nur ein teilweiſer, da, wenn die
Leukoverbindung in der Wolle bleibt, dieſelbe durch ſpätere Berührung mit
[366] Säuren ſchnell, durch die Kohlenſäure der Luft aber langſam zerlegt wird;
es wird alsdann der urſprüngliche Farbſtoff regeneriert und die bereits ge-
bleichte Wolle wird lediglich infolge mangelhaften Auswaſchens wieder gelb-
lich. Es darf auch nicht außer Acht gelaſſen werden, daß die zur Bleiche
beſtimmten Wollwaren ſtets in feuchtem Zuſtande, niemals getrocknet, in die
Schwefelkammer gelangen dürfen. Daß das Schwefligſäuregas nicht not-
wendig in der Kammer ſelbſt erzeugt zu werden braucht, ſondern auch, gleich-
viel auf welche Art erzeugt, von außen in die Kammer geleitet werden kann,
iſt ſelbſtverſtändlich. Für feinere Waren empfiehlt ſich ein Schwefeln im
Strang oder als Kette, in welchem Falle die Ware, ähnlich wie in einer
Oxydationsmaſchine, über Breitwalzen und durch Porzellanringe langſam
durch die Kammer paſſiert.


Eine konzentrierte Löſung von ſchwefliger Säure zu verwenden, oder
etwa Natriumſulfit oder Biſulfit, welches in Löſung mittels Salzſäure
oder Schwefelſäure zu zerſetzen wäre, empfehle ich nicht, da die
Flüſſigkeit ſoviel der erſtickenden ſchwefligen Säure aushaucht, daß das
Arbeiten damit zur Laſt, ja zur Gefahr werden kann. Dagegen verdient
der Vorſchlag Hummels, die Ware erſt mit Biſulfit zu imprägnieren, und
dann hinterher in einem ſalzſauren Bade zu behandeln, volle Beachtung
(ſiehe auch unten).


Bleichen mit Waſſerſtoffſuperoxyd. Die Anwendung des
Waſſerſtoffſuperoxydes in der Wollbleiche iſt die denkbar einfachſte und kann
in einem gewöhnlichen Holzbottiche und in jedem nicht zu warmen, im Winter
aber froſtfreien Raume vorgenommen werden. Vorausſetzung für ſeine An-
wendung iſt, daß die Wolle völlig rein gewaſchen iſt. Das käufliche Prä-
parat iſt dann mit dem 10 bis 15fachen, nach Delmart mit dem 5 bis
6fachen Gewicht Waſſer zu verdünnen, womit das Bleichbad fertig iſt.
Delmart empfiehlt auch einen ſchwachen Zuſatz von Ammoniak, bis einge-
tauchtes rotes Lackmuspapier nach einigen Sekunden ſich ſchwach bläut. Nach
Löbner genügt für nicht zu helle Wollen ein Aufenthalt von 30 bis 40 Minu-
ten im Bleichbad. Delmart empfiehlt ein 6 bis 10 Stunden langes
Hantieren, bei von Natur weißer Wolle 1 bis 2 Stunden. — Ebell
(Chemiker-Ztg. 1888, 2) empfiehlt das Waſſerſtoffſuperoxyd unverdünnt
anzuwenden; verdünntes ſoll ohne Schaden gelind erwärmt werden können.
Die Wollen müſſen genügende Bewegung und genügenden Spielraum in der
Kufe haben, wodurch der Bleichprozeß weſentlich beſchleunigt wird. Bei
größerer Verdünnung des Bleichbades wirkt dasſelbe etwas langſamer. Die
dem Bleichbade entnommene Wolle ſetzt an der Luft, ſo lange ſie noch feucht
iſt, den Bleichprozeß fort und empfiehlt es ſich deshalb, dieſelbe nicht zu
ſchnell zu trocknen. Wo es die Einrichtung irgend zuläßt, trockne man im
Freien unter Einwirkung der Sonne, dann erhält man das ſchönſte Reſultat.
Bei der Wollbleiche mittels Waſſerſtoffſuperoxyd wird der Farbſtoff wirklich
zerſtört, ſo daß ein Nachgilben der gebleichten Faſer, wie es beim Bleichen
mit ſchwefliger Säure und ungenügendem Auswaſchen regelrecht auftritt,
völlig ausgeſchloſſen iſt. Aus dem Umſtande, daß ein richtig zuſammenge-
ſetztes Bleichbad während des Bleichprozeſſes ohne Gasentwickelung Waſſer-
ſtoffſuperoxyd verliert, zugleich aber ſeine Alkalinität einbüßt, glaubt Ebell
folgern zu ſollen, daß der aus dem Wollfarbſtoff und Waſſerſtoffſuperoxyd
gebildete neue Körper ſaurer Natur iſt und das Ammoniak bindet. — Ar-
[367] beitet man mit verdünntem Waſſerſtoffſuperoxyd, ſo kann man dem Bleich-
bade ein Minimum Indigokarmin oder Methylviolett, welches zur Erzeugung
eines reinen Weiß notwendig iſt, direkt hinzufügen, da auch die gebleichte
Wolle noch einen ſchwach gelblichen Stich zeigt. Verwendet man das Prä-
parat jedoch in konzentrierter Löſung, ſo muß man auf einem beſonderen
Bade abtönen, da andernfalls auch der Indigo entfärbt werden würde. Das
von der gebleichten Ware mechaniſch zurückgehaltene Bleichbad kann durch
Centrifugieren wieder gewonnen und von neuem benutzt werden.


Erwähnt möge hier noch werden das geiſtvolle Kallabſche Bleichver-
fahren, welches eigentlich eine höchſt verdünnte Hypoſulfitküpe repräſentiert,
und die bleichende Wirkung der ſchwefligen Säure mit der paralyſierenden
Blaufärbung des Indigos verbindet.


Bleichen mit übermanganſaurem Kali und ſchwefliger
Säure
. Bei Benutzung von Kaliumpermanganat verwendet man eine
Löſung von circa 15 Gramm pro Eimer Waſſer, bringt die Wolle hinein,
hantiert auf dem Bade 20 Minuten, und bringt ſie dann in ein zweites
Bad aus ſchwefliger Säure (⅓ Liter des flüſſigen Handelsproduktes auf
10 Eimer), hantiert wieder 20 Minuten und ſchleudert aus. Schließlich
bläut man mit Indigokarmin oder Methylviolett, wie oben. (Deutſche
Färberztg. 1886, Nr. 17.)


Bleichen mit Natriumbiſulfit nach Juſtinus Mullerus. Die
gut geſpülte Wolle wird in eine 20° Bé. ſtarke Löſung von Natriumbiſulfit
eingelegt, 12 bis 15 Stunden darin gelaſſen, und dann, ohne zu waſchen,
durch ein 4° Bé. ſtarkes Schwefelſäurebad paſſiert.


§ 13. Bleichen der Seide.


Für das Bleichen der Seide kommen gleichfalls nur ſchweflige Säure
und Waſſerſtoffſuperoxyd in Betracht. Außerdem iſt auch verdünntes Königs-
waſſer, ſowie Baryumhyperoxyd in Anwendung gekommen.


Bleichen mit ſchwefliger Säure. Dasſelbe iſt bei der entſchälten
und degummierten Seide das nämliche, wie bei der Wolle; die Seide wird
geſchwefelt, d. h. ſie wird in feuchtem Zuſtande in der Schwefelkammer
6 Stunden lang der Einwirkung von ſchwefligſauren Dämpfen ausgeſetzt.
Die Seide bleicht nur langſam und das Schwefeln muß mehrmals wieder-
holt werden. Dann folgt aus den gleichen Gründen, wie ich ſie zuvor bei
der Wolle entwickelt habe, ein gründliches Waſchen, möglichſt in deſtilliertem
Waſſer.


Bleichen mit Königswaſſer findet nur in dem Falle ſtatt, daß
man zu gebleichter Soupleſeide gelangen will; in dieſem Falle läßt
man das Bleichen dem Souplieren vorausgehen. Zum Bleichen benutzt man
eine Miſchung von 1 Teil Salpeterſäure und 5 Teilen Salzſäure, welche
man 4 bis 5 Tage bei 25° ſtehen läßt und dann auf circa 3° Bé. ver-
dünnt. Die Seide wird bei 20 bis 35° eine Viertelſtunde darin umge-
zogen, dann ſofort gut ausgewaſchen und geſchwefelt. Das Souplemachen
geſchieht durch Einbringen in ein nahezu ſiedendes Bad, welches man mit
Weinſtein oder mit Bitterſalz und etwas Schwefelſäure ſchwach ſauer gemacht
hat. Dabei verliert die Seide nur einen Teil des Seidenleims, ſchwillt auf
[368] und läßt ſich hinterher ſehr gut färben. Die Soupleſeide ſteht in ihren
Eigenſchaften zwiſchen der Rohſeide und der degummierten Seide, der letzte-
ren ſteht ſie in Bezug auf Glanz, Geſchmeidigkeit und Griff nach.


Bleichen mit Baryumſuperoxyd. Dieſe Methode iſt von Teſſié
du Motay
vorgeſchlagen worden. Man behandelt die Seide in einem etwa
65° R. warmen Bade, welches 50 bis 100 Prozent vom Gewicht der Seide
Baryumſuperoxyd enthält, unter beſtändigem Umziehen eine Stunde lang,
wäſcht in lauwarmem Waſſer aus, paſſiert ein ſchwach ſalzſaures Bad und
ſpült nochmals. Hummel empfiehlt, den Bleichprozeß dadurch zu vervoll-
ſtändigen, daß man die Seide in einer Löſung von Kaliumpermanganat und
Bitterſalz behandelt und dann in einer Löſung von Natriumbiſulfit mit Zuſatz
von Salzſäure wäſcht.


Bleichen mit Waſſerſtoffſuperoxyd. Waſſerſtoffſuperoxyd iſt das
beſte Bleichmittel für Seide; dieſelbe wird einige Stunden in die verdünnte
und mit wenig Ammoniak verſetzte Löſung des käuflichen Produktes einge-
legt, und dann mit Waſſer tüchtig ausgewaſchen.


Das vollkommenſte Bleichverfahren würde wohl das ſein, die Seide
zunächſt
, wie üblich, zu ſchwefeln, die Leukoverbindung durch
fleißiges Waſchen mit Waſſer zu entfernen und dann die Seide
durch ein ſchwaches Waſſerſtoffſuperoxydbad zu paſſieren und
zu ſpülen
. Ich empfehle dieſen Vorſchlag der Beachtung aller Inter-
eſſenten.


Bleichen der Tuſſahſeide. Die von Natur braunere Tuſſahſeide
widerſteht der Bleiche ziemlich hartnäckig. Schwefeln erzielt nur geringe
Reſultate. Die beſten Reſultate ſollen bisher mit Baryumſuperoxyd erzielt
worden ſein. Merkwürdig bleibt es dagegen, daß von einem Bleichen der
Tuſſahſeide mit Waſſerſtoffſuperoxyd nirgends etwas zu finden iſt.


§ 14. Bleichen der Baumwolle.


Unter den Geſpinnſtfaſern pflanzlichen Urſprungs iſt die Baumwolle am
einfachſten zu bleichen; ſie beſitzt von Natur wenig Farbſtoff und gibt den-
ſelben an Bleichmittel verhältnismäßig leicht ab. Dieſes einfache Verhältnis
trifft bei der loſen Faſer immer zu, bei Garn und Geweben nur unter der
Vorausſetzung des vorausgegangenen Waſchens; entſprechend der Natur der
Baumwollfaſer muß das Waſchen mit Schmierſeife, ja es kann ſogar mit
verdünnter Aetznatronlauge geſchehen. Bei der Behandlung mit dem Bleich-
mittel iſt das Hauptaugenmerk darauf zu richten, daß das Chlor wohl den Farb-
ſtoff zerſtöre, nicht aber die Celluloſe ſelbſt angreife. Durch eine zu weit gehende
Einwirkung des Chlors wird nämlich deren chemiſche Struktur gelockert und
die Celluloſe (nach den Verſuchen von Witz) in Oxycelluloſe übergeführt,
und dadurch nicht nur die Feſtigkeit der Baumwolle verringert, ſondern auch
ihr ſpäteres Verhalten gegen Farbſtoffe verändert.


Witz hat dieſes Verhalten durch folgenden Verſuch illuſtriert. Ein
Streifen eines Baumwollengewebes wird ſo aufgehängt, daß ſein unteres
Ende in eine viergrädige Chlorkalklöſung taucht, ſo daß der obere Teil ſich
durch Kapillarität allmählich mit Chlorkalklöſung anſaugt und gleichzeitig der
Einwirkung der in der Luft enthaltenen Kohlenſäure ausgeſetzt iſt. Wäſcht
[369] man nach einer Stunde ſucceſſive mit Waſſer, Biſulfitlöſung, Salzſäure und
Waſſer gut aus und färbt dann in einer ½prozentigen Löſung von Methylen-
blau, ſo beobachtet man, daß der eingetauchte und der von der Chlorkalk-
löſung nicht benetzte Teil des Streifens nur ganz ſchwach gefärbt ſind, wo-
gegen die Zone, welche ſich oberhalb des Flüſſigkeitsniveaus befand, eine
ganz dunkle Färbung zeigt, welche ſich nach oben zu abſchattet. Die Inten-
ſität der Färbung iſt ein Maß für die Umwandlung der Celluloſe in Oxy-
celluloſe, da nur die letztere die Eigenſchaft beſitzt, ſich mit Methylenblau
ſubſtantiv anzufärben.


Das Hauptbleichmittel für Baumwolle iſt das Chlor oder unterchlorig-
ſaure Salze, z. B. Chlorkalk. Die Baumwollenbleiche, wie ſie ſich in
großen Bleichereien vollzieht, hat in großen Umriſſen folgenden Verlauf:


1. Bäuchen. Die Garne oder Gewebe werden in offenen (Bäuch-
keſſeln
) oder geſchloſſenen cylindriſchen Keſſeln unter Druck (Hochdruck-
kochkeſſel
) mit einer verdünnten Natronlauge (30 l Natronlauge, 200 l
Waſſer) mehrere Stunden gekocht (die Einrichtung dieſer Keſſel ſiehe § 18).


2. Chloren. Die ausgekochte und geſpülte Ware wird dann in das
Chlorkalkbad eingelegt. Man bereitet ſich dasſelbe durch Anreiben oder An-
rühren des Chlorkalkes mit Waſſer; man erhält zuerſt einen dicken Brei,
mit mehr Waſſer einen dünnen Schlamm, mit viel Waſſer eine milchige
Flüſſigkeit, welche man abſetzen läßt; man zieht die überſtehende klare ſchwach
grünliche Flüſſigkeit ab und verdünnt ſie mit Waſſer auf 1½ bis 2° Bé.
Das Chlorkalkbad iſt infolge der chemiſchen Zuſammenſetzung des Chlorkalks
ſtets ſchwach alkaliſch; in dieſem 1 bis 2° Bé. ſtarken alkaliſchen Bade kann
das Garn oder Gewebe bei gewöhnlicher Temperatur mehrere Stunden be-
laſſen werden, während welcher Zeit das Bleichen langſam vor ſich geht.
Ein Zuſatz von Schwefelſäure oder Eſſigſäure zur Bleichflüſſigkeit iſt nicht
notwendig
. Man erreicht dadurch eine ſchärfere Einwirkung, läuft aber
Gefahr, daß auch die Faſer ſelbſt mit angegriffen wird. Desgleichen iſt ein
Erwärmen unter allen Umſtänden zu vermeiden. Auf das Chloren
folgt:


3. Spülen, welches die Entfernung alles überſchüſſigen Chlorkalkes
bezweckt, und


4. Säuren. Die Ware wird durch ein ſchwaches Salzſäurebad paſ-
ſiert, durch welches aller Kalk aus der Ware entfernt wird, worauf nochmals


5. Zweites Spülen folgt. Iſt das Weiß nicht befriedigend, ſo
werden die Operationen wiederholt. Das Bäuchen fällt natürlich fort; es
folgt ſofort


6. Zweites Chloren und dann die übrigen Operationen in derſelben
Reihenfolge wie oben, ſo lange, reſp. ſo oft, bis das gewünſchte Weiß er-
reicht iſt.


Dieſer Bleichprozeß reſp. das Aufeinanderfolgen der einzelnen Opera-
tionen wird nicht ſelten mannigfach modifiziert, indem ſtatt der einfachen
Chlorkalklöſung andere Bleichflüſſigkeiten als Bäder benutzt werden, welche
jedoch in der Mehrzahl aus unterchlorigſauren Salzen beſtehen (unterchlorig-
ſaures Natron oder Kali oder Baryt oder Thonerde u. ſ. w.). Es würde
den Umfang dieſes Handbuches überſchreiten, wenn ich hier die verſchiedenen
Ganswindt, Färberei. 24
[370] Bleichverfahren und Bleichvorſchriften aufführen wollte; ich will nur das
Verfahren von Mather und Thomſon, welches mit Recht Aufſehen
erregt hat, hier noch kurz erörtern. Dasſelbe unterſcheidet ſich von dem
bisher beſchriebenen in zwei weſentlichen Punkten: Die Ware bleibt nicht
ſtundenlang im Bleichbade, ſondern ſie wird ſofort nach der Durchtränkung
mit der Bleichflüſſigkeit vom Ueberſchuß durch Ausquetſchen befreit, alſo ge-
wiſſermaßen geklotzt, und gelangt dann ſofort in ein Zimmer, welches gas-
förmige Kohlenſäure enthält. Die Vorteile dieſes Verfahrens beſtehen in
der großen Verwandtſchaft der Kohlenſäure zum Kalk, welche eine Freimachung
der unterchlorigen Säure geſtattet, und in dem großen Zeitgewinn, welcher
durch das Klotzen der Ware erreicht wird, während der eigentliche Bleich-
prozeß im Kohlenſäureraum innerhalb weniger Sekunden beendet iſt. Auf
die Einzelheiten dieſes geiſtvollen Prozeſſes kann ich natürlich nicht eingehen.
In der Praxis beſteht das Mather-Thomſonſche Verfahren in einer
fortgeſetzten Aufeinanderfolge von Sättigen des Stoffes mit der Chlorkalk-
löſung, Entfernung des Ueberſchuſſes durch Ausquetſchen und gleichzeitiges
Ueberführen in einen Raum, der Kohlenſäure enthält, welche dann ohne
Schwierigkeit in das Zeug eindringt und die Zerſetzung in allen Teilen
bewirkt.


Die Wirkung des Mather-Thomſon-Prozeſſes hat man im kleinen
dadurch zu erreichen verſucht, daß man die Chlorkalklöſung auf ⅓° Bé. ver-
dünnt und in dieſelbe, während ſie mit der Ware in Berührung iſt,
Kohlenſäure einleitet. Die erhaltenen Reſultate ſollen ſehr gute ſein.


In neueſter Zeit hat ſich auch die Elektrotechnik der Bleicherei zuge-
wandt, indem ſie einige Chlormetalllöſungen durch Elektrolyſe zerlegte und
auf dieſe Weiſe ein Bleichen der in der Salzlöſung befindlichen Faſern oder
Garne bewirkte. Hermite hat mehrere darauf bezügliche Patente erworben
und benutzt als Elektrolyten vornehmlich Chlormagneſium; auch Chloralu-
minium iſt für den gleichen Zweck vorgeſchlagen worden. Die Erklärung
des Prozeſſes, wie ſie Hermite gibt, iſt eine ungemein komplizierte; daß
ſich freies Chlor und auch unterchlorige Säure bilden, mag gern zugeſtanden
werden; aber ſo, wie Hermite den Vorgang ſchildert, klingt er wenig wahr-
ſcheinlich.


Bei Geweben, welche für Druckware beſtimmt ſind, iſt das Bleich-
verfahren weſentlich komplizierter; in dieſem Falle handelt es ſich nicht nur
um die Bleiche allein, ſondern zugleich um Entfernen aller von der Ober-
fläche des Gewebes abſtehenden Faſerelemente. Dieſes geſchieht durch ein
Abbrennen derſelben und wird gemeinhin als Sengen bezeichnet. Das
Sengen bildet keineswegs einen Teil des Bleichprozeſſes; es iſt auch kein
chemiſcher, ſondern lediglich ein mechaniſcher Vorgang und wird als ſolcher
unter „Die Bleicharbeiten“ § 18 beſchrieben werden. — Dem Sengen folgt
die eigentliche Bleiche. Der chemiſche Prozeß iſt in ſeinen Grundzügen der
gleiche, weicht aber in ſeinen Einzelheiten von dem oben beſchriebenen ab.
Insbeſondere geht dem eigentlichen Bleichen erſt noch eine Behandlung mit
Kalkmilch, das Kalken, voraus; dann wird in beſonderem Bade der Kalk
durch Salzſäure entfernt: erſte Säuerung. Dann folgt das Bäuchen,
doch wird in dieſem Falle nicht verdünnte Aetznatronlauge, ſondern Harz-
ſeife
verwendet. Dann erſt folgt das Chloren, die zweite Säuerung,
und ſchließlich das Scheeren. Der geſamte Vorgang erfordert gewöhnlich
5 Tage und erfordert eine Aufeinanderfolge von Operationen, welche nur
[371] mittels entſprechender Apparate und Maſchinen ausgeführt werden können.
Letztere finden ſich § 18 näher beſchrieben.


In der Sitzung der Societé industrielle de Mulhouse vom 8. Febr. 1888
gelangte ein neues Bleichverfahren von Horace Köchlin zur Beſprechung.
Dasſelbe beſteht in einer Paſſage durch Schwefelſäure (½ bis 1 g auf 1 l
Waſſer von einer Temperatur von 65° R.), Kochen ohne Druck mit Zirku-
lation in Soda und einfach ſchwefligſaurem Natron, Chloren und noch-
maliger Paſſage durch Schwefelſäure.


Außer dem Chlor hat kein anderes Bleichmittel bei Baumwollenbleiche
ſich Geltung zu verſchaffen vermocht; ſelbſt das an ſich ganz vorzügliche
Waſſerſtoffſuperoxyd vermag die Chlorbleiche nicht zu erſetzen; es vermag zwar
den gleichen Bleicheffekt zu erzielen, iſt aber nicht ſo billig.


Bleichware, welche als ſolche in den Handel kommen ſoll, wird zu guter
letzt noch gebläut, indem man ſie durch eine heiße, mit Ultramarin ver-
ſetzte Seifenlöſung zieht, ausſchleudert und trocknet.


§ 15. Bleichen des Leinens.


Leinen in jedweder Form, ſowohl als Garn oder Zwirn, wie als Lein-
wand, iſt weſentlich ſchwieriger zu bleichen, wie Baumwolle, weil die Flachs-
faſer von inkruſtierender Pektinſäure bräunlich gelb erſcheint; thatſächlich ver-
liert der Flachs beim Bleichen von 15 bis zu 36 Prozent ſeines Gewichts.
Die Leinenbleiche hat alſo die Aufgabe, dieſe 15 bis 36 Prozent die Leinen-
faſer verunreinigenden Subſtanzen zu entfernen. Die dabei einzuſchlagenden
Methoden verfolgen den Zweck, die inkruſtierenden Subſtanzen zum Teil
durch wechſelweiſe Wirkung von Waſſer, Luft, Licht und Wärme in lösliche
Form überzuführen, zum Teil durch chemiſche Subſtanzen mittels Oxydation
oder Deshydrogenation zu zerſtören. Dauert das Bleichen der Baumwolle
4 bis 5 Tage, ſo dauert die Leinenbleiche ebenſo viele Wochen, bisweilen
noch länger. Es wird ſofort erhellen, daß alle diejenigen Operationen,
welche bei der Baumwolle beſchrieben wurden, hier mehrmals hintereinander
wiederholt werden müſſen. Bei Leinen kommt außerdem die Schwierigkeit
hinzu, daß die Faſer gegen ſtärkere Laugen nicht unempfindlich iſt, und daß
man daher genötigt iſt, das Bäuchen mit ſchwächeren Laugen als bei der
Baumwollbleiche, und auch das Bleichen mit ſchwächeren Chlorkalkbädern
vorzunehmen, dafür aber dieſe Operationen um ſo häufiger zu wiederholen.
Früher wurde lediglich die Raſenbleiche angewendet; für Leinwand wird die-
ſelbe in Deutſchland auch heute noch vielfach benutzt, z. B. in Schleſien.
In neuerer Zeit macht ihr dagegen die Chlorbleiche Konkurrenz, und letztere
hat zweifellos den großen Vorteil, daß ſie die Dauer des Bleichprozeſſes auf
2½ bis 3 Wochen, alſo auf die Hälfte, zu verringern vermag. Das
Bleichen des Leinens iſt alſo nur ein allmähliches; dadurch erklären ſich denn
auch die Ausdrücke „Halbbleiche“, „Dreiviertelbleiche“ ohne weiteres von ſelbſt.


Die Raſenbleiche. Dieſelbe beſteht darin, daß die Ware in regel-
mäßiger Reihenfolge mit ſchwach alkaliſchen Flüſſigkeiten (verdünnter Soda-,
Pottaſche-, Aetznatron oder Kalkbädern) gebäucht, gewaſchen und mit Säure
behandelt wird, wobei die Stoffe nach jedem Bäuchen auf Raſen ausgebreitet
im feuchten Zuſtande der Einwirkung von Licht und Luft ausgeſetzt werden.


24*
[372]

Die eigentlich maßgebenden Faktoren bei der Raſenbleiche ſind Waſſer
und Sonnenlicht. Wie Verfaſſer an anderer Stelle dargelegt hat *), zerſetzt
das Sonnenlicht das Waſſer unter Bildung von Ozon, von deſſen Anweſen-
heit man ſich auf den Bleichplätzen ſchon durch den Geruch leicht überzeugen
kann. Ozon iſt aber jene aktive Form des Sauerſtoffs, welche auch im
Waſſerſtoffſuperoxyd enthalten iſt; die Raſenbleiche iſt daher ihrem eigent-
lichen Weſen nach der Waſſerſtoffſuperoxydbleiche ſehr ähnlich, wenn nicht
gleich. Das Ozon als kräftiges Oxydationsmittel wirkt ſowohl auf die
Pektinſäure, wie auf den ſchon von v. Kurrer beobachteten grauen Farbſtoff,
der ſich erſt beim Röſten des Flachſes bildet, ein, dieſen bleichend, jenen in
lösliche Form überführend. Durch wiederholtes Begießen werden die Zellen
der Faſer geöffnet, und die löslich gewordenen Anteile aus derſelben entfernt.


Chlorbleiche. Dieſe umſchließt die gleichen Operationen, wie die
Baumwollenchlorbleiche. Ich laſſe hier ein Verfahren folgen, wie es in einem
großen ſchleſiſchen Etabliſſement gehandhabt wird.


Die Leinenware wird, nachdem jedes aufgelieferte Stück mit Litzen,
reſp. Vorenden verſehen, in das Weich- oder Gärfaß gebracht. Jede ein-
gelegte Lage wird mit bis auf 35° R. erwärmtem reinem Flußwaſſer durch-
netzt und mit Holzſchuhen feſt niedergetreten, damit das Waſſer alle Teile
gleichmäßig durchdringt. Mit dieſem Einlegen wird bis zur Füllung des
Faſſes fortgefahren. Hierauf wird das Faß mit Brettern zugelegt und
werden dieſe vermittelſt eines Querriegels befeſtigt, welcher nicht nur durch
eine Kette, ſondern außerdem auch durch gegen die obere Decke geſtemmte
Bäume niedergehalten wird. Die ſo in eine feſte Lage gebrachten Leinen
werden bis zur vollſtändigen Deckung mit Waſſer übergoſſen der ſauren
Gärung überlaſſen, die nach 48 Stunden beendet iſt. Nach dem Heraus-
nehmen wird die Ware gleich zur Spülung gebracht, vermittelſt Durchlaufen
durch 2 kannelierte hölzerne Cylinder ausgeſpült und dann auf den Bleich-
feldern ausgebreitet. Hier läßt man ſie 2 bis 3 Tage lang liegen und be-
gießt ſie, ſo oft ſie trocken geworden, mit Waſſer. Sie wird jetzt trocken
aufgenommen und zur erſten Bäuche gebracht.


Erſte Bäuche. Die Bäuchgefäße, mit einem doppelten Boden ver-
ſehen, ſind tief in die Erde eingegrabene hölzerne Fäſſer und ſo placiert,
daß die alkaliſche Lauge aus dem Keſſel direkt in dieſelben aufgelaſſen werden
kann und die durch die Ware gezogene Lauge aus dem zwiſchen dem erſten
und zweiten Boden befindlichen Raume wieder in den Laugenkeſſel zum Er-
wärmen gepumpt werden kann. Zur erſten Bäuche bedient man ſich einer
Lauge, gewonnen durch Auflöſung von ½ kg kalcinierter Soda von 90 Pro-
zent auf 50 kg reines Quellwaſſer; dieſe wird auch häufig erſetzt durch eine
Aſchenlauge von gleicher Stärke, oder auch durch eine Miſchung von Aſchen-
und Sodalauge. Zum Bäuchen wird die Ware hoch (köpflings) in dem
Bäuchfaſſe aufgeſtellt, jede Schicht mit erwärmtem Waſſer genetzt, alsdann
mit Holzſchuhen niedergetreten und damit fortgefahren, bis das Faß gehörig
angefüllt iſt. Dann wird ſo viel Waſſer in das Faß gelaſſen, bis die Ware
vollſtändig damit bedeckt iſt. — Jetzt beginnt das Bäuchen. Eine Auflöſung
von Soda oder auch Aſchenlauge, welche anfänglich bis auf 35° R. erwärmt
ſein muß, wird nach und nach der Ware zugeſetzt und zwar in der Menge,
[373] daß die Bäuchlauge die oben bemerkte Stärke von 1 Prozent Soda erhält.
Die inzwiſchen durchgelaufene Lauge wird nun aus dem Raume zwiſchen
dem erſten und zweiten Boden des Bäuchfaſſes wieder in den Keſſel ge-
pumpt und daſelbſt um 5° ſtärker erwärmt, als ſie beim Ausgießen hielt,
ſodann wieder aufgelaſſen und damit ſo lange fortgefahren, bis die Lauge
beim Auflaſſen eine Hitze von 80° erreicht hat. Zu dieſem Geſchäfte iſt je
nach der Größe des Bäuchfaſſes längere oder kürzere Zeit erforderlich. Hat
die Lauge den beſtimmten Grad der Wärme erreicht, ſo läßt man das Feuer
unter dem Keſſel langſam ausgehen, fährt aber mit Auf- und Abpumpen
der Lauge ſo lange fort, bis das Feuer erloſchen iſt. Iſt die Bäuche ſo
beendet und ſoll die Ware erſt am andern Morgen ausgelegt werden, ſo
bleibt ſie die Nacht hindurch mit bedeckter Lauge ſtehen; ſoll ſie gleich aus-
gelegt werden, ſo wird die Lauge abgepumpt und ſo viel kaltes Waſſer auf-
gelaſſen, bis die Ware kalt geworden und die braune Lauge daraus entfernt
iſt. Hiernach wird die Ware auf den Bleichplan gebracht, ausgebreitet und
2 bis 3 Tage lang liegen gelaſſen. Nach dem Trockenwerden wird die Ware
ſtets mit Waſſer begoſſen, ſpäter möglichſt trocken aufgenommen und zur Bäuche
gebracht.


Zweite Bäuche. Dieſe wird ganz wie die erſte behandelt; ſowohl
die Stärke der Laugen, der Hitzegrad der Bäuche, das Durchpumpen mit
kaltem Waſſer, als auch das Auslegen der Ware auf dem Bleichplane wäh-
rend 2 bis 3 Tage, ſowie das Begießen derſelben nach dem Trockenwerden
erfahren hierin eine Aenderung nicht.


Dritte Bäuche. Dieſe wird ebenfalls mit klarem Waſſer übergoſſen,
bis das Faß gefüllt iſt, dann nach und nach eine Auflöſung von Soda- und
Aſchenlauge zugeſetzt und zwar auf 70 kg Waſſer ½ kg kalcinierte Soda.
Hitzegrad wie bei der erſten und zweiten Bäuche. Nachdem dieſer erlangt,
wird ſo viel kaltes Waſſer in das Faß gelaſſen, bis die Ware mit den
Händen herausgenommen werden kann. Mit der noch anhängenden Lauge
auf den Bleichplatz gebracht, wird ſie 2 bis 3 Tage unter häufigem Be-
gießen dort liegen gelaſſen und dann zur


Vierten Bäuche gebracht. Dieſe iſt, wie die dritte Bäuche, nur mit
dem Unterſchiede, daß auf 75 kg Waſſer ½ kg Soda genommen wird.


Fünfte Bäuche wie vorher, 80 kg Waſſer, ½ kg Soda;


Sechſte Bäuche wie vorhin, 85 kg Waſſer, ½ kg Soda;


Siebente Bäuche wie vorhin, 90 kg Waſſer, ½ kg Soda;


Achte Bäuche wie vorhin, 95 kg Waſſer, ½ kg Soda;


Erſtes ſchwefelſaures Bad. Die Ware wird vom Bleichplan naß
aufgenommen, ausgeſpült und in ein ſchwefelſaures Bad von 1 Gewichtsteil
Schwefelſäure auf 200 Gewichtsteile klares reines Waſſer, gut durcheinander
gemiſcht, ſtückweiſe locker eingelegt und gehörig untergetaucht 5 bis 8 Stun-
den darin liegen gelaſſen. Gleich nach dem Herausnehmen wird die Ware
in fließendem Waſſer gut geſpült, und nachdem das Waſſer abgelaufen iſt,
wird die Ware in das erſte Chlorbad gebracht.


Erſtes Chlorbad. Dieſes wird durch eine Auflöſung guten Chlor-
kalks in 600 Gewichtsteilen Waſſer bereitet. Die Gewebe werden loſe in
feuchtem Zuſtande in ſteinerne Bütten gebracht und mit hölzernen Stäben
gehörig untergetaucht, damit die Chlorkalkauflöſung alle Teile gleichmäßig
[374] durchdringen kann. In dieſem Bade verbleibt die Ware 6 bis 8 Stunden.
Dann herausgenommen, in fließendem Waſſer gut ausgeſpült und zum Ab-
laufen gebracht, wird ſie in feuchtem Zuſtand dem zweiten ſchwefelſauren
Bad übergeben.


Zweites ſchwefelſaures Bad wird wie das erſte gegeben.


Zehnte Bäuche mit einer Auflöſung von 1¼ kg weißer Talgkern-
ſeife und ½ kg kalcinierter Soda in 300 kg Waſſer von 36 bis
60° Wärme, wonach die Ware unter gehörigem Begießen mit Waſſer
2 bis 3 Tage auf der Bleichwieſe liegen gelaſſen, alsdann geſpült und ſor-
tiert wird. Die zur halben Bleiche beſtimmten Leinen ſind nach dieſem Ver-
fahren zum größten Teil fertig gebleicht, werden dann geſtärkt oder gebläut
und getrocknet. Die zur vollen und ¾ Bleiche beſtimmte Ware kommt
zum Seifen unter die ſogen. engl. Rubbings. Die Ware wird ſo lange
mit weißer reſp. brauner Seife gewaſchen, bis die darin etwa befindlichen
ſchwarzen oder gelben Streifen daraus entfernt ſind. So behandelt kommt
die Ware nun ohne weiteres Ausſpülen mit der Seife imprägniert in die


Elfte Bäuche mit einer Auflöſung von ½ kg kalcinierter Soda in
175 kg Waſſer von 35 bis 65° Wärme. Von hier aus wird die Leinen-
ware auf die Bleichwieſe gebracht, jedoch nicht ausgeſpannt, ſondern in die
Breite gelegt, auch beſtändig naß erhalten, dann nach 2 Tagen und gehöri-
gem Ausſpülen gelangt ſie wieder ins Chlorbad.


Zweites Chlorbad. Wird in allem wie das erſte erreicht.


Drittes ſchwefelſaures Bad. Wird ebenfalls ganz wie das vor-
angegangene gegeben.


Zwölfte Bäuche mit einer Auflöſung von ½ kg kalcinierter Soda
und 1¼ kg weißer Talgkernſeife in 300 kg reinem Waſſer von 35 bis
55° Wärme. Hierauf liegt die Ware 2 Tage, ohne ausgeſpannt zu ſein,
auf der Bleichwieſe unter beſtändigem Naßhalten. Nach dieſer Operation
wird die Ware geſpült und ſodann ſortiert. Die guten und völlig ausge-
bleichten Stücke werden geſtärkt reſp. geblaut und getrocknet. Die noch nicht
völlig ausgebleichten Stücke werden wieder in den Rubbings gewaſchen und
kommen wie vorhin zur Bäuche.


Dreizehnte Bäuche. Wird behandelt wie Bäuche 11. Nachdem
die Ware ſodann ebenſo wie früher 2 Tage auf der Bleichwieſe gelegen,
wird ſie wieder aufgenommen und geſpült. Die beſſeren Stücke erhalten
noch ein ſchwefelſaures Bad, wie das frühere, die ſchlechteren ein


Drittes Chlorbad wie das zweite und ein


Viertes ſchwefelſaures Bad wie das dritte, werden ſodann nach
vorherbeſchriebener Art gebäucht, ausgelegt, geſpült, geſtärkt reſp. geblaut
und getrocknet, auf Verlangen auch gemangelt und appretiert.


Dieſes Bleichverfahren unterſcheidet ſich nur in Unweſentlichem von
demjenigen, welches Hummel als das in Irland übliche bezeichnet, und von
dem von Göhler in der Färbereimuſterzeitung beſchriebenen. In zwei Punkten
ſind dieſe 3 Bleichverfahren ſich ganz gleich: ſie benutzen als Bleichmittel
Chlorkalk und als Entwickler Schwefelſäure. Gerade dieſe beiden Punkte
ſcheinen mir aber keineswegs einwandfrei zu ſein, und nicht auf der Höhe
der Situation zu ſtehen. Zudem iſt dieſer Bleichprozeß augenſcheinlich mit
der Raſenbleiche verquickt und dadurch gewinnen meine Bedenken gegen die
[375] Anwendung des Chlorkalks an Stärke. Wie vom Mather-Thomſon-Prozeß
bekannt, zerſetzt die Kohlenſäure den Chlorkalk unter Freimachung der unter-
chlorigen Säure. Dasſelbe tritt ein, wenn mit Chlorkalklöſung getränkte
Leinwand der Luft ausgeſetzt wird; die Kohlenſäure der atmoſphäriſchen Luft
zerſetzt einen Teil des Chlorkalks in kohlenſauren Kalk, lagert dieſen auf der
Leinenfaſer ab, und macht ſie hart und rauh. Nun kann eingewendet wer-
den, es folge ja doch das Säuren, wodurch der kohlenſaure Kalk ja wieder
entfernt werde. Dieſer Einwand iſt jedoch nicht ſtichhaltig; allerdings wird
durch das Behandeln im ſchwefelſauren Bade der kohlenſaure Kalk zerſtört;
dafür bildet ſich aber der ſchwerlösliche ſchwefelſaure Kalk, welcher bekannt-
lich in ſchwefelſäurehaltigem Waſſer noch ſchwerer löslich iſt, als in reinem.
Wollte man wenigſtens ſtatt der Schwefelſäure Salzſäure anwenden, ſo er-
hielte man an Stelle des ſchwerlöslichen Calciumſulfats das leicht lösliche
Chlorcalcium; man erhielte ſo die Faſer kalkfrei, was bei Verwendung von
Schwefelſäure nur durch langes Spülen und ſelbſt dann noch ſchwierig zu
erreichen iſt.


Unter Vermeidung der hier gerügten Uebelſtände empfiehlt Verfaſſer die


Reine Chlorbleiche nach Ganswindt. Folgendes iſt der Gang
des Verfahrens: Auf 1000 kg Ware:


Erſte Bäuche: 75 kg Aetzkalk; Löſchen; 12 Stunden im Bäuchkeſſel
kochen; ½ Stunde waſchen.


Erſte Säuerung: Salzſäure 2° Bé., mehrere Stunden im Bade
belaſſen; 1 Stunde waſchen.


Zweite Bäuche: 20 kg Aetznatron; 20 kg Harz, vorher zu Harzſeife
gekocht, 1500 l Waſſer; 10 Stunden kochen.


Dritte Bäuche. 30 kg Aetznatron, 20 kg Harz, vorher gekocht und
zuſammen in Waſſer gelöſt, 1500 l Waſſer; 6 Stunden kochen; 1 Stunde
waſchen.


Chlorbad. Unterchlorigſaures Natron 0,5° Bé. Tränken und dann
ſofort als Strang durch den Squeezer gehen laſſen; von hier geht die Ware
direkt in einen mit Kohlenſäuregas gefüllten Raum.


Vierte Bäuche. 1500 l Waſſer ohne weiteren Zuſatz. Im
Kohlenſäureraum geht der eigentliche Bleichprozeß vor ſich und die Ware
imprägniert ſich zugleich mit der durch den Prozeß gebildeten Soda. Aus
dieſem Grunde iſt ein Sodazuſatz nicht weiter nötig.


Zweites Chlorbad. Wie das erſtere; wieder in den Kohlenſäure-
raum.


Fünfte Bäuche und ſo fort bis zur Erzielung der gewünſchten
Weiße.


Dieſes Verfahren verbindet die Vorteile der urſprünglichen Javelle-
ſchen Methode mit der Mather-Thomſonſchen, vereinfacht die letztere
aber ganz bedeutend durch die ſelbſtthätige Sodabildung auf der Faſer.
Zum Schluß wird in kaltem reinem Waſſer auf der Strangwaſchmaſchine
gewaſchen, centrifugiert und an der Luft getrocknet.


Von ſonſtigen zur Leinenbleiche empfohlenen Bleichmitteln iſt nur das
manganſaure Kali zu nennen. Dasſelbe iſt von Teſſié du Motay vor-
geſchlagen worden und ſoll in einer franzöſiſchen Fabrik in großem Maß-
[376] ſtabe angewendet werden; mit dieſer Methode ſoll es möglich ſein, Flachs-
garn in einem Tage, Gewebe in drei Tagen vollkommen fertig zu bleichen,
obenein ſollen ſich die Bleichkoſten nur auf 6 Francs pro 100 Meter Lein-
wand ſtellen. Neuere und verbürgte Nachrichten habe ich hierüber nicht er-
langen können.


§ 16. Bleichen der Jute.


Die Jute iſt wohl diejenige Geſpinnſtfaſer, welche dem Bleichen die
meiſten Schwierigkeiten entgegenſetzt, nicht weil ihr Prozentgehalt an färben-
der und inkruſtierender Subſtanz ein ſehr hoher iſt, ſondern infolge der ab-
weichenden chemiſchen Zuſammenſetzung der Jutefaſer, welche nicht reine
Celluloſe, ſondern eine modifizierte Celluloſe iſt. Croß und Bevan halten
dieſelben für eine ätherartige Verbindung der Celluloſe und bezeichnen die-
ſelbe als Baſtoſe. Verfaſſer hat bereits im erſten Teil dieſes „Handbuchs“,
§ 13, ſeine Anſicht dahin ausgeſprochen, daß die Jutefaſer aller Wahr-
ſcheinlichkeit nach, ſo gut wie die andern pflanzlichen Faſern, aus Celluloſe
beſtehen und daß dieſelbe erſt durch die vernunftwidrige Behandlung bei der
Gewinnung in jenen Körper „Baſtoſe“ umgewandelt werde. Wir müſſen
jedoch mit dieſer veränderten Celluloſe rechnen. Wie bereits an der eben
citierten Stelle erwähnt iſt, geben ſtarke Löſungen unterchlorigſaurer Salze
gechlorte Derivate, d. h. die Jutefaſer ſelbſt wird durch Chlorkalk verändert.
Daraus ergibt ſich die Unmöglichkeit der Verwendung ſtarker Chlorkalk-
löſungen zum Jutebleichen von ſelbſt. Auf ähnliche Weiſe, wie Baumwolle
und Leinen, kann Jute nicht gebleicht werden. Croß und Bevan, welche
wohl am meiſten die Chemie der Jutefaſer ſtudiert haben, haben gefunden,
daß Kaliumpermanganat und nachfolgende Behandlung mit Schwefelſäure *)
mit Leichtigkeit die Jute bleicht. Das Verfahren iſt jedoch zu teuer. So-
dann haben dieſelben Forſcher eine ganz ſchwache Löſung von Natriumhypo-
chlorit vorgeſchlagen. Die von ihnen im Jahre 1886 publizierte, vornehm-
lich auf Gewebe anwendbare Methode umfaßt vier Operationen:


1. Der Stoff wird zuerſt bei einer Temperatur von 70° in einer
ſchwach alkaliſchen Waſſerglaslöſung (28 kg auf 6000 l Waſſer) gewaſchen.


2. Beim Verlaſſen dieſes Bades paſſiert er durch die Bleichflüſſigkeit,
eine Löſung von unterchlorigſaurem Natron, welche man auf die übliche Art
erhält, indem man Chlorkalk durch eine gleichwertige Menge Natron zer-
ſetzen läßt. Dieſe Flüſſigkeit darf nicht mehr als 1 Prozent wirkſamen
Chlors enthalten, die wirkſamſte Menge ſcheint 0,7 Prozent zu ſein,
was einem Verhältniſſe von ungefähr 2 Teilen Chlorkalk auf 100 Teile
Waſſer entſpricht. Die Gegenwart des Natrons verhindert etwaige Bildung
von chlorierten Produkten der Faſer vollſtändig.


3. Nachdem man das Gewebe gründlich geſpült hat, bringt man es in
kalte, mit Waſſer verdünnte Salzſäure, die ein geringes Quantum Schwefel-
ſäure enthält. Dieſe Behandlung hat den Zweck, die baſiſchen Verbindungen,
welche in der Folge durch Einwirkung der oxydierenden Agentien eine Färbung
der Faſer hervorbringen könnten, zu beſeitigen und gleichzeitig die Eiſenſalze
[377] aufzulöſen. Die ſo behandelten Stoffe haben eine blaſſe, cremeartige Fär-
bung und ſchönes mildes und glänzendes Ausſehen. Wenn ſie gefärbt wer-
den ſollen, kann man ſie ſofort, nach gründlichem Spülen, in das Färbebad
bringen; falls ſie zum Druck beſtimmt ſind, müſſen ſie noch einer anderweiten
Operation unterworfen werden.


4. Man paſſiert ſie durch ein Bad von doppeltſchwefligſaurem Natron,
im Gehalt von 1 bis 2 Prozent ſchwefliger Säure und entfernt mit Hilfe
eines Kalanders die überſchießende Flüſſigkeit, welche man in das Bad zu-
rückfließen läßt. Man läßt 2 bis 3 Stunden lang liegen und trocknet als-
dann auf Dampfcylindern. Die ſchweflige Säure entweicht hierbei und die
Stoffe ſind nun gleichmäßig mit ſchwefligſaurem Natron imprägniert. Dieſes
Salz verhindert in der Folge die oxydierende Wirkung des Dämpfens auf
die Faſer, ohne die Entwickelung der mittels dieſes Prozeſſes gedruckten
Farben zu verhindern. Außerdem wird die Weiße des Stoffes noch durch
die Behandlung mit dem Biſulfit erhöht. Der Gewichtsverluſt des Ma-
terials überſteigt nicht 7 bis 8 Prozent und die Verminderung der Feſtig-
keit beträgt nicht mehr als 10 Prozent. Die Koſten des Bleichens ſtellen
ſich nicht über 20 Pfge. per Kilo.


Von W. Rath*) iſt Waſſerſtoffſuperoxyd für Jutebleiche empfohlen
worden, ſobald ein Vorbleichen von Natriumhypoſulfit ſtattgefunden hat;
Verf. kann dem hinzufügen, daß auch ohne dieſe Vorbleiche ein völliges
Bleichen mit Waſſerſtoffſuperoxyd leicht zu erzielen iſt. Wo der Preis nicht
gedrückt iſt, läßt ſich auch durch wechſelweiſes Behandeln mit Kaliumper-
manganat und ſchwefliger Säure ein ſchönes Weiß herſtellen. Hummel
empfiehlt bei der oben ſkizzierten Behandlung mit Natriumhypochlorid noch
eine Nachbleiche mit Natriumbiſulfit und Trocknen bei 65 bis 80° R.; man
ſoll ſo durch die Wirkung der freiwerdenden ſchwefligen Säure ein reines
Weiß erzeugen, während das in der Faſer zurückbleibende neutrale Natrium-
ſulfit eine Einwirkung auf die Faſer ſelbſt verhindert.


Für das Bleichen von Jutegarnen hat ſich das Schwefeln als
vorteilhaft herausgeſtellt. Dabei wird empfohlen, das Garn ſo dicht als
möglich aufzuhängen, ſowie ferner, die ſchweflige Säure über Nacht auf das
Jutegarn wirken zu laſſen, und dabei 10 Prozent des Trockengewichts der
Ware an Stangenſchwefel zu verbrennen. Nach dem „Textile Manufac-
turer“
ſollen derartig geſchwefelte Garne einen größeren Glanz und ein
milderes Gefühl bekommen. Zu vermeiden iſt ein Naßwerden des Garnes
vor dem Schwefeln, da alle Teile des Garnes, die naß werden, nach dem
Schwefeln gelb erſcheinen. Derart gebleichte Jutegarne nehmen mit der Zeit
ihren früheren Farbenton wieder an. Um das zu vermeiden, iſt das von
mir empfohlene nachfolgende Waſchen zur Entfernung der Leukoverbindung
nicht zu umgehen. Geſchwefeltes und hinterher gewaſchenes Garn wird
nicht gelblich.


Ein etwas eigentümliches Verfahren zum Bleichen von Jute hat ſich
Martin patentieren laſſen: 660 kg Jute ſollen mit einer Löſung von
55 kg kalcinierter Soda in heißem Waſſer, welcher man 2,75 kg Terpen-
tinöl und 2,75 kg Schwefelkohlenſtoff beimengt, in hermetiſch geſchloſſenen
Keſſeln 4 Stunden gekocht werden. Nach dieſer Behandlung ſoll nur die
[378] Hälfte der ſonſt üblichen Menge Chlor zum Bleichen notwendig ſein; auch
ſoll an Arbeitslohn entſprechend geſpart werden, während das Bleichen ein
vollſtändiges und gleichmäßiges ſein ſoll. Ob dieſes ſeltſame Patent in der
Technik irgendwo wirklich angewendet wird, iſt mir nicht bekannt geworden;
auch will mir das Kochen unter Hochdruck nicht recht in den Sinn, ich
fürchte, daß die Jute dabei wohl zerkocht, aber nicht gebleicht wird.


Bleichen von Chinagras und Neſſelfaſer. Ueber das Bleichen
dieſer beiden Faſern iſt verhältnismäßig wenig bekannt geworden. Doch ſind
beide Faſern wegen ihrer großen Dauerhaftigkeit und Widerſtandsfähigkeit
gegen Alkalien vorteilhaft bekannt, daher es wohl gerechtfertigt iſt, den
Bleichprozeß für dieſe Faſern als dem für Baumwolle und Leinen entſprechend
hinzuſtellen, alſo das Chlor als das hierfür geeignetſte Bleichmittel zu em-
pfehlen.


§ 17. Bleichen von Federn und Stroh.


Federn. Viele Federn ſind von Natur weiß und brauchen keine
Bleiche, ſondern nur eine ſorgfältige Wäſche in einem ſtark ſchäumenden
Bade aus Marſeiller Seife und ein Abreiben mit trockener Kartoffelſtärke
zwiſchen den Fingern. Ein Bleichen von Federn findet gemeinhin nur bei
den naturgrauen Straußfedern ſtatt. Solche Federn müſſen durch die
gleiche Behandlung in einem Seifenbade oder auch durch wiederholtes
Schwenken in einem Bade von Salmiakgeiſt von dem einer jeden Feder
anhängenden Fett befreit werden. Zweck dieſer Vorbereitung iſt, die Feder
für das folgende Bleichbad benetzbar zu machen. Das Bleichbad für Federn
beſteht aus Waſſerſtoffſuperoxyd, welches mit einer Kleinigkeit Salmiakgeiſt
alkaliſch gemacht wird. Die Federn werden in dieſes Bleichbad einfach ein-
gelegt und darin belaſſen, bis man die gewünſchte Weiße erreicht hat. Dann
nimmt man dieſelben heraus und unterwirft ſie einem langſamen Trocknen
in mäßig warmer Luft.


Stroh. Strohgeflechte und zwar nur die als Bleichgeflecht in den
Handel kommenden Geflechte werden für das Bleichen (nach Salfeld) vor-
bereitet, indem man dieſelben in ein kochend heißes Sodabad einlegt,
6 bis 8 Stunden darin behandelt und dann ebenſo lange in ein ſchwaches
Oxalſäurebad bringt; dann ſpült man in kaltem Waſſer und bringt ſie in die
Schwefelkammer. Das Bleichmittel für Stroh iſt Schwefligſäuregas. Nach
Bedarf geht man mit den Geflechten von dem Schwefelkaſten noch einmal
auf das Oxalſäurebad zurück und ſchwefelt wieder. — Neben dem Gas iſt
auch eine 8 prozentige Natriumbiſulfitlöſung empfohlen worden. Die in einem
Seifenbade entfetteten Geflechte werden nach dem Spülen in Waſſer in obige
Löſung getaucht, herausgehoben, das Bad inzwiſchen mit 1 Prozent Schwefel-
ſäure verſetzt; mit der Ware wieder eingehen; das Entfärben erfolgt ſehr
raſch; kalt ſpülen, fertig. — Ein Bleichen durch wechſelweiſes Behandeln
mit Kaliumpermanganat und ſchwefliger Säure, welche auch empfohlen worden
iſt, dürfte zu koſtſpielig ſein.


[379]

§ 18. Die Bleichoperationen.


Nachdem in den vorigen Paragraphen der chemiſche Bleichprozeß aus-
führlich behandelt iſt, ſoll im nachfolgenden die mechaniſche Handhabung
und die dabei verwendeten Apparate behandelt werden.


Eine gewiſſermaßen einleitende Behandlung zum Bleichen von Geweben
aus Pflanzenfaſern, vornehmlich von Baumwollgewebe, Leinwand und Neſſel,
iſt das Sengen, deſſen ſchon in § 14 Erwähnung gethan wurde.


Die Operation des Abſengens oder Abflammens der Gewebe hat den
Zweck, die an denſelben hängenden Faſern durch Verbrennen zu beſeitigen.
Da, wo die Faſern nach außen ſtehen, werden wohl hier und da noch
Scheermaſchinen, welche die aufgebürſteten Faſern wegſchneiden, angewendet,
aber bei vielen Geweben iſt dies nicht möglich, da die Faſern auf dem
Grunde oder zwiſchen den Maſchen des Gewebes liegen, oder weil das
letztere erhabene Muſter hat, wie z. B. Damaſt ꝛc. — Für das Beſeitigen
dieſer Faſern hat man in früheſter Zeit glühende Metallkörper angewendet,
welche in primitivſter Weiſe über das Gewebe geſtrichen wurden, oder umge-
kehrt, das Gewebe über die Metallkörper. Später entſtand die ſogenannte
Plattenſengerei, welche ſich bis auf den heutigen Tag noch an vielen Orten
erhalten hat. Bei dieſer werden Kupfer oder Eiſenplatten durch einen
darunter befindlichen Ofen glühend gemacht und das Gewebe mit Hilfe von
Aufwickel- und Abwickelvorrichtungen über dieſelben gezogen. Eine ſolche
Plattenſenge zeigt Fig. 71.


Figure 77. Fig. 71.

Plattenſenge.


Dieſe Plattenſengerei hat viele Nachteile in Bezug auf Bedienung,
Gefährlichkeit und Abnutzung, daher war man ſchon frühzeitig darauf be-
dacht, dieſe durch Anwendung von Flammen, welche das Gewebe berührten,
zu vermindern. Bereits Anfang dieſes Jahrhunderts wurden dergleichen
[380] Sengapparate hergeſtellt. Als Brennmaterial benutzte man damals Wein-
geiſt oder Alkohol, ſpäter die Dämpfe aus dieſen Materialien. Sämtliche
Flammen hatten aber den Nachteil, daß ſie rußten und daß die Ware ſehr
unegal und ſtreifig ausfiel. Nach Entſtehung der Steinkohlengasfabrikation
wandte man ſich bald der Verwendung des Steinkohlengaſes zum Sengen
der Gewebe zu und erhielt weſentlich günſtigere Reſultate als früher, indem
man dieſes Gas mit atmoſphäriſcher Luft miſchte, wodurch nicht nur eine
intenſivere, ſondern auch eine vollſtändig rußfreie Flamme gewonnen wurde.
Man verwendet auch in abgelegenen Ortſchaften, wo noch kein Steinkohlen-
gas vorhanden, Gaſe aus Teer, Terpentin- und anderen Oelen mit großem
Vorteil an, die in der Fabrik ſelbſt hergeſtellt werden. In der richtigen
Miſchung von Gas und Luft liegt das Weſentliche für ein gutes billiges
Sengen.


Neueſte Gasſengmaſchine mit zwei Schlitzbrennern, Injek-
tions- und Miſchungsapparat, D. R. P., ſowie Bürſtenwalzen

(Fig. 72) oder mit Anfeuchtvorrichtung für geſengte Ware (Fig. 73).


Die wichtigſten Beſtandteile jeder Gasſengmaſchine ſind die Apparate,
welche die Miſchung von Gas und Luft, das Miſchungs- und Druckver-
hältnis dieſes Gemenges und die Ausſtrömung desſelben am Verbrennungs-
orte bewirken; es liegt alſo in der Hauptſache der größere oder geringere
praktiſche Wert jeder Gasſengmaſchine in der Konſtruktion der die Luftkom-
preſſion, der die Miſchung der komprimierten Luft mit dem Gaſe bewirkenden
Apparate, und der Brenner ſelbſt; dieſe Teile müſſen bei einer auf Voll-
kommenheit Anſpruch machenden Gasſengmaſchine nicht nur geſtatten, Gas
und Luft auf das innigſte miteinander zu miſchen, dem Gemenge je nach
Erfordernis einen höheren oder geringeren Druck zu geben, ſondern auch die
Miſchung unter dem gewünſchten, aber unbedingt gleichmäßigen Drucke am
Verbrennungsorte zur Ausſtrömung kommen zu laſſen, ohne dabei eine be-
ſondere Aufmerkſamkeit und Intelligenz des die Maſchine bedienenden Ar-
beiters zu bedingen; alle dieſe Apparate müſſen alſo durchaus leicht zu
bedienen
und vor allem die Gleichmäßigkeit der Flamme von der größeren
oder geringeren Achtſamkeit des Arbeiters unabhängig, ſowie mit Vor-
richtungen verſehen ſein, aus welchen das Miſchungsverhältnis auf den erſten
Blick und mit Zuverläſſigkeit zu erkennen iſt.


Dieſe Aufgaben erfüllten die bisher üblichen Gasſengmaſchinen nur zum
allergeringſten Teile, indem bei den meiſten derſelben weder ein genügender
Druck, noch eine genügend innige Miſchung von Gas und Luft, ſowie auch
keine ganz gleichmäßige Ausſtrömung am Verbrennungsorte zu erzielen war;
der Grund hierzu iſt in der Konſtruktion der Luftzuführungapparate und
Brenner zu ſuchen; zu erſteren bediente man ſich bei den älteren Maſchinen
meiſt gewöhnlicher Ventilatoren oder auch Blaſebälge, mittels welcher be-
kanntlich nur ein ſehr niedriger Luftdruck erreichbar iſt. Die Brenner ſetzten
ſich in den meiſten Fällen aus einer Anzahl eiſerner Düſen zuſammen,
welchen durch je zwei parallel nebeneinander ſtehende Stutzen Gas und
Luft getrennt zugeführt wurden; da ſich nun aber die den Düſen zugeführten
Gas- und Luftſtröme naturgemäß in der gleichen Richtung fortbewegten,
welche ihnen durch die Stellung der Stutzen mitgeteilt worden war, ſo ge-
langte auch an der einen Seite jeder Düſe das Gas, an der anderen Seite
die Luft unter höherem Drucke zur Ausſtrömung, reſp. Verbrennung und
[]Zu Seite 380.

Figure 78. Fig. 72.

Neueſte Gasſengmaſchine mit Bürſtenwalze.


[][]Zu Seite 380.

Figure 79. Fig. 73.

Gasſengmaſchine mit Anfeuchtvorrichtung.


[][381] war deshalb die Flamme jeder einzelnen Düſe ungleichmäßig; wenn man
nun berückſichtigt, daß ſich jede Flammenreihe aus einer größeren Anzahl
ſolcher Düſen zuſammenſetzt, ſo iſt wohl einleuchtend, daß auch bei der größten
Aufmerkſamkeit des die Maſchine bedienenden Arbeiters Ungleichmäßigkeiten
in der Flamme nicht zu vermeiden waren.


Bei der patentierten Weisbachſchen Gasſengmaſchine ſind Schlitzbrenner
aus einem Stücke angewendet, welche durch eingeſetzte Unterſchiedswände in
einzelne Kammern getrennt waren und denen Gas und Luft durch Stutzen,
deren Bohrungen ſich in einem Winkel trafen, zugeführt wurde. Oberhalb
der Unterſchiedswände war eine weitere Miſchungsvorrichtung angebracht, die
das Gas und die Luft nochmals auf das allerinnigſte miſchte und ſonach das
Gemenge über die ganze Breite des Brenners unter gleichmäßigſtem Drucke
zur Ausſtrömung gelangen ließ. Unter der Vorausſetzung alſo, daß in jeder
einzelnen Kammer des Brenners das Verhältnis zwiſchen der durch die
Stutzen und kleinen Hähnchen eingeführten Luft und dem Gaſe ein ganz
gleiches war, mußte auch das ausſtrömende Gemenge und infolgedeſſen die
Flamme durchaus gleichmäßig ſein und war es in der That auch, wenn der
die Maſchine bedienende Arbeiter der Einſtellung der Flamme die erforder-
liche Aufmerkſamkeit zuwendete, indem er etwaige Ungleichmäßigkeiten im
Miſchungsverhältnis zwiſchen Gas und Luft der einzelnen Kammern, die
durch eine verſchiedene Färbung der Flamme leicht erkennbar iſt, durch
Richtigſtellung der Einſtrömungshähnchen regulierte. Dieſe Maſchine zeigte
alſo gegen die früheren Konſtruktionen weſentliche Fortſchritte, indem ſie bei
einiger Aufmerkſamkeit des die Maſchine bedienenden Arbeiters eine vollſtändig
egale Flamme von beliebig regulierbarer Intenſität ergab.


Da jedoch, wie oben erläutert, die Gleichmäßigkeit der Flamme hierbei
immer noch bis zu einem gewiſſen Grade von der Aufmerkſamkeit des Ar-
beiters abhing, ſo hat die Firma C. H. Weisbach neuerdings die Maſchine
derart vervollkommnet, daß dadurch einesteils die Flammen unter allen
Umſtänden und ganz unabhängig von der Intelligenz des Arbeiters voll-
ſtändig gleichmäßig brennen, andernteils es dem Aufſicht führenden Beamten
bei Kontrolle der Arbeiter auf den erſten Blick erſichtlich iſt, ob auch das
Miſchungsverhältnis zwiſchen Gas und Luft für die betreffende Ware das
richtigſte und vorteilhafteſte iſt.


Durch Konſtruktion dieſer neueſten Gasſengmaſchine iſt dieſe doppelte
Aufgabe in vollkommener Weiſe gelöſt, indem bei derſelben die Miſchung
von Gas und Luft in geſonderten Apparaten außerhalb der Brenner ſelbſt
erfolgt, ſo daß das Gemenge aus den Schlitzen der Brenner unbedingt in
ganz gleicher Miſchung zur Ausſtrömung und Verbrennung kommen muß,
und die Zuführungsteile mit Skalen verſehen ſind, die jederzeit auf das Ge-
naueſte und Zuverläſſigſte erkennen laſſen, in welchem Verhältniſſe die Mi-
ſchung ſtattfindet.


Auf dem angewendeten patentierten Schraubengebläſe iſt ein Verjüngungs-
ſtück mit Hahn und der Injektions-, ſowie der Miſchungsapparat montiert;
in den Injektionsapparat mündet die durch einen Hahn abſperrbare Gas-
leitung ein. Der vom Gebläſe erzeugte komprimierte Luftſtrom kann durch
eine einfache Drehung des unter dem Injektionsapparate befindlichen, mit
Zeiger und Skala verſehenen Hahnes mehr oder weniger gedroſſelt, alſo in
ſeiner Druckhöhe genau reguliert werden, je nachdem man ſchärfer oder mil-
[382] der zu ſengen wünſcht. In dem Injektionsapparate erfolgt das Anſaugen
des Gaſes aus der ebenfalls durch einen Hahn mit Zeiger und Skala ab-
ſperrbaren Gasleitung durch den komprimierten Luftſtrom und tritt das Ge-
menge von da in einen ſolid und eigenartig konſtruierten Behälter, in wel-
chem die Miſchung auf das Vollkommenſte vollendet wird. Der oben er-
wähnte Behälter ſteht durch ein Rohr und im Geſtelle der Maſchine befind-
liche Kanäle mit den Brennern in Verbindung, ſo daß dieſen alſo Gas und
Luft bereits in brennbereitem Gemenge und auf das Innigſte und unbedingt
gleichmäßig vereint zugeführt wird. Die Brenner ſelbſt ſind im Innern
hohl und ſo konſtruiert, daß ſich das von einer Seite eingeführte Gemenge
von Gas und Luft im ganzen Brenner vollſtändig gleichmäßig verteilen muß,
bevor es aus dem am oberen Teile befindlichen Brennſchlitze zur Ausſtrömung
kommen kann, was deshalb von größter Wichtigkeit iſt, weil beim Fehlen der
in Rede ſtehenden Einrichtung die Ausſtrömung des Gemenges aus dem
Brennſchlitze an der Eintrittsſeite eine lebhaftere und daher die Flamme
eine ſchärfere ſein würde, als an der entgegengeſetzten Seite. Der Brenn-
ſchlitz, welcher ſich über die ganze Breite des Brenners erſtreckt und mit
ihm die Flamme kann durch auf das Bequemſte verſtellbare Schieber je nach
der Breite der zu ſengenden Ware eingeſtellt werden und zwar einfach da-
durch, daß man die Schieber, die den Schlitz auf das Vollkommenſte abdichten,
nach außen oder innen verrückt.


Durch die im vorſtehenden beſchriebenen Verbeſſerungen iſt der weiter
vorn erwähnte doppelte Zweck auf das Vollkommenſte erreicht, indem das von
den Injektions- und Miſchungsapparaten kommende Gemenge ganz unab-
hängig von der Aufmerkſamkeit des die Maſchine bedienenden Arbeiters aus
den Schlitzen der Brenner an allen Stellen vollſtändig gleichmäßig zur
Ausſtrömung und Verbrennung kommen muß; der Arbeiter hat bei Inbe-
triebſetzung alſo weiter nichts zu thun, als die beiden mit Skalen verſehenen
Hauptgas- und Hauptlufthähne ſo weit zu öffnen, daß dieſelben den vorge-
ſchriebenen Durchgang laſſen, was durch die Zeiger in deutlichſter und leicht
verſtändlicher Weiſe angegeben wird, und die Flamme reſp. die Flammen
anzubrennen. Dabei bedarf es für den Aufſicht führenden Beamten nur
eines Blickes auf die Skalen der oben erwähnten zwei Hähne, um ſofort
zu erkennen, ob das Miſchungsverhältnis zwiſchen Gas und Luft das richtige
iſt; die Bedienung und Beaufſichtigung kann alſo nicht einfacher und zuver-
läſſiger gedacht werden.


Wie aus den beigegebenen Abbildungen erſichtlich, werden die Gasſeng-
maſchinen in zwei verſchiedenen Ausführungen geliefert, welchen aber beiden
gemeinſchaftlich iſt, daß die Ware bei einem Durchgange durch die Maſchine
entweder auf einer Seite zwei, oder auf beiden Seiten zugleich je einmal
geſengt werden kann.


Die durch Fig. 72 veranſchaulichte Gasſengmaſchine mit Bürſten-
walzen findet hauptſächlich Verwendung für wollene, halbwollene, baum-
wollene Gewebe, Juteſtoffe ꝛc., die mehrmals die Maſchine paſſieren müſſen,
oder nach dem Sengen weitere Manipulationen im trockenen Zuſtande durch-
machen, während die Gasſengmaſchine nach Fig. 73 für baumwollene
Waren benutzt wird, die nach dem Sengen ausgekocht, gebleicht, gefärbt ꝛc.
werden.


Bei der Gasſengmaſchine nach Fig. 72 paſſiert die Ware beim
Einlauf zwei Leitwalzen, einen Bremsapparat, geht hiernach um die beiden
[383] Sengwalzen, wo ſie der Wirkung der Flamme ausgeſetzt iſt; kurz oberhalb
derſelben ſind zwei eiſerne Ausdrückwalzen angeordnet und über dieſen wiederum
zwei mit Tuch überzogene Zug- und Druckwalzen. Hiernach paſſiert die
Ware die Bürſtenwalzen, die ſie möglichſt vom Sengſtaub befreien, ein Paar
hintere mit Tuch überzogene Zug- und Druckwalzen und wird durch den
Legapparat in Falten abgelegt.


Die Gasſengmaſchine nach Fig. 73 iſt mit einem Einlaßarme mit
diverſen Leitwalzen ausgeſtattet und wird die Ware, nachdem ſie die Seng-
walzen, die eiſernen Ausdrückwalzen und die oberen, mit Tuch überzogenen
Zug- und Druckwalzen paſſiert hat, beim Durchgang zwiſchen zwei kupfer-
nen Walzen, von welchen die eine im Waſſer läuft und die andere mit Filz
überzogen iſt, angefeuchtet, hiernach zum Strang formiert und durch eine
Abzugswalze abgelegt.


Der Antrieb der Maſchine erfolgt durch ein beſonders konſtruiertes
Friktionsvorgelege, welches eine große Geſchwindigkeitsveränderung ſelbſt
während des Ganges geſtattet und welches ſo eingerichtet iſt, daß das von
dieſem Vorgelege aus angetriebene Gebläſe in Betrieb geſetzt werden kann,
ohne daß die Gasſengmaſchine ſelbſt arbeitet; dieſe letztere iſt mit beſonderer
Ausrückvorrichtung verſehen. Die Maſchine eignet ſich ebenſo gut für Stein-
kohlen- als für Oel- und Gaſolingas.


Um ein Sengen, [überhaupt] eine jedwede Bearbeitung von Stückwaren
in größeren Partieen, zu ermöglichen, werden die Stücke zuſammengeheftet.
Bei Handnäherei entſtehen dabei häufig Falten, welche bei der ſpäteren Be-
arbeitung ſtörend wirken. Dieſen begegnet man mit Vorteil, wenn man
eine Heftmaſchine benutzt; eine ſolche (Fig. 74 a und b) beſteht in der
Hauptſache aus 2 durch eine Kurbel in Betrieb geſetzten Zahnrädern zur
Faltenbildung und eine mit Handgriff verſehene bewegliche Nadel zum Ein-
ziehen des Heftfadens.


Nach jedem Sengen einer Ware folgt, ehe zur Bleiche geſchritten
werden kann, ein Waſchen. Dieſe Operation bezweckt in der Hauptſache
ein völliges Netzen der Ware, nicht minder aber auch die Ueberführung der
Ware in die Strangform; man läßt daher Gewebe am beſten von der Seng-
maſchine durch eine porzellanene Strangführung direkt in eine der oben be-
ſchriebenen Strangwaſchmaſchinen überleiten, welche die vorbereitenden Bleich-
arbeiten abſchließt.


Dieſe Strangform iſt die auch bei allen weiteren Operationen des
Bleichens bevorzugte Form der Ware, um dieſelbe in ununterbrochenem
Kreislauf durch die Bleichbäder, Säurebäder, Waſſerbäder u. ſ. w. paſſieren
zu können, ohne ſie umlegen oder umpacken zu müſſen, und um ſie aller
Handarbeit möglichſt zu entziehen. Um auch Garne in einen dem ent-
ſprechenden Zuſtand zu bringen, bindet man die einzelnen Strähnen oder
Docken an ihren Enden zuſammen und erzielt ſo eine Kette im vollſten
Sinne des Wortes, eine gliedweiſe Aneinanderreihung von Garnſträhnen,
welche dann in ihrer Geſamtheit auch einen Strang bilden, welche in dieſer
Form den Namen Garnſtrang führt. Dadurch werden die Operationen
bei der Garnbleicherei und der Stückbleiche einander ſo ähnlich, daß beide
in den gleichen Apparaten und mit den gleichen Maſchinen ausgeführt wer-
den können.


[384]
Figure 80. Fig. 74

a. Heftmaſchine.


Figure 81. Fig. 74

b. Heftmaſchine.


Die für die Bleichereien eigentlich charakteriſtiſchen Apparate ſind die
Bäuchkeſſel. Früher arbeitete man in den Bäuchkeſſeln ohne Dampfdruck;
dieſe waren daher offen, und dienten hauptſächlich für Leinengarn. Derartige
offene Bäuchkeſſel (Fig. 75 a und b) ſind auch heute noch in kleineren
Betrieben vorhanden und zeigen einen gußeiſernen, nach unten wenig ver-
jüngten Keſſel mit einem gleichfalls eiſernen Siebboden, auf welchen die
Bleichware in Netzen zu liegen kommt; verſchloſſen wird der Keſſel mit
einem leichten Deckel, welcher an einer Stelle des Randes mittels Charnier
befeſtigt iſt, und durch ein Gegengewicht mit Ketten leicht aufzuklappen iſt.
Auf die Ware wird die zur Bäuche beſtimmte Lauge, welche in Stärke und
Zuſammenſetzung aus den früheren Paragraphen zu erfahren iſt, gegeben
und wird zum Kochen erhitzt. Der Dampf tritt von unten in den Keſſel
und bringt die Lauge zum Kochen, welche nach beendetem Bäuchen durch
einen unmittelbar über dem Boden des Keſſels ſeitlich angebrachten Hahn
abgelaſſen werden kann. Zum Ausheben der Netze mit den Garnen aus
dem Kochkeſſel dient ein Drehkrahn mit Winde, welcher auch ohne weitere
Erläuterung aus der Zeichnung verſtändlich wird. Der Krahn iſt drehbar,
ſo daß er für mehrere Keſſel dienen kann; man ordnet dann die Bäuchkeſſel
kreisförmig um den Krahn. Fig. 75 b zeigt einen Horizontaldurchſchnitt
durch 2 ſolche Keſſel nebſt Krahn.


Die Bäuchkeſſel neuerer Konſtruktion ſind zum Arbeiten mit Hochdruck
beſtimmt, und werden daher auch als Hochdruckkochkeſſel bezeichnet. Sie
[385]

Figure 82. Fig. 75.

Bäuchkeſſel mit Krahn.


beſtehen aus einem von ſchmiedeeiſernem Keſſelblech gearbeiteten cylindriſchen
Keſſel mit hermetiſch ſchließendem, umlegbarem Mannlochdeckel. Der Haupt-
unterſchied zwiſchen dieſem und den offenen Bäuchkeſſeln beſteht in dieſem
hermetiſchen Verſchluß und der Möglichkeit eines mehrfachen Atmoſphären-
drucks, weshalb dieſe Keſſel amtlich auf ihre Druckfähigkeit probiert werden.
Die Hochdruck-Kochkeſſel dienen zum Bäuchen von Stückwaren und Garnen
im Bündel und Strang. Im Innern des Keſſels über dem gewölbten
Boden befindet ſich ein Siebboden, auf welchen die Ware durch das Mannloch
eingelegt wird. Die Zirkulation der Flotte geſchieht mittels eines Dampf-
ſtrahlinjektors durch ein außerhalb des Keſſels angebrachtes Rohrſyſtem,
während eine im Verſchlußdeckel drehbar angeordnete Turbine ein gleich-
mäßiges Uebergießen der kochenden Lauge bewirkt und die beſtändige Zirku-
lation infolge der ſichtbaren Drehung der Turbine (die Turbinenachſe iſt
Ganswindt, Färberei. 25
[386]

Figure 83. Fig. 76.

Hochdruck-Koch und Bäuchkeſſel.


nach oben (außen) verlängert
und mit einem Querpfeil ver-
ſehen) von außen jederzeit be-
obachtet werden kann. Dieſe
Keſſel (Fig. 76) beſitzen den
großen Vorzug, daß nach be-
endetem Kochprozeß im geſchloſſe-
nen Keſſel durch Einſtellen des
Zirkulationsinjektors mit dem
Kaltwaſſerzuflußrohr bei geöff-
netem Ablaßhahn die gebäuchte
Ware nachgeſpült und abgekühlt
werden kann, und ermöglicht
das letztere die Aufſtellung der
Kochkeſſel in jedem beliebigen,
auch nicht gewölbten Raume.
Der Apparat der Firma C. H.
Weisbach in Chemnitz iſt auf
6 Atmoſphären geprüft.


Aehnlich, doch etwas ein-
facher, iſt der Kleine Hoch-
druck-Kochkeſſel
(Fig. 77 a, b)
der Zittauer Maſchinenfabrik,
welcher durch Zeichnung und
Horizontaldurchſchnitt auch ohne weitere Erklärung verſtändlich iſt. Die
Zirkulation der Lauge geſchieht wie bei dem vorigen durch drei außerhalb
des Cylinders befindliche Rohre, ſo daß auch hier die erwärmte Lauge
ſich immer wieder von neuem über die Ware ergießt.


Figure 84. Fig. 77

a. Hochdruck-Kochkeſſel.


[387]
Figure 85. Fig. 77

b. Hochdruck-Kochkeſſel.


Hochdruck-Kochkeſſel mit innerer Zirkulation (Fig. 78). Dieſer
Keſſel unterſcheidet ſich von den beiden vorigen dadurch, daß die der Zirku-
lation dienenden Rohre nicht außerhalb, ſondern innerhalb des Cylinders
ſich befinden. Dagegen iſt zum Einlegen der Ware der ganze Deckel ab-
nehmbar; er iſt durch Umlegſchrauben zu befeſtigen, hängt in Ketten und iſt
durch ein Gegengewicht entlaſtet. Er enthält ferner ein Sicherheitsventil,
und einen Manometer, ſowie einen Lufthahn zum Ablaſſen der kalten Luft
beim Beginn des Kochens und des Dampfes am Ende desſelben. Die aus-
genutzte Lauge kann durch einen Ablaßhahn, ebenſo das Kondenſationswaſſer
geſondert entfernt werden.


Viel angewendet werden auch die Bleichkeſſel nach Barlow und die
nach Pendlebury. Beide haben miteinander das gemein, daß der Bleich-
apparat aus einem Syſtem von 2 oder 3 Keſſeln beſteht.


Das Barlowſche Syſtem beſteht aus 2 gleich großen Keſſeln aus
ſchmiedeeiſernem Keſſelblech mit einer Lage von glatt gewordenen Kieſelſteinen
an Stelle des bei den vorher beſchriebenen Bäuchkeſſeln vorhandenen Sieb-
bodens, und mit je 2 Mannlöchern auf dem Deckel eines jeden Keſſels zum
Beſchicken des Keſſels und Entleeren der Ware. Dieſe kommt in beiden
Keſſeln direkt auf den falſchen Steinboden zu liegen, wogegen nur ein Keſſel
mit der Bäuchlauge beſchickt wird. In beiden Keſſeln befindet ſich an der
Stelle der Längsachſe des Cylinders das Dampfzuleitungsrohr, deſſen oberer
Teil durchlöchert und welcher in einiger Entfernung vom Boden mit einem
Zapfen verſchloſſen iſt; am oberen Ende ſteht das Rohr mit einem Zwei-
weghahn in Verbindung, welcher dasſelbe ſowohl mit dem Hauptdampfrohr
wie mit einem Verbindungsrohr zwiſchen dem oberen Boden des einen mit
dem unteren Boden des zweiten Keſſels verbindet. Dadurch wird eine
Kommunikation zwiſchen beiden Keſſeln, ſowie die Möglichkeit des Kochens
unter Druck in einem Keſſel und des Hinübertreibens der Bäuchflüſſigkeit
in den zweiten Keſſel ermöglicht. Auf dieſem wechſelſeitigen Hinübertreiben
der Lauge durch das Material aus dem einen Keſſel in den andern durch
einfaches Wechſeln der Stellung der Zweiweghähne beruht das Charakteriſtiſche
des Barlowſchen Syſtems.


Das Syſtem Pendlebury beſitzt zwei ungleich große Keſſel, von denen
der größere zum Einlegen der Ware, der kleinere zum Erhitzen der Bäuch-
25*
[388]

Figure 86. Fig. 78.

Hochdruckkochkeſſel mit innerer Zirkulation.


flüſſigkeit dient. Dieſes geſchieht durch direktes Einleiten von Dampf in die
Bäuchflüſſigkeit; die beiden Keſſel ſind mit dem gemeinſamen Dampfrohr,
wie miteinander genau ſo verbunden, wie beim Syſtem Barlow; die ein-
fache Umſtellung der Zweiweghähne bewirkt auch hier ein Hinüberpreſſen der
erhitzten Bäuchflüſſigkeit in den mit Ware beſchickten Cylinder und durch er-
neuerte Umſtellung der Hähne aus dem großen Keſſel wieder zurück in den
kleineren. Der Unterſchied vom Barlowſchen Syſtem beſteht vornehmlich
darin, daß die Ware nach jedem Auskochen mit direkt zugeführtem Dampf
ausgedämpft werden kann.


Das kombinierte Syſtem Pendlebury-Barlow vereinigt die Vor-
züge beider Syſteme und beſteht aus zwei großen Keſſeln zum Bäuchen und
einem kleinen zum Aufnehmen der Kochflüſſigkeiten beſtimmten, welcher mit
jedem der beiden größeren verbunden iſt. Die beiden großen Keſſel kom-
munizieren auch miteinander. Dieſe Kombination geſtattet eine Zeiterſparnis
[389] durch Ausdämpfen der Ware in dem einen Keſſel, während in dem andern
ausgekocht wird.


Auf die Operation des Bäuchens folgt allemal noch erſt ein Waſchen, ehe
zum Chloren geſchritten werden kann. Das Chloren beginnt mit der Be-
reitung der Chlorkalklöſung
. Die phyſikaliſchen Eigenſchaften des Chlor-
kalks, ſeine Hygroſkopizität und teilweiſe Unlöslichkeit, ſein krümliges Aeußere
und ſein leichtes Zuſammenballen zu Klumpen haben zu einigen Maſchinen
zur beſſeren Handhabung desſelben geführt. Die Chlorkalkmühlen ſetzen
einen völlig lufttrockenen Chlorkalk voraus und beſtehen aus einem oben
offenen Trichter, in welchem ein um ſeine ſenkrechte Achſe drehbarer Konus

Figure 87. Fig. 79.

Chlorkalkauflöſer.


[390] ſich bewegt, welcher den Trichter faſt ausfüllt. Ueber dem Konus am Rande
des Trichters bewegen ſich eiſerne Kugeln und zermahlen den Chlorkalk, ſo
daß er zwiſchen dem Konus und der inneren Trichterwand hindurch läuft.
Ich halte dieſe Chlorkalkmühlen nicht für praktiſch, da ſie den Chlorkalk zu
lange mit der Luft in Berührung bringen und nicht völlig lufttrockenen leicht
ſchmierig machen. Viel empfehlenswerter ſind die


Chlorkalkauflöſer (Fig. 79). Dieſe dienen dazu, den ſtückigen
oder krümligen Chlorkalk in Waſſer aufzulöſen. Beim Löſen des Chlorkalks
geht bekanntlich der ganze Gehalt an unterchlorigſaurem Kalk, das geſamte
Chlorcalcium und ein wenig Kalkhydrat in Löſung, die Hauptmenge des Kalk-
hydrats bleibt ungelöſt zurück; in letzter Linie handelt es ſich dann um ein
Trennen des Gelöſten vom Ungelöſten. Dieſem Zwecke angepaßt beſteht der
Chlorkalkauflöſer aus einem eiſernen, innen maſſiv verbleiten Kaſten und einem
demſelben an den Schmalſeiten drehbar eingelagerten, durchlöcherten, hohlen,
ſtark verbleiten Eiſencylinder, welcher mit einer verſchließbaren Einfüllöffnung
verſehen iſt. Der Kaſten wird bis etwa zur Höhe der Achſe des inneren
Cylinders mit Waſſer gefüllt, die Trommel mit Chlorkalk beſchickt, ver-
ſchloſſen, und in Bewegung verſetzt. Der Chlorkalk wird gewiſſermaßen cen-
trifugiert und gelangt in feinſter Verteilung durch die Trommelwandung in
das Waſſer, wobei das Ungelöſte ſich als feiner Schlamm auf dem Boden
des Reſervoirs abſetzt. An einer Stirnwand desſelben befindet ſich ein Ab-
laßhahn für die nach dem Abſetzen klare Chlorkalklöſung, während am Boden
ein (in der Zeichnung nicht ſichtbares) Ablaßventil für den Kalkſchlamm ſich
befindet. — Zur Bewältigung ganz großer Maſſen dienen die


Chlorrührer (Fig. 80), viereckige, ſchmiedeeiſerne, mit ſtarkem Blei-
blech ausgeſchlagene Käſten, in welchen 2 Rechen mit entgegengeſetzter Be-
wegung durch ein gemeinſames Rührwerk die Maſſe beſtändig durchein-
ander rühren. Die Hähne ſind in einiger Entfernung ſo hoch über dem
Boden der Käſten angeordnet, daß der entſtehende Bodenſatz nicht mit zum
Abfluß gelangt, vielmehr durch das Ablaßventil entleert werden kann.


Figure 88. Fig. 80.

Chlorrührer.


[391]

Das Imprägnieren der Ware mit Chlorkalklöſung geſchieht
entweder durch bloßes Einlegen der Ware, Herausnehmen, Säuren und
Spülen, oder — in größeren Etabliſſements — indem man dieſelbe in Ketten-
oder Strangform mittels Maſchinen durch die Bleichflüſſigkeit kontinuierlich
paſſieren läßt. Eine ſolche Maſchine, ſpeziell zum Chloren von Leinengarn be-
ſtimmt, iſt die


Garnchlormaſchine von C. G. Hauboldjun. in Chemnitz.
Fig. 81 a und b zeigt 3 in Cement gemauerte Baſſins von geringer Tiefe,
mit Chlorkalklöſung gefüllt; über jedem Baſſin befinden ſich zwei einfache
Holzrollen, von welchen herab die Garnſträhne in die Bleichflüſſigkeit hängen.
Dieſe Rollen werden durch eine ſeitliche Welle gleichzeitig in Bewegung ge-
ſetzt; ſie ſind leicht und bequem auszuheben, und werden nach friſchem Be-
ziehen mit Garn ſo eingelegt, daß der viereckige Zapfen der Welle in einen
entſprechenden Kopf der Mitnehmerhülſe zu liegen kommt. Dieſe Garn-
chlormaſchinen haben in großen Leinenbleichereien eine große Anzahl von
Baſſins; ein Syſtem ſolcher Baſſins heißt dann eine Rollerei.


Zum Transport der Garne während der einzelnen Bleichoperationen,
ſoweit eine Bleiche in der Kette das Umtransportieren nicht überflüſſig
macht, dienen die Garntransportwagen. Dieſelben (Fig. 82) beſtehen
aus Boden, Vorder- und Rückwand, 2 großen Laufrollen in der Mitte und
je einer drehbaren Lenkrolle vorn und hinten.


Figure 89. Fig. 81

a. Garnchlormaſchine. Seitenanſicht.


[[392]]
Figure 90. Fig. 81

b. Garnchlormaſchine. Horizontaldurchſchnitt.


Figure 91. Fig. 82.

Garnwagen.


[393]

Zum kontinuierlichen Imprägnieren von Strangwaren dient die


Chlor-, Kalk- und Säuremaſchine neueſter Konſtruktion von
C. H. Weisbach in Chemnitz (Fig. 83). Dieſelbe dient ſowohl zum kontinuier-
lichen Imprägnieren der Stückware im loſen Strang mit Kalkmilch und Soda-
lauge vor dem Kochen, und mit Chlorkalk- oder Säurelöſung nach dem Kochen,
als auch zum Seifen, Waſchen oder Blauen gebleichter Waren und beſteht aus
den ſtarken eiſernen Geſtellen mit einem zwiſchenliegenden Walzenſyſtem, zu-
ſammengeſetzt aus einer ſtarken Pockholzcentralwalze, einer darüber liegenden,
mit Hebeldruck angepreßten Hartholzquetſchwalze und zwei in einem gemein-
ſchaftlichen Doppelhebel gelagerten Hartholzwalzen, welche mittels regulier-
barem Belaſtungshebel unter einem
beſtimmten Winkel an die Mittel-
walze angepreßt werden. Die La-
gerhebel beider Walzen ſind um
einen gemeinſchaftlichen, in Schiebe-
lagern geführten Zapfen drehbar,
durch welche Lager der Hebeldruck
auf die Walzen übertragen wird.
Infolge dieſer eigenartigen patentier-
ten Walzenanordnung iſt ein ganz
gleichmäßiges Quetſchen des zwi-
ſchen der Centralwalze und den beiden
Quetſchwalzen paſſierenden Waren-
ſtranges ermöglicht, indem ſich jede
dieſer beiden Walzen unabhängig von

Figure 92. Fig. 83.

Chlor-, Kalk- und Säuremaſchine.


der anderen, der ungleichmäßigen Strangſtärke entſprechend, der Hauptwalze
nähern oder entfernen kann, ohne dabei die Lage und den Druck der ande-
ren Walze zu verändern. Durch dieſes an allen Stellen des Stranges ſtets
gleichmäßige Quetſchen in Verbindung mit dem ſtarken, der Gattung der
Ware entſprechend einzuſtellenden Hebeldruck wird ein genau gleichmäßiges,
intenſives Imprägnieren bewirkt und damit eine große Leiſtungsfähigkeit er-
reicht, da durch die größere Länge der die Maſchine paſſierenden loſen
Stränge die Ware die nötige Zeit mit der Flüſſigkeit in Berührung bleibt
und aufs innigſte damit getränkt wird.


Ein ſelbſtthätig ſich beim Gange der Maſchine hin- und herbewegendes
Strangführungsgitter bewirkt einesteils ein beſtändiges Verändern der Falten-
lagen des Stranges, andernteils verhindert es ein ungleichmäßiges, ring-
förmiges Abnutzen der Walzen. Das Druckhebelſyſtem beſitzt eine zweck-
mäßig konſtruierte Ausrückvorrichtung, welche ein plötzliches Abſtellen der
beiden Unterwalzen von der Hauptwalze durch einfache Drehung eines Hand-
hebels bewirkt und ein bequemes Herausnehmen beider Walzen behufs
Reinigung ꝛc. ermöglicht. Die eiſernen Geſtelle der Maſchine ſchließen einen
ſtarken hölzernen Bottich ein, welcher zur Aufnahme der Flüſſigkeit dient
und mit einer Ablaßvorrichtung verſehen iſt; ferner iſt die Maſchine aus-
geſtattet mit loſer und feſter Riemenſcheibe, vorteilhafter Riemenausrückung,
ſowie mit zwei Porzellanführungsringen zum Ein- und Ausführen des
Stranges. Die Maſchine zeichnet ſich beſonders aus durch ihre weſentliche
Einfachheit, indem die bei Maſchinen ähnlicher Syſteme angewandten, meiſt
ſchwer zugänglichen zahlreichen Gelenke und beweglichen Teile für die
[394] Walzenſtellung, welche häufigen Reparaturen unterliegen, hier vollſtändig
vermieden ſind. Die Walzenſtellung dieſer Maſchine beſitzt auf jeder Seite
derſelben nur einen einzigen Drehpunkt, und zwar einen außerhalb des
Kaſtens am Geſtell geführten Drehzapfen, auch ſind alle ſonſtigen Teile der
Druckbelaſtung außen angebracht und leicht zugänglich. Sämtliche Walzen
ſind zum Herausnehmen auf bequeme Weiſe eingerichtet und laufen in
metallnen Lagern.


Die Maſchine iſt ſowohl für leichte, als auch für ſchwerſte gerauhte
Ware gleich vorteilhaft anzuwenden.


§ 19. Die Hauptarbeiten der Färberei im allgemeinen.


Nachdem die Faſern, Geſpinnſte oder Gewebe die in den vorigen Para-
graphen beſchriebenen Operationen durchlaufen haben, ſind ſie ſoweit vor-
bereitet, daß nunmehr zum eigentlichen Färben, gemeinhin Ausfärben ge-
nannt, geſchritten werden kann, d. h. die Faſern, Geſpinnſte u. ſ. w. können
nun in die eigentlichen Farbebäder gelangen oder, falls ein Beizen erforderlich
oder wünſchenswert, in das Beizbad.


Behufs Herſtellung der Beizflüſſigkeiten und Farbbäder ſind jedoch eine
Anzahl einleitende Operationen nötig, welche die Zerkleinerung der Farbſtoffe
(z. B. das Raſpeln der Farbhölzer, das Feinreiben der Cochenille), das
Auskochen der Farbſtoffe aus den Rohmaterialien (z. B. der Farbhölzer, des
Sumachs ꝛc.), das Löſen der Farbſtoffe oder das in Löſungbringen gewiſſer
Farbſtoffe (z. B. Indigo, Coeruleïn), das Juſtieren der Löſungen auf einen
gewiſſen Stärkegrad u. ſ. w. bezwecken. Alle dieſe Arbeiten ſind lediglich
vorbereitende. Und doch ſollte jeder Färber gerade dieſen vorbereitenden
Arbeiten beſondere Aufmerkſamkeit ſchenken, da von der richtigen Zubereitung
der Beiz- und Farbbäder Alles abhängt, und ein ſpäteres Flicken und Aus-
beſſern, ein Zuſetzen von Farbſtoff, ein Zugeben von Säure u. dergl. immer-
hin ſein Bedenken hat. Zweck der vorbereitenden Operationen iſt die Ueber-
führung der Farbſtoffe in lösliche Form. Die in der Neuzeit meiſt ge-
brauchten künſtlichen organiſchen Farbſtoffe ſind ja an ſich löslich; bei der
großen Anzahl natürlicher aber muß erſt eine entſprechende Zerkleinerung
ſtattfinden oder ein Auskochen reſp. Extrahieren der Ware.


§ 20. Zerkleinern der Kohmaterialien.


Von den Farbſtoffen, welche durch Reiben in ein feines Pulver ver-
wandelt und dadurch für die ſpätere Löſung vorbereitet werden ſollen, ge-
hört in erſter Linie der Indigo. Von Natur hart, widerſetzt er ſich dem
bloßen Reiben im Mörſer hartnäckig. Man hat daher Mühlen konſtruiert,
in welchen der Indigo richtig zermahlen wird. Die einfachſte Vorrichtung
dieſer Art iſt die Indigoſchrotmühle, Fig. 84, beſtimmt, den Indigo in
trockenem Zuſtande vorzumahlen, wodurch ein ſchnelleres und gleichmäßigeres
Feinmahlen ermöglicht wird. Wenn man von der Antriebvorrichtung ab-
ſieht, hat dieſe Schrotmühle viel Aehnlichkeit mit einer Kaffeemühle.


[395]
Figure 93. Fig. 84.

Indigoſchrotmühle.


Sehr gebräuchlich iſt die


Indigoreibmühle mit Kugelſchale (Fig. 85), beſtehend aus einem
maſſiven eiſernen Geſtell, auf welchem die ſchief geneigte gußeiſerne Kugelſchale
drehbar angebracht iſt. Die Schale dreht ſich um ihre nach unten verlängerte
Achſe und wird mittels zweier koniſcher Räder durch Riemen getrieben.
Durch die Drehung des Keſſels und die darin laufenden Kugeln wird der
Indigo auf das Feinſte gerieben. Die Maſchine iſt noch mit einer ſelbſt-
thätigen Abklopfvorrichtung verſehen, da der Indigo die Eigenſchaft zeigt,
ſich an den Keſſelwänden feſtzureiben. Durch Auslöſung des unteren Wellen-
lagers kann die Schale geneigt, und ihres Inhalts entleert werden. — Auf
dem gleichen Prinzip beruhend, aber etwas abweichend in der Konſtruktion,
iſt die


[396]
Figure 94. Fig. 85.

Indigoreibmühle mit Kugelſchale.


Indigoreibmaſchine Fig. 86 von C. G. Hauboldjun. in Chemnitz.
Bei dieſer iſt der Keſſel ſo eingerichtet, daß er in horizontaler, vertikaler
oder jeder beliebig ſchiefen Richtung mahlen kann. Das Schrägſtellen kann
auch während des Ganges bewerkſtelligt werden. Das Entleeren des Keſſels
bedarf hier keiner beſonderen Auslöſung, der Antrieb iſt etwas höher gelegt, als
bei der vorigen, ſo daß die Achſe der Antriebswelle auch die Längsachſe des
Keſſels iſt, während die Neigung oder das Entleeren des Keſſels durch eine
Kurbel bewirkt wird. Alles übrige iſt aus der Zeichnung erſichtlich.


[397]
Figure 95. Fig. 86.

Indigoreibmaſchine.


Indigoreibmaſchine mit Walzen Fig. 87. Dieſe Maſchine be-
ſteht aus einer großen eiſernen, durch ein maſſives Eiſengeſtell getragenen
horizontal rotierenden Trommel mit ſeitlichem Mannlochverſchluß zum Ein-
bringen des Indigos. In der Trommel befinden ſich am Boden zwei
ſchwere ſchmiedeeiſerne Walzen, welche während der Rotation des Keſſels
durch ihre gegenſeitige Reibung das Mahlen des Indigos in kurzer Zeit
bewirken. Die Cylinderwandung hat ſchließlich noch einen Ablaßhahn zum
Entfernen des gemahlenen Indigos. — Die Indigoreibmaſchine mit
Kugeln
dient zum Reiben des Indigos mit Waſſer. Der Keſſel dreht
ſich nicht; dafür iſt ein Rührer mit 4 Flügeln angebracht, welcher ſich
im Keſſel dreht und Eiſenkugeln mit ſich zieht, welche den Indigo mit dem
Waſſer zuſammen verreiben; der feine Schlamm wird dann durch einen am
Boden angeſchraubten Hahn abgelaſſen.


[398]
Figure 96. Fig. 87.

Indigoreibmaſchine mit Walzen.


Bogardusmühle Fig. 88. Dieſe dient zum Feinreiben von Coche-
nille, Ocker und anderen Mineralfarben, ſobald ſie zum Färben Verwen-
dung finden. Dieſe Farbmühle beſteht aus einem eiſernen Geſtell mit Füll-
trichter und Fallrohr und zwei exzentriſchen Scheiben, zwiſchen denen das
Zerreiben der Farben ſtattfindet. Das zu zerreibende Material wird in
nicht zu großen Stücken in den Fülltrichter gebracht, eine ſpiralförmig ge-
wundene Führung im Fallrohr bringt dasſelbe auf die exzentriſch zu einander
gelagerten Scheiben; die untere derſelben iſt durch Schraube an die obere
an- und abzuſtellen, je nachdem das Material mehr oder minder fein ge-
mahlen werden ſoll.


Eine einfachere Vorrichtung zum Feinreiben von Mineralfarben für
Färbereizwecke iſt die von J. M. Lehmann in Dresden-Löbtau gebaute
Farbmühle Fig. 89. Der Einfülltrichter iſt zur Aufnahme des Mahl-
gutes beſtimmt und nach Bedarf aus Holz oder Zinkblech gearbeitet; die
Mahlteile dieſer Mühle ſind aus Porphyr, die Ablaufvorrichtung aus
Zinkblech; das Geſtell iſt ganz aus Eiſen gearbeitet und hat unten eine
Bodenplatte. — Zum Sieben gemahlener Farben dient die


[399]
Figure 97. Fig. 88.

Bogardusmühle.


Farbenſiebmaſchine Fig. 90. Eine ſolche beſteht in der Haupt-
ſache aus zwei auf einem Eiſengeſtell angeordneten, ſich gleichmäßig drehen-
den meſſingenen Keſſeln mit Siebböden aus Gaze. Die Drehung der Siebe
wird durch einen am Boden der Siebe befindlichen Zahnkranz bewirkt, in
welchen das Getriebe eingreift. In jedem Siebe bewegt ſich ein Pinſel,
welcher mit ſeinen Haaren die Gaze beſtreicht, mittels einer exzentriſchen
Bewegung hin und her, ſo daß derſelbe nacheinander alle Teile des Siebes
gleichmäßig berührt. Der Antrieb geſchieht durch Feſt- und Losſcheibe ſeit-
lich am Geſtell.


Zum Zerkleinern der Farbhölzer als Vorbereitung für deren Extraktion
dienen die Farbholzraſpeln. Dieſe ſtellen ein Syſtem von glatten ge-
härteten Stahlmeſſern vor, welche in ein ſtarkes Gußeiſengeſtell eingelagert
ſind und durch Hebel und Fußtritt oder durch Feſt- und Losſcheibe in Be-
trieb geſetzt werden können. Die obere der beiden Abbildungen (Fig. 91)
dient zum Schneiden von Spänen, die untere (Fig. 92) zum Raſpeln von
Hirnholz. Dieſe beiden Maſchinen werden von der Zittauer Maſchinen-
fabrik und Eiſengießerei, vormals Albert Kiesler \& Comp. in Zittau
in den Handel gebracht. Die Hirnholzraſpel hat ſtatt der glatten Meſſer
genarbte mit ſchrägſtehendem Zuführkaſten.


[400]
Figure 98. Fig. 89.

Farbmühle.


Figure 99. Fig. 90.

Farbenſiebmaſchine.


[401]
Figure 100. Fig. 91.

Farbholzraſpel zum Schneiden von Spänen.


Figure 101. Fig. 92.

Farbholzraſpel zum Raſpeln von Hirnholz.


§ 21. Kochen der Farben.


In allen den Fällen, in denen nicht der einfache reine Farbſtoff, ſon-
dern das denſelben enthaltende Rohmaterial verwendet wird, wird es ſich
darum handeln, den im Rohmaterial enthaltenen Farbſtoff auf geeignete
Weiſe in Löſung zu bringen. Gewöhnlich handelt es ſich in dieſem Falle
um Farbhölzer und die Herſtellung von Farbholzbrühen aus demſelben.
Dieſes geſchieht durch Kochen mit Waſſer.


Man bedient ſich dazu kupferner Keſſel. Am vorteilhafteſten ſind
ſolche ohne Lötnaht, aus der Schale getrieben, mit aufgenietetem Rand, wie
ſie z. B. die Firma Rühmkorff \& Comp. in Hannover liefert. Einen
ſolchen ohne weiteren Zubehör, für direkte Feuerung eingerichtet, zeigt Fig. 93 I.
Fig. 93 II zeigt einen mit direktem Dampfe zu heizenden Keſſel, der untere
Teil desſelben iſt mit einer Kapſel verbunden, in welcher ein (in der Zeich-
nung weiß punktiertes) durchlöchertes ringförmiges Kupferrohr ſich befindet;
in dieſes wird von der Dampfzuleitung Keſſeldampf eingeleitet, ſtrömt durch
die Löcher in den Keſſelinhalt und bringt ſo die Flüſſigkeit zum Kochen.
An der Verbindungsſtelle des Keſſels mit der Kapſel iſt ein Sieb ange-
bracht, welches die im Keſſel befindlichen Stoffe in gehöriger Entfernung
vom Dampfrohre enthält. Fig. 93 III zeigt einen Keſſel mit Dampf-
mantel
; es iſt das ein Doppelkeſſel, welcher zwiſchen ſeinen beiden Böden
Ganswindt, Färberei. 26
[402]

Figure 102. Fig. 93.

Nr. I—IV.


einen die Wandung des innern Keſſels rundum umgebenden Hohlraum (Mantel)
hat. Wird in dieſen Hohlraum durch einen hohlen Zapfen des äußeren
Keſſels Dampf eingeleitet, ſo entſteht eine Dampfſpannung; der im Mantel
befindliche Dampf wird überhitzt und heizt den Keſſelinhalt indirekt. Der
Ablaß der zu kochenden Flüſſigkeit erfolgt durch einen zwiſchen den beiden
Böden eingeſchalteten Stutzen mit Hahn; das Kondenſationswaſſer wird gleich-
falls mittels Hahn abgeleitet. Der Keſſel iſt beſonders da zu empfehlen,
wo eine direkte Einwirkung des Dampfes vermieden werden ſoll. Fig. 93 IV
zeigt einen viereckigen Kupferkeſſel, deſſen Erwärmung wie bei Fig. 93 II durch
ein unter einem Siebe gelegenes perforiertes Dampfrohr direkt erfolgt.


Werden derartige Keſſel durch Einſetzen in ein gußeiſernes Geſtell dreh-
bar gemacht, ſo entſtehen die Kippkeſſel (Fig. 94). Der Mantel iſt hier-
bei von Gußeiſen; der eigentliche Keſſel aus Kupfer iſt mit dem Mantel
dicht und feſt verſchraubt und beſitzt einen Ausguß. Dampfzuleitung, ſowie
die Kippvorrichtung, ſind ohne weitere Erklärung aus der Zeichnung er-
ſichtlich.


Das Löſen der Farbſtoffe in kochendem Waſſer wird durch Rühren
beſchleunigt. In den bisher beſchriebenen Keſſeln wird das Rühren durch
entſprechend große Holzſpatel oder -Schaufeln bewerkſtelligt. Wo Dampf-
kraft zur Verfügung ſteht, wird man beſſer zu einem Rührwerk greifen,
welches für gewiſſe Zwecke von Vorteil iſt. Einen ſolchen Doppelkeſſel mit
Rührwerk
zeigt Fig. 95 (S. 404) im ſenkrechten Durchſchnitt. Das Rühr-
werk ſelbſt wird gebildet aus zwei ſenkrecht in den Keſſel eintauchenden Rühr-
ſchaufeln, welche an einer durch koniſche Räder getriebenen vertikalen Achſe ſich
befinden. Das Rührwerk (ſog. Planetenbetrieb) iſt leicht aushebbar, ſo
[403]

Figure 103. Fig. 94.

Kippkeſſel.


daß nach Entfernung desſelben
der Keſſel durch Umkippen leicht
entleert werden kann. — Einen
ähnlichen Apparat zum Farb-
kochen mit Rührwerk
zeigt
Fig. 96 der Zittauer Maſchinen-
fabrik. Der tiefe offene Keſſel
iſt doppelwandig, aus Kupfer
und mit geſpanntem Dampf
heizbar. Das Rührwerk iſt ein
Planetenrührwerk, wie beim vori-
gen. Durch ſeine in der Wand
befeſtigte Lage bildet er gewiſſer-
maßen den Uebergang zum nach-
folgenden.


Die bisher betrachteten Keſ-
ſel waren ſämtlich offen; die Er-
fahrung hat aber gelehrt, daß das
Auskochen des Holzes, das Er-
ſchöpfen des Materials an Farb-
ſtoffen vollſtändiger und raſcher vor
ſich geht unter Druck. Ein ſol-
cher einfacher Hochdruck-Farb-
kochapparat
(auch ſehr zum Ap-

Figure 104. Fig. 96.

Apparat zum Farbekochen mit Rührwerk.


26*
[[404]]

Figure 105. Fig. 95.

Doppelkeſſel mit Rührwerk.


[405] pretkochen zu verwenden und deshalb auch Hochdruckappretkocher genannt) wird
von C. H. Weisbach in Chemnitz gebaut und durch Fig. 97 verſinnbildlicht.
Durch Anwendung eines auf 10 Atmoſphären Ueberdruck approbierten, kupfer-
nen Cylinders mit halbkugelförmigen Enden iſt das Kochen der Farbe unter
einem direkten Druck bis zu 5 Atmoſphären ermöglicht; es wird dadurch
nicht nur an Zeit und Brennmaterial geſpart, ſondern die damit erzeugte
Farbe iſt eine ſehr gleichmäßige. Der Apparat iſt vertikal aufgeſtellt und
an der Wand befeſtigt. Die Bedienung des Apparates iſt eine äußerſt ein-
fache und vollſtändig gefahrloſe. Durch Oeffnen des Lufthahnes I kann die
im Keſſel befindliche kalte Luft entweichen. Die auszukochenden Stoffe werden
durch einen Trichter II eingefüllt, worauf der Hahn III geſchloſſen werden
muß, damit die Farbe nicht aus dem Keſſel gedrückt wird. Hierauf läßt
man durch Oeffnen des Hahnes IV in den Keſſel allmählich zum Erwärmen

Figure 106. Fig. 97.

Hochdruck-Farbkochapparat.


[406] Dampf eintreten, wobei zu beobachten iſt, daß die Farbe Hahn V nicht
überſteigt. Sobald die Farbe ſtark im Kochen iſt, wird der Lufthahn I ge-
ſchloſſen und darauf je nach Beſchaffenheit der Farbe 10 bis 25 Minuten
gekocht unter einem Druck von 5 Atmoſphären.


Die Qualität der gekochten Farbe prüft man durch Entnahme einer
kleinen Probe durch Hahn I.


Die Entleerung des Keſſels findet durch Hahn VIII ſtatt, während
VI und VII lediglich Kontrollhähne ſind.


Ein größerer, ſpeziell zur Extraktion von Farbhölzern verwendeter Appa-
rat, welcher zugleich nach Art der Kippkeſſel um ſeine Achſe drehbar iſt,
iſt der Farbholzextrakteur Fig. 98. Dieſer iſt in kräftigen eiſernen
Ständern drehbar gelagert und beſteht aus dem kupfernen, auf 6 Atmoſphä-
ren Ueberdruck probierten Keſſel mit abnehmbarem Deckel, Sicherheitsventil,
Manometer, Probierhahn und 4 Abſperrventilen. Die Bedienung des Ex-
trakteurs iſt eine ſehr einfache und bedarf derſelbe außer beim Füllen, An-
laſſen, Abſtellen und Entleerung effektiv keiner Wartung.


Der kupferne Keſſel, welcher in ſeinen Lagerungen drehbar und durch
Schneckenrad, Schnecke und Handrad umſtellbar iſt, wird in horizontale Lage
gebracht, nach Abnahme des Deckels mit Holz gefüllt und, nachdem der
Deckel durch die Kloben wieder befeſtigt iſt, vertikal geſtellt. Das Einlaß-
ventil ſteht durch eine Rohrleitung mit dem Waſſer des Dampfkeſſels in
direkter Verbindung und wird alſo das Waſſer durch den im Dampfkeſſel
befindlichen Druck nach dem Apparat getrieben, in welchem es das darin
befindliche Holz von oben, aus einem brauſenartig erweiterten und durch-
lochten Rohrmundſtück gleichmäßig übergießt. Beim Anlaſſen bleibt der
Probierhahn geöffnet, damit aus demſelben die im Extrakteur befindliche Luft
entweichen kann; außerdem dient der erwähnte Hahn noch zum Probieren
der Flotte.


Sobald nun der am Apparat befindliche Manometer den beim Extrahie-
ren zuläſſigen Maximaldruck von circa 2 Atmoſphären zeigt, wird das Ab-
laßventil ſoweit geöffnet, daß es ebenſoviel gewonnenes Extrakt durchläßt,
als durch das Einlaßventil Keſſelwaſſer zuſtrömt; der Austritt des Extraktes
erfolgt durch eine, im Boden des Apparates befindliche mit einem kupfernen
Siebe überdeckte Oeffnung, die durch ein Rohr mit dem hohlen Lagerzapfen,
dem Ablaßventile und durch weitere Rohre mit dem an einem beliebigen
Platze aufgeſtellten Reſervoir in Verbindung ſteht, nach welchem das Extrakt
vermittelſt des im Apparate befindlichen Drucks ſelbſtthätig getrieben wird.


Das im Extrakteur befindliche Holz bleibt ſo lange der auslaugenden
Wirkung des durchſtrömenden Keſſelwaſſers ausgeſetzt, bis das Waſſer bei
Oeffnung des Probierhahnes klar erſcheint, ein Beweis dafür, daß das Holz
bis auf das letzte Minimum an Farbſtoff vollſtändig ausgezogen iſt. Hiernach
werden die Ventile geſchloſſen, der Druck abgelaſſen und das Holz aus dem
Extrakteur entfernt. — Das Extrahieren kann, je nachdem die Ventile mehr
oder weniger geöffnet ſind und daher das Keſſelwaſſer ſchneller oder lang-
ſamer durch den Extrakteur getrieben wird, in kürzerer oder längerer Zeit
(½ bis 2 Stunden) bewirkt werden.


Wird der im vorſtehenden beſchriebene Farbholzextrakteur auch zum
Kochen mit Dampf eingerichtet, ſo iſt die Bedienung des Extrakteurs in
dieſem Falle folgende: Das Waſſer tritt durch das Einlaßventil und das
[407]

Figure 107. Fig. 98.

Farbholz-Extrakteur.


im Innern aufwärts führende Rohr in den Apparat, bis er zur Höhe des
Probierhahnes gefüllt iſt; hiernach wird der Dampf durch das an der
Extraktaustrittſeite angebrachte Abſperrventil von unten in den Apparat ge-
laſſen und das Waſſer zum Kochen gebracht. Nachdem nun eine Zeitlang
[408] gekocht worden iſt, wird das an der Extraktaustrittsſeite befindliche Dampf-
abſperrventil geſchloſſen, das an der Waſſereintrittsſeite befindliche gleiche
und das Ablaßventil für das Extrakt geöffnet, und treibt nun der auf die
Flotte wirkende Dampfdruck das Extrakt nach dem Reſervoir; dieſe Mani-
pulation muß mehreremal wiederholt werden, wenn das Holz ebenſo voll-
ſtändig ausgezogen werden ſoll, wie dies beim Extrahieren in der erſtbe-
ſchriebenen Weiſe mit Keſſelwaſſer der Fall iſt, ſo daß alſo das Kochen
mit Dampf mehr Aufwand an Zeit und Wartung erfordert; es empfiehlt
ſich daher ſehr, die erſtbeſchriebene Extrahierungsmethode zu wählen, wo
dies die Verhältniſſe geſtatten.


Was nun die Wahl des Materials zu Farbholzextrakteuren betrifft, ſo
iſt Kupfer dem Eiſen entſchieden vorzuziehen, da die Berührung des Extrakts
mit Eiſen einen ſchädlichen Einfluß auf den Farbſtoff ausübt und die Farb-
fähigkeit desſelben vermindert.


Figure 108. Fig. 99.

Univerſal-Farbe-Extraktionsapparat.


[409]

Wo ein für allemal direkter Dampf zur Extraktion angewendet werden
ſoll, ſpeziell bei Farbholzſpänen, Sumach u. dergl.; da empfiehlt ſich der


Univerſal-Farbeextraktionsapparat der Zittauer Maſchinen-
fabrik Fig. 99. Dieſer Apparat beruht auf dem gleichen Prinzip, wie
die Bleichkeſſel nach Barlows Syſtem; er beſteht aus zwei in eiſernen
Unterſtützungsſäulen hängenden drehbaren ſtarken kupfernen Keſſeln, welche
ſo miteinander verbunden ſind, daß die gewonnenen Abſude mittels Dampf-
druck beliebig von dem einen Keſſel zum andern getrieben werden können.
In der Zeichnung zeigt A den Durchſchnitt, B die Geſamtanſicht eines
Keſſels; bei A ſehen wir unter dem gewölbten, ſiebförmig durchlöcherten
Boden die Dampfſchlange, durch welche der Dampf in den Keſſel gelangt.
Der Hahn b iſt ein Dreiweghahn, welcher je nach ſeiner Stellung den
Keſſel A entweder gegen B völlig abſchließt, oder das Ablaſſen der Farb-
holzbrühe geſtattet, oder, nach weiterer Oeffnung der Hähne a und b′, das
Hinüberdrücken der Extraktionsflüſſigkeit nach B erlaubt. In vorgedachter
Weiſe kann das Her- und Hinüberpreſſen ſo lange wiederholt werden, bis
das Holz erſchöpft iſt. Gegen zu hohen Dampfdruck ſchützt ein Sicherheits-
ventil. Der gleiche Apparat wird nicht ſelten mit Rückflußkühler ver-
wendet. Als ſolcher dient in dieſem Falle der beſonders konſtruierte Deckel;
es befindet ſich nämlich an der Innenfläche des Deckels ein nicht durch-
löchertes Schlangenrohr, durch welches beſtändig kaltes Waſſer ſtrömt
(Fig. 100). Hierdurch wird eine Verdichtung der Dämpfe in der Umgebung
der Kühlſchlange bewirkt, welche in tropfbar flüſſiger Form wieder auf das
Holz gelangen, dort wieder in Dampf verwandelt werden und ſo gewiſſer-
maßen einen ſelbſtſtändigen Kreislauf im Keſſel ausführen. Ob damit wirk-
lich ein namhafter Nutzen erzielt wird, iſt doch noch die Frage; der einzige
in die Augen ſpringende Vorteil des Rückflußkühlers iſt die Verminderung
der Dampfſpannung.


Figure 109. Fig. 100.

Univerſal-Farbe-Extraktionsapparat mit Rückflußkühler.


Für größere Fabriken, vornehmlich aber für diejenigen, welche ſich —
um ſich vor Uebervorteilung zu ſchützen, und um ſicher ein reines unver-
fälſchtes Extrakt zu erhalten — ihre Farbholzextrakte ſelber darſtellen, iſt die
von der Zittauer Maſchinenfabrik gebaute


Diffuſionsbatterie zur Extraktion von Farbſtoffen ſehr ge-
eignet. Eine ſolche beſteht aus mehreren (gewöhnlich 4) Extraktionskeſſeln
[410] mit Mannlochdeckelverſchluß. Dieſe cylindriſchen Keſſel ſind ſowohl unter
ſich, als auch jeder einzeln durch ein mittels Hahn abſchließbares Verbin-
dungsſtück mit dem gemeinſamen Dampfzuleitungsrohr, ſowie ferner durch
ein weiteres Rohr mit einem höher ſtehenden Waſſerbehälter verbunden. Das
Farbholz wird zuerſt in den einen Cylinder, nach kurzer Extraktion in den
zweiten Cylinder u. ſ. w. gebracht, während der erſte Cylinder immer wie-
der mit neuem Material gefüllt wird. Das Waſſer reſp. die Extraktflüſſig-
keit hingegen macht einen entgegengeſetzten Lauf, ſo daß ſie mit dem am
meiſten extrahierten Holz zuerſt zuſammenkommt und dann erſt in den
nächſtfolgenden Cylinder mit minder extrahiertem Material übertritt. Der
Zweck iſt eine völlige Erſchöpfung des Farbholzes bei ununterbrochenem
Betrieb
.


Die auf irgend eine der vorſtehenden Methoden erhaltenen Farbholz-
brühen
werden in Bottiche oder Fäſſer abgelaſſen zum Abkühlen und Ab-
ſitzen. Trübe Farbholzbrühen ohne weiteres zum Färben zu verwenden, iſt
nicht ratſam. Nach erfolgtem Klären iſt die Brühe durch ein Haarſieb oder
durch Seidengaze in den Farbkeſſel zu geben.


§ 22. Löſen künſtlicher organiſcher Farbſtoffe.


Weſentlich einfacher iſt es, die Teerfarben in Löſung zu bringen, zumal
jetzt, wo mit verſchwindenden Ausnahmen faſt alle Farbſtoffe in waſſerlös-
lichem Zuſtande in den Handel gelangen. Die meiſten derſelben löſen ſich
bereits in kaltem Waſſer, der Reſt in warmem Waſſer, einige wenige in
Waſſer unter Alkoholzuſatz (Eoſine, Safranine), vereinzelte Ausnahmen in
Alkohol (ſpritlösliches Alkaliblau und desgl. Induline).


Es hat ſich die Sitte oder beſſer Unſitte eingeführt, die Farben in
konzentrierter Löſung in das Farbebad hineinzuſieben. Dieſes Verfahren iſt
nicht zu empfehlen; es iſt viel richtiger, die Farbſtoffe einige Zeit vorher zu
löſen und zwar, ſoweit thunlich, im Neunfachen ihres eigenen Gewichts
Waſſer
. Man erhält auf dieſe Weiſe Löſungen, von denen je 1 kg genau
100 g des Farbſtoffes entſpricht, oder 10 kg Löſung ſind genau gleich 1 kg
Farbſtoff. Wo der Farbſtoff nicht löslich genug iſt, löſt man ihn im neun-
zehnfachen Gewicht
Waſſer und erhält ſo eine Löſung, von der 1 kg
gleich 50 g Farbſtoff iſt. Läßt man eine ſolche Farbſtofflöſung einige Zeit,
mindeſtens über Nacht, an einem Orte von mittlerer Temperatur ſtehen, ſo
klärt ſie ſich ſo vollkommen, daß ein Durchſieben der Farbſtofflöſung unnütz
iſt. Klärt ſie ſich nicht, ſo wird ſie auch kein Durchſieben klarer machen.
In ſolchem Falle iſt Filtrieren nötig. Dazu gehört weißes, wenig
geleimtes Fließpapier, und ein Trichter aus Glas oder Porzellan. Ein
Filtrieren würde ich in allen jenen Fällen vorſchlagen, wo es ſich um helle,
zarte Farben handelt, wie Roſa, Crême, helle gelbe, grüne und blaue Farben.


Farbſtofflöſungen von ſolch beſtimmter Konzentration haben zudem den
großen Vorteil, daß ſie ein leichteres und bequemeres Wägen geſtatten; wer-
den z. B. zu einem Bade 150 g Farbſtoff gebraucht, ſo ſind 1 ½ kg der
Löſung abzuwiegen. Noch einfacher würde ſich der Fall geſtalten, wenn
man die Löſungen nicht nach Gewichts-, ſondern nach Maßverhältniſſen feſt-
ſtellen wollte. Löſt man nämlich 100 g Fuchſin in dem kleinſten Quantum
Waſſer und ſetzt dann ſoviel Waſſer hinzu, daß die geſamte Löſung genau
[411] 1 l beträgt, ſo kann man mit Bequemlichkeit mittels graduierter Maßgerät-
ſchaften, wie ſie im Handel zu haben ſind *), jedes Gewicht Farbſtoff ab-
meſſen, ohne zu wiegen; braucht man zu einem Bade z. B. 25 g Farbſtoff,
ſo mißt man 250 ccm der Löſung ab, braucht man 20 g, dann 200 ccm,
bei 16 g 160 ccm u. ſ. w. Einfacher kann man ſich die Handhabung
nicht geſtalten; man arbeitet dann ſtets mit völlig klaren Löſungen, welche
erſt im Moment ihrer Benutzung dem Vorratsgefäß entnommen zu werden
brauchen.


Nur wenige Farbſtoffe bleiben dann übrig, welche man auf dieſe Weiſe
nicht in Löſung bringen kann. Es ſind dies die in Waſſer völlig unlöslichen,
oder doch mindeſtens ſehr ſchwer löslichen Farbſtoffe. Einige dieſer werden
durch Zufügen von ſchwachen Alkalien löslich, ein anderer Teil wird erſt
durch Reduktion in Gegenwart von Alkalien in eine lösliche Form überge-
führt, z. B. Indigo, Coeruleïn; und eine andere Gruppe, zu der die Alizarin-
farben gehören, löſt ſich in einer Natriumbiſulfitlöſung. Alle dieſe Farbſtoffe,
deren Löſung und deren Befeſtigung auf der Faſer nur auf Umwegen er-
reichbar iſt, kommen in der nächſten Abteilung dieſes Buches unter Indigo-
färberei und Färberei mit Alizarinfarben zur ausführlicheren Erörterung.


§ 23. Das Beizen oder Anſieden.


Wenn die chemiſche Verwandtſchaft zwiſchen dem zu färbenden Material
und dem betreffenden Farbſtoff eine ſo große iſt, daß durch bloßes Einlegen
des Materials in die Farbſtofflöſung eine dauernde und echte Färbung er-
zielt wird, ſo ſprechen wir von ſubſtantiver oder direkter Färbung.
Dieſer Fall iſt ſeit allgemeiner Einführung der künſtlichen organiſchen Farb-
ſtoffe kein ſeltener mehr; wir verfügen heute über eine ganz anſehnliche Anzahl
von direkten Farbſtoffen. Bei vielen Farbſtoffen iſt jedoch ein direktes Färben
ganz ausgeſchloſſen; hier bedarf es, um die Farbſtoffe auf den Faſern zu
fixieren, der Vermittelung eines oder mehrerer chemiſcher Stoffe, welche als
Beizen oder Mordants bezeichnet werden; ſo wird z. B. Baumwolle von
einer Löſung von Viktoriagrün nicht gefärbt; wird dagegen die Baumwolle
vorher mit Tannin und Brechweinſtein gebeizt, ſo färbt ſich die Baumwolle
echt grün. Die Beize gibt uns alſo ein Mittel an die Hand, ſolche Farben,
welche ſich direkt auf der Faſer nicht färben laſſen, auf indirektem Wege zu
befeſtigen. Es beruht das auf der Eigenſchaft verſchiedener chemiſcher Körper,
mit Farbſtoffen ſogenannte Farblacke zu bilden. Farblacke, auch Lack-
farben genannt, ſind Verbindungen von Farbſtoffen mit den Oxyden oder
Salzen gewiſſer Metalle. Sie ſind durchwegs amorph, pulverig, in Waſſer
unlöslich; ſie ſind verbreiteter, als gemeinhin angenommen wird, denn die
Farben, womit unſere Gewebe gefärbt ſind, ſind in ſehr vielen Fällen Farb-
lacke, welche erſt auf der Faſer direkt erzeugt werden und in feinſter Ver-
teilung in der Faſer ſich einlagern. Vornehmlich iſt das der Fall bei der
Pflanzenfaſer (Baumwolle, Leinen, Jute), welche zuvor durch „Beizen“ zur
Aufnahme des Farbſtoffes befähigt wird. Dieſe Beizen ſind vorzugsweiſe
Metallſalze und werden vornehmlich Eiſen-, Thonerde-, Antimon- und Zinn-
[412] ſalze, vielfach auch Tannin verwendet. Wird dann eine ſo präparierte Ge-
webefaſer mit einer Löſung des Farbſtoffes behandelt, ſo bildet ſich der
Farblack in der Faſer ſelbſt und erſcheint als waſchechte Farbe.


Heutzutage ſind wir genötigt, den Begriff „Beize“ etwas weiter zu faſſen;
ſeit durch die intereſſante Entdeckung Knechts erwieſen iſt, daß auch ſubſtantive
Farbſtoffe ſelber als Beizen für indirekte Farbſtoffe benutzt werden können, ſind
wir zu der Annahme genötigt, daß unter gewiſſen Umſtänden auch Farbſtoffe
untereinander Farblacke bilden können. Das Färben mit Hilfe einer
Beize iſt mithin die Erzeugung eines Farblackes auf reſp. in der
Faſer
. Das Beizen hat ſomit den Zweck, das zu färbende Material hierfür
vorzubereiten. Das geſchieht durch die Behandlung in der Beizflüſſigkeit oder
im Beizbade. Die Beizflüſſigkeit wird durch Löſen des betreffenden Metallſalzes
hergeſtellt. Das Beizen der Faſern geſchieht durch Behandeln derſelben in
dieſer Flüſſigkeit entweder kalt oder unter Erwärmen, welches unter Um-
ſtänden bis zu mehrſtündigem Kochen ſich ſteigern kann. Bisweilen ſetzt ſich
das Beizen aus mehreren Operationen zuſammen, ſo beim Beizen der Baum-
wolle aus dem Abkochen des Sumachs, dem Behandeln auf der Schmackflotte
und der Antimon-Paſſage. Noch komplizierter iſt das Beizverfahren in der
Türkiſchrotfärberei.


Das Beizen ſelbſt geſchieht in den in § 21 beſchriebenen offenen
Keſſeln, oder in Holzkufen. Die Ware wird, um eine direkte Berührung
mit der Keſſelwandung zu vermeiden, in Weidenkörben oder in Bindfaden-
netzen in die Flüſſigkeit gehängt. Bei Garnen läßt ſich das Beizen auch
durch Umziehen erreichen, d. h. durch Drehen von über den Bottichen
befindlichen Rollen, über welche letztere die Garnſträhne aufgehängt ſind;
ferner durch Umſetzen, indem man die Strähne an Stäben in die Flüſſig-
keit hängt, nach einiger Zeit aufhebt und an einer andern Stelle wieder ein-
hängt. In größeren Färbereien, wo Maſchinenbetrieb zur Hand iſt, läßt
man die Waren — und zwar Garne in Kettenform, Stücke in Strangform —
einen kontinuierlichen Kreislauf durch die Beizflüſſigkeit machen und bedient
ſich dabei mit Vorteil der als Garn- und Strangwaſchmaſchinen § 5 und 6
beſchriebenen Maſchinen, mit dem ſelbſtredenden Unterſchiede, daß an Stelle
der Waſchflüſſigkeit jetzt die Beizflüſſigkeit tritt. Eine Maſchine, welche
lediglich zum Imprägnieren von Garnen mit Beizflüſſigkeit dient, iſt die von
C. G. Hauboldjun. in Chemnitz gebaute Alaun-Beizmaſchine (Fig. 101),
beſtehend aus eiſernem Geſtell mit Rahmen und Lagerung von 2 Paar
Rotgußwalzen, von welchen je die untere geriffelt iſt, die obere dagegen als
Quetſchwalze dient. Die Walzen ſind am freien Ende koniſch, um das
Garn während des Ganges auflegen und abnehmen zu können.


Das Garn hängt mit ſeinem unteren Teil in einem die Flüſſigkeit
enthaltenden Kaſten von Kupfer, welcher noch mit einem Dampfrohr ver-
ſehen iſt, um dieſelbe erwärmen, reſp. warmhalten zu können. Der Antrieb
erfolgt durch Stirnräder mit Feſt- und Losſcheibe.


An Stelle dieſer Maſchine kann auch die in § 5 beſchriebene kleine
Garnwaſchmaſchine von Wever \& Comp. benutzt werden.


Da der Zweck des Beizens in vielen Fällen ein Fixieren von unlös-
lichen Metalloxyden oder baſiſchen Metallſalzen auf der Faſer iſt, ſo folgt
dem Beizen noch ein Spülen und dann kann zum Färben geſchritten werden.


[413]
Figure 110. Fig. 101.

Alaunbeizmaſchine.


[414]

Eine Beizmaſchine, ſpeziell für Türkiſchrotfärberei, zum gleichmäßigen
Verteilen von Oelbeizen in den Garnſträhnen, iſt die von C. G. Hauboldjun.
gebaute


Garnpaſſier- und Ausringmaſchine (Fig. 102). Die Paſſier-
maſchine iſt doppelſeitig konſtruiert, auf jeder Seite eine feſtſtehende und
eine arbeitende Spule und eine Ausquetſchwalze. Die bedienenden Arbeiter
hängen die Garnſträhne auf die feſte, mit Riffeln verſehene Spule, ziehen
mit der Hand die bisher ausgezogene arbeitende Spule an erſtere heran,
hängen auch über dieſe das Garn, wodurch der freie Teil in den unter den
Spulen befindlichen Kaſten fällt, welcher die Flüſſigkeit enthält. Nun ſetzt
man die Maſchine in Gang; ein unter der feſten Spule befindlicher Ein-
taucher fällt herunter, taucht das Garn in die Flüſſigkeit, die feſte Spule
kuppelt ein und fängt an, das Garn umzuziehen, beim Anfang dieſer Be-
wegung hat ſich auch die Ausquetſchwalze an die feſte Spule durch Gegen-
gewicht angelegt und entfernt durch Preſſung die während des Paſſierens
aufgenommene Flüſſigkeit. Die Operation des Paſſierens kann je nach Er-
fordernis ganz beliebig lange Zeit dauern, wie es eben für das Garn
nötig, und wird erlangt durch eine einfache Veränderung des hierzu ge-
hörenden Steuermechanismus, durch Ein- oder Ausſchalten eines Ketten-
gliedes. Nachdem bleibt die feſte Spule ſtehen, der Taucherhebel legt ſich
wieder an dieſelbe, die Quetſchwalze hebt ſich ab; jetzt löſt ſich der Gegen-
gewichtshebel, zieht die arbeitende Spule zurück, hebt das Garn aus und
ſtrafft dasſelbe an, unter dem ſtetigen Druck des Gegengewichts. Um die
überflüſſige, im Garn haftende Flüſſigkeit zu entfernen, machen die arbeiten-
den Spulen (Windehaken) einige Umdrehungen, genau in der Art, wie es
bei Handarbeit am Wringhaken geſchieht. Hat das Zuſammenwinden ſeinen
Höhepunkt erreicht, ſo löſen ſich die Windungen nach rückwärts wieder auf.

Figure 111. Fig. 102.

Garnpaſſier- und Ausringmaſchine.


Bei dieſem wiederholten Winden wird der Strähn zwiſchen den Spulen
trockner, als da, wo er um dieſelben liegt, aus dieſem Grunde transportiert
nach jeder Windeoperation die feſtſtehende Spule entſprechend weiter, ſo daß
die trocknen mit den weniger trocknen Stellen wechſeln. Das Winden
wiederholt ſich dreimal, hierauf entlaſtet ſich die arbeitende Spule durch
Abheben des Gegengewichtes, und die Maſchine rückt ſich ſelbſt aus. Alle
dieſe genannten Operationen führt die Maſchine ſelbſtthätig und ganz präcis
[415] aus, dabei ſind die angewandten Mechanismen die denkbar einfachſten und
leicht zu überſehen. Die Leiſtungsfähigkeit einer Maſchine mit 2 Perſonen
zur Bedienung beträgt 1000 bis 1800 kg pro Tag. (Vergl. auch § 81,
das Türkiſchrotfärben).


§ 24. Das eigentliche Färben.


Das Färben ſelbſt iſt, wenn Alles richtig vorbereitet war, eine verhält-
nismäßig einfache Sache. Die Löſungen des Farbſtoffs, oder — wenn es ſich
um Kombinationen handelt — der Farbſtoffe, werden in Keſſeln oder hölzernen
Färbebottichen vorgewärmt, dann wird mit der Ware eingegangen und dann
das Bad, je nach der Ware und der Natur des Faſermaterials, weiter er-
hitzt bis nahe zum Kochen oder bis zum Kochen ſelbſt und auf dieſer Tem-
peratur längere Zeit erhalten. Der Färbeprozeß erfolgt ſchon beim bloßen
Stillliegen der Ware; er wird beſchleunigt durch Bewegen des Faſermaterials
in der Flotte oder durch ein Durchtreiben der Farbflotte durch das Faſer-
material. Erſteres geſchieht durch Umziehen, Umſetzen oder Schlagen;
dieſes iſt das Hin- und Herbewegen der Ware in der Flüſſigkeit. Das
Bewegen kann auch mittels Maſchinen erfolgen, welche im Prinzip mit dem
der Garnwaſchmaſchinen, der Strang- und Breitwaſchmaſchinen gleich, und
in der Ausführung ihnen ſehr ähnlich ſind, ſo daß thatſächlich viele der in
§ 5 und 6 beſchriebenen Waſchmaſchinen auch als Färbemaſchinen verwendet
werden können.


Wird dagegen die Flüſſigkeit durch das in perforierten Cylindern feſt-
gelegte Material mittels Druck hindurchgetrieben, ſo gelangen wir zu einer
ganz neuen Kategorie von Maſchinen, welche eine Schonung des Faſermaterials
als oberſtes Prinzip hinſtellen und zugleich geſtatten, alle Operationen,
Waſchen, Trocknen, Bleichen, Spülen, Beizen, Färben, Spülen, Trocknen ꝛc.
nacheinander vorzunehmen, ohne die Ware auch nur einmal herauszunehmen
oder umzulegen. Es iſt dies die neuere Richtung der heutigen modernen
Färberei, wie ſie in dem Färbereiſyſtem Obermaier ihren beredteſten Ver-
treter hat.


Die im Kleinbetriebe üblichen Färbekufen ſind von Holz gefertigt, zu-
weilen mit Kupfer- oder Bleieinſatz, und von runder oder eckiger Form; die
Erhitzung der Farbflüſſigkeit muß durch direkten Dampf aus dem Dampf-
keſſel erfolgen. Kupferne oder verzinnte eiſerne Keſſel können auch ver-
wendet werden; deren Erwärmung geſchieht vielfach direkt mittels Flamme;
beſſer iſt natürlich allemal Dampf, und zwar ſowohl direkter Dampf, als
Manteldampf. Metallkeſſel ſind jedoch in vielen Fällen nicht anwendbar;
dieſe Fälle ſind bei den einzelnen Farbſtoffen im erſten Teile dieſes Buches
namhaft gemacht. Im allgemeinen kann der Satz gelten, daß die Aus-
färbungen in Holzbottichen reiner und lebhafter werden.


In der Praxis pflegt man den Farbſtoff oder beſſer die Farbſtofflöſung
nicht mit einemmale zuzuſetzen, ſondern auf mehrere Male zu verteilen;
man erreicht dadurch ein Arbeiten mit minder ſtarken Bädern und ein
gleichmäßigeres Angehen des Farbſtoffes an die Faſer.


[416]

§ 25. Das Färben loſer Faſern, ſowie offener Vorgeſpinnſte,
Kammzug etc.


Das Färben von loſer Wolle und loſer Baumwolle erfolgt bei Hand-
betrieb durch Einlegen der Ware in einen Korb, ein Netz oder einen Sack
und zeitweiliges Heben und Senken des Netzes in der Flüſſigkeit. Del-
mart
empfiehlt, die Wolle aus den Körben direkt in den Keſſel zu wer-
fen, und dieſelbe mit Hantierſtangen unter die Farbflotte zu drücken, und
nachher, auch während des Kochens, von Zëit zu Zeit zu haken, damit ſie
nicht an ſolchen Stellen der Keſſelwandung, welche ſtärker erhitzt ſind, filzt.
Auch die in § 4, S. 319 u. 320, beſchriebenen beiden Maſchinen zum Waſchen
loſer Wolle können ſehr wohl zum Färben loſer Geſpinnſtfaſern dienen,
wenn ſie durch eine entſprechende Dampfzuleitung geſtatten, die Farbflotte
zum Kochen zu erwärmen. — Beim Färben von Kammzug iſt die Haupt-
bedingung ein reiner Zug. Wenn derſelbe aus der Liſeuſe kommt, und ein
Syſtem von kupfernen Trockenröhren paſſiert hat, wäſcht man ihn vorſichts-
halber noch mit einer Pottaſchenlauge aus 2 Prozent des Gewichts der
Wolle, ſpült und färbt dann auf Holzkufen von 2 bis 4 cbm Inhalt mit
Dampfſchlange. Für das Färben loſer Faſern, ganz beſonders aber für
das Färben von Kammzug in der Form der Bobine, erſcheint das Färben
nach Obermaiers Syſtem als ganz beſonders geeignet. Grothe be-
zeichnet die Färbemaſchine von Obermaier \& Comp. als „das vollkom-
menſte Syſtem“. Gleich günſtig iſt das Urteil Scheuerles, welches der-
ſelbe in ſeinem Bericht an die Induſtriegeſellſchaft in Mülhauſen über das-
ſelbe abgibt und welches wir im nächſten Paragraphen folgen laſſen.


Das Färben loſer Geſpinnſtfaſern findet ſtets da Anwendung, wo es
ſich um ein vollſtändiges Durchfärben der Wolle vor dem Verſpinnen zu
Garn und der Herſtellung walkechter Farben handelt. Es werden zum
Färben loſer Geſpinnſtfaſern daher auch nur beſonders echte Farben ver-
wendet.


§ 26. Das Färbereiſyſtem Obermaier.


Es iſt wohl nicht notwendig, zu beweiſen, daß die bisherige Behand-
lung des Faſermaterials in der Färberei und den damit im Zuſammenhange
ſtehenden Operationen keineswegs den Anforderungen entſpricht, welche nach
dem heutigen Stande der Textilinduſtrie an dieſelben geſtellt werden müſſen.
Erhaltung des Faſermaterials in ſeiner urſprünglichen Beſchaffenheit und
in ſeiner urſprünglichen Spinnbarkeit, vollſtändige Ausnutzung der Farb-
ſtoffe und des Heizmaterials, thunlichſte Vermeidung von Abfällen und
größtmögliche Erſparnis an Arbeitslöhnen, dieſe Hauptbedingung eines
rationellen Färbeſyſtems, laſſen ſich bei dem bisherigen Färbereiverfahren,
ſoweit es ſich dabei um loſes Faſermaterial handelt, im offenen Keſſel
nicht erreichen. Das Färben im offenen Keſſel bedingt gewiſſermaßen
die Unbeweglichkeit der Beiz- und Farbflotten; ſie bedingt aber eben
deswegen auch die ununterbrochene Bewegung des zu färbenden Faſer-
materials mittels Haken, Stangen u. dergl., welche noch immer durch
Menſchenkraft bewerkſtelligt werden muß. Das Reſultat dieſer durchaus
unrichtigen Behandlung des Faſermaterials während des Färbeprozeſſes iſt
[417] für das Faſermaterial in den meiſten Fällen geradezu verhängnisvoll, denn
es wird dadurch verworren, verknüpft, verſchlungen, verfilzt und deshalb die
Vorbereitung desſelben für die Spinnerei ungemein erſchwert; es muß beim
Wolfen und Krempeln gewaltſam auseinander geriſſen werden. Eine Ver-
kürzung des Faſermaterials iſt die natürliche Folge davon. Die Temperatur
der Farbflotte iſt ferner im offenen Keſſel, mag derſelbe mittels Dampf oder
durch direktes Feuer geheizt werden, während des Färbeprozeſſes eine keines-
wegs gleichmäßige. Normal wird ſie nur an den Keſſelwandungen ſein,
in der Mitte des Keſſels iſt ſie erheblich niedriger, während ſie in der Nähe
des Keſſelbodens die dem Faſermaterial zuträglich Hitze bedeutend überſteigt.
Durch erſteren Umſtand geht ein Teil von dem Nutzeffekt des Färbeprozeſſes
verloren, während die am Keſſelboden vorhandene Ueberhitze der Farbflotte
die Wolle ſpröde und zum Teil brüchig macht. Die viel größere Menge
von Ausputz, welche gefärbte Wollen gegenüber ungefärbten beim Krempeln
derſelben ergeben, liefert dafür den beſten Beweis; dieſer farbige Krempel-
ausputz enthält bekanntlich unzählige, winzig kleine Wollhärchen, wie ſie in
dieſer Beſchaffenheit und in dieſer Menge auf keinem Schafe wachſen, in
der Wolle urſprünglich alſo nicht vorhanden ſind, ſondern von während des
Färbens brüchig gewordenen normalen Wollfaſern herrühren, die im Wolf- und
Krempelprozeß zerriſſen wurden. Es ſind dies Verluſte an Faſermaterial, die
ſich in den meiſten Fällen jeder Berechnung entziehen. Aber auch das übrige
Faſermaterial wird dadurch von ſeiner urſprünglichen Spinnfähigkeit ganz
bedeutend verlieren. Wiederholt angeſtellte genaue Verſuche ergeben für
Wolle von derſelben Partie, deren eine Hälfte mit Apparaten Obermaier-
ſchen Syſtems gefärbt, bei 25000 m pro Kilo einen haltbaren vollen, allen
Anforderungen genügenden ſchönen Faden, während die im offenen Keſſel
gefärbte andere Hälfte ſich nur auf 20000 m pro Kilo ſpinnen ließ.


Dieſe mit dem Obermaierſchen Syſtem erzielten günſtigen Reſultate
beruhen auf dem demſelben zu Grunde liegenden Prinzip der Feſtlegung
oder der Unbeweglichkeit des Faſermaterials während des ganzen Färbepro-
zeſſes und den mit demſelben in Verbindung ſtehenden Operationen, ſowie
auf der während deſſelben mittels rotierender Pumpe in ununterbrochenem
Kreislauf erhaltenen Bewegung der Farbflotte, welche auf dieſe Weiſe ge-
zwungen wird, die feſtliegenden Faſern in unzähligen feinen Strahlen fort-
während gleichmäßig zu durchſtrömen. Es iſt dabei die Einrichtung ge-
troffen, daß die Farbflotte das im Cylinder geſchichtete Faſermaterial nach
Belieben des Färbers abwechſelungsweiſe mittels Druckes oder mittels
Saugens durchſtrömen kann, wobei der den Cylinder oben abſchließende Deckel
dem Einfluß dieſer abwechſelnden Bewegung jeweilig folgen muß, ſo daß die
Perforation des Cylinders nach oben hin immer entſprechend abgeſchloſſen
bleibt.


Die maſchinelle Einrichtung des Syſtems Ober maier beſteht aus:


  • 1. einem Cylinder zur Aufnahme des Faſermaterials,
  • 2. einem Reſervoir zur Aufnahme der Flotte,
  • 3. einer rotierenden Pumpe,
  • 4. einer Centrifuge zum Ausſchleudern des mit Faſermaterial beſchickten
    Cylinders und
  • 5. einem Gebläſe mit Heizkeſſel zum Trocknen des im Cylinder befind-
    lichen Faſermaterials.

Ganswindt, Färberei. 27
[418]

Die einzelnen Apparate ſind aus den nachſtehenden beiden Zeichnungen
(Fig. 103 und 104) zu erſehen.


Der als Beſchickungsraum für das Faſermaterial dienende Cylinder be-
ſteht eigentlich aus 2 konzentriſchen Cylindern, deren äußere Wandungen
perforiert ſind und deren Durchmeſſer ſich zunächſt wie 1 : 5 zu einander ver-
halten. Der kleine Cylinder iſt unten offen und trägt dort einen kräftig
angelegten Flantſch; der große Cylinder iſt unten geſchloſſen. Der Raum
zwiſchen den Wandungen beider Cylinder dient zur Aufnahme des zu färbenden
Faſermaterials, das zu dieſem Behuf in demſelben möglichſt gleichmäßig ge-

Figure 112. Fig. 103.


[419]

Figure 113. Fig. 104.


27*
[420] ſchichtet, durch einen herabſchraubbaren Deckel wenigſtens inſoweit zuſammen-
gepreßt wird, daß es eine möglichſt gleichmäßige dichte Maſſe bildet. Die
Perforation des großen Cylinders iſt kleiner und anders eingeteilt, als die
des kleinen, ſo daß die während des Färbeprozeſſes ununterbrochen zirkulierende
Farbflotte auf ihrem Wege durch das Faſermaterial nicht einzelne kräftige
gleichmäßig voneinander entfernte Strahlen bilden kann, ſondern als eine
aus unzähligen feinen Strahlen beſtehende gleichmäßig dichte Flüſſigkeit das
ganze in dem Cylinder eingeſchichtete Faſermaterial durchſtrömt. Außerdem
muß die Summe der Querſchnitte der Perforationen des großen Cylinders
derjenigen der Querſchnitte der Perforationen des kleinen Cylinders mindeſtens
gleichkommen, oder noch beſſer, etwas größer als diejenige des letzteren ſein.
Die Handhabung des Apparats beim Färben iſt äußerſt bequem und einfach.
Der Cylinder wird, nachdem er mit Faſermaterial beſchickt, mittels Krahn
in das die Farbflotte enthaltende Baſſin und zwar auf das in dasſelbe
einmündende Pumpenausflußrohr geſtellt und die Pumpe in Thätigkeit ge-
ſetzt, worauf der Färbeprozeß ſofort beginnt. Durch die Thätigkeit der
Pumpe tritt nämlich die Farbflotte zuerſt in den inneren kleinen Cylinder,
dann durch die Perforation desſelben in das im großen Cylinder geſchichtete
Faſermaterial, worauf ſie, dieſes überall gleichmäßig durchſtrömend, durch
die Perforation des großen Cylinders wieder in das Reſervoir gelangt, ſo
daß dann der Kreislauf derſelben immer von neuem beginnt. Zum Behufe
des bequemeren Abmuſterns während des Färbeprozeſſes befindet ſich an dem
Deckel des Cylinders eine kleine mit Deckel verſehene Oeffnung. Ein einzi-
ger Handgriff genügt, dieſen Deckel zu öffnen und zu ſchließen.


Dank der unbeſchränkten Bewegbarkeit dieſer Cylinder laſſen ſich die
verſchiedenen Vorrichtungen, aus denen ſich der Färbeprozeß zuſammenſetzt,
in ununterbrochener Reihenfolge unmittelbar nacheinander vollziehen, ohne
daß das in den Cylinder geſchichtete Faſermaterial aus demſelben herausge-
nommen oder in ſeiner Lagerung verändert zu werden braucht. Der mit
Faſermaterial beſtellte Cylinder wird nämlich nach vollzogenem Anſieden
mittels Laufkrahn in das zweite zum Ausfärben beſtimmte Baſſin und nach
vollzogenem Ausfärben in die zum Waſchen beſtimmte Bütte geſetzt, dann
nach beendigtem Waſchen auf die hierfür beſonders konſtruierte Centrifuge ge-
ſtellt, hier ausgeſchleudert, um nachher durch Aufſtellung auf die Gebläſe-
mündung mittels warmer Luft getrocknet zu werden, womit der ganze Färbe-
prozeß vollſtändig beendigt iſt. Nach vorheriger Abnahme des Deckels wird
nun der Cylinder, der obere Teil desſelben nach unten gekehrt, in die Höhe
gezogen, und das Faſermaterial gewaſchen, gefärbt und getrocknet aus dem-
ſelben herausgenommen.


Der Trocknungsprozeß vollzieht ſich hier unter vollſtändiger Ausnutzung
faſt ſämtlicher dafür vorhandener Wärmeeinheiten auf dem naturgemäßeſten
und darum für das Faſermaterial zuträglichſten Wege.


Aus dieſen Darſtellungen ergibt ſich, daß die Vorteile, welche das
Färbereiſyſtem mit ſelbſtthätigen Färbeapparaten bei Unbeweglichkeit des Faſer-
materials und mechaniſch bewegter, ununterbrochen zirkulierender Flotte gegen-
über dem Färbeverfahren im offenen Keſſel unbeſtritten beſitzt, nur dann voll-
ſtändig zu erreichen ſind, wenn der mit dem zu färbenden Faſermaterial
beſchickte Cylinder und das die Farbflotte enthaltende Baſſin während des
geſamten Färbeprozeſſes jederzeit leicht und bequem voneinander getrennt wer-
den können. Erſterer muß daher vollſtändig mobil ſein, um jeweilig nach
[421] Bedarf mittels Laufkrahn in jedes beliebige Beiz- oder Färbebaſſin oder auf
die Centrifuge oder behufs Trocknens auf die Gebläſemündung geſetzt werden
zu können. Das in dem Cylinder geſchichtete Faſermaterial muß in dem-
ſelben ſo lange bleiben, bis es die verſchiedenen Vorrichtungen des Färbens,
Waſchens, Ausſchleuderns und Trocknens in ununterbrochener Reihenfolge
durchgemacht hat, mit andern Worten, bis die ſämtlichen Arbeiten, aus denen
ſich der Färbeprozeß zuſammenſetzt, beendet ſind. Nur dann wird das
Faſermaterial während des Färbeprozeſſes nicht nur nichts an ſeinen natür-
lichen Eigenſchaften verlieren, ſondern an paralleler geſtreckter Lagerung wo-
möglich noch gewinnen; nur dadurch iſt es möglich, die größtmöglichſte Er-
ſparnis an Arbeitslohn und die vollſtändige Ausnutzung des Heizungs-
materials und der Farbſtoffe zu erzielen, da ſich nur dann die bereits be-
nutzten Beiz- und Farbflotten, natürlich unter Zuhilfenahme von entſprechendem
Beiz- oder Farbmaterial, immer wieder benutzen laſſen.


Färben loſer Wolle. Die im vorhergehenden auseinandergeſetzten
allgemeinen Grundſätze des Syſtems Obermaier ſind vornehmlich für die
Färberei loſer Wolle von größter Bedeutung. Die zahlloſen feinen aber
kräftig wirkenden horizontalen Strahlen, welche die Farbflotte während des
Färbeprozeſſes auf ihrem Wege durch das in dem Aufnahmecylinder ge-
ſchichtete Faſermaterial geben den Wollfaſern unter ſich auf mechaniſchem
Wege die für den ſpäteren Fabrikationsprozeß notwendige geſtreckte, parallele
Richtung, die deshalb dauernd fixiert bleibt, weil ſie von der Faſer im naſſen
Zuſtande hervorgebracht und ohne Veränderung ihrer Lage ebenſo getrocknet
wird. Dieſe Erſcheinung hat auf den erſten Blick etwas Ueberraſchendes, ſie
iſt aber eine Thatſache, auf welche die Probe ſehr leicht zu machen iſt, wenn
man während des Beiz- und des Färbeprozeſſes von der zu färbenden Wolle
in Zwiſchenpauſen von je ¼ Stunde abmuſtert und dieſe Proben nachher
miteinander vergleicht. Die zuletzt entnommenen Proben ſind viel offener,
geſtreckter und glatter im Haar, als die zuerſt entnommenen, oder wie das
ungefärbte Faſermaterial. Welch außerordentliche Wichtigkeit dies in Bezug
auf das Färben mit Alizarin hat, das, wenn es echte, feurige Farben geben
ſoll, ein längeres Kochen bei größerer Hitze beanſprucht, und das heute ſchon
eine ſolche Verbreitung in der Wollfärberei erlangt hat, daß den Alizarin-
farben ſicher die nächſte Zukunft gehört, bedarf keiner weiteren Ausführung.


Berückſichtigen wir dagegen die Summe von Arbeit und den Aufwand
von mechaniſcher Kraft, welche notwendig ſind, um die im offenen Keſſel
gefärbte und nach dem bisherigen Verfahren geſpülte und getrocknete Wolle
wieder zu entwirren, aufzulockern und glatt zu legen, berückſichtigen wir ferner
die Behandlung, welcher derartig gefärbte Wollen im Wolfen- und Krempel-
prozeß unterzogen werden müſſen, wie viele Wollhaare dabei verkürzt oder
zerriſſen werden, welche Einbuße an der Qualität und an der Länge die
Faſern dadurch erleiden, dann ſind die Vorteile, welche das Syſtem Ober-
maier
der Wollfärberei bietet, von ſo großer Bedeutung und von ſolcher
Tragweite für die folgenden Fabrikationsprozeſſe, daß es weiterer Worte
darüber nicht bedarf *).


[422]

Das Färben und Trocknen von Kammzug in Bobinen.
Kammzug kann vernunftgemäß nur in der Form gefärbt, gewaſchen und ge-
trocknet werden, welche ihm der Kämmer urſprünglich beim Aufwickeln des-
ſelben gegeben hat; es iſt dies bekanntlich die Form der Bobine. Dieſe
Form darf während des ganzen Färbeprozeſſes nicht geändert und muß auch
noch während des Trocknens desſelben erhalten bleiben, wenn der Kammzug
nicht zerzauſt werden und nicht eine Maſſe von Abfällen ergeben ſoll. Jede
zum Zweck des Färbens oder des Trocknens vorgenommene Auflöſung der Kamm-
zugbobinen in Strähne oder in irgend eine andere Form bedingt aber auch
außerdem eine Summe koſtſpieliger Handarbeiten, wie Abhaſpeln, Bobinieren,
Gilen, wodurch eben dieſe Maſſe von Abfällen entſteht. Die Auflöſung der
Bobinenform des Kammzuges während des Färbeprozeſſes macht dem Kamm-
garnſpinner einem vielleicht etwas weniger ſkrupulöſen Lohnfärber gegenüber
jede Gewichtskontrolle geradezu unmöglich. Eine untrügliche Kontrole für
den Kammgarnſpinner iſt dem Kammzugfärber gegenüber nur dann möglich,
wenn dieſer die zum Färben erhaltenen Bobinen in ihrem Originalzuſtand,
gefärbt und getrocknet, zurückliefert. Dieſes iſt jedoch bis jetzt nur bei den
Färbeapparaten des Obermaierſchen Syſtems ausführbar. Das maſchinelle
Syſtem für das Färben und Trocknen von Kammzug von Bobinen beſteht
genau aus den oben Seite 417 beſchriebenen Organen. Nur der Auf-
nahmecylinder muß mit Rückſicht auf die Bobinenform des Faſermaterials
eine etwas andere Konſtruktion erhalten. Zu dieſem Behufe wird unter
Weglaſſung des äußeren Cylinders der Durchmeſſer des inneren Cylinders
entſprechend größer ausgeführt und um denſelben 20 kleinere Cylinder gleich-
mäßig verteilt und in horizontaler Richtung ſo angelegt, daß jeder dieſer
kleinen Cylinder zur Aufnahme von je einer Bobine eingerichtet iſt, der
Apparat alſo gleichzeitig 20 Bobinen im Geſamtgewicht von 80 bis 120 kg
aufnehmen kann. Das Beſchicken dieſer kleinen Cylinder mit Bobinen und
das Abſchließen derſelben durch die perforierten Deckel iſt eine ſehr einfache Arbeit,
die höchſtens 20 Minuten beanſprucht. Dem Färber iſt dabei ein ſehr weit-
gehender Spielraum gegeben, da es ebenſo gut möglich iſt, ſämtliche 20 Bo-
binen, für die der Cylinder eingerichtet iſt, oder jede beliebige Teilzahl der-
ſelben auf einmal zu färben, weil ſich die Perforation eines jeden der 20
kleinen Aufnahmecylinder bequem beliebig abſperren läßt. Iſt der Cylinder
geladen, ſo vollziehen ſich auch hier wieder die verſchiedenen aufeinanderfolgen-
den Operationen des Färbeprozeſſes — Anſieden, Ausfärben, Fixieren,
Ausſchleudern, Trocknen — in ganz derſelben Weiſe, wie bei loſer Wolle
angegeben iſt.


Es iſt gerade bei Kammzug von größter Wichtigkeit, daß das Trocknen
desſelben in der Bobine mittels des Bläſers durch nach Belieben erwärmte
Luft ſtattfindet. Dieſe gewöhnlich in einem Heizkeſſel erwärmte Luft wird
durch den Bläſer in den Cylinder und durch die Perforation desſelben durch
die Kammzugbobine gedrückt, deren Feuchtigkeit ſie aufnimmt, welche als
Waſſerdunſt durch die perforirten Deckel entweicht, der dann am beſten mittels
eines Rohrs ins Freie geleitet wird. Das ſonſt angewendete Trocknen des Kamm-
zuges im offenen oder loſen Zuſtande in einem Trockenzimmer iſt mühſam und zeit-
*)
[423] raubend; das ſchlimmſte iſt aber das, daß derſelbe bei dieſem Trocknungs-
verfahren nicht nur verzogen und zerzauſt, ſondern auch öfter entzwei ge-
riſſen wird, alſo in der Form eines Knotens oder auf ähnliche Weiſe wieder
aneinander geſtückelt werden muß. Auch kommt in der Trockenſtube nur
der kleinſte Teil der disponiblen Wärmemenge in Wirklichkeit zur Ver-
wendung; eine wirkliche vollſtändige Ausnutzung derſelben iſt dagegen möglich
beim Trocknen mittels Gebläſe.


Färben loſer Baumwolle. Auch loſe Baumwolle verliert, wenn
ſie im offenen Keſſel gefärbt wird, ihre natürlichen Eigenſchaften; ſie wird
dadurch hart und verworren und läßt ſich nur ſchwer ſpinnen. Daß der-
artig gefärbte Baumwolle im Krempeln oder Karden größere Schwierig-
keiten bietet und daß ſie ſich nur ſchwer aus den Kratzen löſen läßt, dürfen
wir als bekannt vorausſetzen. Ihre Spinnfähigkeit iſt infolge deſſen eine
bedeutend geringere. Man zieht es daher bis heute noch vielfach vor, den
Färbeprozeß nicht an der loſen Baumwolle, ſondern erſt am Strang zu voll-
ziehen. Wird dagegen die Baumwolle im loſen Zuſtande in Obermaier-
ſchen Apparaten gefärbt, ſo behält ſie ihre natürlichen Eigenſchaften und bietet
deshalb beim Verſpinnen — gleichviel, ob für ſich allein oder mit anderen
Faſern zuſammen — keinerlei Schwierigkeiten.


§ 27. Färben von Garnen.


Das Färben von Garnen geſchieht beim Handbetriebe durch Umziehen,
Umſetzen oder Schlagen der Garnſträhne im Färbebade. Ueberdies können
auch alle beim Waſchen von Garnen (§ 5) beſchriebenen Waſchmaſchinen be-
nutzt werden, ſobald man die Farbflotte durch Dampf erhitzen kann. Unter
dieſen Umſtänden kann es nicht Wunder nehmen, wenn die Anzahl derjeni-
gen Maſchinen, welche einzig dem Färben von Garnen dienen ſollen, ver-
hältnismäßig gering iſt. Die


Garnfärbemaſchine der Zittauer Maſchinenfabrik für mechaniſchen
Betrieb mit ſelbſtthätigem Umzug der Garne beſteht aus einem großen
hölzernen Bottich, auf welchem die Haſpel zur Aufnahme der Garne exzen-
triſch in offenen Lagern liegen, ſo daß man dieſelben leicht aus- und ein-
legen kann. Die Spulen reſp. Haſpeln erhalten durch einen eigentümlichen
Mechanismus eine periodiſch drehende Bewegung derart, daß die Garne
langſam aus der Flotte ausgehoben, dabei umgezogen und dann ſchnell wieder
eingetaucht werden, ſo daß eine Bewegung gerade wie mit der Hand erzielt
wird und beſtändig abwechſelnd ein anderer Teil der Garnſträhnen längere
Zeit in der Flotte hängt.


Eine beſonders zum Färben von Garnen mittels Indigoküpe dienende
Maſchine iſt die


Färbe- und Wringmaſchine von C. G. Hauboldjun. in Chem-
nitz; dieſelbe beſteht aus einer mehr oder minder großen Anzahl von ſchmalen,
in Eiſen oder Cement hergeſtellten Käſten (Fig. 105a), welche in 2 Reihen
nebeneinander geſtellt werden. Je 2 einander gegenüberſtehende Käſten bilden
gewiſſermaßen ein Syſtem für ſich und beſitzen an einer gemeinſamen Achſe
befindliche drehbare Windehaken (Fig. 105c), welche von einer für die ganze
Kaſtenreihe gemeinſchaftlichen Welle den Antrieb erhalten. Jenen Winde-
[424]

Figure 114. Fig. 105

a, b, c. Färbe- und Wringmaſchine.


haken gegenüber befinden ſich 2 nicht drehbare Wringhaken, welche mit einer
Kette und einem Gegengewicht zum Spannen verſehen ſind; außerdem ge-
hört noch ein über dem Wringhaken angebrachter, horizontal liegender Arm
dazu zum Aufhängen und Ausſchlagen der Garne. Die Garne werden
[425] vom Arbeiter mit der Hand gefärbt, dann auf die Wringhaken gebracht, und
alle ganz gleichmäßig ausgerungen, was durch eine Riemenſcheibe, welche
den Vor- und Rückwärtsgang reguliert, erreicht iſt. In gewiſſen Pauſen
wiederholt ſich die Operation des Ausringens und läßt ſich die Dauer der-
ſelben durch eine Regulierkette am Deckenvorgelege genau beſtimmen. Während
der Pauſe wird dasjenige Garn, welches ſich zuletzt auf den Windehaken
befand, ausgeſchlagen und neues Garn gefärbt. Der Antrieb erfolgt durch
Feſt- und Losriemenſcheibe.


Zum Färben von baumwollenen Ketten dient die


Kettenfärbemaſchine der Zittauer Maſchinenfabrik, welche Fig. 106
in der Geſamtanſicht, Fig. 107 im ſenkrechten Durchſchnitt zeigt. Die
Maſchine beſteht aus einem in 2 Abteilungen geteilten Holzkaſten, über
welchem ein Paar eiſerne Ausquetſchwalzen mit Hebeldruck angebracht ſind.

Figure 115. Fig. 106.

Kettenfärbemaſchine (Geſamtanſicht).


[426]

Figure 116. Fig. 107.

Kettenfärbemaſchine (Vertikalſchnitt).


In jeder Abteilung ſind 4 Holzleitwalzen mit Metallzapfen in Pockholz
oder Metalllagern laufend. Ein- und Ausgang der Ketten iſt auf derſelben
Seite und gehören hierzu 2 Garntransportwagen, von welchen der eine,
zur Aufnahme der gefärbten Ketten beſtimmte ſelbſtthätig hin- und hergehende
Bewegung erhält, mit Kettenrückführung auf Latten oder Rollen. Hat die
Kette die Quetſchwalzen paſſiert, ſo läuft ſie, von Leitwalzen getragen, über der
Maſchine zurück, wird von einem Paar hölzerner Zugwalzen aufgenommen
und durch einen Legeapparat in den Wagen gelegt. Der Antrieb der
Maſchine erfolgt durch Riemenſcheibe mit Kuppelung, der Antrieb des
Quetſchwalzenpaares durch koniſche Räder oder Ketten. Dieſe Maſchine wird
häufig auch mit mehreren Käſten ausgeführt, wobei dann auch die Zahl der
eiſernen Walzenpaare ſowie der Holzleitwalzen entſprechend vermehrt wer-
den muß.


Garnfärberei nach dem Syſtem Obermaier. Die Garnſträhne
werden möglichſt gleichmäßig in den Aufnahmecylinder eingeſchichtet und
bleiben in demſelben unbeweglich ſo lange, bis der ganze Färbeprozeß, ein-
ſchließlich Trocknen, vorüber iſt. Auf dieſes Einſchichten der Stränge muß
die größte Sorgfalt verwendet werden. Die Garne dürfen weder Druck bekommen
noch zu loſe aufeinander liegen. Im erſteren Falle vollzieht ſich an den Garnen
neben dem Färbeprozeß noch eine Art Appreturprozeß, der in ſeinen Wirkungen
mit dem der Naßdekatur viele Aehnlichkeit hat, die Garne alſo hart, ſteif
und ſpeckig glänzend macht, denſelben alſo ſolche Eigenſchaften verleiht, die
in den meiſten Fällen das Gegenteil deſſen bilden, was wir von einem richtig
hergeſtellten Garn zu verlangen gewohnt ſind. Liegen die Garnſtränge zu
locker im Aufnahmecylinder, dann liegt die Gefahr nahe, daß die Farbſtoff-
löſung in ihren einzelnen Strahlen gewiſſe Wege durch das zum Färben einge-
ſchichtete Faſermaterial während des ganzen Färbeprozeſſes einhält und dadurch
Veranlaſſung zu ungleichmäßiger Färbung gibt. Die Praxis iſt auch hier die
beſte Lehrmeiſterin; die Arbeiter bekommen darin bald ein ſo ſicheres Ge-
fühl, daß Fehler beinahe nicht vorkommen.


[427]

§ 28. Färben von Geweben.


Wie beim Waſchen von Geweben, ſo unterſcheidet man auch hier Fär-
ben im Strang, Strangfärberei, und Färben in der vollen Warenbreite,
Breitfärberei. Da die Farbflotte um ſo gleichmäßiger an alle Teile des
Gewebes herangehen kann, je faltenloſer dasſelbe iſt, ſo gibt man in neuerer
Zeit dem Breitfärben den Vorzug, wogegen die Strangfärberei überall da
angewendet wird, wo es ſich um das Färben großer Mengen von Geweben
auf einmal handelt. Daß die Gewebe für Strangfärberei mittels Heft-
maſchine zuſammengeheftet werden müſſen, verſteht ſich von ſelbſt; das Ge-
webe geht dann endlos durch die Flotte.


Alle Strangwaſchmaſchinen können mit geringer Umänderung auch als
Strangfärbemaſchine dienen. Andererſeits ſind eine Anzahl von Maſchinen
konſtruiert, welche ſpeziell der Strangfärberei dienen. Zu den einfachſten
Maſchinen dieſer Art gehören die Färbebottiche. Fig. 108 zeigt einen


Einfach gangbaren Färbebottich der Zittauer Maſchinenfabrik,
zum Ausfärben von baumwollenen und halbwollenen Geweben im Strang.
Der Bottich iſt ein großer viereckiger Kaſten, meiſt aus Kiefernholz, für
eine beliebige Anzahl Stränge geteilt. Die zuſammengenähten Gewebe wer-
den über einen Holzhaſpel gebracht und in endloſem Strang durch die Farb-
flotte gezogen, bis die Färbung vollendet iſt. Das Erwärmen der Farb-
flotte geſchieht durch ein Dampfrohr, welches unterhalb eines wenig über

Figure 117. Fig. 108.

Einfach gangbarer Färbebottich.


dem Boden befindlichen Siebbodens liegt. Vor dem Färbebottich befindet
ſich noch ein kleiner Spülbottich mit zwei Leitrollen. Wird an dieſelben eine
kleine Betriebsmaſchine angebracht, ſo reſuliert der


Färbebottich mit Dampfmaſchine, welcher zuſammen mit dem
vertikalen Durchſchnitt der Fig. 108 ein klares Bild von den Verlauf des
mechaniſchen Färbeprozeſſes im Bottich gibt. Ein ähnliche Maſchine iſt der
in Fig. 109 abgebildete


[428]

Große gangbare Färbebottich mit Spülkaſten von C. H. Weis-
bach
in Chemnitz. Derſelbe dient beſonders zum Schwarzfärben.


Figure 118. Fig. 109.

Großer gangbarer Färbebottich mit Spülkaſten.


Automatiſcher Färbebottich von C. H. Weisbach. Dieſer
Bottich hat eine gegen den vorigen etwas abgeänderte Form, wie ſie aus

Figure 119. Fig. 110.

Automatiſcher Färbebottich.


[429] Fig. 110 zu erſehen; dieſe Form ſoll dem viereckigen ganz hölzernen Bottich
gegenüber den Vorteil haben, daß man nicht mehr Flotte als eben nötig
gebraucht. Derſelbe iſt ferner durch ein eiſernes Geſtell eingefaßt. Ober-
halb des Bottichs befindet ſich eine Walze, über welche das Gewebe in
voller Warenbreite oder in Strangform geht und durch einen Leithaſpel ge-
führt wird.


Werden zwei einfach gangbare Färbebottiche in ein Syſtem vereinigt,
ſo entſteht der


Doppelt gangbare Färbebottich zum Ausfärben von wolle-
nen und halbwollenen Geweben, wobei gleichzeitig 40 Stück
geſiedet und 40 Stück gefärbt werden können
, Fig. 111. Das
Gewebe wird im Strang durch beide Bottiche geführt und zwar in dem
einen geſiedet, dann über Haſpel nach dem zweiten Bottich geleitet und hier
gefärbt, hierauf wieder über Haſpel zurückgeführt und von einem Fach-

Figure 120. Fig. 111.

Doppelt gangbarer Färbebottich.


[430] apparat, welcher ſich zwiſchen beiden Bottichen befindet, abgelegt. Im
weſentlichen beſteht alſo die Maſchine aus einem Siedebottich und einem
Färbebottich, gewöhnlich 1600 mm im Lichten breit, welcher jeder in eine
beſtimmte Anzahl Fächer geteilt, mit Dampfrohr verſehen iſt und je eine
aushebbare Leitwalze beſitzt. Direkt über den Bottichen befindet ſich Haſpel
und Fachapparat. Außer dieſen befindet ſich noch ein dritter Haſpel und
Fachapparat zwiſchen den erwähnten beiden; ſämtliche Apparate ſind an einem
gemeinſamen Rahmen gelagert, welcher von vier ſäulenartigen Ständern ge-
tragen wird. Die Haſpel werden durch Ketten betrieben und iſt jeder für
ſich zum Ein- und Ausrücken eingerichtet; da der mittelſte Haſpel rechts und
links gehende Bewegung machen muß, erhält dieſer zweifachen Antrieb, aus
dieſem Grunde iſt auch doppeltes Vorgelege notwendig. Durch die Wahl
des Kettenantriebes hat ſich die Maſchine bedeutend vereinfacht, iſt leichter
und zugänglicher gegenüber dem früheren Syſtem mit Schaftwelle und koni-
ſchen Rädern. Vorſtehende Zeichnung gibt den Antrieb durch eine kleine direkt
an einen Ständer montierte Betriebsdampfmaſchine an, doch kann an Stelle
derſelben auch Feſt- und Losriemenſcheibe, Kettenbetrieb ꝛc. kommen.


Dreifach gangbare Farbbottiche werden noch mit einem dritten,
zwiſchen den beiden Färbebottichen angebrachten großen Spülbottich mit
Haſpeln, Fächern ꝛc. und mit zwei kleinen Betriebsdampfmaſchinen verſehen.


Zum Färben von Strangwaren im Kuhkotbade dient die von C. G. Hau-
bold
jun. in Chemnitz gebaute Kuhkotfärbemaſchine Fig. 112. Dieſe Ma-

Figure 121. Fig. 112.

Kuhkotfärbemaſchine.


[431] ſchine beſteht im weſentlichen aus einem ſtarken, ſolid gefügten Holzbottich;
dieſer iſt durch eine Lattenwand in zwei Teile geteilt und enthält noch ein
Strangführungsgitter für 10 Stränge; über dem Boden iſt ein Dampfrohr
mit in gleichen Abſtänden eingebohrten Löchern eingeſetzt, um die Flüſſigkeit
zu erwärmen. Ueber dem Bottich liegt noch ein Abſpritzrohr mit Ventil
für reines Waſſer, und im Boden befindet ſich ein Abflußventil. Auf den
beiden Seitenwänden des Bottichs ſind die eiſernen Geſtellwände für die
Walzenlagerung montiert und tragen zwei Holzwalzen, wovon die untere
derſelben den Antrieb durch Riemenſcheibe erhält; die obere Walze laſtet nur
mit ihrer eigenen Schwere auf der unteren. Neben der unteren Walze iſt
noch eine Lattentrommel gelagert, über welche die Ware in den Bottich
nach dem Durchgang durch die Walzen zurückläuft, ſie wird durch Kettenrad
betrieben. Beſonders zu erwähnen iſt noch, daß beim Antrieb nicht Feſt-
und Losriemenſcheibe benutzt wird, ſondern die loſe laufende Riemenſcheibe
durch ein- und ausrückbare Mitnehmerkuppelung die untere Walze treibt.


Derartige Maſchinen werden meiſtens zu zweien nebeneinander mon-
tiert, und zwar ſo, daß der zu bearbeitende Strang aus einer in die andere
Maſchine übergeht. Dieſe Maſchinen können auch zum Waſchen oder zum
Seifen von Druckkattun in Strangformen benutzt werden.


Als Breitfärbemaſchinen können faſt alle in § 6 beſchriebenen Breit-
waſchmaſchinen verwendet werden. Außer dieſen ſind zum Färben von Ge-
weben in ihrer Warenbreite noch folgende Maſchinen in Anwendung.


Breitfärbemaſchine „U. W.“ für Plüſche, Krimmer, An-
gora
ꝛc., auch Kammgarnartikel. D. R. P. (Fig. 113 und 114).


Dieſelbe dient zum Färben ſolcher Wollgewebe, welche während des
Färbens weder gedrückt werden, noch im Strange laufen dürfen, da ſolches
Farbfalten und Farbflecke verurſachen würde. Zu dieſen Geweben gehört
der Wollplüſch, der Krimmer, Angora ꝛc., welche man bisher auf gewöhn-
lichen Färbebottichen derart färbte, daß ſie vermittelſt zweier Arbeiter und
einer einfachen Holzraſpel durch die Flotte gezogen wurden. Das Breit-
ziehen erfolgte gewöhnlich mit Holzzangen, während die Haſpel ſtillſtehen
mußte. Dieſe einfache Methode iſt aber ſehr häufig Urſache zu Farbflecken
und Farbfalten, da ſich ein kontinuierliches, ſchnelles Durchziehen durch die
Flotte nicht erreichen läßt, was gerade bei Aetzfarben recht nötig iſt; außer-
dem ſind für jeden Bottich zwei Arbeiter erforderlich. Dieſe Maſchine be-
ſeitigt die Uebelſtände, bedarf nur einen Mann Bedienung und färbt ſchneller
aus, da man drei oder vier Stücke auf einmal in einem Bottich färben
kann. Bei dem langſamen Durchziehen mittels Handhaſpel würde dies ohne
Gefahr für ungleichmäßiges Ausfärben nicht möglich ſein.


Die Maſchine beſteht aus einem ſtarken hölzernen Bottich mit Abtei-
lung zum Zuſetzen neuen Farbſtoffes und zum Kochendmachen der Flotte,
aus einer über der Maſchine befindlichen Winde, welche das Gewebe auf
das im Bottich befindliche Leitbrett in Falten legt, aus einer Breit-
haltevorrichtung und einem Gewebeführapparat, welch letzterer durch den
Arbeiter bequem bedient werden kann. Der Antrieb erfolgt entweder
durch Ketten oder Riemenſcheibe und iſt für zwei Geſchwindigkeiten ein-
gerichtet, ſo daß man das Gewebe ſchnell in die Farbflotte bringen
kann, während das Durchziehen langſamer erfolgt. Das ſchnelle Ein-
bringen der Gewebe iſt notwendig, damit das zuerſt einlaufende Gewebe
[432] nicht zu viel Farbſtoff abſorbieren kann, was bei langſamer Einführung
mehrerer Stücke ſehr merklich werden würde. Das ausgefärbte Ge-
webe wird von einer beſonders angetriebenen Haſpel aus dem Kühlbottich,
der mit dem Färbebottich in Verbindung ſteht und durch welches das Ge-
webe über eine Leitwelle geführt wird, ausgezogen. Dieſe Maſchine wird

Figure 122. Fig. 113.

Breitfärbemaſchine U. W. für Plüſche, Krimmer ꝛc.


[433] auch für Kammgarnartikel, welche in der Farbe ſehr empfindlich ſind, ge-
fertigt, und dann mit zwei Haſpeln, denen eine veränderliche Geſchwindig-
keit und eine Rück- und Vorwärtsbewegung erteilt werden kann, verſehen.


Figure 123. Fig. 114.

Breitfärbemaſchine U. W. für Kammgarnartikel.


Ganswindt, Färberei. 28
[434]

Graufärbemaſchine (Fig. 115) zum Beizen, Bläuen, Waſchen
und Färben baumwollener, halbwollener und wollener Ge-
webe, Futterkattune, Alpacas, Orleans, beſonders auch, um
Schwarz und Grau zu färben
.


Dieſe Maſchinen zum Färben der Gewebe im breiten Zuſtand werden
mit 1 bis 4 Käſten gebaut; jeder derſelben enthält eine Anzahl Leitwalzen,
von welchen die obere Partie in einiger Entfernung über dem Kaſten ge-
lagert iſt, damit die zu färbenden Gewebe mit dem Sauerſtoff der Luft in
Berührung kommen und oxydieren können. Bevor die Gewebe je einen
Kaſten verlaſſen, paſſieren ſie ein mit Hebeldruck belaſtetes Quetſchwalzenpaar.
Zu jeder Maſchine gehört eine Abwickelvorrichtung mit Bremſe und eine
Legevorrichtung, welch letztere die Gewebe nach dem Paſſieren der Käſten
gut in Falten legt.


Zum Durchfärben kleinerer Partien Ware ſind die Färbemaſchinen mit
1 und 2 Käſten ſehr zweckmäßig und ſind dieſelben auch ſo eingerichtet,
daß man jederzeit noch Käſten anmontieren kann, gleichviel, ob für Säuren,
Farbeflotte oder Waſſer.


Figure 124. Fig. 115.

Graufärbemaſchine.


Zum Färben größerer Partien empfehle ich Maſchinen mit 3 und 4
Käſten und in dieſen Fällen, namentlich zum Graufärben, mit der Einrich-
tung, daß die Ware gleich nach dem Beizen und Färben genügend lange
Zeit mit der Luft in Berührung iſt, um zu oxydieren; dazu gehört eine
größere Anzahl Leitwalzen, welche in beſonderen Hängearmen gelagert und
an die Decke montiert ſind. Das Ganze iſt mit Holz vollſtändig umkleidet
und in dem ſo gebildeten Hohlraum wird Luftzirkulation hervorgebracht.


Da die Gewebe ſtets durch die Quetſchwalzen ausgepreßt ſind, bevor
ſie dem Oxydieren ausgeſetzt werden, ſo iſt auch die Einwirkung der Luft
eine intenſivere. Der letzte Kaſten iſt immer ein Waſſerkaſten zum Abſpü-
len der gefärbten Ware, und um dasſelbe noch zu vervollſtändigen, befindet
ſich vor dem letzten Quetſchwalzenpaar ein Abſpritzrohr, wodurch die Ge-
webe noch einmal beiderſeits mit friſchem Waſſer abgeſpritzt werden.


Der Antrieb jedes einzelnen Walzenpaares geſchieht durch Kettenräder,
wodurch derſelbe bedeutend vereinfacht und die Maſchine beiderſeits bequem
[435] zugänglich iſt. Direkt auf dem Zapfen der letzten Unterwalze ſitzen die
Feſt- und Losriemenſcheiben.


Sollen die gefärbten Gewebe auf eine Rolle gewickelt und nicht geſacht
werden, ſo iſt hierzu eine Aufwickelbahn vorhanden, die Rolle wickelt ſich
unter eigener Schwere an die obere Walze anliegend auf.


Paddingmaſchine (Klotzmaſchine) für baumwollene, halbwollene
und wollene Gewebe zum Seifen, Färben, Ausquetſchen oder ein- und zwei-
ſeitig Stärken.


Figure 125. Fig. 116.

Paddingmaſchine.


28*
[436]

Die Gewebe werden hierbei von einer Abwickelvorrichtung mit Bremſe
über einige Stäbe entweder direkt durch die beiden gußeiſernen geſchliffenen,
meiſtens mit Kattun umwickelten Walzen geführt, oder aber über eine Leit-
walze durch einen die Flüſſigkeit enthaltenden Holzkaſten unter den Walzen.
Die Walzen haben verſchiedene Durchmeſſer und wird die obere durch
Doppelhebeldruck nach Bedürfnis belaſtet, hierdurch wird das Gewebe aus-
gequetſcht und nachdem entweder auf Kaulen gewickelt (Fig. 116) oder durch
einen Fachapparat gefacht. Dieſer Facher iſt an ganz beſonders langen und
hoch konſtruierten Armen befeſtigt, ſo daß man bequem darunter hantieren
kann (Fig. 117); es iſt dies aus dem Grunde geſchehen, um Einlaß und
Ausgang auf gleicher Seite zu haben.


Figure 126. Fig. 117.

Padding- oder Klotzmaſchine.


Wird das Gewebe aufgewickelt, ſo iſt hierzu eine beſondere im beliebi-
gen Winkel ſchräg ſtellbare Bahn vorhanden, auf welcher die Welle geführt
wird und die Aufwickelung an der oberen Walze unter beliebig zu verſtär-
kendem Druck ſtattfindet.


Die Maſchine beſteht aus eiſernen gut verbundenen ſoliden Geſtellen,
zwei Walzen von Eiſen, 270 und 300 mm Durchmeſſer, Doppelhebeldruck-
vorrichtung, Holzkaſten mit Leitwalze darin, Einlaßvorrichtung, Ab-, Auf-
wickel- und Legevorrichtung oder nur Ab- und Aufwickelvorrichtung. Antrieb
durch Riemenſcheibe direkt auf die untere Walze.


Zum Färben von Baumwolle oder Halbſeide, ſpeziell aber zum Fär-
ben des baumwollenen
Fadens in halbwollenen Geweben dienen die
Aufſetzkaſten oder Jiggers Fig. 118.


Die beigegebene Abbildung ſtellt 3 Stück = 1 Satz Aufſetzkaſten dar.
Jeder Jigger beſteht aus einem, mit Schrauben zuſammengeſchraubten ſtar-
ken Holzkaſten mit meſſingenem Ablaßventil, an deſſen hinterer Seite eine
eiſerne Wand befeſtigt iſt, die die Lagerſtänder für die Hauptantriebswelle
und für die Spindeln der oberen Holzwalzen tragen; außer den erwähnten
[437]

Figure 127. Fig. 118.

Aufſetzkaſten des Jiggers.


zwei oberen Holzwalzen, von welchen jede mit einer Klauenmuffvorrichtung
zum Ein- und Ausrücken und am anderen Ende mit einer Bremsſcheibe
verſehen iſt, befinden ſich im Innern des Kaſtens noch zwei Mitlaufwalzen.
Die zu färbende Ware wird auf eine der beiden oberen Walzen aufgedockt,
[438] die auf der Radſpindel befeſtigte Mitnehmerklaue ſodann durch ein Zurück-
ſchieben des aus der Abbildung erſichtlichen Hebels außer Eingriff mit der
auf dem Zapfen der Walze befindlichen Klaue geſetzt, die Kette mit dem
Gewicht über die Bremsſcheibe gelegt und die Ware ſodann unter den im
Kaſten befindlichen Mitlaufwalzen hinweg durch die Färbeflotte nach der
anderen oberen Walze geführt, wonach die Walze vermittelſt der Klauenmuff-
vorrichtung in Betrieb geſetzt und die Ware infolgedeſſen von der gegenüber
liegenden Walze durch die Flotte gezogen wird; die Manipulation wieder-
holt ſich ſo oft, bis die Ware durch das mehrmalige Paſſieren der Färbe-
flotte die gewünſchte Nüance erreicht hat.


Double-Jigger Fig. 119. Färbemaſchine für baumwollene
Gewebe
.


Dieſe Maſchine eignet ſich beſonders für leichtere Gewebe, nicht aber
für Plüſche oder Sammete. Das Färben findet in gleicher Weiſe ſtatt wie
bei vorſtehender Maſchine, nur in der Konſtruktion ſind folgende Aende-
rungen vorgenommen.


Figure 128. Fig. 119.

Double-Jigger.


Das Gewebe wird durch zwei Quetſchwalzenpaare durchgezogen, von
denen je die untere Walze mit Meſſingbezug, die obere dagegen mit Gummi-
bezug verſehen iſt, der Vor- oder Rückwärtsgang wird durch Stirnräder
auf die unteren Walzen übertragen.


Das Gewebe wickelt ſich, an einer Führung an der oberen Walze
ſchräg anliegend und unter dem Druck der eigenen Schwere, ſelbſtthätig auf.


Dieſe Führungen können nach Entfernung eines Bolzens umgeſchlagen
werden, dann rollt die aufgewickelte Walze in einen Lagerarm, wo ſie vor-
läufig liegen bleiben kann. Auf dieſe Weiſe kann man ſofort wieder mit
[439] dem Färben eines neuen Stückes beginnen, ohne, wie dies bei der anderen
Jiggerfärbemaſchine nötig wird, erſt den Aufwickelſtab aus der aufgerollten
Ware entfernen und neue Hülſen aufſtecken zu müſſen.


In dieſe Kategorie von Breitfärbemaſchinen gehört ſchließlich auch
noch die


Roulette-Küpe für Indigofärbereien Fig. 120.


Beſtehend aus einem eiſernen Reſervoir, in welchem unweit des Bodens
zwei Rührer angebracht ſind. In dieſem Reſervoir wird ferner ein Ge-
ſtell befeſtigt, auf dem 21 meſſingene Walzen genau parallel gelagert ſind.
Auf dem Reſervoir befindet ſich ein gehobelter gußeiſerner Rahmen, auf dem
weitere 14 Leitwalzen, 3 Preßſtücke mit je 2 Quetſchwalzen, 1 Paar höl-
zerne Abziehwalzen nebſt Lege- und Aufrollvorrichtung angebracht ſind. Eine
zweite Reihe von 17 Leitwalzen iſt unter der Decke in einem gußeiſernen
Geſtell gelagert.


Figure 129. Fig. 120.

Roulette-Küpe.


Die unteren Quetſchwalzen ſind mit Meſſing, die oberen mit Gummi
überzogen, um ein gleichmäßiges und recht gutes Ausquetſchen zu erzielen.
Der auf dem Reſervoir angebrachte gußeiſerne Rahmen erhöht die Solidität
der Maſchine, ſowie die genaue Lagerung der Walzen. Der Antrieb ge-
ſchieht durch eine Vorgelegwelle mit Los- und Feſtriemenſcheibe, ſowie Stirn-
räderüberſetzung nach dem dritten Paar Quetſch- und Abziehwalzen, von da
aus findet die Uebertragung durch eine Gelenkkette ſtatt, wodurch ein viel
ruhigerer und leichterer Gang erzielt wird. Die Rührer werden direkt von
der Antriebswelle bewegt. Dieſelben können durch eine eigene Kombination
[440] während des Ganges, wie des Stillſtandes der Maſchine in Betrieb erhal-
ten werden, ohne daß das Herabnehmen von Riemen nötig wird. Der
Einlaß iſt ein doppelter, d. h. man kann, wenn einſeitig gefärbt werden
ſoll, 2 Stück auf einmal, aufeinander einlaſſen, wodurch eine doppelte Leiſtung
der Maſchine erzielt wird. Bei vielen Waren iſt es erwünſcht, daß die
eine Seite etwas heller gefärbt iſt, es wird dieſes durch den doppelten Ein-
laß erreicht und findet dabei nicht nur eine ganz bedeutende Erſparnis an
Indigo, ſondern auch an Zeit und Arbeit ſtatt.


Gebleichte Ware wird am vorteilhafteſten in gut aufgerolltem, noch
naſſem Zuſtande auf die Abwickelſtelleiſen vor die Maſchine gelegt, paſſiert
zunächſt die Breithalterwalze, 2 Leitwalzen und das erſte Quetſchwalzenpaar,
worauf ſie wieder direkt in die Küpe geht, hier die nächſten 11 Leitwalzen
paſſiert und darauf durch das 2. Quetſchwalzenpaar über die Oxydations-
leitwalzen geleitet wird, woſelbſt die Ware oxydiert. Hierauf paſſiert ſie die
Breithalterwalze und eine Leitwalze, geht ſodann wieder direkt in die Küpe
über die nächſten 9 Leitwalzen und nochmals durch ein Quetſchwalzenpaar,
woſelbſt ſie ausgedrückt von neuem über die Oxydationswalzen, Leit- und
Breithalterwalze nach dem Abzugswalzenpaar geht, worauf ſie abgelegt wird.


Die Küpe kann ſo ſtark gehalten werden, daß ſie mit einemmale
durchgehend dunkel genug iſt, jedoch wird mitunter auch vorgezogen, die
Ware zweimal durch die Maſchine gehen zu laſſen. Letzteres iſt aller-
dings für die Echtheit der Färbung von großem Vorteil.


Mit dieſer Maſchine können pro Tag circa 7000 m gefärbt werden
und bei doppeltem Einlaß das Doppelte. Es wird teils in trüber, teils
in klarer Küpe gefärbt, je nach dem verſchiedenen Zweck. Zur Bedienung
der Maſchine ſind zwei Perſonen, an Betriebskraft 1 bis 1½ Pferdekraft
erforderlich. Iſt das Stück zu Ende, ſo wird ein Gurt daran befeſtigt
und mit durch die Maſchine gezogen, um beim Anfangen die Ware damit
durch die Maſchine führen zu können.


Bei einer gut montierten Maſchine iſt die Färbung eine ſehr gleich-
mäßige und läßt in keiner Hinſicht etwas zu wünſchen übrig. Was Zeit
und Arbeit betrifft, ſo zeigt ſie ſich der alten Färbung gegenüber ebenſo
von großem Vorteil.


Die Stückfärberei nach dem Syſtem Obermaier. Es leuchtet
wohl auf den erſten Blick ein, daß die Apparate des Syſtems Obermaier
ſich in ihrer jetzigen Konſtruktion nicht zum Breitfärben eignen. Dagegen
können ſie zum Färben im Strang verwendet werden. Der Bericht Scheuer-
les
an die Induſtriegeſellſchaft in Mülhauſen ſagt darüber: Gewebe von
beliebiger Länge und Breite in ganzen Stücken färben ſich auf den Appa-
raten ſchön und gleichmäßig. Sie werden zu dieſem Behufe in Strang-
form, und zwar möglichſt gleichmäßig verteilt, in den Beſchickungsraum des
Cylinders eingeſchichtet, und mittels des Deckels feſtgepreßt. Die verſchiede-
nen Verrichtungen, aus denen ſich der Färbeprozeß zuſammenſetzt, vollziehen
ſich auch hier wieder in derſelben Weiſe und in derſelben Reihenfolge, wie
bei dem Färben loſen Faſermaterials. Daß ſolche Gewebe nach dem Färben
am Spannrahmen oder mittels Rahmmaſchinen getrocknet werden müſſen,
iſt ſelbſtverſtändlich.


Es hat jedoch nicht an Verſuchen gefehlt, das Obermaierſche Prinzip
auch auf Gewebe in ihrer vollen Warenbreite anzuwenden; es iſt verſucht
[441] worden, den inneren Obermaierſchen Cylinder in eine lange, durchlöcherte
Walze umzuwandeln, um welche das ausgebreitete Gewebe aufgewickelt wird;
dann wird mittels einer Kreiſelpumpe die Farbflotte durch die Gewebe-
maſſe hindurchgepreßt. Solche Syſteme ſind von Sarfert und Vollert
und von Schäffer-Lalande gebaut worden.


§ 29. Die nächſten Arbeiten nach dem Färben.


Hat die zu färbende Ware die beſtimmte Nüance erlangt, ſo wird ſie
aus der Flotte herausgezogen und die mechaniſch noch anhaftende Flotte
durch eine Centrifuge oder mittels einer einfachen Wringmaſchine aus der
Ware entfernt. Dann folgt entweder direkt das Trocknen, in der Mehr-
zahl der Fälle aber geht ein Spülen vorher. Allgemeine Grundſätze laſſen
ſich dabei nicht aufſtellen; es hängt das von der jedesmaligen Natur des
Farbſtoffes ab; nur das wird ſich als allgemeine Regel aufſtellen laſſen,
daß in allen den Fällen, wo das Färbebad vollkommen ausgezogen wird,
ein Spülen überflüſſig erſcheint. Das Spülen bezweckt die Entfernung des
nach dem Centrifugieren noch mechaniſch anhängenden Farbſtoffs, und iſt ſo
lange fortzuſetzen, bis das Waſchwaſſer klar und ungefärbt abläuft; dann
iſt das eigentliche Färben erſt als beendet anzuſehen. — In vielen Fällen
aber geht ſelbſt dem Spülen noch eine Operation zuvor, welche den Zweck
hat, dem erhaltenen Farbenton eine größere Lebhaftigkeit zu erteilen.


Das Schönen, Beleben, Avivieren kann als eine Art Nachbeize
betrachtet werden; es ſind ſtets chemiſche Körper, welche, im Bade gelöſt,
das Schönen, die Avivage, bewirken. Sie ſind durchaus verſchieden und
richten ſich nach der Natur des Farbſtoffes; in vielen Fällen ſind Seifen-
bäder, in andern alkaliſche Bäder anzuwenden; für manche Farben ſind
hingegen verdünnte Säuren nötig (z. B. Eſſigſäure). Oft genügt ein Durch-
ziehen durch ein kaltes Bad, manchmal muß Wärme angewendet werden, in
einzelnen Fällen iſt ſogar ein Kochen unter Hochdruck notwendig. Zum
Avivieren genügen die zum Waſchen und Färben beſtimmten Maſchinen; für
Türkiſchrotgarne aber, die ein Avivieren mit Soda und Palmkernölſeife er-
fordern, ſind eigene


Avivierkeſſel konſtruiert worden, welche einige Aehnlichkeit mit den
Hochdruckkochkeſſeln zum Bleichen haben. Sie ſind ganz aus Schmiedeeiſen
konſtruiert und entweder mit Kochſchlange verſehen, Fig. 121, oder mit
doppeltem Mantel und Boden. Die Beſchickung des Keſſels geſchieht von
oben durch das Mannloch. Der Keſſel mit Kochſchlange beſitzt einen Sieb-
boden zum Einlegen der Ware; das Innere des Keſſels mit doppeltem
Mantel iſt vollkommen frei.


Auf das Avivieren folgt allemal ein Spülen, zuguterletzt aber ein
Trocknen. Ueber das Trocknen enthalten die § 7 bis einſchließlich 10 alles
Wiſſenswerte. In nachſtehendem ſollen die Grundſätze, nach denen eine
Trockenanlage beurteilt werden muß, des Näheren beleuchtet werden.


[442]
Figure 130. Fig. 121.

Avivierkeſſel.


§ 30. Ueber Trockenanlagen.


Das Trocknen hat den Zweck, die Feuchtigkeit der Ware an die Luft
des Trockenraumes abzugeben, dieſe bis zu einem gewiſſen Grade mit Feuchtig-
keit zu ſättigen, die geſättigte Luft zu entfernen, und durch neue, nicht mit
Feuchtigkeit geſättigte Luft zu erſetzen. Da trockne Luft mehr Feuchtigkeit
aufzunehmen vermag, als eine minder trockne, und warme Luft mehr als
kalte, ſo wird es ſich empfehlen, beim Ablaſſen der mit Feuchtigkeit geſättig-
ten Luft ſtatt deren erwärmte Luft in die Trockenräume zu führen.


Nach dieſen Grundzügen müßte eine Trockenanlage ein begrenzter her-
metiſch verſchließbarer Raum ſein, mit einer Vorrichtung verſehen, um die
mit Feuchtigkeit geſättigte Luft zu entfernen, entweder durch Hinauspreſſen
oder durch Abſaugen, und mit einer zweiten Vorrichtung, welche trockne Luft zu-
zuführen geſtattet. Vergegenwärtigen wir uns dabei, daß die Hauptſache
[443] die Erneuerung der Luft
iſt, und daß die Wärme nur zur Be-
ſchleunigung des Trockenprozeſſes dient
.


Durchwandern wir hingegen die Trockenanlagen unſerer heutigen Etabliſſe-
ments, ſo drängt ſich uns ſehr bald die Ueberzeugung auf, daß faſt durch-
gehends gegen den erſten Grundpfeiler einer rationellen Trockenanlage ge-
ſündigt wird. Es ſtrömt uns da eine Hitze entgegen, wie ſie in den Mälze-
reien wohl angebracht iſt, wie ſie in einer vernunftgemäßen Trockenanlage
aber niemals vorhanden ſein dürfte. Augenſcheinlich ſoll hier die Trocknung
nicht durch trockne Luft, ſondern durch Hitze erzielt werden: je heißer, deſto
ſchneller trocknen. Eine ſolche Anſchauung iſt aber grundverkehrt,
und zwar aus folgenden Gründen: Die Luft vermag bei einer beſtimmten
Temperatur auch nur eine ganz beſtimmte Menge Waſſerdunſt in ſich auf-
nehmen und zwar
1 cbm Luft von 0° C. 5 g Waſſerdunſt,
1 „ „ „ 10° „ 8,5 „ „
1 „ „ „ 20° „ 17,9 „ „
1 „ „ „ 30° „ 31,6 „ „
1 „ „ „ 40° „ 49,2 „ „


Iſt dieſe Sättigung erreicht, ſo hört die Verdunſtung auf und alles
Heizen iſt vergebens, die Luft nimmt über ihren Sättigungspunkt hinaus
eben keinen Dunſt weiter auf. Durchwandern wir unſere Trockenräume
aber mit Inſtrumenten, wie Thermometer, Hygrometer und Anemometer,
durch welche wir ein zuverläſſiges Bild von dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft
bekommen, ſo werden wir ſehr bald finden, daß in der größern Zahl der
Fälle dieſer höchſte Gehalt an Feuchtigkeit erreicht iſt, ohne daß man zur
Erneuerung der Luft ſchreitet. Man will augenſcheinlich das Trocknen durch
Hitze erzwingen. In der Mehrzahl der Fälle finden wir die Heizanlagen
in den Trockenräumen ſelbſt angebracht. Eine ſolche Anlage iſt ver-
werflich
, denn ſie birgt Gefahren in ſich.


Es kann leider nicht verſchwiegen werden, daß in den meiſten Färbe-
reien die Trockeneinrichtungen in ſehr primitiver und oft geradezu vernunft-
widriger Weiſe angelegt ſind, daß ſie oft ſelbſt den billigſten Anforderungen
der Praxis nicht entſprechen, noch weniger aber den Grundſätzen der Wiſſen-
ſchaft. Damit auch der Laie ſich ein Bild von der Verkehrtheit der landes-
üblichen Anſchauung bilden kann, diene folgendes: Zur Ableitung der feuch-
ten Luft ſind hohe Eſſen angelegt; dieſe verfehlen ihren Zweck vollkommen,
wie ſich ein jeder durch die Richtung einer brennenden Flamme leicht ſelbſt
überzeugen kann. Wie kann es denn auch anders ſein? Die Luft wird
in dem Maße
, als ſie ſich mit Feuchtigkeit beladet, ſchwerer, und ſinkt
zu Boden, aber ſie denkt nicht daran, durch den Schlot zu entweichen. Die
feuchte Luft des Trockenraumes muß unten am Boden des Trockenraumes
abgeleitet werden, nicht oben an der Decke.


Wie zur Genüge bekannt, geht die Umwandlung des Waſſers in
Dampf in einem luftverdünnten Raume ſchneller vor ſich, als bei gewöhn-
lichem Luftdrucke; man wird alſo ein ſchnelleres Trocknen erzielen, wenn
man durch eine Saugvorrichtung die Luft des Trockenraumes verdünnt.
Solche Erwägungen ſind jedenfalls dort maßgebend geweſen, wo man
Exhauſtoren angewendet hat. Ein ſolcher Exhauſtor ſaugt Luft aus
[444] dem Trockenraume ab und erzeugt ſo gewiſſermaßen eine Verdünnung der
Luft; er darf aber nicht, wie meiſt anzutreffen, an oder unter die Decke
montiert werden, ſondern muß luftdicht in die Mauer eingefügt werden und
zwar unmittelbar über dem Fußboden. Wenn ein ſolcher Exhauſtor
wirklich als Aſpirator wirken ſoll, muß dafür geſorgt werden, daß die übri-
gen Lufteinlaßſtellen wirklich möglichſt luftdicht verſchloſſen werden können;
andernfalls bewirkt er wohl einen Luftſtrom, aber keine Luftverdünnung;
dieſe aber iſt die Hauptſache.


Die vollkommenſte und ſchnellſte Trocknung wird dort erreicht werden,
wo alle dieſe Faktoren zuſammenwirken, wo man alſo in einem hermetiſch
verſchließbaren Raume für eine entſprechende Erwärmung und gleichzeitige
Verdünnung der Luft Sorge trägt. Allgemeine Regeln laſſen ſich hier nicht
wohl aufſtellen, da die vorhandenen Räume und die vorhandenen Hilfs-
materialien oft eine weſentliche Verſchiedenheit in der Anlage von vornherein
bedingen. Gemeinhin iſt die Form des Trockenraumes eine verfehlte: ſie
iſt weniger hoch als lang und breit, ein Trockenraum ſollte aber vor allem
hoch ſein, und zwar mehrfach ſo hoch als lang oder breit; er ſollte als
Baſis ein Quadrat oder einen Kreis haben und ſich nach oben ſchwach trichter-
förmig erweitern. Der Heizapparat müßte ſich außerhalb des Trocken-
raumes befinden und die erhitzte Luft in entſprechender Höhe oberhalb des
Exhauſtors eingeführt werden, ſo daß ſie nicht mehr angeſogen werden kann.
Die Temperatur im Trockenraume ſollte 40° C. (32° R.) nicht überſteigen,
da die Gewebefaſern ſonſt hart werden. Dieſe Momente laſſen ſich natür-
lich nur da beherzigen, wo ſie neu eingerichtet werden können. Bei vor-
handenen Anlagen wird man mit den gegebenen Räumen rechnen müſſen
und würden vernunftgemäße Aenderungen von Fall zu Fall unter Berück-
ſichtigung der vorhandenen Räume und Heizanlagen erwogen werden müſſen.


In allen jenen Fällen, wo es auf eine bloße Luftſtrömung, nicht auf
eine Luftverdünnung ankommt, und wo eine Zirkulation der im Trockenraume
vorhandenen warmen Luft bezweckt wird, würde ſich ein Schraubenventilator
empfehlen, ein ſchraubenförmiges Flügelrad mit ausgedrehtem Gehäuſe.


Vorſtehendes ſind nur die Grundzüge meines Trockenſyſtems; auf die
Einzelheiten meines Syſtems einzugehen, iſt hier nicht der Raum vorhanden.


§ 31. Trockenmaſchinen.


Die in großen Etabliſſements für beſondere Zwecke angewendeten
Trockenapparate ſind auch nichts anderes, als Trockenräume in beſonderer
Form. Sie unterſcheiden ſich jedoch von den im vorigen Paragraphen be-
ſchriebenen Trockenräumen dadurch, daß der erwärmten Luft eine beſtimmte
Richtung gegeben wird und daß die Ware ſich in einer der vorigen entgegen-
geſetzten Richtung bewegt. Dieſem Prinzip entſpricht der


Ketten-Trockenapparat für gefärbte Ketten (Fig. 122). Das
Trocknen geſchieht in einer großen, mit Eiſen montierten Holzkammer, in
welche durch einen Ventilator erhitzte Luft eingeblaſen wird, welche durch
einen Exhauſtor am Eingang der Ketten, alſo da, wo die Luft mit Feuchtig-
keit geſättigt iſt, entfernt wird. Die Ketten, gewöhnlich 5 bis 12 neben-
einander, werden aus den einzelnen Käſten über eine Leitwalze in die
[445] Trockenkammer eingeführt, gehen über eine Anzahl Leithaſpeln von Holz,
welche alle durch eine Schnur betrieben ſind. Zwiſchen den einzelnen Leit-
haſpeln in gewiſſer Entfernung voneinander ſind Querbrettchen angebracht,
welche die Luft gewiſſermaßen ſtauen und dadurch zur Zirkulation zwingen.
Der Lauf der Kette iſt gegen die Luftſtrömung, und um denſelben beobachten
zu können, ſind Klappfenſter und Thüren in der einen Wand angebracht.
Haben die Ketten die Kammer paſſiert, ſo werden ſie über dieſelbe zurück-
geführt, von den Abzugswalzen erfaßt und durch Legevorrichtungen in eine
oder zwei Garnwagen, welche entſprechend viel einzelne Fächer haben, ge-
legt. Ein- und Ausgang iſt auf derſelben Seite.


Figure 131. Fig. 122.

Kettentrockenapparat.


Zum Trocknen von Geweben in voller Warenbreite ſind verſchie-
dene Apparate gebaut, welche in erſter Linie ein Spannen des Gewebes
bezwecken. Die einfachſten dieſem Zwecke dienenden Apparate ſind die be-
kannten Spannrahmen (Fig. 123). Dieſelben dürften wohl kaum in einer
Färberei fehlen, daher wird eine Schilderung hier nicht nötig ſein.


Figure 132. Fig. 123.

Spannrahmen.


Wird das Spannen der Gewebe durch Maſchinen bewirkt und das ge-
ſpannte Gewebe gleichzeitig durch einen erwärmten Luftſtrom und zwar in
der umgekehrten Richtung des letztern gezogen, ſo gelangen wir zur


[446]

Spannrahm- und Trockenmaſchine (Fig. 124). Der untere Teil
der Zeichnung zeigt einen mit direktem oder Abgangsdampf heizbaren Röhren-
keſſel. Die beiden Pfeile zeigen Eintritt und Austritt des Dampfes an.
Links am Keſſel befindet ſich der Ventilator, welcher die zum Erwärmen
beſtimmte Luft in den Keſſel hineindrückt. Die erwärmte Luft ſteigt durch
das Knierohr in den eigentlichen Trockenraum zwiſchen die horizontal aus-
geſpannten Warenflächen. Das Spannen der Ware erfolgt durch 2 mit
Nadeln oder Kluppen verſehene Ketten ohne Ende, welche je nach Bedarf
mehr oder weniger entfernt voneinander, erſt konvergierend, dann aber exakt
parallel fortlaufend, geführt werden. Wird die Maſchine derart gebaut, daß
die Ware, nachdem ſie den Trockenraum paſſiert, noch einen zweiten darunter
liegenden Raum paſſieren muß, ſo entſteht die zweietagige Rahm- und
Trockenmaſchine, wie ſie in Fig. 125 abgebildet iſt. Eine derartige zwei-
etagige Maſchine geſtattet alſo ein zweimaliges Hin- und Hergehen der
Ware, alſo 4 Touren; die Einrichtung iſt dann ſo getroffen, daß die Ware

Figure 133. Fig. 124.

Spannrahm- und Trockenmaſchine.


[447] den Trockenraum ſeiner ganzen Länge noch dreimal durchſtreicht, das vierte
Mal aber in voller Spannung der Wirkung des Luftſtromes nicht mehr
ausgeſetzt iſt, wodurch ein Zurückgehen der ausgeſpannten Breite bei den
meiſten Garnbreiten faſt gänzlich vermieden wird. Dieſe Maſchinen werden
bisweilen auch mit 3 Etagen gebaut; eine ſolche zeigt Fig. 126.


Figure 134. Fig. 125.

Zweietagige Spannrahm- und Trockenmaſchine.


Figure 135. Fig. 126.

Dreietagige Spannrahm- und Trockenmaſchine.


[448]

Das Trocknen von Geweben in voller Warenbreite geſchieht, wenn
nicht gleichzeitig ein Spannen damit verbunden ſein ſoll, zwiſchen hohlen,
metallenen, mit Dampf geheizten rotierenden Cylindern. Ein ſolches Syſtem
von Cylindern, zwiſchen denen die Ware ſich hindurchbewegt, heißt eine


Cylinder-Trockenmaſchine (Fig. 127). Solche Maſchinen beſtehen
in ihren Hauptteilen aus dem eiſernen Geſtelle, den heizbaren kupfernen
Trockencylindern, der Dampfzu- und Waſſerableitungsvorrichtung nach und
von den Cylindern mit den hierzu gehörigen Apparaten, der Einlaß-, Auf-
wickel- und Legevorrichtung, ſowie den Betriebsobjekten. Als vorzüglichſtes
Material für Trockencylinder hat ſich gezogenes Kupfer bewährt. Die
Cylinder beſitzen außerdem noch je ein nach innen ſich öffnendes Luftventil,
um einem Verbiegen des Cylinders vorzubeugen, falls etwa infolge plötzlichen
Temperaturwechſels eine Luftleere im Cylinder entſtehen ſollte. Im Innern
der Cylinder befinden ſich Schöpfwerke, die das ſich durch Kondenſation
bildende Waſſer bei jeder Umdrehung des Cylinders entfernen.


Figure 136. Fig. 127.

Cylindertrockenmaſchine.


Solche Cylindertrockenmaſchinen werden in jeder Anzahl von Cylindern,
ſowie in ein- oder zweireihiger Anordnung verwendet. Häufig werden die-
ſelben auch direkt mit einem Stärkeapparat, oder einer Walzenpreſſe oder
einer Einſprengmaſchine oder dergl. verſehen.


Fig. 127 zeigt eine einreihige Cylindertrockenmaſchine mit 9 Cylindern.
Werden derlei Maſchinen derart angewendet, daß die Cylinder in Reihen,
nicht wagerecht, ſondern lotrecht übereinander zu liegen kommen, ſo haben
wir die


Stehende Trockenmaſchine, wovon Fig. 128 einen vertikalen
Querſchnitt zeigt, welcher auch ohne textliche Intrepretation ſofort verſtänd-
lich iſt. — Kombinationen von Trockenmaſchinen mit Stärke-, Appretier- und
Bürſtenmaſchinen zeigen die Fig. 129, 130 und 131.


[449]
Figure 137. Fig. 128.

Stehende Trockenmaſchine.


Figure 138. Fig. 129.

Cylindertrockenmaſchine mit Stärk-Apparat.


Figure 139. Fig. 130.

Appretur-Bürſt- und Cylinder-Trockenmaſchine.


Ganswindt, Färberei. 29
[450]
Figure 140. Fig. 131.

Appretur- und Cylindertrockenmaſchine mit Schneckenantrieb.


§ 32. Die Vollendungsarbeiten der Färberei.


Eine Ware, welche alle bisher beſchriebenen Operationen durchgemacht
hat, ſieht — vom Farbenton völlig abgeſehen — gewöhnlich „matt“ oder
„ſtumpf“ aus. Ueberdies zeigen die Gewebe außer einem wenig ſchönen
Anſehen auch eine gewiſſe Schlaffheit und nicht die gehörige Feſtigkeit und
Dichtigkeit. Alle jene Arbeiten nun, welche als Vollendungsarbeiten bezeich-
net werden, bezwecken einzig und allein, der Ware äußerlich ein ſchöneres,
gefälligeres Anſehen, Glanz, einen gewiſſen Grad von Steifheit und jene eigen-
tümliche Oberflächengeſtaltung zu geben, welche man „Griff“ nennt. Die Geſamt-
heit dieſer Arbeiten wird als Appretur bezeichnet. Die Mittel und Wege,
das zu erreichen, ſind ſehr verſchiedener Art; auch chemiſche Stoffe kommen
dabei zur Verwendung; die Methoden ſind jedoch keine chemiſchen, ſondern
die chemiſchen Körper werden nur, entweder für ſich, oder in Gemeinſchaft
mit andern, den Ware umechaniſch imprägniert, was man als Füllen oder
Beſchweren bezeichnet. In vielen Fällen wird der Zweck auch ohne Zuhilfe-
nahme chemiſcher Stoffe, lediglich durch Maſchinen, bewirkt. Zu den Appre-
turarbeiten, welche in Färbereien vorkommen, gehören: das Dekatieren,
Dämpfen, Füllen, Sprengen, Stärken, Gummieren, Plätten, Preſſen,
Mangeln, Lüſtrieren, Moirieren, Kalandrieren, Ausbreiten, Spannen, Falten
und Legen.


Diejenige Appreturarbeit, welche eigentlich als Vorbereitungsarbeit zur
Appretur betrachtet werden muß, iſt die Zubereitung der Appretur-
maſſen
, oder das Appretkochen. Die zur Appreturmaſſe nötigen
chemiſchen Stoffe werden Appreturmittel oder Schlichtemittel genannt.
Die daraus hergeſtellte fertige Maſſe heißt Appreturmaſſe oder Schlichte-
präparat
. Eines der allgemeinſten Appreturmittel, welches faſt in keinem
Schlichtepräparat fehlt, iſt die Stärke; ſie bildet gewiſſermaßen die Grund-
lage einer jeden Schlichte. Deshalb müſſen die Appreturmaſſen durch
[451] Kochen
mit Waſſer hergeſtellt werden. Um die Stärke möglichſt vollſtändig
in Löſung zu bringen, benutzt man gewöhnlich Hochdruckkocher und zwar be-
ſonders jene Keſſel, welche § 21 zum Kochen der Farbe als Kippkeſſel und
Doppelkeſſel mit Rührwerk, ſowie als Hochdruckkochkeſſel (Fig. 99 bis 101)
beſchrieben ſind. Dieſe Keſſel werden deshalb auch als Stärke- oder
Appretkochapparat reſp. -Keſſel bezeichnet.


§ 33. Appretur der Garne.


Der Zweck der Garnappretur iſt entweder die Erzielung einer beſon-
deren Weichheit oder einer beſonderen Härte, meiſt immer auch von Glanz
und Glätte. Erſterem Zweck dient das Dämpfen, Mangeln und
Strecken. Steifheit erhalten die Garne durch das Stärken, Gummieren,
Leimen, Imprägnieren
; Glanz und Glätte durch das Mangeln,
Strecken, Lüſtrieren
und Schwillieren. Alle dieſe Verrichtungen,
weil rein mechaniſcher Art, werden mit Hilfe von Maſchinen bewerkſtelligt,
von denen die gebräuchlicheren nachſtehend beſchrieben ſind.


Dämpfapparat für Garne (Fig. 132) zum Dämpfen der auf
Stäben hängenden Garnſträhne, hauptſächlich auch zum Fixieren der Farben.


Figure 141. Fig. 132.

Dämpfapparat für Garne.


In einem gußeiſernen, auf Rollen laufenden Wagen werden die Stäbe
mit den Garnſträhnen eingehangen, hierauf fährt man den ganzen Wagen in
einen ſchmiedeeiſernen Keſſel, und verſchließt denſelben mittels des gußeiſernen
Deckels durch Scharnierſchrauben. Der eingefahrene Wagen ſteht auf einem
Lattenboden und unter dieſem liegt ein Dampfrohr; nun läßt man durch
29*
[452] dieſes Dampf einſtrömen, ſolange, bis ein gewiſſer Dampfdruck im Keſſel
vorhanden iſt, welcher ſich von einem Manometer ableſen läßt. Das ſich
bildende Kondenſationswaſſer wird ſelbſtthätig durch einen Apparat entfernt.
Will man das Dämpfen beenden, ſo läßt man den Dampf durch einen be-
ſondern Stutzen abblaſen, öffnet den Deckel und fährt den Wagen heraus;
ſehr wertvoll iſt es, wenn zwei ſolcher Wagen vorhanden ſind, damit man
ſogleich wieder einfahren kann, ohne daß ſich der Keſſel weſentlich abkühlt,
wodurch auch beſonders eine bedeutende Dampferſparnis erzielt wird. Um
überhaupt einer Abkühlung des Keſſels vorzubeugen, wird derſelbe einge-
mauert.


Garnmangel mit 4 Walzen (Fig. 133). Nachſtehende Garnmangel
dient zum Weich- und Glänzendmachen von wollenen, baumwollenen, Flor-
Leinengarnen ꝛc. Die Mangel beſteht aus den gegenſeitig durch Traverſen
verbundenen Geſtellwänden, in welchen die auf gemeinſchaftliche Achſe be-
feſtigten Hartwalzen ſich in feſtſtehenden Lagern drehen. In der Mitte
dieſer Achſe ſind die loſe und feſte Riemenſcheibe angebracht und befindet
ſich der Ausrücker auf beiden Seiten des Geſtelles, wodurch das Ein- und
Abſtellen der Mangel ein äußerſt bequemes iſt.


Figure 142. Fig. 133.

Garnmangel mit 4 Walzen.


Die beiden Papierwalzen ſind in je zwei Schiebelagern eingelagert, ſo
daß jede Walze durch einen beſonders konſtruierten Lagerbügel durch den
doppelten Hebeldruck auf die darunter liegende Hartwalze mehr oder weniger
gedrückt werden kann. Eine beſonders konſtruierte Hebelvorrichtung, mit
welcher eine den verſchiedenen Weifenlängen der Garne entſprechend ſtellbare
Leitwalze in Verbindung ſteht, dient zum Straffhalten des Garnes und
wird damit ein Verknoten und Zerreißen desſelben verhütet. Die Mangel
iſt durch die beſondere Anordnung der einzelnen Teile zu einer der leiſtungs-
fähigſten und ſolideſten geworden.


[453]

Schwilliermaſchine (Fig. 134 u. 135). Dieſe Maſchine hat den Zweck,
durch Zuſammenwinden der Garuſträhne (Nähzwirne, Seide ꝛc.) und dann durch
ein fortgeſetztes Verdrehen derſelben Reibung zwiſchen den einzelnen Fäden her-
vorzurufen, wodurch ſich Glanz bildet; man nennt dieſe Operation Schwil-
lieren*). Das Weſentliche der Maſchine iſt ein Windehakenpaar, wovon der

Figure 143. Fig. 134.

Schwilliermaſchine mit 1 Paar Walzen.


Figure 144. Fig. 135.

Mehrfache Schwilliermaſchine.


[454] untere Antrieb durch koniſche Räder und Stirnräder erhält, alſo zum Zu-
ſammenwinden des Strähnes dient. Durch Klauenkuppelung kann man
dieſen Haken beliebig ein- und ausrücken. Der obere Windehaken iſt mit
vierkantiger Welle verſehen, welche durch eine entſprechende Büchſe hindurch-
geht und am oberen Ende von einem Seil mit Gegengewicht gehalten wird.
Die Büchſe, durch welche die Vierkantwelle hindurchgeht, erhält durch Hebel
von einer Excenterſcheibe aus eine hin- und herdrehende Bewegung. Zwiſchen
dieſen Haken wird nun der Strähn mittels kleiner Holzſtäbchen aufgehangen
und durch das Winden und Drehen ſchwilliert. Der zwiſchen den Stäbchen
befindliche Teil würde bei fortgeſetztem Arbeiten mehr Glanz bekommen, als
der um die Stäbchen liegende, deshalb muß der Strähn auch umgeſetzt
werden, was mit der Hand geſchehen muß, indem man den Strähn erſt
ganz zurückwindet.


Streck- und Schlagmaſchine (Fig. 136 a und b). Für Leinen-
und Baumwollengarne, namentlich geſtärkte Garne in Strähnen, ſowie auch
Seide, mit 2 Paar Spulen.


Figure 145. Fig 136

a. Streck- und Schlagmaſchine.


Dieſe Maſchine löſt durch
Schlag die beim Stärken zuſammen-
geklebten Fäden. Es kann jedes-
mal auf jede Spule 1 Kilo Garn
aufgehangen werden. Die Spulen
ſind in Supporten gelagert, welche
ſich wiederum an den entſprechenden
Führungen eines ſtarken Geſtelles
halten. Der untere Support iſt
mit einer Rolle verſehen, welche auf
einem Excenter läuft, wodurch die-
ſer gehoben wird und am höchſten
Punkte angekommen, infolge der Be-
ſchaffenheit des Excenters frei her-
abfällt. Der obere Support iſt
durch Spindel mit Handrad zu ver-
ſtellen und kann Garn von jeder
Weifenlänge ausgeſchlagen werden.
Die am oberen Support gelagerten
Spulen erhalten Antrieb durch
Schnurenbetrieb. Auf der Excenter-
welle befindet ſich noch eine Excen-
terſcheibe, welche auf einen beſonde-
ren Schlaghebel wirkt, und zwar
in demſelben Augenblick, wenn das
Garn durch die untere Spule ange-
ſtrafft iſt; dieſer Schlag iſt ganz
elaſtiſch, da er durch eine gewun-
dene Feder bewirkt wird und trifft
die Garnſträhne in der Mitte zwiſchen beiden Spulen. Um nach jeder Ope-
ration ein ſchnelles und leichtes Abnehmen und Aufſtecken der Garne zu
ermöglichen, ſind die Spulen durch eine Windevorrichtung mittels Hand
leicht von- und zu einander zu ſtellen, wodurch ſich eine bequeme Bedie-
nung und erhöhte Leiſtungsfähigkeit ergibt.


[455]
Figure 146. Fig. 136

b. Streck- und Schlagmaſchine.


Vertikale Streck- und Lüſtriermaſchine (Fig. 137 a und b) für
4 Garnſträhne auf einmal, alſo mit 4 Paar Meſſingſpulen. Dieſe Maſchine
hat den Zweck, das Garn (Seide oder Wolle) glänzend zu machen und es
auf eine beſtimmte Länge zu ſtrecken.


Sie beſteht aus einem geſchloſſenen gußeiſernen Kaſten von rechteckigem
Querſchnitt; derſelbe iſt auf beiden ſchmalen Seiten mit gut ſchließenden
Thüren verſehen, in der Mitte desſelben befindet ſich ein ſtabiles Verbindungs-
ſtück, welches am Boden und an der Decke befeſtigt iſt, welches die Lagerung
für die vier unteren Meſſingſpulen und den Antrieb durch Schneckenſpindel
mit Schneckenrad enthält und gleichzeitig als Gleiſenführung dient für das
Gleitſtück, welches die 4 Gegenſpulen trägt und durch eine Spindel auf- und
abwärts bewegt werden kann. Auf dieſe Spulen wird nun das Garn ge-
hangen, die Thüren werden geſchloſſen, man läßt, um ein beſſeres Lüſtre zu
erreichen, durch ein am Boden befindliches Rohr Dampf in den Kaſten ein-
ſtrömen und beginnt an den beiden mit Griffen verſehenen Handrädern zu
drehen, ſchaltet die Zahnkuppelung für die Streckſpindel ein, dadurch wird
das Gleitſtück mit den oberen Spulen aufwärts bewegt und das Garn ge-
ſpannt. Am Gleitſtück iſt ein Stab angebracht, welcher durch den Deckel
des Kaſtens hindurchgeht und an der Bewegung teilnimmt, am Ende des
Stabes iſt ein Zeiger befeſtigt, welcher an einer Skala deutlich erkennen
läßt, ob man die Garuſträhne auf die beabſichtigte Länge geſtreckt hat.
[456]

Figure 147. Fig. 137

a. Vertikale Streck- und Lüſtriermaſchine.


Figure 148. Fig. 137

b. Vertikale Streck- und Lüſtriermaſchine.


[457] Gleichzeitig mit dem Strecken erhalten durch Transporteurräder die unteren
Spulen Antrieb; da auch die oberen Spulen drehbar ſind, werden die Garn-
ſträhne fortbewegt. Hat man genügend geſtreckt, ſo löſt man die Kuppelung
hierfür aus und nur die Spulen arbeiten weiter.


Um einen auf beiden Seiten gleichmäßigen Glanz zu bekommen, ſind
in derſelben Achſenrichtung wie die Spulen an den beiden breiten Wänden
noch je eine doppelte Meſſingſpule gelagert, über welche die Garnſträhne mit
der Rückſeite laufen. Hat man lange genug transportieren laſſen und glaubt
man, einen genügenden Glanz erreicht zu haben, ſo kuppelt man die Streck-
ſpindel in entgegengeſetzter Weiſe; dadurch geht das Gleitſtück zurück und die
Garnſträhne werden entſpannt; man rückt jetzt ganz aus, öffnet, nimmt die
fertigen Strähne ab und kann gleich wieder von neuem mit der Arbeit be-
ginnen.


Horizontale Streck- und Lüſtriermaſchine (Fig. 138) für Seide ꝛc.,
ſonſt aber wie vorſtehende Maſchine, jedoch horizontal gebaut, und nur für
2 Garnſträhne auf einmal. Die Spulen ſind nicht von Meſſing, ſondern
von Stahl, wovon die feſtgelagerten mit Dampfheizung eingerichtet ſind, beide
Spulen erhalten Antrieb durch Schneckenräder.


Die Streckvorrichtung wird mit der Hand durch ein großes Handrad
betrieben, während der Antrieb der Schneckenwelle mittels Feſt- und Los-
ſcheibe erfolgt oder durch direkte Dampfmaſchine.


Figure 149. Fig. 138.

Horizontale Streck- und Lüſtriermaſchine.


Garnſtärkemaſchine für feinſte Garne (Fig. 139). Das zu
ſtärkende Garn wird auf eine mit Kupfer bezogene Eiſenwalze gehangen,
durch die Stärke gezogen und von einer daraufliegenden Druckwalze ausge-
[458] preßt. Iſt das Garn genügend geſtärkt, ſo wird es durch eine Leitwalze
welche durch Hebel mit einem Fußtritt in Verbindung gebracht iſt, aus der
Stärke gehoben, angeſtrafft und eine Zeitlang mit demſelben Walzenpaar
ausgepreßt. Hierauf nimmt man das Garn von der Walze ab, indem
man die darauf laſtende Preßwalze durch einen Tritt auf einen Fußhebel,
welcher mit derſelben in Verbindung ſteht, abgehoben hat, und führt es durch
ein Quetſchwalzenpaar, wovon die untere Walze mit Kupfer, die obere da-
gegen mit Gummi bezogen iſt. Die ausgequetſchte Flüſſigkeit wird durch
ein Brett wieder in den Stärkekaſten zurückgeführt.


Die Maſchine beſteht aus eiſernem Geſtell mit Lagerungen für die
Stärke- und Gummipreßwalzen, Hebelanordnung für die Leit- und Druck-
walze und Stärkekaſten von Holz mit Ablaßventil.


Figure 150. Fig. 139.

Garnſtärkemaſchine für feinſte Garne.


Garn-Imprägnier- und Stärkemaſchine für Garne in einzel-
nen Pfunden (Fig. 140), beſtehend aus einem mit Kupfer ausgeſchlage-
nen, auf vier gußeiſernen Füßen ruhenden Holzkaſten zur Aufnahme der
Schlichtmaſſe, zu deren Erwärmung ſich in demſelben eine Heizſchlange
befindet. Zum Ablaſſen der Schlichtmaſſe dient ein Meſſingventil. Ober-
halb des Kaſtens befindet ſich eine durch eine Schnur von der Antriebswelle
getriebene Kupferſpule, ſowie zwei Haken, von denen der eine durch ein
Gewicht möglichſt zurückgehalten wird, während der andere an einer Welle
ſitzend, in 2 Lagern ruhend, durch Feſt- und Losſcheibe drehbar reſp. in
Stillſtand zu ſetzen iſt. Letzteres geſchieht durch einen mittels Fußtritt be-
wegbaren Ausrücker. Nachdem das Garn auf der Spule genügend geſtärkt
iſt, wird es mittels 2 Stöcken auf die erwähnten Haken gebracht, der drehbare
in Bewegung geſetzt und das Garn auf dieſe Weiſe ausgewunden. Je nach-
dem man das Gewicht des andern Hakens beſchwert oder erleichtert, wird
das Garn mehr oder weniger gleichmäßig ausgewunden. Die tägliche
Leiſtung dieſer einfachen Maſchine beträgt 400 bis 450 Kilo.


[559[459]]
Figure 151. Fig. 140.

Garn-Imprägnier- und Stärkemaſchine.


Garn-, Bürſt- und Glänz- reſp. Schlichtmaſchinen, für
Baumwollen- und Leinengarne (Fig. 141) in ſtarkem Eiſengeſtelle, in der
Hauptſache beſtehend aus 2 rotierenden, mit Dampf heizbaren kupfernen
Tambours, auf welche die Garne bequem aufgeſteckt reſp. abgenommen wer-
den können, mit 2 rotierenden Haſpeln mit je 3 Stück Bürſten mit Stell-
zeug, ſo daß die Borſten die Garne mehr oder weniger angreifen. Zwiſchen
den Bürſten können auch noch Wachsvorrichtungen angebracht werden.


In gewiſſem Sinne gehört hierher auch die Appretur der Webeketten und
mögen die wenigen in dieſer Richtung gebauten Maſchinen gleich hier noch
Erwähnung finden.


Schlichtmaſchine für Leinen- und Juteketten (Fig. 142 u. 143).


Dieſe Maſchine hat den Zweck, die Ketten zu ſchlichten (ſtärken), trock-
nen und aufzubäumen; meiſtens baut man dieſe doppelſeitig, d. h. ſo, daß
von beiden Seiten die Ketten zugeführt und in der Mitte durch eine Auf-
dockvorrichtung auf einen Baum, welcher für verſchiedene Breiten ſtellbar iſt,
aufgewickelt werden.


Die einzelnen Ketten gehen durch ein Geſchirr, welches das Zuſammen-
laufen derſelben verhindert, dann auf eine Stärkemaſchine mit 2 Walzen,
wovon die untere im Stärketrog läuft und die obere durch Hebel mit Ge-
[460]

Figure 152. Fig. 141.

Garn-, Bürſt- und Glänz- reſp. Schlichtmaſchinen.


wicht auf dieſe gepreßt wird, paſſieren dann nochmals ein Geſchirr und
kommen nun auf 2 übereinander liegende Trockencylinder von 1000 mm
Durchmeſſer und 1600 mm Breite. Dieſe Cylinder ſind auf kleinen Rollen
gelagert, wodurch die ſonſt zu große Zapfenreibung bedeutend vermindert iſt.


Figure 153. Fig. 142.

Kettenſchlichtmaſchine für Jute und Leinen.


[461]
Figure 154. Fig. 143.

Kettenſchlichtmaſchine für Jute und Leinen. (Anderes Syſtem, Durchſchnitt.)


Ganz dicht am unteren Cylinder arbeitet noch ein Windflügel, um auch
die atmoſphäriſche Luft beim Trocknen zu benutzen. Von dieſem Cylinder
geht dann die Kette über Leitwalzen auf den Aufwickelbaum, deſſen Zapfen
ebenfalls auf Rollen gelagert ſind; hat der Baum einen genügenden Durch-
meſſer, ſo wird er auf einen Wagen gehoben und kann ſomit bequem ent-
fernt werden.


§ 34. Appretur der Gewebe.


In noch erhöhterem Maße, als bei Garnen, iſt die Appretur für Ge-
webe von höchſter Wichtigkeit. Die Appretur iſt neben der Farbe heutzutage
ein durchaus maßgebender Faktor, und durch Appretur und Farbe erhalten
die Stoffe hauptſächlich erſt ihren Wert als Handelsware. Der eigentliche
Zweck der Gewebeappretur beſteht darin, den Geweben durch einſeitiges
oder zweiſeitiges Auftragen oder durch vollſtändiges Imprägnieren und
Füllen mit Kleb- und Beſchwerungsſtoffen (Stärken) einen anderen, je nach
Verlangen weicheren oder härteren Griff zu geben, oder dieſelben
für die weiteren Manipulationen vorzubereiten. Neben dem Griff ſpielt
der Glanz eine Hauptrolle. In Bezug auf beide, Griff wie Glanz,
gehen die Anforderungen bei der großen Verſchiedenartigkeit der Gewebe
weit auseinander. Hierzu kommt, daß keineswegs immer die Appretur
beiderſeitig verlangt wird, ſehr oft erſtreckt ſich die Appretur nur auf die
eine Seite. Es ergibt ſich daraus eine große Verſchiedenartigkeit und Viel-
ſeitigkeit der hierfür konſtruierten Maſchinen. Die Maſchinen bezwecken ähn-
liches, wie beim Appretieren der Garne und zwar entweder ein Dämpfen
der Gewebe
zur Erzielung eines weichen Griffes (Dämpfapparate), oder
ein Füllen der Gewebe (Appreturmaſchinen, Stärkmaſchinen), ein Trock-
nen der Gewebe
nach dem Füllen (Cylindertrockenmaſchinen), oder ein
[462]Mangeln reſp. Glätten der Gewebe (Kalander), endlich das Spannen,
Falten und Legen oder Aufwickeln der Gewebe.


Das Dämpfen von Geweben geſchieht in der Weiſe, daß man die
Ware auf den Dämpfcylinder oder auf Dekatierwalzen (Fig. 144) auf-
rollt. Wird ein derartig mit Ware beſchickter Cylinder mittels einer Ver-
bindungsſchraube auf einen paſſenden Fuß aufgeſchraubt, ſo entſteht der
Dekatierapparat (Fig. 145). Es tritt dann durch das Ventil unten
Dampf in den Cylinder. Derſelbe iſt hohl und aus durchlöchertem Kupfer-
blech gearbeitet, ſo daß der Dampf durch die Löcher der Walze in das
Gewebe dringt. Das Dekatieren iſt ſomit ein Hindurchpreſſen heißen Dam-
pfes durch das Gewebe. Ein gleicher Apparat in horizontaler Form iſt
der liegende Dekatierapparat (Fig. 146). — Handelt es ſich jedoch nicht
um eine Dekatur, ſondern um eine Dampfappretur, wie ſolche ſowohl bei
halbwollenen, als baumwollenen und reinwollenen Geweben Verwendung
findet, ſo kommt der


Figure 155. Fig. 144.

Dekatierwalze.


Figure 156. Fig. 145.

Stehender Dekatierapparat.


[463]
Figure 157. Fig. 146.

Liegender Dekatierapparat.


Hochdämpfapparat (Fig. 147) in Anwendung. Ein ſolcher beſteht
aus einem Syſtem von 2 oder mehr Dampfcylindern, welche parallel in
einem gemeinſamen ſchmiedeeiſernen liegenden Cylinder befeſtigt werden.
Dampfzugang und Abgang erfolgt durch die Ventile; die Befeſtigungsweiſe
der einzelnen Cylinder iſt aus der Zeichnung erſichtlich.


Figure 158. Fig. 147.

Hochdämpfapparat.


Dämpfmaſchine (Doodle) (Fig. 148), findet vorwiegend Verwen-
dung für bunte Waren der verſchiedenſten Art, vorzüglich zum Dämpfen,
Trocknen und Lüſtrieren einfach liegender oder doublierter glatter Waren in
rohem Zuſtande oder halbfertiger Appretur.


Die Maſchine beſteht aus dem ſtarken eiſernen Geſtell, dem mit eiſer-
nen Stirnwänden verſehenen Dämpfkaſten mit kupfernen Leitwalzen und zwei
kupfernen Dämpfkaſten für ein- und zweiſeitige Dämpfung.


Die Ware läuft von einer bremsbaren Rolle durch den Kaſten nach
einer mit Dampf geheizten, hohlen Walze von cira 430 mm Durchmeſſer
und von da auf eine mit regulierbarem Hebeldruck belaſtete Aufdockvor-
richtung.


Spann-, Dämpf- und Egaliſiermaſchine von C. H. Weis-
bach
in Chemnitz (Fig. 149). Mit dieſer Maſchine können die verſchieden-
artigſten Gewebe aus Baumwolle, Halbwolle, Wolle, Leinen und Halb-
[464]

Figure 159. Fig. 148.

Dämpfmaſchine (Doodle).


leinen, bunt oder uni gewebt oder gefärbt, z. B. Barchent, Körper, Moles-
kins, Kleiderſtoffe, Merinos ꝛc. behandelt werden. Die Maſchine dient dazu,
die Gewebe in etwas geſpanntem Zuſtande leicht anzudämpfen, um dieſelben
für eine weitere Breitenſpannung gefügiger zu machen und dann in dieſem
Zuſtande ihnen durch etwaiges zweites Dämpfen die ſogenannte Dampfappretur
zu erteilen oder die Waren nur behufs Gewinnung einer größeren Waren-
breite in geſpanntem Zuſtande allmählich wieder zu trocknen. Die Ware
kann je nach dem Effekt, der erzielt werden ſoll, direkt beim Verlaſſen der
Kluppen- oder Nadelkette auf eine Rolle feſt aufgewickelt oder mittels Facher
abgelegt werden.


Hauptbeſtandteile der Maſchine ſind:


Die zu einem ſoliden Geſtell verbundenen Spindelſtänder mit den für
die Breitenſtellung erforderlichen, mit linkem und rechtem Gewinde verſehenen
Schraubenſpindeln, die durch dieſelben mittels Rollenfüßen geführten Ketten-
führungswände mit der Kluppen- oder Nadelkette, die erforderlichen Waren-
einlauf- und Abzugsvorrichtungen für gerollte und getafelte Ware, ein oder
zwei Dämpfkäſten und die je nach der Länge und dem Zweck der Maſchine
erforderliche größere oder kleinere Anzahl Dampfheizungsröhren zum Antrock-
nen der Ware.


[]

Zu Seite 464.


Figure 160. Fig. 149.

Spann-, Dämpf- und Egaliſiermaſchine.


[][][]

Zu Seite 465.


Figure 161. Fig. 150.

Stärkmaſchine für baumwollene Waren.


[465]

Der Antrieb erfolgt durch Räderüberſetzung und ein Friktionsplan-
ſcheibenvorgelege zur Regulierung der Warengeſchwindigkeit.


Das Füllen der Gewebe geſchieht, indem man die Ware in aus-
gebreitetem Zuſtande zunächſt durch die in einem Holzbottich befindliche, vorher
fertig zubereitete Appreturmaſſe, dann zwiſchen Walzen hindurch paſſieren
läßt, welche die Appretmaſſe innig in das Innere des Gewebes hineinpreſſen.
Der Druck, mit welchem die obere Walze auf der unteren laſtet, bewirkt
zugleich ein Ausquetſchen, reſp. ein Entfernen des überſchüſſigen vom Ge-
webe nicht aufnehmbaren Apprets. Eine ſolche


Stärkmaſchine für baumwollene Waren, wie Futterkattun ꝛc.,
zum zweiſeitigen Stärken eingerichtet, zeigt Fig. 150. Die großen Quetſch-
walzen ſind mit Kupfer überzogen und durch Räder verbunden. Die Maſchine
geſtattet bei doppelt überſetztem Hebel- und Schraubendruck eine momentane
Druckentlaſtung, und beſitzt eine Vorrichtung zum Abheben der Oberwalze;
der Holzbottich iſt hoch und tief ſtellbar, mit Kupfer ausgeſchlagen und mit
Dampf heizbar; dazu gehört noch eine darin befindliche, herausnehmbare
Leitwalze oder Haſpel und ein Ablaßhahn. Fig. 151 zeigt dieſelbe Maſchine
im Vertikal-, Längs- und Querdurchſchnitt, insbeſondere iſt in der Zeichnung
links der Weg, welchen die Ware in der Maſchine nimmt, deutlich ſichtbar,
und die Richtung durch Pfeile bemerkbar gemacht.


Figure 162. Fig. 151.

Stärkmaſchine zum zweiſeitig Stärken.


Wenn nur ein dünnes Auftragen der Appreturmaſſe erreicht werden
ſoll, läßt man die Ware nicht durch den Trog mit der Maſſe gehen, ſondern
nur zwiſchen den Walzen hindurch laufen. Die untere derſelben taucht dann
zum Teil in die Maſſe ein und führt bei der Rotation ſo viel Appretur-
maſſe mit ſich, um das Gewebe beim Durchgange durch die Walzen zu
ſtärken. Eine derartige


Zweiwalzige Stärk-, Gummier- oder Leimmaſchine zeigt
Fig. 152 in Geſamtanſicht, Fig. 153 im Vertikal-, Quer- und Längsdurch-
ſchnitt, aus deren erſteren insbeſondere der Lauf der Ware beim Stärken
deutlich erkennbar iſt.


Ganswindt, Färberei. 30
[466]
Figure 163. Fig. 152.

Gummiermaſchine.


Figure 164. Fig. 153.

Stärkmaſchine (zweiwalzig).


Friktions-Stärkemaſchinen nach engliſchem Syſtem (Fig. 154).
Dieſelben dienen hauptſächlich zum intenſiv einſeitig Stärken mit dicker Stärke.
Sie unterſcheiden ſich von den bisher beſchriebenen vornehmlich durch eine
im Troge ſich drehende Ahornwalze von circa 60 cm Durchmeſſer und eine
darauf liegende friktionierende maſſive Meſſingwalze. Die Ware geht
[467] nicht zwiſchen den beiden Walzen hindurch, ſondern nur über die meſſingene
Friktionswalze; dadurch wird die Appreturmaſſe infolge der Spannung des
Gewebes einſeitig gegen letzteres gepreßt. Dieſelbe Maſchine, mit einer
eigenen kleinen Dampfmaſchine verſehen, zeigt Fig. 155.


Figure 165. Fig. 154.

Friktions-Stärkemaſchine.


Figure 166. Fig. 155.

Friktions-Stärkemaſchine.


30*
[468]

Stärkemaſchine mit Riemenfriktion der Zittauer Maſchinen-
fabrik und Eiſengießerei Fig. 156 für Shirting, baumwollene Futterſtoffe,
vornehmlich zum zweiſeitig Stärken eingerichtet, aber auch für einſeitig Stärken
verwendbar. Die Maſchine charakteriſiert ſich durch eine eiſerne (oder beim
einſeitig Stärken durch eine größere hölzerne) Unterwalze von circa 20 cm
Durchmeſſer, eine darauf liegende Friktionswalze mit maſſivem Meſſing-
mantel und durchgehende maſſive Welle, mit Juſtierſchrauben und mit
Hebeldruck durch ſchiebbare Gewichte zum Belaſten reſp. Entlaſten; ſie beſitzt
auf der Wareneingangsſeite eine Bremsvorrichtung, einen gereiften metalle-
nen Breithalter und einen durch Stirnräder angetriebenen Lattenhaſpel im
Stärketrog, auf der Ausgangsſeite eine oben liegende meſſingene Leitwalze
und eine Aufwickelvorrichtung.


Figure 167. Fig. 156.

Stärkmaſchine mit Riemenfriktion.


Das Einſprengen der Gewebe bezweckt ein Beſpritzen der geſtärkten
Gewebe mit Waſſer oder mit einer dünnen Stärke-, Gummi- oder Leimlöſung
und zwar nur von einer Seite oder von beiden Seiten. Das eigentliche Krite-
rium des Einſprengens beſteht in der Zuführung der Flüſſigkeit in Form
eines feinen Staubes oder Nebels; es bezweckt ein Weichmachen der durch
das Stärken hart gewordenen Gewebe, um ſie für das Mangeln geeignet
zu machen. Dieſem Zwecke dient die


Einſprengmaſchine mit Ventilator (Fig. 157), vorzüglich für
Baumwollwaren aller Art, bei welcher die Einſprengflüſſigkeit durch einen
mittels Ventilator erzeugten Luftſtrom aus feinen Röhrchen zerſtäubt an die
Ware geblaſen wird. Wenn zweiſeitiges Einſprengen der Gewebe erforder-
lich iſt, beſitzt die Maſchine auch zwei Waſſerkäſten und in jedem derſelben
ein doppeltes Düſenſyſtem. Fig. 158 zeigt einen Längsſchnitt der gleichen
Maſchine nach dem Syſtem der Zittauer Maſchinenfabrik. Bei dieſer Maſchine
findet das Einſprengen von unten ſtatt. Der Weg der Ware durch die
Maſchine iſt durch Pfeile angedeutet. Die zum Einſprengen dienende
Flüſſigkeitsmenge iſt in beiden Maſchinen regulierbar.


[469]
Figure 168. Fig. 157.

Einſprengmaſchine mit Ventilator.


[470]
Figure 169. Fig. 158.

Einſprengmaſchine mit Ventilator (Längsſchnitt).


Einſprengmaſchine mit Marmor- und Bürſtenwalze (Fig. 159).


Die Einſprengmaſchine mit Marmor- und Bürſtenwalze dient den
gleichen Zwecken, dieſelbe ſpritzt infolge des gleichmäßigen von der Höhe des
Waſſerſtandes unabhängigen Annetzens der Marmorwalze ebenſo gleichmäßig
ein, als ein Ventilatoreinſprenger und hat gegen dieſen den Vorteil des
leichteren, ruhigeren Ganges und der größeren Zuverläſſigkeit, da Verſtopfungen
nicht vorkommen können. Die Maſchine dient beſonders für Baumwoll- und
Leinenwaren; der integrierende Beſtandteil iſt die in einem mit Zinkblech
ausgeſchlagenen Waſſerkaſten ſchnell rotierende Bürſtenwalze und der im
Waſſer laufenden verſtellbaren Waſſerzuführungs- (Marmor-) Walze. Das
Weitere ergibt ſich ohne weitere Erklärung aus der Zeichnung.


Figure 170. Fig. 159.

Einſprengmaſchine mit Marmor- und Bürſtenwalze.


[471]

Das Mangeln der Gewebe iſt ein Rollen derſelben unter Druck
ohne Erwärmen und bezweckt die Erzeugung von Glätte und Glanz. Der
einfachſte hierfür verwendbare Apparat iſt die


Zeugmangel nach engliſchem Syſtem, wobei die Ware auf
2 Rollhölzer gewickelt und durch Hin- und Herbewegen eines belaſteten
Kaſtens geglättet wird. (Fig. 160.)


Figure 171. Fig. 160.

Zeugmangel.


An Stelle der Raum beanſpruchenden Mangeln ſind längſt die Ka-
lander
getreten. Die Kalander dienen zum Glätten von baumwollenen,
halbwollenen, wollenen, ſeidenen, leinenen, halbleinenen und Jute-Geweben.
Der Hauptbeſtandteil eines jeden Kalanders iſt eine heizbare Walze von
Hartguß oder Gußeiſen. Die einfachſte Form eines Kalanders, für kleinere
Geſchäfte beſonders geeignet, iſt in Fig. 160 wiedergegeben; der verſtellbare
Preßcylinder wird mit heißer Luft, Dampf oder Gas geheizt. Als Gegen-
druck dient die auf maſſivem Eiſengeſtell liegende Tiſchplatte. Die Walze
wird mittels überſetzter Räder durch ein Schwungrad angetrieben. Bei
allen andern Kalandern wird die Tiſchplatte durch zwei oder mehr Walzen
erſetzt. Je nach dem Zwecke, welchem dieſe Maſchinen dienen, und je nach dem
Effekt, welchen ſie auf der Ware erzeugen ſollen, unterſcheidet man in der
Hauptſache 2 Arten und zwar: Roll-Kalander und Friktions-Kalander.

Figure 172. Fig. 161.

Einfacher Kalander.


[472] Die Roll-Kalander enthalten außer der heizbaren Stahlgußwalze noch 1 bis
6 Papierwalzen. Der einfachſte Roll-Kalander dieſer Art iſt der


Zweiwalzige Kalander mit Gasheizung (Fig. 162) beſtehend aus
einer Papierwalze und dem darauf liegenden Heizcylinder, welcher in Stahl-
rolle läuft und direkt durch Riemenſcheiben angetrieben wird, mit Hebel-
druckvorrichtung, Excenterauslöſung, Waren-Auf- und -Abwickelung und
meſſingene Leitwalzen.


Figure 173. Fig. 162.

Zweiwalziger Kalander mit Gasheizung.


Dreiwalziger Kalander mit Gasheizung, namentlich für ſei-
dene und halbſeidene Waren. Dieſer hat eine durch Gas heizbare
mittlere Stahlgußwalze von circa 20 cm und 2 Papierwalzen von circa
40 cm Durchmeſſer, ferner Hebeldruck und eine Vorrichtung zum augen-
blicklichen Abheben der Walzen vom Cylinder. — Der normale


Roll-Kalander (Fig. 163) beſteht aus einem heizbaren, polierten
Stahlgußcylinder als Mittelwalze, und zwei Papierwalzen mit ſtarken eiſer-
nen Achſen und Stahlböden. Die Umfangsgeſchwindigkeit ſämtlicher Roll-
Kalander iſt eine gleiche, da nur eine Walze angetrieben wird und die anderen
von dieſer mitgenommen werden; daher iſt auch die Geſchwindigkeit der die
Maſchine paſſierenden Waren eine gleiche, wie die der Walzen. Der nor-
male Roll-Kalander beſitzt einen Warenſpanner, geriefte Breithalter, Waren-
Auf- und -Abwickelvorrichtung, Dampfabſtellung und Kondenſiertopf; der An-
trieb erfolgt durch Rädervorgelege mit Feſt- und Losſcheibe.


Friktions-Kalander (Fig. 164) unterſcheiden ſich von den gewöhnlichen
Roll-Kalandern dadurch, daß die Umfangsgeſchwindigkeit der Walzen untereinan-
der eine verſchiedene iſt. Die untere Walze erhält die Geſchwindigkeit des Gewe-
bes, während der heizbare Hartgußcylinder mit einer größeren Umfangsgeſchwin-
digkeit arbeitet, ſo daß das zwiſchen dem Papier und dem Hartgußcylinder
paſſierende Gewebe geglättet wird. Die Friktionskalander dienen daher zur
[]Zu Seite 472.

Figure 174. Fig. 163.

Roll-Kalander.


[][][]
Figure 175. Fig. 165.

Univerſal-Kalander. Vorderanſicht.


[][]

Zu Seite 473.

Figure 176. Fig. 166.

Univerſal-Kalander. Seitenanſicht.


[473]Erzeugung von hohem Glanz auf der Ware z. B. für Kattune, Bett-
zeuge, Baumwoll-Futterſtoffe, Buchbinderleinen ꝛc. Sie beſitzen 2 Stahlguß-
walzen, von welchen die obere heizbar iſt, mit einer dazwiſchen liegenden
Papierwalze. Durch Anſtecken von Wechſelrädern kann die zwiſchen dem
Gewebe und dem Hartgußcylinder erzeugte Friktion durch Anſtecken von
Wechſelrädern erhöht oder vermindert werden und iſt ſonach die Möglichkeit
geboten, die Höhe der Satinage dem Bedarfe anzupaſſen.


Figure 177. Fig. 164.

Friktions-Kalander.


Univerſal-Kalander (Fig. 165 Vorderanſicht, Fig. 166 Seitenan-
ſicht) iſt ein kombinierter Roll- und Friktions-Kalander mit 4 Wal-
zen und zwar einer ſtarken eiſernen, unten liegenden Tragwalze, einer
darüber liegenden Papierwalze, dem heizbaren Hartgußcylinder und einer
oberen Papierwalze. Durch einfache Ausrückung der Friktion, d. h. durch
Abziehen des die verſchiedene Umfangsgeſchwindigkeit der Walzen hervor-
bringenden Rades, kann dieſer Friktions-Kalander auch als gewöhnlicher Roll-
kalander benutzt werden. Die Univerſal-Kalander werden vornehmlich für
ſtarke Stoffe und große Warenbreiten verwendet.


Großer Kalander mit 5 Walzen (Fig. 167 a und b) für leinene
und Juteſtoffe. Von 5 übereinanderliegenden Walzen iſt die mittelſte und
zugleich kleinſte ein heizbarer Stahlgußcylinder, die beiden großen über und
unter dieſen befindlichen ſind Papierwalzen, und zu unterſt und oberſt iſt
wieder eine eiſerne Walze, wo dann die oberſte auch zum Aufdocken der
Ware unter Druck eingerichtet iſt und dadurch gewiſſermaßen die Kaſten-
mangel erſetzt. Der Heizcylinder wird mittels doppeltem Friktionskonus durch
offene und geſchränkte Riemen angetrieben, ſo daß er ebenſogut links als
rechts herumlaufen kann.


[474]
Figure 178. Fig. 167.

Großer Kalander mit 5 Walzen.


Moirée-Kalander (Fig. 168) für Bänder zum Moirieren beſtehen
aus zwei heizbaren gravierten Meſſingcylindern und einer kleinen zwiſchen-
liegenden Papierwalze mit Hebeldruck.


Figure 179. Fig. 168.

Moirée-Kalander.


Spezial-Kalander (Fig. 169) mit 4 Walzen dienen vorzüglich
zur Herſtellung einer matten, reſp. ſtumpfen Appretur, namentlich zum
Fertigappretieren halbſeidener Satins; ſie beſtehen aus einem oben und einem
unten liegenden Heizcylinder aus Stahlguß und 2 in der Mitte liegenden
Papierwalzen, zwiſchen welchen die Ware paſſiert, ohne die Heizcylinder zu
berühren.


[475]
Figure 180. Fig. 169.

Spezial-Kalander mit 4 Walzen.


Water-Kalander (Fig. 170, 171 u. 172) ſind Kalander mit 2 oder
3 Walzen, von denen eine eine heizbare mit Meſſing überzogene eiſerne
Cylindergußwalze, die zweite reſp. die zweite und dritte Cokosfaſer- oder
Jutewalzen ſind; im letzteren Falle liegt der heizbare Cylinder in der
Mitte.


Figure 181. Fig. 170.

Water-Kalander, Geſamtanſicht.


[476]
Figure 182. Fig. 171.

Water-Kalander, zweiwalzig.


Figure 183. Fig. 172.

Water-Kalander, dreiwalzig.


Die letzten mechaniſchen Operationen der Appretur ſind das Appret-
brechen, Ausbreiten, Waſchen, Aufſchlagen, Durchſehen, Doublieren und
(wofern nötig) Gauffrieren. — Zum Weichmachen hart appretierter, insbe-
ſondere baumwollener, halbleinener und leinener Gewebe und gleichzeitig, um
dieſelben etwas auszubreiten, dient die


Appretbrech- und Ausbreitmaſchine (Fig. 173). Dieſelbe be-
ſteht aus dem ſtarken eiſernen Geſtell, den 2 ſauber gedrehten und ſauber ge-
ſchmirgelten, ringförmig kannelierten eiſernen Walzen. Die durch die Kannelierung
entſtandenen Ringe der einen Walze greifen in die entſtandenen Vertiefungen
der anderen. Beide Walzen ſind mit Schlauchgummi überzogen. Die Be-
[477] feſtigung der Ueberzüge iſt derartig, daß dieſelben bei erfolgter Dehnung
leicht nachgezogen werden können.


Die Walzen ſind durch ein Handrädchen und Schraubenſpindeln mehr
oder weniger ineinander oder auseinander zu ſtellen, je nachdem ein ſtärkeres
oder ſchwächeres Brechen des Apprets oder Strecken der Ware erfolgen ſoll.
Die übrigen Teile der Maſchine ſind: eine Einlaßvorrichtung für gerollte
und getafelte Ware, eine feſte Aufwickelvorrichtung und ein Abtafelwerk.


Der Antrieb erfolgt durch Los- und Feſt-Riemenſcheibe mit Ausrücker.


Figure 184. Fig. 173.

Appretbrech- und Ausbreitmaſchine.


[478]

Die Meß- und Aufſchlagmaſchine (Fig. 174) hat den Zweck,
die Ware zu meſſen und gleichzeitig auf Brettchen, Pappen, oder über
Rahmen flach aufzuwickeln oder auf Stäbe zu rollen, oder mittels Fach-
apparat abzutafeln. Die Stoffe paſſieren beim Einlauf zunächſt Spannſtäbe,
welche einen freihängenden, verſtellbaren Rahmen bilden in der Weiſe, daß
der die Maſchine bedienende Arbeiter die Ware gleichzeitig durchſehen kann.
Von hier läuft die Ware über eine metallene mit Tuch überzogene Walze,
auf deren Welle eine Schnecke ſitzt, die in eine meſſingene Zählſcheibe greift,
auf welcher das Maß in Meter und Dezimeter eingraviert iſt. Die Auf-
ſchlagmaſchine wird von beiden Seiten durch Räder getrieben, ſo daß ſelbſt
bei Anwendung ſchwacher Brettchen oder Pappdeckel kein Verdrehen ſtattfinden
kann.


Figure 185. Fig. 174.

Meß- und Aufſchlagmaſchine.


[479]

Filz-Kalander zählen nicht zu den eigentlichen Kalandern, ſondern
ſie ſind Trockenmaſchinen und zwar vorzugsweiſe für Tibets, Kaſimir und
Kammgarnſtoffe, wie überhaupt für alle Arten von Woll- und Halbwoll-
waren (ſie gehören daher genau genommen an das Ende von § 31, S. 450).
Ein ſolcher beſteht aus einem heizbaren Kupfer- oder Stahlblechcylinder mit
ſchmiedeeiſernen, gut verankerten Böden und vollſtändiger Dampfheizungs-
Armatur, mit darüber geſpanntem endloſem Filztuche, welches die zu trock-
nende Ware glatt und mehr oder weniger feſt an die Trommel andrückt,
ſo daß erſtere während des Trocknens ſich nicht zuſammenziehen kann. Dieſe
Filz-Kalander werden gewöhnlich mit einem Breitſpannapparat und wohl auch
mit einer Vortrockenmaſchine verbunden. Einen Filz-Kalander mit
Breitſpannapparat
der Zittauer Maſchinenfabrik zeigt Fig. 175.


Figure 186. Fig. 175.

Filz-Kalander mit Breitſpannapparat.


Eine Appretur-Maſchine ſpeziell für Seidengewebe iſt die


Seidenappretur- und Trockenmaſchine Fig. 176. Dieſelbe
beſteht aus einer großen kupfernen, meiſt verzinnten Trockentrommel nebſt
großem Gummierkiſſen mit verſtellbarem Ueberzug und Glas- oder Meſſing-
rakeln. Durch Stirnrädervorgelege und Friktionsſcheibenantrieb wird eine
variable Geſchwindigkeit erzielt. Die Maſchine iſt gewöhnlich ſo angeord-
net, daß die gummierte Seite der Ware vor der vollkommenen Trocknung
keine Leitwalze paſſiert.


[480]
Figure 187. Fig. 176.

Seidenappretur- und Trockenmaſchine.


Meß- und Legemaſchine, Fig. 177 und 178, zum Meſſen und
Legen von Waren aller Art in Faltenlagen nach Maß. Dieſe Maſchine
geſtattet zugleich ein Durchſehen der Ware während des Legens und iſt mit
Zählapparat und allem maſchinellen Zubehör verbunden. Fig. 177 iſt die
Geſamtanſicht, Fig. 178 der Durchſchnitt.


Figure 188. Fig. 177.

Meß- und Legemaſchine, Geſamtanſicht.


[481]
Figure 189. Fig. 178.

Meß- und Legemaſchine, Vertikalſchnitt.


Doubliermaſchine zum Doppeln, Ablegen oder Aufwickeln von ge-
webter Ware, Fig. 179.


Figure 190. Fig. 179.

Doubliermaſchine.


Ganswindt, Färberei. 31
[482]

Die Maſchine beſteht in der Hauptſache aus drei Teilen: dem Ständer
mit Leitwalzen und Zuführungstiſch für die einfache Ware, der eigentlichen
Doubliermaſchine mit Ableg- und Aufwickelvorrichtung und dem Friktions-
vorgelege.


Der Ständer für die einfache Ware iſt ſo eingerichtet, daß ſowohl vom
Stoße, als auch von der Walze weg gearbeitet werden kann; die im Stän-
der befindlichen Leitwalzen dienen dazu, die Ware in gewünſchter Spannung
zu erhalten und dieſelbe glatt auf den in ſchräger Ebene liegenden Zufüh-
rungstiſch zu führen. Dieſer Tiſch hat an ſeinem unteren Teile die volle
Warenbreite, während er nach oben nahezu in eine Spitze ausläuft. Das
zu doublierende Gewebe, welches über die Mitte dieſes Tiſches gezogen iſt,
fällt an dem ſchmalen Ende desſelben an beiden Seiten mit ſeinen Leiſten
gleichmäßig abwärts, während die Gewebemitte bis zur höchſten Tiſchkante
und dem ſich daran ſchließenden Führungsſtück anſteigt, wodurch ein allmäh-
liches Zuſammenlegen des Gewebes erreicht wird. Ein Paar ebenfalls in
ſchräger Lage angeordnete eiſerne Lineale, zwiſchen welchen die nun bereits
gedoppelte Ware hindurch geht, leiten dieſelbe nach zwei eiſernen Zugwalzen,
die den Bruch ſcharf drücken. Hiernach wird das doublierte Gewebe durch
einen Legapparat in Falten abgelegt oder auf einen eiſernen Stab exakt auf-
gewickelt.


Um nun die zu doublierende Ware bei ihrem Uebergange vom Tiſch
nach den ſchräg liegenden Linealen ſo führen zu können, daß ſich die beiden
Gewebeleiſten genau treffen, iſt die Maſchine mit einer ſehr bequemen hand-
lichen Stellvorrichtung verſehen, die der Arbeiter vom Arbeitsort aus diri-
giert und die ein ſo exaktes Doublieren ermöglicht, wie es beim Doppeln mit
der Hand nicht zu erreichen iſt. Außerdem befindet ſich direkt beim Stand-
orte des Arbeiters ein Tritthebel, durch welchen die Maſchine momentan in
und außer Betrieb geſetzt werden kann und iſt die Maſchine mit Friktions-
vorgelege für ſchnelleren und langſameren Gang ausgeſtattet.


Walzenpreſſe, Fig. 180.


Die Walzenpreſſe dient zum kontinuierlichen Preſſen von Geweben der
verſchiedenſten Art, beſonders von halb- und ganzwollenen Waren, ferner
zum Niederlegen des Flors bei Plüſchen ꝛc. und beſteht aus kräftigen eiſer-
nen Lagerſtändern, in welchen eine ſehr ſtarke eiſerne, mit Dämpfen heiz-
bare Mulde feſt gelagert iſt. Die erwähnte Mulde iſt an ihrer oberen
Seite halbrund ausgedreht, mit ſehr ſtarkem Meſſing ausgelegt, hierauf
wiederum ausgedreht und ausgeſchliffen.


Oberhalb der Mulde iſt eine ſtarke eiſerne, ebenfalls mit Dampf
heizbare, ſauber gedrehte und mit kräftigem Filzüberzug verſehene Walze in
Hebeln gelagert und ſind dieſe Hebel durch Zugſtangen mit Handrädern mit
einer ſtarken, leicht lösbaren Hebelüberſetzung in Verbindung gebracht, derge-
ſtalt, daß der auf die Walze und infolgedeſſen auch auf die Mulde auszu-
übende Druck nach Erfordernis erhöht oder vermindert werden kann. Die
oberen, die Walze tragenden Hebel ſind mit einer Vorrichtung verſehen, um
die Walze nach Löſung der Zugſtangen von den unteren Belaſtungsobjekten
von der Mulde abheben zu können. Außerdem iſt die Maſchine mit Brems-
riegeln, einer Bürſtenwalze zum Strichlegen des Haares, einem Leitriegel
und einem direkt vor der Mulde angebrachten kupfernen Dampfkaſten zum
[483] Andämpfen der Ware, ſowie mit einer Abzug- und Aufwickelvorrichtung ver-
ſehen, ſo daß die Ware alſo entweder aufgewickelt, oder auch einfach in
Falten gelegt werden kann.


Figure 191. Fig. 180.

Walzenpreſſe.


Eine verbeſſerte Cylinderpreſſe mit zwei Mulden zeigt Fig. 181
in Geſamtanſicht, Fig. 182 im Durchſchnitt.


Figure 192. Fig. 181.

Cylinderpreſſe mit zwei Mulden, Geſamtanſicht.


31*
[484]
Figure 193. Fig. 182.

Cylinderpreſſe mit zwei Mulden, Durchſchnitt.


Die Preßmulden M, M1 liegen in den Hebelarmen B, B1, welche durch
Federn F verbunden ſind. Durch eine Mutter m und ein am gegenüber-
liegenden Ende der Federn aufgeſchraubtes Schneckenrad n werden die Hebel-
arme mit den Mulden gegen den Cylinder C gepreßt. Durch ein Hand-
rad T können mittels einer Schnecke die Schneckenräder n bewegt und der
Druck der Mulden gegen den Cylinder gleichmäßig beliebig erhöht oder ver-
mindert werden. Zwiſchen den Mulden und dem Cylinder liegt der neu-
ſilberne Preßſpan Y, welcher auf der Eingangsſeite an der oberen Kante
der Mulde M befeſtigt iſt. Die zu preſſende Ware liegt auf dem Boden-
brett und geht dem Pfeile nach über die Stellriegel o an die Bürſtenwalze Z,
durch die Verbindungsriegel V, um die Welle i, über die Bremswelle K,
[485] um die Welle P, über den Dampfapparat D hinweg zwiſchen die Mulden
und den Cylinder, welcher die Ware unter Druck und Hitze an den fein
polierten Preßſpan hinführt. Die fertig gepreßte Ware geht ſodann über
die Welle P und fällt über den Täfelapparat f zu Boden.


Die Maſchine kann auch außerdem, je nach Bedürfnis, mit einem Breit-
halter, Aufwickelapparat, oder mit einer Abkühlvorrichtung verſehen werden.


Für den Zweck, Waren mit ſtarken Leiſten zu preſſen, erhält die Ma-
ſchine die Vorrichtung, den Cylinder je nach Breite der zu preſſenden Waren
verſtellen zu können, wobei die ſtärkeren Leiſten auf beiden Seiten ungepreßt
laufen.


Dieſe Maſchine hat der einmuldigen Cylinderpreſſe gegenüber den großen
Vorteil, daß der Druck gleichmäßig von beiden Seiten auf den Preßcylin-
der erfolgt, daß daher ein Durchbiegen des Cylinders, ſowie ein ſchädlicher
Druck auf deſſen Zapfen und Lager unmöglich iſt und infolgedeſſen ein weit
ſtärkerer Druck damit erzielt werden kann.


Dieſe Maſchine hat ferner den großen Vorzug, daß der Durchmeſſer
des Preßcylinders vergrößert iſt, wodurch die Ware einen viel größeren
Weg unter Druck und Wärme zurücklegt, als es bei den Maſchinen mit
einer Mulde möglich iſt, und wodurch ein viel dauerhafteres und ſchöneres Preſ-
ſen oder entſprechend größere Produktion erzielt wird. Auch fehlt bei die-
ſer verbeſſerten Maſchine der Filzüberzug.


Um die Ware für die Ablieferung in die hierfür gewünſchte Form zu
bringen, dienen:


Hydrauliſche Dampfpreſſe Fig. 183.


Die nachſtehend abgebildete Preſſe dient hauptſächlich zum Heißpreſſen
von Baumwoll-, Halbwoll- und auch Wollſtoffen. In der Preſſe befinden
ſich 20 bis 24 im Innern mit Kanälen verſehene ſchmiedeeiſerne Platten,
welche ſeitlich gut geführt durch einen beſonderen Hebel- und Aufzugsmecha-
nismus ſchnell und leicht voneinander abhebbar ſind behufs leichter Ein-
bringung der zu preſſenden und eingeſpänten Ware.


Sämtliche Platten ſind im Innern mit Kanälen verſehen, demzufolge
hat auch jede Platte einen Eintritts- und einen Austrittsſtutzen.


Mit allen dieſen Stutzen in Verbindung ſteht direkt ein teleſkopartiges
(fernrohrähnliches) Röhrenſyſtem, eine Dampfrohr- beziehentlich eine Kalt-
waſſerleitung, ſo daß nach Belieben die Preßplatten erwärmt oder abge-
kühlt werden können.


Gewöhnliche hydrauliſche Preſſe Fig. 184.


Dieſe Preſſe dient vornehmlich zum Preſſen baumwollener, leinener und
halbleinener Waren, welche im Stück kalt gepreßt werden und legt man
dann zwiſchen die einzelnen Stücke hölzerne Preßplatten ein.


In etwas veränderter Weiſe findet dieſe Preſſe ſehr vorteilhafte Ver-
wendung als Ballenpreſſe für Export.


Bei Ballenpreſſen ordnet man auf den Breitſeiten der Preſſe Füh-
rungsſchienen an, dieſe Führungsſchienen ſind auf der vorderen Seite durch
Kontregewichte balanciert und bei Herausnahme des Ballens leicht zu ent-
fernen; die Schienen geben dem Ballen eine beſtimmte Form. Außerdem
[486] ſind im Kopf und Tiſch korreſpondierend Nuten eingehobelt, welche bei einer
Verpackung mit Stoff ꝛc. ein leichtes Umlegen von Bandeiſenreifen oder
Stricken geſtattet.


Figure 194. Fig. 183.

Hydrauliſche Dampfpreſſe.


Figure 195. Fig. 184.

Gewöhnliche hydrauliſche Preſſe.


Figure 196. Fig 185.

Preßpumpe.


[487]

Die vorſtehend abgebildete Preßpumpe Fig. 185 bildet ebenfalls einen
wichtigen Teil der hydrauliſchen Preſſen, und da dieſelbe bei verhältnismäßig
geringer Dimenſion einen ſehr großen Druck abzuhalten hat, ſo iſt von der
vorzüglichen Ausführung derſelben alles abhängig.


Dieſe Pumpen beſitzen einen gußeiſernen Waſſerkaſten, einen Pumpen-
körper aus Rotguß, einen großen und einen kleinen Kolben, erſteren zum
Füllen und letzteren zum Drücken, und iſt der erſtere Kolben mit einem
Akkumulator und ſelbſtthätiger Ausrückung verſehen.


Die in dieſem Abſchnitt beſchriebenen Maſchinen werden von einer be-
ſchränkten Anzahl von Fabriken gefertigt. Denjenigen dieſer Fabriken, welche
mich bei der Abfaſſung dieſes Buches durch Rat und Auskunft, durch Zeich-
nungen u. dergl. Unterlagen unterſtützt haben, fühle ich mich zu beſonderem
Danke verpflichtet. Da ich überdies Gelegenheit hatte, die Fabrikate dieſer
Firmen in der Praxis in Thätigkeit kennen zu lernen, ſowie auch neuerdings
in den Werkſtätten einiger dieſer Etabliſſements verſchiedene dieſer Maſchinen
in fertiger Zuſammenſtellung, wie in ihren einzelnen Teilen ausführlich zu
beſichtigen, ſo vermag ich die nachſtehend (in alphabetiſcher Reihenfolge) ge-
nannten Fabriken als Bezugsquellen für die in dieſem Buche beſchriebenen
Maſchinen aus Ueberzeugung zu empfehlen:


  • Ernſt Geßner in Aue i/S. Spezialität: Walzenpreſſen, Spannrahmen,
    Cylinderwalken.
  • C. G. Hauboldtjun. in Chemnitz. Spezialität: Maſchinen für Färberei,
    Bleicherei und Appretur.
  • Gebr. Heine in Vierſen (Rheinpreußen). Spezialität: Centrifugal-
    Maſchinen und Indigo-Reibmaſchinen.
  • F. G. Rühmkorff \& Comp. in Hannover. Spezialität: Einfache Ma-
    ſchinen für den Kleinbetrieb.
  • C. H. Weisbach in Chemnitz. Spezialität: Maſchinen für Bleicherei,
    Färberei und Appretur.
  • A. Wever \& Comp. in Barmen. Spezialität: Maſchinen für Türkiſch-
    rot-Färbereien.
  • Zittauer Maſchinenfabrik und Eiſengießerei, vorm. Albert Kiesler
    \& Comp
    . in Zittau. Spezialität: Maſchinen für Bleicherei,
    Färberei und Appretur.

[[488]]

Die chemiſchen Färbereiarbeiten.


Nachdem wir uns im vorigen Hauptabſchnitt mit den mechaniſchen
Arbeiten, welche bei der Färberei und den damit zuſammenhängenden Ge-
weben vorkommen, vertraut gemacht haben, ſoll der nunmehrige Hauptab-
ſchnitt die chemiſchen Arbeiten des Färbeprozeſſes behandeln, d. h. die
chemiſchen Beziehungen zwiſchen Farbſtoff und Gewebefaſer und wie dieſelben
zur Erzeugung von Färbungen zu verwerten ſind.


§ 35. Theorie des Färbens.


Iſt das Gefärbtwerden von Gewebefaſern durch Farbſtoffe ein bloß
mechaniſcher Prozeß oder ein chemiſcher? Dieſe Frage iſt in der neueren Zeit
mehrfach aufgeworfen, aber noch nicht klar beantwortet werden. Es gibt
eine Anzahl von Thatſachen, welche den Vorgang als einen rein mechani-
ſchen
erſcheinen laſſen; dagegen ſprechen wieder andere Momente dafür, daß
das Färben ein chemiſcher Prozeß ſei. Ich werde die beiden ſich direkt
widerſprechenden Theorien hier entwickeln und es dem Leſer überlaſſen, ſich
für diejenige Theorie zu entſcheiden, welche ihm am meiſten zuſagt. Ich
will jedoch vorweg bemerken, daß es bei der Verſchiedenartigkeit unſerer
Farbſtoffe unthunlich erſcheint, eine ganz allgemein gültige Theorie aufzu-
ſtellen.


Die mechaniſche Theorie des Färbens lehrt, daß zwiſchen der Ge-
webefaſer und den Farbſtoffen irgend welche chemiſchen Beziehungen oder
Verwandtſchaft nicht beſtänden; haftet mithin ein Farbſtoff an einer Faſer,
ſo iſt dieſes Anhaften ein rein mechaniſches, und ſowohl die Faſer, wie der
Farbſtoff, bleiben in ihrem Weſen und in ihren Eigenſchaften unverändert.
Die Färbung der Faſer wäre demnach eine reine Oberflächenanziehung,
welche durch die Kapillarität augenſcheinlich begünſtigt wird. Für die ſoge-
nannten adjektiven Farben, d. h. jene, welche nur mit Hilfe einer Beize auf
der Faſer befeſtigt werden können, welche alſo in den Zellräumen der Ge-
webefaſer unlösliche Farblacke bilden, ebenſo für die indifferenten Farben, wie
Indigo, und die Mineralfarben, leuchtet das ohne weiteres ein; dagegen fällt
es ſehr ſchwer, die Färbung durch ſubſtantive Farben vermittelſt der mechani-
ſchen Theorie erklären zu wollen.


[489]

Die chemiſche Theorie des Färbens betrachtet das Färben als einen
chemiſchen Vorgang, d. h. als eine Verbindung von Faſer und Farbſtoff.


Der Leſer wird nicht ohne Grund erwarten, daß ich auch meine Mei-
nung ausſpreche, zumal ich mein Scherflein dazu beigetragen habe, der Löſung
dieſer Frage experimentell näher zu kommen. Meine Anſchauung iſt, daß
beide Theorien bedingungsweiſe Recht haben. Solche Färbungen, welche,
wie die mit Indigo, alſo lediglich durch Flächenattraktion oder Adhäſion an der
Faſer haften, ſind rein mechaniſche Vorgänge; diejenigen, welche ſich beim
Färben mittels Beizen abſpielen, ſind gemiſchte Vorgänge, d. h. chemiſche
Vorgänge, welche ſich im Innern der Gewebefaſer oder auf deren Ober-
fläche abſpielen, ohne daß dabei die chemiſche Natur der Gewebefaſer ſelbſt
affiziert wird. Der Prozeß beim Färben mit ſubſtantiven Farben iſt ein
rein chemiſcher.


Wenn die von Walter Crum begründete mechaniſche Theorie des
Färbens, für die ja manches ſpricht, auf der Flächenanziehung beruhte, alſo
auf rein phyſikaliſchen Prinzipien, dann ſollte man erwarten, daß die Farb-
ſtoffe ſich gegen alle Gewebefaſern gleich verhalten. Das iſt aber nicht der
Fall. Hängt man in eine Fuchſinlöſung kleine Proben von Wolle, Seide,
Baumwolle und Leinen, ſo werden die beiden erſtern nach einiger Zeit, be-
ſonders nach vorhergegangenem Erwärmen, deutlich gefärbt erſcheinen, die
beiden letzteren hingegen erſcheinen nur ſchwach gefärbt, und die ſchwache
Färbung verſchwindet beim Spülen mit Waſſer vollſtändig; die Färbung
von Wolle und Seide iſt aber auch durch fortgeſetztes Spülen nicht zu ent-
fernen. — Wiederholen wir denſelben Prozeß mit einer Kanarinlöſung, ſo
färbt ſich auch ohne Kochen die Baumwoll- und Leinenfaſer intenſiv gelb,
Wolle und Seide dagegen bleiben auch beim Kochen ungefärbt. Hier tritt alſo
der umgekehrte Fall ein. Und doch iſt in beiden Fällen die Flächenwirkung die-
ſelbe, und ebenſo die Kapillarität. Wäre das Färben ein mechaniſcher Prozeß,
ſo müßten in beiden angeführten Fällen alle Faſern gleich gefärbt worden
ſein. Die auffallende Thatſache aber, daß in einem Falle nur die Wolle
und Seide, im andern Falle hingegen nur Baumwolle und Leinen gefärbt
werden, zeigt, daß hier noch ganz andere Kräfte ins Spiel kommen, als nur
die Flächenattraktion. — Beizt man Baumwolle mit einem Metallſalz, ſo iſt
es nach einigen Tagen, oft ſchon nach einigen Stunden, nicht mehr möglich,
die genau bekannte Menge durch chemiſche Analyſe nachzuweiſen; die Beize
geht für den analytiſchen Nachweis bis zu 50 Prozent und mehr, ja ſelbſt
bis zu 90 Prozent ſcheinbar verloren; d. h. ein z. B. mit 100 g baſiſchem
Aluminiumacetat gebeizte loſe Baumwolle geſtattet nach einiger Zeit nur
noch den quantitativen Nachweis einer viel geringeren Menge, von nur 50 g oder
noch weniger, ſelbſt bis 10 g, ſo daß der nicht mehr nachweisbare Reſt
ſcheinbar verloren zu ſein ſcheint; veraſcht man eine ſolche Baumwolle je-
doch, ſo findet man den ganzen Aluminiumgehalt in der Aſche wieder. Dieſe
durch Analyſen erhärtete Thatſache zwingt uns, anzunehmen, daß die Thon-
erde mit der Baumwolle eine Verbindung eingegangen iſt, deren Natur wir
noch gar nicht kennen und welche mit den Mitteln der qualitativen und
quantitativen Analyſe nachzuweiſen bis jetzt nicht gelungen iſt. Die Chemie
der Celluloſe iſt ja noch ſehr wenig gekannt, und es iſt keineswegs ausge-
ſchloſſen, daß dieſelbe, ohne ihre Struktur zu ändern, mit gewiſſen Metall-
ſalzen unlösliche, durch die üblichen Reagentien nicht nachweisbare Verbin-
dungen bildet. Entfernt man aus einer ſo gebeizten Faſer das überhaupt
[490] Nachweisbare durch Spülen mit Waſſer, ſo erhält man ſchließlich eine Baum-
wolle, welche durch keine Reaktion mehr die Anweſenheit des Metallſalzes
verrät, und von der man doch weiß, daß ſie große Mengen davon enthält.
Es iſt völlig unmöglich, dieſen Vorgang als Flächenanziehung zu betrachten,
denn ein bloß mechaniſch auf der Faſer befeſtigtes Metallſalz würde ſich
ohne weiteres mittels Reagentien nachweiſen laſſen. Daß eine Geſpinnſt-
faſer chemiſch verändert werden kann, ohne daß ihre Struktur dabei verän-
dert wird, iſt bereits von Witz nachgewieſen worden, der die durch den
Bleichprozeß veränderte Celluloſe als Oxycelluloſe beſchreibt. Daß eine
ſolche gebleichte Baumwolle Anilinfarben, zu denen ſie ſonſt keine Verwandt-
ſchaft zeigt, leicht aufzunehmen vermag, iſt bekannt. Daß aber Gewebefaſern
nicht nur chemiſch verändert werden können, ſondern ſogar ſelbſt eine inten-
ſive chemiſche Wirkung auszuüben imſtande ſind, dafür dient das Verhalten
der Wolle und Seide in farbloſer Roſanilinbaſelöſung; erwärmt man die
Löſung, ſo färben ſich die Wolle, wie die Seide, in der farbloſen Löſung
ebenſo ſtark rot, als wenn ein Roſanilinſalz vorhanden geweſen wäre. Hier
bleibt nur die Annahme übrig, daß die Roſanilinbaſe ſich mit der Faſer
zu einem Salz vereinigt, daß ſomit die Faſer der Baſe gegenüber die Rolle
einer Säure ſpielt. Da die gleiche Färbung eintritt, wenn ein Salz der
Roſanilinbaſe verwendet wird, ſo kann angenommen werden, daß das Salz
durch die Faſer zerlegt wird. Daß Wolle und Seide in der That in ge-
wiſſen Fällen die Rolle einer Säure übernehmen, geht aus der von Julius*)
erwähnten Thatſache hervor, daß die Woll- und Seidenfaſer nicht imſtande
iſt, ſtark baſiſche Farbſtoffe aus ihren Salzen zu befreien, d. h. durch ſolche
Salze gefärbt zu werden. Ein ſolcher Farbſtoff iſt das Methylgrün. Setzt
man aber der Farbflotte Ammoniak zu, macht alſo dadurch die Baſe frei,
ſo findet Vereinigung mit der Faſer ſtatt, dieſelbe wird gefärbt. Ein ähn-
liches Verhalten zeigt die Faſer auch den Salzen ſtark baſiſcher Farbſtoffe
gegenüber, nur mit dem Unterſchiede, daß ſie ſich dieſen gegenüber als Baſe
zeigt. Wird durch Anſäuren mit Schwefelſäure die Farbſtoffſäure in Frei-
heit geſetzt, ſo verbindet ſich die Faſer mit derſelben. Die Amidoazobenzol-
diſulfoſäure bildet gelbe Salze, welche Wolle und Seide gelb färben; die
freigemachte Sulfoſäure aber bildet eine rote Löſung; dagegen färben ſich
Wolle und Seide in dieſer roten Löſung gelb
. Durch dieſe Gelb-
färbung wird die Bildung eines Salzes der Amidoazobenzolſulfoſäure ange-
zeigt; mithin muß die Faſer in dieſem Falle die Rolle der Baſe geſpielt
haben. — Daß die Baumwollfaſer durch unterchlorige Säure, ſowie durch
Ozon und Waſſerſtoffſuperoxyd, ſowie durch viele Metallſalze chemiſch ver-
ändert wird, ohne ihre Struktur zu verlieren, haben wir bereits oben ge-
ſehen; daß aber auch Farbſtoffe die Pflanzenfaſer chemiſch verändern, dar-
über haben die intereſſanten Aufſchlüſſe Knechts uns belehrt, welcher fand,
daß ſowohl Chryſamin als auch andere Benzidinfarbſtoffe, auf Baumwolle
gefärbt, die letztern zur Aufnahme von Farbſtoffen geeignet machen, zu wel-
chen ſie ſonſt gar keine Verwandtſchaft beſitzen. Inzwiſchen hat ſich gezeigt,
daß alle Benzidin- und Tolidinfarbſtoffe die Baumwoll- (und Leinen-) Faſer
zur Aufnahme adjektiver Farbſtoffe befähigen. Wir ſind aus dem einfachen
Umſtande, daß die Baumwolle, welche vorher keinerlei Verwandtſchaft zum
[491] adjektiven Farbſtoff zeigte, nach dem Färben mit Chryſamin, Congo ꝛc. aber
denſelben ruhig aufnahm, genötigt anzunehmen, daß durch dieſe Benzidin- ꝛc.
Farbſtoffe die Baumwollfaſer eine chemiſche Aenderung erlitten hat. Dieſe
Annahme hat auch durchaus nichts Befremdliches, ſobald man mit dem chemi-
ſchen Charakter der Farbſtoffe bekannt iſt und weiß, daß dieſelben gleichfalls
Salze ſind, alſo ſich gegen die Baumwollfaſer annähernd ähnlich verhalten,
wie oben für das Aluminiumacetat angegeben.


Von dieſem Geſichtspunkte aus betrachtet, würde das Färben in ſeinen
Hauptgrundzügen ein verhältnismäßig einfacher chemiſcher Prozeß ſein,
bei welchem die Faſer bald die Rolle einer Säure, bald die
Rolle einer Baſe übernimmt
; und zwar Farbſtoffbaſen gegenüber den
Charakter einer Säure, Farbſtoffſäuren gegenüber den Charakter einer Baſe
oder eines Alkohols; die gefärbte Faſer wird dann als eine ſalzartige oder
als eine eſterartige Verbindung betrachtet werden müſſen. Die Doppel-
ſtellung, welche die Faſer damit einnimmt, läßt ſich übrigens ſehr wohl er-
klären; haben wir doch ſelbſt unter den Farbſtoffen einige, welche ſowohl
ſauren, wie baſiſchen Charakter zeigen; insbeſondere jene, welche der Kon-
ſtitution der Amidoſäuren nahe kommen, z. B. das Amidoazobenzol. Es iſt
keineswegs unmöglich, daß z. B. die tieriſche Faſer eine der Amidoſäure ähnliche,
wenn auch kompliziertere Zuſammenſetzung beſitzt (über die Konſtitution der
Wollfaſer und Seide wiſſen wir noch gar nichts), wodurch dann ihr Ver-
halten leicht erklärt ſein würde; bei den pflanzlichen Faſern würde ein Auf-
treten als Baſe mehr auf das Vorhandenſein komplizierter Alkohole ſchließen
laſſen, was ohne Zwang auch den zeitweilig ſauren Charakter erklären würde.
Die betreffenden Verbindungen wären dann als Alkoholate zu betrachten.


Von dieſem Geſichtspunkte aus kann auch das Färben mittels Beizen
nicht wohl länger als mechaniſcher Prozeß betrachtet werden. Man nahm
bisher an, daß die Bildung von Farblacken innerhalb der Faſer genau ſo
erfolge, wie in gewöhnlicher wäſſeriger Löſung ohne Zuthun der Faſer; man
ſetzte dabei voraus, daß das Beizmittel die Faſer völlig intakt laſſe; nun
habe ich aber bereits oben dargelegt, daß dieſe Vorausſetzung nicht zutrifft,
daß vielmehr die Beizen ſämtlich Verbindungen mit der Faſer eingehen, Ver-
bindungen, deren Natur und Weſen uns zur Zeit noch verſchloſſen iſt, deren
Vorhandenſein aber nicht geleugnet werden kann. Auch das Anſieden der
Wolle mit Kaliumdichromat beweiſt ja, daß das Beizen keineswegs ein rein
mechaniſcher Vorgang iſt, da ja bekanntlich das Salz dabei zerſetzt und die
freiwerdende Chromſäure zu Chromoxyd reduciert wird, welches ſich nach der
landesüblichen Bezeichnung „auf der Faſer niederſchlägt“. — Es verdient
ferner hervorgehoben zu werden, daß die Jutefaſer ſich durchaus abweichend
verhält von den übrigen Pflanzenfaſern und daß dieſes abweichende Ver-
halten im engſten Zuſammenhange ſteht mit ihrer chemiſchen Natur. Croß
\& Bevan
betrachten dieſelbe als einen Aether der Celluloſe; gegen Farb-
ſtoffe verhält ſie ſich annähernd wie eine mit Tannin gebeizte Baumwoll-
faſer.


Alle vorerwähnten Fälle beweiſen unwiderleglich, daß ſowohl beim Beizen,
wie beim Färben die Faſer ſelbſt chemiſch wirkſam iſt; ſie iſt ein
chemiſcher Faktor und wirkt beim Beizen wie beim Färben, je nach dem
chemiſchen Charakter der Farbſtoffe, entweder zerlegend oder neue Verbindun-
gen bildend.


[492]

Die Gegner der chemiſchen Theorie machen den Einwurf, daß bei den
Wechſelbeziehungen zwiſchen Faſer und Farbſtoff keine Verbindung derſelben
nach chemiſchen Aequivalenten vor ſich gehe und daß dabei die charakteriſti-
ſchen Eigenſchaften beider Komponenten nicht verſchwinden.


Letzteres iſt unbedingt nicht zuzugeſtehen; wohl verſchwinden die charak-
teriſtiſchen Eigenſchaften beider Komponenten nicht; dafür verſchwindet aber
beim Beizen mit Metallſalzen nicht nur die charakteriſtiſche Eigenſchaft des
einen Komponenten, ſondern ſogar dieſer Komponent ſelbſt ſcheinbar ſo voll-
ſtändig, daß er mit Hilfe der gewöhnlichen Reaktionen nicht einmal nachge-
wieſen werden kann. Und was den zweiten Komponenten, die Faſer, be-
trifft, ſo erſcheint deren phyſikaliſche Struktur allerdings in nichts ver-
ändert; damit iſt jedoch noch ganz und gar nicht erwieſen, daß ſich die
chemiſche Struktur der Faſer, die Konſtitution, nicht geändert habe. Die
fortſchreitende Wiſſenſchaft wird auch über das Weſen dieſer noch völlig un-
gekannten Verbindungen Licht verbreiten und es wird ſich dabei wieder der alte
Satz bewahrheiten: Gott hat Alles nach Zahl, Maß und Gewicht geſchaffen.


Was ſchließlich den Einwand betrifft, daß eine Verbindung von Faſer
und Farbſtoff nach chemiſchen Aequivalenten nicht ſtattfinde, ſo dürfen hier die
das direkte Gegenteil beweiſenden Unterſuchungen Goppelsröders,
ſowie die darauf fußenden weiteren Verſuche des Verfaſſers dieſes Buches
nicht unerwähnt bleiben. Dieſelben bewegen ſich zwar vorwiegend auf phyſi-
kaliſchem Gebiet. Um ſo intereſſanter iſt es, aus dieſen Arbeiten zu erſehen,
daß man auch auf einem vollſtändig anderen Wege zu dem Beweiſe gelangt,
daß zwiſchen Faſer und Farbſtoff ziffermäßig ausdrückbare Beziehungen
beſtehen. Verfaſſer gibt in nachſtehendem einen Auszug ſeiner in den
„Neueſte Erfindungen und Erfahrungen“ 1888, Nr. 1, enthaltenen Arbeit,
in welcher die Reſultate und Literaturnachweiſe der Goppelsröderſchen
Arbeiten namhaft gemacht ſind. Die Arbeit iſt unter dem Titel: „Ueber
die Kapillarität der Geſpinnſtfaſern“ erſchienen.


Unter Kapillarität der Geſpinnſtfaſern verſtehe ich die Aufſaugungs-
fähigkeit, die Aufnahmekraft derſelben in Hinſicht auf irgend welche Flüſſig-
keiten. Sie bewirkt eine Durchfeuchtung, eine Durchnäſſung der Faſern oder
der daraus hergeſtellten Gewebe; dieſe Durchfeuchtung geſchieht faſt ſtets in
der Weiſe, daß die betreffenden Gewebefaſern (Garne, Stoffe ꝛc.) in die
fraglichen Flüſſigkeiten eingetaucht und darin liegen gelaſſen werden. Dieſes
Alles iſt durchaus nicht neu; dieſe Prozedur wird in jedem Haushalte beim
Einweichen der Wäſche vorgenommen; dasſelbe Verfahren befolgt der Färber,
wenn er ſeine Garne oder Tuche zum Färben in die Farbſtofflöſungen taucht.
Zweifellos beſtehen zwiſchen den Gewebefaſern und Flüſſigkeiten irgend wel-
cher Art auch gewiſſe Beziehungen; aber der eben bezeichnete Modus des
Eintauchens iſt nicht dazu angethan, dieſe Beziehungen aufzuklären.


Weſentlich anders geſtaltet ſich der Fall, wenn man die Geſpinnſtfaſern
vertikal in die Flüſſigkeit hängt, oder richtiger, in die Flüſſigkeit tauchen läßt,
doch ſo, daß ſie nur wenig, etwa 5 mm, in dieſelbe eintauchen. Nun be-
ginnt das Aufſteigen der Flüſſigkeit in den Kapillaren der Faſern, von dem
man ſich am beſten überzeugt, wenn man gefärbte Löſungen verwendet. Hier-
bei ſind nun drei Momente ins Auge zu faſſen:


  • 1. Die Höhe, bis zu welcher die Farbſtofflöſung ſteigt;
  • 2. die Geſchwindigkeit, mit welcher ſie ſteigt;
[493]
  • 3. die Menge des Farbſtoffes, welche von den Faſern aufgenom-
    men wird.

Die Steighöhe der gefärbten Löſungen iſt zunächſt eine viel be-
deutendere, als allgemein angenommen wird; ſie würde eine faſt unbegrenzte
ſein, wenn der Verſuch in einer Atmoſphäre vorgenommen werden könnte,
welche mit den Dämpfen der betreffenden Flüſſigkeit vollgeſättigt wäre. Das
iſt aber ſelten oder nie der Fall, und daher ſetzt die Verdunſtung der auf-
geſaugten Flüſſigkeit in den höchſten, von der Oberfläche am weiteſten ent-
fernten Zonen der Aufſaugungsfähigkeit eine beſtimmte Grenze. Dieſe wird
an der Stelle liegen, wo genau ſo viel Flüſſigkeit (infolge feinſter Ver-
teilung und höchſter Flächenentfaltung) zu verdampfen vermag, als durch die
Kapillarität an eben jene Stelle geſchafft wird. Die Steighöhe wird alſo
eine ganz beſtimmte ſein.


Unabhängig von der Steighöhe iſt die Steiggeſchwindigkeit. Dieſe
iſt meiſt regelmäßig, ſelten unregelmäßig, d. h. die Flüſſigkeit ſteigt entweder
in dem jedesmaligen gleichen Zeitraume ein gleiches Stück aufwärts, oder
dieſes Aufwärtsſteigen läßt allmählich nach, der in dem gleichen Zeitraume
zurückgelegte Weg wird nach und nach kleiner. Höchſt ſelten tritt der Fall
ein, daß die Anfangsgeſchwindigkeit eine enorm große iſt, dann aber, an
einer gewiſſen Grenze angelangt, ſchnell nachläßt und bald überhaupt aufhört.


An der Hand dieſer beiden Faktoren, Steighöhe und Steiggeſchwindig-
keit, iſt es möglich, eine Größe zu finden, welche angibt, entweder, welche Zeit
verbraucht wird, um eine gewiſſe normierte Steighöhe zu erreichen, oder
welche Steighöhe in einer normierten Zeit erreicht wird.


Arbeitet man mit einer einfachen Farbſtofflöſung, ſo geſtalten ſich die
Reſultate ſo einfach, wie oben erläutert. Anders wird der Fall, wenn man
mit einer Löſung arbeitet, welche mehrere Farbſtoffe gelöſt enthält. Eine
derartige Löſung erſcheint dem Auge einfarbig und die Gewebefaſer nimmt
dieſe vermöge ihrer Aufſaugefähigkeit in ſich auf; gleichzeitig aber ſcheidet
ſie die einzelnen Farbſtoffe voneinander
und die Gewebefaſer wird
bald die einzelnen Farben nebeneinander zeigen, d. h. wir werden zwei oder
mehr verſchiedene Steighöhen gleichzeitig wahrnehmen. Arbeiten wir z. B.
mit Azorot und Säuregelb, ſo iſt die Löſung orangefarben, die Geſpinnſt-
faſer zeigt uns aber nach kurzer Zeit nicht die Steighöhe für einen orange-
roten Farbſtoff, ſondern zwei verſchiedene Steighöhen für einen roten und
einen gelben Farbſtoff. Arbeitet man dagegen mit Tropaeolin, ſo erhält
man nur eine Steighöhe für einen orangeroten Farbſtoff. Hat man ſich aus
Pikrinſäure und Indigoſchwefelſäure eine rein grüne Löſung bereitet, ſo er-
hält man vier Zonen der Steighöhen, unten eine breite grüne, darüber eine
ſchmale gelbe, welche die Pikrinſäure enthält, dann eine farbloſe, Schwefel-
ſäure enthaltende, und die vierte oberſte, welche reines Waſſer enthält. Ar-
beitet man dagegen mit Methylgrün, ſo erhält man dann zwei Zonen und
nur eine Steighöhe für den grünen Farbſtoff.


Bereits im Jahre 1861 hat Schönbein auf die Trennung der Farb-
ſtoffe durch Kapillarität hingewieſen (Verhandlungen der Naturforſchenden
Geſellſchaft zu Baſel, 1861, Teil III.); neuerdings hat Prof Dr.Goppels-
röder
dieſe Eigenſchaft zur Trennung und Reinigung der Farbſtoffe vor-
geſchlagen (Separatausdruck aus „Oeſterreichs Wollen- und Leineninduſtrie“,
1885) und neueſtens auch zum analytiſchen Nachweis und zur Farbſtoff-
beſtimmung vorgeſchlagen (Romens Journal, 1887).


[494]

Was endlich die Farbſtoffmenge angeht, welche von den einzelnen Faſern
aufgenommen wird, ſo iſt dieſe ungemein verſchieden. Beiſpielsweiſe wird
von einer Purpurinlöſung durch Seide und Wolle nur das Waſſer aufge-
nommen, während die Kapillarität für das Purpurin ſelbſt = 0 iſt. Im
anderen Falle iſt die Aufſaugungsfähigkeit der Baumwolle für Chryſamin
ſo groß, daß dieſe ſo viel davon in ſich einlagert, daß die Löſung ent-
färbt wird.


Faßt man die geſamten, bisher regiſtrierten Thatſachen zuſammen, ſo
folgt daraus:


Daß einem jeden löslichen Farbſtoffe für eine jede Ge-
ſpinnſtfaſer eine ganz beſtimmte, unter den gleichen Bedin-
gungen gleiche Steighöhe zukommt, welche ſich ziffermäßig
ausdrücken läßt
.


Verfaſſer iſt nun bemüht geweſen, in einer langen Anzahl von Ver-
ſuchen dieſe Zahlenwerte für die verſchiedenſten Farbſtoffe mit den verſchiede-
nen Geſpinnſtfaſern feſtzuſtellen und dieſelben in Tabellen zuſammenzuſtellen.
Die dabei gewonnenen Zahlenwerte bezeichnet er mit dem Namen Kapil-
laritätskonſtanten
. Es läßt ſich aus den bis jetzt vorhandenen Reſul-
taten der Schluß ziehen, daß die Capillaritätsverhältniſſe der Geſpinnſtfaſern
wahrſcheinlich in beſtimmter Beziehung ſtehen zur Feſtigkeit der Gewebefaſer,
welche durch ihre Reißlänge ausgedrückt wird.


Die Kapillaritätskonſtanten geben die natürlichſte und einfachſte Er-
klärung für den rätſelhaften Vorgang des „ungleichen Angehens“ der Farb-
ſtoffe. Der praktiſche Nutzen der Kapillaritätskonſtanten wird ſich daher
zuerſt auf dem Gebiete der Färberei zeigen, beim Kombinieren von Farb-
ſtoffen. Bekanntlich werden zum Erzielen neuer Nüancen, der ſogenannten
„Modefarben“, verſchiedene Farbſtoffe kombiniert. Dabei wird ziemlich will-
kürlich verfahren, und es kommt gewiß vielfach vor, daß Farbſtoffe kombi-
niert werden, deren Konſtanten für die gleichen Gewebefaſern weit auseinander
liegen.


Die Kapillaritätskonſtanten werden in erſter Linie dazu dienen, die
bisherige Willkürlichkeit beim Nüancieren in wiſſenſchaftlich begründete Bahnen
zu lenken, und zum Kombinieren und Nüancieren nur ſolche Farbſtoffe zu
verwenden, deren Kapillaritätskonſtanten nahe bei einander liegen.


Meine im erſten Teile dieſes Paragraphen ausgeſprochene Anſicht von
der chemiſchen Natur des Beizprozeſſes könnte als ein Rückſchritt zu
einer früheren Auffaſſung gedeutet werden; das iſt jedoch nicht der Fall.
Ehe nämlich die mechaniſche Theorie des Färbens weitere Verbreitung ge-
funden hatte, glaubte man die Wirkung der Beizen dahin deuten zu ſollen,
daß die Faſer von ihnen „geätzt“ und dadurch die Anziehung der letzteren
auf die Farbſtoffe vergrößert und deren Eindringen in die Faſer erleichtert
werde. Dieſe Anſchauung des Beizens in dem Sinne wie Aetzen iſt längſt
verlaſſen und nur der Name iſt noch übrig geblieben. Dieſe alte Theorie
des Beizens nahm eine phyſikaliſche Veränderung der Faſeroberfläche an,
und erklärte aus der ſo geänderten Oberflächenattraktion das Färben gebeizter
Faſer.


[495]

§ 36. Die Beziehungen der Farbſtoffe zu den in der Färberei
verwendeten Faſern.


Kehren wir zu dem im vorigen § vorgeführten Experiment zurück, oder
wiederholen wir das gleichzeitige Eintauchen verſchiedener Faſern in die
Löſungen anderer Farbſtoffe, ſo werden wir bald finden, daß es nur eine
geringe Zahl von Farbſtoffen gibt, welche zu allen Faſern Verwandtſchaft
zeigen. Durchgehends aber werden wir finden, daß zu den meiſten der bis
jetzt bekannten Farbſtoffe — und zwar ſowohl natürlicher und künſtlicher —
die Wolle und Seide (und die Federn) eine größere Affinität beſitzen, als
Baumwolle, Leinen, Neſſel ꝛc. Der bei weitem größere Teil aller Farbſtoffe
läßt ſich auf irgend eine Weiſe auf den tieriſchen Geſpinnſtfaſern färben,
während die auch auf Pflanzenfaſern verwendbare Zahl eine geringere iſt;
eine große Zahl dieſer Farbſtoffe läßt ſich auf Wolle und Seide direkt ohne
Beize färben, auf vegetabiliſchen Faſern hingegen nur nach vorhergegangenem
Beizen. Von ſubſtantiven Farbſtoffen (§ 23) für Baumwolle kannte man
bis vor wenig Jahren nur den Farbſtoff des Safflors und den der Cur-
cumawurzel, wozu dann noch das Kanarin kam. Erſt mit der im Jahre
1884 erfolgten Entdeckung der Benzidinfarben, als deren erſte Chryſamin
und Congo bekannt wurden, beginnt für die pflanzlichen Gewebefaſern eine
vorteilhaftere Geſtaltung des bisherigen Verhältniſſes. Nachdem ſich inzwiſchen
die ſämtlichen vom Benzidin, Tolidin und Stilben ſich ableitenden Farbſtoffe als
Baumwolle direkt färbend erwieſen haben, iſt auch an ſubſtantiven Farbſtoffen
für Baumwolle, Leinen, Chinagras, Ramié und Neſſel kein ſolcher Mangel
mehr, als bis vor wenigen Jahren.


Dadurch ſcheiden ſich die geſamten künſtlichen wie natürlichen Farbſtoffe
gewiſſermaßen in zwei große Klaſſen hinſichtlich ihrer Verwendbarkeit:


Farbſtoffe, welche ſich zum Färben tieriſcher Faſern eignen, gemeinhin
Wollfarbſtoffe genannt, und


Farbſtoffe, welche ſich zum Färben pflanzlicher Faſern eignen; letztere
werden gemeinhin als Baumwollfarbſtoffe bezeichnet.


Daß die Grenze zwiſchen beiden keine ſcharfe iſt, noch ſein kann, geht
ſchon aus dem oben Geſagten hervor, daß manche Wollfarbſtoffe auch Baum-
wolle zu färben vermögen, nachdem dieſe zuvor gebeizt wurde. Auch ſind
die Wollfarbſtoffe unter ſich ebenſo wenig gleichwertig, wie die Baumwoll-
farbſtoffe.


Da ſich Wolle und Seide gegen die Farbſtoffe im allgemeinen gleich
verhalten, ſo werden die Wollfarbſtoffe in gewiſſem Sinne auch als Seiden-
farbſtoffe zu betrachten ſein; aus dem gleichen Grunde werden dann die
Baumwollfarbſtoffe auch als Leinen- oder Chinagrasfarbſtoffe aufzufaſſen ſein.


Jedenfalls geht aus dem Geſagten zweifellos hervor, daß von den zur
Zeit etwa wirklich in der Praxis angewendeten 350 Farbſtoffen für eine
jede Faſer nur eine beſtimmte und beſchränkte Anzahl von
Farbſtoffen verwendbar iſt
und daß es daher wichtig iſt, vor Beginn
des Färbens ſich über die Verwendung des betreffenden Farbſtoffes klar zu
werden. Es iſt durchaus nicht gleichgültig, mit welchem Farbſtoff man färbt.
Bei der endgültigen Wahl wird dem Färber gemeinhin eine Direktive gegeben,
indem ihm ein Muſter gegeben wird, welchem die zu färbende Faſer ent-
[496] ſprechen ſoll; er wird dabei zu überlegen haben, welche Farbſtoffe — ohne
oder mit vorheriger Beizung — überhaupt eine ſolche Nüance geben; er
wird zu überlegen haben, welche Anforderungen in Bezug auf die Waſch-
echtheit, Säure-, Luft- und Lichtechtheit an den Farbſtoff geſtellt werden,
event. ob er walkechte Farben verwenden muß; endlich iſt auch der Preis
des Farbſtoffes in vielen Fällen ausſchlaggebend. In den meiſten Fällen
wird dem Färber ein Muſterbuch oder eine Muſterkarte zur Verfügung
ſtehen, welche ihm wenigſtens den Weg anzeigt, auf dem er zum Ziele
kommen kann; Hauptſache aber iſt und bleibt eigene Erfahrung, über welche,
wenn ſie einmal noch nicht vorhanden iſt, auch das beſte Lehrbuch nicht hin-
weg hilft.


§ 37. Die Beziehungen zwiſchen Beizen und Faſern.


Was über die Beziehungen zwiſchen Farbſtoffen und Faſern geſagt iſt,
gilt in gleicher Weiſe auch von den Beizen. Das Sprichwort: „Eines
ſchickt ſich nicht für Alle!“ findet auch hier vollkommene Beſtätigung. Wenn
wir verſchiedene Geſpinnſtfaſern in die Löſung verſchiedener als Beizen an-
gewendeter Stoffe bringen, ſo wird die Wirkung eine ähnlich verſchiedene
ſein, wie bei den Farbſtoffen. Das in Löſung befindliche Beizmittel wird
durch die Kapillarität in die Faſerſubſtanz aufgenommen und bleibt beim
Trocknen in Subſtanz in der Faſer zurück. Als Beizen werden vornehm-
lich Metallſalze benutzt, von denen es bekannt iſt, daß ſie auch außerhalb
der Faſer mit gewiſſen Farbſtoffen beſtimmte charakteriſtiſch gefärbte Farb-
lacke bilden. Das, wobei es bei der Verwendung von Metallſalzen als
Beize ankommt, iſt das Metalloxyd oder die Metallbaſe, und daraus folgt,
daß diejenigen Farbſtoffe, welche mittels ſolcher Beizen befeſtigt werden,
ſauren Charakter haben müſſen. Der eigentliche Zweck der Metallbeizen iſt
das Befeſtigen des Metalloxydes auf der Faſer; ein direktes Befeſtigen
derſelben hat ſich als unthunlich erwieſen, da die meiſten derſelben in Waſſer
unlöslich ſind; man wendet die Oxyde daher in gelöſter Form, entweder
als Salzlöſung oder in Form einer alkaliſchen Löſung (z. B. Thonerdenatron)
an. Die Salze werden, wo es die chemiſche Natur des Salzes zuläßt, als
baſiſche Salze verwendet, d. h. als Salze, welche auf 1 Aeq. der Säure
mehr als 1 Aeq. des Metalloxydes, oder wo irgend möglich, ſo viel davon
enthalten, als die Säure überhaupt gelöſt zu halten vermag. Derartige
Löſungen baſiſcher Salze haben die Eigentümlichkeit, beim Erwärmen, häufig
ſelbſt ſchon beim Verdünnen mit Waſſer, vor allem aber bei gleichzeitiger
Berührung mit der Gewebefaſer einen Teil des Oxydes abzugeben und ſich
wieder in neutrale Salze umzuwandeln. In dieſem Falle wirkt die Faſer
ſelbſt wie eine Säure, indem ſie das Metalloxyd an ſich bindet. Wer ſich
genauer über die Natur und den Charakter ſolcher Beizen inſtruieren will,
findet Ausführlicheres über die betreffenden Salze im erſten Teile dieſes
Buches, § 89 bis 105.


Wo die chemiſche Natur des Metalls baſiſche Salze nicht zuläßt, pflegt
man diejenigen Salze des Metalls zu verwenden, welche leicht zerſetzbar
ſind und ſich bei Gegenwart von Gewebefaſern in Metalloxyd und Säure
ſpalten. Als ſolche Salze werden vielfach die der Eſſigſäure verwendet,
da die bei der Zerſetzung freiwerdende Eſſigſäure der Faſer nicht ſchadet. —
An dieſer Stelle möchte ich die Aufmerkſamkeit noch ganz beſonders auf
[497] die Ameiſenſäure lenken, deren Salze noch leichter zerſetzbar ſind, als
die der Eſſigſäure, und die ſich daher mindeſtens ebenſogut empfehlen dürfte,
als die Eſſigſäure. Auch in dieſem Falle ſpielt die Faſer die Rolle einer
Säure. In allen den Fällen, wo es ſich um Fixierung eines ſauren Farb-
ſtoffes handelt, würde alſo die Beizung mit Metallſalzen am Platze ſein.


Handelt es ſich hingegen um Fixierung eines rein baſiſchen oder eines
neutralen Farbſtoffes, deſſen Färbekraft in der Farbſtoffbaſe liegt und der
die Faſer direkt nicht zu färben vermag, ſo muß als Beizmittel eine Säure
angewendet werden, oder ſaure Salze, welche ſich beim Kochen in Gegen-
wart von Gewebefaſern in neutrale Salze und freie Säure zerlegen, welche
durch die in dieſem Falle als Baſe wirkende Faſer gebunden wird; als
ſolche Säuren wirken Schwefelſäure, Weinſäure, Gerbſäure, Oelſäure und
Oxalſäure oder deren ſaure Salze: doppelt ſchwefelſaures Natron, Wein-
ſtein und Kleeſalz. Auch die Chromſäure und die Zinnſäure gehören hier-
her. Welchen Charakter den letzteren Säuren gegenüber die Faſern ein-
nehmen, iſt noch nicht völlig klar feſtgeſtellt, was mit dadurch bedingt wird,
daß die Stellung dieſer Säuren ſelbſt, reſp. deren Reduktion in Chromoxyd-
und Zinnſalze einen ſicheren Nachweis ſehr erſchwert.


Es ſcheint, wenn man nach allgemeinen Grundſätzen forſcht, ſich zu
ergeben, daß die animaliſchen Faſern vorzugsweiſe mittels ſaurer Beizen,
die vegetabiliſchen mittels metalliſcher, reſp. baſiſcher Beizen behandelt wer-
den müſſen. Es entſpräche das auch ihrem chemiſchen Charakter, denn Wolle
und Seide löſen ſich in verdünnten Alkalien, können mithin auch nicht mit
alkaliſchen Beizen behandelt werden; Baumwolle und Leinen dagegen ver-
tragen ſelbſt ſtarke alkaliſche Beizen, werden dagegen ſchon von ſchwachen
Mineralſäuren, beſonders beim Erwärmen, angegriffen reſp. zerſtört; dagegen
iſt bei Pflanzenfaſern Gerbſäure als Beize angebracht.


Wir ſehen auch hier wieder deutlich zwei Klaſſen von Beizen, wie wir
in gleicher Weiſe zwei Klaſſen von Farbſtoffen unterſcheiden konnten; man
könnte ſie gewiſſermaßen als Wollbeizen und Baumwollbeizen unter-
ſcheiden; doch iſt die Grenze hier noch viel weniger ſcharf, wie bei den Farb-
ſtoffen und es gibt mehrere Beizen, welche ſowohl auf Tier- wie auf Pflanzen-
faſern angewendet werden, z. B. Alaun.


Gewiſſe allgemein gültige Grundſätze, betreffend Verwendung der Beizen,
laſſen ſich zur Zeit noch nicht aufſtellen, da es noch an exakten Unterſuchungen
auf dieſem Gebiete fehlt. In der Färberei wird beim Beizen meiſt rein
empiriſch verfahren; von einem ſyſtematiſchen Vorgehen iſt gar keine Rede.
Es gibt Beizmethoden, bei denen man vergebens nach dem Warum? fragt,
Methoden, welche lediglich durch die Gewohnheit ſanktioniert ſind, denen
aber eine wiſſenſchaftliche Baſis durchaus fehlt. Es liegt das wohl zum
Teil an den völlig unklaren Begriffen über den eigentlichen Beizprozeß und
der dabei ſich abſpielenden chemiſchen Vorgänge. Ich bin der feſten Ueber-
zeugung, daß mit der fortſchreitenden Erkenntnis des Charakters, welche die
Faſern dabei annehmen und der Rolle, welche ſie dabei ſpielen, auch ſich
allgemein gültige Regeln für das Beizen ergeben werden, und daß auf dem
praktiſchen Gebiet des Beizens manches jetzt noch gültige Verfahren als ver-
altet und vernunftwidrig wird beiſeite geſchoben werden. So lange wir zu
dieſen allgemeinen Grundſätzen noch nicht gelangt ſind, muß freilich auf dem
bisherigen Fundament weiter gebaut werden.


Ganswindt, Färberei. 32
[498]

Betreffs der Temperatur, bei welcher das Beizen vorzunehmen iſt,
iſt ebenſowenig etwas Einheitliches zu melden. Wolle kann anhaltend, ſelbſt
mehrere Stunden, kochen; Baumwolle kann kalt gebeizt werden; bei Seide
genügt eine Temperatur zwiſchen 30 und 60° R.


Die Dauer der Einwirkung der Beizflüſſigkeit iſt gleichfalls noch durch
keine Geſetzmäßigkeit geregelt. Mir will es ſcheinen, als ob die Dauer der
Einwirkung auf die Faſer eine zu kurze ſei. In dieſem Falle würde „Beizen“
und „Durchtränken“ wohl gleichbedeutend ſein, und es erſcheint fraglich, ob der
oben beſchriebene chemiſche Prozeß in ſo verhältnismäßig kurzer Zeit ſich abſpie-
len kann, mindeſtens, ob er ſich vollſtändig abſpielen kann. Inſonderheit bei
jener als „Klotzen“ bekannten Methode des Beizens iſt eine chemiſche Wir-
kung ſo gut wie ausgeſchloſſen, und das Färben von geklotztem Gewebe iſt
dann als ein mechaniſcher Färbeprozeß zu betrachten.


§ 38. Die Beziehungen zwiſchen Beizen und Farbſtoff.


Dieſe ſind weit klarer und bekannter, als die zu den Faſern. Der
Grund iſt darin zu ſuchen, daß wir über ihre Natur und ihren chemiſchen
Charakter viel genaueres wiſſen, als über den der Faſern. Wenn wir auch
wiſſen, daß die Wolle in der Hauptſache aus Keratin, die Seide aus Fibroin,
die Baumwolle aus Celluloſe beſteht, ſo iſt mit dieſer Kenntnis nicht viel
gewonnen. Wie ſich dagegen die Beizen und die Farbſtoffe zu einander ver-
halten, das iſt außerhalb der Faſern experimentell feſtgeſtellt. Und hier
wiſſen wir, daß jedem Farbſtoffe durchſchnittlich nur eine Beize entſpricht,
daß es jedoch auch Farbſtoffe gibt, welche mit verſchiedenen Beizen verſchie-
den gefärbte Farblacke geben. Die Zahl der letztern Farbſtoffe iſt eine be-
ſchränkte; dieſelben ſind zunächſt keine ſubſtantiven, direkten; eine etwaige
direkte Färbung ohne Beize iſt unſcheinbar. Dieſe eigentümlichen Farbſtoffe,
welche in gewiſſem Sinne nicht viel mehr als Chromogene ſind, nennt Hummel
„polygenetiſche Farbſtoffe“ und bezeichnet ſie als „färbende Grundſtoffe,
welche fähig ſind, mehrere Farben hervorzubringen, je nach den Mitteln,
die man zur Erzeugung der letzteren anwendet“. Ein ſolcher Farbſtoff iſt
z. B. das Hämateïn, welches je nach der angewandten Beize graue, blaue,
purpurrote und ſchwarze Färbungen liefert; ein anderer ſolcher Farbſtoff iſt
das Alizarin, welches je nach der Beize türkiſchrote, olivenfarbene, violette
oder ſchwarzblaue Farben liefert.


Gewöhnlich aber zeigt ein adjektiver, d. h. ein nur mit Hilfe von Beizen
zu verwendender Farbſtoff nur eine Farbe, ſelbſt bei Verwendung verſchie-
dener Beizen, und die damit erzielten Färbungen unterſcheiden ſich höchſtens
in der Nüance.


Eine einheitliche Methode zur Befeſtigung von Farbſtoffen auf der
Faſer iſt noch nicht gefunden, wird auch nicht leicht gefunden werden, da die
chemiſch verſchiedene Natur der einzelnen Farbſtoffe, Beizen und Geſpinnſt-
faſern faſt in jedem Falle ein anderes Verfahren nötig machen. Immerhin
ſind die Verſuche, ſolche einheitliche Methoden zu finden, nicht ganz ohne
Erfolg geblieben und haben doch bis zu einem gewiſſen Grade zur Ent-
deckung von Klaſſenverwandtſchaften geführt, welche, da ſie mit den im erſten
Teile dieſes Handbuchs § 63 genannten eng zuſammenfallen, zugleich beweiſen,
daß hier ein innerer Zuſammenhang beſteht. Zu dieſer Ueberzeugung gelangt
man auf experimentellem Wege. Verſucht man z. B., welche Farbſtoffe ſich
[499] mittels Tannin oder Sumach auf Baumwolle fixieren laſſen, ſo wird man
finden, daß die hierbei gefundenen Farbſtoffe ſämtlich zu jener Gruppe ge-
hören, welche in obigem § 63 als „neutrale“ bezeichnet wurden; dieſelben
Farbſtoffe färben Wolle und Seide ſubſtantiv. Verſucht man, welche Farb-
ſtoffe ſich mittels eſſigſaurer Thonerde auf Baumwolle fixieren laſſen, ſo
findet man, daß dies jene Farbſtoffe ſind, welche als „ſchwach ſaure“ be-
zeichnet wurden; aber dieſe Farbſtoffe laſſen ſich auch auf Wolle nur mittels
Beizen befeſtigen und zwar brauchen wir für Wolle entweder Kaliumdichromat
oder Alaun. Wollten wir jedoch z. B. die Baumwolle mit Chromat oder
mit Alaun beizen, ſo würden wir damit unſeren Zweck nicht erreichen.
Wir ſehen hieraus, daß die Beziehungen zwiſchen Beizen und Farbſtoffen
von den Beziehungen beider zu den Gewebefaſern abhängig ſind. Wir wer-
den dieſe gegenſeitigen Beziehungen ausführlicher bei den einzelnen Faſern
zu betrachten haben.


1. Wollenfärberei.


§ 39. Die Färbemethoden.

Ueber die Wolle, ihre Eigenſchaften und ihr chemiſches Verhalten ſiehe
Teil I, § 5.


Subſtantives Wollfärben. Für das Färben der Wolle kommt
ihre große Verwandtſchaft zu einer großen Anzahl direkt färbender Stoffe
in Betracht, mit welchen ſie ſich mit Leichtigkeit und ohne Zuhilfenahme
einer Beize färbt. Es ſind dies die im vorigen Paragraphen erwähnten
neutralen Farbſtoffe. Das Färben der Wolle mit ſolchen neutralen Farb-
ſtoffen iſt die einfachſte Sache von der Welt. Je nach der zu erzielenden
Intenſität der Farbe wird ½ (oder weniger) — 5 (oder mehr) Prozent
vom Gewicht der Ware an Farbſtoff in das Färbebad gegeben, mit der
Ware eingegangen und dann allmählich bis zum Kochen erhitzt. Oft iſt
ſelbſt Kochen nicht einmal nötig und bloßes Erwärmen ſchon genügend. Im
allgemeinen aber iſt die Feſtigkeit der Verbindung von Farbſtoff und Woll-
faſer eine größere, wenn ein Kochen, möglichſt ſogar ein längeres, ſtattge-
funden hat. Als allgemeine Regel für das Färben von Wolle iſt hinzu-
ſtellen, daß man ſich das Färbebad lauwarm, 25 bis 30° R., her-
richtet, nur einen Teil des Farbſtoffs im Bade löſt, dann mit
der Ware eingeht und dann die Temperatur unter langſamer
Zugabe kleiner Mengen des Farbſtoffs allmählich zum Sieden
erhöht, und kürzere oder längere Zeit — je nach dem Farb-
ſtoff — im Sieden erhält
. Vorausſetzung beim ſubſtantiven Färben der
Wolle iſt ein kalkfreies Waſſer und eine ſeifen- oder alkali- oder ſäurefreie
Ware. Ein Seifen- oder Sodagehalt kann leicht vom Waſchen der Wolle
in der Faſer zurückgeblieben ſein, zumal dieſelbe einen Teil dieſes Alkalis
mit Hartnäckigkeit zurückhält. Dieſem Uebelſtande begegnet man durch Zu-
ſatz einer ganz geringen Menge Eſſigſäure. Ein Säuregehalt kann durch
das Bleichen in die Ware gekommen ſein. Die mechaniſch anhängende
ſchweflige Säure wird durch Sauerſtoffaufnahme an der Luft leicht zu
Schwefelſäure; dieſer Säuregehalt iſt zwar nicht bedeutend, kann aber doch
ſtörend auf das Angehen der Farbe wirken und iſt daher durch wenig
32*
[500] Ammoniak zu neutraliſieren. — Beim Färben mit neutralen künſtlichen organi-
ſchen Farbſtoffen ſind Kupfer- oder Eiſenkeſſel zu vermeiden.


Wollfärben mit Beizung. Wenn ein direktes Färben aus irgend
welchen Gründen unthunlich erſcheint, ſo daß man alſo die Wolle beizen
muß, ſo ſind hier 3 Fälle denkbar: Vorbeizen, Mitbeizen und Nachbeizen,
d. h. man beizt die Wolle entweder vor dem Ausfärben, oder gleichzeitig
im
Färbebade oder nach dem Färben. Welche von dieſen 3 Methoden ge-
wählt wird, hängt von den Beizen und den Farbſtoffen ab.


Das Vorbeizen, d. h. das Beizen, Spülen, und Ausfärben auf friſchem
Bade, iſt die älteſte und auch heute noch am häufigſten angewandte Methode.
Sie findet vornehmlich Anwendung beim Färben mit Farbhölzern und ande-
ren natürlichen Farbſtoffen. Die Wolle wird mit der betreffenden Beize
kochend imprägniert, dann im Beizbade erkalten gelaſſen, ſcharf geſpült, und
in das handwarme abſolut klare Färbebad gegeben, in welchem ſie bis zum
Kochen erhitzt und einige Zeit darin erhalten wird. Das Spülen darf
keinenfalls ausgelaſſen werden, um ein Hineingelangen ungebundenen Beiz-
ſtoffs in die Farbflotte zu verhindern; dieſes würde einen Verluſt an Farb-
ſtoff zur Folge haben. Die Farbholzabkochung muß durch ein feines Sieb
gegoſſen oder noch beſſer durch einen Beutel von Filz filtriert ſein. Das
Beizbad ſowohl als das Färbebad können nach beendeter Operation aufge-
hoben und ſpäter weiter benutzt werden.


Das Mitbeizen, auch „Einbadmethode“ genannt, vereinigt das Bei-
zen und Färben in ein und demſelben Bade. Es muß ſofort einleuchten,
daß der Farblack, welcher ſich nach der vorigen Methode in der Faſer ſelbſt
bildete, hier ſich im Bade bilden muß. Damit ergibt ſich von ſelbſt, daß
dieſe Methode nur dann überhaupt anwendbar iſt, wenn der gebildete Farb-
lack nicht abſolut unlöslich iſt, ſondern in heißem Waſſer wenigſtens etwas
ſich zu löſen im ſtande iſt. Da, wo dieſe Methode überhaupt anwendbar
iſt, bietet ſie entſchieden große Vorteile, mindeſtens eine weſentliche Erſparnis
an Zeit, Arbeit und Heizmaterial. Und was den erzielten Farbenton an-
belangt, ſo hat die Erfahrung gezeigt, daß derſelbe entweder ebenſo voll,
oder ziemlich ebenſo voll iſt, als wenn man erſt vorſiedet und dann in be-
ſonderem Bade färbt. Auch wird als Vorteil der Methode erwähnt, daß
beim Färben mit Hölzern nach dieſer Methode die Anweſenheit der Beize
im Farbbade ein Fixieren unreiner Extraktivſtoffe (Hummel-Knecht) ver-
hindern ſoll, und daß in ſolchem Falle ſogar eine noch reinere und tiefere
Färbung ſoll erzielt werden können, als nach der vorigen Methode 1. Das
Mitbeizen eignet ſich z. B. vorzüglich beim Färben von Gelbholz mittels
Alaun, Cochenille mit Zinnchlorid u. ſ. w. Schade, daß die Methode nur
eine beſchränkte Anwendung geſtattet; es wäre ſonſt die vorteilhafteſte und
rationellſte. — Hierher zählt auch das Färben ſtark ſaurer Farbſtoffe auf
Wolle, wobei die Beize, das ſaure ſchwefelſaure Natron, dem Farbbade direkt
zugeſetzt wird.


Das Nachbeizen dreht die Operationen um, indem zuerſt die un-
gebeizte Wolle mit der Farbſtofflöſung behandelt und dann erſt in die Beiz-
löſung eingeführt wird. Das Verfahren kann nicht als vernunftgemäß be-
zeichnet werden, da das Aufnahmevermögen ungebeizter Wolle für adjektive
Farbſtoffe nur gering iſt und ſelbſt ein anhaltendes Kochen dasſelbe nicht
[501] ſichtlich erhöht. Am Platze iſt es nur da, wo der Farbſtoff zugleich ein Gerb-
ſtoff iſt oder einen ſolchen enthält, z. B. Sumach, Catechu. In der That
wird das Nachbeizen faſt nur in jenen Fällen angewendet, in denen es ſich
um Erzielung ganz dunkler bis ſchwarzer Farben handelt. Als Beizen
dienen in dieſem Falle Eiſenvitriol oder Kupfervitriol, ſeltener Kaliumdichro-
mat. Dieſe Färbeoperation wird allgemein als Dunkeln, Abdunkeln
oder Nachdunkeln bezeichnet. Nicht ſelten wird auch beim Dunkeln ſtatt
zweier Bäder nur ein Bad angewendet; in dieſem Falle unterſcheidet ſich
natürlich das Dunkeln in nichts von der „Einbadmethode“ und hat auch
deſſen Vorteil für ſich; dagegen gibt das Färben und Beizen in zwei ge-
trennten Bädern, wie die Erfahrung lehrt, walkechtere Farben.


Das kombinierte Vor- und Nachbeizen iſt eine vielfach verwen-
dete Methode und beſteht — kurz ausgedrückt — aus dem Vorbeizen, Fär-
ben und Dunkeln in drei verſchiedenen Bädern, von denen die beiden letzteren
auch in einem verbunden ſein können. Dieſe Methode wird beim Färben
mit Holzfarben in allen den Fällen angewendet, wo es ſich hinterher noch
um ein Nachdunkeln handelt. Es kommt jedoch auch vor, daß man die
Dreibadmethode dann anwendet, wenn es ſich um beſonders echte Farben
handelt; in dieſem Falle kann es ſogar vorkommen, daß das dritte Bad
dieſelbe Beize enthält, wie das erſte; z. B.


Erſtes Bad: Doppelt chromſaures Natron; zweites Bad: Blauholzab-
kochung; drittes Bad: Natriumdichromat. Oder:


Erſtes Bad: Schmackflotte; zweites Bad: Eiſenvitriol; drittes Bad:
Schmackflotte.


Andererſeits bezweckt das dritte Bad wohl auch ein Nüancieren des
urſprünglichen Farbentones, unter Umſtänden ſelbſt ein Aufhellen der Farbe,
die Erzeugung eines lebhaftern, feurigen Tones. In dieſem Falle iſt die
Beize des dritten Bades eine weſentlich andere, als die des erſten; z. B.


Erſtes Bad: Natriumdichromat; zweites Bad: Krappabkochung; drittes
Bad: Zinnchlorür.


In dieſem Falle kann vom „Abdunkeln“ keine Rede ſein; dieſe Opera-
tion iſt vielmehr das Schönen, Beleben, Avivieren.


Die Dreibadmethode iſt mithin verſchiedener Modifikationen fähig; ſie
ermöglicht ſowohl das Hervorrufen beſonders walkechter Farben, als das Ab-
dunkeln, als auch das Avivieren. Sie gewährt alle erdenklichen Vorteile, hat
aber den einen — allerdings nicht zu unterſchätzenden — Nachteil des
größeren Aufwandes an Zeit, Mühe und Dampf.


Ein Hauptaugenmerk iſt in der Wollenfärberei darauf zu richten, daß
die erhaltenen Färbungen walkecht ſind, d. h. daß ſie dem Erwärmen mit
den alkaliſchen Flüſſigkeiten beim Walkprozeß widerſtehen und beim Ver-
ſpinnen mit weißer Wolle nicht in das Weiß hinüberfließen, oder, wie der
Walker ſagt, nicht bluten. Wo Walkechtheit verlangt wird, da iſt direktes
Färben vorweg ausgeſchloſſen und es muß zum Beizverfahren geſchritten
werden.


§ 40. Die Wollbeizen.

Die Zahl der zum Beizen der Wolle geeigneten Körper iſt nicht groß
und beſchränkt ſich vorwiegend auf Thonerde- und chromſaure Salze. Zinn-
ſalze, Eiſen- und Kupferbeizen ſpielen nur eine untergeordnete Rolle. Von
[502] den Thonerdeſalzen ſind zu erwähnen: der Alaun und die ſchwefelſaure
Thonerde; von Chromverbindungen: Kaliumdichromat, Natriumdichromat und
Chromalaun. Von Zinnbeizen hat nur das Zinnchlorür Bedeutung, das
Zinnnitrat hat nebenſächlichen Wert. Eiſenſalze — unter ihnen obenan
Eiſenvitriol, ſeltener holzeſſigſaures Eiſen und Eiſenalaun — und Kupfer-
vitriol ſind mehr zum Nachbeizen reſp. Dunkeln geeignet. Schwefel und
Kieſelſäure als Beize für Wolle haben mehr theoretiſches Intereſſe. Da-
gegen darf das Natriumbiſulfat (Weinſteinpräparat) reſp. deſſen Erſatz, das
Glauberſalz unter entſprechendem Schwefelſäurezuſatz, als Mitbeize für ſaure
Farbſtoffe nicht unerwähnt bleiben, obgleich deſſen Thätigkeit im Färbebade
auch eine andere Erklärung zuläßt, als die des Beizens.


Beizen mit Alaun. Ueber die Eigenſchaften des Alauns vergl.
Erſter Teil, § 96. Um die Wolle mit Alaun zu beizen, muß derſelbe in
Waſſer gelöſt werden; mit dieſer Löſung muß die Wolle eine Zeit hindurch
gekocht werden. Zu einer normalen Alaunbeize rechnet man 10 Prozent
(vom Gewicht der Wolle) Alaun. Faſt durchweg wird dem Beizbade noch
Weinſtein zugegeben. Ohne dieſen Zuſatz erzielt man mit Alaun eine
matte Farbe; der Weinſteinzuſatz jedoch bewirkt volle, glänzende Farben,
wenigſtens bei künſtlichen Farben, während bei Holzfarben eher das Gegen-
teil der Fall iſt. Dieſe Thatſache ſteht feſt, aber der Grund iſt weniger
bekannt. Es iſt anzunehmen, daß zwiſchen dem Alaun und dem Weinſtein
eine Wechſelzerſetzung erfolgt, indem ſich ſchwerlösliches Kaliumſulfat und
das im Verhältnis zum Alaun weit leichter zerſetzbare Aluminiumtartrat
bilden. Da Kaliumſulfat in heißem Waſſer nicht unlöslich iſt, wird dieſe
Zerſetzung durch eine etwaige kryſtalliniſche Ausſcheidung nicht für das Auge
ſichtbar. Daß dieſe Zerſetzung jedoch wahrſcheinlich eintritt, dafür ſpricht
der Umſtand, daß man, wenn man Wolle mit reiner weinſaurer Thon-
erde (vergl. § 96, 21) beizt, vorzügliche Reſultate erhält. Dies voraus-
geſetzt, hat ſich in der Praxis ein Zuſatz von 7½ Prozent Weinſtein zu
10 Prozent Alaun als das beſte Verhältnis herausgeſtellt, ſo daß die Beiz-
flüſſigkeit für 100 kg Wolle betragen würde: 10 kg Alaun, 7,5 kg Wein-
ſtein, 1000 l Waſſer. Es darf angenommen werden, daß die weinſaure
Thonerde ihre Thonerde leichter an die Wollfaſer abgibt, und daß ſomit
freie Weinſäure gebildet wird, welche auf die Wollfaſer keine Wirkung ausübt.


Beizen mit ſchwefelſaurer Thonerde. Dasſelbe vollzieht ſich in
gleicher Weiſe und unter den gleichen Verhältniſſen, wie beim Alaun. Es
iſt das normale Sulfat anzuwenden, nicht ein baſiſches Salz. Auch hier
begegnen wir dem gleichen Weinſteinzuſatz. Hummel*) empfiehlt zum Beizen
folgende Flüſſigkeit: Auf 100 g Wolle: 1 l Waſſer, 8 g ſchwefelſaure Thon-
erde, 7 g Weinſtein. Die Wolle wird in die kalte Löſung gebracht, die
Temperatur innerhalb 1 bis 1½ Stunden allmählich zum Sieden erhitzt,
½ Stunde im Sieden erhalten und zuletzt gewaſchen. — Ein Zuviel an
Weinſtein ſcheint nicht ſchädlich zu ſein, ein Zuwenig dagegen gibt matte
lebloſe Farben.


Anwendung der Thonerdebeizen. Sie dienen zum Fixieren der
ſchwach ſauren Farbſtoffe, zu welchen auch ſonſt alle natürlichen Farbſtoffe zählen,
[503] alſo für die ſämtlichen Holzfarben, Cochenille, Krapp, Alizarin, Coeruleïn,
Alizarinblau, Gallocyanin, Galleïn, Indophenol, die Eoſine, Alizarinorange,
Anilinbraun, Bismarckbraun.


Beizen mit Kaliumdichromat oder Natriumdichromat. Das
Salz wird in Waſſer gelöſt und die Wolle mit dieſer Löſung 1½ bis 2 Stun-
den gekocht, dann gewaſchen und zentrifugiert. In welcher Weiſe der Beiz-
prozeß mit Kaliumdichromat eigentlich vor ſich geht, das iſt mit völliger
Sicherheit noch nicht feſtgeſtellt. Die Anſichten gehen hier weit auseinander.
Während Einige der Meinung ſind, daß die Chromſäure ſich während des
Kochens zu Chromoxyd reduziere, und daß ſich Chromoxyd als ſolches auf
der Faſer niederſchlage, behaupten Andere, daß das Beizen mit Dichromat
ein einfaches Imprägnieren ſei. Sehen wir uns die Sache einmal näher
an. Das doppelt chromſaure Kali iſt ein Salz von großer Beſtändigkeit,
welches ſelbſt durch ſtundenlanges Kochen ſeiner wäſſerigen Löſung ſich nicht
zerſetzt. Dagegen iſt es bekannt, daß die Chromſäure durch reduzierende
Körper leicht in ein Chromſalz zurückverwandelt wird. Macht man aus
dem Kaliumdichromat durch Verſetzen mit Schwefelſäure die Chromſäure
frei, ſo gelingt es, mit Hilfe reduzierender Körper auch das Dichromat in
Chromſalz zu verwandeln; man erhält dann eine lebhaft grüne Löſung, aus
welcher beim Erkalten Chromalaun in violetten Kryſtallen herauskryſtalliert.
Wenn nun, wie vielfach angenommen wird, beim Beizen der Wolle mit
Kaliumdichromat Chromoxyd ſich auf der Faſer niederſchlagen ſoll, ſo müßte
die Wolle reduzierend auf die Chromſäure wirken und die Flüſſigkeit grün
gefärbt werden. Das iſt aber nicht der Fall; man mag die Wolle mit
der Beizlöſung kochen, ſolange man will, ſo wird dieſelbe gelb bleiben. Die
Wolle reduziert alſo das chromſaure Kali nicht
. Eine 2 Stunden
lang damit gekochte Wolle ſieht gelblich aus und aus einer ſolchen gebeizten
Wolle kann man durch Spülen mit Waſſer unzerſetztes Dichromat auswaſchen,
das durch die Farbe ſeiner Löſung und die bekannten Chromſäure-Reaktionen
als ſolches nachgewieſen wird. Wenn man zum Kalium- (oder Natrium-)
Dichromat noch Schwefelſäure hinzufügt, ſo wird dadurch zwar die Chrom-
ſäure in Freiheit geſetzt, aber eine Reduktion zu Chromſalz findet auch
in dieſem Falle nicht ſtatt
.


Zum Beizen mit Dichromat verwendet man gewöhnlich 2 bis 4 Pro-
zent vom Gewicht der Wolle und bei Schwefelſäurezuſatz ebenſoviel Schwefel-
ſäure von 66° Bé. In beiden Fällen findet eine Reduktion nicht ſtatt und
die gebeizte Wolle iſt alſo lediglich mit doppelt chromſaurem Salz impräg-
niert.


Ganz anders geſtaltet ſich der Fall, wenn zum Beizbade
reduzierende Mittel, wie Weinſtein, Weinſäure, Oxalſäure
hinzugefügt werden
. Beizt man nämlich mit 2 bis 4 Prozent chrom-
ſaurem Salz und etwa 4 Prozent Weinſäure, ſo erhält man eine grüne
Löſung von weinſaurem Chromoxyd Kali und die gebeizte Wolle ſieht grün
aus. Ob dieſe grüne Farbe von ausgeſchiedenem Chromoxydhydrat herrührt,
wie Hummel ausſagt, und wie auch Kertész anzunehmen ſcheint, erſcheint
mir fraglich, denn das Kalium-Chromitartrat iſt ein beſtändiges Salz und
die damit gebeizte Wolle ſieht nicht ſo aus, als wenn ſie mit Chrom-
hydroxyd beladen wäre, ſondern als wenn ſie mit der Löſung des Doppel-
ſalzes getränkt ſei.


[504]

Es fragt ſich jetzt, worin denn nun der eigentliche Unterſchied in den
beiden Methoden liegt, ob es richtiger iſt, die Wollfaſer mit Dichromat (wie
im erſten Falle) oder mit weinſaurem Chrom (d. h. mit Dichromat und Wein-
ſäure) zu beizen; es fragt ſich, wie verhalten ſich derartig verſchieden ge-
beizte Wollen beim Färben. Die Antwort iſt merkwürdig; ſie lautet: gleich.
Man erhält alſo in beiden Fällen die gleiche Färbung, reſp. den gleichen
Farblack. Unter ſolchen Umſtänden kann nur angenommen werden, daß die
Reduktion zu Chromoxydſalz, wenn ſie nicht vorher durch Weinſäurezuſatz
bewirkt wird, ſich hinterher im Färbebade ſelbſt vollzieht. Es muß nach
dem Geſagten ziemlich gleichgültig erſcheinen, ob man die Wolle mit oder
ohne Weinſäurezuſatz beizt; es iſt aber doch ein Unterſchied vorhanden; läßt
man die Weinſäure weg, ſo muß man die Wolle mindeſtens zwei Stunden
kochen (auch bei Schwefelſäurezuſatz) und man wird wohl thun, noch über
Nacht im Bade liegen zu laſſen; beizt man unter Zuhilfenahme von Wein-
ſäure (oder Oxalſäure oder Alkohol), ſo iſt das Beizen in einer kleinen
Stunde vollzogen, und es kann ſofort geſpült, geſchleudert und gefärbt wer-
den. Und noch auf eines möchte ich aufmerkſam machen; beizt man ohne
Weinſäurezuſatz, ſo daß die Reduktion erſt im Färbebade ſelbſt ſich vollzieht,
ſo muß ſich dieſer natürlich auf Koſten des Farbſtoffes vollziehen.


Nach dieſen rein theoretiſchen Erläuterungen möchte ich nunmehr em-
pfehlen: in allen den Fällen, wo es ſich um ein Fixieren, nicht um ein
Oxydieren von Farbſtoff handelt, beim Beizen mit ſaurem chromſaurem
Kali
(oder Natron) den Weinſäurezuſatz zu machen, und nur grün
gebeizte Wolle zum Färben zu verwenden. Der geſamte Beiz- und Färbe-
prozeß vollzieht ſich dann ohne Aufenthalt hintereinander ohne Zeitverluſt
und ohne Farbſtoffverluſt. Ein weiterer Vorteil beſteht darin, daß die grün
gebeizte Wolle nicht lichtempfindlich, während die gelblich gebeizte licht-
empfindlich iſt, was ich ſchon in meinem Vortrag in Waldenburg in Schle-
ſien*) nachgewieſen und erörtert habe. Bei chromſäurehaltiger Wolle kann
man infolge von teilweiſer oder ungleicher Belichtung leicht zu fleckiger Ware
kommen; bei grün geſottener Wolle nicht. Endlich iſt vor einem Ueberſchuß
von Chromſäure zu warnen. Ein ſolcher iſt die Urſache, daß oft chromge-
beizte Wolle im Färbebade ſich nicht färben will; der Grund hierfür iſt
lediglich eine gegenſeitige Zerſetzung von Dichromat und Farbſtoff. Es wird
ſich aus allen dieſen Gründen empfehlen, ſchon von vornherein beim Beizen
der Wolle mit Chromſäure oder deren ſauren Salzen auf einen genügend
reichlichen Weinſäurezuſatz zu ſehen; ein kleiner Ueberſchuß an Weinſäure
ſchadet nichts, ein Ueberſchuß von chromſaurem Salz iſt ſtets bedenklich. Man
geht vollkommen ſicher, wenn man das Doppelte des Gewichts an Wein-
ſäure nimmt, wie chromſaures Salz. Ich empfehle folgende Beizflüſſig-
keit
: Auf 10 kg Wolle: 200 g Kaliumdichromat, 400 g Weinſäure,
100 l Waſſer. Kalt mit der Ware eingehen. 2 Stunden ſieden, auf-
heben, ſpülen und ſchleudern. — Dagegen iſt in allen jenen Fällen, wo der
Sauerſtoffgehalt des Dichromats zur Oxydation eines Farbſtoffes oder eines
Chromogens Verwendung finden ſoll, der Weinſäurezuſatz nicht am Platze
und beſſer durch Schwefelſäure zu erſetzen.


[505]

In allen Fällen, wo es ſich um eine eigentliche Chrombeizung handelt,
geht der Beizprozeß dem Färbeprozeß voraus. Es gibt jedoch vereinzelte
Fälle, in denen das Kaliumdichromat als Nachbeize angewendet wird; dann
handelt es ſich aber nicht um eine Chrombeizung, ſondern um einen Oxy-
dationsprozeß; ſo z. B. beim Färben mit Catechu.


Beizen mit Chromalaun. Es muß befremden, daß der Chrom-
alaun, welcher ein prächtiges Wollbeizmittel iſt, ſo wenig Verwendung findet.
In ihm iſt das Chrom als Chromoxyd enthalten, und man würde beim
Behandeln mit einer Chromalaunlöſung eine grün gebeizte Wolle erhalten,
ohne irgend einen Ueberſchuß von Chromſäure befürchten zu müſſen. Der
Chromalaun iſt zudem als Nebenprodukt einer Anzahl chemiſcher Prozeſſe,
beſonders in der Teerfarbenfabrikation, ein ſehr billiges Nebenprodukt, ſo
daß er der Beachtung empfohlen zu werden verdient. Seine Anwendung
würde entweder für ſich allein, oder beſſer in Verbindung mit Weinſtein zu
erfolgen haben.


Anwendung der Chrombeizen. Sie dienen zum Fixieren der
ſchwach ſauren Farbſtoffe, ſowie auch jener natürlichen Farbſtoffe, welche
gerbſtoffähnlichen Charakter haben, im letzteren Falle aber weniger als Beiz-,
ſondern als Oxydationsmittel. Ihre Hauptanwendung aber finden ſie zum
Befeſtigen der eigentlichen Alizarin- oder Anthracenfarbſtoffe, ſowie einer
großen Anzahl von Azofarbſtoffen; bekannt iſt ferner ihre Anwendung zur
Oxydation der Holzfarbſtoffe, inſonderheit der Farbſtoffe von Blauholz, Sandel-
und Gelbholz. Eine Hauptanwendung finden ſie zur Erzeugung von Chrom-
ſchwarz aus Blauholz (in welchem Falle der Weinſäurezuſatz beſſer unter-
bleibt) ohne oder mit Gelbholz und ohne oder mit Zuſatz von Alaun.


Beizen mit Chlorzinn. Das Zinnſalz findet heute entfernt nicht
mehr die Anwendung als Beizmittel, wie früher, wo die Farblacke aus
Zinnſalz und den Farbhölzern beſonders geſchätzt waren. Färbungen dieſer
Art werden heute einfacher, billiger und ſchöner mit Teerfarben dargeſtellt.
Dagegen iſt das Zinnchlorür noch heute eine zweckmäßige Beize für das
Färben mit Cochenille.


Eine normale Zinnſalzbeize auf Wolle erfordert 4 bis 6 Prozent vom
Gewicht der Wolle an kryſtalliſiertem Zinnchlorür; auch der Zinnbeize wird
durchſchnittlich Weinſtein hinzugefügt und zwar 4 Prozent, dieſer Zuſatz
verhindert die Bildung eines baſiſchen Chlorzinns, man erhält eine klare
Löſung. Ich empfehle folgende Löſung: Auf 10 kg Wolle: 600 g Chlor-
zinn, 400 g Weinſtein, 50 l Waſſer. Kochen durch 1 bis 1½ Stunden.
Dieſe Flüſſigkeit kann ſowohl zum Vorbeizen wie zum Mitbeizen dienen; der
letztere Fall trifft gerade hier häufiger zu, weil die Zinnfarblacke in einem
Ueberſchuß des ſauren Färbebades nicht unlöslich ſind. In dieſer Weiſe
verfährt man beim Scharlachfärben von Wolle mit Cochenille und beim
Gelb- und Orangefärben mit Flavin. An Stelle des Weinſteins werden
auch bisweilen Weinſäure, Oxalſäure oder Alaun zugeſetzt; in dieſem Falle
tritt an Stelle der 400 g Weinſtein in der oben empfohlenen Flüſſigkeit
360 g Weinſäure oder 800 g Oxalſäure. Beim Scharlachfärben mit Coche-
nille und beim Orangefärben mit Cochenille und Flavin wird meiſt Beizen
und Färben in einem Bad vereinigt; umgekehrt wird beim Färben mit
Hölzern, vornehmlich Quercitron- und Fiſetholz, erſt mit der Zinnlöſung
gebeizt und dann im beſonderen Bade gefärbt.


[506]

Beizen mit Zinnchlorid. Findet nur ausnahmsweiſe, zuſammen
mit Weinſtein, in der Scharlachfärberei mit Cochenille Anwendung, iſt aber
nicht zu empfehlen, da die erhaltene Nüance weit weniger lichtecht iſt, als
die mit Zinnchlorür erhaltene. Dagegen iſt es eine zweckmäßige Wollbeize
zum Färben mit Jodgrün.


Beizen mit Zinnnitrat. Die in § 103, 4 beſchriebene Zinnlöſung
gibt auch ohne Weinſteinzuſatz mit Cochenille ein lebhaftes gelbliches Schar-
lach. Beim Beizen mit Zinnlöſungen ſind Keſſel aus Kupfer
oder Eiſen nicht zu verwenden
; man muß daher entweder Holzkufen
oder Zinnkeſſel oder ſtark verzinnte Kupferkeſſel benutzen.


Zum Nachbeizen werden Zinnlöſungen vielfach angewendet und zwar
zum Beleben der Farben oder Avivieren.


Beizen mit Eiſenvitriol. Der Eiſenvitriol dient nicht zum An-
ſieden, ſondern als Mit- oder Nachbeize in einem oder zwei Bädern. Er
dient daher weniger als Beize, ſondern eher als Material zum Dunkeln.
Je nach der zu erzielenden Nüance verwendet man 1 bis 8 Prozent Eiſen-
vitriol, welche man, wenn ſich die Wolle mit dem Farbſtoff genügend im-
prägniert hat, dem Farbbade zuſetzt und noch ½ Stunde kochen läßt; man
erzielt ſo graue bis ſchwarze Töne der Grundfarbe. Als Nachbeize wird
das Ferroſulfat in denſelben Fällen angewendet, wie das Kaliumdichromat,
nämlich, wenn der Farbſtoff zugleich ein Gerbſtoff iſt, z. B. beim Färben mit
Sandelholz, Sumach, Catechu.


Ein eigentliches Beizen mit Eiſenvitriol würde nur bei Zuſatz großer
Mengen Weinſtein von Wirkung ſein, dadurch aber gleichzeitig zu teuer
werden*).


Beizen mit holzſaurem Eiſen. Es iſt mir nicht bekannt, daß
dasſelbe in der That Verwendung findet. Doch ſtände ſeiner Verwendung
für gewiſſe Methoden der Schwarzfärberei der Wolle nichts im Wege.


Beizen mit Eiſenalaun. Eine Löſung von 8 bis 10 Prozent
Eiſenalaun in Waſſer dient zum Beizen der Wolle für das Färben mit
Alizarin und Alizarinfarben. Dieſelbe Löſung konnte jedoch ſehr wohl auch
noch anderweite Verwendung finden.


Beizen mit Kupfervitriol. Dieſer wird als Beizmittel verhältnis-
mäßig wenig gebraucht, obgleich er ſehr gute Reſultate gibt. Ein Zuſatz
von Weinſtein wird mehrfach empfohlen, von Andern hingegen als unnütz
verworfen. Für eine normale Kupferbeizung genügen 4 Prozent vom Ge-
wicht der Wolle an Kupferſulfat. Kupfergebeizte Wolle gibt mit Blauholzab-
kochung eine faſt ſchwarze, Rotholz eine braune oder bordeaux Färbung.
In andern Fällen verwendet man 2 Prozent Kupfervitriol und 8 Prozent
Weinſtein. Die häufigſte Verwendung findet er zum Dunkeln, entweder für
ſich allein oder in Verbindung mit Eiſenvitriol. Zum Dunkeln wird Kupfer-
vitriol im zweiten oder dritten Bade angewendet; zum eigentlichen Beizen
ohne oder mit Weinſtein wird es im erſten Bade angewendet. Beim
Beizen mit Kupfervitriol ſind eiſerne Keſſel unbedingt zu ver-
[507] meiden, da ſich dieſelben ſonſt verkupfern, während Eiſen gelöſt

wird; es ſind alſo Kupferkeſſel oder Holzkufen zu verwenden.


Beizen mit Schwefel. Dieſe Methode findet nur zum Färben mit
Methyl- und Malachitgrün Anwendung. Der Schwefel wird in der Flüſſig-
keit präcipitiert und im Moment der Abſcheidung auf der Wolle fixiert. In
der Praxis verfährt man dabei folgendermaßen: Für 10 kg Wolle werden
1 bis 2 kg unterſchwefligſaures Natron in 50 l Waſſer gelöſt, in die kalte
Löſung die Wolle hineingethan, das Ganze gut durchmiſcht, und dann 0,5
bis 1 kg Schwefelſäure von 66° Bé. oder Salzſäure von 20° Bé. in
dünnem Strahl unter Umrühren hinzugegeben. Die Flüſſigkeit färbt ſich
dabei von ausgeſchiedenem Schwefel milchig. Man erhöht nun die Tempe-
ratur ganz allmählich bis auf 60 bis 65° R., erhält etwa 1 Stunde hierin
und wäſcht zuletzt gut aus. Nach einer andern Vorſchrift ſoll man 2 kg
unterſchwefligſaures Natron, 1 kg Alaun und 0,5 kg Schwefelſäure verwenden,
und nach dem Beizen entweder ohne zu ſpülen direkt ausfärben, oder noch
vorher ½ Stunde lang in einem 5 prozentigen Seifenbade bei 75° R.
durcharbeiten. Der Alaunzuſatz ſoll ein Verfilzen der Wolle verhindern
(Kertész). Was das Behandeln im Seifenbade eigentlich bezwecken ſoll,
iſt nicht recht verſtändlich. — Auf dieſe Weiſe mit Schwefel gebeizte Wolle
beſitzt ſtets einen eigentümlichen Griff und den charakteriſtiſchen Schwefel-
geruch.


Beizen mit Glauberſalz und Schwefelſäure. Die Miſchung von
Glauberſalz und Schwefelſäure dient allgemein zum Färben mit ſauren Farb-
ſtoffen. Die Angaben über die Verhältniſſe zwiſchen den Chemikalien weichen je-
doch ſehr voneinander ab. Man findet 20 bis 30 Prozent vom Gewicht der
Wolle an Glauberſalz und 4 bis 5 Prozent an Schwefelſäure von 66° Bé. Der
Schwefelſäurezuſatz bezweckt das Freimachen der Farbſäure aus dem Farb-
ſtoffe und das Glauberſalz ſoll das Angehen der Farbſäure an die Wolle
regulieren, da die Farbſäuren gemeinhin ſehr ſchnell angehen und daher zu
unregelmäßigem Färben Anlaß geben. Man pflegt dieſe Miſchung von
Glauberſalz und Schwefelſäure, ſowie auch an deſſen Stelle das käufliche
Natriumbiſulfat (Weinſteinpräparat) in das Farbbad zu geben, bei 30° R.
mit der Wolle einzugehen, dann langſam bis zum Kochen zu erhitzen
und dann 10 bis 30 Minuten im Kochen zu erhalten. Vorzüglich bewährt
hat ſich auch das Zugeben der Säure in das fertige Färbebad während des
Erwärmens und Kochens in kleinen Portionen. Dieſe Methode hat den
Vorteil, daß die Farbſäure nicht mit einemmale frei wird, ſondern nur in
dem Maße, als die Schwefelſäure zugeſetzt wird; man erhält auf dieſe Weiſe
mit Sicherheit gleichmäßige Färbungen.


§ 41. Die Wollfarbſtoffe.

Wie ſchon § 38 ausgeführt, iſt die Verwandtſchaft verſchiedener Faſern
zu den Farben eine ſehr verſchiedene, ſo daß von den bisher bekannten und
in Anwendung gezogenen Farbſtoffen nur eine beſtimmte Anzahl Verwendung
finden können. Für die Wolle ſind dies folgende:


[508]

1. Direkt färbende.


  • Orſeille.
  • Orlean.
  • Curcuma.
  • Gelbſchoten.
  • Indigo.
  • Catechu.
  • — —
  • Fuchſin.
  • Ceriſe.
  • Grenadin.
  • Marron.
  • Congo.
  • Chryſoidin.
  • Bismarckbraun.
  • Auramin.
  • Phosphin.
  • Malachitgrün.
  • Aethylgrün.
  • Brillantgrün.
  • Viktoriagrün 3 B.
  • Methylgrün.
  • Jodgrün.
  • Nilblau.
  • Methylviolett B.
  • Kryſtallviolett.
  • Benzylviolett.
  • Hofmanns Violett.
  • Aethylviolett.
  • Reginaviolett.
  • Violettſchwarz.

2. Mit Beizen färbende.


  • Cochenille.
  • Lac-dye.
  • Die Rothölzer.
  • Krapp.
  • Orſeille.
  • Perſio.
  • Blauholz.
  • Gelbholz.
  • Fiſetholz.
  • Gelbbeeren.
  • Quercitron.
  • Wau.
  • Flavin.
  • — —
  • Eoſin.
  • Erythroſin.
  • B N.
  • Phloxin.
  • Methyleoſin.
  • Aethyleoſin.
  • Cyanoſin.
  • Rhodamin.
  • Alïzarin.
  • Flavopurpurin.
  • Anthrapurpurin.
  • Purpurin.
  • Chryſolin.
  • Alizarinorange.
  • Galloflavin.
  • Coeruleïn.
  • S.
  • Alizarinblau.
  • S.
  • Indophenolblau N.
  • Galleïn.
  • Gallocyanin.
  • Prune.
  • Anthracenbraun.
  • Alizarinſchwarz.

3. Aus ſaurem Bade färbende.


Die ſämtlichen Azofarbſtoffe § 68, c; I.


„ „ Tetrazofarbſtoffe § 68, c; II.


„ „ Azofarbſtoffe § 72 c; I und II.


  • Fuchſin S.
  • Chinolingelb
  • Pikrinſäure.
  • Naphtolgelb.
  • Neugelb.
  • Aurantia.
  • Naphtolgelb S.
  • Brillantgelb.
  • Citronin.
  • Tartrazin.
  • Säuregrün.
  • Guineagrün B.
[509]
  • Echtgrün.
  • Naphtolgrün B.
  • Anilinblau, ſpritlöslich.
  • Alkaliblau.
  • Alkaliblau D.
  • Indulin.
  • Nigroſin.
  • Wollſchwarz.
  • Naphtolſchwarz.

Die ſämtlichen Farbſtoffe aus § 80.


„ „ ſtark ſauren Farbſtoffe aus § 81.


Die vorbezeichneten Farbſtoffe ſind inſofern nicht ganz vollzählig, als
ich mehrere, welche zwar ſehr wohl auf Wolle Verwendung finden könnten,
teils wegen ihrer geringen Echtheit, teils aber auch wegen ihres hohen Preiſes
in der That keine Anwendung finden, weggelaſſen habe. Auch von den
vielen übrig gebliebenen werden viele nur vereinzelt angewendet. Die ge-
bräuchlichen ſamt der Methode ihrer Anwendung finden ſich in den nächſt-
folgenden Paragraphen. — Zu erwähnen wären hingegen noch das Primu-
lin und die Ingrainfarben, welche zwar vorwiegend zur Baumwollenfärberei
dienen, aber die gleiche Verwandtſchaft auch für Wolle beſitzen ſollen.


§ 42. Rote Färbungen auf Wolle.

Der Typus eines reinen neutralen Rots iſt das Ziegelrot. In den
Regenbogenfarben zwiſchen dem Violett und Orange ſtehend, gibt es zahl-
loſe Uebergänge oder Abtönungen vom reinſten Neutralrot zum Violett
oder Orange. Erſtere werden als blauſtichiges Rot bezeichnet und führen
die Namen Purpur, Carmoiſin, Kirſchrot, Roſa, Krapprot, u. ſ. w.; letztere
heißen gelbſtichiges Rot und werden als Scharlach, Ponceau, Amaranth,
Bordeaux u. ſ. w. bezeichnet. Einem jeden roten Farbſtoffe iſt auch eine
eigene Nüance eigentümlich; es iſt daher bei der Wahl des zur Ausfärbung
dienen ſollenden Farbſtoffes hierauf von vornherein Rückſicht zu nehmen.
Bei den mittels Beizen auszufärbenden läßt ſich durch Abänderung im Beiz-
mittel oft eine Veränderung der Nüance herbeiführen. — Beſonders hervor-
zuheben iſt noch, daß, wenn es ſich um Erzeugung walkechter Färbungen
handelt, die Auswahl unter den roten Farbſtoffen eine ziemlich geringe iſt,
da die meiſten derſelben, mit Ausnahme des Alizarins, gegen Alkalien
ziemlich, teilweis ſogar ſehr empfindlich ſind. — Die zur Zeit wichtigſten roten
Farbſtoffe zur Erzielung walkechter roter Nüancen ſind Alizarin, Cochenille,
Krapp, Lac-dye und für gewiſſe Töne Rotholz und Sandel. Wo Walk-
echtheit nicht unbedingt verlangt wird, iſt die Auswahl eine größere.


1. Direkte rote Färbungen.

Ein reines neutrales Rot erhält man mittels der Orſeille oder
deren Präparate durch einfaches Löſen in Waſſer und Behandeln in
neutralem Bade. Doch wird ſelten Orſeille für ſich allein zum Färben
benutzt, obſchon es volle, ſatte Farben gibt und den Vorteil beſitzt, ſowohl
in neutralem, wie in ſchwach ſaurem als auch ſchwach alkaliſchem Bade zu
färben. Es eignet ſich daher trefflich zum Nüancieren anderer roter Farben
in neutralem, ſaurem oder alkaliſchem Bade.


Das Gleiche iſt der Fall mit Orlean; die Färbung iſt aber ſchon
mehr hochrot, bei großer Verdünnung gelb; der Farbſtoff geht in dünnem
[510] Seifenbade ſchon bei 40° R. an; kräftige Färbungen erhält man in neu-
tralem Bade bei 65 bis 80° R.


Der wichtigſte direkt rote Farbſtoff iſt das Fuchſin (vergl. § 66).
Dasſelbe färbt aus neutraler Löſung. Man geht mit der Ware in das
lauwarme Färbebad ein und treibt bis zum Kochen. Das Bad wird aus-
gezogen. Bei Zuſatz von wenig Seife zum Färbebade wird die Farbe leb-
hafter, aber das Bad wird nicht erſchöpft. Die Farbe läuft in der Walke,
iſt daher für ein walkechtes blauſtichiges Rot nicht zu verwenden. Ceriſe, Gre-
nadine
und Marron geben minderwertige mattere, mehr ins Gelbrote bis
Bordeauxrote gehende Färbungen. Vergl. auch § 66. Anwendung wie bei
Fuchſin.


Congo, dieſer neue Benzidinfarbſtoff hat gleichfalls die Fähigkeit,
Wolle in direktem neutralem Bade congorot zu färben.


2. Indirekte rote Färbungen.

a) Neutral rote.

Die Rothölzer geben mehr rotbraune bis braunrote Töne. Die rein
roten Färbungen, welche man erzielt, ſind ſehr wenig echt. Man erhält
eine ſolche z. B. aus Rotholz auf mit Alaun und Weinſtein gebeizte
Wolle mit 50 bis 60 Prozent vom Gewicht der Wolle an Rotholz unter
Zuſatz von ſehr wenig Zinnchlorür und Gelbholz. — Camwood und
Sandelholz geben ähnliche, mehr blauſtichige Farben.


Die Eoſinfarben (Eoſin, Eoſin B N, Erythroſin, Phloxin, Methyl-
eoſin, Aethyleoſin, Cyanoſin, Rhodamin) geben alle möglichen roten Nüancen
von Blaurot durch Reinrot bis Gelbrot. Sie werden jedoch wenig mehr
verwendet, da man mit Azofarbſtoffen dauerhaftere und billigere Farben er-
zielt. Will man ſie aber anwenden, ſo iſt kalkfreies Waſſer die erſte
Bedingung. Wolle färbt in einem ſolchen kalkfreien Bade zwar unge-
beizt, unter Zuſatz von ganz wenig Eſſigſäure; beſſere Farben aber erhält
man, wenn man mit Alaun und Weinſäure beizt. Eine normale Färbung
erfordert ½ bis 2 Prozent Farbſtoff. Kertész empfiehlt auch dann noch,
dem Färbebade 1 Prozent Eſſigſäure zuzuſetzen.


Von weit größerer Wichtigkeit iſt das Färben mit Alizarin. Das
Alizarin iſt der Hauptvertreter jener Gruppe von Farbſtoffen, welche die
Eigenſchaft haben, mit verſchiedenen Beizen verſchiedene Farblacke zu geben.
Von den 4 Alizarinfarbſtoffen gibt die reinſten roten Färbungen das An-
thrapurpurin
oder AlizarinG D. Die Anwendung iſt verhältnismäßig
einfach. Man beizt die Wolle mit 8 bis 12 Prozent vom Gewicht der
Wolle eiſenfreiem Alaun (oder ſtatt deſſen 6 bis 10 Prozent ſchwefelſaurer
Thonerde) und 5 bis 8 Prozent Weinſtein. Die Wolle wird 1 ½ bis 2 Stun-
den geſotten, über Nacht in der Beize gelaſſen, am nächſten Morgen ge-
waſchen und in das Färbebad gebracht. Dieſes bereitet man ſich, indem
man das Alizarin G D in gewöhnlichem, mit Eſſigſäure angeſäuertem Waſſer
löſt. Man rechnet durchſchnittlich auf 1000 l Waſſer 1 l Eſſigſäure. Dieſer
Zuſatz hat den Zweck, das in Waſſer nur ſchwer lösliche Alizarin vollſtändig
lösbar zu machen. Eine Ueberführung der Kalkverbindungen des Waſſers
in eſſigſauren Kalk iſt damit nicht beabſichtigt, denn ſelbſt Kondenſations-
waſſer erfordert dieſen Zuſatz. Kalkhaltiges Waſſer bindet natürlich die
Eſſigſäure bis zur erfolgten Sättigung; daher braucht hartes Waſſer mehr
[511] Eſſigſäure, als weiches, und bei ſehr hartem gibt man ſogar bis 2 Prozent
(vom Gewicht des Waſſers) Eſſigſäure zu. Das Ausfärben geſchieht, je
nach der Tiefe des zu erzielenden Farbentones, mit 5 bis 12 Prozent (vom
Gewicht der Wolle) Alizarin. In allen Färbvorſchriften findet ſich ein Zu-
ſatz von eſſigſaurem Kalk. Die Angaben ſchwanken hier zwiſchen 1 bis 5
Prozent; alle aber ſtimmen darin überein, daß der Zuſatz von Calciumacetat
notwendig ſei; Hummel ſagt ſogar, daß er abſolut notwendig ſei.
Wie ein Mythus zieht ſich der Zuſatz von Calciumacetat durch alle Bücher.
Unbeſtrittene Thatſache iſt, daß man bei dieſem Zuſatz zum Färbbade ein
reines lebhaftes Rot erhält, ohne dieſen aber nur ein mattes Gelbrot.
Schon zu der Zeit, als noch das Färben mit Krapp in voller Blüte ſtand
und das Alizarin noch nicht entdeckt war, war es allgemein bekannt, daß
kalkhaltiges Waſſer ein lebhafteres Krapprot erziele, als weiches. Indes
wußte man auch ſchon früher*), daß ein in weichem Waſſer gefärbtes
fahles Krapprot durch Einlegen in verdünnten faulen Urin hochrot gefärbt
werden könne. Eine einfache Paſſage durch ein Kreidebad that ganz die-
ſelben Dienſte. Hier wirkt das Kreidebad aber einfach neutraliſierend. Die
ſich immer erneuernde Sage von der Notwendigkeit des Kalkgehalts ſcheint
zu der Meinung geführt zu haben, daß der Kalk zur Bildung des Farb-
lacks
erforderlich ſei, welchen man dementſprechend als ein Aluminium-
Calcium-Anthrapurpurat anſah. Dem widerſpricht die Thatſache, daß man
die gleiche Nüance erhält, wenn man, ſtatt mit Calciumacetat
zu färben, ohne dieſes färbt, und nach dem Färben ein dünnes
Ammoniakbad paſſiert
; ebenſo kann man ein ſchwaches Soda- oder
Seifenbad, oder auch kohlenſaures Ammoniak verwenden. Im Färbebade
ſelbſt darf die Eſſigſäure nicht neutraliſiert werden; nach dem Färben iſt das
Neutraliſieren notwendig. Vergleicht man die ſo erhaltenen Nüancen mit
den unter Zuſatz von eſſigſaurem Kalk gefärbten, ſo zeigen die erſteren ein
entſchieden lebhafteres Rot, und die Kalkfärbungen erſcheinen braunſtichig.
Auf dieſen Uebelſtand iſt ſchon von Kertész aufmerkſam gemacht worden.
Derſelbe empfiehlt daher, einen Teil des eſſigſauren Kalks im Färbebade
durch eſſigſaures Natron zu erſetzen. Ein ſehr beherzigenswerter Vorſchlag!
Noch richtiger wäre es wohl, für eine rote Färbung den Zuſatz
von eſſigſaurem Kalk ganz wegzulaſſen und an deſſen Stelle
eſſigſaures Natron zu ſetzen
. Ich empfehle, den vierten Teil vom Ge-
wicht des Alizarins an eſſigſaurem Natron zu verwenden, ſo daß das Färbe-
bad für 10 kg Wolle z. B. beſtehen würde aus:
50 l Waſſer,
0,5 bis 1 l Eſſigſäure 7° Bé.,
400 g bis 1,2 kg Alizarin G D,
100 bis 300 g Natriumacetat.


Man geht mit der angeſottenen Ware kalt ein, ſteigert die Temperatur
ſehr allmählich, etwa innerhalb 2 Stunden, bis faſt zum Kochen, läßt jedoch
nicht wirklich bis zum Kochen kommen. Die Bad. Anilin- und Sodafabrik
ſchreibt vor, die Farbflotte in der erſten Stunde nicht über 48° R. zu er-
wärmen, und die Erwärmung überhaupt nicht höher als 75° R. ſteigen zu
laſſen. Man erhält auf dieſer Temperatur je nach der Tiefe des zu erzielen-
[512] den Farbtons 1 bis 2 Stunden, paſſiert ein ſchwaches Sodabad, ſpült und
trocknet. — Kupfergefäße ſind beim Beizen wie beim Färben zu vermeiden.


Nach dieſem Schema ſpielt ſich das Färben mit Alizarin auf Wolle
ab, auch dann, wenn mit anderen Beizen andere Farbtöne hervorgerufen
werden ſollen. Dieſe finden ſich weiter unten.


b) Blauſtichig rote.

Ein ſchönes und ziemlich echtes Karminrot wird mit Cochenille
erhalten. Als Beize dient Alaun (oder ſchwefelſaure Thonerde) und Wein-
ſtein. Beizen mit 6 Prozent Alaun und 4 Prozent Weinſtein; Färben in
beſonderem Bade mit 8 bis 15 Prozent Cochenille. — Nach Hummel
erhält man Karmoiſin in einem Bade mit 6 Prozent ſchwefelſaurer Thon-
erde, 2 Prozent Oxalſäure, 8 bis 15 Prozent Cochenille. — Nach Gans-
windt in 2 Bädern
: Beizen in 5 Prozent ſchwefelſaurer Thonerde und
5 Prozent Weinſtein. Ausfärben in beſonderem Bade mit 10 Prozent
Cochenille und 1 Prozent Soda (vom Gewicht der Wolle). Spülen; fertig.
— Ein Zuſatz von Zinnſalz oder Zinnchlorid, ſowie Nüancieren mit Orſeille
oder Krapp geben ein Karmoiſinrot oder Halbkarmoiſin. Ein etwaiger Zu-
ſatz von Zinnpräparaten zum Färbebade muß mit großer Vorſicht geſchehen, da
der Umſchlag in Scharlachrot ziemlich ſchnell erfolgt.


Ein ſchönes Purpurrot erhält man aus Cochenille durch Beizen mit
2 Prozent Kaliumdichromat und 2 Prozent Schwefelſäure und Ausfärben
mit Cochenille in beſonderem Bade.


Karmoiſin aus Lac-dye. Man erhält faſt die gleichen Töne, wie
mit Cochenille, und beizt auch in gleicher Weiſe. Zur Bereitung des Färbe-
bades rührt man den Lac-dye mit Waſſer an, erwärmt auf 20 bis 25° R.
und ſetzt in kleinen Portionen Salzſäure zu, bis Löſung erfolgt. In dieſer
Löſung wird die gebeizte Ware gekocht und gegen das Ende der Kochung
kohlenſaures Ammoniak zugegeben, bis die Flotte alkaliſch reagiert. Man
rechnet 25 bis 50 Prozent vom Gewicht der Wolle an Lac-dye. Die
Färbungen mit Lac-dye ſind nicht ſo feurig, aber intenſiver und echter.
Man kombiniert daher nicht ſelten Cochenille mit Lac-dye, um die Vorteile
beider miteinander zu verbinden.


Karmoiſin mit Rotholz. Beizen mit 15 Prozent Alaun, 1 ½ Pro-
zent Weinſtein, 4 Prozent Zinnchlorürlöſung. Ausfärben in ſeparatem Bade
mit 35 Prozent Rotholz. 1 ½ Stunde kochen.


Bläulichrot mit Rotholz erhält man durch Beizen mit 6 Prozent
ſchwefelſaurer Thonerde und 5 Prozent Weinſäure und Ausfärben in be-
ſonderem Bade mit 40 bis 60 Prozent Rotholz. Karmoiſin erhält man
in gleicher Weiſe durch Zuſatz von etwas Ammoniak gegen das Ende des
Kochens. An Stelle des letzteren möchte ich eſſigſaures Natrium
empfehlen.


Bläulichrot mit Camwood. Beizen mit 2 Prozent Kaliumdichro-
mat und Färben in beſonderem Bade mit 40 bis 80 Prozent Camwood.
Beſſere Reſultate erhält man nach Hummel durch Umdrehen der Opera-
tionen: Kochen 1 bis 2 Stunden mit dem Farbholz und Entwickeln der Farben
in einem Bade mit chromſaurem Kali. Aehnliche Farbtöne erhält man
durch Nachbeizen in beſonderem Bade auch mit 4 bis 6 Prozent Alaun und
2 bis 3 Prozent Weinſtein.


[513]

Bläulichrot aus Alizarin wird erhalten durch Beizen der Wolle
mit Eiſenalaun und Weinſtein (6 Prozent Eiſenalaun, 4 Prozent Wein-
ſtein) und Ausfärben in beſonderem Bade mit 3 Prozent Alizarin G D
und 1 Prozent eſſigſaurem Natron. Auch kann man die nach der Vorſchrift
Seite 510 gewonnene rein rote Alizarinfärbung mit Alizarinblau nüancieren;
oder man verfährt genau wie bei neutralem Rot, verwendet aber das eigent-
liche AlizarinV 1. Von den Eoſinfarbſtoffen geben Cyanoſin, Phloxin
und Rhodamin blauſtichige Nüancen; über deren Verwendung, falls
darauf reflektiert wird, vergl. Seite 167.


c) Gelbſtichig rote.

Scharlach aus Cochenille. Zum Färben von Scharlach wird die
Wolle mit 6 Prozent kryſtalliſiertem Zinnſalz und 4 Prozent Weinſtein ge-
beizt, gewaſchen, und in beſonderem Bade mit Cochenille ausgefärbt. Wen-
det man beim Beizen Zinnſolution an Stelle von Chlorzinn an, ſo kommt
freie Salzſäure ins Färbebad, was kein Fehler iſt, da der ſcharlachfarbene
Cochenillezinnfarblack in Salzſäure nicht unlöslich iſt, und ſomit ein lang-
ſames gleichmäßiges Angehen des Farbſtoffes und infolgedeſſen vollere Nüan-
cen ermöglicht wird. Von beſonderem Wert erſcheint der Salzſäurezuſatz
bei kalkhaltigem Waſſer zur Aufhebung der alkaliſchen Reaktion. Bei ſtark
kalkhaltigem Waſſer tritt ohne den Salzſäurezuſatz eine Scharlachfärbung
überhaupt nicht ein, ſondern eine unangenehme Miſchfarbe aus Karmoiſin
und Scharlach, etwa einem bräunlichen Holzrot entſprechend. Ueberhaupt
wirkt ein Säurezuſatz zum Bade auf die Entwickelung des
Scharlach genau ſo günſtig, wie der Zuſatz von Ammoniak
oder Soda auf die Entwickelung der Purpurfarbe
. — Die Lös-
lichkeit des Cochenillezinnlacks (Zinnkarminats) in dem ſauren Farbbade er-
möglicht zugleich das Färben und Beizen in einem Bade unter Ein-
haltung obiger Verhältniſſe. — Zum Färben in einem Bade eignet ſich auch
folgende Methode: je 6 Prozent kryſtalliſiertes Zinnchlorür und Oxalſäure,
und Cochenille je nach Bedarf. Kalt eingehen, bis zum Kochen treiben,
½ Stunde im Kochen erhalten, ſpülen. Will man das Scharlach mehr
hochrot nüancieren, ſo kann dieſes mit etwas Orlean geſchehen; wünſcht man
eine mehr ins Orange ziehende Färbung, ſo nüanciert man mit Flavin.


Scharlach aus Cochenille und Flavin. Färben in einem Bade;
Kochen der Wolle mit 6 Prozent Zinnſalz und 3 Prozent Oxalſäure ¾ Stunden.
Herausheben der Wolle; zum Färbebade zuſetzen: 4 Prozent Cochenille,
4 Prozent Flavin; 5 bis 10 Minuten kochen; Eingehen mit der Wolle und
wenn nötig, Nüancieren mit kleinen Mengen Cochenille oder Flavin bis zum
Muſter. ½ Stunde kochen.


Scharlach aus Lac-dye wird in entſprechender Weiſe gewonnen,
wie aus Cochenille. Beizen wie oben mit Zinnſalz und Weinſtein und
Ausfärben in einer ſalzſauren Löſung von Lac-dye. Oder man verreibt
denſelben mit der Zinnlöſung unter Zuſatz von etwas Salzſäure, läßt über
Nacht ſtehen, fügt am Morgen Oxalſäure zu, geht mit der Wolle ein,
erwärmt zum Kochen u. ſ. w. wie oben.


Holzſcharlach. Beizen mit Alaun und Weinſtein. Ausfärben in be-
ſonderem Bade mit 40 bis 60 Prozent Rotholz unter Zuſatz von 1 bis 2
Prozent Zinnchlorür und 5 bis 10 Prozent Gelbholz.


Ganswindt, Färberei. 33
[514]

Gelbliches Rot mit Sandel. Kochen mit 40 bis 80 Prozent
Sandelholz durch 1 bis 2 Stunden, Entwickeln der Farbe in beſonderem
Bade aus 2 Prozent Kaliumdichromat ½ Stunde lang.


Gelbliches Rot mit Krapp. Beizen mit 6 bis 8 Prozent Alaun
und ebenſoviel Weinſtein. Ausfärben mit 60 bis 80 Prozent Krapp in beſonderem
Bade, unter langſamem Erhitzen zum Kochen und 1 bis 1 ½ſtündigem Sieden
unter Zuſatz von etwas Zinnſolution am Ende des Färbens.


Rot gelbſtichig aus Alizarin. Man verfährt wie bei neutralem Rot
angegeben, verwendet aber ſtatt Anthrapurpurin das Flavopurpurin oder
AlizarinG 1; oder man färbt mit Anthrapurpurin und nüanciert mit
Alizarinorange.


d) Braunſtichig rote.

Zur Erzielung von braunſtichigem Rot dienen vornehmlich die Farb-
hölzer, teils für ſich allein, teils zuſammen mit anderen Farbhölzern.


Bordeaux mit Rotholz. Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichromat
und 1 Prozent Schwefelſäure; Ausfärben in beſonderem Bade mit 60 bis
80 Prozent Rotholz. — Oder: Beizen mit 4 Prozent Kupfervitriol; Ausfärben
mit 50 bis 60 Prozent Rotholz. — Oder: Kochen mit 40 bis 80 Prozent
Barwood und Behandeln im Entwickelungsbade mit 2 Prozent Dichromat. —
Oder: Beizen mit 4 bis 6 Prozent ſchwefelſaurer Thonerde und 2 bis
3 Prozent Weinſtein; Färben in beſonderem Bade mit 40 Prozent Cam-
wood bei Kochhitze 1 ½ bis 2 Stunden. — Oder: Kochen mit 40 Prozent
Camwood, Dunkeln mit 8 Prozent Kupfervitriol.


Rot braunſtichig mit Krapp. Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichro-
mat, Färben in beſonderem Bade mit 60 bis 80 Prozent Krapp unter all-
mählichem Treiben zum Kochen.


Braunrot mit Alizarin. Man verwendet Purpurin ſtatt Ali-
zarin und fügt zum Färbebade ſtatt des eſſigſauren Natrons eſſigſauren
Kalk hinzu; oder man verwendet Anthrapurpurin mit Calciumacetat im
Färbebade und beizt die Wolle zuvor entweder mit 4 Prozent Kaliumdichro-
mat und 1 Prozent Schwefelſäure oder mit 8 bis 12 Prozent Chromalaun
und 6 bis 8 Prozent Weinſtein. Für alle bräunlichen Nüancen von Alizarin-
rot iſt eſſigſaurer Kalk ſehr an ſeinem Platze. Ueber alle Einzelheiten der
Färbung mit Alizarin iſt bereits S. 510 u. 511 Ausführliches mitgeteilt.


3. Färbungen aus ſaurem Bade.

Die Färbungen aus ſaurem Bade ſind eine beſondere Eigenheit der
Wollfärberei und gerade auf dieſem Gebiet entfaltet ſie eine Mannigfaltig-
keit, eine ſolche Auswahl und einen ſolchen Glanz der Farben, daß ſie hierin
nur noch von der Seide übertroffen wird. Die ſtark ſauren Farbſtoffe ſind
die eigentlichen Wollfarbſtoffe par excellence; ihre Anwendung iſt ungemein
einfach, die große Anzahl der ſauren Farbſtoffe geſtattet das Kombinieren
mehrerer Farben in einem Bade und mithin die Erzeugung einer Unzahl
von Nüancen und das Nüancieren während des Färbens. Die Färbungen
ſelbſt ſind ziemlich echt, viel echter wie die direkten Färbungen, ſogar ziem-
lich ſo walkecht wie die Alizarinfarben und ſchmutzen nicht ab; dazu ſind die
ſauren Farbſtoffe vielfach imſtande, mit Holzfarben ſich kombinieren zu laſſen
[515] und ſchließlich verhältnismäßig billig. Dieſe Eigenſchaften alle haben ſie zu
der herrſchenden Stellung gebracht, welche ſie heute in der Wollenfärberei
einnehmen, ſo daß ſie die direkt färbenden neutralen, ſowie von den ſchwach
ſauren Farbſtoffen die Eoſinfarbſtoffe ganz oder faſt ganz verdrängt haben.


Ganz beſonders zeigt ſich dieſe Eigenart der Wollenfärberei bei den
roten, orangen und gelben Farbſtoffen, da zu dieſen die Azofarbſtoffe ein
ſehr großes Kontingent ſtellen und da dieſelben der Hauptſache nach rot oder
gelb gefärbt ſind. Unter dieſen finden wir alle erdenklichen Nüancen von
Blaurot, Neutralrot, Echtrot, Ponceau, Scharlach und Bordeaux. Da die
Art der Anwendung (mit Schwefelſäure und Glauberſalz in einem Bade;
ſiehe Wollbeizen) die gleiche iſt, mögen nachfolgend nur die Nüancen aus-
einander gehalten werden:


a) Rein rote.


  • Orſeilleerſatz.
  • Azococcin 2 R.
  • Kreſolrot.
  • Echtrot B.
  • Orſeillerot A.
  • Echtrot*).
  • Echtrot E.
  • Cochenilleſcharlach G.
  • Orſeille B B.
  • Phenantrenrot.

b) Blauſtichige.


  • Fuchſin S.
  • Ponceau 3 R.
  • Coccinin B.
  • Buffalo-Rubin.
  • Naphto-Rubin.
  • Azococcin 7 B.
  • Croceïn B.
  • Brillant-Croceïn.
  • Ponceau S S extra.
  • Ponceau 5 R.
  • Croceïn 3 B.
  • Thiorubin.
  • Azorubin S.
  • Echtrot D.
  • Ponceau 6 R.
  • Azorubin 2 S.
  • Ponceau S extra.

c) Gelbſtichige.


  • Cochenilleſcharlach 2 R.
  • Ponceau R T.
  • Cochenilleſcharlach 4 R.
  • Wollſcharlach.
  • Scharlach G R.
  • Ponceau G.
  • Scharlach G.
  • Ponceau 2 R.
  • Kryſtallponceau 6 R.
  • Ponceau 3 G.
  • Croceïn 3 B X.
  • Neucoccin.
  • Ponceau acide.
  • Doppelbrillantſcharlach G.
  • Doppelſcharlach extra S.
  • Pyrotin.
  • Echtſcharlach.
  • Croceïnſcharlach 3 B.
  • Biebricher Scharlach.
  • Croceïnſcharlach 7 B.

33*
[516]

d) Braunſtichige.


  • Tuchrot G.
  • B.
  • Bordeaux G.
  • Bordeaux B.
  • — extra.
  • Azoorſeillin.

Die ſämtlichen Azofarbſtoffe zeigen die Eigenſchaft, durch Zinnſalz re-
duziert zu werden; es iſt daher beim Färben mit Azofarbſtoffen Zinnſalz
nicht anzuwenden; ebenſo wenig kann natürlich auch eine mit Zinnſalz ge-
färbte oder avivierte Farbe mit einem Azofarbſtoff nüanciert werden.


Was die Lichtechtheit dieſer roten Farbſtoffe auf Wolle betrifft, ſo
iſt Croceïnſcharlach 3 B und 7 B und Neucoccin mindeſtens ſo lichtecht als
Cochenille, Biebricher Scharlach faſt ſo lichtecht; alle übrigen aber, auch
Alizarinrot nicht ausgenommen
, minder lichtecht.


§ 43. Orange Färbungen auf Wolle.

Das Orange iſt, entgegen der üblichen Anſchauung, eine ſelbſtſtändige
Farbe, kann aber auch durch Vereinigung von Rot und Gelb leicht erzeugt
werden. Es iſt leicht, durch gleichzeitige Verwendung roter und gelber Farb-
ſtoffe von gleichen Eigenſchaften ein Orange auf der Faſer zu erzeugen.
Eine direkte Veranlaſſung hierzu wird indes kaum vorliegen, da an ſelbſt-
ſtändigen Orangefarbſtoffen kein Mangel iſt.


Der Typus eines reinen neutralen Orange iſt die Farbe der Apfel-
ſinenſchale. Je nachdem ein Orangeton mehr nach Rot oder nach Gelb
hinüberneigt, ſprechen wir von Rotorange oder Gelborange.


1. Direkte orange Färbungen.

Eine direkte Färbung aus neutralem Bade iſt nur durch Kombination,
z. B. von Curcuma und Orlean, zu erreichen, da neutral färbende orange
Farbſtoffe für Wolle nicht zu exiſtieren ſcheinen. — Von künſtlichen organi-
ſchen Farbſtoffen gibt nur das Viktoriagelb direkte Färbungen auf Wolle,
bei Anwendung größerer Mengen auch Chryſoïdin.


2. Indirekte Färbungen.

Orangegelb mit Curcuma erhält man durch Beizen der Wolle
mit Zinnſalz und Ausfärben, 50° R. warm, in einer Curcumaflotte bis
zur Nüance.


Orange mit Krapp. Beizen mit 8 Prozent Zinnſalz kryſtalliſiert
und 4 Prozent Weinſtein, Ausfärben in beſonderem Bade mit 60 bis
80 Prozent Krapp bis zur Nüance.


Orange mit Wau. Beizen mit 25 Prozent Alaun und 12 ½ Pro-
zent Weinſtein; Ausfärben in beſonderem Bade mit 300 Prozent Wan.
Schönen in einem Krappbade. (Veraltet.)


Orange mit Fiſetholz. Beizen mit 5 Prozent Zinnnitrat und
5 Prozent Weinſtein. Ausfärben in friſchem Bade mit Fiſetholz bis zur
Nüance, etwa 20 bis 40 Prozent.


Gelborange aus Quercitron. Beizen mit 2 Prozent Kalium-
dichromat; Färben mit Quercitron in beſonderem Bade bis zur Nüance.


[517]

Orange aus Flavin. Färben in einem Bade mit 4 bis 8 Prozent
Zinnſalz, 4 bis 8 Prozent Alaun und Flavin nach Bedürfnis bis zur Nüance
(6 bis 8 Prozent). Oder: Kochen mit 4 bis 8 Prozent Zinnchlorür, 2 bis
4 Prozent Oxalſäure, 6 bis 8 Prozent Flavin während 1 ¼ bis 1 ½ Stun-
den. Zuſatz von mehr Flavin erzeugt ein rötliches Orange. Die mit Flavin
erzeugten Orangetöne ſind feurig und echt und können den mit Azofarb-
ſtoffen in ſaurem Bade gefärbten an die Seite geſtellt werden.


Orange aus Gelbbeeren wird in gleicher Weiſe wie mit Flavin
erhalten, nur verwendet man ſtatt 6 bis 8 Prozent hier 30 bis 40 Prozent
Gelbbeeren guter Qualität. Die Nüancen ſind ebenſo ſchön und lebhaft,
wie die aus Flavin gewonnenen.


Orange mit Alizarin. Beizen der Wolle mit je 5 bis 8 Prozent
Zinnſalz kryſtalliſiert, und Weinſtein. Ausfärben in beſonderem Bade mit
10 Prozent Alizarin (20prozentig) mit 4 bis 5 Prozent eſſigſaurem Kalk
(Hummel). Ueber die Einzelheiten der Färbung mit Alizarin auf Wolle
vergl. S. 510. Das erhaltene Orange wechſelt je nach der verwendeten
Alizarinſorte, und zwar gibt Anthrapurpurin ein reines Orange, Alizarin V 1
ein rötliches, Flavopurpurin ein gelbliches Orange, Purpurin gibt ein wenig
lebhaftes Orangerot. Alle dieſe orangen Nüancen ſind aber leider nicht
walkecht.


Orange mit Alizarinorange. Beizen mit 6 bis 8 Prozent
ſchwefelſaurer Thonerde und ebenſoviel Weinſtein. Ausfärben in friſchem
Bade mit Alizarinorange bis zur Nüance. Zuſatz von eſſigſaurem Kalk iſt
zu meiden. Oder: Beizen mit 1 Prozent Zinnchlorür und 1 ½ Prozent
Weinſtein: Ausfärben auf friſchem Bade; gibt ein lebhaftes Orangerot;
2 Prozent Zinnchlorür und 3 Prozent Weinſtein geben ein gelbliches Orange.
Größere Mengen dieſer Beizen geben unangenehme Färbungen. — Kertész
empfiehlt Beizen der Wolle mit chromſaurem Kali und Weinſtein und Aus-
färben mit eſſigſaurem Kalk und eſſigſaurem Natron.


Von den bisher beſchriebenen orangen Färbungen ſind die mit Flavin
ganz beſonders ſchön und echt. Ferner werden folgende indirekte Färbungen
als echt empfohlen:


Orange aus Cochenille und Quercitron. Beizen mit 2 ½ Pro-
zent Weinſtein, 2 Prozent Zinnchlorür, 6 Prozent Zinnkompoſition (ſiehe
§ 103, 3); Ausfärben mit 4 ½ Prozent Quercitronextrakt und 1 ½ Pro-
zent Cochenille. 1 ½ Stunden kochen.


Gelborange mit Cochenille und Gelbholz. Beizen mit 4 ½ Pro-
zent Alaun, 4 ½ Prozent Weinſtein, 1 ½ Prozent Zinnſalz, 1 ½ Prozent
Kompoſition. Ausfärben in friſchem Bade mit ⅕ Prozent Cochenille und
1 ⅕ Prozent Gelbholzextrakt.


Echt mögen dieſe beiden Färbungen wohl ſein; vernunftgemäß ſind ſie
jedenfalls nicht.


3. Färbungen aus ſaurem Bade.

Die ſchönſten und echteſten Orangefärbungen auf Wolle erhält man
durch Färben mit Azofarbſtoffen mit Glauberſalz und Schwefelſäure. Unter
den Azofarbſtoffen finden wir feurige Nüancen, dabei echt und auf die ein-
fachſte Weiſe mit roten oder gelben Azofarbſtoffen in allen erdenklichen
Schattierungen herſtellbar.


[518]

Es kommen hierbei folgende Farbſtoffe in Betracht, von denen die ×
bezeichneten ein rötliches, die mit + ein gelbliches Orange liefern:


  • Echtgelb R. ×
  • Ponceau 4 G B. +
  • Ponceau 2 G. ×
  • Ponceau G T.
  • Ponceau G. ×
  • Orange G. +
  • Orange III.
  • Orange G T.
  • Orange I.
  • Orange II.
  • Orange III. (Tropäolin D).
  • Orange T.
  • Orange N.
  • Orange R R.
  • Reſorcingelb. ×
  • Säuregelb D. +
  • Metanilgelb. +
  • Brillantgelb. +
  • Gelb ſeifenecht.

In Bezug auf Lichtechtheit ſteht Orange II obenan; dagegen iſt es
weniger walkecht als Orange G, Orange R R und Ponceau 4 G B. (Aus-
führlicheres über dieſe Farbſtoffe und ihre Anwendung ſiehe im erſten Teil
§ 72, c).


§ 44. Gelbe Färbungen auf Wolle.

Gelb iſt eine ſelbſtſtändige Farbe; der Typus eines reinen Gelb iſt die
Citronenſchale; ein reines Gelb darf auch nicht den geringſten Stich ins
Rötliche haben. Ein ſolches rotſtichiges Gelb wäre Orangegelb; ein grün-
ſtichiges Gelb neigt zum Grün hinüber; ein braunſtichiges Grüngelb iſt das
Gelbolive.


1. Direkte gelbe Färbungen.

Ein reines neutrales Gelb erhält man mittels Curcuma durch
Färben in einer Curcumaabkochung bei 50° R. ohne Beizen und ohne zu
kochen.


Orangegelb mit Chryſoidin. Färben in neutralem Bade bei
50 bis 55° R. ohne zu kochen.


Goldgelb mit Auramin. Färben in neutralem Bade bei 55° R.
ohne zu kochen; kalt eingehen.


Reingelb mit Phosphin wird in gleicher Weiſe gefärbt wie die
beiden vorigen, iſt aber für allgemeine Anwendung zu teuer.


Chryſolingelb. Färben in neutralem Bade bei 50 bis 55° R.,
ohne zu kochen.


Flavanilingelb. Färben in neutralem Bade bei 50 bis 55°.


2. Indirekte Färbungen.

Reingelb mit Curcuma. Beizen mit Alaun. Ausfärben mit Cur-
cuma, ohne zu kochen.


Olivengelb mit Gelbholz. Beizen mit 2 bis 3 Prozent Kalium-
dichromat. Färben auf friſchem Bade mit 20 bis 80 Prozent Gelbholz.
1 ½ Stunden kochen. — Oder: Beizen mit 10 Prozent Alaun, Waſchen,
und Ausfärben in beſonderem Bade mit 20 bis 40 Prozent Gelbholz,
ohne zu kochen, bei 65 bis 70° R. — Oder in einem Bade: Färben
mit 4 Prozent ſchwefelſaurer Thonerde, 2 Prozent Oxalſäure und 20 bis
[519] 40 Prozent Gelbholz; langſam bis nahe zum Kochen treiben und auf dieſer
Temperatur 1 Stunde lang erhalten.


Echtgelb mit Gelbholz. Beizen mit je 8 Prozent Zinnſalz und
Weinſtein und Färben in beſonderem Bade mit 20 bis 40 Prozent Gelb-
holz; ½ bis ¾ Stunde kochen.


Gelb mit Fiſetholz. Beizen mit Alaun und Thonerde; Ausfärben
mit 20 bis 40 Prozent Fiſetholz. — Oder: Beizen mit Zinnnitrat und
Weinſtein; Ausfärben mit 15 bis 25 Prozent Fiſetholz. Alle Färbungen
mit Fiſetgelb ſind ſehr unecht.


Blaßgelb mit Gelbbeeren. Beizen mit Alaun und Weinſtein;
Ausfärben in beſonderem Bade mit 15 bis 30 Prozent Gelbbeeren.


Reingelb mit Gelbbeeren. Beizen mit 4 bis 8 Prozent Zinn-
chlorür und 2 bis 4 Prozent Weinſtein, Ausfärben mit 10 bis 20 Pro-
zent Gelbbeeren. — Oder: man erſetzt den Weinſtein durch 2 bis 3 Prozent
Oxalſäure und färbt dann in einem Bade.


Kanariengelb mit Flavin. Färben in einem Bade mit 4 Prozent
Zinnſalz und 1 Prozent Flavin. Bis nahe zum Kochpunkt erhitzen und in
dieſer Temperatur erhalten, ohne zu kochen, 1 bis 1 ¼ Stunde.


Helles Olivgelb mit Quercitron. Beizen mit Alaun und
Weinſtein; Ausfärben in beſonderem Bade mit 30 bis 40 Prozent Quer-
citron.


Ledergelb mit Quercitron. Beizen mit Zinnchlorid, Färben mit
einer Abkochung von Quercitron.


Echtgelb mit Wau. Beizen durch 1 bis 2 Stunden mit 4 Prozent
ſchwefelſaurer Thonerde, Spülen und Ausfärben auf friſchem Bade mit 50 bis
100 Prozent Wau. Kalkfreies Waſſer iſt hierzu Bedingung.


Orangegelb mit Wau. Beizen mit 8 Prozent Zinnſalz. Ausfärben
in einer Wauabkochung wie oben.


Olivgelb mit Wau. Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichromat. Färben
in friſchem Bade mit 60 Prozent Wau. — Oder: Beizen mit 5 Prozent
Kupfervitriol; Ausfärben wie zuvor.


Echtgelb mit Galloflavin. Beizen der Wolle mit 3 Prozent
Kaliumdichromat. Ausfärben mit Galloflavin in friſchem Bade. Die An-
wendung des Galloflavins iſt dieſelbe wie bei Alizarin (ſiehe § 42) auf
Wolle.


Brillantgelb mit Chryſolin. Beizen mit Alaun; Ausfärben mit
Chryſolin in demſelben Bade bis zur Nüance.


3. Färbungen aus ſaurem Bade.

Die Menge der ſauren gelben Farbſtoffe iſt ſehr groß, da außer einer
Anzahl von Azofarbſtoffen die ſämtlichen Nitrofarbſtoffe zum Gelbfärben von
Wolle in ſaurem Bade dienen. Die Anwendung der letzteren in der Praxis
iſt zwar ebenſo einfach wie die der Azofarbſtoffe, aber ſie läßt ſich nicht
bei allen nach derſelben Methode ausführen.


Pikrinſäure wird ohne Glauberſalz nur mit Schwefelſäurezuſatz ge-
färbt; man braucht 1 bis 4 Prozent Pikrinſäure und kocht ½ bis 1 Stunde.
Die Pikrinſäurefärbung iſt jedoch ſehr unecht und nicht zu empfehlen.


Naphtolgelb wird in einem Bade mit Schwefelſäure oder an deren
Stelle mit Alaun gefärbt; auch mit Glauberſalz und Schwefelſäure läßt es
ſich anwenden.


[520]

Neugelb (Flavaurin), Aurantia und Brillantgelb werden in
einem Bade lediglich unter Schwefelſäurezuſatz gefärbt. In gleicher Weiſe
kann Flavanilin mit wenig Schwefelſäure gefärbt werden.


NaphtolgelbS, einer der echteſten und am meiſten angewandten
Farbſtoffe, wird am beſten mit Glauberſalz und Schwefelſäure gefärbt.
Citronin ebenfalls.


Chinolingelb wird mit Glauberſalz und Schwefelſäure gefärbt. Es
gibt ſchön grünſtichige Nüancen.


Tartrazin läßt ſich wie ein Azofarbſtoff mit Glauberſalz und Schwefel-
ſäure auffärben.


Iſatingelb gibt in ſaurem Bade ähnliche grünſtichige Töne, wie
Chinolingelb.


Die Azofarbſtoffe werden ſämtlich mit Glauberſalz und Schwefel-
ſäure gefärbt; die rötlich gelben Nüancen ſind mit + bezeichnet:


  • Echtgelb R. +
  • Reſorcingelb. +
  • Metanilgelb. +
  • Curcumeïn.
  • Ponceau G. +
  • Säuregelb D. +
  • Brillantgelb. +
  • Azogelb.

In Bezug auf die Lichtechtheit der gelben Wollfarbſtoffe ſtehen nach
Kertész Echtgelb, Metanilgelb und Chryſoin obenan; dieſelben ſind gleich-
zeitig auch die widerſtandsfähigſten gegen die Walke. — Flavin, ſo ausge-
zeichnete Färbungen es auch gibt, iſt in Bezug auf Lichtbeſtändigkeit nichts
weniger als echt.


§ 45. Grüne Färbungen auf Wolle.

Ich möchte hier zunächſt dem allgemeinen Vorurteil entgegentreten, daß
Grün eine Miſchfarbe ſei. Grün iſt keine Miſchfarbe in dem Sinne,
wie etwa Violett. Ein reines Gelb und ein reines Blau gemiſcht,
geben nämlich kein Grün, wie die meiſten glauben werden, ſon-
dern Schwarz. In keiner grünen Farbe vermag das Auge Gelb oder
Blau zu entdecken; das Grün iſt eine ſelbſtſtändige Farbe. Daß man, wie
jedermann und vollends jedem Färber bekannt iſt, gelbe und blaue Farben
zu Grün vermiſchen kann, hat ſeinen Grund in phyſikaliſchen Urſachen, in
dem ungleichen Abſorptionsvermögen gelber und blauer Farbſtoffe für alle
Lichtſtrahlen. Und zwar laſſen ſich nur grünſtichig gelbe und grünſtichig
blaue Farben zu Grün vermiſchen, wogegen rotſtichiges Gelb und rotſtichiges
Blau niemals ein Grün, ſondern höchſtens ein Olive oder ein Braun er-
gibt. — Alle grünen Farben haben entweder einen rein grünen, oder einen
gelblich grünen oder bläulich grünen Ton. Die letzteren ſehen bei künſtlicher
Beleuchtung blau aus, die erſteren bleiben auch bei Licht grün und heißen
deshalb „Lichtgrün“ oder „Nachtgrün“.


Die Zahl walkechter grüner Farbſtoffe iſt ſehr gering; von ſelbſt-
ſtändigen Farbſtoffen ſind wir dabei lediglich auf das Coeruleïn und Aliza-
ringrün (ſ. Nachtrag) angewieſen; von blauen und gelben Farbſtoffen zum
Miſchen von Grün auf Indigo, Indigokarmin, Alizarinblau, Blauholz und
Gelbholz.


[521]
1. Direkte grüne Färbungen.

Die Zahl der neutralen grünen Wollfarbſtoffe iſt gering und von den
6 in Betracht kommenden färbt keiner direkt ohne Beize oder ohne Zuſatz
von Säuren. Sie werden daher auch erſt unter 2. oder 3. erwähnt
werden.


2. Indirekte grüne Färbungen.

Grün mit neutralen Farbſtoffen. Wir haben hier mit der noch
unaufgeklärten Thatſache zu rechnen, daß präzipitierter Schwefel für eine
Anzahl grüner Farbſtoffe eine ziemlich große Verwandtſchaft beſitzt, ſo daß
mit Schwefel gebeizte Wolle die betreffenden Farbſtoffe mit Leichtigkeit
fixiert, während ungebeizte Wolle ſich ſo gut wie indifferent verhält. Ueber
das Beizen mit Schwefel ſiehe § 40. In dieſer Weiſe erhält man mit
Malachitgrün, Methylgrün, Aethylgrün, Brillantgrün und
Viktoriagrün
3 B die beſten Färbungen. Man geht mit der ſchwefelge-
beizten und gewaſchenen Wolle direkt ins Färbebad und färbt darin ohne
weiteren Zuſatz unter allmählicher Steigerung der Temperatur in bekannter
Weiſe. Malachitgrün gibt ein reines Grün, Brillantgrün iſt gelbſtichig,
Methyl- und Aethylgrün ſind bläulichgrün, Viktoriagrün 3 B blaugrün.


Malachitgrün und Brillantgrün können auch auf ungebeizte Wolle, dann
aber in einem ſchwach eſſigſauren Bade gefärbt werden; dieſe Färbungen
ſchmutzen jedoch leicht ab. Kertész empfiehlt deshalb noch einen Zuſatz
von etwa 3 Prozent Alaun zum ſauren Färbebade.


Methyl- und Aethylgrün laſſen ſich auch in beſonderem Bade auf mit
eſſigſaurem Zink oder eſſigſaurem Natron vorgebeizte Wolle fixieren
(G. Schultz und Julius).


Jodgrün wird auf mit Zinnchlorid vorgebeizter Wolle in friſchem
Bade gefärbt.


Färben mit Coeruleïn. Für durchaus echte dunkle Grünfärbungen
empfehle ich, beſonders für Stückware, das Coeruleïn in Teigform oder das
Coeruleïn S, welches in Waſſer löslich iſt. Ueber die Einzelheiten ſeiner
Anwendung vergl. § 73, b. Zum Fixieren von Coeruleïn kann man außer
Kaliumdichromat und Weinſtein auch die anderen für Alizarinfarbſtoffe üblichen
Beizen anwenden. Hummel empfiehlt auch Beizen mit Kaliumdichromat
und Oxalſäure. Mit Aluminiumſulfat erhält man je nach der angewandten
Farbſtoffmenge ein helleres oder dunkleres Bläulichgrün. Auch kann man
das Coeruleïn in Soda auflöſen; zum Färben der Wolle kocht man dieſelbe in
dieſer Löſung, wobei die Wolle mit der Löſung imprägniert wird, und fügt
am Ende des Prozeſſes langſam Schwefelſäure zu, wodurch der Farbſtoff
in der Faſer, reſp. auf der Faſer abgeſchieden wird, ähnlich dem Indigo,
wenn ſich derſelbe aus der Küpe unlöslich abſcheidet. Thatſächlich iſt dieſe
Methode der Coeruleïnfärberei eigentlich eine Coeruleïn-Sodaküpe.


Dunkelgrün kann außer mit Coeruleïn auch mit Holzfarben herge-
ſtellt werden: Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichromat, 4 Prozent Alaun,
1 ½ Prozent Weinſtein; Ausfärben in beſonderem Bade mit 25 Prozent
Blauholz, 12 ½ Prozent Gelbholz. 1 ½ Stunden kochen laſſen.


[522]
3. Färbungen aus ſaurem Bade.

Die ſauren grünen Wollfarbſtoffe werden mit Glauberſalz und Schwefel-
ſäure ausgefärbt oder mit etwas Alaun und dem Dreifachen des Eigengewichts
an Schwefelſäure nach der bekannten Methode. Auf dieſe Weiſe ſind anzu-
wenden: Säuregrün, GuineagrünB und Echtgrün. Das Naphtol-
grün
verlangt einen Schwefelſäurezuſatz und als Hauptbedingung eine kleine
Menge eines Eiſenſalzes, z. B. Eiſenvitriol.


4. Miſchfarben.

Um mit natürlichen Farbſtoffen echt Grün auf Wolle zu färben, gibt
man derſelben je nach der zu erzielenden Nüance einen helleren oder dunkleren
Indigogrund in der Küpe und ſpült. Dann beizt man mit 3 Prozent
Kaliumdichromat, 8 Prozent Alaun, ſchäumt die an der Oberfläche des
Bades ſich ſammelnden Unreinigkeiten ab, ſetzt 3 Prozent Zinnſalz und
3 Prozent Schwefelſäure zu und färbt in beſonderem Bade mittels Gelb-
holzextrakt und 2 Prozent Alaun. Der Prozentſatz Gelbholzextrakt richtet
ſich nach dem zu erzielenden Farbenton. — Oder man kocht zuerſt mit Gelb-
holz und ſetzt dem Färbebade Alaun, Weinſtein und Indigokarmin bis zur
Nüance zu. — Noch bequemer färbt man die Wolle auf der Küpe himmel-
blau an und färbt in einem warmen Flavinbade. — Statt Flavin kann man
auch Pikrinſäure anwenden, ebenſo Naphtolgelb S und Echtgelb. — Am
bequemſten iſt die Verwendung von Indigokarmin und Flavin, Naphtolgelb S
und Echtgelb in einem Bade. — Dunkelgrüne Färbungen kann man auch
ſo erzeugen, daß man 2 Stunden hindurch mit Gelbholz, Alaun und Wein-
ſtein vorbeizt, ſpült und dann das Grün in der Küpe entwickelt. — Aehn-
lich iſt das Verfahren zum Färben des Billardtuches: Man bereitet
eine ſchwache Abkochung von Gelbholz, ſchüttet in das Bad etwas Sächſiſch-
blau und löſt darin Alaun und Weinſtein. Darauf geht man mit der Ware
ein, läßt 2 Stunden kochen, ſpült und geht auf ein friſches Gelbholzbad,
zu welchem abermals eine kleine Menge Sächſiſchblau geſetzt iſt und färbt
hierin aus.


In Bezug auf Lichtechtheit iſt Coeruleïn das beſte Grün; es iſt
auch vollkommen walkecht und ſchmutzt nicht ab. Auch Säuregrün und
Indigokarmingrün ſind ziemlich walkecht und ſchmutzen faſt gar nicht ab;
dagegen ſind ſie nicht eben lichtecht und werden in letzterem Punkte von
Malachitgrün, Brillantgrün und Methylgrün übertroffen.


§ 46. Blaue Färbungen auf Wolle.

Die Blaufärbungen ſind entweder reinblau, oder ſie ziehen ins Grüne
oder ins Rötliche hinüber, ſind grünſtichig oder rötlichblau. Bei Tages-
licht ſind dieſe Unterſchiede, ſelbſt für den Geübten, nicht immer leicht heraus-
zufinden. Bei Lampenlicht treten dieſe Unterſchiede ſehr deutlich hervor.
Dies iſt die Urſache, warum ſo viele blaue Farben bei Lampenlicht grün
erſcheinen; alle dieſe Blaus ſind grünſtichig; die rotſtichigen zeigen bei Lampen-
licht ein deutliches Violett, die rein blauen erſcheinen auch bei künſtlicher
Beleuchtung blau und werden „Lichtblau“ oder „Nachtblau“ genannt.


[523]
1. Direkte blaue Färbungen.

Eine direkte Färbung mittels Indigo iſt eigentlich die Hypoſulfitküpe.
Doch will ich, um ſie nicht aus ihrem natürlichen Zuſammenhang heraus-
zureißen, dieſelbe hier nicht vereinzelt behandeln, zumal das Gebiet der
Küpenfärberei weiter unten in einem beſonderen Paragraphen
ausführlich behandelt werden wird
. — Hierher ſollen vielmehr nur
diejenigen blauen Färbungen gezählt werden, welche durch einfaches Löſen
der Farbſtoffe im Färbebade und Ausfärben ohne Beizen gewonnen werden
können. Von künſtlichen organiſchen Farbſtoffen läßt ſich hierbei nur das
Nilblau verwenden, welches Wolle in neutralem Bade direkt färbt; es ſind
zwar noch einige neutrale Farbſtoffe (Viktoriablau, Nachtblau) vorhanden,
welche auch ohne Beize ſich auf Wolle färben laſſen, aber ſie geben im rein
wäſſerigen Bade keine haltbaren Farben, weshalb ich ſie erſt unter den aus
ſaurem Bade färbenden behandeln werde. Außer mit Nilblau läßt ſich noch
mit Indigoextrakt direkt färben. Außer dem noch ſehr wenig bekannten
Nilblau*) ſind nur noch mit den in § 57, 1 bezeichneten Indigo-Präpa-
raten
: Indigokarmin in verdünnt ſchwefelſaurem Bade, Indigokompoſition,
Indigopräparat und konzentrierte Küpe direkte Blaufärbungen auf Wolle zu
ermöglichen. Die erhaltenen Färbungen haben ſämtlich einen helleren Ton
als die bekannten Indigotöne, ſind aber bei weitem weniger lichtecht.


2. Indirekte blaue Färbungen.

Indigblau mittels Blauholz. Dieſes Blau wird viel angewen-
det, um ohne Indigo ein Blau mit Indigoton nur mittels Blauholz zu er-
zeugen, andererſeits wird es auch vielfach mit Indigo kombiniert. Am beſten
beizt man die Wolle zunächſt mit je 4 Prozent Alaun und Weinſtein und
färbt in friſchem Bade mit 30 Prozent Blauholz unter Zuſatz von etwas
eſſigſaurem Kalk. Man verfährt beim Anſieden und Färben wie auch ſonſt
bei Wolle, läßt die Temperatur aber am liebſten nicht über 75° gehen,
ſondern erhält ſie wenig unter dem Kochpunkte. An dieſer Stelle möchte
ich empfehlen, den eſſigſauren Kalk durch eſſigſaures Natron zu erſetzen.
Man erhält ſo ziemlich lebhafte Färbungen. Hummel empfiehlt ſtatt des
Beizens mit Alaun ſolches mit 3 Prozent Kaliumdichromat und 1 Prozent
Schwefelſäure, ſowie ferner einem kleinen Zuſatz von Alizarin, um dem
Blauholzblau den kupferigen Ton des Indigos zu geben. Für letzteren Zweck
dient auch ein Zuſatz von ganz wenig Zinnſalz zum Färbebade am Ende
der Operation. — Delmart**) empfiehlt Beizen mit 13 Prozent Alaun,
5 Prozent Weinſtein, 2 ½ Prozent Oxalſäure; Ausfärben im neuen Bade
mit 55 Prozent Blauholz. O. Fiſcher empfiehlt ein Bad, in welchem er
Blauholz kochen läßt und bringt dann Alaun, Weinſtein und Kupfervitriol
hinzu; in dieſer Brühe wird die Wolle gekocht; nach dem Ausfärben ſchönt
er in einem Bade von Blauholz, Zinnchlorür, Alaun und Weinſtein.


Blau mit Blauholz und Indigokarmin. Man färbt mit Indigo-
karmin in ſaurem Bade und fügt dem Färbebade 5 Prozent vom Gewicht
der Wolle Alaun zu; nach 1 ½ſtündigem Kochen färbt man in einer friſchen
Blauholzflotte bis zur Nüance aus.


[524]

Kornblumenblau mit Blauholz. Anſieden mit 6 Prozent Kupfer-
vitriol und 6 Prozent Blauholz; durch ein lauwarmes Seifenbad paſſieren,
Spülen und Ausfärben in neuem Bade mit 18 Prozent Blauholz, 3 Prozent
Fernambukholz, 12 Prozent Alaun, im Färbebade ½ Stunde behandeln,
ohne ſieden zu laſſen.


Himmelblau mit Indigokarmin. Beizen mit 10 Prozent Alaun,
10 Prozent Weizenkleie; Ausfärben in beſonderem Bade mit 5 Prozent
Indigokarmin.


Berliner Blau auf Wolle. Man bereitet ſich ein Bad aus
10 Prozent vom Gewicht der Wolle rotem Blutlaugenſalz, 20 Prozent
Schwefelſäure 66° Bé. und 10 Prozent Alaun; man geht mit der Ware
kalt ein und treibt allmählich bis zum Kochen, worin man eine reichliche
halbe Stunde erhält; dann verhängt man die Ware, bis ſich das Blau völlig
entwickelt hat. Die Färbungen mit Berlinerblau ſind mancher Nüancierun-
gen fähig, und zwar wird durch Zuſatz von Zinnchlorür oder Zinnſolution
gegen das Ende der Kochung ein rotſtichiges, durch Zuſatz von Salpeter-
ſäure zur Schwefelſäure oder Anwendung von Salpeterſäure ſtatt Schwefelſäure
ein grünſtichiges Blau erhalten. — Statt roten Blutlaugenſalzes kann man
auch gelbes verwenden. Man bereitet in dieſem Falle das Bad mit 10 Pro-
zent gelbem Blutlaugenſalz und 10 Prozent Salpeterſäure von 35° Bé.
— Auch kann man Berliner Blau in 2 Bädern erzeugen. In dieſem Falle
enthält das erſte Bad eine Löſung von ſchwefelſaurem Eiſenoxyd von
1,5° Bé. mit Zuſätzen von Zinnſalz und Weinſtein. Dieſes Bad dient
gewiſſermaßen als Beize, mit der die Wolle 2 Stunden bei 25° R. be-
handelt wird. Nach dem Spülen kommt die Wolle in das zweite Bad,
enthaltend 1 Prozent gelbes Blutlaugenſalz und 4 Prozent Schwefelſäure.
2 bis 3 Stunden kochen. Dieſe Methode iſt ſehr umſtändlich. — Beachtens-
wert iſt das Verfahren von Meitzendorf: man bereitet ein Bad aus rotem
Blutlaugenſalz, Zinnchlorid, Weinſäure und Oxalſäure, geht hierin kalt mit
der Wolle ein, und erwärmt langſam bis zum Entwickeln der Farbe. Dieſe
Methode gibt Farbentöne, die den durch Sächſiſchblau dargeſtellten in nichts
nachſtehen; die Erhöhung oder Verminderung des Zinnchloridzuſatzes geſtattet
ein Nüancieren und die Weinſäure gibt der Farbe ein gewiſſes Lüſter.


Alizarinblau. Dieſer Anthracenfarbſtoff gehört nebſt dem Indigo
zu den geſchätzteſten blauen Farben, beſonders wegen ſeiner großen Walk-
und Lichtechtheit. Anwendung findet es in gleicher Weiſe wie alle Alizarin-
farben; man beizt mit 3 Prozent Kaliumdichromat und färbt in friſchem
Bade mit Alizarinblau aus. Ueber das Löſen und die ſonſtige Hantierung
mit Alizarinblau vergl. Erſter Teil, § 75. Beizt man ſtatt mit Kalium-
dichromat mit Alaun, ſo erhält man ein Purpurblau, mit Zinnſalz er-
hält man ein röteres Purpurblau.


AlizarinblauS findet gleiche Anwendung wie das vorige.


IndophenolblauN wird wohl kaum in der Wollfärberei verwendet,
da die damit erhaltenen Färbungen ſehr empfindlich gegen Säuren ſind.
Soll es jedoch verwendet werden (in Fällen, wo Säureechtheit nicht erforder-
lich iſt), ſo ſtellt man ſich durch Reduktion mit Zinnſalz eine Indophenol-
küpe
her, wie folgt: Man miſche zu je 1 kg Indophenol en pâte 9 l
Waſſer und 300 g kryſtalliſiertes Zinnchlorür und erwärme gelind bis zur
Entfärbung. Man ſäuert die Küpe mit etwas Eſſigſäure an, und färbt auf
[525] derſelben während 15 Minuten. Spülen, Centrifugieren und dann auf ein
zweites Bad, beſtehend in einer kalten, verdünnten, mit Schwefelſäure ſchwach
angeſäuerten Löſung von Kaliumdichromat. Nach einem anderen Verfahren
bereitet man folgende Miſchung: 1 kg Indophenol, 5 l Eſſigſäure, 5 l eſſig-
ſaures Zinn, 2½ l eſſigſauren Kalk 18° Bé. und ½ l holzeſſigſaures Eiſen
10° Bé. Erwärmen zum Zwecke der Küpenbildung und Eingießen der re-
duzierten Löſung in 250 l Waſſer. In dieſer Flotte behandelt man die
Ware durch 2 Stunden bei 60°, wäſcht und oxydiert in chromſaurem Bade
wie oben. — Roſenſtiehl empfiehlt eine Indophenolküpe, beſtehend aus
1 kg Indophenol, 1 kg Traubenzucker, 8 kg Kryſtallſoda und 40 l Waſſer;
Eintauchen der Wolle bei 40° R., 2 Minuten an der Luft vergrünen laſſen
und oxydieren durch Kaliumdichromat. Vergl. auch § 75, Erſter Teil.


Blau mit IndazinM. Indazin iſt ein neuer im Dezember 1888 in
den Handel gebrachter blauer Farbſtoff, welcher der Firma Caſſella \& Comp.
in Frankfurt a. M. patentiert worden iſt. Er ſtellt ein blauſchwarzes Pulver
dar, das mit rotblauer Farbe löslich iſt. Das Löſen wird durch Zuſatz von
wenig Eſſigſäure oder Salzſäure befördert. Natronlange gibt einen blauen
Niederſchlag. Der Farbſtoff ſteht chemiſch in nahem Verhältnis zu den von
derſelben Firma in den Handel gebrachten Neutralfarben. Wie jene aus
Nitroſodimethylanilin und Metadiaminen gebildet werden, ſo wird der neue
Farbſtoff aus demſelben Körper durch Einwirkung von phenyliertem Phenylen-
diamin hergeſtellt. Das Indazin beſitzt eine ſtarke Färbedeckkraft und zeich-
net ſich durch indigoähnliche Farbtöne aus, die einen hohen Grad von Licht-
und Seifenechtheit beſitzen.


Wolle wird in ſchwach ſaurem Bade gefärbt. In vorzüglicher Weiſe
wird Indazin mit anderen Farbſtoffen gemiſcht aufgefärbt und zahlreiche
walkechte Modetöne erhalten. Man kann auch die Wolle mit doppelt chrom-
ſaurem Kali und Weinſtein oder Schwefelſäure vorbeizen und Indazin ſo-
dann als Untergrund oder als Aufſatzfarbe für Holzfarben benutzen oder in
Miſchung mit denſelben. (Vergl. auch den Nachtrag.)


Anilinblau und Diphenylaminblau können für indirekte Färbungen
Verwendung finden, wenn man die Wolle mit 5 Prozent Alaun, 2 Prozent
Schwefelſäure und 1 Prozent Zinnchlorid vorbeizt und in beſonderem (oder
auch in demſelben) Bade mit dem mit 50prozentigem Alkohol gelöſten und
in kleinen Portionen zum Farbbade zugegebenen Anilinblau ausfärbt. Dabei
wird der Farbſtoff zwar ausgefällt, aber in ſo fein verteiltem Zuſtande,
daß er dem Bade ſucceſſive von der Faſer entzogen werden kann.


Es iſt auffallend, wie gerade bei den blauen Farbſtoffen die üblichen
Beiz- und Färbemethoden abweichen; ſo werden die nachfolgenden 2 ſtark
ſauren Farbſtoffe: Alkaliblau und AlkaliblauD nicht aus ſaurem Bade
gefärbt, ſondern indirekt, indem die Wolle zuerſt in einem Bade von je
5 Prozent Soda und Borax gebeizt, geſpült und dann in einem beſonderen
Bade mit Alkaliblau unter Zuſatz von Schwefelſäure ausgefärbt wird. Vergl.
auch § 76.


3. Blaue Färbungen aus ſaurem Bade.

Die neutralen blauen Farbſtoffe Viktoriablau B, Nachtblau und
Viktoriablau 4 R färben zwar Wolle ſubſtantiv, ſie geben aber echtere
Färbungen mit Zuſatz von Eſſigſäure zum Färbebade; man kann indeſſen
[526] auch, wie ſonſt bei ſauren Farbſtoffen üblich, mit Glauberſalz und Schwefel-
ſäure ausfärben.


Waſſerblau wird wie üblich mit Glauberſalz und Schwefelſäure an-
gewendet. Kertész empfiehlt einen Zuſatz von 1 Prozent Zinnchlorid und
3 bis 4 Prozent Alaun behufs Erzielung lebhafterer und egalerer Nüancen.
Die Verwendung des Waſſerblau iſt jedoch nur eine beſchränkte.


Mit Indulin erhält man helle bis tiefe Indigotöne, mit Nigroſin
mehr graublaue Töne. Beide Farbſtoffe werden in ſchwefelſaurem Bade
ohne oder mit Zuſatz von Glauberſalz gefärbt.


In Bezug auf Walkechtheit und Nichtabſchmutzen ſtehen unter
den blauen Farbſtoffen Alizarinblau und Anilinblau oben an, in Bezug auf
Lichtechtheit Alizarinblau und Indigokarmin (Kertész).


Es erübrigt hier noch zu bemerken, daß eine große Anzahl blauer
Färbungen auf Wolle durch Anblauen auf der Küpe und Ueberſetzen mit
andern blauen Farbſtoffen (Aufſatzblau) erzeugt werden. Derartige Fär-
bungen ſollen im Pragraphen über Indigofärberei gleichfalls Erwähnung finden.


§ 47. Violette Färbungen auf Wolle.

Die violetten Farben ſind entweder reinviolett oder blauviolett oder
rotviolett und laſſen ſich auch durch Miſchen von Blau und Rot in wechſeln-
den Verhältniſſen erzielen: Violett iſt eine Miſchfarbe.


1. Direkte violette Färbungen.

Die Verwandtſchaft der Wollfaſer zu den neutralen violetten Farbſtoffen
iſt eine ſehr bedeutende; man erhält daher beſonders ſchöne und echte Fär-
bungen durch einfaches Färben in neutralem Bade ohne irgend welchen Beiz-
zuſatz mit folgenden Farbſtoffen:


  • Methylviolett B.
  • Benzylviolett.
  • Aethylviolett.
  • Kryſtallviolett.
  • Hofmanns Violett.
  • Reginaviolett.

Man vergl. auch § 78 (Erſter Teil).


Man kann auch mit Gallocyanin, obgleich dieſes ein Alizarinfarbſtoff
iſt, ohne zu beizen, Wolle violett färben; doch iſt die Färbung nicht ſchön
und beſtändig genug und man thut wohl, lieber nur nach vorherigem Beizen
zu färben.


2. Indirekte violette Färbungen.

Violett mit Blauholz. Die Wolle wird vorgebeizt mit 2 Prozent
Weinſtein, 10 Prozent Alaun und 2 Prozent Weizenkleie; Spülen und Aus-
färben in beſonderem Bade mit 12 Prozent Blauholz. In ½ Stunde zum
Kochen treiben, aufheben, zur Flotte etwas Salmiakgeiſt zufügen, mit der
Ware wieder eingehen, und im Bade, ohne zu kochen, bei mäßiger Tempera-
tur noch ¼ Stunde behandeln. (Veraltet.)


Veilchenblau mit Blauholz. Beizen mit 7½ Prozent Alaun,
2½ Prozent Weinſtein, 3¾ Prozent Kupfervitriol und 3¾ Prozent Zinn-
ſalz nebſt 5 Prozent Schwefelſäure 66° Bé. Spülen und Ausfärben in
beſonderem Bade mit 7½ Prozent Blauholz. Die Temperatur darf 70° R.
[527] nicht überſteigen, die Dauer des Färbens nicht länger als ½ Stunde
währen. Soll das Violett dunkel werden, ſo ſetzt man mehr Blauholz hinzu,
verlangt man ſehr helle, bläuliche Schattierungen, ſo muß man die Menge
des Zinnſalzes vermehren.


Violett mit Orſeilleextrakt. Löſen des Extrakts im Färbebade
und Ausfärben der Wolle unter vorſichtigem Zuſatz von Salmiakgeiſt bis zur
Nüance. Erhöhen der Temperatur nicht über 70° R.


Violett aus Alizarin. Beizen mit 6 bis 12 Prozent Eiſenalaun
und 4 bis 7 Prozent Weinſtein; Ausfärben in beſonderem Bade mit3½ bis
7 Prozent Alizarin je nach Nüance unter Hinzugeben von 1 bis 2 Prozent
eſſigſaurem Kalk.


Violett mit Gallocyanin. Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichromat
ohne Schwefelſäurezuſatz. Ausfärben in friſchem neutralem Bade mit 10 bis
15 Prozent Gallocyanin. Kalt eingehen und allmählich bis auf 55° R.
erwärmen und in dieſer Temperatur 1 Stunde erhalten. Schöne lebhaft
blauviolette Färbungen, welche durch Zuſatz von Gelbbeerextrakt oder Quer-
citron in tief indigoblaue Töne übergeführt werden können und durch dieſe
Modulationsfähigkeit ſich ſchnell beliebt gemacht haben.


Violett mit Galleïn. Man beizt und färbt genau wie bei Gallo-
cyanin, treibt aber das Färbebad bis zum Kochen. Vergl. auch § 79.


Rotviolett mit Galleïn. Beizen mit 5 Prozent Alaun und
5 Prozent Weinſtein; Ausfärben mit Galleïn in beſonderem Bade; kalt
eingehen, bis zum Kochen erhitzen und einige Zeit im Kochen erhalten.


Schwarzviolett mit Galleïn. Beizen mit Eiſenvitriol und Wein-
ſtein. Ausfärben in beſonderem Bade, wie oben.


Blauviolett mit Prune. Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichromat
ohne Zuſatz von Schwefelſäure. Färben in beſonderem Bade unter denſelben
Vorſichtsmaßregeln, wie bei Gallocyanin angegeben.


3. Färbungen aus ſaurem Bade.

Zum Färben in einem Bade mit Glauberſalz und Schwefelſäure eignen
ſich ſämtliche in § 80 (Erſter Teil) genannten Farbſtoffe: Rotviolett 4 RS,
Rotviolett 5 RS, Säureviolett 6 B, Reginaviolett und Blauſchwarz B. Die
Anwendung iſt die gleiche, wie bei Fuchſin S, auch die Nüancen erinnern
daran, ſind aber bläulicher. Säureviolett iſt ein reines Violett, Blauſchwarz
ein Blauviolett, die 3 übrigen zeigen rotviolette Färbungen. Durch Kom-
binieren untereinander, ſowie mit anderen roten oder blauen ſauren Farb-
ſtoffen laſſen ſich alle erdenklichen Nüancen und Töne hervorbringen.


4. Miſchfarben.

Da wir prächtige neutralfärbende, indirekt färbende und ſauer färbende
violette Farbſtoffe in genügender Anzahl beſitzen, ſo haben Miſchfarben heute
nicht mehr die Wichtigkeit, wie ehedem, als faſt alle violette Färbungen durch
Kombinieren von Indigoblau mit einem entſprechenden Rot hergeſtellt wurde.
Da wir indeſſen auch heute noch ſehr viel mit Indigo färben und das
Küpenblau in gewiſſem Sinne ſogar als Grundfarbe für eine Anzahl von
Wollfarben betrachtet wird, ſo werden doch noch vielfach Wolle auf der
[528] Küpe angeblaut und dann durch Ausfärben in den Löſungen roter Farbſtoffe
in Violett übergeführt. Hier einige Beiſpiele.


Violett aus Indigo und Cochenille. Man gibt der Ware auf
der Küpe einen himmelblauen Grund, ſpült dann, beizt mit 25 Prozent
Alaun und 20 Prozent Weinſtein und fügt ſchließlich demſelben Bade
⅓ Prozent Cochenille hinzu und kocht bis zur Nüance.


Violett aus Sächſiſchblau und Cochenille. Beizen mit Alaun
und Weinſtein, oder auch mit Zinnſalz, Färben mit Sächſiſchblau unter ent-
ſprechendem Zuſatz von Pottaſche und unter ſchließlicher Zugabe von Cochenille
bis zur gewünſchten Nüance.


Der Vollſtändigkeit möge noch erwähnt ſein, daß man durch Vermiſchen
neutraler roter und blauer, ſowie ſchwach ſaurer roter und blauer künſtlicher
organiſcher Farbſtoffe ſich alle möglichen violetten Abſtufen von Violett nach
Rot und Blau mühelos herſtellen kann.


Nach Kertész iſt das Galleïn faſt vollkommen walkecht und ſchmutzt
nicht ab; in Bezug auf Lichtechtheit wird es von Blauſchwarz und Säure-
violett überragt.


§ 48. Braune Färbungen auf Wolle.

Braun iſt kein reiner Farbſtoff, ſondern eine Miſchung, bei welcher
Rot und Schwarz den Grund bilden. Je nachdem hierzu Orange, Gelb,
Grün oder Blau hinzutritt, erhält man alle jenen Nüancen, welche als
Braun, Rotbraun, Gelbbraun und Olive bezeichnet werden.


1. Direkte braune Färbungen.

Dieſe erzielt man am einfachſten mit Bismarckbraun. Färben in ein-
fachem neutralem Bade ohne irgend welche Beizen.


Auch durch einfaches Abkochen der Wolle mit Eichenrinde erhält man
ein dauerhaftes Braun.


Ein dunkles Rotbraun iſt auch durch Färben von Granat oder Marron
in neutralem Bade zu erzielen.


2. Indirekte braune Färbungen.

Die Zahl dieſer iſt ſehr groß, und man kann auf alle mögliche Art
dahin gelangen. Hier können unmöglich alle Methoden zum Braunfärben
von Wolle hergezählt werden, ſondern ich kann von den verſchiedenen Metho-
den nur einige Beiſpiele anführen.


Catechubraun. Kochen der Wolle im Färbebade mit Catechu 10 bis
20 Prozent, je nach Nüance, bei 65 bis 80° R. und Dunkeln auf friſchem
Bade mit Kupfervitriol, Eiſenvitriol oder Kaliumdichromat. Das ſo erzielte
Braun kann durch Zufügen von Rothölzern oder Blauholz oder Alizarin
nüanciert werden. Dieſe braunen Färbungen ſind beſonders echt, werden
aber verhältnismäßig ſelten angewendet.


Bordeauxbraun mit Rotholz. Beizen mit 3 Prozent Kalium-
dichromat; Ausfärben in beſonderem Bade mit 30 bis 40 Prozent Rotholz.
— Oder: Beizen mit 4 Prozent Kupfervitriol; Ausfärben in neuem Bade
mit 30 bis 40 Prozent Braſilienholz. — Oder: Beizen mit 3 Prozent
[529] Kaliumdichromat; ausfärben auf friſchem Bade mit 40 bis 80 Prozent Bar-
wood. — Oder: Abkochen der Wolle mit 60 Prozent Sandelholz; abdunkeln
mit 8 Prozent Kupfervitriol. — Oder: Beizen mit 5 Prozent Eiſenvitriol,
10 Prozent Weinſtein; ausfärben in beſonderem Bade mit 40 bis 80 Pro-
zent Camwood.


Rötlichbraun mit Krapp. Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichro-
mat; ausfärben in beſonderem Bade mit 60 bis 80 Prozent Krapp. —
Oder: Beizen mit 7,5 bis 10 Prozent Alaun und 5 bis 7,5 Weinſtein
und ausfärben in friſchem Bade mit 60 bis 80 Prozent Krapp. — Oder:
Beizen mit 10 Prozent Eiſenalaun; Ausfärben mit 60 bis 80 Prozent
Krapp. — Oder: Beizen mit Kupfervitriol und Weinſtein oder auch mit
Eiſenvitriol und Weinſtein und ausfärben in beſonderem Bade mit Krapp
nach Muſter.


Lebhaftes Braun mit Eichenrinde. Vorbeizen mit Alaun; be-
handeln in einer Eichenrindenabkochung.


Braunoliv mit Gelbholz. Beizen mit 4 Prozent Kaliumdichro-
mat; ausfärben in beſonderem Bade kochend mit 20 bis 80 Prozent
Gelbholz.


Rehbraun mit Gelbholz. Beizen mit Zinnchlorid; ausfärben mit
Gelbholz.


Olive mit Gelbholz. Beizen mit 4 bis 5 Prozent Kupfervitriol,
3 bis 4 Prozent Weinſtein; ausfärben in beſonderem Bade mit Gelbholz.
— Oder: Abkochen der Wolle in einem Bade mit 8 Prozent Eiſenvitriol
und Gelbholz nach Bedarf.


Rötlichbraun mit Fiſetholz. Beizen mit 3 Prozent Kalium-
dichromat. Ausfärben in friſchem Bade mit geraſpeltem Fiſetholz bis zum
gewünſchten Ton.


Rötlichbraun mit Gelbbeeren wird genau in der gleichen Weiſe,
wie mit Fiſetholz erhalten.


Olivbraun aus Gelbbeeren. Beizen mit 4 Prozent Kupfervitriol,
ausfärben mit 10 bis 40 Prozent Gelbbeeren, je nach Nüance. Beſonders
lichtechte Farbe
!


Braunoliv mit Curcuma. Beizen mit 2 Prozent Kaliumdichro-
mat; ausfärben mit Curcuma bis zur Nüance; die Temperatur des Färbe-
bades darf 50° R. nicht überſchreiten.


Braun mit Curcuma. Beizen mit 6 Prozent Eiſenvitriol; aus-
färben in beſonderem Bade mit gemahlener Curcuma.


Bordeauxbraun aus Alizarin. Beizen mit 3 Prozent Kalium-
dichromat und 1 Prozent Schwefelſäure. Färben in friſchem Bade mit
10 Prozent Alizarin in Teig. — Oder: Beizen mit 8 bis 12 Prozent
Chromalaun und 6 bis 8 Prozent Weinſtein und ausfärben mit 2 bis
7 Prozent Alizarin (20prozentigem) unter Zuſatz von 3 bis 8 Prozent
eſſigſaurem Kalk, oder mit 2 bis 4 Prozent Kaliumdichromat und ½ bis
1 Prozent Schwefelſäure und ausfärben in beſonderem Bade mit 3,5 bis
7 Prozent Alizarin (20proz.) und 1 bis 2 Prozent eſſigſaurem Kalk (Ker-
tész
). Zum Färben brauner Töne iſt, wie ich ſchon an anderer Stelle
ausführlicher erläutert habe, das Purpurin oder Alizarin Nr. 6 am
Ganswindt, Färberei. 34
[530] meiſten geeignet. Auch iſt ein Zuſatz von eſſigſaurem Kalk, welchen
ich zum Hervorrufen rein roter Nüancen als ſchädlich bekämpft habe, in
dieſem Falle, zur Erzeugung brauner Töne, ſehr zu empfehlen.


Braune Färbungen mit Nitroalizarin. Beizen mit 4 bis
6 Prozent Kupfervitriol und Ausfärben in beſonderem Bade mit Alizarin-
orange, je nach Nüance, gibt ein angenehmes Bräunlichrot. — Durch Vor-
beizen mit 6 bis 8 Prozent Eiſenvitriol erhält man ein Purpurbraun. —
Durch Vorbeizen mit 3 bis 15 Prozent Kaliumdichromat erhält man rötlich-
braune bis dunkelbraune Töne.


Braune Färbungen mit Authracenbraun. Ueber die An-
wendungsweiſe und die Art der Beizung vergl. Erſter Teil, § 81.


Braun mit TuchrotB. Ausfärben in einem Bade mit ⅓ Pro-
zent Tuchrot B, 4 Prozent Myrobalanen, 10 Prozent Gelbholzextrakt und
4 Prozent Kupfervitriol. Abdunkeln mit 1 Prozent Eiſenvitriol. (Oehler.)


Sandelbraun in einem Bade (nach Oehler). Abkochen mit
10 Prozent Sumach, 10 Prozent Gelbholz, 30 Prozent Sandel, 2 Prozent
Blauholz. 1½ bis 2 Stunden kochen; zuſetzen 2 Prozent Kupfervitriol.
½ Stunde kochen. Dunkeln in beſonderem Bade mit 5 Prozent Eiſen-
vitriol.


Braun auf küpenblauem Grund kann durch Ausfärben mit Gelb-
holz, Krapp und ähnlichen Materialien in allen Tönen hergeſtellt werden.


Braun mit Orſeilleextrakt. Kochen mit 4 Prozent Orſeilleextrakt,
4 Prozent Weinſtein, ⅕ Prozent Blauholz. Nachdunkeln mit 1 Prozent
Indigokarmin.


Kaſtanienbraun. Ankochen mit Kaliumdichromat, Weinſtein und
Orſeille. Ausfärben in beſonderem Bade mit Gelbholz, Rotholz und Blauholz.


Zimmtbraun. Beizen mit 2 Prozent Kaliumdichromat, 2 Prozent
Alaun, 1 Prozent Oxalſäure. Ausfärben in beſonderem Bade mit 60 Pro-
zent Gelbholz, 10 Prozent Krapp.


Braunoliv. Kochen mit 50 Prozent Gelbholz, 10 Prozent Krapp,
⅙ Prozent Perſio, 1/12 Prozent Kaliaturholz, 2 Prozent Weinſtein, ⅙ Prozent
Kupfervitriol; nach 1½ ſtündigem Kochen abdunkeln in beſonderem Bade mit
wenig Eiſenvitriol.


Goldbronze. Kochen 2 Stunden lang mit 30 Prozent Gelbholz,
40 Prozent Krapp, 3 Prozent Sandel, 1½ Prozent Kupfervitriol.


3. Braune Färbungen aus ſaurem Bade.

Nach der bekannten Methode, mit Glauberſalz und Schwefelſäure, laſſen
ſich die folgenden ſauren Farbſtoffe auf Wolle färben:


  • Säurebraun G.
  • Echtbraun G.
  • — (M. L. \& B.)
  • — (B. \& Comp.)
  • Reſorcinbraun.
  • Säurebraun R.
  • Echtbraun 3 B.
  • — (Bad. Anil.- u. Sodaf.)

Von den braunen Farbſtoffen iſt das Reſorcinbraun das am meiſten
walkechte; am meiſten lichtecht aber iſt das Echtbraun.


[531]
§ 49. Graue und ſchwarze Färbungen auf Wolle.

Grau iſt vom phyſikaliſchen Standpunkt nur ein helles oder ein mit
Weiß gemiſchtes Schwarz; Schwarz aber iſt überhaupt keine Farbe, ſondern
kennzeichnet nur die Abweſenheit jeglicher Farbe, im Gegenſatz zum
Weiß, welches die gleichzeitige Anweſenheit aller Farben verſinn-
bildlicht. Die Körper, welche unſerm Auge ſchwarz erſcheinen, abſorbieren
eben alle Lichtſtrahlen ſo vollſtändig, daß keiner in unſer Auge zurückgeworfen
wird. Würden die verſchiedenfarbigen Lichtſtrahlen alle gleichmäßig ſtark ab-
ſorbiert, ſo erſcheint das Schwarz unſerm Auge als reines Schwarz,
Kohlſchwarz
oder Tiefſchwarz, wird jedoch irgend ein Lichtſtrahl minder
ſtark abſorbiert, als die übrigen, ſo erſcheint das Schwarz rötlich, grünlich
oder Bläulichſchwarz oder Violettſchwarz.


Schwarze Farbſtoffe in dem üblichen Sinne des Wortes gab es bis
vor wenigen Jahren nicht (die Alten kannten ſchwarze Farben überhaupt
nicht; auch in der Natur gibt es außer dem Schwarz des Augapfels — dem
Melanin — keinen einzigen ſchwarzen Farbſtoff), und ſelbſt das ſchon ſeit
längerer Zeit bekannte Anilinſchwarz iſt kein in Subſtanz vorhandener Farb-
ſtoff, ſondern lediglich das Produkt eines Oxydationsprozeſſes auf reſp. in
der Faſer.


Erſt ſeit wenigen Jahren exiſtieren ſchwarze Farbſtoffe im vollen Sinne
des Wortes, von denen für die Wollenfärberei in Betracht kommen:


  • Violettſchwarz.
  • Wollſchwarz.
  • Alizarinſchwarz.
  • Naphtolſchwarz.

Im übrigen ſind wir auf die Erzeugung ſchwarzgrüner oder ſchwarz-
blauer Töne aus Holzfarben oder aus Gerbſäure und Eiſen beſchränkt.


1. Direkte ſchwarze Färbungen.

Hierfür iſt das noch wenig bekannte Violettſchwarz zu benutzen,
welches Wolle in neutralem Bade ohne Beizen violettſchwarz färbt. Hierhin
gehört ſcheinbar auch das ſog. Direktſchwarz oder Kaiſerſchwarz; dasſelbe iſt
jedoch kein Farbſtoff, ſondern lediglich ein Gemiſch von Blauholzextrakt mit
Eiſen- und Kupfervitriol, alſo von Farbſtoff und Beize. Von einem direkten
Färben kann alſo gar keine Rede ſein.


2. Indirekte ſchwarze Färbungen.

Die Baſis faſt aller dieſer Farben iſt das Blauholz, welches entweder
in Verbindung mit Kaliumdichromat oder Eiſenvitriol oder Kupfervitriol
oder Küpenblau zur Verwendung gelangt. Darnach unterſcheidet man in
der Hauptſache: Chromſchwarz, Eiſenſchwarz, Direktſchwarz, Wollſchwarz.


Chromſchwarz. Das normale Chromſchwarz wird gebildet durch
Vorbeizen der Wolle mit 3 Prozent Kaliumdichromat, 1 Prozent Schwefel-
ſäure von 66° Bé. und Ausfärben in friſchem Bade mit 35 bis 40 Prozent
Blauholz unter Kochen oder der entſprechenden Menge Blauholzextrakt. Das
ſo gewonnene Schwarz iſt ein Blauſchwarz. Durch Zuſätze zum Beiz-
bade oder zum Färbebade oder zu beiden iſt man in den Stand geſetzt,
dieſes Schwarz mehrfach zu nüancieren. Vom Färben des Blauholzblaus
34*
[532] auf Wolle wiſſen wir bereits, daß dieſes Blau durch einen geringen Zuſatz
von Chlorzinn gegen das Ende des Färbens in ein rötliches Blau umge-
wandelt werden kann; verwenden wir dieſe Erfahrung beim Blauſchwarz und
fügen wir gegen das Ende der Kochung 2 Prozent Zinnſalz zum Färbe-
bade, ſo erhalten wir ein Violettſchwarz. Weiter wiſſen wir aus der
Betrachtung der grünen Farben, daß ein rein blauer und ein rein gelber
Farbſtoff nicht Grün, ſondern Schwarz geben; fügen wir zum Blauholz
noch Gelbholz in das Färbebad, etwa 5 Prozent, ſo erhalten wir ein
Neutralſchwarz, d. h. ein Schwarz, welches keinerlei Nebenfarben zeigt.
Wird der Gelbholzzuſatz erhöht, etwa auf 10 Prozent und darüber, ſo daß
der gelbe Farbſtoff in größeren Mengen vorhanden iſt, als zur Neutrali-
ſation des blauen Farbſtoffes notwendig iſt, ſo erhalten wir ein Grün-
ſchwarz
. Die auf einer der vorſtehenden Methoden erhaltenen Schwarz-
färbungen werden nicht ſelten noch mit Eiſenvitriol oder Kupfervitriol ge-
dunkelt.


Delmart gibt in ſeinem Buche*) eine etwas abweichende Vorſchrift;
er empfiehlt: Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichromat, 1¾ Prozent Kupfer-
vitriol, 2 Prozent Alaun, 3 Prozent Schwefelſäure und Ausfärben in be-
ſonderem Bade mit 9 Prozent I a Blauholzextrakt; eventuell Nachdunkeln
mit 1 Prozent Kupfervitriol. Dieſes Schwarz ſoll beſonders lebhaft ſein.


Chromſchwarz kann man auch nach Ganswindt in einem Bade
erzielen, wie folgt: 6 Prozent Hämateïn (Hématine von Guinon in Havre),
½ Prozent Gelbholzextrakt, 3 Prozent Kaliumdichromat, 3 Prozent Wein-
ſäure. Durch halbſtündiges Erhitzen nicht über 75° R. erhält man eine
tiefſchwarze Flotte; mit der genetzten Wolle eingehen, 1 Stunde kochen, am
Ende der Kochung hinzufügen 2 Prozent Eiſenvitriol, 1 Prozent Kupfer-
vitriol. Ueber Nacht im Bade laſſen, am nächſten Morgen aufheben, im
Korbe nachdunkeln laſſen und ſpülen.


Hummel**) empfiehlt für den gleichen Zweck folgendes Verfahren: Kochen
einer Miſchung von Blauholzabſud mit der entſprechenden Menge Kalium-
dichromat; Sammeln des dabei entſtehenden Niederſchlages; man erhält einen
Teig, welchen man zum Färbebade mit einer ſolchen Menge Oxalſäure hinzu-
ſetzt, als gerade nötig iſt, denſelben aufzulöſen; in dieſer Löſung wird die
Wolle 1 Stunde lang gekocht; das erzielte Schwarz ſoll indeſſen matt ſein.


Eiſenſchwarz. Die zuſammenſetzenden Elemente des Eiſenſchwarz
ſind Eiſenoxydulſalze einerſeits und Blauholz andererſeits. In dieſem Falle
ſpielt das Eiſen thatſächlich die Rolle einer Beize. Wollte man ein reines
Eiſenſchwarz darſtellen durch Beizen der Wolle mit Eiſenvitriol, ſo erhielte
man nach dem Ausfärben ein bläulichviolettes ſehr mattes Schwarz. Zur
Vermeidung eines ſolchen beizt man außer mit Eiſenvitriol noch mit Alaun,
Weinſtein und Kupfervitriol und fügt zur Erzielung eines reinen Schwarz
wohl auch Gelbholz hinzu. Statt Eiſenvitriol läßt ſich vorteilhaft auch holz-
ſaures Eiſen zum Beizen verwenden; dasſelbe iſt meines Erachtens viel vor-
teilhafter als Eiſenvitriol, da es ſchon ohnehin Naphtolgrün und die Elemente
des Naphtolſchwarz in ſich enthält und da überdies die öligen Beſtandteile
desſelben dazu beitragen, das Wollhaar geſchmeidig zu erhalten, während
[533] Eiſenvitriol dasſelbe mehr oder minder hart macht. Weinſteinzuſatz iſt not-
wendig, da andernfalls die Färbungen einen matten roſtfarbenen Ton haben.
Der Alaunzuſatz gibt beſonders tiefe, feurige Farbentöne. Der Zuſatz von
Kupfervitriol wirkt oxydierend auf das Hämateïn, und trägt zur Vertiefung
des Schwarz (durch Bildung von Schwefelkupfer) und zur Lichtechtheit des-
ſelben bei.


Dementſprechend weichen auch die Vorſchriften zur Erzeugung von
Eiſenſchwarz mehrfach ab. Hummel empfiehlt: Anbeizen mit 4 bis 6 Pro-
zent Eiſenvitriol, 2 Prozent Kupfervitriol, 2 Prozent Alaun, 8 bis 12 Pro-
zent rohem Weinſtein; ausfärben in beſonderem Bade mit 40 bis 50 Prozent
Blauholz. — Delmart dagegen ſchreibt vor: Beizen mit 20 Prozent (!)*)
Eiſenvitriol, 4 Prozent Kupfervitriol, 4 Prozent Weinſtein, 1½ Prozent
Alaun; 2 Stunden kochen und 1 Tag im Sude ſtehen laſſen; Ausfärben
auf friſchem Bade mit 50 Prozent Blauholz. — Ganswindt empfiehlt:
Kochen in einem Bade mit 40 Prozent holzſaurem Eiſen, (ſelbſtbereitet,
12° Bé.), 2½ Prozent Kupfervitriol, 10 Prozent Weinſtein, ⅔ Prozent
Flavin und 8 Prozent Hämateïn. Kochen bis zur Nüance und Schönen in
einem lauwarmen Bade aus eſſigſaurem Natron.


Ein Eiſenſchwarz mit Gerbſtoffmaterialien iſt das von Delmart em-
pfohlene Ordinärſchwarz, zu welchem er folgende Vorſchrift gibt: In der
Abkochung von 50 Prozent Blauholz, 4 Prozent Sumach und 2 Prozent
Sandel läßt man die Wolle mit ¾ Prozent Weinſtein 1¾ Stunden kochen;
dann dunkelt man in beſonderem Bade mit 8 Prozent Eiſenvitriol.


Direktſchwarz, Kaiſerſchwarz, Nigroſaline. Die Herſtellung
von Kaiſerſchwarz iſt ungemein einfach. Ueber das Präparat „Kaiſerſchwarz“,
welches ein Blauholzpräparat iſt, vergl. Erſter Teil, § 57, S. 153. Das feſte
klumpige oder pulverige Präparat löſt ſich ſelbſt in heißem Waſſer nur wenig,
dagegen leicht in mit Oxalſäure angeſäuertem Waſſer mit dunkelgelbbrauner
Farbe. Es iſt darauf zu achten, daß dem Färbebade nicht mehr Oxalſäure
zugeſetzt wird, als zur Löſung des Kaiſerſchwarz abſolut notwendig iſt. Bei
weichem Waſſer genügen 1 bis 2 Prozent vom Gewicht der Wolle an Oxal-
ſäure, bei kalkhaltigem Waſſer 2 bis 3 Prozent. Die Anwendung des
Kaiſerſchwarz geſtattet ein Nüancieren mit Blauholzextrakt oder Gelbholz-
extrakt; es geſtattet aber auch einen Zuſatz von anderen ſauren Farbſtoffen,
z. B. Fuchſin S (zur Erzeugung von Bordeauxſchwarz). Beim Färben mit
Direktſchwarz iſt zu beachten, daß in dem Maße, als der Farbſtoff angeht,
das Bad ſaurer und damit in ſeiner vollen Färbekraft behindert wird;
es muß daher in demſelben Maße der Ueberſchuß an Säure durch vorſichtigen
Zuſatz von etwas Soda abgeſtumpft werden. Das Bad wird nicht völlig
ausgezogen und kann zu weiterem Bedarf aufgehoben werden.


Wollſchwarz, geblautes Schwarz, iſt ein Schwarz auf küpen-
blauem Grunde. Zur Erzeugung eines ſolchen wird die Wolle auf der
Küpe mehr oder minder angeblaut und dann ein Aufſatz von Chromſchwarz
oder Eiſenſchwarz gegeben. Genauere Zahlenangaben laſſen ſich dabei nicht
machen, doch läßt ſich im allgemeinen ſoviel feſtſtellen, daß, je lichter der
[534] küpenblaue Grund iſt, dementſprechend mehr Blauholz zur Verwendung
kommen muß. Man kann dann nach 2 Methoden arbeiten; entweder


a) man beizt die angeblaute Wolle mit Eiſenvitriol, Kupfervitriol und
Weinſtein und färbt in beſonderem Bade mit Blauholz aus; oder


b) man kocht die angeblaute Wolle mit Blauholz, Gelbholz und Wein-
ſtein und dunkelt zuletzt mit Eiſenvitriol.


Fällt das Schwarz nicht tief genug aus, ſo muß der Gelbholz-Zuſatz
erhöht werden, oder man ſpritzt eine Löſung von kohlenſaurem Ammoniak
über die Ware und läßt im Korbe nachdunkeln.


Will man dagegen Chromſchwarz auffärben, ſo beizt man mit Chromat
ohne Schwefelſäurezuſatz, weil anderenfalls Chromſäure frei und durch dieſe
der Indigo zerſtört werden würde.


Alizarinſchwarz. Das vor 1½ Jahren von der Bad. Anilin- und
Sodafabrik in den Handel gebrachte Alizarinſchwarz eröffnet eine neue Per-
ſpektive zum Schwarzfärben der Wolle. Das erhaltene Schwarz hat in der
Drüberſicht allerdings einen rötlichbraunen Schein, doch iſt dieſer durch
Zuſatz von etwas Coeruleïn zu beheben. — Die Form, in der das
Alizarinſchwarz zum Echtfärben der Wolle in den Handel kommt, iſt die
eines rötlichſchwarzen Teiges unter dem Namen Alizarinſchwarz S. W. Teig.
Die Anwendung desſelben iſt die gleiche wie bei allen anderen Alizarin-
farben. Die Wolle wird mit 3 Prozent Chromkali und 2,5 Prozent Wein-
ſtein vorgebeizt, wobei dieſelbe circa 1½ Stunden kochen muß, und dann
auf friſchem Bad mit Alizarinſchwarz unter Zuſatz der nötigen Menge
Eſſigſäure ausgefärbt. Die Eſſigſäure wird dem Bad vor dem Einbringen
des Farbſtoffes zugeſetzt, und rechnet man auf 1000 l Waſſer circa 1 l der-
ſelben von 80° Bé.; bei ſehr kalkhaltigem Waſſer iſt das Säurequantum zu
verdoppeln. Der Zuſatz von Eſſigſäure bezweckt, die in dem Waſſer ent-
haltenen Kalk- und Magneſiateile unſchädlich zu machen reſp. in Löſung zu
erhalten und auf dieſe Weiſe die Bildung des erwünſchten echten Chromlacks
zu begünſtigen. Der Farbſtoff wird mit der erforderlichen Menge kalten
Waſſers (30 bis 40 Teile) angerührt, durch ein Sieb ins Bad gegoſſen und
die Wolle oder Ware in letzterem zunächſt kalt (circa 15 bis 20 Minuten)
hantiert. Dann erhitzt man das Bad, jedoch zunächſt nicht über 45 bis 48° R.,
hantiert eine Stunde bei dieſer Temperatur und treibt erſt, nachdem der
Farbſtoff nahezu vollſtändig aufgegangen, das Bad alſo nahezu entfärbt iſt,
zum Kochen, das man zwecks völliger Fixierung der Farbe circa 2 Stunden
unterhält. Das längere Kochen nach dem Aufgehen des Farbſtoffes iſt zur
Fixierung desſelben unbedingt erforderlich, da andernfalls ein Teil desſelben
nur mechaniſch an der Faſer haftet und beim Waſchen wieder verloren geht.


Das Färben mit Alizarinſchwarz iſt ebenſo einfach wie ſicher in ſeinem
Erfolg und bietet gegenüber dem gewöhnlichen Verfahren des Schwarzfärbens
mittels Campecheholz weſentliche Vorteile. Alle jene umſtändlichen und zeit-
raubenden Manipulationen, wie ſie die Vorbereitung des Campecheholzes zum
Färben nötig macht, fallen hier aus und ſomit auch die damit verknüpften
Unannehmlichkeiten und Uebelſtände. Freilich wäre dem Allen auch durch
Verwendung von Blauholzextrakt ſtatt des Holzes vorzubeugen; aber gerade
der Umſtand, daß dies nicht allgemein geſchieht, daß man im Gegenteil noch
immer der Verwendung des Holzes trotz der größeren Umſtändlichkeit den
Vorzug gibt, beweiſt, daß auch die Verwendung des Extraktes für den Färber
[535] manche Schwierigkeiten birgt. Nicht zum wenigſten dürften freilich dieſe
Schwierigkeiten in der häufig vorkommenden Verfälſchung des Extraktes zu
ſuchen ſein.


Einfacher und zugleich für die Faſer weniger nachteilig wird das
Färben mit Alizarinſchwarz dadurch, daß das bei Verwendung von Campeche-
holz nötig werdende Dunkeln oder Schauen mit einem Eiſen- oder Kupfer-
ſalz in Wegfall kommt. — Ein weiterer Vorzug des Alizarinſchwarz beſteht
darin, daß man mit demſelben, ohne Zuhilfenahme anderer Farbſtoffe, nicht
nur ſchwarze, ſondern auch graue Töne erzielen kann. Je nach der Menge
des angewendeten Farbſtoffes erzielt man Nüancen vom leichteſten Silber-
grau bis zum tiefſten Schwarz.


Ein ſchönes Perlgrau erhält man bereits mit 0,5 Prozent Alizarin-
ſchwarz, während für Schwarz, je nachdem dasſelbe mehr oder weniger ſatt
ausfallen ſoll, 15 bis 25 Prozent erforderlich ſind. Alle dieſe Töne laſſen
ſich nicht nur mit anderen Alizarinfarben, ſondern auch mit Holzfarben be-
liebig nüancieren. Auch umgekehrt läßt ſich das Alizarinſchwarz mit Vorteil
zum Abtönen und Dunkeln aller Farben benutzen. Gerade durch das Ali-
zarinſchwarz wird die Herſtellung einer großen Menge der ſchönſten Mode-
farben in allen Nüancen und Schattierungen — lediglich mit Alizarin-
farben — ermöglicht. Durch Miſchen desſelben mit Alizarinrot oder -orange
werden ſchöne rotbraune Töne, durch Miſchen mit Alizarinblau ſchwarzblaue
Töne, durch Miſchen geringer Prozentſätze mit wenig Coeruleïn, Galloflavin,
Anthracenbraun u. ſ. w. helle, grünliche, gelbliche, bräunliche und dergleichen
Modefarben erzielt.


Die mit Alizarinſchwarz erzielten Färbungen ſind echt gegen Licht und
Luft, Walke und Säure. Letztere hat ſelbſt in konzentriertem Zuſtand keinen
Einfluß auf dieſelben, während die mittels Blauholz hergeſtellten Farben
ſelbſt durch ſehr verdünnte Säure ſich bedeutend verändern. Dieſe quaſi
unbegrenzte Säureechtheit des Alizarinſchwarz kommt für das Tragen weniger
in Betracht, iſt aber um ſo wichtiger für die Fabrikation und zwar bezüg-
lich des Carboniſierens. In der Wolle ſchwarz gefärbte Stoffe konnten
bisher nur mit Chloraluminium carboniſiert werden. Die Verwendung von
Säure war hier ſo gut wie ausgeſchloſſen, wenn anders man nicht die
Farben weſentlich verändern, trüb und unſcheinbar machen wollte. Welche
Nachteile und Unannehmlichkeiten aber das Carboniſieren mit Chloraluminium
im Gefolge hat, iſt wohl jedem Fachmann hinlänglich bekannt. Es iſt demnach
ein bedeutender Vorzug der mit Alizarinſchwarz hergeſtellten Farben, daß man
dieſelben ohne Bedenken der der Ware weit zuträglicheren und ſichereren
Säure-Carboniſation unterziehen kann, ohne befürchten zu müſſen, daß ſie
dabei Schaden leiden.


Ebenſo echt wie gegen Säure iſt das Alizarinſchwarz auch in der
Walke. Schwere, dunkelmelierte und ſchwarze Dicktuche, in der Wolle mit
Alizarinſchwarz gefärbt, walken ebenſogut und ſchnell wie andere, deren
Wollen mit Campecheholz gefärbt waren, ohne zu bluten, ſo daß beiſpiels-
weiſe das Weiß in Marengo und graumeliert rein und klar bleibt. Dagegen
iſt bekannt, daß Blauholzſchwarz, beſonders wenn dasſelbe mit Chrom geſotten
war, beim geringſten Verſehen in der Walke — bei Verwendung zu ſcharfer
Lauge oder Heißlaufen — leicht grünlich ausfällt. Was die Tragechtheit
des Alizarinſchwarz betrifft, ſo iſt dieſelbe, wie überhaupt bei allen Alizarin-
[536] farben, eine vortreffliche und über allem Zweifel erhaben. Zahlreiche Ver-
ſuche haben dies zur Genüge dargethan. Auch in dieſer Beziehung dürfte
das Schwarz aus Campecheholz bei einem Vergleich in den Schatten treten,
ganz beſonders aber das Chromſchwarz, das ſich bekanntlich, trotz beim
Färben angewendeter peinlichſter Sorgfalt, ſtets grün trägt, was freilich bei
einem Gerbſtoffſchwarz viel weniger vorkommt.


In der Spinnerei laſſen ſich die mit Alizarinſchwarz gefärbten Wollen
ſehr gut verarbeiten; ſie beſitzen nach dieſer Richtung beſonders den Vorzug,
daß ſie vollkommen frei von überſchüſſigem Farbſtoff ſind und infolgedeſſen
die Maſchinen nicht verſchmieren, wie dies häufig bei anders gefärbten
Wollen vorkommt. Iſt die Farbe durch Kochen richtig fixiert, ſo gibt ſie,
wenn mit Seife behandelt, kaum eine Spur von Farbe an dieſe ab, welcher
Umſtand auch für das Reinigen der Ware in der Walke von Vorteil iſt.
Da mit Chrom geſotten, verarbeitet ſich auch die Wolle an und für ſich
beſſer als Sumach- oder Galläpfelſchwarz. — Für den Fabrikanten ge-
muſterter Ware iſt noch von Wichtigkeit, daß er mittels des Alizarinſchwarz
alle möglichen grauen Töne vollſtändig walkecht herſtellen kann.


Anilinſchwarz auf Wolle zu färben, iſt bisher noch nicht gelungen,
mindeſtens nicht in zufriedenſtellender Weiſe; das erzielte Schwarz grünt
nach. Man nimmt an, daß die Wollfaſer reduzierend auf das gebildete
Anilinſchwarz wirke und dasſelbe zum Teil in Emeraldin zurückverwandle.
Nach Hummel ſollen beſſere Reſultate erzielt werden, wenn man die
Wolle zuvor mit Kaliumpermanganat behandelt oder durch eine mit Salz-
ſäure verſetzte Chlorkalklöſung zieht. Dann wird geſpült, mit ſalzſaurem
oder ſchwefelſaurem Anilin imprägniert (Franc empfiehlt chlorſaures Anilin)
und in einem Bade aus Chromſäuremiſchung das Anilinſchwarz entwickelt.
Ich ſehe an dieſer Stelle von einer Wiedergabe des Verfahrens ab, weil
ich zur Anwendung desſelben nicht raten möchte und weil uns das Ali-
zarinſchwarz ein zwar teureres, aber dafür auch beſonders echtes Schwarz-
färben ermöglicht, bei welchem wir eine Reduktion nicht zu befürchten haben. —
Nach A. Henry (Engl. Patent 11730) ſoll die Wolle zwei Bäder paſſieren,
von denen das erſte Kaliumchlorat, Kupferſulfat, Chlorammonium, Eiſen-
nitrat, Anilinöl und Salzſäure enthält, das zweite hingegen ein Chrom-
ſäuregemiſch. Ich möchte ſtark bezweifeln, ob damit auf Wolle ein befrie-
digendes Schwarz erzielt werden kann*).


Sedanſchwarz iſt ein mit Sumach und Eiſenvitriol gedunkeltes Blau-
holzſchwarz auf dunkelblauem Küpengrund. Die Behandlung (Anblauen,
Färben, Dunkeln) wird dreimal wiederholt.


Vienneſchwarz iſt ein mit Blauholz, Gelbholz, Galläpfeln und Su-
mach gefärbtes und mit Eiſenvitriol gedunkeltes Schwarz; auch hier wechſeln
Färbebad und Dunkelbad mehrmals nacheinander ab.


Genferſchwarz iſt ein durch Weinſteinbeizung, Färben mit Blauholz
und Gelbholz und Dunkeln mit Eiſen- und Kupfervitriol erzeugtes Schwarz.


Toursſchwarz erzielt man durch Ausfärben mit Blauholz, Sumach,
Eiſenvitriol und Grünſpan; man wiederholt das Färben und lüftet zwiſchen
jeder Operation.


[537]

Nupharſchwarz wird durch Ausfärben mit Seeroſenwurzel, Blauholz
und etwas Schwefelſäure und Dunkeln mit holzſaurem Eiſen gewonnen.


3. Schwarze Färbungen aus ſaurem Bade.

Für das Schwarzfärben aus ſaurem Bade haben wir ſeit einiger Zeit
zwei vortreffliche ſchwarze Farbſtoffe: Wollſchwarz und Naphtolſchwarz.
Ueber die Anwendung des letzteren vergl. Erſter Teil, § 82. Bei Wollſchwarz
iſt es nach O. N. Witt nicht ratſam, mit Schwefelſäure auszufärben,
ſondern mit Weinſteinpräparat. Die Wolle muß in das erwärmte Bad ge-
bracht und darin beſtändig herumbewegt werden, während das Bad allmäh-
lich zum Sieden erhitzt wird. Mit 4 Prozent Wollſchwarz wird eine tief-
blaue, mit 8 Prozent eine tiefſchwarze Färbung erhalten. Das Bad wird
vollſtändig ausgezogen. Das Wollſchwarz erlaubt ein Nüancieren mit
andern ſauren Farbſtoffen.


4. Graue Färbungen.

Zur Erzielung grauer Färbungen dienten bisher gemeinhin die Hölzer;
auf die Herſtellung grauer Farben iſt die Entdeckung der künſtlichen organi-
ſchen Farbſtoffe faſt ohne allen Einfluß geblieben. Der einzige graue Farb-
ſtoff, auf den man dabei hinweiſen könnte, iſt das Nigroſin; aber die
damit erzielten Farben ſind ſchon mehr blau als grau zu nennen und ent-
ſprechen etwa dem Blauholzgrau. Der erſte und bisher einzige Farbſtoff,
welcher uns geſtattet, direkt ein Grau zu erzeugen, iſt das Alizarin-
ſchwarz
, vergl. S. 535. Wo dieſes aus irgend welchen Gründen nicht an-
wendbar iſt, müſſen wir zu den alten Methoden unſere Zuflucht nehmen
oder zum Kombinieren von organiſchen Farbſtoffen greifen. Von beiden
Methoden folgen hier einige Beiſpiele.


Echtgrau aus Blauholz. 2½ Prozent Blauholz und 5 Prozent
Sumach werden in einen Sack von Juteleinen gethan und ſamt der Wolle
im Färbebade 1 Stunde kochen gelaſſen. Dann hebt man auf, fügt 1 Pro-
zent Eiſenvitriol dem Bade zu, läßt die Wolle noch ½ Stunde kochen, hebt
auf und ſpült. Dunklere Nüancen werden durch größere Mengen der ge-
nannten Materialien erreicht, rötliche Nüance durch Zufügen von ½ bis
1 Prozent Sandel erhalten.


Helles Silbergrau. Die Wolle wird im Färbebade mit 6 Pro-
zent Alaun, 4 Prozent Weinſtein, 6 Prozent Schwefelſäure 66° Bé. und
20 Prozent Perſio und ein wenig Indigoſulfoſäure (Sächſiſchblau) ½ Stunde
gekocht. Soll das Grau dunkler werden, ſo muß noch etwas Sächſiſchblau
zugeſetzt werden; ſoll es rötlicher werden, noch etwas Perſio.


Echtgrau aus Küpenblau und Cochenille. Die Wolle wird
je nach dem gewünſchten grauen Ton auf der Küpe heller oder dunkler an-
geblaut und gut geſpült, worauf ſie wie zum Färben mit Cochenille gebeizt
und in beſonderem Bade bis zur Nüance ausgefärbt wird.


Modegrau mit Alizarinfarben. Beizen mit 1½ Prozent Kalium-
dichromat, 2½ Prozent Weinſteinpräparat; ausfärben in beſonderem Bade
mit 4 Prozent Eſſigſäure, 1½ Prozent Coeruleïn und 1½ Prozent Ali-
zarinblau. Kalt eingehen. 1½ Stunden kochen.


[538]

Stahlgrau. Beizen mit 10 Prozent Glauberſalz, 2½ Prozent
Weinſtein, 1¼ Prozent Alaun. Ausfärben mit 1/40 Prozent Methylviolett,
3/20 Prozent ſchwefelſaurem Indigo, 3/20 Prozent Orſeilleextrakt.


Silbergrau. Beizen mit 10 Prozent Glauberſalz, 3 Prozent Wein-
ſtein, ¾ Prozent Alaun. Ausfärben mit 6 Prozent ſchwefelſaurem Indigo,
1/20 Prozent Gelbholzextrakt, ⅖ Prozent Orſeilleextrakt.


Eiſengrau. Kochen mit 3 Prozent Blauholz, 6 Prozent Gelbholz,
3½ Prozent Sandel, ½ Prozent Indigokarmin, 6 Prozent Schmack,
2 Prozent Weinſtein. 1½ Stunden. Abdunkeln mit ½ Prozent Eiſen-
vitriol.


§ 50. Das Färben mit Indigo.

Ich habe in dem vorigen Paragraphen das Blaufärben mit Indigo
mehrfach erwähnt, bei den blauen Färbungen aber nicht behandelt, da die
Blaufärberei mit Indigo ein Kapitel für ſich beanſprucht.


Der Indigo iſt der Hauptrepräſentant einer Klaſſe von Farbſtoffen,
welche man indifferent nennt. Er beſitzt weder ſaure, noch baſiſche
Eigenſchaften und iſt in Waſſer unlöslich. Er läßt ſich mithin auf keine
der gewöhnlichen Methoden auf der Faſer fixieren. Um ihn als Farbſtoff
überhaupt verwendbar zu machen, muß ein ganz eigenartiges Verfahren einge-
ſchlagen werden. Die Erfahrung hat gelehrt, daß, wenn man Indigo mit
reduzierenden Körpern (Eiſenvitriol, Zinkſtaub, ſchweflige Säure, Waſſerſtoff
im Entſtehungszuſtande u. dergl. m.) in Gegenwart von Aetzalkalien (Kalk,
Natron) zuſammenbringt, der Indigo ſich nicht allein löſt, ſondern dabei
ſogar ſeine tiefblaue Farbe völlig verliert und eine ſchwach gelbliche Löſung
liefert. Die Urſache dieſer auffälligen Erſcheinung iſt eine Umwandlung des
in dem Indigo enthaltenen Indigblau zu Indigweiß, ein Prozeß, den der
Chemiker als Reduktion bezeichnet, der Färber aber als Küpenbildung.
Soll der Indigo für Färbereizwecke verwendbar gemacht werden, ſo muß er
allemal in dieſe Form von Indigweiß verwandelt werden; ein anderer
Weg der Verwendung des Indigos, wenn er als ſolcher*) Färbungen liefern
ſoll, iſt nicht denkbar. Es iſt daher die erſte Aufgabe des Färbers, den
Indigo in Indigweiß überzuführen, und die Bedingungen zu erfüllen,
welche eben dafür namhaft gemacht worden ſind. Die Geſamtheit der dazu
nötigen Arbeiten heißt: das Anſetzen der Küpe.


Da nun, wie ſchon oben erwähnt, verſchiedene Wege offen ſtehen, um
die Reduktion zu Indigweiß zu bewerkſtelligen, ſo kommen wir zu ver-
ſchiedenen Löſungen, welche zwar ſämtlich Indigweiß enthalten, aber durch
ihre anderweiten Beſtandteile, herrührend von den dabei verwendeten
Chemikalien, ſich weſentlich voneinander unterſcheiden. Dieſe verſchiedenen
Indigweißlöſungen werden Küpen genannt. Je nach den chemiſchen Stoffen,
welche zum Anſetzen der Küpe verwendet werden, unterſcheidet man: Waid-
küpe, Vitriolküpe, Zinkſtaubküpe, Sodaküpe, Pottaſchenküpe

und Hypoſulfitküpe. Bei mehreren Küpen geſchieht die Reduktion des
[539] Indigos durch Waſſerſtoff, welcher durch Gärung organiſcher, fäulnisfähiger
Körper in großen Holzkufen (Küpen) erzeugt wird; derartige Küpen werden
Gärungsküpen genannt, oder, da zur Erzeugung und Inſtandhaltung
einer Gärung eine anhaltende Temperatur von 35 bis 40° C. (28 bis 32° R.)
notwendig iſt, auch warme Küpen. Die übrigen Küpen, welche durch
Reduktion mittels chemiſcher Präparate hergeſtellt werden, und bei denen ein
Erwärmen nicht notwendig iſt, heißen Präparatküpen oder kalte Küpen.
Zu den Gärungsküpen zählen: die Waidküpe, die Sodaküpe, die Pottaſchen-
küpe; zu den kalten Küpen: Vitriolküpe, Zinkſtaubküpe, Hypoſulfitküpe.


Man wird bei einer ſolchen Auswahl leicht vor die Frage geſtellt,
welche Art Küpen denn eigentlich vorteilhafter ſind, kalte oder warme. Ich
bin dieſer Frage an anderer Stelle*) näher getreten und verweiſe Diejenigen,
welche ſich dafür intereſſieren, auf den betreffenden Artikel. Ein richtiger
Wollenfärber wird nichts auf ſeine warme Küpe kommen laſſen; ſie iſt ihm
ein Allerheiligſtes; und doch darf nicht verſchwiegen werden, daß die Reduk-
tion des Indigos in warmen Küpen einen Indigoverluſt von gemeinhin nicht
unter 13 Prozent, oft aber bis zu 26 Prozent bedeutet, einen Verluſt, der
unwiederbringlich, unerſetzbar iſt; durch den Gärungsprozeß geht nämlich die
Zerſetzung des Indigos tiefer, als wie bis zur bloßen Reduktion; es reſul-
tieren Indol-Derivate, welche ſich nicht wieder in Indigo zurückverwandeln
laſſen. Dieſer Verluſt tritt bei ganz normalen Küpen ein, an denen kein
äußeres Kennzeichen den Verluſt bemerkbar macht; er tritt auf beim regel-
rechten Verlauf der Gärung; er wird größer beim unregelmäßigen Verlauf.
Die Gärung iſt ein chemiſcher Prozeß, bei dem eine große Menge Faktoren
zuſammenwirken, ein Prozeß, deſſen Kontrollierung kaum durchführbar und
ſelbſt von einem mit dem innerſten Weſen der Gärungsvorgänge völlig Ver-
trauten nur ſchwer zu regulieren iſt. Treten nun bei ſolchen Küpen fehler-
hafte Zuſtände auf, wie ſolche durch zu heftige Kohlenſäure- und Waſſer-
ſtoffgasentwickelung, durch zu weit gehende Zerſetzung, durch zu hohes Er-
wärmen, durch zu ſtarke Alkalinität, durch ungenügende Beſchaffenheit oder
durch ein ungenügendes Mengenverhältnis, durch ungenügendes Erwärmen,
durch Mangel an freiem Alkali u. dergl. herbeigeführt werden, und iſt der
Färber nicht im ſtande, die Urſache zu erkennen und Abhilfe zu ſchaffen, ſo
kann der Indigoverluſt ein vollſtändiger ſein. Daß dieſe Verhältniſſe that-
ſächlich oft eintreten, dafür ſpricht die klaſſiſche Bezeichnung ſolcher fehlerhafter
Zuſtände als „Krankheiten der Küpe“. Eine Küpe kann niemals krank ſein
oder krank werden; tritt eine dieſer „Krankheiten“ ein, ſo iſt wahrlich
die Küpe nicht ſchuld daran, ſondern ſie iſt von Demjenigen, der
die Aufſicht über ſie hat, ſich ſelbſt überlaſſen oder vernachläſſigt
worden
. Derartige Vernachläſſigungen entſpringen meiſt der Unkenntnis
des Beaufſichtigenden mit den eigentlichen Vorgängen der fauligen Gärung;
ſelbſt die vielgeprieſene Erfahrung reicht hier nicht in allen Fällen zu; es
treten Erſcheinungen ſo abweichender und ſo merkwürdiger Natur auf, daß
oft ſelbſt der Eingeweihte vor einem Rätſel ſteht. Dieſe Thatſachen ſtehen
feſt, und es wäre gut, wenn die Verfechter der warmen Küpen nicht immer
noch verſuchen wollten, ſie abzuleugnen. Ich kann daher nicht umhin, die
Gärungsküpen als dem heutigen Stande der Wiſſenſchaft nicht mehr ent-
[540] ſprechend zu bezeichnen; es fehlt uns durchaus nicht an Methoden, Waſſer-
ſtoff auch ohne Gärung zu erzeugen.


Ich komme nun zum Anſetzen der Küpe ſelber. Bedingung hierfür iſt
ein fein geriebener oder gemahlener Indigo, wie er entweder durch Reiben
im Mörſer mittels Hand oder in Indigomühlen oder in Reibmaſchinen
mittels Dampf bewerkſtelligt wird (vergl. § 20, zweiter Teil). Eine weitere
Bedingung ſind die zur Aufnahme der Küpen beſtimmten Gefäße, Kufen
oder Küpen (von Küper, Böttcher); von dieſen Gefäßen leitet ſich die Be-
zeichnung „Küpe“ ab, ſo daß dieſer Ausdruck ſowohl für das Gefäß, wie
für die darin befindliche Flüſſigkeit gelten kann. Die Küpen (Gefäße) ſind
entweder von Holz oder Gußeiſen, Kupfer oder Zement, rund und durch-
ſchnittlich nicht viel tiefer wie breit, 2 bis 2½ m. Sie ſtehen entweder
frei, zum Erwärmen über freiem Feuer, oder ſind mit ihrem unteren Teil
eingemauert und durch Dampf zu erwärmen. Wo mehrere Küpen vorhan-
den ſind, kommen ſie in eine Reihe an die Mauer, doch mit den nötigen
Zwiſchenräumen zwiſchen zweien derſelben, um bequem arbeiten zu können.
Zum Zudecken dient ein Holzdeckel. Ueber jeder Küpe befindet ſich ein Netz,
welches zur Aufnahme des zu färbenden Materials dient und mittels einer Rolle
in die Küpenflüſſigkeit hineingelaſſen werden kann. Der Zweck dieſer Vor-
richtung beſteht darin, die Ware durch Eintauchen in die Küpenflüſſigkeit zu
nur ½ — höchſtens ⅔ der Tiefe derſelben vor der Berührung mit dem am
Boden der Küpe ſich ſammelnden alkaliſchen Kalkſchlamm zu bewahren.


Wir kommen jetzt zu den einzelnen Küpen.


Die Waidküpe. Dieſe führt ihren Namen nicht, weil etwa zur
Reduktion des Indigos Waid angewendet wird, ſondern weil das eigentlich
färbende Prinzip dieſer Küpe der Waid iſt, eine bei uns heimiſche Pflanze,
welche gleichfalls Indigo enthält und, wenn auch nicht zur Indigodarſtellung
ſelbſt, ſo doch zum Blaufärben mit Vorteil benutzt werden kann. Die Waid-
küpe empfiehlt ſich gewiſſermaßen vom nationalökonomiſchen Standpunkte, —
aber auch nur von dieſem, ſonſt von keinem andern. Die Verhältniſſe der
einzelnen Beſtandteile zum Anſetzen einer Küpe nennt man einen Küpen-
Anſatz
. Für die Waidküpe lautet dieſer Anſatz nach

Der geringe Kalkzuſatz des letzten Anſatzes bedeutet nur die erſte
Portion.


Zum Anſetzen der Küpen wird die Kufe zunächſt teilweis mit Waſſer
angefüllt und dieſes auf 50 bis 60° R. erwärmt; dann wird der vorher
eingeweichte Waid, dann der Krapp, (event. Soda und Syrup), die Kleie
und der feingeriebene Indigo und ein Teil des Kalkes hinzugeſetzt. Nun
wird das Ganze tüchtig mit einer Schaufel oder Krücke durchgerührt, die
Temperatur bis auf 75° R. erhöht, nochmals gut aufgerührt, dann der
[541] Holzdeckel aufgelegt und über dieſen eine ſtarke wollene Decke (alter Woll-
ſack oder dergl.) gelegt und endlich das Ganze 12 bis 24 Stunden der
Ruhe überlaſſen. Innerhalb dieſer Zeit pflegt die faulige Gärung zu be-
ginnen*); die chemiſche Eigentümlichkeit des Fäulnisprozeſſes beſteht in einem
völligen Zerfall der der Fäulnis verfallenen Subſtanz (hier der Kleie) unter
gleichzeitiger Entwickelung von Kohlenſäure und Waſſerſtoff. Letzteres findet
namentlich in den Fällen ſtatt, wo — wie hier — die Fäulnis ohne
Zutritt von atmoſphäriſchem Sauerſtoff ſtattfindet. Dieſer Waſſerſtoff aber
wirkt kräftig reduzierend, indem er den Sauerſtoff der organiſchen Verbindung
— in dieſem Falle des Indigos, des Waids — angreift und ſich mit dem-
ſelben zu Waſſer verbindet, welches als ſolches abgeſpalten wird. Durch
dieſe Spaltung des Indicans wird das Indigblau des Waids in Freiheit
geſetzt. Gleichzeitig hiermit geht ein anderer Teil des entwickelten Waſſer-
ſtoffes an den Indigo und das in Freiheit geſetzte Waid-Indigotin, und
bildet durch einfache Addition das Indigweiß:
Indigblau Waſſerſtoff Indigweiß.


Der Zweck ſämtlicher Indigoküpen und auch der Waidküpe
iſt die Erzeugung von Indigweiß
. Eine ſolche Bildung von Indig-
weiß findet nur in Gegenwart von Alkalien ſtatt. Dieſem Zweck dient der
Kalkzuſatz; ein Teil des Kalkes wird durch die entwickelte Kohlenſäure in
löslichen kohlenſauren Kalk übergeführt und findet ſich als ſolcher im Küpen-
ſchlamme; ein anderer Teil löſt ſich zu Kalkwaſſer und dieſes wiederum hält
das Indigweiß in Löſung. Eine Löſung von chemiſch reinem Indigweiß in
Kalkwaſſer hat eine goldgelbe Farbe. Mehrfach wird behauptet, daß das
Indigweiß mit dem Kalk eine Verbindung eingehe, doch iſt das keineswegs
erwieſen.


Das vorſtehend Geſchilderte iſt der chemiſche Vorgang in der Waid-
küpe, welche mit dem ſinnlich wahrnehmbaren Vorgang vollauf übereinſtimmt.
Das Eintreten der Gärung kennzeichnet ſich für das Auge durch das Auf-
treten von Gasblaſen an der Oberfläche, für das Ohr durch ein eigentüm-
liches Geräuſch, ähnlich einem leiſen Kochen, verurſacht durch das Loslöſen,
Aufſteigen und Zerplatzen der Kohlenſäureblaſen; zugleich ſtellt ſich ein eigen-
tümlicher ammoniakaliſcher Geruch ein. Daß der chemiſche Prozeß in der
eben erläuterten Weiſe wirklich vor ſich geht, beweiſt das allmähliche Grünwerden
der anfangs blauen Flüſſigkeit. Iſt die Küpenbildung ſoweit vorgeſchritten
oder „in Trieb gekommen“, ſo wird eine weitere Portion Kalk zuge-
geben und das Ganze von neuem durchgekrückt; man nennt dieſes das
Schärfen. Mit dieſem Schärfen der Küpe muß in regelmäßigen Zwiſchen-
räumen fortgefahren werden und zwar in dem Maße, als die Umwandlung
von Indigblau in Indigweiß fortſchreitet; man kann indeſſen auch den gan-
zen Kalk auf einmal zugeben ohne nennenswerten Schaden für die Küpe.
In demſelben Maße geht die Farbe der Küpe aus dem Bläulichgrün in
Goldgelb über, es bilden ſich beim Durchrühren der Küpe blaue Adern und
Streifen und auf der Oberfläche zeigt ſich eine bläulich und kupferfarben
ſchillernde feine Haut, herrührend von der Oxydation von Indigweiß zu
[542] Indigblau an der Berührungsſtelle der Küpenlauge mit der atmoſphäriſchen
Luft. Dieſe Haut heißt die „Blume“. Endlich kennzeichnet ſich die Küpen-
bildung durch einen ganz eigenartigen, ſüßlichen, milden, nicht ſcharfen Ge-
ruch. Zeigt eine Küpe alle dieſen Eigenſchaften, ſo ſagt der Färber, ſie iſt
angekommen“, d. h. ſie iſt zum Gebrauch fertig. Es iſt dann nur
dafür Sorge zu tragen, daß die Gärung normal weiter verläuft, was von
einem in der Küpenführung Erfahrenen durch Regelung der Temperatur im
Küpenraum und durch Zufügung von kleineren oder größeren Mengen Kalk
bei zu heftiger und von Kleie bei zu langſamer Gärung erreicht werden
kann. Die günſtigſte Temperatur für warme Küpen iſt 35 bis 40° R.


Das Färben in der Küpe geſchieht ſodann durch Herablaſſen des Küpen-
netzes mit der Ware in die Flüſſigkeit, Belaſſen in derſelben 30 bis 40 Mi-
nuten hindurch unter ſtetem Hantieren, Herausziehen des Netzes und Ausbreiten
oder Aufhängen der geblauten Ware an der Luft behufs Oxydation des
Indigweiß zu Indigblau.


Die Wolle beſitzt große Verwandtſchaft zum Indigweiß und zieht das-
ſelbe lebhaft an ſich; derart imprägnierte Wolle ſieht grünlichgelb; wird ſie
der Luft ausgeſetzt, ſo oxydiert ſich das Indigblau unter Aufnahme von
Luft-Sauerſtoff und Abſpaltung von Waſſer:
Indigweiß Sauerſtoff Indigblau Waſſer.


Es erhellt hieraus, daß mit jedem „Zug“ die Küpe an Farbſtoff ärmer
wird, und daß mithin, wenn ein ſpäteres Zuſetzen von Indigo nicht ſtattfindet,
die erſte Färbung blauer und tiefer ausfallen muß, als alle ſpäteren. Man
pflegt daher auch die friſche Küpe oder die neu beſchickte und friſch ausge-
ſchärfte Küpe zunächſt zu dunkeln Färbungen und nach einigen Küpenzügen
zu helleren Färbungen zu verwenden.


Wo eine regelrechte Blaufärberei betrieben wird, wird die Küpe all-
abendlich friſch beſchickt oder vervollkommnet, komplettiert, d. h. es werden
neue Mengen warmes Waſſer, Indigo und Kalk zugegeben, tüchtig durch-
gekrückt und über Nacht ſich ſelbſt überlaſſen. Der Färber nennt das: ver-
wärmen
. Die Mengenverhältniſſe hängen natürlich von der Tiefe oder
der Helligkeit der zu erzielenden blauen Töne ab. Auch ein Kleiezuſatz wird
von Zeit zu Zeit notwendig werden, doch iſt ein ſolcher am beſten dann zu
machen, wenn es ſich um hellblaue Töne (himmelblaue) handelt. In dieſer
Weiſe kann täglich auf der Küpe gefärbt und dieſe ſelbſt am Abend „ver-
wärmt“ werden; dieſe Handhabung kann 4 bis 6 Monate ohne Unterbrechung
dauern. Nach dieſer Zeit pflegt der Küpenſchlamm den größern Raum der
Küpe einzunehmen, ſo daß ein Färben, ohne den Bodenſatz zu berühren,
Schwierigkeiten macht.


Man benutzt dann den Reſt der Küpenlauge zum Hellblaufärben und
entleert den Küpeninhalt, ſobald die Färbekraft der Küpe erſchöpft iſt.


Die Waidküpe gibt volle und tiefe Farben, und es laſſen ſich auf ihr
helle und dunkle Töne anblauen. Sie dient beſonders in der Wollfärberei.


Die Sodaküpe. Die Sodaküpe unterſcheidet ſich von der Waidküpe
in der Hauptſache durch das Fehlen von Waid. In den meiſten Vorſchriften
zum Sodaküpenanſatz fehlt auch der Krapp. Hauptbeſtandteile ſind Indigo,
Kleie, Kalk und Soda. Ich laſſe hier einige Küpenanſätze nach verſchiedenen
Autoren folgen:
[543]

Aus dieſen weſentlich voneinander abweichenden Zahlenangaben erſieht
man wohl am beſten das lediglich Empiriſche an allen dieſen Vorſchriften.


Das Anſetzen erfolgt ähnlich wie bei der Waidküpe. Man füllt die
Küpe mit der entſprechenden Menge Waſſer, erwärmt dasſelbe auf 50° R.
und thut nun die Soda, (und event. Krapp und Syrup), den Indigo und
die Kleie hinein, zuletzt den Kalk, rührt Alles gut durcheinander, er-
wärmt erneut auf 65° R. und überläßt ſie ſich ſelber, bis ſie „angekommen“
iſt. — Abweichend hiervon empfiehlt Hummel, die Kleie 2 bis 3 Stunden
mit dem Waſſer zu kochen, die Flüſſigkeit dann auf 35 bis 40° R. abzukühlen,
dann die übrigen Beſtandteile zuzufügen und das Ganze nach tüchtigem
Durchrühren 2 bis 3 Tage der Gärung zu überlaſſen. Die Umwandlung
des Indigos in Indigweiß erfolgt hier unter ganz ähnlichen Erſcheinungen wie
bei der Waidküpe; die Gärung iſt jedoch eine langſamere und minder leb-
hafte. Das „Schärfen“ geſchieht in dieſem Falle mit Kalk und Soda.
Sobald die Küpenlauge eine goldgelbe Farbe angenommen hat, iſt die Küpe
zum Färben fertig. Das regelmäßige Verwärmen geſchieht mit Indigo,
Kalk und Soda.


Die Bildung von Indigweiß wird auch bei der Sodaküpe durch mittels
Gärung erzeugten Waſſerſtoff bewirkt. Die Gärung einer Sodaküpe iſt
jedoch eine ruhigere, regelmäßigere und daher leichter zu kontrollierende und
zu handhabendere. Die Sodaküpe kann gleichfalls mehrere Monate nach-
einander in Betrieb gehalten werden, etwa 4 bis 4½ Monate (Delmart).
Sie wird in der Wollfärberei vielfach angewendet, und iſt in Deutſchland
vielfach in Gebrauch, daher ſie auch als deutſche Küpe bezeichnet wird.
Sie liefert durchgehends reinere, lebhaftere und feurigere Töne als die Waid-
küpe, was in der reineren Beſchaffenheit des Gärungserregers ſeinen Grund
hat. Sie ſollte thätſächlich in keiner Färberei fehlen, wo man mit warmen
Küpen zu arbeiten genötigt iſt.


Die Pottaſchenküpe ſteht gewiſſermaßen in der Mitte zwiſchen
Waid- und Sodaküpe, inſofern, als hier der Waid zwar fehlt, der Krapp
als Gärungsmittel neben der Kleie aber beibehalten iſt. Der Anſatz be-
ſteht nach:

Man verfährt zum Anſetzen der Küpe ganz wie bei der Sodaküpe,
indem man das Küpengefäß zu ¾ mit Waſſer von 50 bis 55° füllt,
Kleie und Krapp hineingibt und 3 bis 4 Stunden auf einer der Siedehitze
nahen Temperatur erhält; darauf läßt man bis auf 30 bis 32° erkalten,
[544] thut einen Teil der Pottaſche hinein und zuletzt den feingemahlenen Indigo,
rührt kräftig durcheinander, und überläßt unter zeitweiligem Durchrühren
das Ganze durch 48 Stunden der Gärung. Das Endreſultat iſt eine dunkel-
goldgelbe Indigweißlöſung. Das Schärfen geſchieht mit Pottaſche; es kann
aber auch Kalk oder Soda zum Schärfen verwendet werden; das „Ver-
wärmen“ geſchieht mit Indigo und Pottaſche. Die Pottaſchenküpe iſt leichter
zu führen, als die Waidküpe und nur wenig ſchwieriger, als die Sodaküpe;
ſie iſt aber teurer als dieſe und daher nur noch in beſchränktem Gebrauch.
Sie gibt tiefere blaue Färbungen, aber die Schattierungen ſind nicht leb-
haft. Die Pottaſchenküpe färbt am ſchnellſten und iſt für alle Stoffe ver-
wendbar.


Dr. B. Lindenberg*) empfiehlt eine von ihm benutzte Mehlküpe.


Dieſelbe wird wie folgt angeſetzt. 15 kg Weizenmehl werden mit kaltem
Waſſer zu Milch gerührt und alle etwaigen Knoten zerdrückt, dann in die
mit Waſſer gefüllte und bis auf 81° C. geheizte Küpe gegeben und 6 kg
gemahlener Indigo und 30 kg kryſtalliſierte Soda zugeſetzt, worauf man
gut umrührt und der Gärung überläßt, die in 24 bis 48 Stunden eintritt.
Dann wird täglich dreimal, früh, Mittag und Abend, gerührt und gefärbt.
Die Speiſung erfolgt wenn nötig mit


  • 3 kg Indigo,
  • 3 „ Mehl,
  • 6 „ kryſtalliſierter Soda,

bei einer Temperatur von 69° C. Abends, ſo daß die Küpe am andern
Morgen die Färbetemperatur von circa 62,5° C. zeigt. Will man keinen
neuen Indigo zuſetzen, ſo erwärme man trotzdem täglich mit 1 kg Mehl
und 2 kg kryſtalliſierter Soda, immer die Temperatur von 69° C. im Auge
behaltend. Geſchärft wird wie gewöhnlich mit Kalk, von dem man jedoch
in keinem Falle mehr als ⅓ der geſamten Sodamenge ſucceſſive zugibt.
Bei ſehr reinen Indigoſorten kann ſelbſt dieſer Kalkzuſatz wegfallen.


Die kryſtalliſierte Soda zieht Lindenberg der kalcinierten deshalb
vor, weil die Zuſammenſetzung derſelben nahezu konſtant iſt. Die Küpen-
gärung iſt im erſten Stadium Milchſäuregärung und im zweiten geht die
Milchſäure in Butterſäure unter Waſſerſtoffentwickelung über. Beide Pro-
zeſſe verlaufen natürlich in der Indigoküpe gleichzeitig nebeneinander. Die
ausgebrauchte Indigoküpe kann man, nebenbei bemerkt, als eine ſehr gute
und billige Butterſäurequelle betrachten. Hat man Stärkezucker zur Ver-
fügung, ſo bietet derſelbe ein gutes Hilfsmittel beim Zerreiben des Indigos.
Die feinſte Zerteilung dieſer teuren Färbeware iſt, wie bekannt, eine Haupt-
bedingung bei der Küpe, und ſetzt man deshalb beim Verreiben auf 6 kg
Indigo 1 kg Aetzkali oder Natron und 2 kg Stärkezucker zu.


Auch iſt es vorteilhaft, den entſtandenen Brei, ehe man denſelben in
die Küpe bringt, vorher zum Kochen zu erhitzen, wodurch vollſtändige Auf-
ſchließung ſelbſt gröber gemahlenen Indigos erfolgt.


Derſelbe Autor empfiehlt an derſelben Stelle noch eine warme Zink-
ſtaubküpe
, welche er folgendermaßen anſetzt:


[545]
  • 3 kg gemahlener Indigo,
  • 6 „ Zinkſtaub,
  • 2 „ Aetznatron,
  • 2 „ Aetzkalk

werden zuſammen mit dem nötigen Waſſer gekocht, bis der Indigo reduziert
iſt, worauf man in die mit Waſſer gefüllte Küpe, die auf 62,5° C. geheizt
und mit 10 lneutralem ſchwefligſaurem Natron von 20° Bé. verſetzt
wurde, einträgt, umrührt und abſetzen läßt.


Zum Speiſen nimmt man:


  • 3 kg Indigo,
  • 3 „ Zinkſtaub,
  • 1 „ Aetznatron,
  • 1 „ Aetzkalk,
  • 5 l ſchwefligſaures Natron.

Außer den angeführten Subſtanzen ſetze man zu 1 kg Indigo noch
1 kg kryſtalliſiertes kohlenſaures Natron.


Dieſe Küpe arbeitet ſehr gut, verdirbt nie und kann jederzeit unter-
brochen werden.


Führung der warmen Küpen. Eine ſolche erfordert eine mehr-
jährige Erfahrung und ein völliges Vertrautſein mit allen den vielen Zu-
fälligkeiten, wie ſie durch einen ſo verwickelten chemiſchen Vorgang, wie die
Gärung, in Erſcheinung treten. Sie erfordert vor allem völlige Kenntnis
jener abnormen Erſcheinungen, welche mit dem abgeſchmackten Namen „Krank-
heiten der Küpe“ bezeichnet werden. Delmart nennt ſie „Launen“. Dieſe
fehlerhaften Zuſtände ſind aber keine „Launen“, denn dieſelben gehen nicht
von der Küpe aus, vielmehr werden ſie erſt durch Denjenigen, welcher die
Küpe führt, hervorgerufen. Die Urſache dieſer Krankheiten liegt in dem
ſummariſchen Verfahren des Küpenanſetzens. Hier möchte vor allem Wandel
geſchaffen werden. Es iſt eine leider nicht zu beſtreitende Thatſache, daß
viele Färber und Blaudrucker ſich über die einfachſten Prozeſſe ihrer Metho-
den keine Rechenſchaft ablegen können, dabei im Indigo und den Chemikalien
herumtappen und trotz alledem noch mit einem gewiſſen Dünkel auf ihre
langjährige „unfehlbare“ Praxis pochen. Das Verhältnis des Indigos zu
den Chemikalien, und dieſer unter ſich und zu einem gewiſſen Waſſerquan-
tum ſind, wie aus den obigen Zuſammenſtellungen bei den Anſätzen hervor-
geht, nicht nur ſchwankend, ſondern geradezu willkürlich. Für die Praktiker
ſind dieſe Zahlen durch die ſogenannte Erfahrung geheiligt, und ein jeder
von ihnen beſitzt — natürlich! — das beſte Rezept. Von Praktikern
dieſer Sorte iſt natürlich eine Beſſerung nicht zu erwarten.


Es muß Jedem, der chemiſch denken gelernt hat, auffallen, welch große
Unterſchiede im Verhältnis zwiſchen Indigo und Kalk von den Autoren an-
gegeben werden, während doch nur ein Verhältnis das richtige ſein kann.
Die Löſung von Indigweiß in Kalkwaſſer geht nach ganz beſtimmten Ge-
wichtsverhältniſſen vor ſich; es muß alſo mindeſtens ſoviel Kalk zugeſetzt
werden, daß das Indigweiß dadurch in Löſung gehalten werden kann. Die
Menge des Indigweiß iſt aber abhängig von der Menge des Indigblau,
und der Gehalt eines Indigos an reinem Indigblau iſt durch die Analyſe
Ganswindt, Färberei. 35
[546] abſolut genau zu ermitteln. Aber hier iſt die Stelle, wo faſt alle ſterblich
ſind; hier iſt die Achillesferſe! Kaum 1 Prozent aller Färber und Blau-
drucker hält es für notwendig, den Indigo auf ſeinen Gehalt an Indigblau
unterſuchen zu laſſen. Indigo iſt für ſie Indigo! Da darf es nachher
nicht Wunder nehmen, wenn „die Küpe durchgeht“.


Sobald wir den Indigblaugehalt eines Indigos kennen, wiſſen wir
ferner genau, wieviel Waſſerſtoff wir zur Reduktion in Indig-
weiß nötig haben
. Es fehlt uns aber keineswegs an Methoden, Waſſer-
ſtoff im Entſtehungszuſtand auch in regulierbaren Mengen zur Reduktion
zu verwenden und damit die Küpenbildung endlich in vernunftgemäße Bahnen
zu lenken, und der jetzigen Unwiſſenſchaftlichkeit und Willkürlichkeit zu entrücken.
Dann werden die Launen und Krankheiten ſchon von ſelber vergehen und
das Wirtſchaften „ins Blaue hinein“ (hier gilt es wörtlich) hat eine Ende.
Die jetzige Handhabung warmer Küpen ſteht wahrhaftig nicht auf der Höhe
der Situation.


Die Vermeidung abnormer Zuſtände hängt von der Erfahrung
und von der Beobachtungsgabe des die Küpe Beaufſichtigenden ab. Kennt
er die Entſtehungsurſachen eines Fehlers, oder iſt er imſtande, auf Grund
ſeiner Beobachtung auf die Urſache zu ſchließen, ſo iſt die Abhilfe nicht
ſchwer.


Eine zu ſcharf gewordene Küpe vermag nicht richtig zu gären;
die Auflöſung des Indigos wird unterbrochen oder hört ganz auf; der Küpen-
ſchlamm wie die Adern werden bräunlich und der Geruch wird ſcharf. Will
man Zeit gewinnen, ſo kann man durch vorſichtigen Zuſatz von Oxalſäure
ſchnell Abhilfe ſchaffen; auch iſt Einleiten von Kohlenſäure durchaus am
Platze; bei mäßig verſchärften Küpen iſt Zuſatz von Kleie und Erwärmen
ſchon genügend.


Eine zu mild gewordene Küpe (durch zu häufige Benutzung oder
ungenügendes Nachſchärfen) iſt durch einfachen Kalk- reſp. Sodazuſatz zu
beſſern; eine derartige milde Küpe kennzeichnet ſich durch zu langſames Ver-
grünen eines herausgenommenen Tropfens.


Eine gebrochene Küpe zeigt keine goldgelbe Färbung mehr, ſondern
eine olive Färbung, ein Beweis, daß das Reduktionsmittel nicht in genügend
reichlicher Menge vorhanden, oder daß die Temperatur nicht hoch genug
geweſen war, ſo daß die Gärung nicht hat in Fluß kommen können. Hier
pflegt Zuthun neuer Anteile des Gärungsmittels (Kleie, Krapp, event. ſelbſt
Waid oder Melaſſe) und Erwärmen gute Dienſte zu leiſten.


Eine durchgegangene Küpe, entſtanden durch zu großen Mangel
an Kalk verbunden mit gleichzeitigem Ueberhitzen, verurſacht einen fauligen
Geruch; bei einer ſolchen Küpe iſt die Zerſetzung dann bereits ſoweit ge-
diehen, daß der Indigo als endgültig verloren zu betrachten iſt. Eine ſolche
durchgegangene Küpe kommt vornehmlich bei Waidküpen, ſeltener bei
Pottaſche- oder Sodaküpen vor; die Flotte beſitzt dann eine rötlichgelbe
Farbe, iſt trüb und zeigt keine „Blume“ mehr; ſie charakteriſiert ſich aber
vornehmlich dadurch, daß ein mit Indigo gefärbtes Stück Zeug, in die Flotte
getaucht, entfärbt wird. Die genannten Anzeichen treten ſamt und ſonders
nicht plötzlich auf, ſondern zeigen ſich erſt allmählich, ſo daß bei einiger Auf-
merkſamkeit wohl gemerkt werden kann, wenn eine Küpe Neigung zeigt,
„durchzugehen“. Durch tüchtiges Ausſchärfen mit Kalk oder Soda und Er-
[547] hitzen faſt bis zum Kochen, ſowie durch fleißiges Rühren iſt unter Umſtänden
wenigſtens ein Teil des Indigos zu retten. Die Waidküpen ſind in dieſer
Beziehung die ſchlimmſten infolge des Stickſtoffgehalts des Waids.


Da nun aber die Waidküpe keinerlei beſondere Vorteile gegenüber den
andern Küpen aufzuweiſen hat, ſo liegt doch gar kein Grund vor, uns auf
die Waidküpe zu ſteifen, und es wäre doch geratener, von der Waid-
küpe ganz Abſtand zu nehmen und die vernunftwidrigſte aller
Küpen der wohlverdienten Vergeſſenheit anheimzugeben
.


Die Vitriolküpe iſt die älteſte und bekannteſte und wohl auch die
verbreitetſte. Sie iſt eine ſogenannte kalte Küpe; die Erzeugung von Indig-
weiß geſchieht hier ohne Gärung. Die Farbekufen für die Vitriolküpe
ſind gemeinhin nicht cylindriſch rund, ſondern haben mehr die Form vier-
eckiger Käſten und ſind aus. Gußeiſen, Holz oder Stein gebaut, entweder
quadratiſche oder längliche Tröge.


Der chemiſche Prozeß ſpielt ſich hierbei etwas anders ab. Ein Teil
des Kalkes zerlegt den Eiſenvitriol, indem er Gyps und Eiſenoxydulhydrat
bildet:
Eiſenvitriol Kalkhydrat Gyps Eiſenoxydulhydrat.


Letzteres wirkt zerſetzend auf 2 Moleküle Waſſer, indem es ſich zu
Eiſenoxydhydrat verbindet und dabei Waſſerſtoff entbindet:
Eiſenoxydulhydrat Waſſer Eiſenoxydhydrat Waſſerſtoff.


Letzterer lagert ſich direkt an das Indigblaumolekül und bildet damit Indig-
weiß, welches ſich in einem weitern Teile des überſchüſſigen Kalks mit der
bekannten goldgelben Farbe löſt.


Der Anſatz zur Vitriolküpe lautet nach verſchiedenen Autoren, wie
folgt:

Wir finden auch hier, wo die Verhältniſſe durch den bekannten und
glatt verlaufenden chemiſchen Prozeß doch genügend geklärt ſein ſollten, eine
große Unklarheit. Auch dieſe Vorſchriften ſind empiriſch, und Th. Schier-
necker
, Dirigent einer der größten deutſchen Blaudruckfabriken, ſpricht ſich
hierüber in der „Deutſchen Färber-Zeitung“ 1887, Nr. 15, folgendermaßen
aus: „Erſt nachdem man die wirkliche prozentiſche Färbekraft des Indigos
kennt, kann man die Menge der Reduktionsmittel feſtſtellen: Die annähern-
den Schätzungen auf 1 Teil Indigo 3 Teile Eiſenvitriol und
4 Teile Kalk ſind grobe Fehlgriffe
.


Da man bei der Vitriolküpe den unberechenbaren Zufällen einer Gärung
nicht ausgeſetzt iſt, ſo geſtattet ſchon das bloße Ausſehen der Flotte eine
gewiſſe Regulierung; iſt ſie dunkelgoldgelb, zeigt ſie beim Aufziehen blaue
Adern und eine kupferblau ſchillernde Blume, dann iſt ſie in gutem Zu-
35*
[548] ſtande; iſt ſie grünlich, ſo iſt noch nicht aller Indigo reduziert und es fehlt
an Eiſenvitriol; iſt die Farbe dagegen ſehr dunkelbraun, ſo iſt zu viel Eiſen-
vitriol vorhanden und es muß mit Kalk geſchärft werden.


Beim Anſetzen der Vitriolküpe hat man vor allem auf reinen Eiſen-
vitriol zu achten; der käufliche gewöhnliche, ſog. rohe Eiſenvitriol, welcher
meiſt oxydierend wirkenden Kupfervitriol enthält und daher der Reduktion
entgegenwirken würde, iſt hierfür nicht geeignet; man erhält jedoch auch
die reine Sorte im Handel käuflich; man verlange nur: chemiſch reines
ſchwefelſaures Eiſenoxydul. — Eine zum Färben benutzte Vitriolküpe muß
allabendlich geſpeiſt, d. h. mit neuen Zuſätzen von Indigo, Vitriol und Kalk
verſehen werden.


Die Vitriolküpe kann auf alle Stufen von Blau eingerichtet werden,
je nachdem man mehr oder weniger Indigo verwendet; man hat daher in
großen Färbereien mehrere Küpen nebeneinander ſtehen, deren jede ihre
eigene Schattierung von Blau hat. — In der Wollenfärberei findet ſie
keine Verwendung, dagegen werden Baumwolle und Leinen darauf gefärbt,
ebenſo Neſſel.


Die Zinkſtaubküpe. Sie wird angeſetzt, wie folgt:

Die Zinkſtaubküpe iſt der Vitriolküpe in mancher Hinſicht überlegen;
vor allem in der Einfachheit des Anſatzes, in der Leichtigkeit der Führung
und in dem ſehr geringen Bodenſatze. Der chemiſche Prozeß der Zinkſtaub-
küpe iſt ein ſehr einfacher. Der Zinkſtaub zerſetzt in Gegenwart von Alkalien
das Waſſer; während der Sauerſtoff des Waſſers mit dem Zink ſich zu
Zinkoxyd verbindet, geht der Waſſerſtoff an das Indigblau, damit Indigweiß
bildend.


Die Ingredienzien werden gemeinſchaftlich in das Waſſer (das Hundert-
fache vom Gewicht des Indigos) gethan und innerhalb der nächſten 24 Stun-
den mehrmals durchgerührt. Die Küpe kann dann ſofort zum Blauen ver-
wendet werden. Das Speiſen der Küpe erfolgt mit Indigo und Zinkſtaub
nach Bedarf. Es leuchtet ſofort ein, daß die Führung dieſer Küpe eine
einfache, leicht kontrollierbare iſt. Jeder frei werdende Waſſerſtoff wird, ſo
lange noch eine Spur Indigo vorhanden, zur Bildung von Indigweiß ver-
braucht; eine Gasentwickelung findet nicht ſtatt. Tritt Gasentwickelung ein
und wird die Küpe ſchaumig, ſo iſt das ein Beweis, daß aller Indigo
reduziert iſt. Das Schaumigwerden der Küpe iſt alſo durch Zuſatz von
etwas Indigo und tüchtiges Durchrühren zu vermeiden. Die Hauptſchwierig-
keit iſt die Herſtellung des genauen Verhältniſſes zwiſchen Indigo und Zink-
ſtaub, ſo daß keiner von beiden vorwaltet. Dieſes iſt aber auch die einzige
Schwierigkeit der Küpe, und auch dieſe läßt ſich, wenn der Gehalt an Indig-
blau des verwendeten Indigos vorher quantitativ beſtimmt wird, durch Rech-
nung genau beſtimmen.


Der geringe Bodenſatz dieſer Küpe (etwa nur 1/7 der Vitriolküpe) und
die ſchnelle Wiederbenutzbarkeit nach dem Speiſen macht dieſelbe ganz be-
ſonders geeignet zum kontinuierlichen Färben, und geſtattet eine ununter-
[549] brochene Benutzung über Jahresfriſt hinaus, ohne daß eine Entleerung nötig
wäre. — Die Zinkſtaubküpe dient gleichfalls zum Blaufärben von Baum-
wolle und Leinen.


Die Schmückert patentierte Neuerung bei der Herſtellung der Zink-
ſtaubküpe, deren Anſatz lauten würde:
Indigo ....... 2 — 5 Teile,
Zinkſtaub ....... 10—20 „
Ammoniakhaltiger Peru-Guano 20—60 „
Erwärmen auf 50° R.,

iſt wohl eine Neuerung, aber keineswegs eine Verbeſſerung, weit eher ein
offenbarer Rückſchritt. Dieſe Küpe iſt ſchwieriger zu führen und obendrein
teurer, als die einfache Zinkſtaubküpe; überdies iſt der Peru-Guano betreffs
ſeines Stickſtoffgehalts großen Schwankungen unterworfen.


Die Hypoſulfitküpe*). Von allen in der Färberei angewandten
Methoden zur Reduktion des Indigos verdient wohl keine eine ſo allgemeine
Beachtung, wie das Hypoſulfitverfahren, welches ſich unter dem ſinn-
entſtellenden Namen Hydroſulfitküpe eingeführt hat. In der That kann
das Hypoſulfitverfahren als Univerſalküpe angeſehen werden, welche allen
Anforderungen genügt und welche beſtimmt zu ſein ſcheint, die übrigen Ver-
fahren mit der Zeit ganz zu verdrängen. Es erſcheint daher berechtigt,
auf Theorie und Praxis etwas näher einzugehen.


Die Theorie iſt, ſobald es ſich um die Reduktion des Indigos zu
Indigweiß handelt, die denkbar einfachſte; vorher jedoch, ehe man die zur
Reduktion erforderliche Löſung hergeſtellt hat, iſt der Verlauf ein etwas ver-
wickelter. Die unterſchweflige Säure iſt als ſolche in freiem Zuſtande noch
nicht bekannt, und die von dieſer ſich ableitenden Hypoſulfite ſind im allge-
meinen noch wenig ſtudiert. Selbſt die chemiſche Zuſammenſetzung wird von
verſchiedenen Autoren noch verſchieden angegeben; in der Mehrzahl der Lehr-
bücher findet ſich die Formel H2 SO2;Knecht (Färberei und Bleicherei der
Geſpinnſtfaſern) gibt als Formel H2 S2 O4 an; ob mit Recht, möchte ich
bezweifeln; denn die hypothetiſche hypoſchweflige Säure bildet ſich aus
ſchwefliger Säure durch Behandlung mit Waſſerſtoff im Entſtehungszuſtande,
und zwar in hermetiſch geſchloſſenen Räumen, alſo ohne Sauerſtoffzufuhr.
Die einwandfreie Formel der ſchwefligen Säure iſt aber H2 SO3, aus welcher
ſich durch Einwirkung von nascierendem Waſſerſtoff wohl Sauerſtoff ab-
ſpalten läßt nach der Gleichung: H2 SO3 + H2 = H2 SO2 + H2 O. Der
nascierende Waſſerſtoff wird aber durch Einfügen von Zink in die ſchweflige
Säure bewirkt. Den hier ſich abſpielenden Vorgang ſchildert Dr.Knecht
durch folgende Gleichung: 2 H2 SO3 + Zn = 2 H SO2 + Zn (OH)2.


Dieſe Gleichung iſt zwar theoretiſch richtig; wenn man aber metalliſches
Zink im Ueberſchuß auf ſchweflige Säure wirken läßt, ſo bildet ſich
weder freie hypoſchweflige Säure, noch ſcheidet ſich Zink-
hydroxyd ab
. In der Praxis läßt man das Zink aber nicht auf ſchweflige
Säure ſelbſt, ſondern auf eine konzentrierte Löſung von Natriumbiſulfit
[550] wirken. Zweck iſt hierbei, die ſich bildende hypoſchweflige Säure ſofort an
Natrium zu binden. Der Prozeß verläuft dann folgendermaßen:
Natriumbiſulfit Zink ſchwefligſaures hypoſchweflig- Waſſer.
Zinknatrium ſaures Natrium


Herr Dr.Knecht gibt in ſeinem Buche ſelber an, daß ſich hierbei eine
Löſung von unterſchwefligſaurem Natron und Zinknatriumſulfit bildet; er
gibt dazu aber folgende mit ſeinem Text keineswegs harmonierende
Gleichung:
Zink Natriumbiſulfit ſchweflig- ſchwefligſau- hypoſchwefligſau- Waſſer.
ſaures Zink res Natron res Natrium


Die Reduktion des Indigos verläuft wie folgt:
Indigblau hypoſchwefligſau- Aetz- Indigweiß Natrium-
res Natrium natron ſulfit,

wogegen Knecht folgende Gleichung aufſtellt:

Ich habe dieſe beiden Theorien gegenübergeſtellt, um zu zeigen, daß
die Hypoſulfittheorie noch keineswegs definitiv gelöſt erſcheint. Das End-
reſultat iſt bei beiden Theorien das gleiche.


In der Praxis zerfällt die Beſchickung einer Sulſitküpe in folgende
Operationen:


1. Die Darſtellung von Natriumhypoſulfit. Der Theorie nach
braucht man auf 3 Moleküle waſſerfreies ſaures ſchwefligſaures Natrium
1 Molekül metalliſches Zink, alſo auf 312 Gewichtsteile Natriumbiſulfit
65 Teile Zink; da indeſſen das Zink in Ueberſchuß vorhanden ſein muß,
nimmt man in der Praxis die doppelte Menge. Das Natronſalz wird in
Waſſer gelöſt und eine Löſung von 31° Bé. verwendet. Das Zink wird
am vorteilhafteſten als Zinkblech in aufgerollten Spiralen oder als Zink-
ſpäne verwendet; granuliertes Zink oder gar Zinkſtaub ſind nicht zu empfeh-
len. Hauptbedingung iſt, daß die Einwirkung des Zinks auf die Natron-
löſung unter möglichſtem Luftabſchluß geſchehe, was nicht allein durch den
zu erreichenden Zweck, ſondern auch durch den Umſtand bedingt wird, daß
die Löſung an der Luft Dämpfe von ſchwefliger Säure ausſtößt, welche für
den Arbeiter höchſt beſchwerlich ſind. Am beſten verwendet man ein cylindri-
ſches Gefäß aus Steingut. Als Verſchluß dient am beſten ein ſtarker Holz-
deckel, nachdem man zuvor auf den Rand des Steingutgefäßes einen Gummi-
ring gelegt hat. Das Gefäß wird dann mit der Löſung des ſauren ſchweflig-
ſauren Natrons und dem Zink möglichſt bis zum Rande gefüllt (Benedikt
empfiehlt auf 1 l der Natronlöſung 100 bis 125 g Zink), der Deckel auf-
gelegt und mit Steinen beſchwert. Eine Rührvorrichtung iſt nur dann
vonnöten, wenn Zinkgranalien oder Zinkſtaub verwendet werden; bei ſpiralig-
gerolltem Zinkblech iſt ſie überflüſſig. Selbſt von einem bloßen Umrühren
mit Holzſpatel möchte ich abraten, da ein ſolches Umrühren mit Zuführung
von Luft verbunden ſein würde. Die völlige Umwandlung in Natrium-
[551] hypoſulfit erfolgt auch ohne Umrühren, wenn man der Reaktion einige Stun-
den Zeit läßt. Das Zinknatriumſulfit ſcheidet ſich dabei ab, und die Löſung
des Natriumhypoſulfits kann vollkommen klar dekantiert oder abgehebert wer-
den. Dieſe ſo gewonnene Löſung kann direkt zum Küpenan-
ſatz verwendet werden
. Zur Aufbewahrung eignet ſie ſich jedoch in
dieſer Form
nicht; man thut daher wohl, beſonders im Kleinbetriebe,
nur ſoviel davon anzuſetzen, als man zur Küpe eben braucht. Man muß
dann das Dreifache des Gewichtes des in Arbeit zu nehmenden
Indigos
an ſaurem ſchwefligſaurem Natron auf Hypoſulfit verarbeiten,
wie oben angegeben. In großen Wollfärbereien, wo man beſtändig eine
Anzahl von Küpen in Betrieb hat, empfiehlt es ſich, dieſelben in einer Reihe
nebeneinander anzubringen, und über dieſen den entweder auf Schienen
gehenden (als Schlittenapparat gedachten) oder an einem Drahtſeile hängen-
den Entwickler von annähernd gleichem Rauminhalt wie die Kufen, hin-
und herſchieben zu können, um nach beendeter Reaktion im Entwickler die
gebildete Hypoſulfitlöſung durch einen in der Seitenwand des Entwicklers,
etwas über dem Boden angebrachten Hahn, in die Küpe entleeren zu können.
Von dem zur Verwendung gekommenen Zink bleibt der größte Teil als
Metall zurück. Beſchickt man den Entwickler ſofort wieder, ſo muß das
zurückbleibende Zink mit Waſſer abgeſpült werden, und auf je 1 l der
Natriumbiſulfitlöſung circa 50 g Zink hinzugegeben werden; wird dagegen
keine neue Beſchickung beliebt, ſo wird das Zink mit ſoviel Waſſer über-
goſſen, daß es ganz davon bedeckt iſt.


2. Die Ueberführung in neutrales Natriumhypoſulfit.
Dieſe vollzieht ſich glatt und leicht, wenn man in die nach obiger Methode
dargeſtellte Löſung Kalkmilch gießt. Man rührt zu dem Zwecke 200 g
gebrannten Kalk nach dem vorherigen Löſchen mit ſoviel Waſſer an, daß
das Ganze 1 l beträgt. Auf den Liter der unter 1. gewonnenen Hypoſulfit-
löſung kommen annähernd 460 g Kalkmilch (Benedikt); man durchmiſcht
gut, läßt abſetzen und füllt die klare Löſung auf große, bis unter den
Stopfen zu füllende Flaſchen. Dieſe Löſung iſt minder zerſetzbar, muß aber
auch vor Berührung mit der Luft ſorgfältig gehütet werden. In Angriff
genommene Flaſchen müſſen entweder völlig ausgebraucht oder der verblei-
bende Reſt in eine entſprechend kleinere vollzufüllende Flaſche gethan werden.


3. Das Anſetzen der Küpe. Benutzt man die unter 1. erhaltene
Löſung direkt zur Reduktion des Indigos, ſo wird man auf je 3 kgwaſſer-
freien
in Arbeit genommenen Biſulfits (oder die entſprechende Menge Löſung)
je 1 kg Indigo und 400 g gebrannten Kalk zu nehmen haben. Benutzt
man dagegen die unter 2. gewonnene neutrale Sulfitlöſung, ſo empfiehlt
Herzfeld (Deutſche Färberzeitung 1888, Nr. 15), noch vor dem Anſtellen
der Küpe eine reduzierte konzentrierte Indigolöſung herzuſtellen, mit welcher
man die Küpe in beliebiger Stärke anſetzen kann. Man kocht dann fein
geſchlämmten Indigo mit Zuſatz von etwas Kalkmilch oder Natronlauge, und
ſetzt dann, nachdem die Temperatur auf 60 bis 70° C. zurückgegangen, die
unter 2. gewonnene Löſung zu, worauf die Reduktion des Indigos ſofort
eintritt. Zum Küpenanſatz nimmt man gekochtes, bis auf 50° C. abge-
kühltes Waſſer. Je nach dem Farbton, welchen man erzielen will, ſetzt
man von der oben hergeſtellten reduzierten konzentrierten Indigolöſung unter
Umrühren zu. Die Küpenflüſſigkeit wird dann nach Zuſatz von wenig
[552] Hypoſulfit eine grünlichgelbe Farbe haben, an der Oberfläche eine dünne,
kupferige Haut und ein nicht verſchwindendes Blau zeigen. Die Flaſche
muß immer einen kleinen Ueberſchuß an Hypoſulfit enthalten, auch muß von
Zeit zu Zeit etwas konzentrierte Indigolöſung zugegeben werden, wodurch
man eine kontinuierlich wirkende Küpe von großer Reinheit und ohne irgend
welche Gefahren zur Verfügung hat.


Die Hypoſulfitküpe dient ſowohl zur Wollenfärberei, wie auch für alle
andern Faſern; ſie eignet ſich ſchließlich auch vortrefflich zur Wiedergewinnung
und zur Extraktion von Indigo aus gefärbten Stoffen, Lumpen ꝛc.


Anderweite Küpen. Mit den vorſtehend behandelten Küpen ſind
dieſelben indes noch keineswegs erſchöpft; es gibt auch noch anderweite
Methoden zum Anſetzen von Küpen, ſo mit Urin, mit Fruchtzucker u. dergl.
Doch ſind dieſe Küpen entweder nicht mehr in Gebrauch, oder ſie befinden
ſich noch nicht in Gebrauch. Nur der Zinnoxydulküpe möge hier noch
Erwähnung geſchehen, da dieſelbe thatſächliche Vorzüge beſitzt. Da ihre
Herſtellung eine ſehr einfache iſt, ihre Reduktionsfähigkeit aber eine ſehr
hohe, ſo verdient dieſelbe die Aufmerkſamkeit denn doch in höherem Maße,
als ihr bisher zu teil geworden iſt. Dieſe Küpe iſt eine Löſung von Zinn-
oxydul in Natronlauge, und kann durch Hinzugießen einer Zinnchlorürlöſung
zu einer verdünnten Aetznatronlauge gewonnen werden, ſo lange das aus-
geſchiedene Zinnoxydul ſich noch in der Natronlauge wieder löſt. Sobald
eine dauernde Trübung eintritt, hört man mit dem Zuſatz auf, läßt die
Flüſſigkeit ſich klären und benutzt die überſtehende klare Löſung in gleicher
Weiſe, wie bei der Hypoſulfitlöſung. Auf noch einfachere Weiſe erhält man
die Zinnoxydulküpe durch Kochen von Indigo mit Aetznatron und metalli-
ſchem Zinn.


Das Färben auf der Küpe. Loſe Wolle oder Garne werden in
das Küpennetz gethan und dieſes, nachdem zuvor die „Blume“ abgeſchäumt
iſt, in die Küpe hinabgelaſſen und unter ſtetem Hantieren eine Zeit hindurch
in der Küpe belaſſen, doch ſo, daß ſie unter keiner Bedingung den Boden-
ſatz berühren. Garne können auch auf Stöcken eingehängt werden. Stücke
werden auf Rahmen geſpannt und eingetaucht, oder man benutzt dazu die
Sternreifen (Küpenſenker).


Der Küpenſenker dient dazu, Gewebe in breitem aufgenadeltem Zuſtand
in Indigoküpe zu färben und beſteht im weſentlichen aus 2 Sternreifen mit
6 ſtrahlenförmig vom Mittelpunkt ausgehenden Armen, welche in Abſtän-
den von circa 20 mm dicht mit Nadeln beſetzt ſind. Dieſe beiden Reifen
führen ſich an einem eiſernen Mittelſtab und ſind durch Schraubenſpindeln
für verſchiedene Entfernungen ſtellbar.


Die Gewebe werden von innen nach außen aufgenadelt entweder in
einfach breitem oder doubliertem Zuſtand. Der ganze Apparat wird ſodann
an Ketten oder Seilen aufgehangen und in den Küpenbehälter eingeſenkt,
worin er je nach Erfordernis der Färbung verbleibt.


Gegenwärtig werden die Küpen für Blaudruck nach Art einer Rollerei
eingerichtet. Dieſe Küpen ſind eine Verbindung von Küpe mit einer Breit-
färbemaſchine und in § 28 als Roulette-Küpe ausführlich beſchrieben.


Das Obermaierſche Syſtem in der Blauerei. Das Syſtem
Obermaier bedarf für Blauereizwecke einer Abänderung der Formen des
Apparats, welche Aufgabe auch in glücklicher Weiſe gelöſt iſt. Es muß
[553] jedoch vorweg erwähnt werden, daß das Küpenfärben nach Obermaier-
ſchem Syſtem ſich nur für loſe Wolle, Kammzug oder Garn und auch nur
für Hypoſulfitküpe
eignet; warme Küpen, ſowie ſolche mit Bodenſatz
ſind nicht verwendbar. Der Obermaierſche Blauereiapparat iſt eine ſinn-
reiche Verbindung des urſprünglichen Obermaierſchen Färbeapparats mit
einer Centrifuge, und wird durch Fig. 186 in ſeinen einzelnen Teilen er-
läutert; er ſetzt ſich zuſammen aus einem zur Aufnahme der Hypoſulfit-
küpe beſtimmten Bottich, dem Färbecylinder und einer Centrifuge. Der
Färbecylinder iſt circa 60 cm hoch, 90 bis 100 cm weit, mit einfacher
durchlöcherter Wandung und hermetiſch ſchließendem Deckel. Der Cylinder
wird gefüllt und nach dem Feſtſchrauben des Deckels in den mit Küpe ge-
füllten Bottich ſo eingeſtellt, daß er von der Küpenflüſſigkeit vollkommen be-
deckt wird; ſodann wird die Flotte mittels Druckpumpe in den Färbecylinder
gepreßt, wodurch eine Zirkulation derſelben ſtattfindet. Nach ½ Stunde
(oder weniger oder mehr) wird der Cylinder mittels Krahn aus der Küpe
gehoben und in die hierfür beſonders eingerichtete Centrifuge gethan. Der
Färbecylinder bildet hier zugleich die Trommel einer Panzercentrifuge. Die
ausgeſchleuderte Küpenlauge wird wieder in den Bottich gethan und das
centrifugierte Wollmaterial zum Vergrünen herausgenommen. Nach Delmart
hat ein auf dieſe Weiſe erzeugtes Blau einen minder lebhaften Farbenton,
als ein auf einer Soda- oder Waidküpe gefärbtes. Derſelbe vermutet, daß
die Küpe durch die gewaltſame Behandlung des Preſſens und Schleuderns
getrübt werde.


Wiedergewinnung des Indigos. Bei der Koſtſpieligkeit des
Indigos iſt man von jeher darauf bedacht geweſen, denſelben aus Abfällen
wieder zu gewinnen. So enthält der Küpenſchlamm, inſonderheit warmer
Küpen, nicht unbeträchtliche Mengen Indigo. Um hieraus den Indigo zu
gewinnen, empfehle ich, den Schlamm möglichſt vom Waſſer zu befreien,
dann auszubreiten und zu trocknen. Der getrocknete Schlamm wird gröblich
zerkleinert und in einen Steintopf oder einen hohen thönernen Cylinder ge-
than, und in dieſem mit Hypoſulfitlöſung begoſſen, dann feſt zugedeckt; nach
einigen Stunden wird die Löſung entweder klar abgegoſſen oder mit Heber
abgezogen; dieſe Löſung enthält den geſamten Indigo gelöſt; der Schlamm
muß noch mit Waſſer nachgeſpült werden; dieſes Waſchwaſſer wird zur erſten
Löſung hinzugefügt; die Löſung enthält allen Indigo in Form von Indig-
weiß gelöſt. Statt des Hypoſulfits kann natürlich auch das Zinnoxydul-
natron mit gleichem Vorteil angewendet werden.


Bei mit Indigo gefärbten Geweben ſitzt ein Teil desſelben bekanntlich
nur loſe oben auf dem Gewebe. Dieſes iſt der leichteſte und feinſte Indigo.
Um dieſen wieder mit Vorteil zu benutzen, zieht man die Ware lauwarm
in dazu beſtimmten Säurebütten ab; wenn ſoviel Ware durchgezogen iſt,
daß die Flotte dick iſt, leert man dieſelbe in ein dazu beſtimmtes Senkfaß,
welches 3 bis 4 mal ſo groß als die Säurebütte iſt; in dieſem Faſſe ſetzt
ſich bei längerem Stehen der Indigo zu Boden; in dem Faſſe ſind an der
Wandung in Zwiſchenräumen übereinander Ablaßhähne angebracht, welche ein
Entfernen der Flüſſigkeit geſtatten, ohne daß der Bodenſatz aufgerührt wird.
Der ſo wiedergewonnene Indigo wird in demſelben Faſſe ausgewaſchen und
kann dann wieder zum Küpenanſatz verwendet werden.


[554]
Figure 197. Fig. 186.

Blauerei nach dem Syſtem Obermaier.


[555]

Um aus Tuchabfällen, Lumpen ꝛc., welche mit Indigo gefärbt ſind, den
Indigo wieder zu gewinnen, behandelt man die Zeuge mit verdünnter kochen-
der Schwefelſäure. Hierbei löſt ſich die Wolle auf, während der Indigo
ungelöſt zurückbleibt. Man kann auf dieſe Weiſe z. B. aus Militärtuchen
2 bis 4 Prozent Indigo wiedergewinnen. — Mit dem gleichen Erfolg extrahiert
man die Lumpen mit einer Hypoſulfitlöſung oder mit einer Löſung von Zinn-
oxydulnatron oder mit einer verdünnten Löſung von Traubenzucker in Aetz-
natronlauge. Die ſo erhaltenen Indigweißlöſungen ſind direkt zum Färben
wieder verwendbar.


§ 51. Die Küpenfärberei.

Wie im vorigen Paragraphen erwähnt, iſt der Indigo der Vertreter einer
Klaſſe von Farbſtoffen, welche ſich vernunftgemäß nur auf dem Wege der Küpen-
bildung als Farbſtoffe verwenden laſſen. Der Indigo iſt der beſtgekannte
und meiſt angewendete Farbſtoff dieſer indifferenten Farben; er iſt jedoch
keineswegs der einzige. — Es iſt wohl kein zufälliges Zuſammentreffen, daß
alle mittels Küpenmanier gefärbte Farbſtoffe rußen, d. h. daß ſie teilweiſe
ſo locker auf der Faſer aufliegen, daß ſie durch einfaches mechaniſches Reiben
ſich teilweiſe auch wieder davon entfernen laſſen. Alle jene Farben, welche
das in auffallender Weiſe thun, zählen mehr oder minder hierher, ſo z. B.
das Anilinſchwarz. Auch das Anilinſchwarz läßt ſich auf Küpen-
manier färben
*). Löſt man nämlich Anilinſchwarz in rauchender Schwefel-
ſäure, ſo entſteht eine erſt dunkelgrüne, ſpäter blauviolette Löſung, welche, in
Waſſer gegoſſen, als grüner Niederſchlag ſich abſetzt. Dieſer Niederſchlag,
welcher in dickeren Maſſen ſchwarz, in dünner Schicht hingegen rein grün
ausſieht, iſt die Anilinſchwarzſchwefelſäure. Löſt man dieſen grünen
Niederſchlag in ſo viel Aetzkalilöſung, als eben nötig iſt, ſo reſultiert eine
violettblaue Löſung: dieſe enthält den Anilinſchwarzkarmin. Setzt man
dieſer violettblauen Löſung noch etwas überſchüſſiges Alkali hinzu und be-
handelt dieſelbe dann mit Traubenzucker oder mit ſchwefliger Säure, ſo
entfärbt ſich die Löſung
: die Flüſſigkeit enthält jetzt das Kaliſalz der
Anilinweißſchwefelſäure
und kann mit Fug und Recht als Anilin-
ſchwarzküpe
bezeichnet werden. Damit getränkte vegetabiliſche oder
animaliſche Faſern färben ſich hernach an der Luft
, je nach der
Konzentration der angewandten Küpe, raſch blauviolett bis ſchwarz.


Dieſe Art und Weiſe der Bildung von Anilinſchwarz auf der Küpe
würde uns über die bis jetzt üblichen Oxydationsmethoden und -Maſchinen
hinweghelfen, und es wäre zu wünſchen, daß man der Praxis dieſer Methoe
eine größere Beachtung als bisher zuwenden wollte.


Wie der Verlauf des gewöhnlichen jetzt üblichen Oxydationsverfahrens
ſowohl, als auch das elektrolytiſche Verfahren zeigt, bildet ſich das Anilin-
ſchwarz nicht ſofort; vielmehr bildet ſich zuerſt ein grüner Farbſtoff, der erſt
bei fortgeſetzter Oxydation in Schwarz übergeht, während das gleichzeitig
ſich neu Bildende wiederum grün iſt. Die Geſamtmenge erſcheint daher
[556] ſchwarzgrün und iſt ein Gemiſch aus reinem Anilinſchwarz und dem grünen
Zwiſchenprodukt, welches man als Emeraldin bezeichnet.


Wie wir bisher geſehen haben, bildet ſich, wenn wir chemiſch reines
Anilinſalz in neutraler oder ſchwach ſaurer Löſung anwenden, nur dieſes im
Produkt. Anders geſtaltet ſich jedoch das Reſultat, wenn ſtatt der ange-
ſäuerten Löſung eine alkaliſch gemachte Löſung eines reinen Anilinſalzes
der Elektrolyſe unterworfen wird. Bei einer mit Ammoniak verſetzten Löſung
erhielt Herr Prof. Dr.Goppelsröder Anilinſchwarz und Grün in nur
geringen Mengen
, dagegen ſehr viel Braun, ziemlich viel Rot und
Blauviolett und Spuren von Gelb. Wurde ſtatt des Ammoniaks (Sal-
miakgeiſt) Chlorammonium (Salmiak) zugeſetzt, ſo erhielt Herr Prof. Goppels-
röder viel Braun
, ziemlich viel Violett, etwas Rot, wenig Gelb und
etwas Anilinſchwarz.


Wiederum andere Reſultate ergaben die elektrolytiſchen Verſuche Goppels-
röders
mit den höheren Homologen des Anilins, dem Toluidin und Xylidin,
ſowie mit den Methyl- und Aethylabkömmlingen des Anilins, Toluidins und
Xylidins, ſowohl für ſich, wie in ihren Gemiſchen. Dieſe Unterſuchungen
ſind deshalb von Wichtigkeit, weil das Anilinſalz des Handels faſt niemals
reines Anilinſalz iſt, vielmehr ſtets — beſonders das ſog. ſchwere Anilinöl —
mit mehr oder minder großen Mengen Toluidin und Xylidin vermiſcht iſt.
Die Reſultate der einzelnen Verſuche hier aufzuführen, würde den Rahmen
eines Referats überſteigen, nur ſo viel möge erwähnt ſein, daß ſich Farb-
ſtoffe der verſchiedenſten Art, vornehmlich braune, violette, rote, goldgelbe,
gelbe, und bei den Methyl- und Aethylderivaten vornehmlich rein blaue,
meiſt in Gemiſchen von wechſelnder Zuſammenſetzung, bildeten. Die Bildung
und Darſtellung von Farbſtoffen aus den entſprechenden Chromogenen auf
dem Wege der Elektrolyſe iſt damit unwiderleglich feſtgeſtellt.


In den vorſtehenden Betrachtungen haben wir es nur mit Erſcheinungen
zu thun gehabt, welche ſich am poſitiven Pol zeigen. Nun möchten wir aber
auch einige Erſcheinungen erwähnen, welche Herr Profeſſor Goppelsröder
an der negativen Elektrode beobachtet hat. Dieſe Erſcheinungen gaben keine
ſo befriedigenden Reſultate, vielleicht deshalb, weil die Grundbedingungen
für das Gelingen noch nicht genügend bekannt ſind, teils auch, weil ſie den
theoretiſchen Erwartungen nicht entſprechen. Es iſt zwar gelungen, Anthra-
chinon, einen Abkömmling des Anthracens, in Oxyanthrachinon, dieſes in
Alizarin und letzteres wieder in Purpurin umzuwandeln, aber die Mengen
waren ſo gering, daß eine Methode für die Praxis hieraus zunächſt ſich nicht
ableiten läßt. Mit weit beſſerem Erfolge hat Herr Profeſſor Dr.Goppels-
röder
die Umwandlung von Indigo in Indigweiß verſucht.


Ich darf wohl vorausſetzen, daß die Grundbedingungen für eine gute
Indigoküpe bekannt ſind; für diejenigen aber, welche von dieſem wichtigen
Requiſit eines Färbers nur verſchwommene Anſichten haben und ſich über
das Was, Warum und Wie nicht recht klar ſind, möge kurz erwähnt ſein,
daß dazu unerläßlich notwendig iſt:


  • 1. Indigo in feiner gemahlener Form;
  • 2. Waſſer, kalt oder warm, je nach Art der Küpe;
  • 3. ein Alkali oder eine im Waſſer lösliche alkaliſche Erde (in der
    Praxis handelt es ſich hierbei um Kalk, Natronlauge und Ammoniak);
[557]
  • 4. ein Körper, welcher direkt oder indirekt das Waſſer in ſeine Be-
    ſtandteile, Sauerſtoff und Waſſerſtoff, zerlegt; der letztere verbindet ſich dann
    mit dem Indigblau zu Indigweiß, welches ſich mit gelblicher Farbe löſt. Unter
    Körpern dieſer Art iſt eine große Auswahl; am bekannteſten ſind Eiſen-
    vitriol, Zinkſtaub, Zinnſalz, Arſenſulfür, Traubenzucker, unterſchweflige Säure.
    Zu den genannten Körpern kommt dann noch eine Anzahl gärender organi-
    ſcher Stoffe, wie Waid, Krapp, Kleie, Melaſſe, Harn u. ſ. w.

Es iſt nun das entſchiedene Verdienſt Goppelsröders, nachgewieſen
zu haben, daß auch durch die bloße Zerſetzung des Waſſers auf dem Wege der
Elektrolyſe die Reduktion des Indigos zu Indigweiß ſich vollzieht. Ich
kann hier nicht auf die experimentellen Verſuche Goppelsröders näher
eingehen, ſondern nur die Reſultate mitteilen; es geht daraus hervor, daß
die Reduktion des Indigblaus zu Indigweiß, mit andern Worten alſo,
daß die Küpenbildung auf elektrochemiſchem Wege am ſchnellſten
und vollkommenſten in der Siedehitze vor ſich geht
.


Von mindeſtens dem gleichen Intereſſe ſind die Erſcheinungen, welche
bei fortgeſetzter Wirkung des elektriſchen Stromes auftreten; ſie ſind ganz
beſonders dazu geeignet, uns einen Einblick in die eigentümlichen Erſcheinungen
thun zu laſſen, welche wir als die „Krankheiten“ der Küpe zu bezeichnen
pflegen.


Wenn die Erſcheinungen, welche wir bisher zu betrachten Gelegenheit
hatten, ſich auch lediglich in Flüſſigkeiten vollzogen, ſo führt doch eine ein-
fache Betrachtung zu dem Schluß, daß der elektrochemiſche Vorgang in einer
ſolchen Flüſſigkeit ganz derſelbe ſein muß auch dann, wenn dieſelbe ſich in
Geſpinnſtfaſern oder Geweben eingelagert findet. Die Richtigkeit dieſes
Satzes iſt von Herrn Profeſſor Dr.Goppelsröder experimentell nachge-
wieſen worden. Werden Baumwollen-, Leinen-, Wollen- oder Seidenfaſern
oder -Gewebe mit den früher gedachten Löſungen getränkt und dann der
Wirkung des elektriſchen Stromes ausgeſetzt, ſo vollziehen ſich jene früher
beſchriebenen elektrolytiſchen Zerſetzungen direkt auf der Faſer ſelbſt. Es
werden alſo beim Tränken der Faſern mit Anilinſalzlöſungen ſich Farbſtoffe
bilden, welche ſofort ſich auf den Faſern niederſchlagen werden; iſt die Flüſſig-
keit derart, daß bei ihrer elektrolytiſchen Behandlung bleichende Produkte
auftreten, ſo werden dieſe ſofort ihren bleichenden Einfluß auf die Faſern
ausüben. Werden gefärbte Zeuge mit Löſungen getränkt, bei deren Elektro-
lyſe Produkte auftreten, welche den Farbſtoff zerſtören, ſo tritt Aetzung ein;
wird aber eine derartig ätzende Löſung zugleich mit Anilinſalz verſetzt, ſo
tritt auf der geätzten Stelle gleichzeitig die Bildung von Anilinſchwarz auf.
Ja, es iſt ſogar gelungen, die Indigoküpe erſt auf der Faſer ſelbſt zu
erzeugen, d. h. alſo den Indigo- auf der Faſer in Indigweiß zu verwandeln.
Herr Profeſſor Dr.Goppelsröder verwendete zu dieſem Zwecke eine
Miſchung von fein geriebenem Indigo mit einer wäſſerigen Löſung eines
Aetzalkalis, mit welcher das zu färbende Zeug getränkt wurde. Das ſo ge-
tränkte Zeug wurde zwiſchen zwei als Elektroden wirkende Metallplatten ge-
legt und nun der galvaniſche Strom durchgeleitet; dabei löſt ſich der Indigo
zu Indigweiß und dringt in Löſung in die Faſer, während ſich auf der
Faſeroberfläche der eigentümliche Kupferglanz der Küpe zeigte unter gleich-
zeitiger Entwickelung des charakteriſtiſchen Küpengeruchs. Wird derart be-
handeltes Zeug der Luft ausgeſetzt, ſo wird das Indigweiß wieder in Blau
[558] verwandelt, welches ebenſo ſolid auf der Faſer fixiert iſt, wie das auf der
Küpe angeblaute.


Aehnlich wie der Indigo verhalten ſich aber auch Indophenol,
Coeruleïn, Alizarinblau
und Alizarinſchwarz. Bei den letzteren 3
kommt uns das nicht ſo zu Bewußtſein, weil uns die Farbenfabriken die-
ſelben bereits in Küpenform liefern, denn die Farbſtoffe Coeruleïn S, Alizarin-
blau S, Alizarinſchwarz S ſind nichts anders, als die Hypoſulfitverbindungen
der betreffenden unlöslichen indifferenten Stoffe, und deren einfache wäſſerige
Löſungen ſind thatſächlich nichts anderes, als konzentrierte Coeruleïn- ꝛc.
Küpen. Weiteres über das Küpenverhältnis dieſer Farbſtoffe vergl. Erſter
Teil § 73, b, 8; § 75, a, 1 und Zweiter Teil § 49.


Bezüglich des Indophenols, welches die auf dasſelbe geſetzten Hoffnungen
nur unvollkommen erfüllt hat, haben Ende Februar 1889*) die Herren
Durand, Huguenin \& Comp. in Baſel die intereſſante Beobachtung gemacht,
daß eine gemiſchte Indigo-Indophenolküpe ausgezeichnete Reſultate liefert.
Dieſelben empfehlen folgende
Konzentrierte Miſchküpe.
66 l mit Waſſer angeriebener Indigo, entſprechend 20 kg feſtem Indigo,
6,6 kg Indophenol,
96 kg Natriumbiſulfit von 39 bis 40° Bé.,
13,2 kg Zinnſalz,
16,1 kg Zinkſtaub,
660 l Waſſer

werden gemiſcht, während einer Stunde tüchtig durchgerührt und nachher
mit 52 l Aetznatronlöſung von 38° Bé. verſetzt. Man rührt nochmals tüchtig
durch und läßt alsdann bis zum nächſten Morgen ſtehen. Die ſo erhaltene
„konzentrierte Küpe“ wird alsdann in die Färbeküpe gegoſſen, welche 5500 l
Waſſer und 340 l Hypoſulfitlöſung enthält. Die Küpe wird tüchtig durch-
gerührt und die Ware nachher wie gewöhnlich ausgefärbt.


Die Färbeküpe muß während des Färbens immer auf konſtanter Stärke
erhalten werden. Man erreicht dieſes leicht, indem man durch ein Trichter-
rohr konzentrierte Küpenlöſung, welche man ſeparat dargeſtellt hat, einfließen
läßt. Am Abend gibt man etwas Hypoſulfitlöſung in die Küpe, um die
Oxydation während der Nacht zu verhindern. Die Hypoſulfitlöſung wird
dargeſtellt durch langſames Eintragen von 160 g Zinkſtaub, 200 g Zinn-
ſalz in 1 l Biſulfit von 39 bis 40° Bé. und 4 l Waſſer. Man rührt gut
um, verdünnt mit Waſſer und fügt endlich noch 640 ccm Aetznatronlauge
von 38° Bé. hinzu.


Die mit Indigo-Indophenol angeſetzten Küpen arbeiten alſo kontinuier-
lich und können ſehr lange dienen, da ſich in ihnen faſt kein Bodenſatz bildet.
Nach dem Färben iſt es gut, zur vollſtändigen Oxydation des Indophenols,
die Ware durch ein kaltes Chrombad zu ziehen, welches 2½ bis 3 Prozent
Bichromat enthält.


[559]

Baumwolle im Strang wird in der „gemiſchten Küpe“ wie in der
Indigoküpe ausgefärbt. Wolle färbt man warm, wie in der gewöhnlichen
Indigo-Hypoſulfitküpe. Die Erſparnis an Indigo bei obigem Färbeprozeſſe
iſt eine nicht unbedeutende. Im großen ausgeführte Verſuche haben gezeigt,
daß 100 kg Indigo durch circa 55 kg Indigo und 18 bis 19 kg Indo-
phenol erſetzt werden können. Da das Indophenol billiger als Indigo iſt,
ſo hat man im Minimum eine Erſparnis von 25 Prozent.


Die erhaltenen Nüancen ſind lebhafter als die mit Indigo allein ge-
färbten, und die gemiſchte Küpe hat den Vorteil, auch die ſog. toten Faſern
(Coton mort) anzufärben, was der Indigo allein nicht thut.


Alle indifferenten Farbſtoffe zeichnen ſich aber auch durch große Echt-
heit aus und zählen darum mit Recht zu jenen Farbſtoffen, welche — mit
Ausnahme von Anilinſchwarz — zur Wollenechtfärberei ſich vorzüglich
eignen.


§ 52. Die Modefarben.

Unter Modefarben verſteht man eine ganze Anzahl von Farbtönen,
welche ſich in die allgemein bekannten Hauptfarben nicht einreihen laſſen,
auch nicht wohl als Miſch- oder Zwiſchenfarben aufgefaßt werden können;
es ſind faſt durchweg unbeſtimmte Töne, von denen es ſchwer hält, einen
Grundton anzugeben. Eine Anzahl zeichnen ſich durch einen mattgelben
Schein aus; ſie heißen Drapfarben. Das große Gebiet von Nüancen, welche
zwiſchen dieſen und dem Schwarz, dem Braun, dem Oliv, dem Grau und
Weiß liegen und bald rötlichen (Taubenhalsfarbe), bald grünlichen (Schlamm-
grün), bald bläulichen (Schieferblau) Schein haben, gehört den Modefarben.
Da wir keinen Farbſtoff beſitzen, welcher ohne weiteres eine Modefarbe er-
zeugt, ſo ſind alle Modefarben durch Miſchung darzuſtellen. Für das Färben
von Modefarben laſſen ſich keinerlei allgemeine Regeln aufſtellen; auch die von
einigen Autoren beliebte Deutung, daß Modefarben nur ganz geringe Farb-
ſtoffmengen zu ihrer Herſtellung brauchen, trifft nicht zu.


Bis in die neuere Zeit wurden die Modefarben vorwiegend aus Holz-
farben dargeſtellt; erſt die neueſte Zeit kann darin einen Uebergang zu den
künſtlichen organiſchen Farbſtoffen verzeichnen. Inſonderheit ſeit es mit
Hilfe ganz geringer Mengen Alizarinſchwarz möglich iſt, einen grauen Fond
in jeder gewünſchten Nüance zu erzeugen, erſchließt ſich den Modefarben
eine ganz neue Aera, welche die Herſtellung zarter, waſch und lichtechter
Töne in einfachſter Weiſe ermöglicht. Beiſpiele hier zu geben, unterfange ich
mich nicht; dieſelben würden ohne Muſterbeleg nur geringen Wert haben; zudem
iſt dieſes Werk ein Hand- und Lehrbuch, aber kein Rezept- und Muſterbuch.
Auf Wolle werden die grünlichen und bläulichen Modefarben durch Anblauen
auf der Küpe und eine entſprechende Aufſatzfarbe erzeugt, ohne daß das
jedoch Bedingung wäre. Spezielle Vorſchriften zur Erzeugung von Mode-
farben finden ſich mit Muſtern in allen Fachzeitungen und können daher hier
um ſo eher entbehrt werden.


[560]

2. Seidenfärberei.


§. 53. Die Färbemethoden.

Ueber die Seide, ihre Eigenſchaften, und ihr chemiſches Verhalten ſ.
Teil I, § 6.


Subſtantives Seidenfärben. Die Seide beſitzt in noch höherem
Maße, als die Wolle, große Verwandtſchaft zu einer Anzahl direkt färbender
Stoffe, welcher Umſtand noch dadurch erhöht wird, daß der hohe Wert der
Seide auch die Verwendung ſolcher Farbſtoffe geſtattet, welche zur Ver-
wendung in der Wollenfärberei zu teuer ſein würden. Durchſchnittlich ſind
alle neutralfärbenden Wollfarbſtoffe (§ 41) auch zum Färben von Seide ver-
wendbar, nur wird deren Zahl hier eine weit höhere. Das Färben der
Seide mit ſubſtantiven Farben iſt womöglich (infolge der größeren Anziehungs-
kraft der Seide) noch einfacher, als bei der Wolle: Löſen des Farb-
ſtoffes im Färbebade, Eingehen mit der Seide in das kalte
,
d. h. nicht angewärmte Färbebad, und langſames Anwärmen des
Bades unter vorſichtigem Zugeben kleinerer Mengen weiteren
Farbſtoffes unter beſtändigem Umziehen der Ware
. In vielen
Fällen genügt ſchon ein Anwärmen des Bades auf 40 bis 50° R., nur
ſelten ſteigert man die Temperatur auf 60 bis 70°; ein Treiben bis zum
Kochen kommt nur in ganz vereinzelten Fällen vor. Ein durchſchnittlicher
Normalprozentſatz des zum Färben nötigen Farbſtoffes läßt ſich nicht an-
geben, da die Seide oft mit nur verſchwindend kleinen Mengen Farbſtoff ge-
färbt wird, um ihr ein leuchtendes Weiß mit roſafarbenem oder bläulichem
Schimmer zu geben.


Ehe die Seide in Arbeit genommen wird, muß ſie unterbunden werden.
Zu dieſem Zweck wird jeder Strähn oder Strang mit einem Baumwoll-
faden kreuzweis unterbunden, und ein beſtimmtes Quantum (⅛ bis ½ kg)
zu einem Ganzen (Handvoll, Docke) vereinigt. Zweck des Unterbindens iſt,
die Seide nach jedem Bade breit legen zu können, ſo daß dieſelbe ſtets
gleichmäßig und glatt bleibt und ein Zerreißen nicht ſo leicht ſtattfinden kann.


Bedingung beim Färben der Seide iſt ein kalkfreies Waſſer und eine
durch fleißiges Spülen von Säure- oder Seifengehalt befreite Ware, ſodann
aber eine beſonders noble und zarte Behandlung beim Färben. Zu dem
Zweck bringt man die Seide ſchlicht und breit auf Stöcke von glattem hartem
Holz; man vereinigt auf einem ſolchen Stock je nach der Form der zum
Färben benutzten Gefäße 2 oder 4 Hände voll Seide. Man taucht vor-
ſichtig in die Farbbäder ein und zieht dann raſch um, wozu man ſich eines
zweiten ähnlichen Stockes bedient, welcher vorn mit einem Knopf verſehen
iſt. Zum Umziehen ſteckt man den zweiten Stock etwas ſchräg, direkt den
Lauf des Farbſtockes verfolgend, unter die Seide, bis der Knopf an der
andern Seite ſichtbar wird, zieht die Seide ihrer ganzen Länge nach um und
läßt ſie leiſe wieder in die Flotte zurückfallen; iſt die Seide ſo umgezogen,
ſo hebt man Stock für Stock auf und läßt ſie an einer anderen Stelle des
Behälters leiſe einfallen. Beim Umziehen oder Umſetzen iſt darauf zu achten,
daß ein Wollig- oder Rauhwerden nicht eintrete; tritt dieſer Fall einmal
[561] ein, ſo muß ein ſolcher Strähn auf die Docke genommen und durch vorſich-
tiges Strecken wieder ſchlicht gemacht werden.


Das Färben der Seide geſchieht in der modernen Färberei faſt durch-
wegs mit künſtlichen organiſchen Farbſtoffen, entweder ohne jedweden Zuſatz
oder unter Zuſatz geringer Mengen Baſtſeife oder von Säuren, vornehmlich
Eſſigſäure. Ein Vorbeizen der Seide findet in ſolchen Fällen nicht ſtatt,
ſondern es wird durchgehends nach der Einbadmethode gefärbt.


Seidenfärben mit Beizung. Dieſe Methode findet überall da
ſtatt, wo es ſich um die Fixierung von Farbſtoffen handelt, welche zur Seiden-
faſer nur geringe Affinität haben, z. B. aller natürlichen Farbſtoffe. Dieſe.
Methode wird im allgemeinen nur noch ſelten angewendet, in ausgedehntem
Maßſtabe aber bedient man ſich ihrer beim Schwarzfärben der Seide, wo neben
dem Beizen noch das ſog. Beſchweren der Seide einhergeht. Ueber dieſes
Schwarzfärben werde ich in einem eigenen Paragraphen ausführlicher be-
richten.


Das Avivieren oder Schönen der Seide ſchließt vielfach den Färbe-
prozeß ab; es dient zum Lebhaftermachen einer Farbe und wird vielfach durch
eine Paſſage durch ein ſchwach eſſigſaures Bad bewerkſtelligt. — Bei Garnen
folgt dann häufig noch das Schwillieren, welches als rein mechaniſche
Operation in § 33 bereits erläutert worden iſt.


§ 54. Die Seidenbeizen.

Wie aus dem vorigen Paragraphen erſichtlich, findet ein eigentliches Vor-
beizen der Seide ſelten ſtatt; daher iſt die Zahl der Seidenbeizen eine nur geringe;
ſie beſchränkt ſich in der Hauptſache auf Eiſenbeizen zum Schwarzfärben und
auf Thonerde- und Zinnbeizen zum Färben mit Holzfarben. Von Thonerde-
beizen kommt dabei lediglich der Alaun in Betracht (mindeſtens iſt mir kein
Fall von Verwendung ſchwefelſaurer oder eſſigſaurer Thonerde bekannt ge-
worden), von Eiſenbeizen das holzeſſigſaure Eiſenoxydul und das baſiſch
ſchwefelſaure Eiſenoxyd; von Zinnbeizen Zinnchlorür als eigentliche Beize,
das Zinnchlorid dagegen nur als Beſchwerungsmittel für weiße oder hell
gefärbte Seide. Kaliumdichromat wird nur höchſt ſelten benutzt; Kupfer-
vitriol dient gelegentlich zum Dunkeln. Weit wichtiger iſt dagegen die An-
wendung des Tannins und der Gerbſtoffe überhaupt.


Beizen mit Alaun. Um die Seide mit Alaun zu beizen, muß der
Alaun — dieſer muß unbedingt eiſenfrei ſein — in Waſſer gelöſt werden.
Gleichzeitig wird die Seide mit Waſſer genetzt, in der kalten Alaun-
löſung gut umgezogen und dann behutſam unter Flotte geſteckt und darin
über Nacht belaſſen; am nächſten Morgen wird mit kaltem Waſſer tüchtig
geſpült. Das Alaunbeizbad wird in ſehr verſchiedener Stärke angewendet;
man bringt 1 bis 15 Prozent vom Gewicht der Seide an Alaun in An-
wendung; die Dauer des Beizens währt von 6 bis zu 24 Stunden; je
voller und intenſiver eine Farbe ausfallen ſoll, deſto ſtärker muß die Beize
ſein; beſonders Grün muß ſtark und lange gebeizt werden. — Zum Beizen
verwendet man am beſten Holzgefäße, und bringt ſtets genügend, aber auch
nicht zu viel Flotte in Anwendung. Ein Weinſteinzuſatz wird beim Beizen
der Seide nicht beliebt. Daß bei dieſer Beizmethode eine Zerſetzung des
Ganswindt, Färberei. 36
[562] Alauns auf der Seide, und etwa die Abſcheidung eines baſiſchen Sulfats
oder gar von Thonerdehydrat erfolgen ſoll, iſt ſehr wenig wahrſcheinlich; weit
eher glaube ich, daß hier lediglich ein mechaniſches Aufſangen und ein
mechaniſches Feſthalten des Alauns ſtattfindet. Daß durch das ſpätere Spülen
der Alaun — wie Hummel meint — mehr oder minder zerſetzt wird, will
mir jedoch nicht einleuchten.


Alaungebeizte Seide gibt mit Blauholz violettrote, mit Gelbholz citronen-
gelbe, mit Quercitronrinde ſchwefelgelbe und mit Rotholz karmoiſinrote
Farbtöne.


Beizen mit holzſaurem Eiſen. Dasſelbe dient nur zu Schwarz
und kann kaum als Beize betrachtet werden, denn dem Behandeln auf
der Schwarzbeize geht eine ſolche auf einem gerbſtoffhaltigen Bade (Tannin-
löſung, Schmackabkochung, Kaſtanienextrakt ꝛc.) voraus. Das holzeſſigſaure
Eiſen wird in einer Stärke von 5 bis 9° Bé. angewendet; nach dem Im-
prägnieren damit wird die Seide 10 bis 15 Minuten zum Behufe der Oxy-
dation (dem „Vergrünen“) der Luft ausgeſetzt. Weiteres hierüber ſ. § 65,
das Schwarzfärben der Seide.


Beizen mit baſiſchem Ferriſulfat. Dieſe im erſten Teil § 96
erwähnte, gemeinhin fälſchlich „ſalpeterſaures Eiſen“ genannte Beize dient
gleichfalls zum Schwarzfärben und Beſchweren der Seide, daneben aber auch
noch zur Herſtellung von Modefarben auf Seide. Dem verſchiedenen Zweck
ihrer Anwendung entſpricht denn auch ihre verſchiedene Stärke. Zu Mode-
farben wird ſie 2 bis 3° Bé. ſtark angewendet, zum Schwarzfärben kommt in
der Regel eine Beize von 10° Bé., ſeltener bis zu 15° Bé., kalt in An-
wendung. In dieſer Flotte zieht man gut um, bis alles gehörig durchnetzt
iſt, und ſteckt dann mit den Stöcken unter die Flotte. Die Flotte muß un-
bedingt klar angewendet werden. Die Dauer des Beizens hängt von der
Tiefe der zu erzeugenden Farbe ab und währt von 10 Minuten bis zu
12 Stunden. Nach dem Beizen muß die Seide der Luft ausgeſetzt werden,
15 bis 20 Minuten; darauf wird tüchtig gewaſchen, aus ſtarken Beizen
2 bis 3 mal, worunter einmal warm. Keinenfalls darf die gebeizte Seide
ohne vorheriges Spülen getrocknet werden. Dieſes Beizen und Spülen wird
7 bis 8 mal hintereinander wiederholt.


Nach dem Behandeln auf dem Eiſenbade wird die Seide auf einem
Seifenbade oder auf einer alten Seidenabkochung, welcher noch etwas Mar-
ſeiller Seife und 2 Prozent kryſtalliſierte Soda zugeſetzt ſind, bei Kochhitze
behandelt. Nun folgt nochmals Waſchen mit Waſſer, womit der Beizprozeß
beendet iſt. Ein Vorbeizen mit Gerbſäure wird in dieſem Falle nicht an-
gewendet. Bei dieſer Methode nimmt die Seide jedesmal circa 4 Prozent
an Gewicht zu, ſo daß ein 7 bis 8 mal wiederholtes Eingehen in das Eiſen-
bad eine Zunahme von 28 bis 32 Prozent, oder, da durch das Abkochen
25 Prozent der Seide verloren gehen, eine Zunahme von 3 bis 7 Prozent
der Rohſeide bedeuten; eine 6 mal gebeizte Seide würde alſo annähernd
genau ſoviel wiegen, wie die urſprünglich angewandte Rohſeide.


Beizen mit Zinnchlorür. Zum Beizen der Seide mit Zinnſalz
bereitet man ſich ein Bad aus kaltem Waſſer und Zinnſalz, 6° Bé. ſtark,
verſetzt dasſelbe mit ganz wenig Salzſäure, zieht hierin die Seide behutſam
um und ſteckt alles unter Flotte, läßt eine Zeit hindurch darin ſtecken, hebt
auf, wäſcht und entwäſſert. — Mit Zinnſalz gebeizte Seide gibt mit allen
[563] Farbhölzern lebhafte Töne, mit Blauholz violett, mit Rotholz blaurot, mit
Gelbholz gelb. Zinnchlorür in Verbindung mit baſiſchem Ferriſulfat dient
zur Herſtellung des Berlinerblau auf Seide mittels Blutlaugenſalz. — In
Verbindung mit Catechu dient das Zinnchlorür zur Erzielung eines ſchweren
Schwarz. In Verbindung mit Ferriſulfat dient es ſchließlich zur Erzielung
einer Anzahl von Modefarben mit Hölzern. — Die Anwendung von Zinn-
chlorid als Seidenbeize für Scharlach und Purpur iſt durch die künſtlichen
Farbſtoffe völlig verdrängt worden.


Anwendung von Kaliumdichromat. Dieſes dient nicht als
Beize, ſondern nur als Oxydationsmittel auf vorheriges Imprägnieren mit
Catechu, zur Erzeugung von Catechubraun; ſiehe braune Färbungen der
Seide.


Kupfervitriol dient bisweilen zum Nachdunkeln, um gewiſſe Schwarz-
farben zu nüancieren.


Beizen mit Gerbſäuren. Seide beſitzt für Gerbſtoffe (Tannin,
Sumach, Gallus, Catechu u. dergl.) eine ziemlich bedeutende direkte Ver-
wandtſchaft; ſie nimmt aus den Löſungen, je nachdem dieſelben kalt oder
warm ſind, 15 bis 25 Prozent ihres eigenen Gewichtes auf, ohne dadurch
in ihren Eigenſchaften eine Veränderung zu erleiden. Dieſe wertvolle
Eigenſchaft der Gerbſäure läßt ſie für das Schwarzfärben und Beſchweren
der Seide beſonders wertvoll erſcheinen. Um die Seide mit Gerbſtoff zu
beizen, löſt man entweder Tannin in lauwarmem Waſſer, oder man wendet
eine Abkochung von Sumach oder von Galläpfeln, oder Sumach- oder
Kaſtanienextrakt an; beſonders das letztgenannte iſt ſehr beliebt. Das Beizen
geſchieht durch Eingehen mit der Seide in die lauwarme Löſung und Steigen
der Temperatur bis nicht ganz zum Kochen. Im Beizbade abkühlen laſſen
und ſpülen.


Anwendung des Baſtſeifenbades. Als Baſtſeifenbad wird be-
kanntlich die beim Abkochen und Entſchälen der Seide gewonnene Löſung des
Seidenleims gewonnen; dieſelbe dient erfahrungsgemäß als der beſte Zuſatz
zum Färbebade in der Seidenfärberei und wirkt bei der Seide ähnlich, wie
das Natriumdiſulfat (Weinſteinerſatz) bei der Wolle. Dieſe eigenartige
Wirkung ſucht Kertész zu erklären, indem er meint, daß „der Leimgehalt
der Baſtſeife die Unreinigkeiten des Farbſtoffes mechaniſch zurückhält, während
andererſeits die Seife avivierend auf die Faſer wirkt“. — Wo keine Baſt-
ſeife vorhanden iſt, thut eine Abkochung von
1 kg Marſeiller Seife,
150 g Gelatine,
40 l Waſſer (Kertész),

dieſelben Dienſte. Unter „gebrochenem“ Baſtſeifenbade verſteht man ein
mit ſoviel Eſſigſäure angeſäuertes Baſtſeifenbad, daß das Bad kaum merklich
ſauer iſt; in einzelnen Fällen, aber nicht überall, kann die Eſſigſäure auch
durch eine kleine Menge Schwefelſäure erſetzt werden.


§ 55. Die Seidenfarbſtoffe.

Für die Seidenfärberei ſind die künſtlichen organiſchen Farbſtoffe von
ſo hoher Bedeutung geworden, daß ſie die natürlichen faſt ganz verdrängt
36*
[564] haben. Nur ausnahmsweiſe werden noch die Holzfarben und die andern
untenſtehend genannten Farbmaterialien verwendet. Die Zahl der Seiden-
farbſtoffe iſt größer als die der Wollfarbſtoffe, da hier auch mancher ſchöne
Farbſtoff, welcher für Wolle viel zu teuer ſein würde, bei dem hohen Preis
der Seide Verwendung finden kann.


a)Direkt färbende.


  • Safflor.
  • Orſeille.
  • Curcuma.
  • Orlean.
  • Gelbſchoten.
  • Lokao.
  • Catechu.
  • ——
  • Fuchſin.
  • Ceriſe.
  • Grenadin.
  • Marron.
  • Safranin.
  • Magdalarot.
  • Rhodamin.
  • Chinolinrot.
  • Viktoriagelb.
  • Chryſoïdin.
  • Phosphin.
  • Auramin.
  • Malachitgrün.
  • Aethylgrün.
  • Brillantgrün.
  • Viktoriagrün 3 B.
  • Methylgrün.
  • Jodgrün.
  • Aldehydgrün.
  • Nilblau.
  • Reſorcinblau.
  • Methylviolett B.
  • Kryſtallviolett.
  • Benzylviolett.
  • Hofmanns Violett.
  • Aethylviolett.
  • Mauveïn.
  • Gallocyanin.
  • Prune.
  • Bismarckbraun.

Die vorbenannten Farbſtoffe färben in neutralem Färbebade direkt und
ohne allen Zuſatz; in den meiſten Fällen iſt ein ganz geringer Zuſatz von
Baſtſeife nicht ſchädlich, bei Orſeille, Orlean, Phosphin, Bismarckbraun,
Malachitgrün, Gallocyanin und Prune iſt ein derartiger Zuſatz ſogar er-
wünſcht.


b)Aus gebrochenem Baſtſeifenbade färbende.


Eine Anzahl Farbſtoffe, welche zwar auch direkte Färbungen geben,
liefern dieſelben ſchöner und echter in einem ſchwach gebrochenen Baſtſeifen-
bade (vergl. den vorigen Paragraph). Vielfach genügt ein ſchwaches Anſäuern
mit Eſſigſäure; bei einigen ſtark ſauren Farbſtoffen muß das Seifenbad aber
mit Schwefelſäure gebrochen werden, ſo daß dieſe ſtark vorwaltet.


aa)Aus eſſigſaurem Baſtſeifenbade.


  • Eoſin.
  • B N.
  • Methyleoſin.
  • Aethyleoſin.
  • Erythroſin.
  • Phloxin.
  • Bengalroſa.
  • Cyanoſin.
  • Rhodamin.
  • Uranin.
  • Chryſolin.
  • Metanilgelb.
  • Orange IV.
  • II.
  • Viktoriablau 3 B.
  • Viktoriablau 4 R.
  • Nachtblau.
[565]

bb)Aus ſchwefelſaurem Baſtſeifenbade.


Sämtliche Azofarbſtoffe aus § 68, c, I und II.


  • Fuchſin S.
  • Pikrinſäure.
  • Echtgelb.
  • Naphtolgelb.
  • Metanilgelb S.
  • Viktoriagelb.
  • Citronin.
  • Neugelb.
  • Curcumin S.
  • Aurantia.
  • Tartrazin.
  • Naphtolgelb S.
  • Orange II.
  • Iſatingelb.
  • Brillantgelb.
  • Azoflavin.
  • Säuregrün.
  • Guineagrün B.
  • Echtgrün.
  • Anilinblau, ſpritlöslich.
  • Bayriſchblau D S F.
  • D B F.
  • Waſſerblau.
  • Indulin.
  • Indigkarmin.
  • Säureviolett.
  • Reſorcinbraun.
  • Säurebraun.
  • Echtbraun.

c)Auf gebeizte Seide färbende.


  • Cochenille.
  • Rotholz (veraltet).
  • Krapp (veraltet).
  • Blauholz.
  • Lackmus (veraltet).
  • Gelbholz.
  • Quercitron (ſelten).
  • Wau.
  • Rhodamin.
  • Chryſoïdin.
  • Alkaliblau.
  • Alkaliblau D.
  • Alizarinblau.
  • Galleïn.
  • Gallocyanin.

Ueber die neueſten in den Handel gelangten Seidenfarbſtoffe vergleiche
man den Nachtrag.


§ 56. Rote Färbungen auf Seide.

1. Direkte rote Färbungen.

Um ein neutrales Rot direkt zu erzielen, iſt nur die Orſeille zu
verwenden und zwar durch Behandeln in neutralem (nicht ammoniakali-
ſchen oder mit Baſtſeife verſetztem, auch nicht in angeſäuertem) Bade. Doch
wird Orſeille für ſich allein wenig angewendet und man färbt daher Neu-
tralrot beſſer aus gebrochenem Seifenbade.


Hochrote Farben erhält man mit Orlean; das Orleanrot iſt bei
größerer Verdünnung gelbrot. Der Hauptſtock der direkten roten Seidenfarb-
ſtoffe gibt aber blaurote, roſa und braunrote Färbungen.


Ein blauſtichiges Rot wird durch Fuchſin erzeugt.


Roſa wird durch Safflor, Safranin und durch Magdalarot erzeugt.
Das Safflorroſa iſt außerordentlich lebhaft, aber etwas gelbſtichig; es wird in
kaltem Bade gefärbt; das Safraninroſa iſt ſehr wenig lichtecht; das mit
Magdalarot erzeugte Naphtalinroſa färbt am beſten im ſchwach gebroche-
nen Baſtſeifenbade und gibt dann zarte Roſatöne; da es ſehr teuer iſt,
kann es nur für ganz zarte Roſas, Lachsfarbe ꝛc. in Betracht kommen.


Das prachtvollſte bläuliche Roſa erhält man mit Rhodamin. — Die
geringeren Fuchſinſorten geben mehr kirſchrote bis bräunlichrote Färbungen.


[566]
2. Färbungen in gebrochenem Seifenbade.

Die in § 67 a genannten Phtaleïne geben in ſchwach eſſigſaurem
Baſtſeifenbade
eine Anzahl gelbſtichiger bis blauſtichiger Nüancen. Das
Eoſin gibt ein Orangerot, das Methyleoſin (Eoſin B N) ein geſättigtes Pon-
ceau; das ſpritlösliche Methyleoſin (Erythrin) gibt eine gelbliche Nüance. Das
Erythroſin (Eoſin J) und das Phloxin geben mehr bläulichrote Nüancen;
das Aethyleoſin (Eoſin S) kommt dem neutralen Rot nahe. Das Cyanoſin
hat etwa die Nüance des Erythroſins, iſt aber bedeutend lebhafter. Die
blaueſte Nüance, faſt Karmoiſin, gibt Bengalroſa. Schöne Blauroſa-Töne
gibt auch das Rhodamin. Bedingung beim Färben mit Eoſin iſt kalkfreies
Waſſer. Die Lichtechtheit der Eoſine iſt jedoch eine ſehr geringe, ſo daß
man wohl nur für einzelne ganz eigene Nüancen, wie ſie die Eoſine aller-
dings bieten, darauf zurückgreifen wird. Das Rhodamin dagegen ſcheint
weſentlich lichtechter zu ſein.


Eine weit größere Mannigfaltigkeit in der Auswahl der Nüancen hat
man, wenn man im ſchwefelſauren Baſtſeifenbade färben kann. Hier
ſteht uns die große Anzahl von Azofarbſtoffen zu Gebote, welche jede
Nüance vom Orangerot bis zum Violettrot zu färben geſtatten, und durch
Kombinieren untereinander ein beliebiges Abtönen ermöglichen. Für ſich allein
angewendet, geben


a) Rein rote Färbungen.


  • Echtrot (Roccelline).
  • B
  • E
  • Orſeillerot A
  • Orſeilline B B
  • Orſeille-Erſatz.
  • Azococcin 2 R.
  • Kreſolrot.
  • Cochenilleſcharlach G.
  • Phenantrenrot.

b) Blauſtichige rote Färbungen.


  • Fuchſin S.
  • Ponceau 3 R.
  • Coccinin B.
  • Croceïn B.
  • — 3 B.
  • Azococcin 7 B.
  • Azorubin S.
  • — 2 S.
  • Ponceau 5 R.
  • Ponceau 6 R.
  • S extra.
  • SS
  • Brillant-Croceïn.
  • Thiorubin.
  • Naphtorubin.
  • Buffalorubin.
  • Echtrot D.

c) Gelbſtichige rote Färbungen.


  • Cochenilleſcharlach 2 R
  • — 4 R
  • Croceïnſcharlach 3 B.
  • — 7 B.
  • Ponceau R T.
  • G.
  • — 2 R.
  • — 3 G.
  • acide.
  • Doppelſcharlach extra S.
  • Doppelbrillantſcharlach G.
  • Biebricher Scharlach.
  • Scharlach G R.
  • G
  • Echt-Scharlach.
  • Kryſtallponceau 6 R.
  • Croceïn 3 B X.
  • Neucoccin.
  • Pyrotin.
[567]

d) Braunſtichige rote Färbungen.


  • Azoorſeillin.
  • Bordeaux G.
  • Bordeaux B.
  • — extra.

Auch hier muß darauf aufmerkſam gemacht werden, daß die Azofarb-
ſtoffe durch Zinnſalz reduziert werden, daß alſo beim Färben damit Zinnſalz
nicht verwendet werden darf; ebenſowenig darf natürlich eine mit Zinnſalz
hergeſtellte oder avivierte Farbe mit einem Azofarbſtoff nüanciert werden.


3. Indirekte rote Färbungen.

Die durch Beizen von Seide hergeſtellten Färbungen ſind wenig zahl-
reich. Am häufigſten wird noch mit Cochenille gefärbt, und zwar Kar-
moiſin, Scharlach und Lila.


Karmoiſin mit Cochenille. Beizen der Seide mit Alaun; nach
½ ſtündigem Erwärmen bleibt die Seide über Nacht im Beizbade liegen;
am nächſten Morgen ausfärben in beſonderem Bade mit 10 bis 40 Prozent
Cochenille, je nach Nüance; oder: Beizen mit ſalpeterſaurem Zinn, über
Nacht liegen laſſen, dann im friſchen Bade mit Cochenille ausfärben. Man
geht bei 25° R. mit der Seide ein und treibt allmählich bis zum Kochen.
Am Schluß des Färbens Ammoniumcarbonat zuſetzen.


Scharlach mit Orlean und Cochenille. Grundieren mit Orlean
auf ſchwachem Seifenbade bei 40° R. und ſpülen. Die gelb gefärbte
Seide wird dann mit Chlorzinn gebeizt und über Nacht in der Zinnſalz-
löſung belaſſen; am nächſten Morgen gut ſpülen und ausfärben auf friſchem
Bade mit 10 bis 40 Prozent Cochenille und 5 bis 10 Prozent Weinſtein.
Oder: Färben in einem Bade mit Cochenille, Zinnſalz und Oxalſäure
(Hummel).


Freunde von Holzfarben können mit Alaun beizen bei 60° R., aus-
färben in einer Rotholzabkochung und avivieren in einem Seifenbade oder in
einer Zinnſalzlöſung. So empfiehlt z. B. Vitalis ein


Unechtes Karmoiſin mit Braſilienholz. Beizen mit 25 Prozent
Alaun durch 6 bis 10 Stunden; ausfärben in einer Abkochung von 30 Pro-
zent Braſilienholz bei 30 bis 60° R., nicht höher. Avivieren in einer
Löſung von 3 Prozent (vom Gewicht der Seide) Pottaſche.


Roſenrot mit Braſilienholz. Beizen mit Alaun, Spülen, Aus-
färben in einem ſchwachen, handwarmen Braſilienholzabſud ¼ Stunde lang,
und Schönen in einem kalten, mit wenig Salmiakgeiſt verſetzten Waſſer-
bade.


Echtes Karmoiſin nach Schrader. Beizen mit 50 Prozent
römiſchem Alaun, 12 Stunden im Beizbade liegen laſſen, Spülen und Aus-
färben in 15 bis 20 Prozent Cochenille und 10 Prozent gepulverter Gall-
äpfel.


Purpur. Färben der Seide mit Cochenille und dann ein ſchwaches
Blau daraufſetzen, wozu ein kaltes, mit etwas Küpenlauge vermiſchtes Waſſer-
bad erfordert wird.


Lila aus Cochenille. Beizen mit Eiſenvitriol und Weinſtein; Aus-
färben mit Cochenille.


[568]

Neutralrot mit Krapp. Einlegen über Nacht in eine Alaunlöſung,
Ausfärben in beſonderem Bade mit 50 Prozent Krapp. Kalt eingehen, bis
zum Kochen treiben; Avivieren mit einer Seifenlöſung oder in einem Zinn-
ſalzbade. — Das Purpurrot und Neutralrot ſind veraltet.


§ 57. Orange Färbungen auf Seide.

1. Direkte Färbungen.

Ein direkter oranger Farbſtoff auf Seide iſt das Viktoriagelb; allen-
falls könnte auch Chryſoidin in größeren Mengen dazu gebraucht werden.


2. Färbungen aus gebrochenem Baſtſeifenbade.

Hierfür ſtehen uns ſchöne echte Farbſtoffe zu Gebote und zwar die
meiſten in ſchwefelſaurem, die mit * verſehenen in eſſigſaurem Seifenbade:


  • Orange IV. *
  • II. *
  • Viktoriagelb.
  • Aurantia.
  • Sonnengelb.
  • Orange G.
  • Curcumin S.

3. Indirekte Färbungen.

Orange mit Orleangrund. Ausfärben der Seide in einem Orlean-
bade bei 50 bis 60° R., um ihr den nötigen gelben Fond zu geben; dann
durch ein ſchwach angeſäuertes Waſſerbad paſſieren und in beſonderem Bade
mit Safflor (kalt) oder Cochenille (warm) ausfärben; ſchließlich Schönen
mit Eſſigſäure oder Citronenſaft, oder Paſſieren durch eine Zinnlöſung.


Orange mit Wau. Grundieren mit Orlean, wie beim vorigen;
hierauf Beizen mit Alaun und Ausfärben mit Wau.


4. Miſchfarben.

Wo die Azofarbſtoffe zur Erzielung einer Nüance noch nicht ausreichen
ſollten, laſſen ſich durch Kombinieren von roten und gelben Farbſtoffen alle
möglichen Orangetöne erzeugen; auch durch Kombination von natürlichen
Farbſtoffen untereinander und mit künſtlichen organiſchen Farbſtoffen gelangt
man zu Orange. Hier einige Beiſpiele:


Orange mit Gelbſchoten und Safflor. Grundieren, ohne zu
beizen, in einer Gelbſchoten-Abkochung; ſpülen und ausfärben in beſonderem
kaltem Bade mit Safflorkarmin.


Orange mit Wau und Fuchſin. Grundieren, ohne zu beizen, mit
einer Wau-Abkochung, ausfärben in beſonderem Bade mit Fuchſin bis zur
Nüance.


Orange mit Orſeille und Auramin. Färben in einem Bade mit
Orſeille unter Zuſatz von Baſtſeife und etwas Eſſigſäure; ſpülen und
ausfärben in neuem Bade mit Auramin unter Zuſatz von etwas Baſtſeife.


Kardinal. Färben in einem ſchwach gebrochenen Baſtſeifenbade mit
Fuchſin und Chryſoidin.


Säure-Orange. Färben in einem mit Schwefelſäure gebrochenen
Baſtſeifenbade mit Croceïnſcharlach und Säuregelb.


[569]

Doppelorange. Färben in einem 50° R. warmen ſchwachen Seifen-
bade mit Phosphin, nüancieren mit Safranin gelbſtichig und ſpülen; zuletzt
mit Eſſigſäure avivieren.


§ 58. Gelbe Färbungen auf Seide.

1. Direkte Färbungen.

Zum Direktfärben dienen Phosphin, Chryſoidin und Auramin. Alle
drei werden in ſchwachem ca. 50° R. warmem Seifenbade gefärbt und nach-
her in verdünnter Eſſigſäure aviviert. Auch die Abkochungen von Curcuma
und Gelbſchoten geben direkt ohne Beizen ſchöne lebhafte Färbungen auf
Seide, von denen die mit Gelbſchoten durch Echtheit ausgezeichnet iſt.


2. Färbungen aus gebrochenem Baſtſeifenbade.

Chryſolin und Uranin geben in mit Eſſigſäure gebrochenem Bade
ein brillantes Gelb, welches hinterher mit Eſſigſäure aviviert wird.


Naphtolgelb, Echtgelb, Pikrinſäure, Metanilgelb S, Citro-
nin, Neugelb, Curcumin
S und Tartrazin, Naphtolgelb S,
Brillantgelb, Iſatingelb und Azoflavin
geben in mit Schwefel-
ſäure gebrochenem Seifenbade verſchiedene gelbe Nüancen, von denen Cur-
cumin S, Echtgelb, Metanilgelb ein Orangegelb, Naphtolgelb, Echtgelb und
Citronin ein Goldgelb, die übrigen ein neutrales Gelb geben; nach dem
Färben wird mit Eſſigſäure aviviert.


3. Indirekte gelbe Färbungen.

Der einzige Farbſtoff, welcher zum Erzeugen eines indirekten Gelb auf
Seide auch heute noch in großen Mengen gebraucht wird, iſt Wau. Um
ein reines Gelb zu erzeugen, wird die Seide mit eiſenfreiem Alaun
gebeizt, geſpült und in beſonderem Bade mit einer Abkochung von 20 bis
40 Prozent Wau gefärbt. Auch in dieſem Falle kann dem Färbebade etwas
Seifenlöſung zugeſetzt werden, wodurch die Färbung eine gleichmäßigere wird.
Dunklere Nüancen von Gelb werden durch Anwendung von mehr Wau oder
Zuſatz von etwas Pottaſche gefärbt; ganz dunkle Töne erhalten einen ſchwachen
Orleangrund. Zuletzt Avivieren in einem ſchwachen Seifenbade unter Zu-
ſatz von etwas Wauabkochung.


Gelbholz wird zu gelben Farben in der Seidenfärberei nicht benutzt.


Quercitron gibt citronengelbe Färbungen, wenn man die Seide zu-
vor mit Zinnſalz beizt. Durch Erhöhen der Mengen Zinnſalz und Quer-
citron erhält man dunklere Töne. Oder: Beizen mit Alaun und Ausfärben
in beſonderem Bade mit 10 bis 15 Prozent Quercitron bei etwa 35° R.
Zum Schluß Paſſieren durch ein ſchwaches Sodabad oder Avivieren mit
einer Zinnſalzlöſung.


Ein grünliches Gelb wird aus Wau erhalten, wenn man dem
Bade etwas Küpenblau hinzufügt.


Goldgelb aus Wau. Beizen mit eſſigſaurer Thonerde 5 bis 6° Bé.,
Trocknen und Spülen; Ausfärben in einem ſtarken Waubade, welches man
[570] zuerſt mit etwas Sodalauge, hernach mit einer Auflöſung von Kupfervitriol
vermiſcht hat.


Orangegelb aus Chryſoidin wird durch Vorbeizen der Seide mit
Alaun gewonnen.


§ 59. Grüne Färbungen auf Seide.

1. Direkte Färbungen.

Zum direkten Grünfärben der Seide aus neutralem oder ſchwach mit
Seife verſetztem Bade haben wir 7 prächtige Farbſtoffe. Von dieſen er-
fordern Methylgrün und Malachitgrün keinen Seifenzuſatz, doch kann er
ohne Gefahr für den Farbenton gemacht werden; die übrigen erfordern ein
ſchwaches Baſtſeifen- oder Seifenbad. Man färbt bei 40 bis 50° R.
Brillantgrün gibt von allen die gelblichſte Nüance, demnächſt folgt Malachit-
grün, wogegen Aethylgrün, Methylgrün und Viktoriablau ein blauſtichiges
Grün geben; Aldehydgrün und Jodgrün geben ein neutrales Grün. Zum
Nüancieren in Gelb empfiehlt ſich Auramin. In allen Fällen iſt gutes
Waſchen und Avivieren in einem kalten, leicht mit Eſſigſäure angeſäuerten
Bade zu raten.


Das Färben mit Lokao hat heute nur noch hiſtoriſchen Wert.


2. Färbungen aus gebrochenem Baſtſeifenbade.

Zum Färben aus mit Schwefelſäure gebrochenem Baſtſeifenbade eignen
ſich: Säuregrün, Echtgrün, Naphtolgrün und Guineagrün B, insbeſondere
das erſte und letzte; dieſes gibt ein mehr bläuliches Grün. Färben bei
40 bis 60° R., Spülen und Schönen in einem ſchwach ſchwefelſauren Bade.
Nüancieren in Gelb mit Naphtolgelb.


3. Indirekte grüne Färbungen durch Miſchen von Gelb
und Blau
.

Es gibt keinen natürlichen grünen Farbſtoff, welcher auf gebeizte Seide
ein Grün erzeugt; wir ſind in dieſer Beziehung auf Kombinationen ange-
wieſen. Dieſe Kombinierbarkeit findet ſich aber auch bei den künſtlichen or-
ganiſchen Farbſtoffen, ſo daß wir außer den oben genannten wirklich grünen
Farbſtoffen auch noch eine Anzahl grüner Miſchfarben beſitzen, welche vor-
zügliche Effekte geben. Am gewöhnlichſten iſt ein Gemiſch aus Indigkarmin
und Pikrinſäure, welches ſogar in den Handel kommt. Will man gelbe und
blaue Teerfarben ſelbſt kombinieren, ſo miſcht man dieſelben entweder im
Färbebade direkt zuſammen, oder man färbt erſt den einen und gibt, nach-
dem derſelbe angezogen, den andern hinzu, z. B.


Grün mittels Alkaliblau. Anfärben im alkaliſchem Seifenbade
mit 1 bis 2 Prozent Alkaliblau; ausfärben in einem zweiten Bade mit
Naphtolgelb und etwas Schwefelſäure.


Man kann aber ebenſo leicht künſtliche und natürliche Farbſtoffe kom-
binieren, z. B.


Dunkelgrün. Mit Alkaliblau 3—7 B, wie oben angegeben, anblauen;
ſpülen, 2 Stunden kalt in Alaun einlegen, ſpülen und ausfärben bei
60° R. mit 2 Teilen Gelbholz und 1 Teil Blauholz; Avivieren in einem
eſſigſauren Bade mit Methylgrün bei 40° R. — Oder: In einem mit
[571] Eſſigſäure neutraliſierten Sudſeifenbade wird mit 1 bis 1½ Prozent Indig-
blau (Tillma uns, E. ter Meer \& Comp.) bei 50 bis 75° R. ein blauer
Grund gegeben, dann wird die Flotte bis 40° abgekühlt und bei dieſer
Temperatur mit Brillantgrün ausgefärbt.


Echtgrün mit Gelbholz und Küpenblau. Beizen mit Alaun,
ſpülen, ausfärben in beſonderem Bade 1 Stunde lang mit 50 bis 100 Pro-
zent Gelbholz (vom Gewicht der Seide), Spülen und Umziehen in der
kalten Küpe bis zur gewünſchten Nüance.


Hellgrün mit Wau und Küpenblau. Beizen mit Alaun, ſpülen,
ausfärben in beſonderem Bade mit 10 bis 20 Prozent Wau, zuletzt Be-
handeln in der kalten Küpe.


Dunkelgrün mit Wau und Indigcarmin. Beizen mit Alaun;
ſpülen, ausfärben mit 40 Prozent Wau und das Grün entwickeln auf
friſchem Bade mit ½ Prozent Indigkarmin und ¼ Prozent Alaun.


Engliſchgrün mit Küpenblau und Kreuzbeeren. Man gibt
der Seide auf einer Vitriolküpe einen hellblauen Grund, zieht ſie durch
heißes Waſſer, ſpült ſie und beizt dann mit Alaun; ſchließlich färbt man
in einer ſchwach mit Eſſigſäure angeſäuerten Kreuzbeerenabkochung, bis man
die verlangte Farbe erhalten hat, ſpült und trocknet im Schatten.


Blaugrün mit Curcuma. Beizen mit Alaun, Spülen und Aus-
färben in beſonderem Bade mit 2 bis 3 Prozent Curcuma und ſoviel in
Waſſer gelöſtem Indigoextrakt, bis das Bad die grüne Farbe angenommen
hat, welche man zu erzielen wünſcht. Spülen und Appretieren.


Maigrün mit Scharte. Beizen mit Alaun, Spülen und Ausfärben
in beſonderem Bade mit 75 Prozent Scharte und auf der kalten Küpe
nüancieren. (Veraltet.)


Grün mit Blauholz und Gelbholz. Auskochen mit Seife,
Waſchen, Behandeln 8 Minuten lang auf Ferriſulfat, Spülen und in hand-
warmer Flotte aus Blauholz und Gelbholz ein Silbergrau färben. Dieſes
mit Malachitgrün unter Zuſatz von etwas Eſſigſäure überfärben.


Dieſe indirekten Methoden haben heute aber alle nicht mehr den Wert
und das Intereſſe wie früher.


§ 60. Blaue Färbungen auf Seide.

1. Direkte Färbungen.

Hierfür eignet ſich am beſten das Nilblau aus neutralem Bade ohne
Zuſatz von Seife und das Reſorcinblau aus mit Eſſigſäure ſchwach ange-
ſäuertem Seifenbade. Beide Farbſtoffe ſind aber noch wenig bekannt; letzteres
iſt rotſtichig.


2. Färbungen aus gebrochenem Baſtſeifenbade.

Größer iſt die Wahl und Zahl der Teerfarbſtoffe, wenn wir aus ge-
brochenem Seifenbade färben können, und zwar gibt dann aus eſſigſaurem
Seifenbade: Nachtblau und Viktoriablau 3 B ein grünſtichiges, Vik-
toriablau
4 R ein violettes Blau; aus ſchwefelſaurem Seifenbade:
Anilinblau, ſpritlöslich und Waſſerblau grünſtiche, Bayriſchblau
rein blaue und Indulin indigoblaue Töne. Das Nachtblau eignet ſich
vorzüglich zur Erzielung zarter, mattblauer Farbtöne, ſowie ſolcher Blaus,
[572] welche auch bei künſtlicher Beleuchtung ihren natürlichen Ton beibehalten.
Für das beliebte Gensdarmblau verwendet man mit Vorteil Viktoriablau 3 B;
zum Nüancieren verwendet man Naphtolgelb oder nach Bedarf Brillantgrün.


3. Färbungen auf gebeizte Seide.

Zum Färben mit Hilfe von Beizen eignen ſich die verſchiedenen Marken
Alkaliblau. Dieſe Farbſtoffe gehen nur in einem ſtark alkaliſchen Seifen-
bade oder in Gegenwart alkaliſch wirkender Salze (Soda, Borax) an die
Seide (daher der Name). Das Alkaliblau eignet ſich beſonders für helle
Töne, wie Himmelblau und Hellblau, und zwar vom reinen Blau (B) bis
zum Grünlichblau (7 B) in allen Abſtufungen. Der Farbſtoff wird auf ein-
mal
in das Färbebad gegeben; ½ Prozent ergibt bereits einen ſatten
Farbenton, 1 oder 2 Prozent geben bereits ſehr volle ſtarke Töne. Man
behandelt bei 40° R., kann aber langſam bis faſt zum Kochen treiben.
Sobald dieſe Temperatur erreicht iſt, hört man zu färben auf, nimmt
heraus, ſpült tüchtig, windet ab, und entwickelt das Blau auf einem be-
ſonderen 3 bis 5 Prozent Schwefelſäure enthaltenden Bade durch 10 bis
20 Minuten bei 40 bis 60° R. Schließlich ſpülen, ohne zu avivieren. Die
Marken Alkaliblau R—3 R eignen ſich für kornblumenblaue und marineblaue
Töne.


Alizarinblau. Beizen mit Alaun, Spülen und Färben in beſon-
derem Bade (ohne Seifenzuſatz) mit Alizarinblau. Schönen und Entwickeln
des Blaus auf friſchem Bade durch Kochen in einer Seifenlöſung.


Indigblau. Beizen mit 10 Prozent eiſenfreiem Alaun während
4 Stunden; ausfärben in beſonderem Bade mit 5 Prozent Indigkarmin.


Berlinerblau wird auf Seide kaum noch gefärbt; man erzielt es
auf folgende Weiſe: Beizen mit ſchwefelſaurer Eiſenoxydlöſung längere oder
kürzere Zeit, je nach der verlangten Schattierung; dann folgt ein faſt kochen-
des Seifenbad von 25 Prozent Marſeiller Seife (vom Gewicht der Seide),
ſodann ſcharf ſpülen. Das Ausfärben geſchieht in beſonderem Bade mit
8 bis 10 Prozent gelbem Blutlaugenſalz, je nach der zu erzielenden Farben-
tiefe, unter Hinzufügen von 15 bis 20 Prozent Salzſäure. Zuletzt ſpülen
und avivieren auf einem ganz ſchwachen Ammoniakbade.


Indigo wird ſelten noch zum Blaufärben der Seide benutzt, dann
aber am beſten in Form der Zinkſtaubküpe.


§ 61. Violette Färbungen auf Seide.

1. Direkte Färbungen.

Zum direkten Färben ſtehen uns 8 violette Farbſtoffe zu Gebote, von
denen jedoch das Mauveïn lediglich zum Weißnüancieren der Seide im
Strang gebraucht wird. Alle übrigen werden am beſten in einem ſchwachen
Seifenbade gefärbt; ſie gehen aber auch aus der direkten wäſſerigen Löſung,
ohne Seifenzuſatz, an die Seide. Von einigen Praktikern wird ein Zuſatz
von Eſſigſäure zum Färbebade empfohlen; derſelbe ſchadet nichts, hat aber
auch keinen praktiſchen Nutzen. Am beliebteſten iſt das Methylviolett,
welches rein violette Töne gibt; das Benzylviolett (Methylviolett 6 B)
gibt blauviolette Töne; Hofmanns Violett und Kryſtallviolett geben
[573] mehr rotſtichige Violetts; Aethylviolett gibt noch etwas blauere Nüancen
als Methylviolett. Gallocyanin und Prune färben am beſten aus einem
Seifenbade; beide geben blauviolette Töne, werden aber wenig angewendet. —
Beim Färben von Violett ſetzt man den Farbſtoff am beſten nach und nach
zu, geht bei 30° mit der Seide ein und treibt bis auf 75°. Zum Avi-
vieren dient am beſten Eſſigſäure, doch iſt auch Schwefelſäure bisweilen ver-
wendbar, beſonders dann, wenn durch das Avivieren zugleich ein Nüanciern
in Blau bezweckt werden ſoll.


Ganz zarte Töne, wie Hortenſia und Mattlila, werden durch ganz ge-
ringe Mengen Farbſtoff in ſchwach eſſigſaurem Bade erzielt. Zur Erzeugung
dunkelvioletter Töne gibt man einen blauen Grund, am beſten mit Alkali-
blau, wäſcht gut, und färbt dann mit Methylviolett aus.


2. Färbungen aus gebrochenem Baſtſeifenbade.

Eigene violette Farbſtoffe, welche aus ſaurem Baſtſeifenbade angehen,
exiſtieren außer dem Säureviolett nicht; dasſelbe exiſtiert in verſchiedenen
Marken B (blauſtichig) und R (rotſtichig) und gibt in mit Schwefelſäure ge-
brochenem Baſtſeifenbade alle Nüancen von Pflaumenblau (Prune), je nach
der Menge des angewendeten Farbſtoffs (½ bis 2 Prozent). Aber auch die
direkt angehenden violetten Farbſtoffe laſſen ſich aus einem ſchwachen, mit
Eſſigſäure gebrochenen Baſtſeifenbade färben. Dieſe Methode empfiehlt ſich
beſonders dann, wenn mit blauen oder roten ſauren Farbſtoffen, wie z. B.
Anilinblau, Waſſerblau, Säurefuchſin, nüanciert werden ſoll. Nach dem
Spülen wird mit Schwefelſäure in kaltem Bade aviviert, indem man auf
100 l Waſſer ½ kg Schwefelſäure von 66° Bé. nimmt.


3. Indirekte violette Färbungen.

Violette Färbungen auf gebeizte Seide erhält man, wenn man von
Miſchfarben abſieht, nur mittels Galleïn und Gallocyanin; es iſt mir
nicht bekannt, ob irgendwo Seide damit gefärbt wird, doch ſtände ihrer
Anwendung nichts im Wege; die Seide müßte mit Kaliumdichromat gebeizt
werden, und in allem Uebrigen müßte, wie bei Alizarinfarben üblich, verfahren
werden.


4. Miſchfarben.

Violette Färbungen laſſen ſich auch durch Miſchen von Blau und Rot
erzielen. So erhält man durch Miſchen wechſelnder Mengen von Waſſer-
blau und Fuchſin
S alle gewünſchten violetten Töne.


Auch durch Miſchen natürlicher roter und blauer Farbſtoffe läßt ſich
Violett herſtellen. Eines der echteſten iſt das


Echtviolett aus Cochenille und Küpenblau. Man beizt die
Seide mit Alaun und färbt ſie ohne Zuſatz von Weinſtein oder Zinnſalz
mit 12½ Prozent Cochenille karmoiſinrot, ſpült und gibt den blauen Ton
am beſten in einer Zinkſtaubküpe. Das erzielte Violett wird ſtets matt aus-
fallen; um ihm Glanz zu geben, aviviert man in einem Orſeillebad.


Violett aus Orſeille und Küpenblau. Man färbt zuerſt in
einem Orſeillebade rot an, ſpült und bläut auf der Küpe.


Violett mit Blauholzextrakt. Beizen mit 1½ Prozent Zinnſalz
und 1½ Prozent Schwefelſäure in handwarmem Bade ½ Stunde lang;
[574] Spülen und Ausfärben in beſonderem Bade mit einer filtrierten Auflöſung
von Blauholzextrakt bis zur gewünſchten Nüance. (Dieſe Methode hat heute
wohl nur noch hiſtoriſches Intereſſe.)


§ 62. Braune Färbungen auf Seide.

Künſtliche organiſche Farbſtoffe, welche direkt nur aus gebrochenem Baſt-
ſeifenbade ein Braun erzeugen, beſitzen wir nur wenige; dagegen haben wir
im Catechu einen trefflichen braunen Seidenfarbſtoff. Man verwendet den-
ſelben aber weniger zum Braunfärben, dagegen gibt man der Seide mit
Vorliebe für braune Farben einen Catechugrund. Man verwendet nur die
beſten Pegu-Marken. Der Catechu wird heiß gelöſt, durch ein Haarſieb filtriert
und die Flotte zum Grundieren 30 bis 70° R. warm angewendet. Man ver-
wendet zum Grundieren für helle Töne 5 bis 10, für dunklere 15 bis
20 Prozent Catechu, und grundiert im erſteren Falle bei niedrigerer, im
andern Falle bei höherer Temperatur. Nach dem Grundieren färbt man,
je nachdem man ein rötliches, gelbliches oder grünliches Braun erzielen will,
in einem roten, gelben oder grünen Seidenfarbſtoff aus.


1. Direkte Färbungen.

Will man den Catechugrund umgehen, ſo färbt man in einem ſchwa-
chen Seifenbade mit Bismarckbraun bei 50° R. Aus mit Schwefel-
ſäure gebrochenem Baſtſeifenbade färbt man mit Reſorcinbraun ein ſchö-
nes lebhaftes Gelbbraun, welches jedoch für allgemeine Anwendung noch zu
teuer iſt; in gleicher Weiſe iſt Säurebraun und Echtbraun aus ſchwe-
felſaurem Bade anzuwenden. Bismarckbraun eignet ſich beſonders für helle
gelbbraune Töne; man kann mit Fuchſin und Bordeaux beliebig nüancieren
und aviviert mit Eſſigſäure. Auch Säurebraun läßt ſich für hellbraune
Nüancen verwenden; man färbt mit 1 bis 2 Prozent und nüanciert mit
etwas Säuregelb und Orange; aviviert wird in dieſem Falle mit Schwefel-
ſäure.


2. Braune Färbungen auf Catechugrund.

Nachdem man mit Catechu, wie oben beſchrieben, grundiert, wird gut
geſpült und in gewöhnlichem oder gebrochenem Seifenbade ausgefärbt, und
zwar verwendet man:


a)Für rötliche Nüancen: Roccellin (Echtrot, etwa 1 Prozent),
Safranin (1 Prozent), Bordeaux G (1½ Prozent), Fuchſin (1 bis 1½ Pro-
zent), Fuchſin und Chryſoidin (1 reſp. ½ Prozent). Zur Erzielung dunklerer
Töne dunkelt man in beſonderem Bade entweder mit holzeſſigſaurem Eiſen-
oxydul oder ſchwefelſaurem Eiſenoxyd, beide in einer Stärke von 1 bis 5° Bé.,
ſowie auch Kaliumdichromat in Löſung von 1 bis 4° Bé.


b)Für gelbliche Nüancen: Phosphin (¼ Prozent), Säuregelb
(½ Prozent), Orange S (¾ Prozent), Bismarckbraun (½ Prozent). Auch
kann man dem Catechubade gleich anfangs einen entſprechenden Zuſatz von
Curcuma geben, womit ein Gelbbraun in einem Bade erzielt wird. Zum
Dunkeln dient holzeſſigſaures Eiſen oder ſchwefelſaures Eiſenoxyd. Aus
den Grundierungsbädern iſt ſtets gut zu waſchen, reſp. zu ſpülen und zu
[575] ſchwillieren. Zum Avivieren dient für Bismarckbraun und Phosphin Eſſig-
ſäure, für Säuregelb und Orange S Schwefelſäure.


c)Für olive Nüancen: Säuregrün ½ bis 2 Prozent. Avivieren
mit Schwefelſäure. Dunkeln mit Eiſen wie oben.


Man kann aber auch Holzfarben auf Catechufond färben, z. B. Grun-
dieren mit 10 Prozent Catechu und 2½ Prozent Kaliumdichromat; hierauf
ſpülen und über Nacht einlegen in 10 Prozent Alaun; wieder ſpülen und
in beſonderem Bade bei 50° R. ausfärben mit Gelbholz und Rotholz;
Avivieren mit Weinſäure. — Oder: Grundieren mit 10 Prozent Catechu
und 5 Prozent Curcuma; Dunkeln auf einem ſchwefelſauren Eiſenoxydbade
von 5° Bé. ½ Stunde lang und umziehen auf einem 40° R. warmen
Bade aus 1½ Prozent Kaliumdichromat. Scharf ſpülen und im friſchen
Bade ausfärben 30 bis 40° warm unter Zuſatz von etwas Marſeiller
Seife.


3. Braune Miſchfarben.

Braun auf Seide läßt ſich auch durch Miſchen verſchiedener künſtlicher
organiſcher Farbſtoffe oder von dieſen mit natürlichen erzielen; z. B.


Rotbraun. Färben im Seifenbade bei 30 bis 70° R. mit 1 Pro-
zent Safranin, und nachdem der Farbſtoff angegangen, in demſelben Bade
dunkeln mit ¾ Prozent Direktſchwarz (vergl. Erſter Teil, § 57).


Kirſchbraun. Färben in alkaliſchem Bade mit 1 Prozent Alkali-
blau; nachdem im Entwickelungsbade das Blau vollſtändig entwickelt, nimmt
man die Seide heraus, ſetzt 1 Prozent Azorubin in mehreren malen hinzu,
indem man von 30 bis 70° R. fertig färbt, dann wird gewaſchen, ohne
zu avivieren.


Violettbraun. Grundieren mit 10 Prozent Catechu und 2 Prozent
Kaliumdichromat, ſpülen, und in beſonderem Bade ausfärben mit 1 Prozent
Fuchſin und ⅕ Prozent Methylviolett B bei 30 bis 70°. Aviviert wird
mit 1 Prozent Schwefelſäure kalt.


Bronze. Färben im Seifenbade von 30 bis 70° R. mit ¼ Pro-
zent Bismarckbraun, ⅛ Prozent Phosphin, und nüancieren mit etwas neu-
tralem Grün; avivieren mit Eſſigſäure. — Oder: Färben in mit Schwefel-
ſäure gebrochenem Seifenbade bei 30 bis 75° R. mit ½ Prozent Säure-
gelb, ¼ Prozent Orange S, nüancieren mit ein wenig Säuregrün; avivie-
ren mit Schwefelſäure.


Braunoliv. In einem mit Schwefelſäure gebrochenen Seifenbade
von 30 bis 70° R. färben mit 2 Prozent Säuregelb 4 R, ½ Prozent
Säuregrün und ⅓ Prozent Säurefuchſin; avivieren mit Schwefelſäure. —
Oder: Färben wie vorher mit 2 Prozent Säurebraun und ½ Prozent
Säuregrün; avivieren mit Schwefelſäure.


Holzbraun. Beizen mit Alaun. Ausfärben in beſonderem Bade
mit 50 Prozent Gelbholz, 15 Prozent Rotholz. Nach ½ Stunde auf-
heben; zum Bade hinzugeben 4 Prozent Blauholz; wieder eingehen mit der
Seide und Dunkeln mit 2 Prozent Eiſenvitriol. (Wird heute nicht mehr
angewendet.)


[576]
§ 63. Olive Färbungen auf Seide.

Alle Schattierungen in Oliv baſieren auf einer ſatten gelben Grund-
farbe. Zur Herſtellung derſelben bedient man ſich des Säuregelbs in ſeinen
verſchiedenen Marken. Der eigentliche Olivton wird der Farbe durch Zu-
ſatz von Blau und Rot zum Geld verliehen. Infolge dieſes grünroten
Tones verwendet man mit beſtem Erfolg alle rotſtichigen Gelbs und als Er-
ſatz für Rot alle Orange S, welche gleichfalls in verſchiedenen Tönen exi-
ſtieren, und von denen wiederum die rotſtichigen die geeignetſten ſind. Das
erforderliche Blau läßt ſich mit Vorteil auch durch blaue Marken von Säure-
grün erſetzen. Auf ein normales Oliv rechnet man im Durchſchnitt: 15 Teile
Gelb, 2 Teile Blau bezw. 4 Teile Grün, und 1 Teil Rot bezw. 2 bis
3 Teile Orange. Durch Abänderung in dieſem Verhältnis laſſen ſich alle
möglichen Schattierungen in Oliv herſtellen.


Hier einige Beiſpiele:


Helloliv. Man färbt auf einem mit Eſſigſäure gebrochenen Seifen-
bade mit ½ Prozent rotſtichigem Säuregelb, 1/15 Prozent Indigblau und
1/30 Prozent Orange; avivieren mit Eſſigſäure. — Oder: Färben im ein-
fachen Seifenbade mit ¾ Prozent Chryſoidin und ⅛ Prozent Methylgrün;
avivieren mit Eſſigſäure.


Mittles Grünoliv. Färben in mit Schwefelſäure gebrochenem Seifen-
bade mit 1½ Prozent rotſtichigem Säuregelb, ⅜ Prozent Indigoblau und
3/16 Prozent Säurefuchſin; allmähliches Zuſetzen der Farbſtoffe und lang-
ſames Steigern der Temperatur; avivieren mit Schwefelſäure.


Goldoliv. Färben in mit Schwefelſäure gebrochenem Seifenbade bei
40 bis 70° R. mit 1 Prozent Orange S und ⅕ Prozent blauſtichigem
Säuregrün; avivieren mit Schwefelſäure.


Zur Herſtellung dunkler Töne dunkelt man mit Direktſchwarz.


§ 64. Modefarben auf Seide.

Zur Erzeugung der Modefarben laſſen ſich allgemeine Vorſchriften nicht
geben; nur das läßt ſich ſagen, daß hierfür die Hölzer, welche ſonſt in
der Seidenfärberei durch die Teerfarben verdrängt ſind, für Erzeugung
ſämtlicher Nüancen in Grau mit Vorliebe verwendet werden; zu den gelben
und bräunlichen Modefarben dient Catechu in Verbindung mit Holzfarben.
Hier einige Beiſpiele:


Silbergrau. Man behandle 15 bis 20 Minuten auf einem ſchwa-
chen, 30° R. warmen Tannin- oder Gallusbade, hebe auf, gebe etwas Ferri-
ſulfat hinzu, behandle wiederum 15 bis 20 Minuten, ſpüle gut, ſchwilliere
und färbe heiß mit etwas Blauholz und Seife aus. — Oder: Man beizt
eine Stunde kalt mit 5 Prozent Alaun und etwas ſchwefelſaurem Eiſenoxyd,
ſpült, entwäſſert und färbt heiß mit Blauholz und etwas Seife aus. —
Oder: Man ziehe die Seide auf einem kalten Bade, welches ein entſprechen-
des Quantum Blauholzabſud enthält, mehrmals um, hebe auf, füge etwas
ſchwefelſaures Eiſenoxyd zum Färbebade, gehe wieder ein und behandle, bis
[577] die Seide ein volles Grau zeigt. Jetzt wird gut gewaſchen, entwäſſert und
heiß ausgefärbt mit einigen Tropfen Indigkarmin und Methylviolett.


Gelblichgrau. Beizen mit ſchwachem ſchwefelſaurem Eiſenoxyd, waſchen,
entwäſſern und färben bei 40° R. mit etwas Gelbholz und Seife.


Grünlichgrau. Gebeizt wird wie beim vorigen; ausgefärbt wird
heiß mit Quercitronabkochung, etwas Blauholz und Seife.


Rötlichgrau. Beizen ¼ Stunde lang in einem ſchwachen 30° war-
men Gallus- oder Tanninbade, herausnehmen, etwas Ferriſulfat zuſetzen,
wieder eingehen und ¼ Stunde behandeln, waſchen und ſchließlich ausfärben
mit wenig Blauholz, etwas mehr Rotholz und etwas Seife.


Blaugrau. Beizen mit ſchwefelſaurem Eiſenoxyd 1 Stunde lang
unter Zuſatz von etwas Zinnſalz, gut waſchen, entwäſſern und ausfärben
bei 40° R. mit Blauholz und etwas Seife*).


Oliv-Mode. Beizen mit Alaun 12 Stunden hindurch; auf der Küpe
hell anblauen, ſpülen, entwäſſern und ausfärben in beſonderem Bade mit
30 Prozent Gelbholz und 5 Prozent Rotholz.


Hell Bräunlich-Mode. Ausfärben in einer mit 50 Prozent Fiſet-
holz und 10 Prozent Pottaſche bereiteten Abkochung; aufheben, ſpülen und
trocknen.


Taback. Färben in mit Schwefelſäure gebrochenem Seifenbade von
30 bis 70° R. mit 1½ bis 2 Prozent rotſtichigem Säuregelb und ⅕ bis
⅓ Prozent Blau oder Säuregrün und nüancieren mit ⅕ Prozent Orange S.
Man färbt zuerſt mit Gelb und Grün und rötet dann erſt mit Orange. —
Oder: Man färbt im Seifenbade bei 30 bis 40° R. mit Bismarckbraun
und nüanciert dann mit etwas Methylgrün. Aviviert wird mit Eſſigſäure.


§ 65. Das Schwarzfärben der Seide.

So einfach das Färben der Seide mit den bisherigen Farbſtoffen war,
ſo verwickelt iſt das Schwarzfärben, weil hier außer dem eigentlichen Färbe-
prozeß noch ein zweiter nebenher geht, das Beſchweren oder Erſchweren.
Die Grundlage aller ſchwarzen Farben auf Seide bilden Verbindungen von
Gerbſäure mit Eiſen mit oder ohne Zuhilfenahme anderer Stoffe, wie Blau-
holz, Berlinerblau u. dergl. Das Blauholz wirkt in dieſen Fällen ſowohl
mit ſeinem Hämateïngehalt, wie mit ſeinem Gerbſtoffgehalt; doch iſt der Be-
darf an Blauholz lange nicht ſo groß, als der von andern Gerbſtoffen. Vor
allem wendet man Catechu, Galläpfel, Knoppern, Dividivi an, weil dieſe
eine dunklere und lebhaftere Farbe erzielen.


Das Schwarz, welches man früher auf Seide färbte, war ein Blau-
ſchwarz
. Die Seide wurde zuerſt mit gelbem Blutlaugenſalz blau gefärbt,
worauf man im Blauholzbade und mit Zinnſalz ſchwarz färbte. Darauf
kam dann ſpäter das Blaukeſſelglanzſchwarz. Dasſelbe wurde blau-
grundiert, dann auf ein Bad mit Eiſenvitriol und dann auf Gallen gebracht.
Nachdem es gewaſchen war, kam es in den Keſſel, worin ſog. „ſalpeterſaures
Ganswindt, Färberei. 37
[578] Eiſen“, holzſaures Eiſen und Eiſenſpäne gelöſt waren. Etwas ſpäter färbte
man Feinſchwarz, zuerſt in einem Bade aus Gelbholz, dann Eiſen- und
Kupfervitriol, dann Blauholz und Seife und zuletzt wurde mit Schwefel-
ſäure aviviert.


Alle bisher genannten Schwarz waren unerſchwert und unterſchie-
den ſich dadurch vorteilhaft von den heutigen Schwarzfarben. Jene Schwarz
waren wenigſtens auch ehrliche Schwarz, während die heutige Methode
der Schwarzfärberei nicht immer dieſe Bezeichnung verdient. Die nach den
obigen Methoden gewonnene ſchwarzgefärbte Seide hatte etwa 80 bis 85
Prozent ihres urſprünglichen Gewichts vor dem Abkochen; eine Abſicht der
Gewichtsvermehrung lag nicht vor. Das änderte ſich aber, als die Anwend-
barkeit des Catechus bekannt wurde. Dieſer enthält Catechugerbſäure und
Catechin. Welche Rolle dieſe beiden Körper beim Schwarzfärben der Seide
ſpielen, iſt noch ſehr wenig bekannt. Sicher iſt bekannt, daß dieſelben in
die Seidenfaſer eindringen, ſie aufblähen und ihr in Verbindung mit Eiſen
und andern Farbſtoffen ein erhöhtes Gewicht geben, ohne daß die Weichheit
oder der Glanz der Seide eine merkliche Einbuße erleidet. Es iſt ſehr wohl
denkbar, daß die Seide einen gewiſſen Prozentgehalt der gerbſauren Eiſen-
verbindung in ſich einzulagern vermag, ohne ihre vorzüglichen Eigenſchaften
zu verlieren. Es muß aber jedem halbwegs Einſichtsvollen einleuchten, daß
in dem Maße, als der Prozentgehalt der eingelagerten Subſtanzen ſteigt,
die Seide an ihren Eigenſchaften einbüßen muß. Nun iſt es aber bekannt,
daß dieſe Gewichtszunahme bis zum Eigengewicht der Seide zu ſteigen ver-
mag; ja es gelingt ſogar, aus 100 kg Rohſeide 500 kg ſchwarzgefärbte
Seide zu machen. Sollte ſich wirklich ein Dummer finden, der da glaubt,
daß dieſe ſchwarzgefärbte Seide, welche nur zu ⅕ ihres Gewichts aus
wirklicher Seide beſteht, noch alle ihre guten Eigenſchaften beſitze? Der
ſchädliche Einfluß des Eiſenoxyds auf die Geſpinnſtfaſern iſt unter Fach-
männern längſt bekannt; das Eiſen iſt der größte Feind für die Ge-
ſpinnſtfaſern
, und eine derartig beſchwerte Seide wird nach einiger Zeit
mürbe und reißt wie Zunder. Dieſe Methode des Beſchwerens mag für
den Färber oder den Fabrikanten vorteilhaft ſein, für die Seide iſt ſie
es ganz gewiß nicht
. Dieſe leidet darunter in jedem Falle mehr oder
minder empfindlich. Ueber die Frage, ob ein ſolches Verfahren ehrenhaft
ſei oder nicht, darüber mag ſich jeder Leſer ſein eigenes Urteil bilden.


Von den heute üblichen Schwarz auf Seide ſind beſonders zwei von
Wichtigkeit:


1. Das Catechuſchwarz. Man behandelt die Seide in einem Bade
von baſiſch ſchwefelſaurem Eiſenoxyd 28° Bé. und bringt ſie dann auf ein
heißes Bad, worin 65 Prozent des Gewichts der Seide an Seife gelöſt
iſt. Darauf folgt ein warmes Bad mit 200 Prozent gelbem Blockcatechu
(Gambir), dann ein Bad von 20 Prozent gelbem Blutlaugenſalz mit Salz-
ſäure, weiter ein Bad von 75 Prozent holzſaurem Eiſen, dann ein Bad
von 100 Prozent Blauholzabſud und 50 bis 60 Prozent Seife. Zuletzt
wird mit Eſſig oder Eſſigſäure oder Citronenſaft aviviert. Als Seife darf
nur beſte Marſeiller Seife angewendet werden. Dieſes Schwarz bringt
die Seide auf circa 100 bis 110 Prozent ihres urſprünglichen Gewichts,
wenn man nämlich dreimal mit Eiſen beizt. Nach jedem Bade wäſcht man
entweder oder bringt auf heiße Seife. Viele bringen auch nur nach der
[579] letzten Beize auf Seife. Auch wird dazu das Seifenbad benutzt, in dem die
Seide abgekocht wurde, die ſogenannte Baſtſeife. Dieſe letztere verwendet
man auch zuweilen beim Ausfärben von Kouleuren, da ſie mit etwas Schwefel-
ſäure einige Anilinfarben beſſer auf dem Faden befeſtigt. Nach manchen
der Operationen des Catechufärbens wird noch ein Seifenbad angewandt,
doch geſchieht dies in ganz verſchiedener Weiſe nach den Erfahrungen des
Färbers.


Erſchwertes Catechuſchwarz wird mit ſchwefelſaurem Eiſen wie oben
gebeizt, nur häufiger nach dem Grade der Erſchwerung, die man darſtellen will,
dann auf heiße Seife, gelbes Blutlaugenſalz mit Salzſäure, ferner 200 Prozent
Catechu mit 6 Prozent Zinnſalz, ausgefärbt mit 600 Prozent Blauholz und
60 Prozent Seife. Darauf wieder auf holzſaures Eiſen, daraus auf das
alte Catechubad, dem etwas friſcher Catechu beigegeben wird, und dann
nochmals mit Blauholz und Seife ausgefärbt, zuletzt mit Eſſig oder Eſſig-
ſäure aviviert. Der Catechu macht die Seidenfaſer zur Aufnahme von
Eiſen fähiger. Durch das Eindringen von Catechu und Eiſen entſteht
die eigentliche Erſchwerung, und jemehr ſie eingedrungen iſt, deſto ſchöner
und echter iſt die Farbe. Catechu und Eiſen allein bilden nun noch kein
Schwarz, ſondern ein Grün; erſt durch Zutritt von Blutlaugenſalz und
Blauholz entſteht das ſchöne Schwarz.


2. Das Soupleſchwarz (nach Gillet und Sohn). Dieſes wird
in mehreren nacheinander folgenden Operationen gefärbt und zwar: Beizen
mit baſiſch ſchwefelſaurem Eiſenoxyd; Paſſieren durch ein Sodabad, Blau-
färben mit gelbem Blutlaugenſalz. Nun folgt das eigentliche Souplieren,
indem man die Seide in einem Bade, beſtehend aus einer Abkochung von
Galläpfeln, Dividivi u. dergl. 1 bis 3 Stunden, je nach Qualität der Seide
bei 70 bis 75° behandelt und im Bade erkalten läßt; dann werden 5 bis
15 Prozent Zinnchlorür hinzugegeben. Schließlich gibt man ein Seifenbad
von 60 bis 80 Prozent Seife vom Gewicht der Seide bei 25 bis 30° und
aviviert in 5 bis 15 Prozent. — Die Höhe der Beſchwerung richtet ſich
nach der Anzahl der Eiſenbäder: ein einziges Bad gibt 40 bis 50 Prozent;
zwei Bäder geben 60 bis 70 Prozent; drei Bäder geben 80 Prozent; vier
Bäder geben 80 bis 100 Prozent.


Das in Deutſchland am häufigſten gefärbte Schwarz iſt das ſogenannte


3. Kaſtanienſchwarz. Dasſelbe wird durch abwechſelndes Behan-
deln der Seide in Bädern aus holzeſſigſaurem Eiſen und Kaſtanienextrakt
gewonnen. Man wendet es ſtets auf Rohſeide an; beim erſten Bade wird
die Temperatur entſprechend erhöht, um die Seide zu ſouplieren. Die Bäder
werden je nach der Höhe der Beſchwerung 10 bis 15 mal wiederholt und
dadurch eine Beſchwerung von 300 bis 400 Prozent erreicht. Statt des
Avivierens folgt zuletzt noch eine Behandlung mit Olivenöl.


Auf abgekochte Seide färbt man auch


4. Das Schnellſchwarz. Man bereitet ſich ein Bad aus einer
Abkochung von 20 Prozent Gelbholz, 5 Prozent Gambir-Catechu, 4 Prozent
Kupfervitriol und 20 Prozent Eiſenvitriol, und zieht die Seide 2 Stunden
lang fleißig um, nimmt heraus, wäſcht und centrifugiert. Dieſes Schwarz
gibt keine Beſchwerung.


37*
[580]

5. Lyoner Schwarz. Man beizt kalt in einer 30° Bé. ſtarken
Auflöſung von baſiſch ſchwefelſaurem Eiſenoxyd, ſpült, paſſiert ein 70° R.
warmes Seifenbad, und färbt dann in beſonderem Bade mit 15 bis 20
Prozent gelbem Blutlaugenſalz und ebenſo viel Salzſäure berlinerblau.
Nachdem die Farbe entwickelt, geht man wieder auf das erſte Eiſenbad zurück,
ſpült wieder, und färbt nun in einem ſtarken Catechubade (50 bis 100 Pro-
zent vom Gewicht der Seide) bei 50 bis 65° ſchwarz. Auf die ſo blau-
ſchwarz gefärbte Seide wird nun noch ein Blauholzſchwarz geſetzt; man
behandelt zu dem Behufe die Ware in einer kalten Alaunbeize, wäſcht auf
der Waſchmaſchine und färbt in neuem Bade mit der Abkochung von 20 Pro-
zent Blauholz und 5 Prozent Gelbholz unter Zuſatz von etwas Seife. Als
letzte Operation folgt ein Avivieren in einem Oelbade. Mit dieſem Schwarz
wird die Seide bis um 10 Prozent beſchwert.


6. Schwerſchwarz, beſonders für Atlas, Taffet u. dergl. Man
beizt und ſeift, wie bei Lyoner Schwarz und wiederholt dieſe Behandlung
wechſelsweiſe bis zu 10 mal; dann wird wie beim vorigen mit Blutlaugen-
ſalz und Salzſäure blau gefärbt. Nun geht man auf ein 100 bis 150
Prozent (vom Gewicht der Seide) ſtarkes Catechubad und behandelt darauf
bei 50 bis 65° einige Zeit unter Zuſatz von 10 bis 15 Prozent Zinnſalz.
Dann folgt ein zweites noch ſtärkeres Catechubad. Die ſo gefärbte Seide
erhält ſchließlich noch einen Aufſatz von Blauholzſchwarz, indem man ſie
mit holzeſſigſaurem Eiſen beizt und auf friſchem Bade mit Blauholz und
Seife, wie oben, ausfärbt und ſchließlich im Oelbade aviviert.


7. Sammetſchwarz. Man gibt der Seide zunächſt einen blauen
Grund mittels Alkaliblau, beizt und ſeift dann, wie bei Lyoner Schwarz,
und färbt in friſchem Bade mit 40 Prozent Gelbholz, 8 Prozent Eiſen-
vitriol und 2 Prozent Grünſpan; darauf folgt noch ein Blauholzaufſatz unter
Zugabe von etwas Seife; endlich wird geölt.


8. Anilinſchwarz. Die Anwendung des Anilinſchwarz befindet ſich
zur Zeit noch im Verſuchsſtadium; obgleich einzelne ziemlich gelungene Ver-
ſuche zu verzeichnen ſind, ſo iſt doch noch keine Methode gefunden, welche
allgemeine Anerkennung gefunden hat.


Das Schwarzfärben der Seide iſt ein eigener Induſtriezweig gewor-
den, welcher durch den vorſtehenden Paragraphen nicht im entfernteſten er-
ſchöpft iſt; auch ſollen die gegebenen Färbemethoden nur allgemeine An-
haltepunkte liefern. Die meiſten Fabriken arbeiten nach geheimgehaltenen
Rezepten.


3. Baumwollenfärberei.


§ 66. Die Färbemethoden.

Mit der Färberei der Baumwolle gelangen wir auf ein von dem bis-
her betrachteten völlig abweichendes Gebiet. Während Wolle und Seide
tieriſchen Urſprungs ſind, iſt die Baumwolle der Hauptvertreter pflanzlicher
Geſpinnſtfaſern. Wir haben bereits an verſchiedenen Stellen dieſes Buches
Gelegenheit gehabt, die Unterſchiede zwiſchen tieriſcher und pflanzlicher Faſer
unter ſich, ſowie in ihrem Verhalten gegen Chemikalien und Farbſtoffe zu
[581] betrachten. Dieſe treten bei der Färberei der Baumwolle am deutlichſten
hervor. Insbeſondere wurde hervorgehoben, daß die Verwandtſchaft der
Baumwollfaſer zu den Farbſtoffen eine weit geringere ſei, und daß die große
Zahl von Farbſtoffen, welche Wolle und Seide direkt färben, auf Baum-
wolle nur mit Hilfe von Beizen zu fixieren ſei und daß die Klaſſe ſaurer
Farbſtoffe auf Baumwolle und pflanzliche Geſpinnſtfaſern überhaupt nicht
anwendbar ſei. Die Baumwolle galt daher als eine Geſpinnſtfaſer, welche
ſich direkt überhaupt nicht färben laſſe, und für welche ſubſtantive
Farbſtoffe
überhaupt nicht exiſtierten. Dieſe Anſchauung hat ſich ſeit
wenigen Jahren geändert; der immer raſtende Fortſchritt der Farbenchemie
hat auf dem großen Gebiet der Azofarbſtoffe eine Anzahl von Farbſtoffen
erzeugt, welche vom Benzidin, Tolidin, Xilidin, Stilben u. ſ. w. ſich ableiten
und die Eigenſchaften beſitzen, Baumwolle aus einem ſchwachen Seifenbade
ohne Zuhilfenahme von Beizen direkt zu färben.


Damit iſt die Färberei vegetabiliſcher Geſpinnſtfaſern, ſpeziell die Baum-
wollfärberei, in eine neue Phaſe getreten, und wir beſitzen bereits jetzt eine
Reihe ſubſtantiver Baumwollenfarbſtoffe, an welche vor 6 Jahren
noch niemand zu denken wagte. Demnach läßt ſich die heutige Baumwollen-
färberei einteilen in:


1. Subſtantives Baumwollfärben. Dieſe Methode iſt die denkbar
einfachſte; der Farbſtoff wird in Waſſer gelöſt, das Färbebad durch Zuſatz
von etwas Marſeiller Seife ſchwach alkaliſch gemacht, mit der genetzten
Ware bei 40° eingegangen und bei 80° ausgefärbt; zuletzt ſpülen, ſchleu-
dern und trocknen. — Auch das Färben mit Indigo iſt ein ſubſtantives.


2. Adjektives Baumwollfärben. Dieſes iſt die bisher allgemein
geübte, bekannte alte Methode, welche im Beizen der Baumwolle und Färben
in beſonderem Bade beſteht. Inſofern würde dieſe Methode dem indirekten
Wollfärben entſprechen; nur ſchiebt ſich bei der Baumwollenfärberei zwiſchen
das eigentliche Beizen und das Färben noch eine weitere Operation ein,
das Fixieren der Beize. Die indirekte Baumwollenfärberei verlangt
alſo (wenigſtens ſehr oft) 3 Bäder, wobei man das zweite Bad, das Fixierungs-
bad, mit Recht zu den Beizarbeiten zählt. Die hier beſprochene Methode
iſt die gebräuchlichſte und meiſt angewandte und entſpricht dem Vorbeizen
der Wolle.


Ein Mitbeizen der Baumwolle, alſo ein Beizen und Färben in
einem Bade, findet bei der Baumwolle nur ausnahmsweiſe ſtatt. Die
Erfahrung hat gelehrt, daß einzelne der neuen ſubſtantiven Baumwollfarb-
ſtoffe (z. B. Benzopurpurin) beſſer an die Faſer gehen, wenn ihnen im
Färbebade phosphorſaures Natron oder auch Kochſalz beigegeben wird; in die-
ſem Falle fände alſo ein Mitbeizen ſtatt. In dieſe Kategorie gehört auch die
Zugabe von Kupfervitriol zum Färbebade beim Schwarzfärben mittels Blauholz.


Ein Nachbeizen der Baumwolle, d. h. ein direktes Färben der
Baumwolle mit darauf folgendem Beizen, wie es bei Wolle nicht ſelten angewen-
det wird, iſt nicht zu empfehlen; dazu iſt die Verwandtſchaft der Baumwoll-
faſer zu den Farbſtoffen zu gering. Einen richtigen Sinn würde das nur
in dem Fall haben, daß dadurch ein Dunkeln der Farbe erreicht werden
ſoll, oder daß, wie beim Färben mit Catechu, das zweite Bad als Ent-
wickelungsbad betrachtet werden kann. Ein Behandeln mit Beizen nach dem
Färben würde ferner bei einigen Benzidinfarben angebracht ſein; es hätte
[582] in dieſem Falle aber nicht den Zweck des Beizens, ſondern den des Schönens
und Belebens oder der Nüancierung des Farbentones.


Eine Aufeinanderfolge von Vorbeizen, Färben und Nachbeizen, wie es
beim Färben von Blauholzſchwarz angewendet wird, iſt das Beſchweren,
wobei dieſelben Operationen mehrmals nacheinander wiederholt werden und
wodurch eine ſchichtenweiſe Uebereinanderlagerung des Farbſtoffes bezweckt
werden ſoll.


Von den beſchriebenen Methoden gewährt die erſte, das Vorbeizen, die
beſten Reſultate und ſollte überall zur Anwendung gebracht werden, wo ſich
aus irgend einem Grunde die Anwendung ſubſtantiver Baumwollfarbſtoffe
verbietet.


Die Baumwollfärberei bietet uns eine völlig neue Reihe von Beizen
und Farbſtoffen, welche in den nächſten Paragraphen zur Erläuterung kommen.


§ 67. Baumwollbeizen.

Die Zahl der zum Beizen der Baumwolle gebrauchten geeigneten Kör-
per iſt ziemlich klein und ihre Wahl hängt von dem chemiſchen Charakter
des zu fixierenden Farbſtoffes ab. Zum Färben mit neutralen Farbſtoffen
beizt man die Baumwolle mit Gerbſäure. Die Faſer vermag aber die
Gerbſäure nicht genügend feſt zu binden; ſie muß deshalb auf der Faſer
fixiert werden; dies geſchieht mittels Antimonſalzen. Dieſe Beizmethode iſt
das Tannin-Brechweinſtein-Verfahren. Schwach ſaure Farbſtoffe
werden mit Thonerdeſalzen gebeizt; ſtark ſaure teils mit Thonerde-, teils mit
Zinnſalzen. Chrombeizen finden nur beſchränkte Anwendung, und Eiſen- und
Kupferbeizen nur zum Dunkeln oder zum Schwarzfärben.


Beizen mit Gerbſäure und Antimonſalzen. Das Beizen
bezweckt die Bildung eines unlöslichen Farbſtofflackes auf der Faſer. Die
Gerbſäure bildet mit den neutralen künſtlichen organiſchen Farbſtoffen ſolche
unlösliche Farblacke; dieſelben beſitzen jedoch die Eigenſchaft, in einem Ueber-
ſchuß von Gerbſäure ſich wieder zu löſen. Wollte man die Baumwolle da-
her nur mit Gerbſäure beizen, ſo würde man einen unlöslichen Farblack
nur mit einem Ueberſchuß — d. h. alſo: einem Verluſt — von Farbſtoff
erkaufen. Behandelt man dagegen die mit Gerbſäure gebeizte Faſer mit
einem Antimonſalz, ſo erhält man in reſp. auf der Faſer einen Nieder-
ſchlag von gerbſaurem Antimon, welches die Eigenſchaft beſitzt, mit den
neutralen Farbſtoffen eine in überſchüſſiger Gerbſäure un-
lösliche Doppelverbindung zu
bilden. Die Färbungen neutraler Farb-
ſtoffe auf der Faſer ſind alſo gerbſaure Antimon-Farblacke.


Zum Beizen mit Gerbſäure kann jedes gerbſtoffhaltige Material ver-
wendet werden; da die meiſten derſelben aber ſehr dunkle Brühen geben,
ſo finden in der Praxis thatſächlich nur Tannin oder Sumach Anwen-
dung; letzterer aber auch nur für dunklere Farben. Hellere Farben dürfen
nur mit Tannin gebeizt werden. Beim Beizen mit Tannin oder
Sumach iſt jedes Hantieren mit eiſernen Gerätſchaften, ſo-
wie die Verwendung von Maſchinen mit Eiſenteilen thunlichſt
zu vermeiden
, da andernfalls ſchwärzliche Beizbäder reſultieren. Das
Tannin wird einfach in ſeinem 200fachen Gewichte handwarmen Waſſers
gelöſt, und das Beizbad iſt fertig. Es wird ſo gehandhabt, daß man mit
[583] der Ware in das warme Tanninbad (oder in eine entſprechend ſtarke
Sumach-Abkochung) eingeht und unter öfterem Umziehen einige Stunden, am
beſten über Nacht liegen läßt. Dieſe Arbeit nennt man Tannieren (reſp.
Schmackieren). Es hat ſich herausgeſtellt, daß es am praktiſchſten iſt, in die
Tanninlöſung nicht über 48° R. einzugehen*) und darin völlig erkalten zu
laſſen. In großen Färbereien, in denen Zeit Geld iſt, wendet man die
Tanninlöſung in 10facher Stärke an (alſo auf 100 l Waſſer 5 kg Tannin),
und beſorgt das Beizen auf der Paddingmaſchine. Die Ware wird mit der
konzentrierten Tanninlöſung imprägniert und nach einigen Minuten durch die
Preßwalzen ausgequetſcht.


Die Menge des zum Beizen verwendeten Tannins beträgt 4 bis 6 Pro-
zent vom Gewicht der Ware, je nach der zu erzielenden Nüance. Für Sumach
iſt es ſchwieriger, ein beſtimmtes Verhältnis anzugeben, da der Tanningehalt
desſelben ſchwankt; im Durchſchnitt rechnet man auf 1 Teil Tannin 5 bis
10 Teile Sumach, ſo daß man alſo zum Beizen mit Schmack 20 bis
60 Prozent vom Gewicht der Baumwolle verwendet.


Die zum Fixieren des Tannins dienenden Antimonſalze ſind: Brech-
weinſtein, Antimonoxalat, Antimonchlorid, Antimonfluorid und das de Haën-
ſche Antimonſalz. Ausführlicheres über dieſe Antimonverbindungen ſ. Erſter
Teil, § 99.


Bis vor wenig Jahren wurde einzig und allein der Brechweinſtein ver-
wendet; da derſelbe aber ein ſehr teures Präparat iſt, ſo war man beſtrebt,
denſelben durch ein billigeres Antimonpräparat oder mindeſtens doch durch
ein ſolches mit höherem Antimongehalt zu erſetzen. Insbeſondere war es
das oxalſaure Antimonoxydkali (Brechweinſteinerſatz), welcher demſelben
ſcharfe Konkurrenz bereitete, ſpäter das milchſaure Antimonoxyd; in neueſter
Zeit iſt der Brechweinſtein, welcher bis dahin überall vortreffliche Dienſte
geleiſtet hat, einigermaßen in den Hintergrund gedrängt durch das Antimon-
ſalz und das Doppeltantimonfluorid. Thatſächlich haben beide Präparate
zum Teil bereits Anwendung in der Baumwollenfärberei gefunden; immer-
hin aber wird der Brechweinſtein noch in ausgedehntem Maße verwendet, vornehm-
lich von älteren Färbern, welche jedem Fortſchritte abhold ſind. Was die Fabri-
kanten der neuen Antimonpräparate zu Gunſten derſelben namhaft machen,
iſt § 99 bereits erwähnt. Aus der Praxis liegt bislang erſt eine Stimme
vor (Lange, Färbereimuſterztg. 1889, Nr. 5), welche für die Anwendung
des Antimonſalzes ſpricht; die damit gebeizte Baumwolle ſoll ein helleres
Ausſehen haben als ſolche, die mit Brechweinſtein behandelt worden iſt. Die
Unterſchiede von den mir vorliegenden Färbungen ſind freilich ſo unbedeutend,
daß hierauf — wie mir ſcheint — kein ſo hohes Gewicht zu legen iſt. Weit
wichtiger iſt, daß dadurch die Brauchbarkeit des Antimonſalzes als Erſatz
für Brechweinſtein dargethan iſt. Aehnliche Erwägungen dürften für das
Doppeltantimonfluorid in Betracht kommen, für welches Stein mit Wärme
eingetreten iſt. In gleicher Weiſe bricht Kertész**) eine Lanze für das
Oxalat.


Das wahrſcheinliche Ende vom Liede wird die Erkenntnis ſein, daß
wir zur Erzeugung von gerbſaurem Antimon auf der Baumwollfaſer nicht
[584] mehr auf den Brechweinſtein allein angewieſen ſind, und daß die neueren
Präparate bei gleicher Tauglichkeit löslicher und billiger ſind, als dieſer,
was einer allmählichen Verdrängung desſelben gleichkommen dürfte.


Was die Praxis der Tanninfixierung anlangt, ſo geht man mit der
Ware aus dem Tannin- oder Schmackbad, ohne zu ſpülen, direkt in die
Antimonlöſung. Dieſe bereitet man ſich durch Löſen von 150 g Brechwein-
ſtein (oder 135 g Antimonſalz) in 100 l kalten Waſſers. Man behandelt
auf dieſem Bade ganz wie auf dem Tanninbade, indem man die Ware unter
nochmaligem Umziehen einige Stunden darin ſtecken läßt. Während dieſer
Zeit vollzieht ſich auf der Faſer der Prozeß der Bildung von gerbſaurem
Antimon, unter gleichzeitiger Freiwerdung von Weinſäure (reſp. Flußſäure).
Das Bad wird gegen das Ende zu immer ſaurer. Da die Baumwollfaſer
aber ſehr empfindlich gegen freie Säure iſt, ſo iſt es wichtig, dieſe in dem
Maße ihrer Bildung abzuſtumpfen. Man erreicht das dadurch, daß man
von Zeit zu Zeit geringe Mengen von Sodalöſung (annähernd im ganzen
den fünften Teil Kryſtallſoda, als wie Brechweinſtein) dem ſauer werdenden
Bade zugibt. Einen Sodazuſatz gleich im Anfange halte ich für weniger
empfehlenswert. — Nach der Antimonpaſſage wird die Ware geſpült. So-
wohl das Tannin- (oder Sumach) bad wie das Antimonbad werden nicht aus-
gezogen und können unter entſprechendem Zuſatz des Beizmittels wieder ver-
wendet werden. Es iſt vorteilhaft, ſofort nach beendetem Beizen und
Spülen die Ware in das Färbebad zu bringen, ohne vorher zu trocknen.


Die Gerbſäure läßt ſich allerdings auch mit andern Metallſalzen fixieren;
ſo dienen eſſigſaures Zink, baſiſcher Alaun, Zinnchlorid, zinnſaures Natron,
und Eiſenſalze. Die ſo erhaltenen gerbſauren Verbindungen des Zinks, Zinns,
des Eiſens und der Thonerde fixieren allerdings auch Farbſtoffe, aber die
ſo gewonnenen Färbungen erreichen an Waſchechtheit ſämtlich nicht die mit
Antimonbeize hergeſtellten.


Beizen mit Thonerdeſalzen. Der Alaun beſitzt wenig oder gar keine
Affinität zur Baumwollfaſer; aus mit Alaun gebeizter Baumwolle läßt ſich der
Alaun durch einfaches Spülen wieder entfernen. Will man daher die Baumwolle
mit Thonerde imprägnieren, ſo muß man dieſelbe mit Hilfe anderer Stoffe
aus Thonerdeſalzen auf der Faſer fixieren, oder man verwendet — was
vielfach geſchieht — baſiſche Thonerdeſalze an, welche leicht einen Teil
ihrer Thonerde an die Baumwolle abgeben, während ſich der andere Teil zu
einem neutralen Salz umſetzt. Als ſolche baſiſche Thonerdeſalze werden mit
Vorliebe eſſigſaure Thonerde, baſiſcher Alaun, neutrale oder baſiſch-
ſchwefelſaurer Thonerde, ſchwefligſaure Thonerde benutzt. Wendet man dagegen
Alaun an, ſo wird man am beſten zum Fixieren der Thonerde ein geſondertes
Bad aus Soda oder kohlenſaurem Ammoniak, Seife oder Türkiſchrotöl be-
nutzen; für letzteren Zweck dient in gewiſſem Grade, wenngleich in be-
ſchränktem Umfange, das Thonerdenatron; auch Waſſerglas wird nicht ſelten
angewendet. Alle dieſe Thonerdebeizungen kommen nur für das Färben mit
Alizarinfarben in Betracht, ſpeziell in der Türkiſchrotfärberei, welche
ſpäter ausführlich behandelt iſt, und bei der dann auch das Beizen mit
Thonerdeſalzen für den ſpeziellen Zweck ausführlich behandelt wird.


Beizen mit Eiſenſalzen. Ein eigentliches Vorbeizen mit Eiſen-
ſalzen findet nur in der Schwarzfärberei und in der Färberei mit Alizarin-
farben ſtatt. Im erſteren Falle handelt es ſich nicht um Niederſchlagung
[585] von baſiſchen Eiſenoxydſalzen auf der Faſer, ſondern um eine Beſchwerung,
worüber beim Schwarzfärben Ausführlicheres. Hummel macht einen ſehr
beachtenswerten Vorſchlag, indem er empfiehlt, die Baumwolle zu tannieren,
und dann in einem Eiſenoxydſalze zu behandeln. Die Anwendung der
Eiſenbeize in der Alizarinfärberei iſt in dem Kapitel „Türkiſchrotfärberei“
behandelt.


Beizen mit Chromſalzen. Das Beizen mit Chromſalzen hat den
Zweck, die Baumwolle mit Chromoxyd zu beladen. Die Methoden des
Fixierens von Chromoxyd auf der Faſer haben lange Zeit hindurch keine be-
friedigenden Reſultate gegeben, da die Baumwollfaſer wenig Neigung zur Zer-
ſetzung von chromſauren Salzen zeigte; ſelbſt leicht zerſetzbare Salze, wie
das eſſigſaure Chrom, werden nicht reduciert. Man nahm daher das Fixieren
des Chromoxydes mittels Niederſchlagung vor, indem man mit Chrom-
alaun
beizte und nachher in einem heißen konzentrierten Sodabade das
Chromoxyd fixierte. Dieſe Methode wird noch beſſere Reſultate geben, wenn
man die Chromalaunlöſung vorweg mit Soda verſetzt und ſo einen baſiſchen
Chromalaun
erzeugt.


Seitens der Badiſchen Anilin- und Sodafabrik iſt vorgeſchlagen worden,
mit Türkiſchrotöl zu tränken und dann mit baſiſchem Chromchlorid zu
beizen, was die Fixierung von ölſaurem Chrom auf der Faſer bedeuten
würde.


Die Köchlinſche Methode der Fixation von Chromoxyd auf Baum-
wolle beruht auf der Herſtellung von mit Alkali überſättigten Chromlöſungen,
wie ſie z. B. durch folgende Löſung
2 Teile eſſigſaures Chrom von 16° Bé.
2 „ Natronlauge von 36° Bé.
6 „ Waſſer

repräſentiert wird. Derartige Löſungen geben bei der bloßen Berührung
mit der Baumwollfaſer ihr Chromoxyd an dieſelbe ab. Dieſe Vorſchrift iſt
neuerdings von Köchlin noch weiter modificiert worden, indem er ein zwei-
maliges Beizen in nachfolgender Flüſſigkeit empfiehlt:
10 Teile eſſigſaures Chrom 16° Bé.
48 „ Waſſer.
32 „ Natronlauge 36° Bé.
1 „ Glycerin.


Endlich ſei an den vom Verfaſſer gemachten Vorſchlag*) der Verwendung
von Chromoxydnatron erinnert. Dieſen Vorſchlag möchte ich heute noch
weiter abändern, indem ich empfehle, die Baumwolle zuerſt durch ein Türkiſch-
rotölbad zu paſſieren.


Neuerdings hat ſich Gatty die Fixation von Chromoxyd auf Baum-
wollgarnen und Geweben durch Bildung von Chromſulfat auf der Faſer und
Fällung des Oxydes aus demſelben patentieren laſſen. Man imprägniert das
Material zuerſt mit einer Löſung von Kalium- oder Natriumbichromat mit wenig
Natriumacetat oder -carbonat und ſetzt es dann der Einwirkung von gas-
förmiger ſchwefliger Säure aus, bis das Bichromat in Chromſulfat umge-
wandelt iſt. Schließlich läßt man das Material ein alkaliſches Bad paſſieren,
[586] welches das Oxyd fällt. Um den Farbton zu verändern, kann mit dem
Bichromat ein Eiſenſalz oder anderes Metallſalz gemiſcht werden*).


Beizen mit Kaliumdichromat findet nur zur Erzeugung von Chrom-
gelb und Chromorange ſtatt. Ein Nachbeizen mit Kaliumdichromat wird
zum Entwickeln von Catechufarben angewendet.


Beizen mit Zinnchlorid. Zinnchlorid wird außer zum Rotfärben
mit Rotholz kaum verwendet; größer iſt deſſen Anwendung in der Färberei
der halbwollenen Gewebe zum Beizen des Baumwollfadens. — Am meiſten
findet es Verwendung darin, wenn man die Baumwolle mit Farbhölzern oder
Farbholzextrakten färben will. Dabei findet eine Doppelwirkung ſtatt; die
Farbhölzer und Extrakte enthalten neben dem Farbſtoff auch noch Gerbſäure;
dieſe beizt die Baumwolle, und wird durch das Zinnchlorid fixiert, das ge-
bildete gerbſaure Zinn aber fixiert den Farbſtoff als unlöslichen Lack. —
Das Zinnchlorid wird bisweilen auch als Fixierungsmittel für Tannin an
Stelle von Brechweinſtein gebraucht, wenn es ſich um das Färben neutraler
Farbſtoffe handelt. — Desgleichen findet Zinnkompoſition in gewiſſen Fällen
Anwendung zum Vorbeizen mit Seife und Gelatine, wenn ſtark ſaure
Farbſtoffe fixiert werden ſollen.


Beizen mit Kupfervitriol. Der Kupfervitriol wird entweder als
Mitbeize oder als Nachbeize verwendet, im erſteren Falle mit Catechu zu-
ſammen als Oxydationsmittel, im letzteren Falle zum Dunkeln von Blau-
holzfarben; in beiden Fällen wirkt es als Oxydationsmittel.


Beizen mit Bleizucker. Ein ſolches findet nur beim Erzeugen von
Chromgelb oder Chromorange ſtatt.


Beizen mit Seife und mit Oel. Dieſes hat den Zweck, gewiſſe
Metallſalze, vornehmlich Thonerde- und Eiſenſalze, als ölſaure Verbindungen
auf der Faſer zu fixieren. Dieſe Beizmethode findet ausgedehnte Anwendung
in der Türkiſchrotfärberei, bei der die Einzelheiten ihrer Anwendung aus-
führlich angegeben ſind. Für das Fixieren gewöhnlicher neutraler Thonfarb-
ſtoffe kürzt man das Verfahren ab, indem man mit einer ammoniakaliſchen
Löſung von Türkiſchrotöl oder Ricinusölſeife die Baumwolle imprägniert,
dann eine Zeitlang in eine Löſung von eſſigſaurer Thonerde einlegt und
vor dem Färben ſpült.


§ 68. Das Animaliſieren der Baumwolle.

Das Animaliſieren hat den Zweck, der Baumwolle durch beſondere
Methoden die Eigenſchaften einer tieriſchen Faſer zu erteilen. Dieſe Me-
thoden ſind gewiſſermaßen als Beizmethoden zu betrachten, denn ſie bezwecken
ſchließlich doch weiter nichts, als die Baumwolle zur Aufnahme von
Farbſtoffen, dieſesmal aber von Wollfarbſtofen, zu befähigen. Zu
dem Zweck wird die Baumwollfaſer mit Löſungen von tieriſcher Subſtanz
imprägniert; hierzu dient am beſten Leim oder für helle Farben Gelatine.
Man verfährt am beſten ſo, daß man eine Seifenlöſung bereitet, dieſelbe mit
etwas in heißem Waſſer unter Weingeiſtzuſatz gelöſter Gelatine verſetzt, und
die Baumwolle in das ſo bereitete Bad einlegt. Leim iſt bekanntlich tieriſchen
Urſprungs; durch Imprägnieren damit wird die Baumwolle einigermaßen
geneigt gemacht, auch mit den ſauren Wollfarbſtoffen ſich färben zu laſſen.


[587]

Die in dieſer Richtung gemachten Verſuche haben zwar noch nicht all-
ſeitig befriedigende Reſultate ergeben, doch ſind einzelne bemerkenswerte Fort-
ſchritte zu verzeichnen, die hier nicht unerwähnt bleiben dürfen.


Die ſtark ſauren Farbſtoffe geben allerdings mit mehreren Beizen un-
lösliche Farblacke; dieſe ſind aber ziemlich unbeſtändige Verbindungen. Man
kann dieſelben für den Zweck der Baumwollenfärberei in 2 Klaſſen teilen:
Farbſtoffe, welche durch Alaun nicht gefällt werden und ſolche, welche dadurch
gefällt werden.


Die erſteren kann man dann, nachdem man die Baumwolle in obiger
Weiſe mit Gelatine imprägniert, in folgender Weiſe färben: Man bereitet
das Färbebad durch Löſen des Farbſtoffes in Waſſer, und fügt 10 Prozent
(vom Gewicht der Wolle) Alaun und 1 Prozent Eſſigſäure hinzu; in dieſes
Bad geht man mit der direkt aus dem Seifenbade kommenden Ware ein,
ohne vorher zu ſpülen. Kertész rät, in konzentrierten Bädern zu arbeiten.
— Oder: Man legt die animaliſierte Baumwolle, ohne zu ſpülen, in ein
kaltes Bad von 2 bis 3 Prozent (vom Gewicht der Baumwolle) Tannin,
läßt 2 Stunden darin liegen, ringt gut aus und legt in eine Löſung von
baſiſchem, abſolut eiſenfreiem Alaun ein, läßt auch hierin 1 bis 2 Stun-
den ſtecken, ringt wieder aus, und geht dann, ohne zu ſpülen, auf das kon-
zentrierte Färbebad und behandelt darin unter langſamem Erwärmen.


Farbſtoffe, welche durch Alaun gefällt werden, kann man zwar auch nach
der zweiten der vorſtehenden Methoden behandeln, nur mit dem Unterſchiede,
daß man nach dem Beizen, alſo vor dem Bringen in das Färbebad, gut
wäſcht. Die ſo erhaltenen Färbungen ſind aber nie recht befriedigend. Zur
Erzielung beſſerer Nüancen gibt Kertész*) folgende Vorſchrift:


„Die geſeifte Baumwolle wird in 6° Bé. zinnſaures Natron gelegt,
„zwei Stunden darin ruhen gelaſſen, abgerungen und in ein Bad von Thon-
„erdenatron, 12 bis 15° Bé., gebracht; nach 3 bis 4 Stunden wird abge-
„rungen und ins konzentrierte Färbebad gegangen, dem pro 100 l Farbflotte
„circa ½ l Eſſigſäure zugemiſcht iſt. Man geht kalt ein und ſteigt nachher
„langſam zum Kochen. Nach dem Färben darf die Ware nicht gewaſchen
„werden, ſondern wird nach egalem Abringen getrocknet.“


Aber ſelbſt die auf dieſem Wege erzielten Färbungen ſind im allge-
meinen wenig ermuthigend; darum iſt im nachfolgenden Paragraphen auf
das Färben mit ſtark ſauren Farbſtoffen keine Rückſicht genommen.


§ 69. Die Baumwollfarbſtoffe.

1. Direkt aus ſchwachem Seifenbade färbende.

  • Safflor.
  • Orlean.
  • Curcuma (ohne Seife).
  • Indigo (ohne Seife).
  • Catechu (ohne Seife).
  • ———
  • Congo.
  • Congo G R.
  • Congo 4 R.
  • Brillantcongo.
  • R.
  • Benzopurpurin B.
  • — 4 B.
  • — 6 B.
  • Roſazurin G.
  • B.
[588]
  • Deltapurpurin 5 B.
  • — 7 B.
  • Heſſiſch Purpur N.
  • P.
  • B.
  • D.
  • Azoorſeilline.
  • Chryſamin G.
  • R.
  • Congogelb en pâte.
  • Brillantgelb.
  • Chryſophenin.
  • Heſſiſch Gelb.
  • Benzoazurin G.
  • Azoblau.
  • Azoviolett.
  • Heſſiſch Violett.
  • Heliotrop.
  • Roſazurin B B.
  • Congo Corinth B.
  • Benzobraun*).
  • Violettſchwarz.
  • Benzoſchwarzblau*).

2. Auf Tannin und Antimonverbindungen.

  • Fuchſin.
  • Ceriſe.
  • Grenadin.
  • Marron.
  • Safranin.
  • Rhodamin.
  • Viktoriaorange.
  • Goldorange.
  • Chryſoidin.
  • Auramin.
  • Phosphin.
  • Malachitgrün.
  • Aethylgrün.
  • Brillantgrün.
  • Viktoriagrün 3 B.
  • Viktoriablau B.
  • — 4 R.
  • Nachtblau.
  • Neublau.
  • Methylenblau.
  • Muscarin.
  • Nilblau.
  • Neutralblau.
  • Basler Blau.
  • Bayriſchblau D B F.
  • Methylblau B.
  • Waſſerblau 6 B extra.
  • Indulin.
  • Indazin M*).
  • Methylviolett B.
  • Kryſtallviolett.
  • Benzylviolett.
  • Hofmanns Violett.
  • Aethylviolett.
  • Neutralviolett.
  • Giroflé.
  • Prune.
  • Bismarckbraun.

3. Auf Thonerde- oder Zinnbeizen.

  • Rotholz.
  • Camwood.
  • Krapp.
  • Gelbholz.
  • Quercitron.
  • Wau.
  • Kreuzbeeren.
  • Gelbſchoten.
  • Flavin.
  • Rhodamin.
  • Eoſin.
  • B N.
  • Erythroſin.
  • Phloxin.
  • Bengalroſa.
  • Alizarin.
  • Flavopurpurin.
  • Anthrapurpurin.
  • Purpurin.
  • Chryſolin.
  • Alizarinorange.
  • Galloflavin.
  • Coeruleïn.
  • Anilinblau ſpritlöslich.
  • Viktoriablau B.
  • Viktoriablau 4 R. (Methylen-
    blau.)
  • Galleïn.

[589]
4. Auf anderweite Beizen.

  • Canarin.
  • Alizarinblau.
  • Indophenol.
  • Gallocyanin.
  • Prune.
  • Anthracenbraun.

5. Primulin und die Ingrainfarben.

Dieſe ſind ſubſtantive Baumwollfarbſtoffe und gehen aus neutralem Bade
unter Mitbeizung von Kochſalz an die Faſer; von dieſen iſt das Primulin
ein eigentlicher Farbſtoff; die übrigen Ingrainfarben werden erſt durch Diazo-
tierung und nachfolgende Behandlung mit einem „Entwickler“ direkt auf der
Faſer erzeugt (vergl. Erſter Teil, § 72).


Ueber die neueſten Baumwollfarbſtoffe vergleiche man den Nachtrag.


§ 70. Rote Färbungen auf Baumwolle.
(Mit Ausſchluß des Türkiſchrots.)

1. Direkte Färbungen.

Von den natürlichen Farbſtoffen geben nur Safflor und Orlean
direkte Färbungen auf ungebeizte Baumwolle. Die Farbſtoffe beider ſind
aber nur unter Mithilfe von Alkalien in Waſſer löslich, ſie können daher nur
in einem mit Seife oder Soda verſetzten Färbebade zur Anwendung ge-
langen. Man verfährt bei Safflor ſo, daß, nachdem man die Baumwolle
einige Zeit in dem kalten ſodahaltigen Bade behandelt hat, aufhebt, dann
mit Eſſigſäure, Weinſäure oder Citronenſäure den Farbſtoff (Carthaminſäure)
in Freiheit ſetzt, mit der Ware wieder eingeht und in dieſem Bade die
Farbe entwickelt. Schließlich ſpülen in mit Eſſigſäure ſchwach angeſäuertem
Bade und trocknen im Schatten! — Bei Orlean genügt Ausfärben im
Seifenbade und Spülen in einem leichten Schwefelſäure- oder Alaunbade.


Safflor gibt ein lebhaftes reines Roſa, Orlean ein gelbſtichiges Rot. Durch
Kombination erhält man ein Scharlachrot, indem man mit Orlean grun-
diert, mit Alaun ſchönt, und mit Safflor ausfärbt.


Von den Benzidinfarbſtoffen färbt Congo aus einfacher wäſſeriger
Löſung, auch ohne Seifenzuſatz, die Baumwolle direkt rot. Alle übrigen
geben nur im Seifenbade eine volle Farbe; unter ihnen geben folgende
6 bläuliche Nüancen: Roſazurin G und B, Heſſiſch Purpur N, B, P und D;
die andern geben mehr rein rote Färbungen.


Von den Ingrainfarben gehört hierher das Ingrainrot. Ueber Er-
fahrung und Reſultate in deſſen Anwendung ſchreibt die „Chemiker-Zeitung“
1888, S. 923: Dieſes bildet ſich auf der Faſer, indem die Baumwolle
zuerſt in Primulin ausgefärbt, dann diazotiert und durch den Rotentwickler
genommen wird. Das Arbeiten geht glatt vor ſich, wenigſtens dürfte dies
bei theoretiſch gebildeten Färbern der Fall ſein; ob ſich dem mehr praktiſch
hantierenden Färber keine Schwierigkeiten zeigen werden, dürfte noch als
Frage dahingeſtellt bleiben. Jedenfalls müßte man letzterem das Arbeiten
dadurch erleichtern, daß man die Entwickler durch Zuſatz von Soda leichter
löslich macht, denn jetzt zeigt das Löſen Schwierigkeiten, wodurch bei geringer
Unachtſamkeit leicht fleckige Ware entſtehen kann.


Die erhaltene Nüance iſt blauroter als Congo, Benzopurpurin 4 B und
auch etwas matter. Die Waſchechtheit iſt eine ausgezeichnete, und was be-
[590] ſonders ins Gewicht fällt, es ſchmutzt nicht ab, was bekanntlich bei Congo
und Benzopurpurin ein ſtarker Nachteil iſt. Es gleicht in dieſer Beziehung dem
Alizarinrot. Auch gegen verdünnte Säuren verhält es ſich wie Alizarinrot,
dagegen ſteht es dieſem an Lichtechtheit ſtark nach, indem die Lichtechtheit
nicht beſſer als die von Benzopurpurin 4 B oder Diaminrot iſt.


Das Facit wäre:


Gegen Congo oder Benzopurpurin 4 B:


Ein bläulicheres Rot, das nicht abſchmutzt, waſchecht iſt und durch
verdünnte Säuren nicht beeinflußt wird, dagegen eine kompliziertere Er-
zeugung bedingt.


Gegen Alizarinrot:


Ein etwas matteres Rot, das in der Erzeugung leichter geht, dagegen
dem Licht gegenüber weniger widerſtandsfähig iſt.


Dies wären die bisher wahrnehmbaren Vor- und Nachteile, mit denen
bei Anwendung von Ingrainrot zu rechnen wäre.


2. Rote Färbungen auf tannierte Baumwolle.

Hierzu eignen ſich einzig die neutralen künſtlichen organiſchen Farbſtoffe.
Natürliche Farbſtoffe ſind auf dieſe Weiſe nicht zu fixieren. Das Verfahren
iſt verhältnismäßig einfach. Beizen in Tannin und Brechweinſtein oder einem
der anderen Antimonpräparate nach § 68. Von den in § 69, 2, bezeich-
neten roten Farbſtoffen gibt Fuchſin das bekannte Blaurot, Rhodamin
ein zartes bläuliches Roſa; Grenadine, Ceriſe und Marron liefern
kirſchrote, granatrote bis braunrote Töne, je nach der Reinheit des Farb-
ſtoffes. Safranin liefert eine etwas bläulichere Nüance als das Alizarin-
rot; man benutzt es daher unter Zuhilfenahme eines gelben Farbſtoffes zum
Nüancieren zur Nachahmung von Türkiſchrot.


3. Färbungen auf Thonerde- oder Zinnbeizen.

Hierher gehört vor allen Dingen die Türkiſchrotfärberei, welche,
da ſie eine Induſtrie für ſich bildet, auch in einem eigenen Kapitel behandelt
werden ſoll.


Die Rothölzer geben mit Thonerdebeizen matte bläulichrote Töne,
welche zwar ziemlich ſäure- und ſeifenecht, aber wenig lichtecht ſind. Am
beſten behandelt man die Baumwolle zuerſt auf einem ſchwachen Schmack-
bade, beizt dann mit Alaun, ſpült und färbt auf friſchem Bade mit einer
Abkochung des Farbholzes. Camwood gibt mit Thonerdebeizen ähn-
liche, aber lebhafter rote Töne.


Braſilienholz erzielt auf mit Zinnchlorid gebeizter Baumwolle ein
gelbſtichiges Rot; beizt man erſt mit Alaun, dann mit Zinnbeize, und färbt
in beſonderem Bade unter Zugabe von etwas Gelbholz aus, ſo erhält man
ein ziemlich lebhaftes Scharlachrot.


Camwood gibt mit Zinnbeizen einen dem Türkiſchrot nicht unähn-
lichen Ton und wird deshalb zur Imitation desſelben benutzt. Am beſten
beizt man die Baumwolle für dieſen Zweck mit zinnſaurem Natron, paſſiert
ein mit Schwefelſäure angeſäuertes Bad, und färbt in beſonderem Bade mit
dem doppelten Gewicht (der Baumwolle) Camwood; kalt eingehen, bis zum
Kochen treiben und darin 1 Stunde erhalten.


[591]

Krapp wird noch hier und da zum Türkiſchrotfärben benutzt; die An-
wendung iſt in einem beſonderen Kapitel beſchrieben. Die künſtlichen organi-
ſchen Farbſtoffe, welche ſich mit Thonerde- oder Zinnbeizen fixieren laſſen, ſind
entweder Anthracenfarbſtoffe (Alizarin u. ſ. w.) und dann im Kapitel
„Türkiſchrotfärberei“ beſchrieben, oder Phtaleïnfarbſtoffe (Eoſinfarben).
Die Anwendung der letzteren hat jedoch zweifellos Aehnlichkeit mit der An-
wendung von Alizarin. Um mit Eoſinfarben ſchöne Effekte auf Baumwolle
zu erzielen, muß man mit Türkiſchrotöl beizen, abringen, trocknen und
dämpfen, dann in eſſigſaure Thonerde einlegen, 2 Stunden kalt darin be-
handeln und dann, ohne zu ſpülen, in die mit 5 bis 10 Prozent Alaun
verſetzte Farbſtofflöſung bei 35° R. eingehen und in derſelben unter fleißigem
Hantieren erkalten laſſen. Die erhaltenen Nüancen ſind alle gelbſtichig.
Blauſtichige Töne erhält man zwar, wenn man ſtatt der eſſigſauren Thon-
erde baſiſch eſſigſaures Blei verwendet; die ſo erzielten Farblacke ſind aber
giftig und es wäre richtiger, den bläulichen Ton durch Nüancieren mit
etwas Viktoriablau zu erzielen. Kalkhaltiges Waſſer iſt beim Färben mit
Eoſinfarben unbedingt zu vermeiden. — Rhodamin gibt mit Thonerdebeizen
je nach der Farbſtoffmenge ein helleres oder dunkleres Bläulichrot von der
Nüance des Safflors. Die ſämtlichen Eoſinfärbungen ſind jedoch wenig
lichtecht; die mit Oelbeizen erhaltenen ſind etwas echter.


§ 71. Orange Färbungen auf Baumwolle.

Es gibt wenige orangene Baumwollfarbſtoffe, welche ohne Miſchung
eine Orangefärbung ergeben; alle übrigen orangen Färbungen müſſen durch
Miſchen hervorgerufen werden. Die einzige Abweichung, welche möglich iſt,
beruht auf der Anwendung von Mineralfarben, indem man baſiſch
chromſaures Blei in der Faſer erzeugt.


Chromorange. Man legt die Baumwolle in 12 Prozent (vom Ge-
wicht der Baumwolle) baſiſch eſſigſaures Blei von 65° Bé. (Erſter Teil,
§ 104) ein, ringt ab, paſſiert ein Kalkwaſſerbad und geht dann auf ein Bad
aus 6 Prozent Kaliumdichromat und 2 Prozent Schwefelſäure. Nachdem
die Farbe entwickelt iſt, nimmt man die Ware erſt noch einmal durch ein
einfaches Waſſerbad, und paſſiert dann noch einmal das jetzt erwärmte Kalk-
waſſerbad, bis der gewünſchte Orangeton erreicht iſt. Das Chromorange
läßt ſich mit Auramin gelblich, mit Fuchſin rötlich nüancieren.


1. Direkte Färbungen.

Ausfärben im ſchwachen Seifenbade (100 g Seife auf 10 l Waſſer) mit
wechſelnden Mengen Chryſamin und Congo oder Benzoazurin 4 B,
je nachdem man gelbſtichige oder rotſtichige Nüancen erzielen will. — Oder:
Ausfärben in ſchwachem Seifenbade mit wechſelnden Mengen Heſſiſch Gelb
und Heſſiſch Purpur; Behandeln im Färbebade bis zur Nüance, kalt
ſpülen und trocknen. Die Orangefärbungen mit Chryſamin ſind weit leb-
hafter und echter.


Orange mit Orlean und Curcuma. Grundieren mit Orlean im
Sodabade, dann ſcharf ſpülen, und in beſonderem Bade mit Curcuma aus-
färben; iſt der Ton noch nicht nach Wunſch, ſo kann derſelbe durch ein
zweites Orlean- oder Curcumabad verſtärkt werden.


[592]

In früheren Zeiten wurde mit Braſilienholz grundiert und im Wau-
bade ausgefärbt.


2. Färbungen auf tannierte Baumwolle.

Hierzu eignen ſich ChryſoïdinG, GoldorangeR*) und Viktoria-
orange
. Gebleichte Baumwolle wird mit Tannin und Brechweinſtein be-
handelt und in der neutralen Farbſtofflöſung ausgefärbt. — Zu dieſen beiden
Farbſtoffen hat ſich in neuerer Zeit (Herbſt 1888) ein neuer Farbſtoff:
Mikadoorange, hinzugeſellt, welcher die gleichen Töne gibt; derſelbe wird
aber nicht mit Tannin fixiert, ſondern im Kochſalzbade. Man färbt auf
100 Teile Garn mit 25 Teilen Kochſalz und 3 Teilen Mikado-Orange G oder
R oder R R, zuerſt bei 48° R., dann unter langſamer Steigerung der
Temperatur zum Kochen ½ Stunde in der Siedehitze. (Neu, im Erſten
Teil noch nicht enthalten).


Um Orange durch Miſchen zu erzeugen, benutzt man einerſeits Chry-
ſoidin
oder Auramin, andererſeits Fuchſin oder Safranin. Die
echteſten Töne erhält man mit Auramin und Safranin. Durch Wechſeln
im Verhältnis zwiſchen dieſen beiden laſſen ſich alle Töne von orangegelb
bis orangerot herſtellen.


Hierher gehört auch folgendes Verfahren **): Grundieren mit 7½ Pro-
zent Schmack und 3 Prozent Curcuma; Beizen mit 1½ Prozent Weinſtein-
erſatz, kalt umziehen, abwinden und ausfärben auf friſchem Bade mit 4½ Pro-
zent Alaun und je 3/10 Prozent Safranin und Chryſoïdin.


3. Färbungen auf Thonerde- oder Zinnbeizen.

Orange aus Wau (nach Hummel). Behandeln der Baumwolle
mit eſſigſaurer Thonerde von 2,5 bis 4° Be.; die Thonerde in beſonderem
Bade mit phosphorſaurem oder kieſelſaurem Natron fixieren. Dann Waſchen
und Ausfärben in einer Wau-Abkochung unter Zuſatz von etwas Kupfer-
vitriol. — Oder: Beizen mit Zinnchlorid und ausfärben mit Wau bis zur
Nüance.


Orange aus Kreuzbeerenextrakt (nach Stein). Beizen mit
Zinnchlorid, ſpülen und ausfärben in beſonderem Bade mit einer Löſung von
Kreuzbeerenextrakt.


Orange aus Kreuzbeeren und Rotholz. Beizen mit 12½ Pro-
zent Alaun und 3 Prozent Bleizucker und Färben in beſonderem Bade mit
75 Prozent Kreuzbeeren; auf die ſo gelb gefärbte Ware ſetzt man in einem
eigenen Bade das Rot, beſtehend aus einer Abkochung von Sapanholz; das
Rotbad darf nur ſchwach ſein.


Orange aus Quercitronextrakt. Beizen mit 10 Prozent ſchwefel-
ſaurer Thonerde; ausfärben mit 16 Prozent Quercitronextrakt; zuletzt mit
2 Prozent Zinnſalz kochen und im Bade erkalten laſſen, ſpülen und trocknen.


Orange aus Anilin. Beizen in nicht zu ſchwacher eſſigſaurer
Thonerde, abwinden und in beſonderem Bade ausfärben mit Orange II bis
zur Nüance.


[593]
§ 72. Gelbe Färbungen auf Baumwolle.

1. Direkte Färbungen.

Curcuma gibt direkte gelbe Färbungen aus einer einfachen wäſſerigen
Abkochung bei etwa 50° ohne allen Zuſatz; ein Zuſatz von Seifen oder
Alkalien iſt ſtreng zu meiden
, da er die Farbe in Braun umwandelt.


Von den Benzidinfarben geben ChryſaminG und Brillant-
gelb
rein goldgelbe Färbungen, ChryſaminR, Congogelb, Chryſophe-
nin
und Heſſiſch Gelb orangegelbe Nüancen. Will man ein ins Grün-
liche ſpielendes Gelb erzielen, ſo muß man im ſelben Bade mit Benzo-
azurin nüancieren, doch mit großer Vorſicht, da das Benzoazurin ein ſehr
intenſiv färbender Farbſtoff iſt.


Zu den direkt färbenden gelben Farbſtoffen gehört auch das Primulin
(vergl. Erſter Teil, § 72). Das Färben in mit Kochſalz verſetztem Farb-
bade iſt höchſt einfach. Der Farbſtoff zieht ſehr egal auf und zeigt ein
ſehr lebhaftes Citronengelb. Dieſe Nüance iſt eine wertvolle und könnte unter
Umſtänden gute Dienſte leiſten, weil das für den gleichen Zweck dienende
Chryſamin eine mehr goldgelbe Nüance gibt, die beim Drucken eine noch
orangere wird. Es iſt hier nämlich die Zugabe von Alkalien, die das Chry-
ſamin mehr ins Orange ziehen, unvermeidlich, da ſonſt eine Ausſcheidung
des Farbſtoffes eintreten würde. In dieſer Beziehung bietet nun das Primu-
lin Vorteile, ſei es zum Nüancieren von Chryſamin, ſei es bei Bedarf
ganz hellgelber Nüancen, indem es allein angewendet wird.


Für viele Artikel dürfte dem jedoch die ſchlechte Lichtechtheit entgegen-
ſtehen. Bei einer Zeitdauer, wo Chryſamin noch kaum beeinflußt iſt, zeigt
Primulin bereits eine ganz matte trübgelbe Färbung. Die Seifenechtheit
iſt annähernd die gleiche wie die des Chryſamins, dagegen ſchmutzt es leichter
ab. Dieſer ſcheinbare Widerſpruch findet darin ſeine Erklärung, daß Chry-
ſamin in Waſſer ſchwer, dagegen in Alkalien leicht löslich iſt, während Pri-
muline in Waſſer leicht, dagegen in Alkalien ſchwer löslich iſt.


2. Färbungen auf tannierte Baumwolle.

Hierzu eignen ſich vornehmlich Chryſoidin und Auramin. Phos-
phin hat heute nicht mehr die Bedeutung wie früher.


Chryſoidin läßt ſich auch auf ungebeizte, oder auf nur mit Tannin,
reſp. nur mit Sumach (ohne Brechweinſtein) gebeizte Baumwolle färben;
beim Färben iſt eine Temperatur von 70° R. nicht zu überſchreiten.
Kertész empfiehlt, für Chryſoidin die Baumwolle mit Tannin und Zinn-
beize von 4° Be. oder mit Tannin und baſiſchem Alaun 1° Bé. zu beizen,
wodurch die Färbungen echter werden ſollen.


Auramin iſt waſchechter und lichtechter als Chryſoidin, aber ſehr em-
pfindlich gegen Säuren; es gibt Nüancen vom zarteſten Crême bis zum
dunklen Goldgelb und läßt ſich mit Safranin und Fuchſin und andererſeits
mit Malachitgrün trefflich nüancieren.


Phosphin liefert ein Mattgelb und wird heute in der Hauptſache nur
noch zum Nüancieren benutzt.


Ganswindt, Färberei. 38

[594]
3. Färbungen auf Thonerde- oder Zinnbeizen.

Gelbholz ſowohl als Wau und Quercitron geben mit Thonerde-
beizen gelbe Färbungen, welche jedoch wenig lebhaft und wenig echt ſind;
ſie werden daher meiſt nur zuſammen mit andern angewendet; z. B.


Gelb mit Quercitron und Curcuma. Beizen mit Zinnchlorid;
ausfärben mit 80 Prozent Quercitron auf beſonderem Bade und dem
kochenden Bade zufügen eine Abkochung von 40 bis 50 Prozent Curcuma.
Auf heißem Bade umziehen und zuletzt Schönen mit 3 Prozent Salzſäure.
Die Färbungen von Wau auf Zinnbeize ſind lichtechter.


Dunkelgelb aus Curcuma. Ausfärben in einer Abkochung aus
25 Prozent Curcuma, dann ein Bad von 5 Prozent Schwefelſäure paſſieren
und auf das alte Färbebad zurück, dem 5 Prozent Alaun zugeſetzt werden,
kochend umziehen, abwinden und trocknen.


Gelb aus Kreuzbeeren. Beizen mit eſſigſaurer Thonerde; in dem-
ſelben Bade ausfärben mit Kreuzbeerenextrakt unter allmählichem Zuſatz des
letzteren bis zur Nüance.


Gelb aus Gelbſchoten. Beizen mit Zinnchlorid; Ausfärben in
beſonderem Bade mit Gelbſchoten. Die Ausfärbungen ſind echt und werden
durch Schönen in einem alkaliſchen Bade rotſtichig.


Flavin wird auf Baumwolle nicht angewendet; dagegen dient es zum
Schönen fertiger gelber Farben.


Von künſtlichen organiſchen Farbſtoffen kann das Chryſolin als Eoſin-
farbſtoff mit Oelbeize und eſſigſaurer Thonerde fixiert werden, in der Praxis
findet es jedoch nur zum Ueberfärben von Quercitrongelb Verwendung.


4. Anderweite Färbungen.

Kanarin. Vorzügliche kanariengelbe bis orangegelbe Nüancen erhält
man mit Kanarin; die Färbungen ſind abſolut luft-, licht-, ſäure- und
ſeifenecht. Die Anwendung iſt äußerſt bequem, man löſt das Kanarin in
einer Boraxlöſung (1 Teil in 10 Teilen Waſſer) kalt auf, geht mit der
Ware kalt ein, treibt langſam bis zum Kochen und läßt ſchließlich noch die
Ware bis zum Erkalten im Bade; das Bad wird ausgezogen. Das ge-
wonnene Gelb läßt ſich mit neutralen roten und grünen Farbſtoffen (z. B.
Fuchſin, Safranin, Malachitgrün) in beſonderem Bade überſetzen; ſo erhält
man z. B. mit Safranin im richtigen Verhältnis einige echte Türkiſchrot-
Nüancen.


Chromgelb wird wie Chromorange (§ 71) bereitet, nur fällt das
zweite Kalkwaſſerbad in Wegfall. Einfacher erhält man es, wenn man die
Baumwolle zuerſt mit 12½ Prozent Bleizucker imprägniert, abwindet, und
ohne zu ſpülen auf ein lauwarmes Bad aus 2½ Prozent Kaliumdichromat
geht und darauf behandelt, bis die Farbe entwickelt iſt.


Roſtgelb. Durch Niederſchlagen von Eiſenoxydhydrat aus Eiſenoxyd-
ſalzlöſungen erhält man je nach der verwandten Menge der Beizen chamois-
farbene bis roſtbraune Töne. Am beſten tränkt man die Baumwolle mit
ſchwefelſaurem Eiſenoxyd, preßt aus und entwickelt die Farbe in einem
ſchwachen Salmiakgeiſtbade.


[595]
§ 73. Grüne Färbungen auf Baumwolle.

Direkte grüne Färbungen auf Baumwolle gibt es zur Zeit noch nicht.


1. Färbungen auf tannierte Baumwolle.

Hierzu eignen ſich Malachitgrün, Aethylgrün, Brillantgrün und
Viktoriagrün 3 B; von dieſen gibt das erſte eine rein grüne, das zweite
eine gelbſtichig grüne, Brillantgrün eine blauſtichig grüne und das letzte eine
blaugrüne Färbung. Das Malachitgrün findet ausgedehnte Anwendung und
zwar ſowohl als ſelbſtſtändige Nüance wie in Miſchung mit andern Neutral-
farben. — Man kann auch das Tannin auf der Faſer ſtatt mit Brechwein-
ſtein mit Zinnchlorid fixieren, oder auch mit Alaun. Soll das Grün gelb-
lich ausfallen, ſo nüanciert man mit Phosphin; ſoll es blauſtichig ſein,
nüanciert man mit Methylenblau. — Zur Erzielung dunkler Töne, wie
Ruſſiſchgrün, gibt Kertész folgendes Verfahren an: Imprägnieren mit
einer ſchwachen Löſung von holzſaurem Eiſen, 24 Stunden an der Luft
hängen laſſen, Paſſieren durch ein Kreidebad, Waſchen, Tannieren und Aus-
färben wie gewöhnlich.


2. Färbungen auf Thonerde- oder Zinnbeizen.

Hierzu eignet ſich das CoeruleïnS; Beizen mit eſſigſaurer Thonerde
und kalt eingehen in das einfache Färbebad; ſehr allmähliches Erwärmen
des Färbebades bis zum Kochen, wobei die ſchweflige Säure der Coeruleïn-
Sulfitverbindung entweicht. Zum Färben darf kein hartes Waſſer verwendet
werden. Eignet ſich für dunkelgrüne Töne.


3. Grün aus Miſchfarben.

So gering die Zahl ſelbſtſtändiger grüner Baumwollfarbſtoffe iſt, ſo
reichhaltig wird die Auswahl bei Miſchfarben, und läßt ſich hier unter-
ſcheiden:


a) Grün auf Küpenblau.

Man blaut in der Küpe hell an, paſſiert durch ein ſchwaches Schwefel-
ſäurebad, beizt dann mit Alaun, Eiſenvitriol und etwas Zinnſalz und färbt
mit 30 Prozent Quercitron und 1½ Prozent Indigoerſatz aus. — Oder
man blaut auf der Küpe hell an, wäſcht und entwickelt auf der geblauten
Baumwolle ein Chromgelb, wie § 72, 4 angegeben. Dieſes Grün zeichnet
ſich durch Schönheit und große Haltbarkeit aus. — Oder man blaut auf
der Küpe an, ſpült, beizt mit 7 bis 8 Prozent baſiſch ſchwefelſaurer Thon-
erde, und färbt in beſonderem Bade mit Quercitron und Indigokarmin bis
zur Nüance. (Statt Quercitron kann auch Wau angewendet werden.)


b) Grün auf Berlinerblau.

Man gibt der Baumwolle einen Grund von Berlinerblau und färbt
in einer Gelbholzabkochung aus. Die hellere oder tiefere Nüance wird durch
die geringere oder größere Tiefe des blauen Grundes erzielt. Statt des
Gelbholz können auch Quercitron und Curcuma angewendet werden. Zum
Nachdunkeln wendet man ein Blauholzabſud an.


38*
[596]
c) Grün aus Holzfarben.

Maigrün aus Wau und Indigkarmin. Beizen mit eſſigſaurer
Thonerde, ſpülen und auf friſchem Bade in einem, oder wenn nötig, zwei
Waubädern ausfärben, bis die Baumwolle ein volles Goldgelb hat; dann
entwickelt man das Grün in einem neuen Bade aus Indigokarmin unter
Zuſatz von etwas Alaun.


Maigrün aus Quercitron und Indigcarmin. Beizen mit
Zinnkompoſition; in einem Quercitronbade gelb ausfärben und in beſonderem
Bade das Grün entwickeln mit Indigkarmin und Alaunzuſatz wie oben.


Dunkelgrün aus Gelbholz und Blauholz. Die Baumwolle
wird ſchmackiert und gelangt dann in ein Bad, beſtehend aus einer Ab-
kochung von 40 bis 50 Prozent Gelbholz und 3 Prozent Grünſpan, in
welchem ſie ½ Stunde bei 70° R. gehalten wird; dann wird einige Minuten
gekocht, aufgehoben und abgewunden. Das Grün wird zuletzt in einem
Blauholzextraktbade entwickelt bis zur Nüance. (Veraltet.)


Theegrün mit Quercitron. Ueber Nacht in 2 bis 3 Prozent
Schmack einlegen. Beizen mit 2½ Prozent Kupfervitriol; Ausfärben in
beſonderem Bade mit 35/100 Prozent Quercitron, ebenſoviel Indigblau und
1 Prozent Alaun.


Olivgrün aus Gelbholz und Blauholz. Anſieden mit 50
Prozent Gelbholz und 10 Prozent Blauholz. Dunkeln mit 1 Prozent
Eiſenvitriol, ⅕ Prozent Kupfervitriol.


Helloliv aus Gelbholz und Indigkarmin. Behandeln auf einem
Bade, beſtehend aus einer Abkochung von 25 Prozent Gelbholz und
10 Prozent Alaun, kochend umziehen und im Bade erkalten laſſen; Aus-
färben in beſonderem Bade mit ½ Prozent Indigkarmin.


Mitteloliv aus Quercitron. Die Baumwolle wird ſchmackiert,
dann mit Eiſenvitriol und eſſigſaurer Thonerde behandelt; ausgefärbt wird
auf friſchem Bade mit Quercitron.


Grün mit Wau und Blauholz. Beizen mit eſſigſaurer Thonerde
und ausfärben in einer Miſchung von Wau mit wenig Blauholz.


d) Hellgrün mit Anilinfarben-Aufſatz.

Hellgrün aus Quercitron und Malachitgrün. Beizen mit
Zinnchlorid; ausfärben in beſonderem Bade mit einer Abkochung aus
40 Prozent Quercitron und ½ Prozent Malachitgrün.


Grün aus Quercitron und Aethylgrün. Beizen mit eſſig-
ſaurer Thonerde, fixieren mit phosphorſaurem Natron, ausfärben mit
Quercitron und in beſonderem Bade mit Aethylgrün nach Bedarf.


§ 74. Blaue Färbungen auf Baumwolle.

1. Direkte Färbungen.

Das einfachſte und direkteſte Blau auf Baumwolle iſt das auf der
Küpe erhaltene Indigblau. Das Färben auf der Indigoküpe geſchieht
in derſelben Weiſe wie § 50 für Wolle angegeben. Nur ſind warme
Küpen für Baumwolle nicht anwendbar; man benutzt daher in den Baum-
[597] wollblauereien die Vitriolküpe, die Zinkſtaubküpe und die Hypoſulfitküpe.
Die Baumwolle muß vor dem Färben abgekocht werden. Die einzelnen
Küpenzüge werden kurz bemeſſen; ſie wechſeln von 1 bis 5 Minuten Dauer,
kommen dann mit der Luft in Berührung und werden dann nach Bedarf
noch ein- oder mehreremale wiederholt. Hellere Töne färbt man auf
ſchwachen, d. h. nicht mehr genügend geſpeiſten, zum Erſchöpfen beſtimmten
Küpen; dunkle Farben auf friſchen ſtarken Küpen. Garn vermeidet man
nach dem Blauen zu ſpülen, Gewebe dagegen müſſen gewaſchen werden.


Außer dem Indigo gibt noch das Benzoazurin G eine indigblaue
Färbung, aber lebhafter und mit einem violetten Stich. Es wird aus einem
Seifenbade gefärbt, wie alle Benzidinfarben. Es läßt ſich mit Chryſamin
nüancieren, wodurch das Blau einen grünlichen Stich erhält. Ueber neuere
indigoblaue Farbſtoffe vergl. Nachtrag.


2. Färbungen auf tannierte Baumwolle.

Für dieſen Zweck ſtehen uns zur Verfügung:


  • Viktoriablau B *
  • — 4 R v.
  • Nachtblau g.
  • Neublau i.
  • Nilblau. *
  • Muscarin. *
  • Waſſerblau 6 B, extra g.
  • Neutralblau i.
  • Methylblau B g.
  • Methylenblau g.
  • Basler Blau. *
  • Indazin M v1).
  • Bayriſchblau D B F g.
  • Indulin, ſpritlöslich i.

Von dieſen geben die mit * verſehenen ein reines Blau, die mit g
bezeichneten ein grünſtichiges, die mit v ein violettſtichiges Blau, die mit i
hingegen Indigotöne. — Von den vorſtehenden blauen Farbſtoffen ſind am
bekannteſten: Methylenblau und Waſſerblau mit rein grünblauem Ton,
und Neutralblau mit indigblauem Ton.


Methylenblau gibt reine himmelblaue bis dunkelblaue Nüancen; das
gleichmäßige Angehen des Farbſtoffes wird durch Zugeben von etwas Eſſig-
ſäure zum Färbebade befördert; zur Erzielung tiefblauer Nüancen iſt es zu
empfehlen, etwas Safranin zuzugeben. Reines Methylenblau iſt lichtecht;
will man es nüancieren, ſo iſt erſte Bedingung, dazu gleichfalls lichtechte
Farbſtoffe zu verwenden.


Waſſerblau liefert keine echten Nüancen.


ViktoriablauB iſt von allen eben genannten das lebhafteſte, feurigſte;
es ſollte daher nur dort angewendet werden, wo es auf Lebhaftigkeit der
Farbe ohne Rückſicht auf Haltbarkeit ankommt, denn die damit erzielten
Färbungen ſind wenig lichtecht. Es kommt in verſchiedenen Marken in den
Handel, von denen B das blaueſte, 4 R das röteſte iſt. Hieran ſchließt ſich
das grünſtichige Nachtblau.


Indulin, Neutralblau und Neublau geben indigoähnliche Töne;
beide werden entweder für ſich, oder auch als Aufſatz auf mit Indigo vor-
geblaute Ware verwendet; bei letzterm empfiehlt ſich ein Zuſatz von Salz-
ſäure zum Färbebade (100 bis 200 g auf 10 kg Baumwolle); für hellere
[598] Töne wird Neublau mit Methylenblau nüanciert. Bei Indulin empfiehlt
ſich ein Zuſatz von Alaun zur Farbſtofflöſung.


Die 4 übrigen blauen Farbſtoffe ſind noch wenig bekannt.


3. Färbungen auf Thonerde- oder Zinnbeizen.

Von künſtlichen organiſchen Farbſtoffen gibt ſowohl ViktoriablauB
und 4 R, als auch Methylenblau auf mit Thonerde gebeizter Baumwolle blaue
Färbungen, von denen beſonders die letztere dann ſehr echt iſt, wenn (nach
einem Vorſchlag von Kertész) die Baumwolle mit eſſigſaurer Thonerde
von 4° Bé. gebeizt, 1 bis 2 Tage verhängt, im Kreidebad fixiert, nachher
noch einmal in einem ſchwachen Tanninbade behandelt und dann mit Methylen-
blau heiß ausgefärbt wird.


Auf mit Türkiſchrotöl und eſſigſaurer Thonerde vorgebeizte
Baumwolle laſſen ſich fixieren: Anilinblau ſpritlöslich, Viktoriablau B und
4 R (dieſe beiden unter Zuſatz von etwas Eſſigſäure zum Färbebade), Nacht-
blau (gleichfalls mit Eſſigſäure), Methylblau. Das ſpritlösliche Anilinblau
ſowohl als auch die Marke Viktoriablau geben alle Nüancen vom reinen
Himmelblau bis zum tiefen Blau und Rötlichblau.


4. Anderweite Blaufärbungen.

In dieſe Kategorie gehören die mit Hölzern erzielten Blaufarben.
Ein reines Blau wird dabei nie erhalten, ſondern Modefarben mit bläulichem
Ton, wie Blaugrau, Steinblau. Hier einige Beiſpiele.


Blauholzblau. Behandeln auf einem Bade, beſtehend aus einer
Blauholzabkochung und etwas Grünſpan; kalt eingehen und die Temperatur
langſam bis auf 40° R. ſteigern; bei dieſer Temperatur ausfärben bis zur
Nüance.


Holzblau. Schmackieren, Beizen mit Schwefelſäure, Zinnſalz, Alaun,
Kupfervitriol und Eiſenvitriol. Ausfärben in einer Abkochung von Blau-
holz.


Chromblau. Man bereitet ſich eine Blauholzabkochung, ſtellt ſie
auf 2° Bé., ſetzt eine Miſchung von 1 Teil Kaliumdichromat, 1 Teil Al-
kohol und 3 Teilen verdünnte Schwefelſäure hinzu und färbt in dieſem
Bade aus.


Dunkelblau. Man färbt in einem Bade aus 40 Prozent Indigo-
erſatz ſolange, bis das Bad ausgezogen iſt, entwickelt das Blau in einem
zweiten Bade aus 1 Prozent Grünſpan und ſchönt im Seifenbade.


Als Beiſpiele der modernen Blaufärberei mögen folgende dienen:


Naphtolblan. Man bereitet ſich eine Indophenolküpe (ſiehe
Seite 558) und färbt auf dieſer die entweder ungebeizte oder vorher mit
Türkiſchtotöl präparierte Banmwolle bei 30° R. durch 10 Minuten, win-
det ab, ſpült und entwickelt die Farbe in einem beſonderen Bade aus Kalium-
dichromat. Ein bloßes Vergrünenlaſſen an der Luft genügt nicht, um
das Indophenolweiß in Naphtolblau überzuführen. Die erzeugte Farbe iſt
dem Küpenblau ſehr ähnlich und ſoll echt ſein.


Alizarinblau. Zum Fixieren von Alizarinblau auf der Baumwoll-
faſer empfiehlt ſich am beſten das Chromoxydnatron. Die Bad. Anilin- und
Sodafabrik empfiehlt wiederholtes Beizen mit Türkiſchrotöl, und nachheriges
Behandeln mit ſalpeterſaurem Chromoxyd; ſchließlich Ausfärben mit 3 bis
[599] 6 Prozent Alizarinblau S. Da die Anwendbarkeit dieſer Methode von
anderer Seite beſtritten wird, ſo iſt für die Anwendung des Alizarinblaus
in der Baumwollenfärberei eine einheitliche Methode noch nicht feſtgeſtellt.


Indigblau iſt ein Gemiſch aus Methylvivlett und Malachitgrün.
Es gibt auf mit Tannin und Brechweinſtein gebeizte Baumwolle einen
indigblauen Ton. Je nach den wechſelnden Miſchungsverhältniſſen iſt das
Blau violettſtichig oder grünſtichig.


Berlinerblau, Kaliblau. Wird heute nur noch ſelten gefärbt.
Man färbt die Baumwolle zuerſt roſtgelb (vergl. § 72) und behandelt dann
auf friſchem Bade, welches auf je 2 Teile gelbes Blutlaugenſalz 1 Teil
Schwefelſäure enthält, ſo lange bis das Blau entwickelt iſt.


Purpurblau, Kornblumenblau. Beizen mit 10 Prozent ſchwefel-
ſaurem Eiſenoxyd und 3 Prozent Zinnſalz; Entwickeln der Farbe in beſonderem
Bade mit 10 Prozent gelbem Blutlaugenſalz und 1½ Prozent Schwefel-
ſäure. Auswachen und Trocknen.


Indigblau mit Gallocyanin und Quercitronextrakt. Beizen
mit Chromoxydnatron; Färben in beſonderem Bade mit 10 bis [...] Prozent
Gallocyanin und 6 bis 12 Prozent Quercitronextrakt. Schönen in beſonderem
Bade mit Tannin und Methylenblau (H. Schmid, Chemiker-Ztg.)


§ 75. Violette Färbungen auf Baumwolle.

1. Direkte Färbungen im Seifenbade.

Heſſiſch Violett gibt auf ungebeizte Baumwolle im Seifenbade ein
reines Violett.


Heliotrop und RoſazurinB B geben ein rötliches Violett.


Azoviolett gibt ein bläuliches Violett.


Congo-Corinth und Congo-CorinthB geben ein bräunliches
Vivlett.


Azoblau gibt ein Grauviolett.


Die Anwendung aller dieſer Farbſtoffe iſt dieſelbe, wie bei Congo, die
Färbungen ſind ſeifen- und lichtecht. Sämtliche Farbſtoffe ſind neueſten
Datums und noch wenig bekannt.


2. Färbungen auf tannierte Baumwolle.

Hierfür ſtehen uns zur Verfügung:


  • Methylviolett B. *
  • Benzylviolett b.
  • Aethylviolett b.
  • Prune b.
  • Kryſtallviolett b.
  • Hofmanns Violett. *
  • Neutralviolett r.
  • Girofle r.

Von den vorſtehenden geben die mit * verſehenen rein violette, die mit
b blauſtichig, die mit r rotſtichig violette Töne. Die Anwendung iſt bei
allen die gleiche: Spülen der tannierten Ware und Ausfärben in neutralem.
Bade bei 35 bis 40° R.


Methylviolett wird ſtark angewendet, ſowohl als eigene Nüance, wie
auch in Verbindung mit Methylenblau als Marineblau; vielfach dient es
[600] als Aufſatz auf Küpenblau; die Ware wird in dieſem Falle entweder gar
nicht gebeizt, oder nur ſchmackiert, erhält aber keine Antimonpaſſage.


3. Färbungen auf Thonerde- oder Zinnbeizen.

Die mit Hölzern erzeugten Violetts ſind ſämtlich matt und werden
durch Abkochung von Blauholz mit weniger Rotholz auf mit Zinnkompoſition
gebeizte Ware gefärbt, z. B. Beizen mit 10 Prozent Rotbeize, 2½ Pro-
zent Zinnſalz; Ausfärben in beſonderem Bade mit Blauholz und Rotholz. —
Oder man grundiert mit Orlean unter Zuſatz von Pottaſche, legt in Schmack
ein, fixiert mit Zinnchlorid und färbt mit Blauholz und Fernambukholz.


Violett mit Cochenille und Blauholz. Beizen mit Türkiſchrotöl,
Fixieren in einem Chlorzinnbade, Ausfärben mit Cochenille und Dunkeln
mit Blauholz.


Blauholzviolett. Beizen mit Zinnſalz, Spülen und Ausfärben in
beſonderem Bade mit einer Blauholzabkochung.


Mattviolett mit Camwood. Beizen mit ſchwefelſaurem Eiſenoxyd;
Ausfärben in beſonderem Bade mit Camwood.


Violett aus Galleïn. Beizen mit eſſigſaurer Thonerde und Aus-
färben in beſonderem Bade mit Galleïn; die Nüance gibt ein rötliches
Violett; beizt man dagegen mit eſſigſaurer Thonerde und wenig holzſaurem
Eiſen, ſo erhält man rein violette Töne; das Galleïn wird aber auf Baum-
wolle wenig angewendet, da es zu teuer iſt.


4. Anderweite Violettfärbungen.

Violett aus Gallocyanin. Man beizt die Ware mit Chromoxyd-
natron und färbt auf friſchem Bade mit 10 bis 15 Prozent Gallocyanin.
Man erhält ſchöne blauviolette Töne, welche in ihrem Farbenton an Anilin-
violett erinnern, aber weſentlich echter ſind. Das Gallocyanin zeichnet ſich
durch ſeine leichte Nüancierbarkeit aus, indem man dasſelbe durch ent-
ſprechende Zuſätze von Quercitron in wechſelnden Verhältniſſen vom reinſten
Violett bis zum grünſten Blau zu nüancieren vermag.


Blauviolett mit Prune. Beizen mit Chromoxydnatron und Aus-
färben in beſonderem Bade mit Prune.


Violett aus Alizarin. Dabei wird im allgemeinen ſo verfahren,
wie ſpäter bei Türkiſchrot angegeben iſt. Als Beize für Alizarinviolett wird
holzſaures Eiſen benutzt. Da dieſe Beize ölige Beſtandteile bereits enthält,
iſt eine vorherige Behandlung mit Türkiſchrotöl nicht nötig. Kertész em-
pfiehlt, vor dem Beizen mit holzſaurem Eiſen die Garne, oder bei Ge-
weben die abgekochten noch feuchten Stränge in einer ſchwachen 2 bis 3 pro-
zentigen Tanninlöſung zu behandeln. Das eigentliche Beizbad beſteht aus
½ bis 1½ Prozent holzſaurem Eiſen; dann wird ſcharf geſpült. Das
Färbebad beſteht aus 5 bis 7½ Prozent Alizarin blauſtichig (Alizarin V);
ein Kalkzuſatz iſt nicht nötig. Man geht mit der Baumwolle kalt ein, er-
wärmt innerhalb 1 Stunde langſam bis auf 70° R., wäſcht in heißem
Waſſer, trocknet und dämpft. Wird ein rötliches Violett gewünſcht, ſo fügt
man zum Beizbade noch etwas eſſigſaure Thonerde.


[601]
§ 76. Braune Färbungen auf Baumwolle.

1. Catechufarben.

Den Grund zu faſt allen braunen Baumwollfarben gibt das Catechu.
Dieſer ſchöne echte braune Farbſtoff bedarf keiner Beize; er iſt ſelbſt ein
Gerbſtoff und wirkt als Beize; aber der eigentliche braune Farbſtoff des
Catechus muß erſt in einem beſonderen Oxydationsbade entwickelt werden.
Man bereitet ſich das Färbebad, indem man 1 bis 2 kg Catechu in 10 bis
20 l kalkfreien Waſſers kochend löſt, geht mit der Baumwolle ein, behandelt
ſie darin bei einer unterhalb des Siedepunktes liegenden Temperatur, je nach
der gewünſchten Tiefe des Tones, ½ bis 1 Stunde und hebt entweder auf
oder läßt im Bade bis zum Erkalten liegen. Dann kommt die Ware, ohne
geſpült zu werden, in das Entwickelungsbad, welches aus einer Löſung von
10 bis 20 g Kaliumdichromat in 10 l auf 50° R. erwärmtem Waſſer be-
ſteht; man behandelt in dieſem Bade, bis das Braun entwickelt iſt, wäſcht
und trocknet. Je nachdem man das Catechubad ſchwächer oder ſtärker macht,
je nachdem man die Ware kürzere oder längere Zeit darin behandelt, je
nachdem man ſie aus dem heißen Färbebade herausnimmt oder in demſelben
erkalten läßt, erhält man alle möglichen braunen Nüancen vom leichten Rot-
braun bis zum tiefſten Dunkelbraun. Die Catechufarben ſind durchweg
echt gegen Luft, Licht, Säure und Seife, ſelbſt gegen Chlorkalk. Das
Catechubraun wird entweder als eigene Nüance angewendet, oder es dient
nur als Grund zum Auffärben einer andern braunen oder naheſtehenden
Farbe. Aenderungen in der Nüance erhält man, wenn man die Baumwolle
vorher mit Thonerde- oder Zinnſalzen beizt. Zum Dunkeln wendet man
zweckmäßig Kupfervitriol an und zwar, nachdem das Braun entwickelt und
geſpült iſt, in beſonderem Bade. Bisweilen wird auch das Entwickelungs-
und das Dunkelbad kombiniert; z. B.


Zimmtbraun. Man behandelt die Ware ½ Stunde heiß auf einer
Löſung von 10 Prozent (vom Gewicht der Baumwolle) Catechu, winde ab
und entwickelt das Braun in einem Bade aus 5 Prozent Kupfervitriol,
2½ Prozent Kaliumdichromat und 1¼ Prozent Schwefelſäure (1 : 1).


2. Färbungen auf tannierte Baumwolle.

Als ſelbſtſtändiger Farbſtoff tritt uns hier das Bismarckbraun ent-
gegen; dasſelbe liefert auf gebleichter und tannierter Baumwolle ein ſchönes
reines Braun. Statt mit Tannin und Brechweinſtein zu beizen, kann man
auch einen Catechugrund und, nachdem zuvor tüchtig gewaſchen, ein Bad
von Bismarckbraun als Aufſatz geben.


Eine mehr rotbraune Färbung erhält man mit Marron und Gre-
nadine
, und kann ſo durch Miſchen dieſer untereinander, ſowie mit Bismarck-
braun, ferner durch Nüancieren mit Fuchſin alle gewünſchten braunen Töne
erzeugen, zumal dann, wenn man noch einen Catechugrund berückſichtigt,
z. B.:


Gelbbraun. 20 Prozent Catechu (vom Gewicht der Baumwolle)
werden gelöſt und der Löſung 5 Prozent Kupfervitriol hinzugeben. Hierin
wird die Ware ½ Stunde heiß umgezogen und das Braun in einer Löſung
[602] von 4 Prozent Kaliumdichromat entwickelt; ſchließlich gibt man auf friſchem
Bade einen Aufſatz von Bismarckbraun.


3. Färbungen auf Thonerde- oder Zinnbeizen.

Hierhin gehören zunächſt die mit Hölzern erzeugten Braunfarben; z. B.


Chokoladebraun aus Camwood (nach Hummel). Beizen mit
holzeſſigſaurem Eiſen von 2,5 bis 4° Bé., kalt einlegen in ein ſchwaches
Salmiakgeiſtbad, und ausfärben in beſonderem Bade mit Camwood bis zur
Nüance.


Rötlichbraun aus Camwood erhält man wie vorſtehend, nur muß
zur Eiſenbeize noch etwas Rotbeize hinzugegeben werden.


Rotbraun aus Orlean und Hölzern. Man gibt einen ſchwachen
Orleangrund, ſiedet auf einem Bade von 20 Prozent Gelbholz und
⅕ Prozent Tannin an, hebt auf, fügt 2½ Prozent Kupfervitriol zum
Bade, geht wieder ein und bereitet inzwiſchen das eigentliche Ausfärbebad
aus 2½ Prozent Rotholz, 1½ Prozent Gelbholz, 1¼ Prozent Blauholz
und ½ Prozent Alaun. Aus dem Sudbade bringt man die Ware, ohne
zu ſpülen, in das heiße Färbebad, behandelt darin, bis die Farbe nach
Wunſch entwickelt iſt, ſpült und trocknet.


Dunkelrotbraun aus Hölzern. Einlegen über Nacht in Sumach;
am Morgen beizen mit 20 Prozent Alaun und ausfärben in beſonderem
Bade mit 40 Prozent Rotholz und 10 Prozent Blauholz. Dunkeln mit
einer Löſung von Blauholzextrakt oder mit Kupfervitriol.


Wichtiger als das Holzbraun iſt das aus Alizarin erzeugte Braun.
Man verfährt dabei ähnlich wie bei Violett aus Alizarin § 75 angegeben;
man beizt mit einem Gemiſch aus holzeſſigſaurem Eiſen und eſſigſaurer
Thonerde, läßt 48 Stunden behufs Oxydation an der Luft verhängen, und
behandelt im Uebrigen wie bei Türkiſchrot angegeben, zuletzt im Färbebade,
beſtehend aus 5 bis 7 Prozent Alizarin gelbſtich und entſprechendem Zuſatz
von eſſigſaurem Kalk.


Braun aus Anthracenbraun. Beizen mit Chromoxydnatron und
Ausfärben in beſonderem Bade mit Anthracenbraun (Schulz und Julius).


4. Anderweite Braunfärbungen.

Manganbraun, Manganbiſter, Lüſterbraun. Man tränkt die
Baumwolle mit einer Löſung von Manganchlorür und paſſiert dann ſofort eine
kochende Löſung von verdünnter Aetznatronlauge, welche vorher mit etwas Kalk-
waſſer verſetzt iſt (um etwaiges kohlenſaures Natron zu zerſetzen). Dann ſetzt
man die Ware behufs Oxydation der Luft aus oder behandelt ſie in einem
ſchwachen Chlorkalkbade. Hummel macht den ſehr beherzigenswerten Vor-
ſchlag, der Natronlauge einen Zuſatz von unterchlorigſaurem Natron zu
geben, wodurch Niederſchlagen und Oxydation gleichzeitig ſtattfinden würde.
Das Manganbraun iſt vollkommen echt gegen Luft, Licht, Säuren und
Seifen.


Gelbbraune Färbungen können auch gewonnen werden, wenn man
der Baumwolle einen dunkeln Grund aus Schmack und Eiſen gibt und
dann mit gelben oder orangenen Teerfarbſtoffen ausfärbt; man erhält ſo
alle Nüancen von goldbraun bis ſchwarzbraun. Als Aufſatz eignen ſich alle
neutralen Farbſtoffe, z. B. Chryſoïdin, Auramin, Goldorange R u. dergl.


[603]

Rotbraune Färbungen erzielt man am beſten, indem man mit
Catechu grundiert, und mit Fuchſin ohne oder mit Zuſatz von Bismarck-
braun ausfärbt; oder man behandelt mit Sumachextrakt und Eiſen und färbt
lauwarm aus mit 1 Prozent gelbſtichigem Fuchſin.


Corinth-Färbungen erzielt man auf einem Catechugrund durch
Ausfärben mit Methylviolett.


Olivbraune Färbungen erhält man auf Catechugrund durch Aus-
färben mit Quercitron und Blauholz; z. B.


Walkechtes Bronzeoliv. Anſieden mit 2 Prozent Kaliumdichromat
und 4 Prozent Kupfervitriol; ſpülen und ausfärben mit 25 Prozent
Quercitronextrakt, 10 Prozent präpariertem Catechu und 3 Prozent franz.
Blauholzextrakt. Dunkeln auf demſelben Bade mit 3 Prozent Eiſenvitriol.


Olivbraun. Auf warmem Bade aus 10 Prozent Schmackextrakt,
3 Prozent Gelbholzextrakt und ½ Prozent Blauholzextrakt umziehen, mit
Eiſenvitriol auf friſchem Bade dunkeln, auf das erſte Bad zurückgehen, ab-
winden und ausfärben mit Bismarckbraun.


§ 77. Olive Färbungen auf Baumwolle.

Olive auf Baumwolle wird ſtets durch Miſchen hervorgebracht, wovon
nachfolgend einige Beiſpiele.


Grünliches Oliv aus Gelbholz und Blauholz. Anſieden mit
25 Prozent Gelbholz, 5 Prozent Blauholz; dunkeln auf demſelben Bade
mit ¾ Prozent Eiſenvitriol und ⅛ Prozent Kupfervitriol.


Bronzegrün. Wird gefärbt wie das vorige, dem Farbbade wird
aber noch 5 Prozent Catechu zugegeben.


Helloliv. Anſieden mit 25 Prozent Gelbholz und 10 Prozent
Alaun; ausfärben mit ½ Prozent Indigokarmin.


Goldoliv. Anſieden während ¾ Stunden mit 8 Prozent Gelbholz-
extrakt; ausfärben mit 1 Prozent Bismarckbraun.


Helloliv. Anſieden mit 15 Prozent Gelbholzextrakt, 1½ Prozent
gemahlenem Blauholz, 5 Prozent Kupfervitriol, aufheben, verhängen, dann
auf dasſelbe Bad zurück und noch 2 Stunden kochen laſſen.


Oliv. 7 Prozent Gelbholzextrakt, 5 Prozent Catechu, 3 Prozent
Kupfervitriol, ¼ Prozent Blauholzextrakt. 2 Stunden kochen.


Grünoliv. Grundieren auf einer Flotte, beſtehend aus 5 Teilen
Schmackextrakt, 1 Teil Gelbholzextrakt und 1 Teil Blauholz; Dunkeln mit
Eiſenvitriol und Ausfärben auf friſchem Bade mit Solidgrün.


Oliv. Grundieren mit 30 Prozent Schmack, 15 Prozent Quercitron,
22½ Prozent Curcuma; am nächſten Morgen abwinden und auf kaltem
Bade dunkeln mit 3 Prozent Kupfervitriol. Herausnehmen, zum letzten
Bade 20 Prozent Eiſenvitriol hinzugeben, ½ Stunde ſtehen laſſen, und auf
friſchem Bade ausfärben mit 4 Prozent Curcuma, etwas Auramin und
Neuviktoriagrün.


[604]
§ 78. Modefarben auf Baumwolle.

Allgemeine Regeln zur Herſtellung von Modefarben laſſen ſich nicht
geben. Man benutzt mit Vorteil einen hellen Catechugrund und färbt darauf
mit neutral färbenden künſtlichen organiſchen Farbſtoffen. Oder man grun-
diert mit Sumach und Eiſen oder Quercitronextrakt. Hier nur wenig Bei-
ſpiele. Wer ſich dafür ſpeziell intereſſiert, findet Ausführlicheres in den
Fachzeitungen, ſowie in einzelnen Rezeptbüchern.


Mode. Ausfärben mit 3 Prozent Alaun, 1½ Prozent Quercitron-
extrakt, 1/10 Prozent Fuchſin, 1/20 Prozent Bismarckbraun und ¼ Pro-
zent Indigoerſatz; man geht kochend mit der Ware ein und läßt 1½ Stun-
den kochen; zuletzt wird mit 3 Prozent Eiſenvitriol gedunkelt.


Modegrau. Man gibt einen Grund aus 10 Prozent Sumach und
Eiſen, wäſcht gut aus und färbt auf friſchem Bade mit ⅜ bis ½ Prozent
Solidgrün und ebenſoviel Alaun.


Hellgelbmode. ⅔ Prozent Gelbholzextrakt, 1½ Prozent Kupfer-
vitriol, 1 Prozent Alaun, 1½ Prozent Blauholz, 2 Stunden kochen.


Silberblau. Ausfärben in neutralem Bade mit ⅕ Prozent Marine-
blau S R unter Zugabe von 5 Prozent Alaun zum Färbebade, 1 Stunde
kochen.


Perlblau. Beizen mit 2 Prozent Alaun; Ausfärben mit 1/30 Pro-
zent Methylviolett.


Drap. ¼ Prozent Gelbholzextrakt, 1/10 Prozent gemahlenes Blau-
holz, ½ Prozent Kupfervitriol, 1 Prozent Catechu. 2 Stunden kochen,
herausnehmen, lüften, wieder eingehen und nochmals 2 Stunden kochen.


Silbergrau. Die gebleichte Baumwolle wird auf einem ganz ſchwa-
chen Blauholzbade 6 mal lebhaft umgezogen, dann wird dem Bade etwas
Bleizucker zugegeben, wieder umgezogen, geſpült und getrocknet.


Lilagrau. Aufſtellen auf 2 Prozent Blauholz, 5 mal umziehen,
aufſchlagen, ½ Prozent Eiſenvitriol zuſetzen, wieder 5 mal umziehen, auf-
ſchlagen, 1/10 Prozent Methylviolett zuſetzen, nochmals 5 mal umziehen,
dann fertig winden.


§ 79. Schwarze Färbungen auf Baumwolle.
(Mit Ausſchluß von Anilinſchwarz.)

1. Direkte Färbungen.

Aus einem Seifenbade kann man mit dem neuen Benzidinfarbſtoffe
Violettſchwarz direkt ein waſchechtes violettes Schwarz auf Baum-
wolle färben. (Siehe auch den Nachtrag.)


2. Indirekte Färbungen.

Das meiſte Schwarz, welches heute auf Baumwolle gefärbt wird, dürfte
Anilinſchwarz ſein, welches in einem eigenen Paragraphen ausführlich erörtert
werden ſoll. Dasſelbe hat jedoch auch heute noch nicht den Grad der Voll-
kommenheit erreicht, daß es die früheren Methoden verdrängt hätte.


Die Grundlage der meiſten üblichen Schwarz auf Baumwolle iſt das
[605] Blauholz. Die normale Färbung wird durch Beizen mit einer Eiſenbeize
und Ausfärben mittels Blauholz erzielt.


Echtes Blauholzſchwarz. Einlegen über Nacht in 30 bis 50 Pro-
zent Sumach; am Morgen abwinden und, ohne zu ſpülen, eingehen in ein
Bad aus holzeſſigſaurem Eiſen 2 bis 3° Bé. Hierin ½ Stunde behan-
deln, dann ein Kreidebad paſſieren (um überſchüſſige Säure zu entfernen),
und zuletzt ausfärben in einer Abkochung von Blauholz mit Zuſatz von etwas
Kupfervitriol. Das ſo erhaltene Schwarz iſt ein Blauſchwarz. Will man
ein Tiefſchwarz erzielen, ſo muß man zum Färbebade noch etwas Gelbholz
oder Gelbholzextrakt hinzufügen. Man geht mit der Baumwolle kalt ein
und treibt langſam zum Kochen.


Blauholzſchwarz mit Catechu. Dieſes iſt nur eine Abänderung
des vorigen, indem ſtatt des Sumachs hier der Catechu als Gerbſtoff dient.
Man entwickelt dann das Catechubraun auf der Baumwolle, wie S. 601
angegeben, geht dann auf das Eiſenbad und verfährt im Uebrigen wie
vorher.


Blauſteinſchwarz. Man kocht die Garne mit Waſſerglas aus,
ſpült und gibt ihnen auf der Küpe einen hellen Indigogrund, paſſiert ein
ſchwefelſaures Bad und ſpült; dann färbt man in einem Bade aus 15 Pro-
zent Blauholzextrakt und 1½ Prozent Kupfervitriol bei 40° R. aus, läßt
an der Luft vergrünen und trocknet heiß. Zuletzt geht man auf ein heißes
Bad aus 2½ Prozent Kaliumdichromat, entwickelt die Farbe, ſpült und
aviviert mit Türkiſchrotöl. — Ein anderes ganz vorzügliches Blauſtein-
ſchwarz
wird auf folgende Weiſe gewonnen:


Das gut ausgekochte, gewaſchene und geſchleuderte Garn wird zwei-
oder vierpfündig aufgeſtockt und Abends auf ein Bad von nachfolgender Zu-
ſammenſetzung heiß (kochend) aufgeſtellt:

  • kg gutes Blauholzextrakt (feſt),
  • 2½ „ Quercitronextrakt (feſt),


gut gelöſt dem Waſſerbade zugeſetzt. Nach fünfmaligem gutem Umziehen
und Nachziehen ſteckt man das Garn in die Flotte ein, nimmt es früh her-
aus (ſchlägt auf) und windet ab.


2. Bad: 1¼ kg Kupfervitriol in Waſſer kalt gelöſt. Umziehen,
abwinden und zurück auf das Extraktbad (40°), dem 2½ kg kalcinierte
Soda zugefügt werden. Umziehen und abwinden, zurück auf die Kupfer-
vitrollöſung, hierauf abermals auf das Extraktbad und nach abermaligem
Abwinden auf 1¼ kg Eiſenvitriol. Den Beſchluß macht ein letzter Zug
durch das erſchöpfte Extraktbad. Hierauf wäſcht man tüchtig, womöglich in
fließendem, reinem Waſſer und ſeift in 20° warmem Bade (1½ kg Mar-
ſeiller Seife in Stückchen zerſchnitten, aufgekocht und die Löſung dem war-
men Waſſerbade zugefügt). (Deutſche Färber-Zeitung.)


Das angeführte Verfahren iſt wohl ziemlich zeitraubend, infolgedeſſen
auch teurer, das Reſultat aber ein ganz vorzügliches Blauſchwarz.


Echtes walkechtes Schwarz auf Garn. Einlegen und umziehen
in einem heißen Bade von ½ Prozent Tannin und ¾ Prozent Blauholz-
extrakt. Abwinden und ohne zu ſpülen in eine Löſung von holzſaurem Eiſen
6° Bé. einlegen; nach 2 Stunden durch ein Kreidebad paſſieren, ſpülen und
ausfärben auf friſchem Bade mit 12 Prozent Blauholz und 5 Prozent
[606] Gelbholz; man läßt im Bade erkalten, dunkelt in demſelben zuletzt noch mit
1¼ Prozent ſchwefelſaurem Eiſenoxyd und aviviert zuletzt mit Seife
und Oel.


Direktſchwarz. Ausfärben in einem heißem Bade aus 4 Prozent
Indigoerſatz; man beläßt die Ware im Bade, bis dasſelbe ausgezogen iſt,
dann ſchönt man in demſelben Bade mit ½ Prozent Grünſpan.


Tiefſchwarz. Man gibt der Ware einen Grund aus ½ Prozent
Tannin und dem nötigen ſchwefelſauren Eiſenoxyd, windet daraus ab und
ſchlägt in beſonderem Bade aus 18 Prozent gelbem Blutlaugenſalz mit
gleichviel Salzſäure Berlinerblau auf die Faſer nieder, geht dann auf
das erſte Eiſenbad zurück und von hier auf ein 60° R. heißes Bad aus
4 Prozent Indigoerſatz; hierin läßt man das Schwarz ſich voll entwickeln,
gibt dann noch ein Bad aus 4 Prozent Quercitronextrakt und 20 Prozent
Sumach und aviviert zuletzt mit etwas Eſſigſäure und Oel.


Echtſchwarz. Man gibt einen mittleren Küpengrund, legt über Nacht
in 30 Prozent Sumach, quetſcht aus, geht durch ein Kalkwaſſerbad, dunkelt
in beſonderem Bade mit 5 Prozent Kupfervitriol, ſpült, windet ab und
färbt aus in einer Abkochung von 25 Prozent Blauholz und 10 Prozent
Gelbholz; ſchließlich wird noch einmal mit 2½ Prozent Kupfervitriol ge-
dunkelt.


Kalkſchwarz. Anſieden mit 4 Prozent Blauholzextrakt; im Bade
erkalten laſſen, dann abwinden und durch eine Kalkmilch aus 3 Prozent
gelöſchtem Kalk paſſieren, ausringen, auf 7 Prozent Eiſenvitriol aufſtellen,
umziehen und in 2½ Prozent Blauholzextrakt ausfärben. — Oder: Man
zieht das Garn auf die kochende Löſung von 2½ kg Blauholzextrakt (feſt),
4 kg Schmack, läßt über Nacht in der Flotte und ſtellt früh das abge-
rungene Garn auf eine Kalkmilch aus 875 g abgelöſchtem Kalk, hierauf
auf 1,250 kg Eiſenvitriol und kreidet ſchließlich. Durch letztere Operation
wird das überſchüſſige Eiſen entfernt und dunkelt das Schwarz um zwei
Scheine nach.


Oder für 50 kg (etwas teurer, aber voller): Wie vorher auf 2 kg
Blauholzextrakt ohne Schmack, hierauf durch 1½ kg guten, fetten Kalk,
ausringen, auf 3½ kg Eiſenvitriol und ausfärben auf 1,250 kg Blauholz-
extrakt (50° heiß).


Chromſchwarz in einem Bade (nach Hummel). Man bereitet
ſich ein kaltes Bad aus 500 l Blauholzabkochung 2° Bé., löſt darin 1½ kg
Kaliumdichromat und fügt 3,5 kg Salzſäure hinzu. Die Baumwolle wird
in die kalte Löſung gebracht und die Temperatur allmählich bis zum Siede-
punkt erhöht. Die Baumwolle nimmt zunächſt eine tief indigblaue Farbe
an, die ſich nach dem Auswaſchen mit kalkhaltigem Waſſer in ein Blau-
ſchwarz verwandelt.


Walkechtes Chromſchwarz. Kochen in einer Auflöſung von 30 Pro-
zent feſtem Blauholzextrakt, abringen und lüften. Am nächſten Tage wird
das Schwarz auf beſonderem Bade entwickelt in einer kalten Löſung von
8 Prozent Kaliumdichromat und 6 Prozent Kupfervitriol; ſpülen und aus-
färben in einem Bade von 10 Prozent Blauholz. Kalt eingehen und bis
zum Siedepunkt ſteigern.


[607]

Oder für 5 kg: Man kocht das Garn in 1 kg Schmack oder legt es
über Nacht in die kochende Flotte nach öfterem Umziehen ein, windet ab,
ſtellt auf ein kaltes Bad von 1 kg Eiſenvitriol, zieht 5 mal um, windet
ab und geht auf ein heißes (50°) Bad (250 g ſaures chromſaures Kali),
zieht ſorgfältig um und geht nun auf ein heißes Bad von 2 kg Blauholz
und 500 g Quercitron, zieht wieder gut um und ſeift im friſchen, lauen Waſſer-
bade. (Spirk.)


Catechuſchwarz unterſcheidet ſich von dem obigen Blauholzſchwarz
mit Catechu nur durch eine andere Reihenfolge der Operationen. Zuerſt
behandelt man die Baumwolle auf dem heißen Catechubade, läßt darin er-
kalten, geht dann auf das Eiſenbad, färbt mit Blauholz und entwickelt erſt
zuletzt die Farbe in einem chromſauren Kalibade.


Krappſchwarz (nach Hödl). Einlegen ½ Stunde in holzſaures
Eiſen und 10° Bé., abwinden und trocknen; dann wird die getrocknete Ware
in einem Kleienbade genetzt und ſchließlich mit 20 bis 40 Prozent Krapp
in beſonderem Bade ausgefärbt. Nach ½ Stunde iſt die Farbe entwickelt.
Um dem Schwarz einen bläulichen Stich zu geben, kann man noch durch
ein heißes Sodabad paſſieren; ſpülen und trocknen.


Direktſchwarz. Ausfärben in einem heißen Bade aus 6 Prozent
Blauholzextrakt, 1 Prozent Quercitronextrakt und 2 Prozent eſſigſaurem
Chrom; man aviviert zuletzt in einem Bade aus chlorſaurem Kali und
Eſſigſäure.


Von neueren Verfahren zum Schwarzfärben iſt noch eines zu er-
wähnen, welches einem Herrn Groß patentiert worden iſt (D. R. P.
43054). Bei den bekannten Farbbädern zum Schwarzfärben mittels Blau-
holz und Metallſalzen wird der Eiſenvitriol fortgelaſſen und ſtatt deſſen
Haidekraut-Abkochung zugeſetzt, welche die Befeſtigung des Farbſtoffes infolge
ihres Gehaltes an Ericolin bewirken ſoll (?). Das vollſtändige Rezept zum
Färben lautet: ½ kg Haidekrautabkochung, 12 kg Blauholzextrakt, 1 kg
Kupfervitriol, 50 g chromſaures Kali, 50 g Borax, 50 g doppeltkohlenſaures
Natron, 1 kg Quercitron oder Catechu. (Die Haidekraut-Abkochung könnte
wohl ebenſo gut weggelaſſen werden.)


Lichtſchwarz bezeichnet ein Blauſteinſchwarz, welches nach dem Ab-
winden vor dem letzten Zug auf Blauholz noch auf ein Bad von Gallus
oder Schmack kommt.


Ueber das Färben mit Anilinſchwarz iſt in einem beſonderen Para-
graphen (84) ausführlicher berichtet.


§ 80. Die Türkiſchrotfärberei oder das Färben der Baumwolle
mit Alizarin.

Das Färben von Baumwolle mit dem charakteriſtiſchen Rot, welches
als Türkiſchrot bezeichnet wird, iſt eine verhältnismäßig alte Erfindung; daß
ſie zu der herrſchenden Stellung in der Baumwollenfärberei gelangt iſt,
welche ſie heute thatſächlich und unbeſtritten einnimmt, verdankt ſie wohl
der beſonderen Echtheit der Farbentöne, mit welcher kein anderer roter Farb-
ſtoff wetteifern kann. Früher wurde das Färben einzig mit Krapp vorge-
nommen und Krapp war damals noch ein hochangeſehenes und geſchätztes
Färbematerial; die vielen Krapppräparate (vergl. Erſter Teil, S. 147 be-
[608] weiſen die einſtige Wichtigkeit und ausgedehnte Verwendung des Krapps. Heute
iſt der Krapp ein Färbematerial von faſt hiſtoriſchem Wert und ſeine Ver-
wendung auf ein Minimum zurückgegangen. Seit Graebe und Lieber-
mann
1868 das künſtliche Alizarin entdeckt und den Nachweis ge-
liefert haben, daß das ſynthetiſch gewonnene Alizarin die gleichen Färbungen
von Türkiſchrot gebe, wie der Krapp, und nachdem ſchließlich die Identität
dieſes Alizarins (aus Dibrom-Anthrachinon) mit dem bereits 1826 von
Robiquet \& Colin aus Krapp hergeſtellten Alizarin feſtgeſtellt war, ging
der Krapp-Verbrauch und infolgedeſſen der Krapp-Anbau von Jahr zu Jahr
zurück und iſt heute kaum noch nennenswert. Es iſt auch füglich zu be-
zweifeln, ob heute noch ein Färber Türkiſchrot mit Krapp färbt, denn das
Färben mit künſtlichem Alizarin gibt feurigere Farbtöne neben billigeren
Preiſen.


Da das Türkiſchrot (Vitalis nennt es 1854 noch Adrianopelrot)
von jeher ſeines brillanten Lüſtres, ſowie ſeiner Echtheit gegen Licht und wäſſerige
Alkalien (Seifen) wegen berühmt, zugleich aber eine der am ſchwierigſten
herzuſtellenden Farben war, ſo bildeten ſich bald Färbereien, welche das
Färben von Türkiſchrot als Spezialität betreiben. Im Laufe der Jahre
hat ſich das Färben mit Alizarin zu einem beſonderen Induſtriezweige aus-
gebildet und die heutigen Türkiſchrot-Färbereien ſind großartige Etabliſſements,
mit allen Hilfsmitteln der induſtriellen Technik ausgeſtattet. In Deutſchland
finden ſich ſolche vorzugsweiſe im Wupperthale; in England vornehmlich in
Glasgow.


Türkiſchrot wird entweder auf Garn oder auf Gewebe gefärbt.
Die Methoden der Vorbereitung von Garn und Geweben ſind anfänglich
die gleichen; im weiteren Verlauf des Verfahrens weichen ſie jedoch weſent-
lich voneinander ab, je nach der Methode, nach welcher man arbeitet.


Das Verfahren zum Türkiſchrotfärben der Garne iſt heute noch ſo
ziemlich dasſelbe, wie bei der früheren Verwendung von Krapp. Dieſes
Verfahren wird allgemein als die Weißbad-Methode bezeichnet. Das
Verfahren zum Färben von Geweben, wie es vielfach noch heute angewendet
wird, iſt von Steiner in die Praxis eingeführt worden und heißt nach
ihm Steiners Verfahren. Das neueſte Verfahren endlich, auf der Ver-
wendung des Türkiſchrotöls baſierend, und auf Garne und Zeuge anwendbar,
wird als Türkiſchrotöl-Verfahren bezeichnet.


§ 81. Das Türkiſchrotfärben nach der Weißbad-Methode.

Das Weißbad-Verfahren beſteht aus einer langen Reihenfolge von Ope-
rationen, die hier in aller Kürze aufgezählt werden ſollen.


Erſte Arbeit: Abkochender Baumwolle. Die einzelnen Strähne
des ungebleichten Garnes werden mit einem Baumwollenfaden in ge-
eigneter Weiſe unterbunden (Fitzen) und dann in Hochdruckkochkeſſeln mit
Sodalöſung während 6 bis 8 Stunden gekocht. Die Sodalauge darf ¾
bis 1° Bé. ſtark ſein. Darauf wird in fließendem Waſſer gut ausgeſpült*),
im Squeezer ausgequetſcht und an der Luft oder im Trockenraume getrocknet.
[609] Für hellere Nüancen (Alizarinroſa) iſt Bleichen der Baumwolle erwünſcht;
für die andern Töne verwendet man es lieber ungebleicht, da nach Lukia-
noff
gebleichtes Garn nicht ſo volle Töne liefert.


Zweite Arbeit: Oelen (früher meiſt „Kuhkoten“ genannt); Hummel
nennt dieſe Arbeit „Erſte Grünemulſion“. Ob der Kuhkot oder Schafmiſt,
welcher auch heute noch hierzu verwendet wird, überhaupt eine Wirkung
ausübt, und — falls ja — welche Wirkung er ausübt, das iſt bis heute
noch nicht aufgeklärt. Verfaſſer zweifelt überhaupt an einer Wirkung des
Kuhkots und verlegt die ganze Wirkung in das beim Oelen gebildete Natrium-
oleat. Allenfalls wäre dem Ammoniakgehalt in Verbindung mit der Oel-
ſäure eine Wirkung zuzuſchreiben, wie wir dieſelbe in ähnlicher Weiſe beim
Behandeln im Türkiſchrotöl-Verfahren kennen lernen werden; dort iſt kein
Kuhmiſt gegenwärtig, dagegen genügt die Anweſenheit des Ammoniumſulf-
oleats völlig zur Erzielung der durch das Kuhkotbad beabſichtigten Wirkung.
Wahrſcheinlich beruht die Wirkung des Schafmiſtbades lediglich auf der da-
bei erfolgenden Bildung von ölſaurem Ammoniak. Dieſes Kuhkotbad oder
— mit Hummel zu ſprechen — die Grünemulſion wird wie folgt bereitet:
Der Schafmiſt*) wird durch ein Sieb in die zur Durchfeuchtung der Garne
nötige Menge Sodalauge gerührt. Hummel gibt auf 8 kg Schafmiſt
1000 l Waſſer, 75 kg Baumöl und ſoviel Soda an, daß das Ganze 1,4° Bé.
zeigt. Das Olivenöl kommt zuletzt hinzu; das Ganze wird dann kräftig
durchgerührt und bildet dann ſchließlich eine grünliche milchige Flüſſigkeit
(Emulſion, daher dieſes Verfahren auch als Emulſions-Verfahren bezeichnet
wird). Mit dieſer Emulſion werden dann die Garne imprägniert und nach
dem Durchtränken gleichmäßig ausgewunden. Dieſe Arbeiten werden in
kleineren Färbereien mit der Hand vorgenommen; in großen Etabliſſements
bedient man ſich für dieſen Zweck der Alaunbeizmaſchine (S. 412) und der
Garnpaſſier- und Ausringmaſchine von A. Wever \& Comp. in
Barmen (Fig. 187 und 188).


Dieſe Maſchine iſt als eine der vollkommenſten der Garnbranche
zu bezeichnen, da ſie Handarbeit thatſächlich überflüſſig macht. Nach-
dem die Garnſträhne eingehängt ſind und die Maſchine eingerückt iſt, beſorgt
letztere alle Vorrichtungen vollkommen ſelbſtthätig: das Garn wird zuerſt
eingeweicht, herausgehoben, ausgerungen, zurückgewunden und noch einmal
in entgegengeſetzter Richtung ausgewunden. Alle dieſe einzelnen Arbeiten
können durch eine einfache Umſteuerungsvorrichtung bezüglich ihrer Zeitdauer
beliebig verändert werden. Die Maſchine iſt doppelſeitig angeordnet; der
Antrieb der beiden Wickelſpulen und der an derſelben Achſe befindlichen
Quetſchwalzen erfolgt von der Mitte aus; die beiden Spulenſyſtem bewegen
ſich gleichzeitig und gleichartig, wie ſolches aus dem unteren Horizontalauf-
riß zu erſehen iſt (S. 610).


Die auf die geſchilderte Weiſe behandelten Garnſträhne werden über
Nacht an der Luft liegen gelaſſen, dann trocknet man ſie auf einer Hänge
von Latten oder in einem Ofen bei 45 bis 50° R. Das Garn muß
für die Vornahme der folgenden Operationen völlig trocken ſein.


Dritte Arbeit: Zweites Schafmiſtbad. Ein Behandeln auf einem
ganz gleich zuſammengeſetzten Bade wie das vorige; der Reſt des vorigen
Ganswindt, Färberei. 39
[610]

Figure 198. Fig. 187.

Garnpaſſier- und Ausring-Maſchine (Totalanſicht).


Figure 199. Fig. 188.

Garnpaſſier- und Ausring-Maſchine (Horizontalſchnitt).


kann dieſem zugegeben werden. Imprägnieren, Ausringen, Lüften und
Trocknen wie vorher.


Vierte Arbeit: Drittes Schafmiſtbad. Eine einfache Wieder-
holung des vorigen. Nur dürfen die Strähne nach dem Imprägnieren nicht
übereinander gelegt werden, damit ſie ſich nicht entzünden, was durch die
Gärung ſchon mehrmals geſchehen iſt.


Fünfte Arbeit: Eine vierfache Wiederholung des Weiß-
bades
. Das „Weißbad“ (oder auch Hauptölbad) iſt nichts anderes als eine
ſehr ſchwache Sodalöſung, in welche die Garne eingetaucht werden; natur-
[611] gemäß findet ſchon eine Verſeifung im Bade ſtatt, die anfangs farbloſe
Flüſſigkeit wird weißlich (daher Weißbad); dann nimmt man das Garn
heraus, ringt ab, ſetzt der Luft aus und trocknet ſchließlich, wie bei den
früheren Operationen. Dieſe Arbeit findet alſo viermal hintereinander, alle-
mal mit einer Sodalöſung von 0,7° Bé. ſtatt.


Sechſte Arbeit: Wäſſern (Einweichen). Ein einfaches Einweichen
in Waſſer von 45° während 24 Stunden; Auswaſchen und ſcharfes Trocknen.


Siebente Arbeit: Gallieren. Die Operation bezweckt ein Beizen
der Garne mit Sumachabkochung, welche man erkalten läßt, filtriert und
auf 1° Bé. ſtellt. Das von der ſechſten Arbeit kommende noch warme
Garn wird nun 4 bis 6 Stunden auf der Sumachflotte behandelt, dann
herausgenommen und geſchleudert. Zur Vornahme des Gallierens wird in
vielen Türkiſchrotfärbereien die kleine Garnwaſchmaſchine von A. Wever \&
Comp
. in Barmen (D. R. P.), welche S. 328 beſchrieben iſt, verwendet.


Achte Arbeit: Fixieren (Beizen oder Alaunieren). Man verwendet
dabei am beſten eiſenfreien römiſchen Alaun, und bereitet ſich ein Bad aus
4 Teilen Alaun, dem man in kleinen Portionen 1 Teil Soda zuſetzt. Man
ſtellt die Alaunlöſung auf 5° Bé., erwärmt ſie auf 30 bis 40° R. und
legt die ſchmackierte Baumwolle 24 Stunden hinein; darauf wird gut aus-
gewaſchen und centrifugiert.


Neunte Arbeit: Färben (Krappen). Das Färbebad beſteht aus
2 Prozent (vom Gewichte der Baumwolle) Alizarin blauſtich, 5 Prozent Ochſen-
blut und etwas gemahlenem Schmack (oder beſſer Tannin) unter Hinzufügen
von etwas Kreide. Man geht mit der Ware kalt ein, treibt in 1 Stunde
bis zum Kochen und erhält 1 Stunde im Kochen, dann läßt man im Färbe-
bade erkalten.


Zehnte Arbeit: Schönen (Avivieren). Abkochen des gefärbten unge-
ſpülten Garnes in einem Hochdruckkochkeſſel (ein ſolcher iſt durch Beſchrei-
bung und Zeichnung S. 441 erläutert) unter Druck mit einer ſchwachen
Lauge aus gleichen Teilen Soda und Palmölſeife. Spülen.


Elfte Arbeit: Avivieren (Roſieren). Kochen im Hochdruckkochkeſſel
mit einer Löſung, welche pro Kilogramm des in Arbeit befindlichen Garnes
25 g Palmſeife und 1½ g Zinnſalz enthält.


Zwölfte Arbeit. Gutes Auswaſchen und Trocknen.


Entkleidet man den vorſtehend beſchriebenen höchſt verwickelten Prozeß
alles unnützen Beiwerks — und Schafmiſt und Ochſenblut ſind unnützes
Beiwerk — und betrachtet man das, was dann übrig bleibt, mit kritiſchem
Blick, ſo gelangt man zu der Anſicht, daß die ganze Geſchichte keineswegs
ſo verwickelt ſei. Es gehört zu den Eigenheiten einer vergangenen Periode,
Alles ſo kompliziert und verwickelt als möglich zu machen und ſelbſt das
Einfache hinter einem Schwall von Worten zu verbergen. So iſt auch die
mit dem Staub früherer Jahrhunderte bedeckte Weißbad-Methode eine ſolche,
die mit den heutigen Anſchauungen durchaus nicht mehr im Einklang ſteht,
eine Methode die veraltet iſt und ſich überlebt hat. Romen in ſeiner
„Colorie der Baumwolle“, Wien, 1878, iſt noch der Anſicht, daß der
Schafmiſt unentbehrlich ſei, und behauptet, daß man mit bloßer Seife kein
Türkiſchrot hervorzubringen vermag. Gleichwohl beſchreibt er den Türkiſch-
39*
[612] rotölprozeß, bei dem ja doch Schafmiſt nicht zur Anwendung gelangt. Was
iſt denn aber Türkiſchrotöl anders als eine Seife, wenn auch eine Seife,
die aus dem engen Rahmen des gewöhnlichen Seifenbegriffs etwas heraus-
tritt? Türkiſchrotöl iſt eine Seife, welche als Alkali Ammoniak und als
Fettſäure Sulfoleïnſäure und Oxyſtearinſäure enthält. Dieſe Beſtandteile
ſind durch die Arbeiten von Müller-Jacobs, ſowie von Liechti und
Suida klargelegt worden. Die Seifennatur des Türkiſchrotöls iſt durch
meine eigenen Arbeiten über die Sulfoleate*) feſtgeſtellt worden und der
Prozeß der Einwirkung der Schwefelſäure auf Fettſäuren von mir (an
der gleichen Stelle entwickelt) und ſpäter von Sſabanejeff**) beſtätigt wor-
den. Letzterer hat durch Einwirkenlaſſen von Schwefelſäure auf reine Oel-
ſäure nachgewieſen (im Gegenſatz zu Liechti und Suida, welche Oxyoleïn-
ſäure angeben), daß ſich dabei Oxyſtearinſäure bildet, was wiederum
durch meine Unterſuchungen (Pharm. Centralh. 1886, 486) beſtätigt wurde.
Romens Behauptung iſt demnach nicht haltbar. Das Schafmiſtbad iſt
durch eine ſehr lange Praxis ſanktioniert, geheiligt geweſen; es iſt an der
Zeit, wenn wir dasſelbe durch einfachere, billigere und vor allem ſauberere
Methoden erſetzen!


Ich ſchlage zu dem Zweck folgendes vereinfachtes Verfahren vor:
Für 1000 kg.


Abkochen der Ware während 6 bis 8 Stunden in einer ganz ſchwachen
Sodalöſung unter Hochdruck, gutes Auswaſchen mit Waſſer, Centrifugieren,
Trocknen. — Sodann werden 25 kg käufl. Salmiakgeiſt und 75 kg Olivenöl
in einer Holzkufe durch heftiges Rühren ſo lange gemiſcht, bis ſie eine weiße,
weiche, ſalbenähnliche Maſſe geben; gleichzeitig werden weitere 75 kg Olivenöl
mit ſoviel einer warmen konzentrierten Sodalöſung vermiſcht, bis Verſeifung
eintritt; der entſtandenen Lauge wird das ſalbenähnliche Salmiakgeiſtgemiſch
und ſoviel Waſſer in kleinen Portionen unter jedesmaligem tüchtigen Umrüh-
ren hinzugefügt, bis das Ganze 2000 l beträgt. In dieſe Emulſion wird,
ohne zu erwärmen, über Nacht kalt eingelegt. Am nächſten Morgen wird
mittels Auswindemaſchine abgerungen und 24 Stunden lang erſt an der
Luft, dann im Ofen getrocknet. Dann wird über Nacht in eine Löſung
von kohlenſaurem Ammoniak von 0,5° Bé. eingelegt; am nächſten Morgen
ausgequetſcht und in Waſſer gewaſchen. Dann wird 3 Stunden auf einem
Tanninbade behandelt, und von hier direkt auf ein Bad von baſiſchem
Aluminiumſulfat gegangen. Der übrige Verlauf iſt dann genau ſo wie oben
als 9. bis 12. Operation beſchrieben war, nur fällt beim Färbebade das
Ochſenblut, ſowie der Schmack und die Kreide in Wegfall; dagegen empfehle
ich als Zuſatz zum Färbebade etwas eſſigſaures Natron.


§ 82. Das Türkiſchrotfärben nach Steiners Verfahren.

Das Steinerſche Verfahren wird, ſoviel mir bekannt, nur auf Ge-
webe angewendet, und iſt in ſeinen letzteren Operationen mit dem vorigen
identiſch, die vorbereitenden Arbeiten aber ſind viel einfacher und vernunft-
gemäßer.


[613]

Erſte Operation: Zuerſt kommt das Bleichen reſp. Abkochen der
Gewebe, wobei dasſelbe gilt, was im vorigen Paragraphen diesbezüglich ge-
ſagt iſt. Dann folgt


Zweite Operation: Oelen. An Stelle des Kuhkot- und Schaf-
miſtbades wird aber hier das reine Oel als ſolches und zwar bis auf 90° R.
erhitzt, angewendet. An Stelle des Einlegens tritt hier das Klotzen; das
Zeug geht in voller Breite durch eine Oelklotzmaſchine, wie ſie S. 436 be-
ſchrieben iſt. Nach dem Klotzen kommt das Gewebe ſofort in den Trocken-
ofen, und bleibt hierin 2 Stunden hindurch bei 55 bis 60° R.


Dritte Operation: Siebenmaliges Klotzen in einer Sodalöſung von
2,7° Bé., worauf jedesmal ein Trocknen im Trockenofen bei 60° folgt. Es
wird dadurch eine Verſeifung des Oeles auf den Geweben ſelbſt bezweckt;
andererſeits bezweckt das jedesmalige Trocknen eine teilweiſe Oxydation des
Oeles, ſo daß man nach Beendigung des ſiebenmaligen Klotzens wenig un-
verändertes Oel, hauptſächlich aber ölſaures und oxyoleïnſaures (vielleicht auch
oxyſtearinſaures) Natron auf der Faſer haben dürfte. Nach dem ſiebenten
Klotzen und Trocknen folgt die


Vierte Operation: Waſchen auf der Waſchmaſchine, zuerſt in
Sodalöſung, nachher in reinem Waſſer und Trocknen bei 45° R. Das
Gallieren fällt hier fort.


Fünfte bis achte Operation. Dieſe ſind gleich mit der im vorigen
Paragraphen beſchriebenen achten bis zwölften Operation.


Es muß ohne Weiteres zugeſtanden werden, daß dieſes Verfahren im
Vergleich mit dem vorigen einen weſentlichen Fortſchritt bedeutet. Der
Schafmiſt iſt hier vollſtändig weggelaſſen; nach Romen würde man alſo
hier kein Türkiſchrot erhalten dürfen; thatſächlich erhält man aber auf dieſe
Methode ein noch ſchöneres, lebhafteres Türkiſchrot, als mit der im vorigen
Paragraphen angegebenen Methode. Damit iſt der unwiderleglichſte
Beweis geliefert, daß der Schafmiſt zur Erzeugung eines
Türkiſchrot durchaus nicht notwendig iſt
.


Es bleibt hier nur die Frage, ob die Methode der Seifenbildung auf
dem Zeuge durch Klotzen nicht durch eine einfachere Methode zu erſetzen
wäre; und hier möchte ich thatſächlich einer Aenderung das Wort reden; ich
würde ſtatt des Klotzens mit Oel und des ſiebenmaligen Klotzens mit Soda
vorſchlagen, das Zeug in eine Löſung von überfetteter Seife in
Waſſer lauwarm einige Stunden einzulegen
, dann im Squeezer
abzuquetſchen, eine Chlorkalkpaſſage zu geben (NB. klare Löſung iſt
Bedingung), dann in der Echthänge zu trocknen. Beizen, Färben und
Schönen bleibt unverändert wie oben. In dieſer Form würde das modifizierte
Verfahren ſich auch ſehr wohl für Garne eignen.


§ 83. Das Türkiſchrotöl-Verfahren.

Dieſes neuere Verfahren wird auf Garne, wie Gewebe angewendet.


Erſte Operation: Statt, wie beim Steinerſchen Verfahren, die
Seifenbildung auf der Faſer durch achtmaliges Klotzen zu vollziehen, wird
[614] hier die Sulfoſeife*) in alkaliſcher wäſſeriger Löſung angewendet und das Garn
einfach kalt oder lauwarm eingelegt, Zeug entweder eingelegt oder geklotzt.
Die Türkiſchrotöl-Löſung enthält 10 bis 15 Prozent Türkiſchrotöl (vom Ge-
wicht des Waſſers); ſie wird mit ſoviel Salmiakgeiſt verſetzt, bis eine deut-
lich alkaliſche Reaktion ſich zeigt. Nach dem Imprägnieren wird abgewun-
den oder ausgeſchleudert und im Ofen getrocknet.


Zweite Operation. Das vorbereitete Garn oder Gewebe wird in
beſonderen Keſſeln (Dampfkäſten), ähnlich dem § 33 beſchriebenen Dämpf-
apparat für Garne oder in dem nachſtehend abgebildeten Dämpfkeſſel ge-
dämpft. Dieſer beſteht aus einem ſchmiedeeiſernen, auf drei Füßen ruhen-
den Keſſel mit abnehmbarem ſchmiedeeiſernen Deckel und gedrehtem Ring-
verſchluß. Das Innere des Keſſels iſt durch drei herausnehmbare,
ſchmiedeeiſerne Netze in Abteilungen geteilt; auf dieſe Netze wird das zu
dämpfende Garn gelegt. Am Boden des Keſſels iſt ein Dampfein- und
Ausgangsſtutzen mit Ventil, an welchem auch das Manometer und der
Kondenſationswaſſerableiter angebracht ſind, ferner gehört zur Armatur noch
Sicherheitsventil, Dampfablaßhahn, Luftventil. — Für Gewebe iſt der
Keſſel ähnlich konſtruiert. Die Gewebe werden in voller Breite, aber in
mehreren Lagen übereinander gefaltet, auf drehbare Holzſtäbe gehangen, welche
in größerer Anzahl in einem gußeiſernen Rahmengeſtell gelagert ſind und in
einen ſchmiedeeiſernen Dampfkeſſel eingefahren werden, in welchem unter
1 bis 2 Atmoſphären gedämpft wird. Das Rahmengeſtell iſt gleichzeitig
mit dem Verſchlußdeckel des liegenden Keſſels verbunden und mit der Ein-
richtung verſehen, das ganze auf Rollen laufende Geſtell bequem durch
Handkurbel und Räderüberſetzung ein- und ausfahren zu können. Alles
Weitere iſt aus Fig. 189 und 190 klar zu erſehen. Das Dämpfen dauert
1½ bis 2 Stunden.


Figure 200. Fig. 189.

Dämpfkeſſel für Türkiſchrot-Garne.


[615]
Figure 201. Fig. 190.

Dämpfkeſſel für Türkiſchrot-Gewebe.


Dritte Operation. Beizen in einer lauwarmen Löſung von eſſig-
ſaurer Thonerde 3½ bis 5° Bé. Abwinden oder Ausſchleudern.


Vierte Operation. Kreidebadpaſſage.


Fünfte Operation. Ausfärben im Färbebad, beſtehend aus 15 bis
20 Prozent Alizarin und ⅕ Prozent eſſigſaurem Natron; man geht kalt
ein, behandelt ½ Stunde nur lauwarm und ſteigert dann allmählich bis auf
55° R., bei welcher Temperatur man bis zum Ausziehen des Bades an-
hält. Dann folgt Waſchen in kalkfreiem Waſſer, Schleudern und Trocknen.


Sechſte Operation: Oelen. Präparieren mit einer 5 prozentigen
Löſung von Türkiſchrotöl und Trocknen.


Siebente Operation. Zweites Dämpfen. 1 Stunde.


Achte Operation. Avivieren in einem Seifenbade aus Marſeiller
Seife.


Eine Abänderung dieſer Vorſchrift wird von Kertész empfohlen.
Dieſer läßt nach dem Beizen mit eſſigſaurer Thonerde auf der Spannrahm-
und Trockenmaſchine trocknen. Dann folgt bei ihm als


Vierte Operation eine Paſſage durch ein 50° R. warmes Bad,
beſtehend aus 1900 l Waſſer, 30 kg Kreide, 15 l arſenſaures Natron 12° Bé.
Hierauf folgt ein tüchtiges Waſchen auf einer Waſchmaſchine, um die Kreide
zu entfernen. Die übrigen Operationen ſtimmen dann wieder mit der
obigen überein. — Vielfach wird dem oben erwähnten Kreidebade auch noch
Waſſerglas zugeſetzt.


Das Türkiſchrotölverfahren bietet den nicht zu unterſchätzenden Vorteil,
daß das viele Trocknen in Wegfall kommt. Für manche Warengattungen
iſt ſogar das Avivieren nicht notwendig.


Zu dieſem Verfahren ſind neuerdings einige Abänderungsvorſchläge ge-
macht worden, die beherzigt zu werden verdienen.


Der eine empfiehlt, ſtatt mit eſſigſaurer Thonerde mit Thonerdenatron
zu beizen und dabei zugleich das Türkiſchrotöl hinzuzufügen. — Ein neuerer
Vorſchlag (von Köchlin) empfiehlt, dem Färbebade Zinnoxydhydrat zuzugeben,
wodurch das nachherige Avivieren erſpart wird.


[616]

Ueber die Notwendigkeit des von anderen Autoren befürworteten Kalk-
zuſatzes wolle man S. 511 vergleichen. Bemerkt ſei noch, daß Romen
bei der Alizarinfärberei ſtets „möglichſt kalkfreies Waſſer“ empfiehlt.


Alle bisher beſchriebenen Methoden, auch die letztgenannten vereinfach-
ten, ſind nur für beſondere Türkiſchrotfärbereien anwendbar; für kleine Be-
triebe ſind dieſe Methoden zu umſtändlich und zeitraubend. Hier empfiehlt
ſich ein einfacheres Verfahren, welches lediglich durch Weglaſſung mehrerer
der oben beſchriebenen Operationen erreicht wird. Hier würde ſich z. B.
das Verfahren folgendermaßen geſtalten.


Erſte Operation. Beizen mit eſſigſaurer Thonerde, Schleudern und
Trocknen in der Trockenſtube bei 40° R. 1 bis 2 Tage lang.


Zweite Operation. Behandeln der gebeizten Baumwolle in einer
Löſung von phosphorſaurem Natron bei 50° R.; dann ſpülen.


Dritte Operation. Färben mit Alizarin.


Vierte Operation. Präparieren mit Türkiſchrotöl; Trocknen.


Fünfte Operation. Dämpfen, dann ſchönen.


Abweichend hiervon iſt z. B. das Verfahren, wie es bei Spill \&
Comp
. in Glasgow gehandhabt wird*). Auf 150 kg.


Erſte Operation. 2½ Stunden mit 2 kg Soda, 1 l Salmiakgeiſt,
½ kg chlorſaurem Kali kochen; 12 Stunden aus dem Kochbad liegen laſſen,
ſpülen.


Zweite bis vierte Operation. Dreimal hintereinander 30° heiß
paſſieren durch 10 prozent. Oelbeize.


Fünfte Operation. 4 Stunden lang kalt auf 6 prozentige ſchwefel-
ſaure Thonerde.


Sechſte Operation. Auf 20 kg Sumach aufſtellen.


Siebente Operation. Ausfärben mit 11 Prozent Alizarin; kalt
eingehen; in der erſten Stunde nur bis auf 60° R. treiben, in den nächſten
1½ Stunden bis zum Kochen ſteigern und dann noch 1½ Stunden im
Kochen erhalten. Waſchen.


Achte Operation. Avivieren mit 2 kg Soda, 1 l Salmiakgeiſt,
ſpülen, 40 bis 50° heiß trocknen.


Erzielung heller Töne, wie Alizarinroſa ꝛc. Zur Herſtellung
hellerer Nüancen nimmt man weniger Beize, alſo in dieſem Falle eine
ſchwächere Thonerdelöſung, am beſten nicht eſſigſaure Thonerde, ſondern
Alaun, und färbt mit entſprechend weniger Alizarin aus; auch wird die
Menge der Oelbeizen beſchränkt.


Daß zur Erzeugung violetter und brauner Töne im erſten Falle mit
holzeſſigſaurem Eiſen, im zweiten mit holzeſſigſaurem Eiſen und eſſigſaurer
Thonerde gebeizt werden muß, iſt früher an der betreffenden Stelle ſchon
mehrfach erwähnt worden.


Das in den vorſtehenden Paragraphen beſchriebene Verfahren zum Färben
mit Alizarin kann auch auf alle andern Alizarinfarben angewendet werden.


Wir ſehen, es führen viele Wege nach Rom — auch ohne Schafmiſt
und Ochſenblut!


[617]
§ 84. Die Anilinſchwarz-Färberei.

Das Färben mit Anilinſchwarz weicht von allen anderen Farbmethoden
weſentlich dadurch ab, daß der Farbſtoff als ſolcher nicht exiſtiert, ſondern
erſt auf der Faſer erzeugt wird. Wir können deshalb im eigentlichen Sinne
des Wortes vom Färben mit Anilinſchwarz gar nicht ſprechen, denn ein
ſolches würde einen Farbſtoff Anilinſchwarz vorausſetzen, welcher aber nicht
exiſtiert. Es gibt im Handel kein Anilinſchwarz; der Färber muß es ſich
ſelber erzeugen.


Als Material zur Darſtellung von Anilinſchwarz auf der Faſer dient
entweder das Anilin, gemeinhin als „Anilinöl“ bezeichnet, oder bequemer das
Anilinſalz, d. h. eine ſalzartige Verbindung von Anilin mit Salzſäure. Mit
einer Löſung dieſes Anilinſalzes wird die Baumwolle durchtränkt und dann
in einer Löſung von Kaliumdichromat und Schwefelſäure das Schwarz ent-
wickelt. Die Erzeugung von Anilinſchwarz auf der Faſer iſt ein einfacher
Oxydationsprozeß; aber trotz der ſcheinbaren Einfachheit ſind wir über die
eigentliche Natur des Anilinſchwarz keineswegs im Klaren, obgleich dasſelbe
bereits 25 Jahre bekannt iſt.


Lightfoot entdeckte dasſelbe 1863 und erkannte es als einen der echteſten
und widerſtandsfähigſten Farbſtoffe; er wandte es zunächſt zum Baumwollen-
druck an, wofür es auch heute noch verwendet wird. Die von ihm an gewendeten
Oxydationsmittel waren chlorſaures Kali und Kupferchlorid, woraus wir er-
ſehen, daß die Wahl des Oxydationsmittels keineswegs eng begrenzt iſt. Auch
anderweite Oxydationsmittel, wie Manganſuperoxyd, Kupfervitriol, Schwefel-
kupfer mit Salmiak, rotes Blutlaugenſalz können verwendet werden.


Das Endprodukt iſt in allen Fällen das nämliche. Durch die Arbeiten
von Kayſer, Nietzki, Goppelsröder, Liechti und Suida wiſſen wir,
daß dem Anilinſchwarz die einfachſte chemiſche Formel C5 H6 N zukommt,
doch unterliegt es ſchon jetzt keinem Zweifel, daß es ſich um ein Polymeres
vorſtehender Formel handelt und daß das Anilinſchwarz in Wirklichkeit viel
komplizierter zuſammengeſetzt iſt. Ueberdies gelten dieſe Verhältniſſe nur für
aus reinem Anilin außerhalb der Faſer hergeſtelltes Anilinſchwarz. Unter
gleichen Bedingungen gibt Orthotoluidin ein minder echtes bläuliches Schwarz,
Paratoluidin hingegen ein unſcheinbares Braunſchwarz. Nun finden ſich aber
in dem gewöhnlichen Anilin des Handels ſtets wechſelnde Mengen von dieſen
beiden Homologen und es geht daraus hervor, daß auch das daraus er-
zeugte Anilinſchwarz kein einheitliches Produkt ſein kann.


Am ſicherſten wird man immer gehen, wenn man ſich ein von den
Toluidinen freies Anilin reſp. Anilinſalz verſchaffen kann. Bei der Oxy-
dation des Anilins geht dasſelbe aber nicht alſobald in Anilinſchwarz über,
ſondern wir beobachten ganz deutlich ein Zwiſchenprodukt, welches durch
Säuren grün, durch Alkalien blauſchwarz gefärbt wird; dieſes Zwiſchen-
produkt heißt Emeraldin und wird durch fortſchreitende Oxydation in
Anilinſchwarz übergeführt, welches letztere wiederum durch zu weit gehende
Oxydation zum Teil oder ganz zerſtört werden kann. Es kommt alſo bei der Her-
ſtellung von Anilinſchwarz darauf an, die Mengen des Oxydationsmittels
genau zu bemeſſen, oder, wo das aus irgend einem Grunde unthunlich iſt,
den Oxydationsprozeß nach genügender Entwickelung das Schwarz zu unter-
[618] brechen. Gut hergeſtelltes Anilinſchwarz iſt vollkommen widerſtandsfähig
gegenüber den Einflüſſen von Alkalien, Säure und Licht, und wird nur
durch kräftige Oxydationsmittel verändert. Die Wirkung gewiſſer ſchwerer
Metalle bei Gegenwart von chlorſauren Salzen iſt durch die zeitweiſe Bildung
der leicht zerſetzlichen chlorſauren Salze dieſer Metalle zu erklären. Sie
wirken gewiſſermaßen als Sauerſtoffüberträger, wodurch es ſich erklärt, daß
ſchon ganz geringe Mengen derſelben genügen, große Quantitäten von Anilin
in Anilinſchwarz überzuführen. Wie ſchon erwähnt, wurden zuerſt zu dieſem
Zweck Kupferſalze verwendet. Später wurde ſtatt deſſen vanadinſaures
Ammoniak verwendet, wovon 1 Teil genügt, um 1000 Teile Anilinſalz in
Anilinſchwarz überzuführen. 1886 hat Bührig für den gleichen Zweck die
Salze des Ceriums empfohlen.


Das Färben der Baumwolle mit Anilinſchwarz wird faſt durch-
weg mit denſelben Materialien, aber nach verſchiedenen Methoden gehandhabt,
welche ſehr abweichende Reſultate geben. Es iſt ein gewaltiger Unterſchied,
ob wir die ſämtlichen Ingredienzien in ein Bad thun und in dieſem aus-
färben oder ob wir die Baumwolle erſt mit Anilinſalz imprägnieren und dann
in beſonderem Bade das Schwarz entwickeln; es iſt ein großer Unterſchied,
ob wir kalt oder warm färben. Die Hauptſache aber iſt, daß die in
einem gewiſſen Zeitraum gebildete Menge Anilinſchwarz nicht
größer iſt, als die Baumwolle in dem gleichen Zeitraum zu
binden vermag
. Dieſes Mißverhältnis tritt natürlich ſofort ein überall
da, wo das Färbebad neben dem Anilinſalz auch das geſamte chromſaure
Kali und Schwefelſäure enthält und ſofort beim Eingehen mit der Ware
erwärmt wird. Die Folge davon iſt, daß ſich mehr Anilinſchwarz und
ſchneller bildet, als die Faſer in der gleichen Zeit zu abſorbieren vermag;
der Ueberſchuß legt ſich dann als unlösliches ſchwarzes Pulver unverbunden
außen auf der Faſer auf und erzeugt das ſo unangenehme Abrußen.


Das Streben des Färbers wird alſo dahin zu gehen haben, dieſes
Rußen des Anilinſchwarz möglichſt zu verhindern oder doch auf ein kleines
Maß herabzumindern. Das geſchieht, indem man das Oxydationsmittel in
vielen kleinen Portionen in kleinen Zwiſchenpauſen zuſetzt, damit das jedes-
mal gebildete Anilinſchwarz Zeit findet, ſich mit der Faſer zu verbinden.
Genau genommen ſollte man nicht eher ein neues Quantum Chromatlöſung
zugeben, als bis das Bad von der erſten Zugabe ſich aufgehellt hat. Den-
ſelben Zweck würde man vielleicht auch dadurch erreichen können, daß man
mit verdünnteren Löſungen arbeitet. Je langſamer der Bildungsprozeß des
Anilinſchwarz vor ſich geht, um ſo tadelloſer wird die ſchwarz gefärbte Faſer
ausfallen, und um ſo vollſtändiger wird das Bad ausgezogen.


In der Praxis wird meiſt nach den von Grawitz aufgeſtellten Ver-
hältniszahlen gearbeitet, nämlich:
Auf 100 kg Garn oder Gewebe:
8 kg Anilinöl
32 „ Salzſäure
16 „ Kaliumdichromat
3200 l Waſſer.


Man geht mit der Ware kalt ein, behandelt ohne Erwärmen 1 Stunde
lang, und erhöht zuletzt die Temperatur langſam zum Kochen.


[619]

Nach Theilig ſoll die Baumwolle zunächſt in einem Bad, enthaltend
Anilinchlorhydrat, chlorſaures Kali und Vanadinchlorür, kalt angefärbt wer-
den; hierauf wird ausgerungen und in einem geſchloſſenen Raum erſt mit
heißer Luft allein, ſpäter mit etwas Waſſerdampf gemiſcht, erhitzt. Hier-
durch ſoll eine raſche und vollſtändige Oxydation bewerkſtelligt und die frei
werdende Säure raſch entfernt werden. Ein Paſſieren durch ein Bad von
chromſaurem Kali mit oder ohne Alkali*) ſoll die Reihe der Operationen
beſchließen.


Intereſſant iſt ein von Renard**) vorgeſchlagenes Verfahren zum
Schwarzfärben auf kaltem Wege. In beſonders hergeſtellten Färbekufen
wird die Baumwolle zuerſt mit der Hälfte der nachfolgenden Farbe ange-
färbt, dann die zweite Hälfte derſelben zugeſetzt und etwa 2½ Stunden bis
zum gewünſchten Tone kalt gefärbt. Die Farbe beſteht auf 100 kg aus:
Salzſäure 21° Bé.
Schwefelſäure 66° Bé.
Anilinöl
Kaliumdichromat
Eiſenvitriol
4 bis 5 kg
5 „
2 bis 2½ „
4 bis 5 „
2½ „


Die hierzu nötige Waſſermenge iſt gering.


Nach dem Färben wird gewaſchen und kochend mit 5 g Seife und
2 g Soda per Liter behandelt. Nach dieſem Verfahren wird ein nahezu
unvergrünliches Schwarz erhalten.


In allen den Fällen, wo man ſtatt Anilinſalz Anilinöl und Salzſäure
anwendet, ſind dieſe beiden zuvor unter Zugabe von etwas Waſſer für ſich
kalt zu behandeln; man erhält ſo eine konzentrierte Auflöſung des Anilinſalzes.
Um zu prüfen, ob man auf dieſe Weiſe das normale Anilinchlorhydrat er-
halten hat und ob nicht etwa ein für die Faſer verhängnisvoller Ueberſchuß von
Säure vorhanden iſt, verwendet man mit Vorteil Methylviolett, welches, in
geringer Menge der Anilinſalzlöſung hinzugeſetzt, ſeine Farbe behalten muß.
Iſt zu viel Säure vorhanden, ſo wird die Farbe, je nach der Größe des
Ueberſchuſſes, allmählich in Blau, Grün, ja ſogar in Gelb umſchlagen.


Zu einer normalen Entwickelung des Schwarz iſt ein langſames und all-
mähliches Zuſetzen der Chromatlöſung erforderlich iſt. Ein ſchnellerer Zuſatz
bedingt nicht nur das fatale Abrußen, ſondern auch einen direkten Verluſt an
Farbſtoff.


Das Schwarz auf kaltem Wege dauert zwar etwas länger, das
damit erzielte Schwarz haftet aber auch um ſo feſter; mindeſtens rußt es
bei weitem nicht in dem Maße ab, wie ein warm gefärbtes Schwarz. Ganz
zu vermeiden iſt es ja freilich nicht, da der Farbſtoff in Waſſer abſolut unlöslich iſt
und da alles außerhalb der Faſer gebildete Schwarz ſich naturgemäß auf der
Faſeroberfläche mechaniſch feſtlagern kann. Zur Hebung dieſes Uebelſtandes
ſind mancherlei Vorſchläge gemacht worden, unter denen beſonders die Me-
thode von Frank***), die gefärbte Ware durch eine Löſung von Leinöl in
Benzin zu paſſieren, Beachtung verdient. Ich möchte vorſchlagen, die
[620] Ware vor dem Färben in ähnlicher Weiſe zu behandeln, wie
beim Präparieren für Türkiſchrotöl
, alſo erſt mit Oel und dann
ſechsmal mit Soda zu klotzen und jedesmal in der Echthänge zu trocknen.
Nach dem letzten Trocknen wird in die toluidinfreie Anilinſalzlöſung kalt
eingegangen und die ſchwefelſaure Kaliumdichromatlöſung in regelmäßigen
Zwiſchenräumen in kleinen Mengen zugegeben (etwa alle 5 Minuten 1 Schnaps-
gläschen voll, oder bei größeren Mengen ¼ bis ½ l). Nach beendetem
Färben gibt man wieder ein Oelbad, trocknet, ſeift kochend, ſpült und trocknet
abermals.


In allen Fällen, wo die Oxydation nur mit Kaliumdichromat ohne
Schwefelſäure bewirkt wird, erhält man infolge unvollſtändiger Oxydation
ein Blauſchwarz, bei Schwefelſäurezuſatz jedoch ein reines Schwarz; wird
ſtatt ſalzſauren Anilins ſchwefelſaures Anilin verwendet, ſo erhält man ein
rotſtichiges Schwarz. Vielfach wird beobachtet, daß das fertige Anilinſchwarz
— wahrſcheinlich infolge einer Reduktion — nachträglich wieder vergrünt.
Um dieſes zu verhüten, läßt man der gefärbten und geſpülten Baumwolle
noch eine zweite Oxydation zu teil werden und verwendet dazu eine ver-
dünnte Löſung von Kaliumdichromat, Eiſenvitriol und Schwefelſäure. In
dieſer Löſung behandelt man die Ware 60° warm ¾ Stunde lang, ſpült
gut, kocht mit Seife ab und trocknet. Dieſer Behandlung läßt man regel-
mäßig noch als Schluß der Operationen ein Ausfärben in einer Blauholz-
Abkochung folgen.


Towlſon \& Weldon*) haben ſich (in England) ein Verfahren patentieren
laſſen, welches als eine Verbindung des warmen und kalten Färbens be-
zeichnet werden kann. Das Material kommt zunächſt in ein Bad von Bi-
chromat, Anilinöl und Salzſäure oder einer anderen Säure, worauf man
es ausringt und bei niedriger Temperatur in einer Trockenkammer hängen
läßt, bis es braunſchwarz wird. Sodann dämpft man es bei niedrigem
Druck eine halbe Stunde, oder bringt es in kochendes Waſſer, das zweck-
mäßig Bichromat enthält. Schließlich wird geſeift und getrocknet. Zum
Druck wird dem erſten Gemiſch Stärke zugefügt, worauf man den Stoff
nach dem Druck wie beim Färben hängen läßt und dann dämpft und
trocknet.


Infolge des läſtigen Abſchmutzens ziehen viele für Gewebe das Klotzen vor.
Zu dem Behufe werden das Anilinſalz und die Oxydationsmittel unmittelbar
vor dem Aufdruck gemiſcht, indem man 80 l Waſſer, 3 kg Stärke und 1½ kg
chlorſaures Kali verkochen läßt, dann 2,5 kg Salmiak und nach dem Erkalten
7 kg Anilinchlorhydrat und ½ kg Anilinöl zugibt. Glenk empfiehlt, ſtatt
des ſchwer löslichen chlorſauren Kalis das chlorſaure Natron oder den chlor-
ſauren Baryt zu verwenden, ſowie vor dem Gebrauch der fertigen Farbe
noch etwas Vanadinchlorür oder auch Schwefelkupferteig hinzuzufügen. Die
gepflatſchte Ware geht dann direkt in die Oxydationsmaſchine, in welcher
die eigentliche Oxydation erſt vor ſich geht. Die Maſchine beſteht aus einem
großen Kaſten mit 3 oder 2 vollſtändig abgeſchloſſenen Abteilungen, welche nur
durch ſchmale Schlitze für den Warendurchgang kommunizieren, die ſich aber durch
die Bewegung der Ware ſelbſtthätig nahezu hermetiſch ſchließen. Für jede
einzelne dieſer Kammern iſt die Intenſität, die Temperatur und der Feuchtig-
[621] keitsgehalt der einſtrömenden Luft geſondert leicht und ſchnell regulierbar.
Die Warenbewegung iſt vertikal und erfolgt durch oben und unten neben-
einander angeordnete, im Durchmeſſer genau gleich große Haſpeln, welche
zur Erzeugung ganz gleichmäßiger Geſchwindigkeit und Spannung außerhalb
des Kaſtens durch Schrauben und Schraubenräder am beſten von einer be-
ſonderen kleinen Dampfmaſchine angetrieben werden, damit man dadurch die
Warengeſchwindigkeit ſchnell und ſicher ändern kann. Durch die getrennten
Räume mit geſonderter Regulierung wird erreicht, daß das Gewebe in der
erſten Kammer nur geringe Temperatur, aber lebhaften Luftwechſel, in der
letzten Kammer aber beſonders heiße und ſtark mit Waſſerdampf geſchwängerte
Luft vorfindet; der Mittelraum hält auch in Bezug auf Feuchtigkeitsgehalt
und Temperatur die Mitte. Die Maſchine wird von der Zittauer Maſchinen-
fabrik gebaut; die Einrichtung iſt faſt genau dieſelbe, wie bei dem S. 444
und 445 durch Beſchreibung und Zeichnung erläuterten Kettentrockenapparat.


Hier möge noch eine abweichende Methode zur Herſtellung von Anilin-
ſchwarz erwähnt ſein, welche C. Köchlin empfiehlt. Man erzeugt auf dem
zu färbenden Gewebe zuvörderſt einen Grund von Biſterbraun (nach S. 602),
und färbt ſodann in Anilinſalzlöſung bei 60 bis 80° R. aus. Das ſo er-
zielte Schwarz ſoll durchaus unvergrünlich ſein.


Intereſſant iſt ferner die von Hummel mitgeteilte Thatſache, daß
anilinſchwarz gefärbtes Zeug ſich in einer Löſung von Methylviolett anfärbt;
das auf der Baumwolle fixierte Methylviolett würde dann mit dem ver-
grünenden Schwarz zuſammen immer wieder den Eindruck eines Blauſchwarz
machen.


Endlich iſt noch der von Goppelsröder vorgeſchlagenen Anilinſchwarz-
färbung mittels der Küpenmanier zu gedenken, welche ich S. 555 bereits
ausführlich erörtert habe.


4. Färberei gemiſchter Gewebe.


§ 85. Allgemeines.

Bisher haben wir immer nur den einfachen Fall vor uns gehabt, daß
ein einheitliches Gewebe zu färben war, d. h. ein nur aus Wolle, oder
nur aus Seide, oder nur aus Baumwolle beſtehendes Gewebe. Wir kom-
men jetzt zum Färben von Geweben, welche aus zwei Geſpinnſtfaſern gewebt
ſind und wie wir ſie im Erſten Teil dieſes Buches bereits kennen gelernt
haben. Nun wiſſen wir aber bereits, daß die Verwandtſchaft der Farbſtoffe
zu den verſchiedenen Geſpinnſtfaſern eine ſehr verſchiedene iſt; dieſe Ver-
ſchiedenheit wird unbedeutend ſein, wenn es ſich um Gewebe aus gleichartigen
Geſpinnſtfaſern handelt, z. B. bei Popeline (Wolle und Seide) oder bei
Halbleinen (Baumwolle und Leinen); ſind wird aber ſofort eine weſentliche,
ſobald tieriſche und pflanzliche Geſpinnſtfaſern mit einander verwebt werden.
Die Hauptvertreter ſolcher gemiſchter Gewebe ſind Halbwolle (Wolle und
Baumwolle) und Halbſeide (Seide und Baumwolle). Das Färben ſolcher
Gewebe iſt heute weſentlich einfacher geworden durch die allgemeine Ein-
führung der künſtlichen organiſchen Farbſtoffe.


Beim Weben gemiſchter Gewebe wird ſehr häufig die baumwollene
Kette vor dem Weben gefärbt, und nachher das fertige Gewebe mit Woll-
[622] farbſtoffen reſp. Seidenfarbſtoffen bis zur Nüance ausgefärbt, oder es werden
beide Geſpinnſtfaſern ungefärbt verwebt.


Das Färben gemiſchter Gewebe kann ſich ferner erſtrecken auf:


1. das Erzeugen nur einer Farbe, d. h. auf das Färben tieriſcher
und pflanzlicher Faſern mit dem gleichen Farbenton. Dieſe Arbeit iſt nicht
immer leicht und erfordert große Uebung;


2. das Erzeugen zweier Farben d. h. das Färben des Baumwollen-
fadens mit einer und das der Wolle oder Seidenfadens mit einer andern
Farbe.


Die meiſten der hier in Betracht kommenden Stoffe ſind leichte Damen-
kleiderſtoffe mit baumwollener Kette und ſeidenem oder wollenem Schuß.
Das Färben ſolcher Gewebe bildet eine Spezialität in jenen Textilinduſtrie-
bezirken, welche vorzugsweiſe ſolche Stoffe fabrizieren (Meerane, Glauchau),
ſowie andererſeits in der Kleiderfärberei.


§ 86. Halbwollen-Färberei.

Bei der Halbwollenfärberei handelt es ſich ſtets um das Färben nur
einer Farbe. Je nach der Wahl der Farbſtoffe laſſen ſich dabei 3 Methoden
anwenden:


Erſte Methode. Nach der bei allen Geweben üblichen Vorbereitung
(Vergl. Zweiter Teil, § 6, das Waſchen gemiſchter Gewebe), Waſchen,
Dämpfen, Trocknen, Sengen, wird zuerſt der Wollfaden nach den dort be-
ſchriebenen Methoden heiß gefärbt und gewaſchen. Bei dieſer Operation
bleibt der Baumwollfaden ungefärbt oder die geringe Färbung verſchwindet
durch das Waſchen wieder. Nachher wird der Baumwollfaden mit Tannin
(oder Schmack) gebeizt, mit Brechweinſtein, Zinnchlorid oder Eiſenvitriol in
beſonderem Bade fixiert, und in einem neuen Bade mit einem Baumwollen-
farbſtoff von gleicher oder nahezu gleicher Nüance wie der gewählte Woll-
farbſtoff ausgefärbt. Das Beizen, Fixieren und Ausfärben der Baumwolle hat
kalt zu geſchehen, damit nicht durch Erwärmen auch der Wollfaden noch ein-
mal in Aktivität tritt. Ganz zu vermeiden iſt das ohnehin nicht; daher
pflegt man den Wollfaden von vornhinein etwas heller anzufärben, indem
man darauf rechnet, daß er ſich bei dem Färben der Baumwolle noch einen
Schein dunkler färbt. Der Baumwollfaden aber muß ſtets dunkler wie der
Wollfaden gehalten werden; nur dann erſcheint die Farbe fett und voll.
Jedoch muß man darauf achten, daß die Farben des baumwollenen wie des
wollenen Fadens zuſammen harmonieren. Darin beſteht die Kunſt des Färbens
von gemiſchten Geweben. Wo es ſich um das Färben halbwollener Gewebe
im Großbetrieb handelt (Futterkattun u. dergl.), geſchieht das Färben des
baumwollenen Fadens auf der als „Jigger“ § 28 beſchriebenen Breitfärbe-
maſchine. Das Zeug wird in voller Warenbreite auf eine loſe Welle ge-
wickelt, gelangt von hier über die erſte der in der Zeichnung (S. 437, Fig. 118)
links befindlichen Holzwalze in den Jigger, welcher die Farbflotte enthält,
wird von hier unter den im Aufſetzkaſten befindlichen, in den in der Zeich-
nung nicht ſichtbaren 2 Mitlaufwalzen hinweg durch die Flotte nach der
oberen Walze geführt, gelangt von hier über die linke obere Walze des
zweiten Jiggers wieder in die Flotte und durchläuft ſo in ihrer ganzen Länge
die Färbeflüſſigkeit, um am anderen Ende des letzten Jiggers auf einer feſten
[623] Walze aufgedockt zu werden. Nun wird die Bewegung umgedreht, und das
Gewebe durchläuft die 3 Farbbäder noch einmal in gleicher Weiſe, nur in
umgekehrter Richtung. Dieſe kalte Paſſage durch das Färbebad wird ſo oft
wiederholt, bis die Baumwolle eine dem Wollfaden entſprechende Farbe an-
genommen hat. Dann folgt Waſchen, Trocknen und Appretieren. Dieſe
Methode iſt die am meiſten angewendete.


Zweite Methode. Man wählt zum Färben einen neutralen Farb-
ſtoff, welcher Wolle ſubſtantiv färbt, auf Baumwolle aber mittels des Tannin-
verfahrens fixiert werden kann. Man verfährt dabei ſo, daß man zuerſt das
Gewebe 2 bis 3 Stunden kalt mit Tannin beizt, mit Brechweinſtein fixiert,
und nun in der Farbſtofflöſung ausfärbt, erſt kalt, dann bei gelindem Er-
wärmen, wobei der Baumwollfaden ſich vollkommen färbt und dann unter
weiterer Steigerung der Temperatur bis nahe zum Kochen, wobei auch die
Wolle ſich in demſelben Färbebade mit dem Farbſtoff ſubſtantiv ver-
bindet; dieſe Methode iſt geiſtvoll durchdacht und ſehr einfach, und beſitzt
noch den ſchätzbaren Vorzug, daß die gefärbte Wolle durch ein nachher
folgendes Beizen des Baumwollfadens nicht matt gemacht wird. Dieſe
Methode geſtattet ein vollkommenes Abtönen der Nüancen des Baumwoll-
und Wollfadens in einem Bade und eignet ſich beſonders für Kleider-
färbereien; ſie hat nur den einen Nachteil, daß nur eine verhältnismäßig
nicht große Anzahl von Farbſtoffen in dieſer Weiſe ſich anwenden laſſen.


Dritte Methode. Bei dieſer Methode handelt es ſich um eine
gleichzeitige Färbung von Woll- und Baumwollfaſern mit demſelben
Farbſtoff, ohne vorher zu beizen, alſo um die Anwendung von Farb-
ſtoffen, welche Wolle und auch Baumwolle ſubſtantiv färben. Dieſes
iſt die Halbwollenfärberei der Zukunft. Vor wenig Jahren wagte daran
noch niemand zu denken; heute ſind wir dem Ziel ſehr nahe gerückt. Von
den Benzidin-Farbſtoffen ſind einzelne auch für Wolle ſehr wohl anwendbar;
über der Freude, nun endlich auch ſubſtantiv färbende Baumwollfarbſtoffe zu
beſitzen, hat man ganz überſehen, daß dieſelben auch gleichzeitig ſub-
ſtantive Wollfarbſtoffe
ſind, und Wolle in einem neutralen Bade oder
in einem ſolchen, dem etwas Seife zugeſetzt iſt, direkt anfärben. Man kann
ſie daher vorzüglich zum Färben von Halbwolle benutzen, indem man letztere
im ſchwachen Seifenbade direkt ausfärbt. Nur darf hierbei nicht außer Acht
gelaſſen werden, daß die Wollfaſer von kochenden Alkalien, ſelbſt ver-
dünnten, angegriffen wird; man muß deshalb bei einer etwas unter dem
Kochpunkte liegenden Temperatur ausfärben.


Noch neueren Datums ſind die Ingrainfarben (vergl. Erſter Teil,
§ 72, S. 192), welche gleichfalls auf Baumwolle und Wolle ſubſtantiv angehen;
dieſen reiht ſich das im Dezember 1888 von Geigy-Baſel in den Handel
gebrachte Polychrom*) an, welches, ganz wie das Primulin, Baumwolle
ohne Beize gelb färbt. Während jedoch beim Primulin und deſſen Ab-
kömmlingen das Angehen auch auf Wolle ausdrücklich verſichert wird, iſt
über das Polychrom eine gleiche Notiz bis jetzt nicht verbreitet. Da ſich
dasſelbe aber in jeder Hinſicht dem Primulin ſo ähnlich verhält, daß es faſt
für gleichbedeutend damit gehalten werden kann, ſo iſt wohl anzunehmen,
daß es auch in dieſem Punkte ſich ähnlich verhalten wird. Die Anwendung
der dritten Methode iſt z. Z. noch nicht in das Stadium getreten, daß ich
[624] ſie einem Jeden empfehlen könnte; ſie wird zweifellos bald die wichtigſte
aller Methoden zur Färberei der Halbwolle werden; augenblicklich liegen aber
noch nicht genügend Erfahrungen vor, die zu einer allgemeinen Empfehlung
berechtigten.


§ 87. Färbungen auf Halbwolle.

Bei der Wahl der Farben iſt beſonders bei der erſten Methode vor-
herige Ueberlegung geboten, und es hängt viel davon ab, ob man die Wolle
mit neutralen, ſchwach oder ſtark ſauren Farbſtoffen färbt, damit nicht durch
die dabei angewendeten Beizen der nachherige Baumwollenfarbſtoff beeinflußt
wird. Ebenſo muß darauf geachtet werden, daß, wenn man z. B. die
Baumwolle mit einem aus alkaliſchem Bade färbenden Farbſtoff ſubſtantiv
ſärben will, die Wolle mit einem ſeifenechten Farbſtoff zuvor gefärbt ſein
muß. Wollte man umgekehrt zuerſt den Baumwollfaden färben, nachher
aber den Wollfaden mit einem ſtark ſauren Azofarbſtoff, ſo muß der vorher
auf Baumwolle angewandte Farbſtoff unbedingt ſäureecht ſein. Zum Färben
des Wollfadens bedient man ſich mit Vorteil ſaurer Farbſtoffe. Bei der
zweiten Methode ſind derlei Erwägungen nicht nötig.


Ich laſſe hier einige Beiſpiele von Färbungen folgen, um zu zeigen,
in welcher Weiſe der Färber hier vorzugehen hat. Das Färben halbwollener
Ware war früher ein Meiſterſtück; heute iſt es keine Kunſt mehr, daher be-
ſchränke ich mich auf wenige Beiſpiele und überlaſſe alles Weitere dem Ge-
ſchick und der Erfahrung des Praktikers.


Rote Färbungen. 1. Bordeaux nach Methode 1: Wolle färben
mit Alaun, Schwefelſäure, Orſeïlle und Bordeaux B; Baumwolle lauwarm
2 Stunden auf Catechu ſpülen, ½ Stunde auf Kaliumdichromat umziehen,
mit eſſigſaurer Thonerde beizen und mit Rotholz ausfärben bis zur Nüance.
2. Cardinal nach Methode 2. Baumwolle beizen mit Tannin und
Brechweinſtein, ſpülen und auf beſonderem Bade ausfärben zuerſt kalt,
dann langſam bis zum Kochen ſteigernd, mit 1 Prozent Bordeaux N und
¼ Prozent Phosphin; ſeifen und ſpülen. 3. Türkiſchrot nach Methode 3.
Färben in einem ſchwachen Seifenbade mit 3 Prozent Benzopurpurin 4 B.


Orange Färbungen. Methode 1. Färben der Wolle mit Orange II
in ſaurem Bade; waſchen; behandeln mit Tannin und Brechweinſtein und
färben in beſonderem Bade mit Auramin und etwas Safranin bis zur
Nüance. Methode 2. Beizen mit Tannin und Brechweinſtein und Aus-
färben in beſonderem neutralem Bade, zuerſt kalt, dann langſam zum Kochen
ſteigernd, mit Viktoriaorange. Methode 3. Ausfärben im ſchwachen Seifen-
bade mit Congo und Chryſamin.


Gelbe Färbungen. Methode 1. Wolle beizen mit Zinnchlorür
und Weinſtein; ausfärben mit Flavin. Baumwolle beizen mit Tannin und
Brechweinſtein, färben in kaltem neutralem Bade mit Auramin. Methode 2.
Beizen mit Tannin und Brechweinſtein. Färben mit Chryſoidin, erſt kalt,
dann kochend. Methode 3. Färben im Seifenbade mit Chryſamin.


Grüne Färbungen. Dunkelgrün. Methode 1. Anfärben mit
Glauberſalz, Alaun, Schwefelſäure, Indigkarmin und Naphtolgelb etwas
heller als die gewünſchte Nüance. Ueber Nacht in Schmack einlegen, am
nächſten Morgen auf Brechweinſtein ſtellen, mit etwas Eiſen dunkeln, ſorg-
fältig ſpülen; dann kalt mit Methylgrün ausfärben. — Oder: Wolle färben
[625] mit Citronin R, Indigokarmin, Glauberſalz und Schwefelſäure. Spülen,
ſchmackieren, mit etwas Eiſen dunkeln und kalt ausfärben mit Viktoriagrün. —
Grün nach Methode 2. Beizen mit Schmack und Brechweinſtein.
Färben in neutralem Bade, erſt kalt, dann kochend, mit 1 bis 1½ Prozent
Solidgrün.


Blaue Färbungen. Marineblau nach Methode 1. Anfärben
mit Glauberſalz, Schwefelſäure, Alaun und Indulin (oder Tuchblau) etwas
heller, als die gewünſchte Nüance. Ueber Nacht in Schmack einlegen, mit
Brechweinſtein fixieren, mit Eiſen dunkeln, ſpülen, und zuletzt kalt ausfärben
mit Methylenblau. — Oder: Lichtblau. Wolle färben mit ½ Prozent
Alkaliblau B, 1½ Prozent Soda und 1½ Prozent Borax; tannieren und
ausfärben mit Viktoriablau B.Nachtblau nach Methode 2. Beizen
mit Tannin und Brechweinſtein und ausfärben in beſonderem Bade, erſt
kalt, dann kochend, mit Nachtblau. Indigoblau nach Methode 3.
Blauen auf der Küpe bis zum gewünſchten Farbenton; hierzu iſt die Sulfit-
küpe beſonders geeignet.


Violette Färbungen. Methode 2. Die genetzte Ware auf einem
60° warmen Bade aus Marſeiller Seife und einer Galläpfelabkochung
10 Minuten umziehen, herausnehmen, abwinden und bei 60° R. ausfärben
mit Methylviolett und Alaun. — Methode 3. Ausfärben im Seifenbade
mit Heſſiſchviolett.


Oliv. Wolle ½ Stunde lang anfärben mit Viktoriagelb, Indigokarmin,
Glauberſalz und Schwefelſäure; ſpülen, ſchmackieren, mit Eiſen dunkeln und
dann kalt ausfärben mit Chryſoidin und Malachitgrün.


Braun. Methode 1. Der Wollfaden wird gefärbt mit Viktoria-
gelb, Orſeilleerſatz, Glauberſalz und Schwefelſäure. Spülen und über Nacht
in eine warme Catechuflotte einlegen, 10 Minuten mit Kaliumdichromat
das Braun entwickeln, und auf friſchem Bade kalt ausfärben mit Bismarck-
braun und wenig Fuchſin. — Methode 2. Schmackieren, mit Eiſen dunkeln
und in neutralem Bade ausfärben mit Marron bis zur Nüance.


Grau. Man miſcht 2 Teile gebrauchte Catechuflotte und 1 Teil
Blauholzabkochung, geht mit der Ware kalt ein und treibt bis zum Kochen.


Schwarz. Man kombiniert die Schwarzfärbemethoden für Wolle und
Baumwolle, indem man mit Kaliumdichromat kochend anſiedet, in beſonderem
Bade mit Blauholz und Sumach ausfärbt und zuletzt in holzſaures Eiſen
einlegt; dann läßt man an der Luft oxydieren, ſpült und appretiert.


In neuerer Zeit kommen auch halbwollene Gewebe auf den Markt,
beſtehend aus ⅓ Jute und ⅔ Wolle. Derartige Gewebe färben ſich
einfach wie reinwollene, am beſten — wenn möglich — mit neutralen Farb-
ſtoffen; ſtark ſaure Farbſtoffe ſind dabei thunlichſt zu vermeiden.


§ 88. Halbſeiden-Färberei.

Bei Halbſeide kommen Gewebe aus Wolle und Seide, andererſeits auch
aus Seide und Baumwolle in Betracht. Um den hierbei einzuſchlagenden
Weg für das Färben von vornhinein richtig beurteilen zu können, muß zu-
erſt in Betracht gezogen werden, ob die Gewebe aus Rohſeide oder aus
abgekochter Seide gewebt ſind. Im letztern Falle läge der Fall ſehr einfach;
Ganswindt, Färberei. 40
[626] im erſtern Falle aber muß dem Färben ein Abkochen des halbſeidenen
Gewebes
vorausgehen. Bei Geweben aus Seide und Wolle kann das
auf dem üblichen Weg des Abkochens mit alkaliſchen Löſungen nicht geſchehen,
da die Wolle eine derartige Behandlung nicht verträgt. Moyret empfiehlt
daher, das Entſchälen der Seide durch eine Paſſage in ſehr verdünnter und
lauwarmer Salzſäure einzuleiten, um den harzigen Farbſtoff aufzuweichen,
indem man ihn ſeines Kalks beraubt und ihn dadurch der Seife gegenüber
nachgiebiger macht. Darauf läßt man leichtes Spülen folgen, bringt die
Stücke auf die Winde und läßt abtropfen. Man benutzt nun, anſtatt bis
zur Kochhitze zu gehen, die Eigenſchaft der Seide, ſich in einem ſehr kon-
zentrierten Seifenbade ſchon unter Siedhitze, bei 72 bis 75° R., zu ent-
ſchälen; Hauptſache dabei iſt eine gut neutrale Seife. Nach beendetem
Degummieren läßt man abtropfen und gibt zunächſt eine Paſſage von lau-
warmem Waſſer unter Zugabe von etwas Soda; ſchließlich wird noch mit
reinem lauwarmem Waſſer geſpült.


Bei Gewebe aus Seide und Baumwolle verfährt man wie bei
reiner Seide, indem man mit dem Gewebe in ein kochendes Seifenbad
aus 30 Prozent vom Gewicht des Gewebes eingeht und je nach Bedürfnis
½ bis 2 Stunden kocht.


Für zarte Farben iſt ein Bleichen notwendig; dieſes erfolgt bei
Geweben aus Seide und Wolle einfach durch Schwefeln, wie ſolches
§ 12 und 13 ausführlich beſchrieben iſt. Die Ware kommt, nach tüchtigem
Auswaſchen der zum Abkochen verwendeten Seife und des Seidenleims, in
die Schwefelkammer und nach beendetem Schwefeln in ein Bad von Natrium-
biſulfit; bei Geweben aus Seide und Baumwolle bereitet das
Bleichen große Schwierigkeiten; man ſchreitet dann zur Benutzung von über-
manganſaurem Kali oder Waſſerſtoffſuperoxyd; man bearbeitet in einem ſehr
verdünnten Bade von Permanganat (ſog. blaue Löſung) und paſſiert nach
dem Abtropfen ein Bad von Natriumbiſulfit.


Alle dieſe Vorbereitungen fallen fort, wenn es ſich um halbſeidene
Gewebe aus abgekochter Seide handelt.


Was die Färbungen betrifft, ſo iſt bei Geweben aus Seide und
Wolle
eine Gleichmäßigkeit kaum zu erzielen, da jeder zur Verwendung
gelangende Farbſtoff beide Faſern färbt, die Wolle aber jeden derſelben be-
gieriger anzieht, als die Seide. Dieſem Uebelſtande iſt auch durch wieder-
holtes Färben nicht abzuhelfen, weil beim Abtropfen die Wolle den größern
Teil des Waſſers abgibt, die Seide es aber zurückhält; geht man dann
wieder ein, ſo wird die Wolle mehr von dem neuen Bade aufnehmen, als
die Seide, alſo auch mehr Farbſtoff. Hierzu kommt, daß die Seide glänzend
iſt, die Wolle aber ſtumpf erſcheint. Die Seide wird alſo in jedem Falle,
vornehmlich bei vollem Licht, heller erſcheinen als die Wolle.


§ 89. Färbungen auf Halbſeide.

Die Wahl der Farben auf Gewebe aus Seide und Wolle bietet
keine Schwierigkeit, da jeder anwendbare Farbſtoffe zu beiden Faſern, wenn
auch ungleiche, Verwandtſchaft beſitzt. Marius Moyret faßt das in dem
[627] einfachen Satz zuſammen: „Die Seide wird ſich ſtets in einem für Wolle
angeſetzten Bade färben; das Umgekehrte iſt nicht immer der Fall.“


Die Wahl der Farbe auf Gewebe von Seide und Baumwolle
unterliegt den gleichen Erwägungen wie bei der Halbwollen-Färberei. Auch
die bei derſelben angewendeten 3 Methoden können hier Verwendung finden,
zu welchen bei der Färberei halb ſeidener, halb baumwollener Gewebe noch eine
von Moyret empfohlene Methode hinzukäme. Das Gewebe wird in einem
mäßig flüſſigen Bade von mit Ammoniak neutraliſiertem Türkiſchrotöl ge-
klotzt und verläßt die Paddingmaſchine genügend feucht und imprägniert
(dieſe Methode gibt beſſere Reſultate als beim Keſſelfärben), dann wird
24 bis 48 Stunden getrocknet. Der getrocknete Stoff iſt ſehr leicht
entzündbar und muß vor Berührung mit dem Feuer ſorglich
gehütet werden
; ebenſo darf die Ware nicht in Haufen liegen gelaſſen
werden. Sie wird alsdann von dem Ueberſchuß an Oel durch Bearbeiten
in einem verdünnten kalten Sodabade befreit, geſpült und mit Salzſäure
aviviert, welche wieder gut ausgewaſchen wird. Wenn die Stücke nun ge-
färbt werden, nimmt ſowohl die Baumwolle als die Seide die Farbe an.
Der Gebrauch des Oels hat den Vorzug, der Ware guten Griff zu ver-
leihen, indeſſen muß der Ueberſchuß ſorgfältig entfernt werden, da ſie ſich
ſonſt zu weich anfühlt. Die Stücke werden nach dem Färben nicht ge-
ſpült
; die Bäder können aufgehoben und von neuem benutzt werden.


Weißfärben. Dieſes geſchieht, um den der Ware noch anhaftenden
leicht gelben Schein zu nehmen, teils auch, um verſchiedene Schattierungen
zu erzielen. Die verſchiedenen Effekte werden durch Bearbeiten in ſehr
verdünnten Löſungen von Farbſtoff hervorgebracht; hierzu werden vorzugs-
weiſe Mauveïn und Magdalarot verwendet. Sobald die gewünſchte Nüance
erzielt iſt, paſſieren die Stücke ein ſchwaches Bad aus Eſſigſäure, um ihnen
einen rauhen Griff zu geben, oder, wenn ſie weicher gewünſcht werden, ein
Bad, in welchem Talk ſuſpendiert iſt. Darauf wird ausgeſchwenkt und ge-
trocknet durch Aufhängen in luftigen Räumen, oder indem man ſie über
Rollen in ſehr ſtark erwärmte Trockenkammern leitet.


Helle Nüancen. Die Stücke werden mit gleicher Vorſicht, wie für
Weiß, gebleicht. Beim Färben empfiehlt es ſich, die Nüance der Baum-
wolle ſtets etwas dunkler zu halten, als die der Seide, welche gleichfalls
einen Schein dunkler als die Probe zu nehmen iſt, da die Farbe während
des Appretierens nachgibt und die der Baumwolle ſogar noch mehr. Mit
Ausnahme von Safflorfarben, welche Seide und Baumwolle gleichzeitig färben,
iſt es nötig, in 2 Bädern zu färben, um zum Ziele zu gelangen. Im
erſten Bade wird die Seide etwas tiefer, als die gewünſchte Schattierung
gefärbt, während die Baumwolle nur ſchwach nüanciert wird. Nun folgt
das Tannieren des Baumwollfadens, das Fixieren mit Brechweinſtein u. ſ. w.
Dieſe Methode hat den Nachteil, daß die auf dem Seidenfaden erzeugte
Farbe ſtumpf wird. Fette Beizen ſind ſtatt der vorſtehenden Methode mit
Vorteil angewendet worden und ſind beſonders wertvoll für die Anwendung
der hellen Schattierungen der Azofarbſtoffe. Aus dieſer Erkenntnis iſt dann
die oben beſchriebene Moyretſche Methode entſtanden.


Dunkle Nüancen. Für dunkle Töne iſt ein Schwefeln des Gewebes
nicht nötig. Das Färben geſchieht entweder auf 2 Bädern, wie oben be-
40*
[628] ſchrieben, oder nach der Methode von Moyret in einem Bade. Im
erſteren Falle wird die Seide im erſten Bade auf gewöhnliche Art gefärbt
und kann alsdann das Kernſeifenbad durch mit Ammoniak nicht neutrali-
ſiertes
Türkiſchrotöl erſetzt werden. Dann folgt das Tannieren ꝛc. der
Baumwolle. Beim Färben in einem Bad müſſen die Stücke zweifach ge-
pflatſcht und getrocknet werden, bevor ſie im Sodabade behandelt und aus-
gefärbt werden können.


Färben mit Benzidinfarbſtoffen. Als Moyret ſeine Methode
veröffentlichte, waren die Benzidinfarben noch nicht bekannt. Durch deren Ein-
führung in die Technik wird das Färben von Geweben aus Seide und Baum-
wolle ungemein vereinfacht. Das Klotzen mit Oel kommt in Wegfall und das
Färben erfolgt einfach und direkt in einem kochenden Seifenbade. Die
große Anzahl der bis jetzt bereits bekannten Benzidinfarbſtoffe geſtattet die
Hervorrufung heller und dunkler Nüancen bis zum Blau- und Violettſchwarz.
Dieſe Methode iſt noch wenig bekannt, noch weniger geübt; ſie iſt aber die
naturgemäßeſte von allen und wird vornehmlich der Kleiderfärberei unſchätz-
bare Dienſte leiſten können.


Schwarzfärben. Im Kleinbetriebe und in der Kleiderfärberei wird
man auch heute noch vorziehen, das Schwarz mit Blauholz zu erzielen.
Die Ware wird dann durch Schwarzbeize paſſiert, dieſe durch Bearbeiten
in einem lauwarmen Sodabade fixiert, dann mit Catechu behandelt; man ver-
fährt ſchließlich, wie bei Catechuſchwarz § 79 angegeben iſt.


Seit Auftauchen des Anilinſchwarz findet auch dieſes vielfach Anwen-
dung. Die gekochten, gut geſpülten und ausgeſchwenkten Stücke werden mit
einem der in § 84 bezeichneten Anilinſchwarzpräparate derart gepflatſcht, daß
die Baumwolle auf der Rückſeite den größten Teil der Flüſſigkeit erhält.
Man verfährt im übrigen ganz, wie § 84 ausführlich beſchrieben.


Weiß und farbig gemiſcht. Bei einigen für die Levante beſtimm-
ten Artikeln wird die Seide gefärbt und die Baumwolle weiß gelaſſen.
Man erreicht dies, indem man das Gewebe in einem mit Eſſigſäure ange-
ſäuerten Bade von Azorot etwas dunkel anfärbt, wobei die Baumwolle
nur ſchwach nüanciert wird; dann gibt man ein leichtes Seifenbad, wodurch
die Nüance der Seide heller und die Baumwolle weiß wird. Aehnlich wie
Azorot wirken auch alle andern ſauer angehenden Farbſtoffe.


Färben in zwei Farben. Dieſes iſt in Deutſchland nicht üblich;
nach Breuer*) wird es dagegen in Lyon ſeit lange angewendet. Zuerſt
wird die Seide in einem mit etwas Eſſigſäure angeſäuertem Baſtſeifenbade
gefärbt; man wählt hierzu durchgehends neutrale ſpritlösliche Farben,
z. B. die Eoſinfarben (mit Vorliebe Bengalroſa), Alkaliblau, Indulin; hier-
bei bleibt die Baumwolle völlig ungefärbt. Nun folgt ein Beizen mit
8 Prozent Tannin, in deſſen Löſung man das Gewebe unter häufigem Um-
ziehen 12 Stunden liegen läßt, ringt ab und trocknet, ohne zu ſpülen.
Nach dem Trocknen geht man, wie üblich, auf ein Brechweinſteinbad, zieht
darin kalt während 2½ bis 3 Stunden ein und ſpült dann ſcharf. Das
Färben der Baumwolle geſchieht kalt in einer ſo konzentrierten Löſung eines
[629] echten Baumwollfarbſtoffes, daß man durch 1 bis 1½ ſtündiges Behandeln
im Färbebade jene Schattierung zu erzielen vermag, welche verlangt wird.
Geſchieht das Färben mit der nötigen Vorſicht, ſo bleibt die Seide intakt.
Dann folgt ein Spülen und zuletzt ein Schönen auf einem konzentrierten
Seifenbad durch 10 bis 15 Minuten, wodurch beide Farben klar hervor-
treten. In dieſer Weiſe kann man Bengalroſa neben Brillantgrün, Alkali-
blau neben Auramin, Chryſolin neben Methylviolett färben.


§ 90. Leinen-Färberei.

Die Leinenfaſer iſt in ihrem Verhalten gegen Beizen wie gegen Farb-
ſtoffe der Baumwollfaſer ſo ähnlich, daß alle Beiz- und Färbemethoden,
welche für Baumwolle angewendet werden, auch auf Leinen angewendet
werden können. Nur möchte ich an die Verſchiedenheit im Verhalten der
beiden Faſern gegen Waſſer, mithin auch gegen Farbſtofflöſungen, erinnern.
Die Aufnahmefähigkeit für Waſſer iſt bei der Leinenfaſer bedeutend geringer,
als bei der Baumwolle; es findet alſo beim eigentlichen Färbeprozeß ein
unvollkommenes Durchdringen der Faſer mit der Farbſtofflöſung ſtatt, es
wird der Faſer mithin auch weniger Farbſtoff dargeboten, als beim Färben
der Baumwolle und ſo erklärt es ſich leicht, warum das Ausfärben der
Leinenfaſer längere Zeit gebraucht, als das der Baumwolle. Um dieſem Uebel-
ſtande zu begegnen, gibt es zwei Mittel: entweder 1. Ausfärben bei Siede-
hitze, oder 2. Arbeiten mit konzentrierten Bädern.


Die Leinenfärberei der Jetztzeit hat ſich von der Landarbeit völlig
emanzipiert; früher lag ſie faſt ganz in den Händen kleiner Landfärber,
welche ſelbſt Leinwand produzierten. Die großen Vorteile, welche die Ent-
deckung der künſtlichen organiſchen Farbſtoffe der Baumwolle (ſpeziell in
neueſter Zeit) gebracht hat, kommen natürlich auch dem Leinen zu gut, ſo
daß wir heute imſtande ſind, alle Nüancen, welche wir der Baumwolle
geben können, auch auf Leinen zu färben. Der herrſchende Geſchmack, wel-
cher mehrfarbige Leinengewebe bevorzugt, hat die Leinengarnfärberei in
den Vordergrund gedrängt, während die Färberei grober Leinengewebe auch
heute noch in das Gebiet der Landarbeit gehört. Während ſich aber letztere
mit verhältnismäßig wenig Farben befaßt, vorwiegend blau (Blauleinen),
ſchwarz (Buchbinderleinen), grün und braun, benutzt die Garnfärberei alle
jene Effekte, welche die künſtlichen organiſchen Farbſtoffe geſtatten.


Für die Färberei von Halbleinen gilt dasſelbe, was bei der Färberei
von Halbwolle geſagt iſt. Es handelt ſich dabei vorzugsweiſe um Beider-
wand
(leinene Kette und wollener Schuß); hier muß zuerſt der Wollfaden
gefärbt werden; dann folgt das Beizen mit Tannin, das Fixieren mit Brech-
weinſtein und das Ausfärben des Leinenfadens. Bei aus Leinen und Baum-
wolle gemiſchten Geweben findet ein Unterſchied in der Färbemethode natür-
lich nicht ſtatt.


Bei der völligen Gleichheit der Färberei von Leinen und Baumwolle
glaube ich, von der Vorführung von Beiſpielen abſehen zu ſollen und ver-
weiſe dies betreffend auf die § 69 bis 85.


[630]
§ 91. Jute-Färberei.

Da die Jute eine Pflanzenfaſer iſt, ſollte man verſucht ſein, zu glauben,
daß ſie ſich gegen Farbſtoffe wie Baumwolle und Leinen verhalte. Dem iſt
jedoch nicht ſo; die Jute iſt, wie wir im Erſten Teil, § 13 geſehen haben,
eine metamorphoſierte Celluloſe, und verhält ſich gegen neutrale Farbſtoffe
genau ſo, wie eine mit Tannin oder Sumach gebeizte Baumwollfaſer. Die-
jenigen adjektiven Baumwollfarbſtoffe, welche tannierte Baumwolle färben,
(alſo alle neutralen), ſind für Jute ſubſtantive Farbſtoffe (§ 69, 2).


Da nun dieſe Farbſtoffe auch ſubſtantive Wollfarbſtoffe ſind, ſo ver-
hält ſich gegen dieſe Farbſtoffe die Jute thatſächlich genau ſo
wie die Wolle
. Dieſer Vergleich läßt ſich auch auf die ſchwach ſauren
Wollfarbſtoffe ausdehnen, welche durch Beizen der Jute mit Alaun trefflich
fixiert werden. In ähnlicher Weiſe, wie bei der Wolle, laſſen ſich auch auf
mit Zinn- oder Eiſenſalzen gebeizte Jute ſchwach ſaure Farbſtoffe (z. B.
alle natürlichen) befeſtigen. Das Fixieren von Metallſalzen auf der Jute-
faſer wird durch die gerbſtoffähnlich wirkenden Beſtandteile der letzteren noch
beſonders begünſtigt. Dagegen eignen ſich die ſauren Farbſtoffe weniger
zur Anwendung auf Jute, da die Jute gegen Säuren, ſelbſt gegen ver-
dünnte, höchſt empfindlich iſt; wohl aber zeigt die Jutefaſer direkte Ver-
wandtſchaft zu den ſubſtantiven Baumwollfarbſtoffen, mit welchen ſie ſich im
Seifenbade färbt. Wir erhalten demnach 3 Abteilungen von Jute-Farb-
ſtoffen
:


1. ſubſtantive. Dieſelben färben entweder aus neutralem Bade,
und zwar direkt, beſſer aber noch nach vorheriger Brechweinſtein-Paſſage.
Hierher gehören alle direkten Wollfarbſtoffe, § 41, a.


2. adjektive. Dieſelben färben die mit Metalloxyden gebeizte Jute
in neutralem Bade. Hierher gehören die indirekten Wollfarbſtoffe, § 41, 2.


3. direkt aus dem Seifenbade färbende. Hierher gehören alle
Benzidinfarbſtoffe, § 69, 1.


Hödl (Deutſche Färber-Ztg. 1889) empfiehlt neuerdings auch die
Anwendung der Azofarbſtoffe für Zwecke der Jutefärberei; doch will mir
der von ihm empfohlene Zuſatz von 5 Prozent Schwefelſäure und Ausfärben
beim Siedepunkt doch für die Haltbarkeit der Jutefaſer recht ſehr bedenklich
ſcheinen und zwar aus den ſchon oben angedeuteten Gründen, wogegen der
Verwendung der Amido-Azofarbſtoffe Bismarckbraun und Chryſoidin nichts
im Wege ſteht.


Zur Erzielung ſchöner und lebhafter Farben iſt es notwendig, daß die
Jute zuvor eine rationelle Bleiche durchgemacht hat, durch welche die Faſer,
ohne an ihren guten Eigenſchaften Einbuße erlitten zu haben, mindeſtens
bis zum ſchwachen Crême entfärbt worden iſt. Zum Färben dienen vor-
wiegend die künſtlichen organiſchen Farbſtoffe, von denen die sub 1 und 3 die
einfachſte direkte Färbemethode verlangen, während die sub 2 auf gebeizte
Jute beſonders echte Färbungen geben (z. B. Alizarinfarben). Eine Vor-
führung von Beiſpielen erſcheint mir, da ſie nur eine Wiederholung des ſchon
früher Geſagten ſein würde, nicht notwendig und verweiſe ich deshalb auf
die betreffenden Abſchnitte der Wollen- und Baumwollen-Färberei.


[631]
§ 92. Chinagras-, Ramié- und Neſſel-Färberei.

Das Färben von Chinagras, Ramié und Neſſel erfolgt genau nach
den gleichen Prinzipien, wie für Baumwolle und zwar wird faſt durchweg
die Tannin- und Brechweinſteinmethode angewendet. Bei zarten Farben auf
Chinagras kann man nach dem Vorgang von Hödl (Deutſche Färber-Ztg.
1886, Nr. 15) auch das Fixieren mit Antimon unterlaſſen; bei Mittelfarben
empfiehlt es ſich in dieſem Falle aber, nach dem Färben noch ein Tannin-
bad zu geben, auch wohl etwas Brechweinſtein dem Färbebade zuzufügen.
Nach dem Färben von Chinagras ſchönt man mit Glycerin, da dieſes den
natürlichen Glanz erhöht und das Material geſchmeidig macht. — Die
Färberei der Chinagras-, Ramié- und Neſſelfaſer iſt eine Spezialität, und
wird — bis jetzt wenigſtens — nur in beſchränktem Umfange betrieben.


§ 93. Filzſtumpen-Färberei.

Die Filzfärberei iſt eine beſondere Spezialität; es werden entweder
Haare allein, oder Haare und Wolle zuſammen, oder Wolle allein, oder
Wolle und Baumwolle zuſammen mittels Walkens zu Stumpen verarbeitet.
Der ſo erhaltene Filz iſt entweder Haarfilz oder Wollfilz oder Halbwollfilz
und bildet tuchähnliche, dickere oder dünnere, härtere oder weichere Platten
oder Stücke, welche nach den Methoden der Wollſtückfärberei oder Halbwoll-
ſtückfärberei zu färben ſind. Da es ſich vorwiegend um dunkle Farben han-
delt, ſo werden hier vielfach die Holzfarben verwendet. Haarfilz wird wie
Wollfilz behandelt.


§ 94. Federn-Färberei.

Die Federn unterliegen, ihrer animaliſchen Herkunft entſprechend, den
gleichen Färbemethoden, wie Wolle und Seide. Vorausſetzung beim Färben
von Federn iſt eine vernunftgemäße Bleiche. Hierüber vergl. Zweiter Teil,
§ 17.


Zum Färben dienen ausſchließlich künſtliche organiſche Farbſtoffe, und
ergeben dieſelben die brillanteſte Wirkung auf Federn, faſt noch ſchöner und
leuchtender, als auf Seide. Als Farbſtoffe laſſen ſich ſowohl die Woll-, wie
die Seidenfarbſtoffe verwenden. Da es ſich bei der Federnfärberei um ver-
hältnismäßig kleine Bäder handelt, verwendet man ſtatt der Keſſel läng-
liche kupferne Pfannen mit einliegendem doppelten Boden, welcher durch-
löchert iſt.


Ein Beizen der Federn findet nicht ſtatt, dagegen empfiehlt ſich eine
Zugabe von Weinſäure zum Färbebade; ein Schwefelſäurezuſatz iſt, obgleich
billiger, nicht zu empfehlen. Die Weinſäure wirkt hier ganz ähnlich, wie
der Zuſatz von Weinſteinpräparat zum Färbebade beim Färben ſaurer Farben
auf Wolle. Die Farbſtofflöſungen müſſen abſolut klar angewendet, und
durch ein Bäuſchchen Watte gegoſſen oder noch beſſer filtriert werden. Mit
der Farbſtoffzugabe wolle man vorſichtig ſein und dieſelbe lieber auf mehrere
male zuſetzen, zumal bei guten Farben. Die ſchönſten und gleichmäßigſten
Färbungen erhält man aus gelinde kochenden, dünnen Bädern. Nach be-
[632] endetem Färben gibt man den Federn noch ein wärmeres Seifenbad und
trocknet durch Abreiben zwiſchen Kartoffelſtärke. Wer ſich ausführlicher
hierüber belehren will, findet Auskunft in: Stiegler, das Färben und
Waſchen der Schmuckfedern und Strohgeflechte. Weimar, 1888. Geyer,
über das Färben von Schmuckfedern und deren Behandlung. Dresden,
Julius Bloem.


§ 95. Stroh-Färberei.

Das Färben von Stroh iſt eine Spezialität Dresdens und deſſen Vor-
orte, welche bedeutende Färbereien in dieſem beſonderen Zweige beſitzen.
Für dunkle Geflechte, ſchwarz, braun, oliv, kann das naturfarbene Stroh
verwendet werden; für helle Farben iſt ein vorheriges Bleichen des Strohes
notwendig; über dieſes vergl. § 17. Nicht gebleichte Strohgeflechte lege
man vor dem Färben in eine warme Löſung von Soda, wodurch ſie auf-
weichen und der Wirkung der Farbeflotte zugängig gemacht werden.


Auffallend iſt, daß für das Färben von Stroh, obgleich es eine celluloſe-
ähnliche Subſtanz iſt, doch die ſauer färbenden Farbſtoffe ſich beſonders
eignen; wir können alſo alle Wollfarbſtoffe des § 69, 3 unter entſprechen-
dem Zuſatz von Glauberſalz und Schwefelſäure auf Strohgeflecht anwenden.
Auch die übrigen Wollfarbſtoffe laſſen ſich nach den für Wolle üblichen Beiz-
methoden (§ 69 und 68), aber unter ſtetem Zuſatz von Schwefelſäure, auf
Stroh befeſtigen. Rezepte ſollen hier nicht gegeben werden; wer ſolche ſucht,
findet ſie in den einzelnen Jahrgängen der Deutſchen Färber-Zeitung oder der
„Strohhut-Zeitung“.


§ 96. Leder-Färberei.

Das Leder als ein tieriſcher durch den Gerbeprozeß mit Gerbſäure
überladener Stoff beſitzt direkte Verwandtſchaft zu allen neutralen und ſau-
ren Farbſtoffen; das Färben geſchieht ſehr einfach durch Aufſtreichen der ziem-
lich konzentrierten Farbſtofflöſungen auf das vorher angefeuchtete Leder mit
Hilfe eines Schwammes; dieſes Aufſtreichen iſt ſo oft zu widerholen, bis
das Leder die gewünſchte Farbe beſitzt. Ausführliches hierüber finden Inter-
eſſenten in dem kleinen Spezialbuche von Wiener, die Lederfärberei, Wien,
A. Hartleben.


Hierher gehört gewiſſermaßen noch die Rauchwaren-Färberei, welche
jedoch als ausſchließliche Spezialität getrieben wird, und deren Methoden
ſtreng geheim gehalten werden.


§ 97. Kleider-Färberei.

Die Kleiderfärberei iſt ein beſonderer Zweig der Färberei, ein Zweig,
der von der größten Anzahl von Färbern betrieben wird, oder in dem ſie
wenigſtens ihre Selbſtſtändigkeit ſuchen. Dieſe Thatſache muß mit Recht Ver-
wunderung erregen, denn die Kleiderfärberei erfordert eine ſolche Menge
von Kenntniſſen und Erfahrungen, wie kein zweites Gebiet der Färberei.
Die Kleiderfärberei iſt der ſchwierigſte, mühſamſte, undankbarſte und oft nicht
[633] einmal lohnende Zweig der geſamten Färberei. Um das zu verſtehen, muß
man ſich vergegenwärtigen, daß die zum Färben gelangende Ware bereits
gefärbt iſt; es handelt ſich faſt ſtets um das Auffärben getragener Klei-
dungsſtücke, und es wird dem Färber allen Ernſtes zugemutet, aus alten,
abgetragenen, verſchoſſenen Sachen neue Kleider zu machen
;
mindeſtens ſoll der Schein erweckt werden, als wäre das Kleid neu. Iſt
dieſes Verlangen des Publikums an ſich ſchon ſehr unvernünftig, ſo ſollte
wenigſtens der Färber hierin dem Publikum nicht noch auf halbem Wege
entgegenkommen. Das geſchieht aber! Die große Konkurrenz und der Kampf
ums Daſein führen den Färber oft dahin, Verſprechungen zu machen, die
er hinterher nicht zu halten imſtande iſt. Das ſchadet dem ganzen Fache.


Früher war man allgemein der Anſicht, und viele Färber denken heute
noch, daß, um ein Gewebe neu zu färben, die alte darauf befindliche Farbe
zuvor zerſtört werden müſſe. Dieſe Operation heißt das Abziehen. Das
Abziehen einer Farbe von einem Gewebe iſt gar nicht ſchwierig, ſobald man
weiß, mit welchem Farbſtoff oder mit welchen Farbſtoffen ein Gewebe gefärbt
iſt. Um das zu erfahren, gibt es Mittel und Wege, und die Chemie lehrt,
wie wir zu verfahren haben, um hier zum gewünſchten Ziele zu gelangen.
Es erfordert das jedoch weitgehende chemiſche Kenntniſſe, über welche von
denen, welche ſich der Kleiderfärberei widmen, kaum Einer verfügt; es würde
daher keinen rechten Sinn haben, würde uns auch hier zu weit führen,
wenn ich die Methoden zur Erkennung der Farbſtoffe auf der Faſer hier
beſprechen wollte. Wer ſich hierfür intereſſiert, findet Ausführliches darüber
in den bekannten Hummelſchen Tabellen, ſowie auch in Bolleys „Hand-
buch der techniſch-chemiſchen Unterſuchungen“. Es iſt aber auch aus einem
anderen Grunde nicht notwendig. Das Abziehen der Farbe ſelbſt
iſt vielfach durchaus keine Notwendigkeit
. Wir wiſſen aus den
Unterſuchungen Knechts, daß das Chryſamin als Mordant für andere
Farbe benutzt werden kann; inzwiſchen hat ſich herausgeſtellt, daß hiermit
gewiſſermaßen ein Fundamentalſatz der tinktorialen Chemie gefunden worden,
und daß jeder Farbſtoff, auf einer Faſer gefärbt, als Beize
für andere Farben benutzt werden kann
. Von hier iſt nur noch
ein Schritt bis zu dem weitern Satze: daß auch die auf den gebrauch-
ten
, dem Färber eingelieferten, Geweben befindlichen Farbſtoffe
als Beizen für die Aufſatzfarben zu benutzen ſind
. Es verſteht ſich
von ſelbſt, daß auf einer vorhandenen Farbe nicht jede beliebige Farbe auf-
geſetzt werden kann; dazu gehört neben tüchtiger Kenntnis der Farbſtoffe
und einer mehrjährigen Erfahrung auch einige Kenntnis der Farbenharmonie-
Lehre.


Ein tüchtiger Kleiderfärber wird alle ihm zum Auffärben übergebenen
Kleider, ehe er zum Färben ſchreitet, abkochen. Dazu dient ein 40° R.
heißes Sodabad. Auch müſſen bei dieſer Gelegenheit Fettflecke u. dergl.
entfernt werden. Dann folgt ein Spülen im warmen Waſſerbade und die
Ware iſt nunmehr zum Färben vorbereitet. Spezielle Anweiſungen zum
weiteren Verfahren können hier unmöglich gegeben werden. Denn die Kleider-
färberei iſt ein ſo ausgedehntes Fach, und erfordert ein ſo gründliches Ein-
gehen in alle Einzelheiten, daß ſich über dieſes Spezialgebiet der Färberei
allein ein Buch ſchreiben ließe. Es exiſtieren auch kleine Spezialwerke hier-
über und zwar:


[634]

Scherf, der Kleinigkeitsfärber. Weimar, B. F. Voigt, 1860.


Albrecht, ein praktiſcher Kleiderfärber der Jetztzeit. Dresden, Jul.
Bloem
, 1885.


Vollbrecht, die Kleiderfärberei in ihrem ganzen Umfange. Dresden,
Jul. Bloem, 1889.


Mit allgemeinen Anleitungen iſt auf dieſem komplizierten Gebiet nichts
zu erreichen. Die Kleiderfärberei iſt eben eine Induſtrie für ſich; zumeiſt
zerſplittert ſie ſich in eine Anzahl von Kleinbetrieben, welche hier mit ge-
ringer Kapitalanlage eine Selbſtſtändigkeit gründen. Daß eine vernunftgemäß
gehandhabte Kleiderfärberei aber auch zu einem Etabliſſement von europä-
iſchem Ruf ſich ausdehnen kann, das beweiſt ſchlagend die Anlage von
W. Spindler in Berlin.


§ 98. Allgemeines über die Methoden der Ermittelung der An-
wendung der Farbſtoffe.

Die Färberei iſt ein Zweig der techniſchen Chemie; die Chemie aber
iſt eine Erfahrungswiſſenſchaft, d. h. alle unſere chemiſchen Kenntniſſe, all
unſer Wiſſen, ſind auf dem Wege des Probierens, durch Experimente und
Verſuche erforſcht worden. Heute iſt die Chemie allerdings bereits ſoweit
entwickelt, daß wir mit faſt mathematiſcher Genauigkeit die Exiſtenz eines
noch nicht bekannten, noch nicht aufgefundenen Körpers vorherſagen können,
daß wir ſein Ausſehen, ſeine Kryſtallform, ſeine Eigenſchaften und ſein
chemiſches Verhalten gegen andere Körper genau anzugeben vermögen. Dieſe
Prognoſen haben ſich in jüngſter Zeit glänzend bewährt.


In der Färberei ſind wir allerdings ſoweit noch nicht vorgedrungen.
Wer dem Handbuche bis hierher gefolgt iſt, hat eine Fülle poſitiven Ma-
terials vor ſich gehabt; die meiſten werden das bona fide hingenommen
haben; aber wohl nur wenige haben ſich gefragt: Wie ſind wir denn zu
dieſem Wiſſen gelangt? Die einfache Antwort lautet: Auf dem Wege
des Verſuchs
. — Das klingt ſo leicht und einfach; thatſächlich aber iſt
mit einem einfachen Verſuche nichts gethan; es handelt ſich vielmehr um
ganze Reihen von Verſuchen, welche angeſtellt werden müſſen, um die Eigen-
ſchaften eines Körpers (z. B. eines Farbſtoffes), ſeine Löſungsfähigkeit, die
beſten Methoden ſeiner Ueberführung in lösliche Form, ſeine verſchiedenen
Verwandtſchaftsgrade zu den verſchiedenen Geſpinnſtfaſern, ſeine Fähigkeit,
mit verſchiedenen Metallſalzen Farblacke zu bilden, ſein Verhalten gegen
Säuren, Alkalien, Seife, gegen das Licht u. ſ. w. feſtzuſtellen. Solche ſchier
endloſe Verſuchsreihen ſind nötig geweſen, um die Färberei auf die Höhe
zu heben, welche ſie heute einnimmt, und eben ſolche Verſuchsreihen werden
nötig ſein und bleiben, um die Färberei auf dieſer Höhe zu erhalten. Die
bis jetzt errungenen Erfolge verdanken wir nur zu einem ganz geringen
Bruchteile wirklichen Färbern, obgleich gerade ſie doch vor Allen berechtigt
und befugt wären, am Werke mitzuthaten. Zweck dieſer Zeilen iſt, die
Färber zu einem Mitarbeiten an der Entwickelung der Färbereiwiſſenſchaft
anzuſpornen. Es gibt ja tüchtige, praktiſche Leute darunter, von denen man
wohl eine Förderung unſeres Faches erwarten könnte. Für Diejenigen aber,
die nicht wiſſen, wie das anzufangen ſei, möge hier die Anleitung zu einer
ſolchen Verſuchsreihe an einem bekannten Körper gegeben werden.


[635]

Es wird die Aufgabe geſtellt, ausfindig zu machen, wie man Coche-
nille
zum Färben verwendet. Die erſte zu löſende Aufgabe iſt, das Löſungs-
mittel für den Cochenillefarbſtoff ausfindig zu machen. Für unſere Zwecke
kann da nur Waſſer und Spiritus in Frage kommen. Wir behandeln alſo
drei kleine Pröbchen der gepulverten oder fein gemahlenen Cochenille in drei
verſchiedenen Reagensgläschen,


  • 1. mit Waſſer von gewöhnlicher Temperatur (kalt),
  • 2. mit kaltem Weingeiſt,
  • 3. mit Waſſer unter längerem Kochen über einer Spiritusflamme.

Wir erhalten beim Kochen mit Waſſer eine faſt rein rote Löſung, kal-
tes Waſſer gibt eine kaum merkliche Färbung, der Alkohol aber wird röt-
lichgelb gefärbt. Wir ziehen daraus den Schluß, daß die vorteilhafteſte
Methode, den Cochenillefarbſtoff in Löſung zu bringen, das Auskochen mit
Waſſer ſei.


Wir bereiten uns nun ein größeres Quantum dieſer wäſſerigen Ab-
kochung, etwa 100 g, laſſen dieſelbe erkalten, gießen ſie durch ein Bäuſchchen
Watte oder filtrieren durch Fließpapier, und verteilen das Filtrat auf 15
Reagiergläschen; wir fügen alsdann in jedes derſelben einige Tropfen der
nachfolgenden 15 Reagentien und erhalten folgende Reſultate:

An Hand dieſer Reſultate ſind wir zu den nachfolgenden Schlüſſen
berechtigt:


1. Säuren wandeln den in Löſung befindlichen Cochenillefarbſtoff in
eine orange Modifikation um (Verſuch 1 bis 3).


2. Alkalien, kohlenſaure Alkalien und Seifen wandeln die Farbe des
Farbſtoffes in Karminrot um (Verſuch 4 bis 7).


3. Unterchlorigſaure Salze zerſtören den Farbſtoff (Verſuch 15).


4. Zinnchlorid gibt mit einer ſodahaltigen Löſung des Farbſtoffes einen
Farblack (Verſuch 10).


5. Zinnſalz gibt einen roten Farblack (Verſuch 9).


[636]

Nun wiſſen wir aber, daß Zinnſalz eine treffliche Wollbeize, Zinn-
chlorid eine Baumwollbeize iſt; es folgt alſo daraus weiter,


6. daß wir mit Zinnſalz gebeizte Wolle mit Cochenille rot, mit Zinn-
chlorid gebeizte Baumwolle roſa färben können.


Das Verhalten des Alauns in obiger Verſuchsreihe läßt zunächſt nur
den einen Schluß zu, daß der rein rote Farbſtoff in karmoiſin übergeführt
wird. Da Alaun zu den Wollbeizen zählt, müſſen wir eine neue Verſuchs-
reihe anſtellen, indem wir zu wirklichen Färbeverſuchen im kleinen über-
gehen, und kleine Pröbchen Wolle mit einer Farbſtofflöſung unter Zugabe ent-
weder von


  • a) Alaunlöſung allein oder
  • b) Alaunlöſung mit Soda verſetzt, ſo lange noch kein Niederſchlag in
    der Alaunlöſung entſteht, oder
  • c) Alaun und Weinſtein zuſammen

einige Zeit hindurch kochend behandeln. Wir werden dann finden, daß wir
mit b und c ſchöne karminrote Färbungen auf Wolle erzeugen können.


Durch dieſe Vorverſuche iſt uns der Weg der Anwendbarkeit der Coche-
nille zum Wollfärben vorgezeichnet; es ſind aber damit noch keine Zahlen-
verhältniſſe für die Anwendung gegeben. Dieſe müſſen durch eine vierte
Verſuchsreihe ermittelt werden. Man beizt 10 Wollmuſter, jedes von 50 g
Gewicht, mit Alaun und Weinſtein in wechſelnden Verhältniſſen und zwar

numeriert die Proben, notiert das Gewichtsverhältnis, und färbt nun die
10 Proben alle mit der gleichen Gewichtsmenge Cochenille aus, entweder
zuſammen in einem Bade, beſſer noch unter genau gleichen Verſuchsbe-
dingungen bei gleicher Temperatur und gleicher Zeitdauer in 10 Färbungen
nebeneinander. Nach dem Ausfärben, Spülen und Trocknen vergleichen wir
die Ausfärbungen und finden auf dieſe Weiſe, welche Methode der
Wollbeizung zum Karmoiſinfärben mit Cochenille die vor-
teilhafteſte iſt
. Wir werden finden, daß das beſte Reſultat etwa mit
5 Prozent Alaun und 5 Prozent (reſp. 4 Prozent) Weinſtein erzielt wird.


Es bleibt uns jetzt nur noch zu unterſuchen, welche verſchiedenen Farben-
töne wir Cochenille auf Wolle erzeugen können. Hierzu dient die fünfte
Verſuchsreihe. Wir beizen 15 Partien Wolle à 100 g in einem Keſſel mit
je 75 g Alaun und 75 g Weinſtein (je 5 Prozent), winden ab, ſpülen und
färben jedes der 15 Päckchen gebeizte Wolle in 15 beſonderen Bädern,
unter ſonſt gleichen Bedingungen, d. h. bei derſelben Temperatur und in
derſelben Zeitdauer mit 1, 2, 3, 4 u. ſ. w. bis 15 g (d. h. 1 bis 15 Pro-
zent) Cochenille aus. Wir erhalten ſelbſtredend 15 verſchiedene Farbtöne
von zartem Hellroſa bis zum Dunkelkarmoiſin, welche wir mit den nötigen
Notizen in einem Muſterbuch befeſtigen. Derartige Muſter ſind vor Licht
geſchützt aufzubewahren und bieten den untrüglichſten Anhalt und die ſicher-
ſten Unterlagen für ſpätere Färbungen.


Man wird mir entgegnen: „Solche Verſuche koſten Mühe, Zeit und
Geld“. Gewiß; aber Mühe, die belohnt wird, Zeit, die nicht verloren iſt,
und Geld, das reichlich Zinſen trägt. Die Erfahrungen, mit denen man
[637] bei ſolchen Verſuchen ſein Wiſſen bereichert, ſind unbezahlbar; und ſomit iſt
nichts verloren, weder Mühe, Zeit, noch Geld!


Ich hätte im Intereſſe des Berufes der Färber keinen höheren Wunſch,
als daß Jeder ſeine Kenntniſſe auf Grund ſolcher Verſuche zu erweitern be-
ſtrebt wäre; es würde dadurch am ſicherſten jenem Proletariat in der Färber-
welt geſteuert, welches jetzt ſo üppig ins Kraut ſchießt, jene halbfertigen
Exiſtenzen, die von Allem etwas wiſſen, aber von Keinem etwas Geſcheidtes;
die nichts gelernt haben und die Farbſtoffe unausgenützt centnerweiſe ins
Meer laufen laſſen. Ich male keineswegs zu ſchwarz! Z. B. wandte ſich
kürzlich ein Herr an mich mit der Bitte, ihm doch ein Schwarz auf Baum-
wollgewebe mitzuteilen; er habe noch niemals Baumwolle ſchwarz gefärbt,
möchte ſich aber ſeinem Auftraggeber gegenüber nicht blamieren. Das würde
an ſich noch nichts Schlimmes ſein; aber der Brief war unterzeichnet:
N. N. Färber meiſter. Ein Anderer bat um ein Verfahren, Wolle ohne
Küpe indigblau zu färben; wenn er das nicht könne, käme er um ſeine
Stelle. Auch dieſer Edle beſaß den Freimut, ſich als „Meiſter“ zu unter-
zeichnen. Dieſe beiden Beiſpiele mögen genügen; ſie kennzeichnen das oben
angedeutete Proletariat zur Genüge. Gott bewahre die Färberei vor
ſolchen Meiſtern
!


Erfahrungen, die ein Färber an Hand ſolcher Verſuche macht, werden
ihn auch befähigen, ſich ſeine Färbevorſchriften ſelber zuſammenzuſtellen und ſich
von den Rezepten Anderer zu emanzipieren. Nur die weitgehende Unkennt-
nis, die im Färbereigewerbe in einer beſorgniserregenden Zunahme begriffen
iſt, ermöglicht es, daß heutzutage ein ſchwungvoller Handel mit Rezepten
getrieben wird, der obenein noch den moraliſchen Nachteil für die Färberei
beſitzt, daß er die des Handwerks Befliſſenen in dem Glauben beſtärkt, daß
ſie die jahrelangen Erfahrungen Anderer gegen ein billiges Honorar ſich zu
nutze machen und ſomit eigener Erfahrungen entraten könnten. Und da
paſſiert es denn ſehr oft, daß ein Käufer ſolcher Rezepte nicht weiß, was er
damit anfangen ſoll.


Kehren wir nach dieſer ethiſchen Abſchweifung zur Sache zurück. Das
oben ausführlich durchgeführte Beiſpiel umfaßt nur einen Teil der zu löſen-
den Aufgabe. Was ſonſt noch erforſcht ſein will, muß auf Grund ähnlicher
exakter und gewiſſenhafter Methoden unterſucht werden; nur bedürfen für
jeden beſonderen Fall die Verſuchsreihen und die Verſuchsbedingungen einer
entſprechenden Abänderung. Hier noch ein kleines und kurzes Beiſpiel. Um
die Lichtechtheit irgend einer Färbung im Vergleich zu ähnlichen
mittels eines anderen Farbſtoffes erzeugten Farbtönen zu erproben, wird
man wohl thun, die betreffenden Vergleichsobjekte (z. B. Alizarinblau,
Indigokarmin, Alkaliblau und Viktoriablau) gleichzeitig nebeneinander friſch
herzuſtellen und nach dem Spülen und Trocknen in zwei gleiche Teile zu
teilen. Die einen Hälften werden an einem trockenen und ſchattigen Ort,
etwa zwiſchen den Blättern eines Buches aufbewahrt und dienen zum Ver-
gleich; die anderen Hälften werden mit kleinen Zwiſchenräumen nebeneinander
an einem Faden befeſtigt und eine Zeitlang (gewöhnlich 3 bis 4 Wochen)
dem Licht — Sonnenlicht oder zerſtreutes Tageslicht — ausgeſetzt. Dadurch
wird erreicht, daß bei allen Verſuchsobjekten die Art und die Dauer der
Belichtung eine gleiche iſt
. Nach Ablauf der Verſuchszeit werden die
belichteten Muſter mit den Reſervemuſtern verglichen und der durch die Licht-
einwirkung bewirkte Verluſt geſchätzt. Will man den Verluſt ziffermäßig
[638] ausdrücken, ſo muß man ſich eine Farbentafel herſtellen, welche mit einer
empiriſchen Skala verſehen wird. Für die Zwecke des Färbers wird das
nicht nötig ſein; denn für ihn wird ſchon die annähernde Schätzung genügen,
zumal ſie durch den Vergleich mit andern Nüancen erhöht wird.


§ 99. Das Probefärben.

Unter Probefärben verſteht man die Methode der Beſtimmung der
Färbekraft
oder der Ausgiebigkeit eines Farbſtoffes. Mit dem
Namen Färbekraft hat man die chemiſche oder mechaniſche Kraft belegt,
welche die Vereinigung von Farbſtoff und Faſer bedingt. Das Probefärben
iſt die einzige abſolut zuverläſſige Ermittelung und kann nur in ausnahms-
weiſen Fällen, z. B. bei Indigo und beim Alizarin, durch direkte quantita-
tive Analyſen erſetzt werden. Das Probefärben iſt, genau betrachtet, nur
eine der im vorigen Paragraphen genannten Methoden und kann nur durch
Vergleich mit der Färbekraft anderer bekannter Farbſtoffe zu Reſultaten
führen, wobei die Echtheit des Farbſtoffes nicht in Betracht kommt. Je
weniger Farbſtoff benötigt wird, um ein beſtimmtes Quantum der Faſern
mit einem gewiſſen Farbenton zu färben, um ſo größer iſt die Ausgiebigkeit
des Farbſtoffes.


Als Untergrund für die Färbungen dienen Wolle, Seide oder Baum-
wolle als Garn oder Gewebe, je nach der Natur des Farbſtoffes.


Man läßt die Garne zu dieſem Zwecke in genau gleich ſchwere Strähne
abbinden, welche bei Baumwolle und Wolle 5 bis 20 g, bei Seide 2 bis 5 g
wiegen mögen.


Das Färben geſchieht entweder in Bechergläſern, in cylindriſchen
Porzellangefäßen oder auch in kleinen tiefen Zinnkeſſeln mit zwei einander
gegenüberſtehenden Schnäbeln, die ein bequemes Einhängen des Glasſtabes
mit der Garnprobe geſtatten.


Die Prüfung auf das Färbevermögen beſchränkt ſich naturgemäß auf
die Vergleichung der zu unterſuchenden Probe mit einer anderen, als muſter-
gültig betrachteten, dem Type.


Man färbt zu dieſem Zwecke beide Farbſtoffe gleichzeitig und unter
genau denſelben Bedingungen in zwei Färbekeſſelchen auf.


Zur Erreichung der gleichen Temperatur ſetzt man die Bechergläſer
oder Keſſelchen in den Deckel eines großen Waſſerbades ein, der zu dieſem
Zwecke mit einer Anzahl runder Oeffnungen verſehen iſt.


Wenn eine neue Farbſtoffprobe unterſucht werden ſoll, ſo bringt man
in zwei Keſſelchen die gleiche Menge laues Waſſer und fügt ebenfalls gleiche
Mengen aller jener Zuſätze hinzu, deren man ſich beim Färben im großen
für die betreffenden Farben bedient. Am häufigſten ſind dies für Wolle
und Seide Schwefelſäure, Eſſigſäure, Baſtſeife ꝛc. Dann hängt man in
die Keſſel genau gleich ſchwere Strähne mittels eines Glasſtabes ein und
zieht ſie ſo lange um, bis ſie ganz vom Waſſer benetzt ſind. Dies geſchieht
in der Weiſe, daß man das eine Ende des Glasſtabes mit der linken Hand
faßt, dann mit der rechten das obere Ende des Strähns nach oben und
gleichzeitig zu ſich heranzieht und dann wieder in die Flüſſigkeit fallen läßt.


Man hebt dann die Garnproben heraus und bringt genau gleiche Farb-
ſtoffmengen in die Bäder. Man erreicht dies dadurch, daß man durch Auf-
[639] löſen von 0,1 bis 1 g Farbſtoff in 100 ccm Waſſer oder Spiritus gleich
ſtarke, „titrierte“ Farbſtofflöſungen bereitet und mittels zweier Pipetten gleiche
Volumina entnimmt. Dann rührt man gut um, ſenkt die Garne wieder ein
und färbt unter allmählicher Steigerung der Temperatur aus. Sind die
Bäder erſchöpft, ſo ſetzt man in gleicher Weiſe dem einen oder dem andern
Bade noch ſo lange gemeſſene kleine Farbſtoffmengen zu, bis die Garnproben
möglichſt gleich ſtark gefärbt erſcheinen.


Hat man z. B. zur Erreichung dieſes Punktes 10 ccm der Löſung der
Type, jedoch 13 ccm des anderen Farbſtoffes verbraucht, ſo ſind 130 Teile
der Probe nur ſo viel wert als 100 Teile der Type.


Die endgültige Vergleichung der beiden Proben in Hinſicht auf ihren
Ton nimmt man nach dem Waſchen und Trocknen vor. Man wird dann
bei einiger Uebung durch das Probefärben nicht nur die Ausgiebigkeit, ſon-
dern auch die Schönheit der Farben beurteilen können. Geringe Unterſchiede
in den Farbentönen treten ſehr häufig bei künſtlichem Licht weit intenſiver
hervor.


Zur Prüfung adjektiver Farbſtoffe verwendet man meiſt genau gleich
große gebeizte Zeugſtückchen. (Benedikt.)


§ 100. Die Färberei-Einrichtung.

Bei der heutigen Ausdehnung der Färberei und bei der faſt vollkom-
menen Arbeitsteilung auf dieſem Gebiete iſt die Einrichtung der Färbereien
für die verſchiedenen Gebiete eine den Sonderanſprüchen entſprechend ver-
ſchiedene. Die Einrichtung einer Blaufärberei wird eine weſentlich andere
ſein, als die einer Türkiſchrotfärberei, die Einrichtung einer Seidenſchwarz-
färberei eine andere als die einer Baumwollgarnfärberei, die einer Stroh-
färberei anders als eine ſolche einer Kleiderfärberei. Es würde den Rahmen
dieſes Buches weſentlich überſchreiten, wenn hier die Einrichtungen für alle
Arten von Färbereien einzeln ausführlich erläutert werden ſollten; deshalb
ſollen hier nur diejenigen allgemeinen Geſichtspunkte Erwähnung
finden, welche bei allen Betrieben gemeinſam in Betracht kommen.


Die Lage der Färberei muß derart gewählt ſein, daß das Haupt-
erfordernis einer jeden Färberei, das Waſſer, in genügender Menge zur Ver-
wendung vorhanden iſt, und daß die Mengen von Abflußwäſſern bequem ab-
geleitet werden können. Große Betriebe werden daher am beſten in der
Nähe eines Fluſſes angelegt, und zwar, wo örtliche Verhältniſſe nicht anders
bedingen, mehr nach der Mündung zu, da das Waſſer der Flußläufe nach
der Mündung zu immer weicher wird. Eine Anlage an kleinen Gebirgs-
bächen iſt dagegen nicht zu empfehlen, da das Waſſer in dieſen für Färberei-
zwecke zu hart iſt und einem Reinigungsverfahren jedenfalls unterworfen
werden müßte. Vergl. auch Erſter Teil, § 84.


Die Beleuchtung iſt von ganz beſonderer Wichtigkeit. Bei Neuein-
richtung ſollte man für Oberlicht Sorge tragen, da ſeitlich einfallendes Licht
leicht falſche Lichtreflexe erzeugt und das Abmuſtern der Farben erſchwert.
Hauptſache iſt, reichlich und viel Licht. Eine Färberei kann nie hell
genug angelegt ſein, zumal der entſtehende Dampf zur Verdunkelung der
Räume ohnehin viel beiträgt.


[640]

Die künſtliche Beleuchtung geſchieht für den Großbetrieb am beſten
mit elektriſchem Licht; dieſes empfiehlt ſich beſonders für große, weite,
ſaalartige Räume. Die erſtmalige Einrichtung iſt zwar teuer; dafür ſtellen
ſich aber die Koſten der Beleuchtung nicht unweſentlich billiger, als wie bei
Gas- oder Petroleumbeleuchtung. Dazu iſt das elektriſche Licht das einzige
Beleuchtungsmittel, welches die Farbenreflexe nicht beeinflußt und die Farbe
genau in derſelben Nüance erſcheinen läßt, wie das Sonnenlicht und das
Tageslicht. Das elektriſche Licht eignet ſich auch beſonders zur Erhellung
von Höfen und zum Arbeiten im Freien. Für mittlere Betriebe wäre An-
lage einer eigenen Gasanſtalt und Erzeugung von Oelgas aus Petroleum-
rückſtänden, Teer oder Paraffinölen zu empfehlen. Derartige Anlagen
liefert in vorzüglicher Ausführung Prof. Heinrich Hirzel in Plagwitz-
Leipzig. Die Leuchtkraft iſt etwa die vierfache der Steinkohlengaſe. Wo die
Anlage einer eigenen Gasanſtalt nicht lohnend genug erſcheint, muß auf
Steinkohlengas, wie es die ſtädtiſchen Gasanſtalten liefern, oder auf
Petroleum zurückgegriffen werden; letzteres iſt weniger zu empfehlen.


Für kleine Betriebe iſt Gas, wo es zur Verfügung ſteht, am beſten;
andernfalls iſt Gaſolin zu empfehlen, welches in Gas ſelbſt erzeugenden
Lampen mit heller, leuchtender Flamme, ohne Docht und Cylinder verbrennt.
Andernfalls thut es Petroleum auch.


Die Ventilation in den Färbereilokalitäten iſt von höchſter Bedeutung,
da ſie dazu beſtimmt iſt, den überflüſſigen Dampf aus den geſchloſſenen
Räumen ins Freie zu leiten. Dieſes muß jedoch ſo bewerkſtelligt werden,
daß kein Zug in den Räumen entſteht. Die beſten Hilfsmittel dagegen ſind
die ſog. Dachreiter mit verſtellbaren Jalouſien. Alle andern Einrichtungen,
wie Ventilatoren, Exhauſtoren, Dampfſtrahlexhauſtoren erfüllen dieſen Zweck
nicht in dem Maße, da ſie mehr als den überflüſſigen Dampf abſaugen,
dadurch gewiſſermaßen einen luftverdünnten Raum erzeugen und zu neuer
Dampfentwickelung führen, was mit einer Belaſtung des Kontos für Brenn-
material gleichbedeutend iſt. Man kann auch Kamine, Oefen und Zentral-
heizungen zur Ventilation nutzbar machen, indem man der warmen, alſo
leichteren Luft Oeffnungen zum Abſtrömen läßt, worauf die ſchwere, kältere,
von ſelbſt nachſtrömt.


Die Ableitung des in den Färbereilokalen ſelbſt an den Decken ſich
verdichtenden Waſſerdampfes
erfordert beſondere Aufmerkſamkeit; das-
ſelbe könnte leicht in großen ſchweren Tropfen auf fertige oder halbfertige
Ware herabfallen und dieſelbe fleckig machen. Dieſem Umſtande wird am
beſten dadurch geſteuert, daß man ſolche Ware unter Gerüſte mit ſchiefem
Holzdach bringt, ſo daß etwa herabfallende Tropfen nicht auf die Ware ge-
langen können. Doppelt gefährlich wird ſolches Herabtropfen kondenſierten
Waſſers dort, wo die Decke mit Kalk getüncht iſt. Durch gewölbte Decken
(etwa von Wellblech) wird dieſem Uebelſtande etwas abgeholfen, aber
nicht ganz.


Die Wände, wie auch die getünchte Decke, ſind über der Kalktünche
mit einem Cementanſtrich und darüber mit einem Firnisanſtrich zu verſehen,
um jedes Abbröckeln von Kalk, welches für die Ware von der ſchädlichſten
Wirkung ſein kann, von vornherein unmöglich zu machen.


Eine Heizung der Räume iſt nicht notwendig, doch muß im Winter
dafür geſorgt werden, daß Froſt nicht in die Räume kommen kann, was für
kalte Küpen u. dergl. von großem Schaden ſein würde.


[641]

Ueber die Bedachung ſchreibt das „Deutſche Wollen-Gewerbe“:


Welche Bedachungsart für Färbereien am empfehlenswerteſten und ob
Wellblech praktiſch und weſentlich teurer als andere Dächer iſt, läßt ſich
ſchwer allgemein entſcheiden; es iſt hierbei einerſeits die Art und der Um-
fang des Färbereibetriebes, andererſeits die aus örtlichen Verhältniſſen reſul-
tierende Preislage der Baumaterialien von Ausſchlag gebender Bedeutung.
In der Praxis findet man alle möglichen Bedachungsarten angewendet. Im
Jahre 1865 machte man die erſten Verſuche, verzinktes Eiſen überhaupt
für Bedachungen anzuwenden; Wellblech wurde bei uns in Deutſchland ſogar
noch etwas ſpäter eingeführt; es wird ſich als jüngſtes Bedachungsmaterial
erſt im Laufe der Jahre das Anwendungsgebiet erringen müſſen, für das es
ſeiner Natur nach beſonders geeignet iſt, und da muß anerkannt werden,
daß verzinktes Wellblech auch für Färbereien, namentlich da, wo es ſich um
Ueberdeckung großer Grundflächen handelt, ſehr gut geeignet iſt. Es ſeien
hier des Vergleiches wegen einige Preisangaben über verſchiedene Bedachungen
mitgeteilt; doch ausdrücklich wird dabei bemerkt, daß dieſe Preiſe keineswegs
als allgemeine Normen hinzuſtellen ſind; dieſelben entſprechen Berliner Ver-
hältniſſen; ſie dürften indeſſen je nach örtlichen Verhältniſſen erheblichen
Aenderungen unterworfen ſein. Der Preis für je 1 qm eingedeckte Dach-
fläche ſtellt ſich durchſchnittlich beim


  • Ziegeldach (einfach Lattung 18 cm) auf 2,75—3,25 Mk.
  • Falzziegeldach (Lattung circa 32 cm) „ 1,90—2,25 „
  • Schieferdach (Deutſcher Schiefer auf Schalung) „ 3,25—3,50 „
  • „ (engliſcher „ „ „) „ 3,75—4,25 „
  • Steinpappdach auf Leiſten „ 1,25—1,50 „
  • Holzcementdach „ 2,75—3,00 „
  • Metallfalzziegel (Eiſenblech verzinkt mit Lattung) „ 3,90 „
  • „ für flache Dächer „ 3,00 „
  • Verzinktes Wellblech „ 3,50—4,00 „

Man ſieht hieraus, daß die Dächer aus verzinktem Eiſen- und Well-
blech zu den teureren gehören, doch darf andererſeits nicht verkannt werden,
daß dieſelben leicht und bequem verwendbar ſind, ein ſehr geringes Eigen-
gewicht beſitzen und als bombierte oder freitragende Wellblechdächer ausge-
führt, gar keinen Dachſtuhl erforderlich machen und neben der Sicherheit
gegen Feuersgefahr
auch nur ſehr geringe Unterhaltungskoſten verur-
ſachen. — Eine üble Eigenſchaft haben jedoch die Metallbedachungen, gleich-
gültig ob ſie aus Eiſen oder anderen Metallen beſtehen, und ob ſie aus
ebenen oder Wellblechen gebildet werden, nämlich den, daß ſie bei plötzlichen
Temperaturwechſeln oder etwaigen Dampfbildungen leicht ſchwitzen und zu
tropfen anfangen. Es kann dieſer Uebelſtand für Färbereien höchſt unan-
genehm z. B. dann werden, wenn unter dem Dach Gegenſtände zum Trock-
nen aufgehängt werden, die durch das ſelten reine Tropfwaſſer leicht beſchmutzt
werden. Zur Beſeitigung des Uebelſtandes hat man die verſchiedenſten Vor-
kehrungen angewendet. Das einfachſte Mittel zur Beſeitigung des Tropfens
beſteht darin, dem Dach eine ſo beträchtliche Neigung zu geben, daß das
Kondenſationswaſſer nicht abtropft, ſondern abwärts ſickert oder fließt, was
bei etwa 30° Neigung eintritt. Im allgemeinen jedoch wählt man für
Färbereien und Waſchanſtalten, wo namentlich eine reichliche Lüftung nötig
Ganswindt, Färberei. 41
[642] erſcheint, parabelförmig geſtaltete Dächer und wendet iſolierte Firſtbleche an,
mit Dunſtaufſätzen und Reierlaternen. Häufig legt man in die Ueberdeckungs-
flächen Futterſtücke aus Guß- oder Schmiedeeiſen, etwa 20 mm dick, um
dadurch eine natürliche Lüftung herzuſtellen und das ſich bildende Schwitz-
waſſer nach außen abzuleiten. Selbſtverſtändlich kann man durch Anordnung
von Zwiſchendecken, Bretterverſchalung oder dergl. den Zweck noch viel voll-
ſtändiger erreichen, da es ja nur darauf ankommt, durch Anordnung ſchlechter
Wärmeleiter die Niederſchlagung des Waſſerdampfes infolge plötzlicher Ab-
kühlung zu verhindern. Doch derartige Mittel ſind meiſt ziemlich koſtſpielig
und werden deshalb nicht gern ausgeführt.


Ausdrücklich ſei darauf aufmerkſam gemacht, wenn man ſich zur An-
wendung von eiſernem Wellblech entſchließt, nur ſolches für Bedachungen zu
wählen, das gut verzinkt iſt, da die Dauer des unverzinkten Eiſenbleches
unter Umſtänden ſehr gering ſein kann und letzteres wegen der oftmals
nötigen Anſtriche manche Unannehmlichkeiten und Koſten verurſacht. Bei-
läufig ſei erwähnt, daß nach baupolizeilicher Vorſchrift in Berlin für unver-
zinktes Wellblech ohne Ausnahme zu der rechnungsmäßig ſich ergebenden
Stärke noch eine Zuſatzſtärke von 1 mm erforderlich iſt, um den durch Roſten
entſtehenden Folgen vorzubeugen. — Die Verwendung von Zinkwellblech,
das ja namentlich in der Nähe der Produktionsſtätten billig iſt, ſtellt ſich
für größere Dachflächen, da es bei weitem nicht die Widerſtandsfähigkeit wie
verzinktes Eiſenblech beſitzt, ziemlich koſtſpielig. Außerdem iſt ein ſolches
Dach nicht ſo feuerſicher (Zink ſchmilzt bei 360° C., verzinktes Eiſen erſt
etwa bei 1600° C.) und leichter der Beſchädigung ausgeſetzt, als ein aus
verzinktem Eiſenblech hergeſtelltes, ganz abgeſehen von den Unzuträglichkeiten,
die durch die beträchtlichen Dimenſionsänderungen des Zinkes bei Temperatur-
wechſel hervorgerufen werden.


Für Fußböden kommen in Betracht: Granitplatten, Ziegelſteine,
Cement, Holz, Asphalt, auch wohl durchlöcherte Eiſenplatten. Ziegelſteine
nutzen ſich ſehr ſchnell ab und geben Höhlungen im Boden. Cement iſt dauer-
haft; kommen aber einmal Reparaturen — und ſie ſind nicht zu vermeiden —
ſo ſind dieſelben ſehr koſtſpielig. Eiſenplatten müſſen auf maſſiven Trägern
von Eiſen oder geteertem Holz ruhen, liegen aber ſelten feſt genug und verur-
ſachen beim Darübergehen ein klapperndes Geräuſch. Granitplatten ſind
zwar ſehr ſchön, erfüllen aber nur dann vollkommen ihren Zweck, wenn ſie groß
und ſchwer ſind. Hat der Fußboden große Laſten auszuhalten, werden überhaupt
ſchwer beladene Garnwagen u. dergl. darüber gefahren, ſo lockert ſich ihr
Zuſammenhang leicht. Holzpflaſter, d. h. ein Belag aus hohen Würfeln
von hartem, mit Kreoſot, Teerölen u. dergl. imprägniertem Holz iſt vor-
züglich, aber nicht billig. Am rationellſten erſcheint ein Asphaltfußboden,
welcher nach Art der neuen Straßenasphaltierung eine harte, dabei nicht
ſpröde, einheitlich zuſammenhängende, glatte Fläche bildet, welche das An-
bringen von ſchwachen Steigungen nach Bedarf ohne alle Umſtände geſtattet.
Ein derartiger Fußboden iſt gegen Kälte, wie gegen Hitze und gegen Näſſe
gleich wenig empfindlich und geſtattet ein bequemes Reinigen. — Jüngſt wur-
den in der „Deutſchen Färber-Ztg.“ 1888, Nr. 26, Mettlacher Flieſen em-
pfohlen. Es heißt dort:


Das beſte oder wenigſtens in den meiſten Anwendungsfällen ein durch-
aus gut brauchbares Material für Fußböden in Färbereien ſind ſogenannte
[643] Mettlacher Platten oder Flieſen, welche von der Firma Villeroy \& Boch
in Mettlach in den verſchiedenſten Arten hergeſtellt, aber auch vielfach nach-
gemacht werden und dann oft von recht mangelhafter Beſchaffenheit ſind. Eine
unerläßliche Bedingung für die Dauer des Fußbodens iſt aber, daß für die
Flieſen eine ſehr gute und ſichere Unterlage geſchaffen wird, und letztere kann
man im allgemeinen durch einige (mindeſtens 2) Flachſchichten von hartge-
brannten Ziegelſteinen herſtellen, die gut in Cement vermauert werden müſſen.
Der beſte Fußbodenbelag iſt nicht von Dauer, wenn er nicht eine ſolide
Unterlage erhält.


Endigt der Flieſenbelag etwa in einem umgepflaſterten Weg, ſo iſt es
ratſam, eine Fundamentierung derartig durchzuführen, daß die Näſſe nicht in
das trockene Erdreich unter die Flieſenunterlage gelangen kann, da ſonſt
Froſteinwirkungen eine Ausdehnung des Bodens und ein Zerſprengen des
Fußbodens (ſelbſt wenn derſelbe von ſehr beträchtlicher Stärke in Beton oder
ſonſt wie ausgeführt iſt) unausbleiblich nach ſich ziehen. Wenn alſo dieſe
gar nicht ſeltenen Fälle zu befürchten ſind, ſo thut man gut, die Unterlage
nach Art flacher Kappengewölbe zu unterwölben und darunter einen Hohl-
raum zu belaſſen. Es iſt ja einleuchtend, daß da, wo kein Material, alſo
keine naſſe Erde iſt, auch nichts durch Froſt beſchädigt werden kann.


Für Abführung der Feuchtigkeit vom Fußboden muß gleich bei
Legung desſelben durch Anordnung von Gefälle oder je nach den Umſtänden
auch Verwendung kleiner Rinnen Sorge getragen werden. Unter Beachtung des
Vorſtehenden bei der Ausführung iſt man ſicher, daß eine Zerſtörung des
Fußbodens nicht eintritt; nur darf derſelbe auch nicht gar zu roh behandelt
werden, etwa durch Hinwerfen ſchwerer, eiſerner oder ſonſtiger Gegenſtände
u. dergl. — Säurefeſte Fußböden ſucht man auch durch anderweitige Platten-
beläge unter Anwendung von Oel und anderen Hilfsmitteln zu erreichen;
doch mit Sicherheit zu empfehlen dürften wohl nur die Eingangs erwähnten
Flieſen ſein.


Die ſämtlichen von den einzelnen Farbbottichen oder Maſchinen ſich ab-
leitenden kleinen Rinnen oder Goſſen vereinigen ſich am beſten in einem ge-
meinſamen quer durch die ganze Anlage führenden Abzugskanal. Die
Sohle dieſes Kanals liegt tiefer als der Fußboden und iſt am beſten mit maſſiven
mit Ringen abhebbaren Eiſenplatten bedeckt, um deren Reinigung zu er-
möglichen. Hölzerne Bretter, ſelbſt eichene Bohlen, erfüllen dieſen Zweck
lange nicht ſo gut, da ſie bald verfaulen.


Die Farbküche iſt der Raum, in welchem die für den Färbereibetrieb
nötigen Farbſtoffe und Chemikalien, deren Löſungen und Präparate, ferner
die zum Abwägen und Verabfolgen derſelben nötigen Tiſche oder Tafeln,
Wagen, Gewichte, Löffel, ſowie die zur Prüfung nötigen Cylinder, Aräometer
u. dergl. Zubehör enthalten ſind. Dieſer Raum ſoll ſo gelegen ſein, daß er die
Vorteile des Färbereilokals mit genießen kann, ohne deſſen Nachteile in den
Kauf nehmen zu müſſen; er ſoll daher in der Nähe der Arbeitsräume ſich
befinden und muß heizbar ſein. Die Einrichtung der Farbküche wird eine
ungemein verſchiedene ſein, je nach der Größe der Färberei. Sie kann von
einem einfachen Aufenthaltsort für den dirigierenden Meiſter bis zu einem
Verſuchslaboratorium ausgedehnt werden. Vorſchriften laſſen ſich da nicht
geben, doch gilt im allgemeinen das für die Fabrikräume Gültige auch für
die Farbküche; insbeſondere ſollte ſie Dampf-, wie Waſſerleitung haben.


41*
[644]

Für die zu Trockenanlagen ſich eignenden Räume iſt der vorhandene
Raum maßgebend. In der Regel befinden ſich Trockenräume — wenn nicht
Trockenmaſchinen verwendet werden — in Räumen über der Färberei; doch
hindert nichts, dieſelben auch zu ebener Erde anzulegen. Ueber die bei einer
Trockenanlage zu berückſichtigenden Grundſätze findet ſich Ausführlicheres
§ 30, S. 442.


Die Schwefelkammer hat von der Färberei getrennt zu liegen.
Ueber deren Einrichtung vergl. § 12, S. 365.


Die Frage, ob eine Dampfkeſſel-Anlage nötig oder praktiſch iſt, iſt
abhängig von der Größe der Färberei. Für den Großbetrieb verſteht ſie ſich
von ſelbſt; ihr Umfang iſt auch hier von dem Umfang des Etabliſſements
abhängig. Für mittlere Betriebe, in denen den ganzen Tag über gekocht
werden muß, oder viel kochendes Waſſer verbraucht wird, iſt eine Dampf-
einrichtung durchaus am Platze. Anders verhält es ſich beim Kleinbetriebe,
wenn nur zeitweiſe am Tage gekocht wird, und auch vielleicht nicht alle Tage;
in dieſem Fall iſt der Betrieb ohne Dampfeinrichtung oft viel lohnender, und
Keſſelfeuerung entſchieden vorzuziehen.


Wo ein Dampfkeſſel nötig iſt, hat er von den Arbeitsräumen ge-
trennt, in einem beſonderen Hauſe, dem Keſſelhauſe, Aufſtellung zu finden.
Ueber die Vorzüge oder Nachteile einzelner Dampfkeſſelſyſteme zu ſprechen, iſt
nicht meine Sache. Bei etwaigen Neuanlagen wird man wohl thun, in
dieſer Angelegenheit einen Ingenieur zu Rate zu ziehen. Dasſelbe empfiehlt
ſich auch bei Aufſtellung einer Dampfmaſchine. Eine ſolche iſt im Groß-
betriebe notwendig, im Kleinbetriebe aber überflüſſig. Von größter Wichtig-
keit ſind dagegen die


Dampfleitungen. Die Verwendung gewöhnlicher Eiſenröhren iſt
für Färbereien nicht ratſam, weil gegen Waſſer, das durch Spuren von
Eiſenoxyd verunreinigt iſt, viele Farben empfindlich ſind; dagegen erſcheint
die Verwendung verzinkter Eiſenröhren ganz unbedenklich. Da ſich alle
Eiſenſorten verzinken laſſen (auf welche Art, ſoll hier nicht erörtert werden),
ſo kann man demgemäß auch verſchiedene Rohrſorten zur Verwendung bringen.
Für kleinere Betriebe wird man mit verzinkten Gasröhren (in manchen
Gegenden, z. B. in Süddeutſchland und der Schweiz, kommen ſolche Röhren
für gewöhnliche Waſſerleitungen unter dem Namen galvaniſierte Röhren zur
Verwendung) auskommen. Sollte jedoch der Dampfverbrauch ſo erheblich
ſein, daß die gebräuchlichen Rohrweiten für den fraglichen Zweck nicht mehr
ausreichen, ſo kann man für den 35 m langen Rohrſtrang auch Röhren aus
ſchmiedeeiſernen Blechen zuſammengenietet zur Verwendung bringen, doch
müſſen die Röhren, nachdem ſie genietet ſind, außen und innen mit einem
Zinküberzug verſehen werden, was von beſonderen Fabriken, ſogen. Ver-
zinkereien, ohne Schwierigkeiten ausgeführt wird. Ein ſolcher Zinküberzug
iſt ſehr dauerhaft und gewährt noch den Vorteil, daß etwa in der Nietnaht
vorhandene kleine Undichtigkeiten dadurch verſchloſſen werden.


Gußeiſerne Röhren ſind als Dampfleitungen ungeeignet, da ſie leicht
zerſpringen, und auch für andere Rohrſorten, gleichgültig, welches Material
man wählt, iſt darauf Rückſicht zu nehmen, daß Längenänderungen, die
infolge der Temperaturſchwankungen unausbleiblich ſind, durch geeignete
Konſtruktionsteile (entweder Stopfbüchſen oder ſogenannte Kompenſations-
rohre, -Muffen oder dergl.) ausgeglichen werden. Letztere Einrichtungen
[645] laſſen ſich am leichteſten aus Kupfer herſtellen; doch für die ganze Leitung
Kupfer zu wählen, wäre des hohen Koſtenpunktes wegen nicht ratſam. Bei-
läufig ſei erwähnt, daß hie und da auch gewöhnliche Gasröhren für Dampf-
leitungen ohne irgend einen ſchützenden Ueberzug benutzt werden und ſich
thatſächlich auch gut bewähren; doch wirken hier häufig andere Umſtände mit,
ſo daß man allgemein für einen ſo wichtigen Zweck eingeſchätzte gewöhnliche
Eiſenröhren nicht empfehlen darf. Für Dampfheizungen benutzt man wohl
gewöhnliche Gasröhren, und namentlich, wenn derartige Heizungen mit Ab-
dampf aus der Maſchine geſpeiſt werden, erhalten die betreffenden Gasröhren
im Innern einen fettigen Ueberzug, der von mitgeriſſenem Schmieröl her-
rührt. Beſteht letzteres aus gutem Mineralöl, ſo bildet ſich in den Röhren
daraus eine ganz vorzüglich dauerhafte und das Roſten verhindernde Schicht
ohne weiteres Zuthun.


Auf Umhüllung der Röhren mit einer geeigneten Wärmeſchutzmaſſe iſt
unter allen Umſtänden Rückſicht zu nehmen, und ſei hier darauf aufmerkſam
gemacht, daß neuerdings ſtatt der ſonſtigen koſtſpieligen viel angeprieſenen
Wärmeſchutzmaſſen, ferner Korkſtein, Korkmehl u. dergl., gewöhnliche Flugaſche,
wie ſie in Feuerzügen und Rauchkanälen ſich anſammelt, mit Erfolg bei Dampf-
keſſelanlagen von Staatsbergwerken (in Ibbenbüren) angewendet worden iſt.
Die Flugaſche wird, mit einem Bindemittel verſetzt, in naſſem Zuſtand auf
die warmen Eiſenteile aufgetragen. Sie hat ein ſehr geringes ſpezifiſches
Gewicht, iſt unverbrennlich und ungewöhnlich billig, was ihr vor anderen
Maſſen einen großen Vorzug verleiht.


Die für den Betrieb notwendigen Maſchinen, Keſſel, Fäſſer, Bottiche,
Küpen ꝛc. müſſen ſo angeordnet ſein, daß ein jedes von ihnen genügend
Licht hat und daß ſo viel freier Raum darum vorhanden iſt, daß bequem
daran zu arbeiten iſt. Offene Kochkeſſel ſind ihrer maſſenhaften Dampfent-
wickelung wegen am beſten in einem Nebenraum der Färberei unterzu-
bringen, unter Umſtänden ſelbſt im Hofraum unter entſprechender Ueber-
dachung.


Die Aufſicht über den geſamten Betrieb führt bei kleineren Betrieben
der Meiſter, beim Großbetriebe ein mit theoretiſchen wie praktiſchen Kennt-
niſſen ausgeſtatteter Färberei-Leiter. Derſelbe wird ſeinen Platz am beſten
ausfüllen, wenn er nur bei wirklichem Bedarf in das eigentliche Fabrik-
getriebe ſelbſtthätig mit eingreift, im Uebrigen aber ſich auf eine gewiſſenhafte
Beaufſichtigung des Betriebes beſchränkt; denn es iſt ein wahres Sprichwort:
Das Auge des Meiſters thut mehr, als ſeine Hand.“


§ 101. Die Färberei-Abflußwäſſer.

Die Abwäſſer der Färbereien enthalten faſt immer außer nicht völlig
ausgenützten Farbſtoffen noch Beizſalze, freie Säuren, Seifen, Alkalien,
Fette und organiſche Stoffe und werden mit wenigen Ausnahmen direkt in
einen Stromlauf geleitet. Das mag vom Standpunkte des Färbers aus
ganz natürlich erſcheinen; aber es iſt große Ungerechtigkeit gegen die unter-
halb am ſelben Flußufer Wohnenden, daß ihnen die Benutzung des Fluß-
laufes, auf den ſie doch das gleiche Recht haben, wie der Färber, geradezu
unmöglich gemacht wird. Mindeſtens würde ſich der Färber ganz ent-
ſchieden dafür bedanken, das Waſſer eines derartig verunreinigten Fluß-
laufes (trüb, ſchwarzblau, mit 1½ bis 2 Promille feſten Beſtandteilen) für die
[646] Zwecke ſeiner Färberei zu verwenden. Es iſt alſo nur recht und billig,
wenn man das Waſſer, welches man in brauchbarer Form dem Fluſſe ent-
nimmt, dasſelbe auch in einigermaßen brauchbarer Form demſelben wieder
zuzuführen.


Wenn man entgegenhalten wollte, daß die Abwäſſer doch abgeleitet
werden müßten, ſo ſoll das ja keineswegs beſtritten werden. Aber es iſt doch
ein anderes, ob man ſie direkt ableitet, oder ob man vorher verſucht, ſie
vor der Ableitung derartig zu verändern, daß ſie den Flußlauf wenigſtens
nicht geradezu unbenutzbar machen und ihren geſundheitsſchädlichen Charakter
verlieren. Daß die Abwäſſer aus Färbereien die Exiſtenz von Fiſchen in
dem Fluſſe, wohin ſie fließen, unmöglich machen, iſt längſt erwieſen. Es
wird das auch ohne weiteres Jedem einleuchten, der z. B. die Pleiße bei
Crimmitſchau oder die Mulde bei Glauchau geſehen hat: ſchwärzliche, trübe,
feſtſtehende, ſchmutzig ſchaumige Waſſerflächen, die durch ihr geringes Gefälle
weſentlich zur Erhöhung des geſundheitsgefährlichen Charakters beitragen.
Wenn wir bedenken, daß aus ſolchen träge ſich dahinſchleppenden, mit den
Abfällen der Färbereien beladenen Flüſſen, ſich Ueberreſte der Textilfaſern,
Fette, organiſche und mineraliſche Stoffe abſetzen, ſo bedeckt ſich ſchließ-
lich das Bett eines ſolchen Fluſſes mit einem Schlamm, der beſonders bei
niedrigem Waſſerſtande und warmer Jahreszeit, zu einem gefährlichen In-
fektionsherd für anſteckende Krankheiten ſich ausbilden kann. Um ſich einen
Begriff von der Geſundheitsſchädlichkeit ſolcher Abwäſſer zu machen, möge
ein Vergleich mit gewöhnlichem zum Trinken, wie zu allen häuslichen Zwecken
tauglichen Waſſer dienen. Ein derartiges Waſſer darf nur ſo minimale
Quantitäten organiſcher Subſtanzen enthalten, daß zu deren Oxydation für
den Liter nicht mehr als 1 Milligramm Sauerſtoff
verbraucht werde.
Die Brauerei-Abwäſſer hingegen konſumieren z. B. das 640 bis 1100 fache,
die ſtädtiſchen Abfallwäſſer das 1456 bis 1500 fache, die Abwäſſer von Zucker-
fabriken, Wollwäſchereien, Färbereien ꝛc. das 6000 bis 7000 fache*).
Dieſe Zahlen bedürfen keines Kommentars. Selbſt ein Laie muß begreifen,
daß die Einführumg ſolcher Abwäſſer in die fließenden Stromläufe vom
geſundheitspolizeilichen Standpunkte nicht geſtattet werden darf. Es läge
alſo ſchon im ſanitären Intereſſe, hier Abhilfe zu ſchaffen und es ſollte von
ſeiten der zuſtändigen Behörden ſogar dahin gewirkt werden, daß dieſe
Gefahr von vornherein unmöglich gemacht werde (denn 1 l ſolchen Abfluß-
waſſers macht 6000 bis 7000 l Flußwaſſer unbrauchbar). Nicht etwa — wie
vielleicht Einige glauben werden — durch Desinfektionsmaßregeln auf
ſtädtiſche Koſten; o nein! Die Färbereibeſitzer müßten genötigt
werden, das Waſſer nur in einer vorſchriftsmäßigen kontrollier-
baren Reinheit in die Flußläufe abzuführen. Dieſe Rückſicht
verlangt die öffentliche Wohlfahrt und das hygieniſche Inte-
reſſe der geſamten Umgebung
.


Aber auch noch aus einem anderen Grunde ſtelle ich die obige For-
derung und zwar aus dem Geſichtspunkte der Nationalökonomie:
ſo geſundheitsſchädlich, wie die Abwäſſer einerſeits ſind, ſo wertvoll ſind
ſie doch in ihrer Geſamtheit. Es iſt ein gänzliches Verkennen des national-
ökonomiſchen Prinzips, wenn man dieſe Wäſſer als „wertlos, unnütz, un-
[647] brauchbar, unverwendbar“ oder ähnlich bezeichnet. Das iſt gar nicht wahr. Das
eben iſt der unverzeihliche Irrtum, daß ſie für „Abfall“ gehalten werden.
Die Analyſe ſolcher „Abwäſſer“ hat ergeben, daß die Färberei-
Abwäſſer eine Anzahl von Stoffen enthalten, welche ſehr
wohl noch nutzbringend zu verwerten ſind
. In Form der Ab-
wäſſer gehen Hunderte von Zentnern an Fetten, Seifen, Farbſtoffen, Salzen
u. dergl. auf Nimmerwiederſehen in den Fluß, um nach gegenſeitiger Zer-
ſetzung einen Krankheitsherd zu bilden. Das iſt nichts weniger, als ver-
nünftig und nichts weniger als ökonomiſch. Wenn ich daher die obige
Forderung geſtellt habe, ſo bin ich weit davon entfernt geweſen, den Färbe-
reien im Intereſſe der allgemeinen Wohlfahrt Opfer zuzumuten, ſondern
nur in ihrem eigenen Intereſſe. Es iſt gar nicht ſo ſchwierig, den
Abflußwäſſern ihre Inhaltsſtoffe zu entziehen, und ſo dadurch das Waſſer
wieder einerſeits ſoweit brauchbar zu machen, daß es ohne Schaden in die
Flußläufe abgelaſſen werden kann, andererſeits die Inhaltsſtoffe in feſter
Form wieder zu gewinnen und in irgend welcher Weiſe wieder nutzbar zu
machen.


Eine Betrachtung der Inhaltsſtoffe der Färbereiabwäſſer lehrt, daß
dieſelben zum großen Teil ſich gegenſeitig unſchädlich machen und unlöslich
ausfällen und daß der Reſt durch Zufügung billiger Chemikalien in gleicher
oder ähnlicher Form unlöslich abgeſchieden werden kann. Die primitivſte
Vorrichtung zu einer derartigen Abflußwäſſerreinigung in rohen Umriſſen
wäre ein Teich oder Sumpf oder ein Baſſin, in welches alle Abwäſſer ohne
Unterſchied abzulaſſen wären, und worin man ihnen Zeit zu gegenſeitiger
Unſchädlichmachung und Abſcheidung gäbe. Hauptſache iſt und bleibt freilich,
daß man ſich erſt von dem Gedanken losmacht, die Abwäſſer ſeien etwas
Nutzloſes. Sobald erſt die beſſere Erkenntnis durchdringt, daß man die
Abwäſſer noch nutzbringend verwenden kann
, wird auch von ſeiten
der betreffenden Intereſſenten dieſer Frage gewiß gern näher getreten
werden.


Größere Fabriken haben den offenbaren Nutzen ſolcher Einrichtungen
ſchon eingeſehen und die Reſultate ſind ſo günſtige, daß ich hier einge Bei-
ſpiele anführen möchte.


In der jedem Leſer dieſes Buches ſicherlich dem Namen nach bekannten
Spindlerſchen Färberei ſind 2 Sammelbaſſins angelegt, das eine etwas
tiefer als das andere. In das höher gelegene wird alles Abwaſſer geleitet
und dort der Ruhe überlaſſen; hier findet, teils durch gegenſeitige Einwir-
kung der gelöſten Subſtanzen, teils durch die oxydierende Wirkung des Luft-
ſauerſtoffes, eine mechaniſche Abſcheidung alles Unlöslichen ſtatt. Das
darüberſtehende klare Waſſer wird dann in das zweite Baſſin abgelaſſen und
dort mit Kalkwaſſer und einer Löſung von Chlorcalcium *) verſetzt, wodurch
Alkali- und Eiſenſalze, Gerbſtoffe, Farbholzextrakte, Fette, Farbſtoffe u. ſ. w.
niedergeſchlagen werden. Nach erfolgter Klärung iſt das Waſſer ziemlich
farblos und enthält in der Hauptſache lösliche Kalkverbindungen und eine
nur geringe Menge organiſcher Subſtanzen. Dieſes Waſſer läßt man dann
durch den Erdboden in den Fluß ſickern. Der feſte Rückſtand in den
[648] Sammelbaſſins aber wird getrocknet und in Gasretorten auf Leuchtgas ver-
arbeitet.


In dem Werke von Hummel-Knecht*) werden noch 2 ſehr inſtruk-
tive Beiſpiele erwähnt, welche darauf hinauslaufen, den ſämtlichen Fettgehalt
durch Kalk in Kalkſeife überzuführen und dieſe durch Schwefelſäure zu zer-
ſetzen; es wird ſo ein plaſtiſcher Brei von Fettſubſtanz erhalten, welcher an
Oelfabrikanten oder Seifenſieder verkauft wird.


In einer Aachener Fabrik wird das Abwaſſer der Rohwollwäſcherei mit
Kalk gefällt; der getrocknete Kalkniederſchlag enthält faſt 72 Prozent Fett-
körper. Er dient, mit Kohle vermiſcht, zur Bereitung von Leuchtgas. In
dieſer Fabrik (E. Schwarzborn in Aachen) ſchätzt man, nach Abzug aller
Herſtellungskoſten, den Wiedergewinn auf 30 Prozent des Wertes der beim
Walken verbrauchten Seife. Auf die nationalökonomiſche Seite des Ver-
fahrens verweiſt Hummel mit folgenden Worten: „Die Erſparnis, die man
bei allgemeiner Befolgung einer Methode, wie die oben beſchriebene, erzielen
könnte, würde ſich bei 500 Millionen Kilogramm Tuch, die nach den ſtati-
ſtiſchen Tabellen jährlich in Europa gewalkt werden, auf nahezu 100 Millio-
nen Kilogramm Kalkſeife an obiger Zuſammenſetzung belaufen.“


Es verſteht ſich von ſelbſt, daß dieſe Methode nicht als Univerſal-
Methode aufgeſtellt werden ſoll; die Abwäſſer ſind, je nach der Verſchieden-
artigkeit des Betriebes, verſchiedene; demgemäß werden auch die Methoden
der Reinigung und Wiedergewinnung oder ſonſtige Nutzbarmachung ver-
ſchiedene, mehr oder minder abweichende ſein können. Ueber dieſe etwaigen
Abweichungen müßte eine Analyſe der betreffenden Abwäſſer von Fall zu
Fall entſcheiden. Die teilweiſe Wiedergewinnung und Nutzbarmachung der
Abfallwäſſer aber iſt über jeden Zweifel feſtgeſtellt. Wenn der und jene
Leſer in ſeinem eigenen wohlverſtandenen Intereſſe zu Anlagen dieſer Art
durch obige Auseinanderſetzungen ſich bewogen fühlt, ſo iſt mein Zweck erreicht;
er würde dadurch nicht nur ſich ſelber nützen, ſondern auch der Zahl jener
mutigen Pioniere ſich hinzugeſellen, welche neben dem eigenen Intereſſe ſich
einen freien Blick bewahrt haben für die Wohlfahrt der Menſchheit!


§ 102. Literatur-Uachweis.

Ich ſchließe mein Handbuch mit einem Verzeichnis derjenigen Werke
und Fachzeitſchriften, welche ich bei Bearbeitung meines Themas benutzt
habe und welche ich auch den Leſern zum Nachſchlagen empfehlen möchte:


Hummel-Knecht, Die Färberei und Bleicherei der Geſpinnſtfaſern.
Berlin, 1888.


Stein, Die Bleicherei, Druckerei, Färberei und Appretur der baum-
wollenen Gewebe. Braunſchweig, 1884.


Kertész, Die Anilinfarbſtoffe. Braunſchweig, 1888.


Grothe, Katechismus für Färberei und Zeugdruck. Leipzig, 1885.


Romen, Bleicherei, Färberei und Appretur der Baumwoll- und Leinen-
waren. Berlin, 1885.


Romen, Die Kolorie der Baumwolle. Wien, 1878.


[649]

Schultz und Julius, Tabellariſche Ueberſicht der künſtlichen organi-
ſchen Farbſtoffe. Berlin, 1888.


Julius, Die künſtlichen organiſchen Farbſtoffe. Berlin, 1887.


Geißler und Moeller, Real-Encyklopädie der geſamten Pharmacie.
Wien, 1886 bis 1890.


Delmart, Die Echtfärberei der loſen Wolle. Reichenberg, 1888.


v. Wagner, Jahresbericht der chem. Technologie. Leipzig, 1878 bis
1887.


Heinzerling, Abriß der chemiſchen Technologie. Kaſſel, 1888.


Bolley, Handbuch der chemiſch-techniſchen Unterſuchungen. Leipzig,
1885.


Vitalis, Lehrbuch der geſamten Färberei. Weimar, 1854.


Griſon, Die Färberei. Weimar, 1861.


Deutſche Färber-Zeitung. Dresden.


Färberei-Muſter-Zeitung. Leipzig.


Romens Journal. Charlottenburg.


Deutſches Wollengewerbe. Grüneberg.


Oeſterreichs Wollen- und Leineninduſtrie. Reichenberg.


Centralblatt für die Textilinduſtrie. Berlin.


Chemiker-Zeitung. Cöthen.


Neueſte Erfindungen und Erfahrungen. Wien.


Monatsſchrift für die Textilinduſtrie. Leipzig.


Monatsſchrift für Spinnerei und Weberei. Leipzig.


Textil Colorist. Philadelphia.


Bulletin de Mulhouse. Mülhauſen i. E.


de Rouen. Rouen.


l’Industrie Textile. Paris.


[[650]]

Nachtrag


enthaltend die inzwiſchen neu in den Handel gekommenen künſtlichen orga-
niſchen Farbſtoffe und zur Färberei verwendeten Chemikalien.


1. Rote Farbſtoffe.


(Nachtrag zu § 67.)


Von ſchwach ſauren Farbſtoffen ſind als neu noch zu erwähnen:


1. Erythroſin extra N (Caſſella \& Comp.), ein Phtaleïn-Farbſtoff,
der beſonders auf Seide angewendet wird und dem Rhodamin ſehr ähnliche,
gleich feurige Nüancen gibt; beſonders die Färbungen mit ¼, ½ und
1 Prozent erinnern lebhaft an Rhodamin; die Färbung mit 4 Prozent gibt
ein feuriges Rubinrot. Die Anwendung geſchieht wie in Teil I, S. 167,
angegeben. — Auch wird Baumwolle vielfach einfach auf kochſalzhaltigem
Bade von 4° Bé. gefärbt.


(Nachtrag zu § 68.)


Sämtliche übrigen neuen roten Farbſtoffe ſind Azofarbſtoffe. Nach
ihrer Anwendung laſſen ſie ſich unterſcheiden in


a)Woll-Farbſtoffe,

welche in ſaurem Bade mit Glauberſalz und Schwefelſäure gefärbt werden.
Hierher gehören:


2. Orſeille-Erſatz N (Caſſella) kommt als Paſte und als Pulver
in den Handel, und gibt je nach der angewandten Menge matte Roſa bis
dunkel Ceriſe Töne. Die Anwendung geſchieht in kochendem Bade mit
Schwefelſäure und Glauberſalz. Dieſer Farbſtoff egaliſiert außerordentlich
leicht und läßt ſich ſehr gut mit andern Farbſtoffen kombinieren; ſo erhält
man z. B. zuſammen mit Indazin M (4 Teile Paſte, 1 Teil Indazin) ein
dunkles Lavendel, mit Indiſchgelb ein mattes Heliotrop, und verſchiedene Mode-
graus, je nach dem angewendeten Mengenverhältnis der einzelnen Farbſtoffe.


3. Azorubin A (Caſſella) zeichnet ſich durch ſeine rein bläuliche
Nüance aus, und läßt ſich, wie das vorige, leicht mit anderen ſtark ſauren
[651] Farbſtoffen nüancieren. Mit 3 bis 5 Prozent Farbſtoff erhält man ſehr
intenſive Färbungen.


4. Azo-Eoſin (Bayer \& Comp.). Dieſer Farbſtoff gibt Töne von
tief Fleiſchfarben bis zu einem dem gewöhnlichen Eoſin nahekommenden Rot;
die Farben zeigen aber vor denen mit Eoſin den Vorteil größerer Lichtecht-
heit. Man färbt Wolle mit 1 bis 2½ Prozent Azo-Eoſin, 2½ Prozent
Schwefelſäure und 10 Prozent Glauberſalz. Seide wird entweder in ge-
brochenem Seifenbade oder unter Zuſatz von 2 Prozent Eſſigſäure zum Färbe-
bade gefärbt.


5. Apollorot (Geigy) gibt mittelrote Töne auf Wolle. Nach Julius
färbt man mit 2½ Prozent Farbſtoff, 4 Prozent Schwefelſäure und 10 Pro-
zent Glauberſalz.


6. Walkrot (Caſſella \& Comp.) iſt ein Farbſtoff, deſſen chemiſche
Konſtitution noch nicht genau bekannt iſt, aber der des Tuchrots nahe zu ſtehen
ſcheint; er kommt in den Marken GR, FR \& FGG in den Handel und
gibt dem Tuchrot ähnliche Farben, von denen die mit G und R die echte-
ſten ſind; FR und FGG ſind etwas weniger alkaliecht, aber ſehr lebhaft
färbend; beſonders die Marke FR erinnert an das Oehlerſche Tuchrot.
Das Färben geſchieht in ſaurem Bade mit Glauberſalz und Schwefelſäure;
die Ausfärbungen vertragen eine Walke mit 5 Prozent Schmierſeife bei
40° R.


7. Tuchrot 3 G (Bayer \& Comp.), Wollrot 3 G, iſt die gelbſte
Nüance des Oehlerſchen Tuchrots, ſoll aber ſeiner chemiſchen Zuſammen-
ſetzung nach ein weſentlich anderer Körper ſein. Er unterſcheidet ſich von
dem Oehlerſchen Tuchrot auch ſchon durch die Anwendungsweiſe: er geht
mit Zuſatz von Kochſalz direkt an die Faſer; um walkechte Farben zu er-
zielen, muß man jedoch mit 3 Prozent doppelt chromſaurem Kali und 1 Pro-
zent Schwefelſäure anſieden. Will man die Walkechtheit erhöhen, ſo paſſiert
man die gefärbte Wolle auf friſchem Bade durch eine 3 bis 5 prozentige
Sodalöſung, kochend heiß. — Tuchrot 3 G iſt billiger als das Oehler-
ſche Tuchrot, es iſt aber nicht ſo ausgiebig wie dieſes. In der Stückfärbe-
rei wird es mit Vorteil als Erſatz für Sandel angewendet.


8. Azo-Karmin (Bad. Anil. und Sodaf.) iſt ein in Teigform in den
Handel kommender blauroter Farbſtoff, von blauerer Nüance und größerer
Reinheit als die Orſeille-Präparate und Orſeille-Erſatz. Zum Färben mit Azo-
Karmin iſt nur ein geringer Zuſatz von Schwefelſäure zum Färbebade not-
wendig. Der Farbſtoff geht nur langſam an, es iſt daher langſames Kochen
nötig. Die entwickelte feurige Nüance liegt zwiſchen Fuchſin S und Echt-
rot D. Die Färbungen ſind echt gegen Alkalien und lichtechter als Säure-
fuchſin und Orſeïlle-Präparate. Eignet ſich beſonders für hellere und mittlere
Modefarben.


b)Baumwoll-Farbſtoffe,

welche auf Baumwolle ohne vorheriges Beizen im alkaliſchen oder Seifen-
bade ausgefärbt werden.


9. Diaminrot 3 B (Caſſella \& Comp.). Dieſer Farbſtoff gibt
ein helleres und ſatteres Rot, als Congo. Die Färbungen ſind aber nicht
ſäureecht. Säurelöſungen verwandeln die Farbe, obwohl nicht ſofort, in
[652] ein dunkles Purpurrot; durch Seifen und Alkalien wird die urſprüngliche
Färbung nur zum Teil wieder hergeſtellt; durch ſtarke Säuren wird die
Färbung bräunlichgelb, wodurch ſie ſich von den Congofarben unterſcheidet.
Durch Seifen wird dieſe letztere Färbung etwas heller, ohne daß ſie blutet.
Das Färben geſchieht in einem Bade von circa 3 Prozent des Farbſtoffs,
2½ Prozent Seife und 10 Prozent Pottaſche; man kocht eine Stunde,
nimmt heraus, ſpült und trocknet. Eine bedeutend hellere Farbe wird erzielt,
wenn man die Baumwolle vorher mit zinnſaurem Natron gebeizt hat. Die
Bäder ziehen nicht vollſtändig aus.


10. Naphtylinrot (Bad. Anilin- und Sodaf.) gibt keine beſonders
feurigen Färbungen, welche überdies weder licht- noch ſäureecht ſind. Die
Anwendung geſchieht mit 4 Prozent Farbſtoff, 3½ Prozent Seife und
5 Prozent Pottaſche unter Zuſatz von 5 Prozent Glauberſalz (oder Koch-
ſalz oder Borax), indem man im Verlauf von 1 Stunde von kalt bis zum
Kochen treibt. Die Färbungen ſind ſeifen- und alkaliecht, werden aber durch
Säuren in Blau übergeführt.


11. Brillant-PurpurinR iſt ein neuer Farbſtoff der Akt.-Geſellſch.
für Anilinfabrikation und gibt ein faſt reines Rot, welches (nach den Mit-
teilungen des k. k. technologiſchen Gewerbe-Muſeums in Wien, III, S. 85 u. ff.)
die bisherigen ſubſtantiven roten Baumwollfarbſtoffe an Lichtechtheit bei weitem
übertreffen ſoll. Auffallend erſcheint der ſehr bedeutende Glauberſalzzuſatz
von 50 Prozent, neben welchem noch 5 Prozent Seife und — je nach
Nüance — 2 bis 5 Prozent Farbſtoff notwendig ſind. Das Ausfärben
geſchieht durch etwa einſtündiges Kochen. Der hohe Glauberſalzzuſatz ſoll
jedoch notwendig ſein, um ein gutes Angehen der Farbe zu bewirken. Das
Färbebad wird nicht erſchöpft. — Alles hier Geſagte gilt auch von


12. Erika (Akt.-Geſellſch. f. Anilinf.), welches hell karminrote Nüancen
gibt, welche an die Farbe des blühenden Haidekrauts erinnern.


Nachtrag zu Toluylenrot (S. 165). Statt des Schluſſes: „Auf
Wolle und Seide wird es ſeiner Lichtunechtheit wegen nicht angewendet“,
muß es heißen: „ferner in der Seiden- und namentlich Halbſeidenfärberei
(Seide mit Baumwolle)“. Die Lichtechtheit iſt nicht ſehr bedeutend; immer-
hin iſt Toluylenrot bedeutend lichtechter als Fuchſin oder Safranin.


Nachtrag zu Safranin (S. 165). Bei Anwendung iſt Zeile 5
von unten hinter „Safflors“, einzuſchalten: „ſtark für Halbſeide“.


Nachtrag zu Eoſin (S. 167). Zur Anwendung iſt am Schluß
hinzuzufügen: „Auch wird Baumwolle vielfach einfach auf kochſalzhaltigem
Bade (4° Bé.) mit Eoſinfarbſtoffen gefärbt.


2. Orange Farbſtoffe.

(Nachtrag zu § 72.)


Die Orangefarben haben einen Zuwachs durch drei neue Farbſtoffe er-
halten, welche beſonders auf dem Gebiet der Baumwoll-Färberei eine empfind-
liche Lücke ausgefüllt haben.


1. Mikado-Orange (Leonhardt \& Comp.) iſt der erſte Repräſen-
tant einer ganz neuen Klaſſe von Farbſtoffen, von den Erzeugern „Mikado-
Farbſtoffe“ genannt. Dieſe Farbſtoffe beſitzen die Eigenſchaft, aus einer
[653] ſtark kochſalzhaltigen Löſung Baumwolle direkt ohne irgend welche Beize
ſubſtantiv zu färben. Von den Benzidinfarbſtoffen unterſcheiden ſich die
Mikado-Farbſtoffe ganz weſentlich dadurch, daß ſie nur Baumwolle färben,
hingegen Wolle gar nicht. Das Mikado-Orange erſcheint im Handel in
den Marken G (gelblich), R (rötlich) und RR (rotorange). Dieſe Marken
ziehen und egaliſieren ſehr gut und geben volle, feurige, licht- und waſchechte
Färbungen, echter als die Congofarben. Die Anwendung iſt einfach; man
bereitet ſich ein Färbebad aus 1 bis 5 Prozent des Farbſtoffes (je nach
Nüance), gibt 25 Prozent Kochſalz hinzu (vom Gewichte der zu färbenden
Ware), erwärmt bis auf 48° R., geht dann mit der Ware ein und ſteigert
die Temperatur langſam zur Siedehitze, worauf man noch ½ Stunde im
Kochen erhält; dann wird kalt geſpült und getrocknet.


Sehr merkwürdig iſt, daß das Mikado-Orange auch Seide färbt, zu
Wolle dagegen keine Verwandtſchaft beſitzt. Seide wird in ſchwach ſaurem
Bade (mit Eſſigſäure) gefärbt. Halbſeide wird unter Zuſatz von Kochſalz
und Eſſigſäure zum Färbebade gefärbt; man rechnet 1,5 bis 5 Prozent
Farbſtoff, 20 l Eſſigſäure von 25 Prozent und 50 Prozent Kochſalz. Man
geht in das handwarme Bad ein, kocht eine Stunde, ſpült kalt, ſeift kurze
Zeit in einem kalten Seifenbade aus circa 3 g Marſeiller Seife pro Liter
Waſſer, ſpült hierauf wieder und trocknet.


Eine Eigenſchaft ſcheint mir jedoch noch nicht genügend gewürdigt zu
ſein: Das Fehlen jeder Verwandtſchaft zur Wolle. Dadurch bietet ſich uns
ein Mittel zur Erzielung verſchiedenfarbiger Effekte auf halbwollenen Geweben,
von Effekten, wie ſie bisher nur durch das Verweben vorher verſchieden
gefärbter Woll- und Baumwollgarne möglich war. Es wird gelingen,
halbwollene Gewebe in zwei aufeinander folgenden Bädern, verſchiedenartig
zu färben. Ja es muß ſogar bei richtiger Wahl des Wollenfarbſtoffes ge-
lingen, halbwollene Gewebe in einem Bade zweifarbig zu fär-
ben
, in ähnlicher Weiſe, wie ich das zweifarbige Färben der Halbſeide
(S. 628) beſchrieben habe.


2. Toluylen-Orange (K. Oehler) iſt gleichfalls ein ſubſtantiver
Baumwollen-Farbſtoff, welcher in den Marken G und R in den Handel kommt.
Die Marke G gibt Nüancen, welche, vom zarteſten Elfenbein und Crême
beginnend, die ſämtlichen Chamoistöne durchlaufen und bis ins tiefe Orange
verlaufen. Die Marke R gibt alle Töne von der zarteſten Lachsfarbe bis
zum Orangerot. Die dunkeln Töne der Marke G gleichen einem reinen,
die der Marke R einem mit Fuchſin überſetzten Chromorange. Die Färbungen
widerſtehen recht gut der Einwirkung des Sonnenlichtes, ebenfalls iſt die
Seifenechtheit eine bedeutende. Im allgemeinen iſt die Marke G echter;
ihr hoher Wert für die Baumwollen-Färberei iſt darin zu ſuchen, daß ſie ohne
Eiſen und ohne Beimiſchung eines andern Farbſtoffes reine Chamoistöne
gibt, und daß die damit erzielten dem Chromorange ähnlichen Nüancen die
Waren nicht hart machen, daß vielmehr letztere ihren weichen Griff beibe-
hält und durch Schwefelwaſſerſtoffdämpfe nicht gebräunt wird, wie es beim
Chromorange der Fall iſt.


Für die Anwendung gibt die Fabrik von K. Oehler in Offenbach
folgende Färbevorſchrift für Baumwollgarn.


Dem möglichſt kurzen Färbebade (circa 25 l Waſſer auf 1 kg Garn)
ſetze man 2½ kg Marſeiller Seife zu und koche auf; den bei Verwendung
[654] von hartem Waſſer ſich bildenden Schlamm von Kalkſeife entferne man ſorg-
fältig von der Oberfläche, ſetze 10 Prozent phosphorſaures Natron und den
notwendigen Farbſtoff zu, gehe ein und koche 1 Stunde lang.


Wünſcht man eine etwas rotere Nüance, ſo erſetzt man das phosphor-
ſaure Natron durch 5 Prozent Soda oder Pottaſche. Auf dem alten Färbe-
bade kann weiter gefärbt werden. Konzentrierte Farbbäder werden nicht
erſchöpft. 1 bis 3 Prozent Farbſtoff (auf die Ware berechnet) laſſen ¼
bis ½ der angewandten Farbſtoffmenge zurück, von ¾ Prozent (an ver-
brauchtem Farbſtoff) abwärts werden die Farbbäder mehr oder weniger aus-
gezogen. Dementſprechend iſt das alte Bad mit Farbſtoff, ebenſo nach je
zwei weiteren Partien Ware mit Beize aufzufriſchen.


Für einfarbige Ware beſtimmte Garne brauchen nicht gewaſchen zu
werden, dagegen muß dies bei neben Weiß zu verwebendem Material ganz
ſorgfältig geſchehen.


Gleich anderen Farbſtoffen dieſer Gruppe kann auch Toluylen-Orange G
als Beize für baſiſche Farben, als: Fuchſin, Methylviolett, Benzalgrün,
Aethylenblau ꝛc. zur Herſtellung von Miſchfarben dienen.


Andere Pflanzenfaſern laſſen ſich auf gleiche Weiſe mit Toluylen-Orange G
färben. Leinen und Jute nehmen einen ähnlichen Ton an wie Baumwolle;
Chinagras und Hanf färben ſich röter. Tieriſche Textilfaſern, beſonders
Seide, färben ſich nach gleicher Färbemethode bedeutend gelber als Baum-
wolle. Wolle läßt ſich auch durch einſtündiges ſtarkes Kochen unter Zuſatz
von Glauberſalz (10 Prozent) in ſatter und dabei walkechter Nüance färben.


Das Toluylen-Orange eignet ſich auch vortrefflich zum Druck, beſonders
als Klotzfarbe; doch gehört das nicht in den Rahmen dieſes Buches. Hier-
für ſich Intereſſierende finden Ausführliches darüber in der „Deutſchen
Färber-Zeitung“ 1889, Nr. 15.


3. Orange GG (Caſſella) iſt ein orangegelber Oxy-Azofarbſtoff in
Kryſtallen, der in Hinſicht auf ſeine chemiſche Zuſammenſetzung dem auf
S. 174 beſchriebenen Ponceau 2 G nahe ſteht, wenn nicht demſelben iſomer
iſt. Die Anwendung iſt die gleiche, wie bei allen Oxy-Azofarbſtoffen (S. 177).


3. Gelbe Farbſtoffe.


(Nachtrag zu § 72.)


Von den ſechs neuen gelben Farbſtoffen gehören zwei jener neuen
Klaſſe von Farbſtoffen an, welche ohne alle Beize ſowohl tieriſche als pflanz-
liche Geſpinnſtfaſern färben, und gleichzeitig gewiſſermaßen die Grundlage
abgeben für eine weitere Anzahl von ſcharlach, roten, orangen bis braunroten
Farben, welche auf dem vorhandenen gelben Grunde nach vorhergegangener
Diazotierung mittels ſogenannter Entwickler gewonnen werden. Hierher
gehören:


  • 1. Polychrom (Geigy \& Comp.).
  • 2. Thiochromogen (Dahl \& Comp.).

Das Polychrom und das Thiochromogen zeigen mit dem Primulin ſo
vielfache Uebereinſtimmung in ihren Eigenſchaften und in ihrer Anwendung,
daß ſie vielleicht dasſelbe Produkt und lediglich anderer Provenienz ſind. Das
Thiochromogen zeigt aber ein mehr grünliches Gelb.


[655]

Polychrom färbt Pflanzenfaſer direkt ſchön gelb. Die Anwendung
iſt ſehr einfach. 15 Prozent Kochſalz und 5 Prozent Polychrom geben in
einer halben Stunde ein ſehr ſattes Gelb. Es wird kochend gefärbt; das
Bad kann weiter benutzt werden, wobei 3 Prozent Polychrom und 5 Pro-
zent Kochſalz dieſelbe Farbe geben. Nach dem Färben waſchen und trocknen.
Wird nun die Ware zuerſt diazotiert und dann in verſchiedenen „Entwicklern“
weiter behandelt, ſo erhält man aus der gelben Ware Orange oder Rot,
je nach der Zuſammenſetzung des Entwicklers. Das Diazotierungsbad ent-
hält 40 bis 45 g ſalpetrigſaures Natrium und 10 bis 15 g Schwefelſäure
pro Liter Waſſer. In dieſem Bade bleibt die Ware 2 bis 3 Minuten,
wird hierauf abgewunden, gut gewaſchen und kommt in das Entwicklerbad.
Dieſes beſteht für Orange aus einer 5 prozentigen wäſſerigen Löſung von
Reſorcin und für Rot aus einer 5 prozentigen wäſſerigen Löſung von Naphtol.
Die Farbe entwickelt ſich ſehr ſchnell in dieſen Bädern, man windet ab,
wäſcht hierauf ſehr gut und trocknet. Das Diazotierungsbad, ſowie die
Entwicklerbäder können mehrmals verwendet werden und wird für jede Partie
Ware die Hälfte der oben angegebenen Chemikalien- und Entwicklermenge zu-
gegeben. Zur Erlangung guter Färbungen iſt es notwendig, die Färbung
mit Polychrom genau und ſatt durchzuführen, nach dem Diazotieren ſehr
gut zu waſchen und die Ware nach kurzer Zeit in die Entwicklerbäder zu
bringen. Bleibt die Ware nach dem Diazotieren längere Zeit liegen, ſo
zerſetzt ſich das gebildete Diazoprodukt, wodurch dann ſchlechte Reſultate
entſtehen. Die entſtehenden Farben ſind recht hübſch, ſehr echt beim Waſchen
und Seifen, beſtändig gegen ſchwache Säuren und Laugen; über die Licht-
beſtändigkeit liegen derzeit noch keine Beobachtungen vor.


Thiochromogen*) iſt, wie das Primulin und das Polychrom, in Waſſer
löslich und färbt die verſchiedenen Gewebefaſern, Wolle, Seide, Baumwolle
ohne Vermittelung einer Beize grüngelb. Man färbt z. B. 100 kg Baum-
wolle unter Zuſatz von 20 bis 30 kg Kochſalz in 0,5 bis 5 kg Thio-
chromogen, je nach der gewünſchten Nüance, indem man die Ware ½ bis
1 Stunde im kochenden Farbbade umzieht. Dann wird, wie beim Primu-
lin und Polychrom, gut gewaſchen, und das Gelb während ¼ Stunde
im kalten, 0,125 bis 1,250 kg ſalpetrigſaures Natrium und 0,25 bis 2,5 kg
Schwefelſäure enthaltenden Bade, diazotiert. Die Stärke des Thiochromogen-
bades richtet ſich nach der Intenſität der Farbe, für welche das Gelb die
Rolle eines Mordants übernimmt und von ihr hängt wieder die Stärke
des Diazotierungsbades ab. Nach dem Herausgehen aus der Nitritlöſung
wird ſofort gut gewaſchen und ohne Aufenthalt in das 40 bis 50° C. warme
Entwicklerbad gegangen, in welchem der Aufenthalt wiederum ¼ Stunde
dauert. Schließlich wird gewaſchen und getrocknet.


Dahl \& Comp. liefern 7 Entwickler, welche, in kochendem Waſſer
gelöſt, zugleich mit 1 bis 2 Prozent ihres Gewichts kalcinierter Soda in das
Entwickler- oder das eigentliche Farbbad gegeben werden. — Färbeſalz I,
Schäffers β-Naphtolmonoſulfoſäure, liefert ein Scharlachrot, wenn von
demſelben 1,2 kg auf 1 kg verbrauchtes Thiochromogen genommen wird. —
Von Färbeſalz II, β-Naphtol, verwendet man 0,5 kg (gelöſt mit Hilfe von
0,625 kg Lauge) auf 1 kg verbrauchtes Thiochromogen, um ein ſchönes
[656] Türkiſchrot zu erhalten. — Färbeſalz III, vermutlich eine Miſchung von
I und II, gibt ein Rubinrot, wenn im Verhältnis von 1,3 kg Färbeſalz
auf 1 kg Thiochromogen gefärbt wird. — Mit 8 kg Färbeſalz IV (β-Naph-
toldiſulfoſäure) auf 1 kg des gelben Farbſtoffs reſultiert im Farbbade ein
Grenat, während 0,4 kg Färbeſalz V (Phenylendiamin) mit 1 kg vorge-
färbtem Gelb ein Braun liefert. Färbt man mit Nr. V Dunkelbraun, ſo
wird, wie beim Primulin, das Nitrit- und das Entwicklerbad mehrmals
wiederholt, eventuell auch in einem Chromkalibad gedunkelt (auf 100 kg
Ware 3 kg ſaures chromſaures Kalium). — Vom Färbeſalz VI (Reſorcin)
wird zum Färben ſo viel wie vom Färbeſalz V genommen, um ein Orange
zu erhalten. — Reingelb liefert das Färbeſalz VII, Phenol in alkaliſcher
Löſung, indem auf 1 kg verbrauchtes Thiochromogen 0,35 kg Phenol und
0,56 kg Lauge gerechnet werden. — Wird die aus dem Nitritbade heraus-
genommene und gewaſchene Ware mit Bismarckbraun und Chryſoidin auf-
gefärbt, ſo reſultieren hierbei ganz echte braune Farben, wie überhaupt
ſämtliche nach dieſem Verfahren erhaltenen Farben gegen Waſſer, Seife und
Säuren ſich vollkommen echt verhalten. Betreffend die Lichtechtheit wird
ihnen das Zeugnis „befriedigend“, ausgeſtellt, eine Note, welche für die
Carriere dieſer Farben immer noch nicht als genügend betrachtet werden
kann. Noch iſt zu bemerken, daß die mit Thiochromogen auf den Gewebe-
faſern hergeſtellten Farben weiterhin imſtande ſind, baſiſche Farbſtoffe (Fuchſin,
Auramin ꝛc.) aufzunehmen, d. h. ſich durch dieſelben echt überfärben und
beliebig nüancieren zu laſſen.


Zwei weitere gelbe Farbſtoffe gehören den neutralen Farbſtoffen an.
Es ſind Baumwoll-Farbſtoffe, welche auf mit Tannin und Brechweinſtein ge-
beizter Baumwolle angewendet werden. Hierhin gehören:


3. Benzoflavin (K. Oehler). Dasſelbe gibt rein gelbe Nüancen,
welche ſich durch große Seifen- und Säure-Echtheit auszeichnen.


Man löſt nach der Oehlerſchen Original-Vorſchrift den Farbſtoff, in-
dem man 1 Teil in 100 Teile kochend heißes Waſſer, dem man vorher
1 Teil konzentrierte Eſſigſäure zugeſetzt hatte, einrührt und ¼ Stunde
kocht. Die Löſung gebe man durch ein feines Haarſieb dem Farbbade zu.
Erkaltete Löſungen ſind vor dem Gebrauch zu erwärmen. Man färbt auf
mit Tannin und Antimon in bekannter Art gebeizte Baumwolle, geht lau-
warm ein und ſteigt bis zu 80° C., doch kann man ohne Nachteil bis zum
Kochen erhitzen. Auch ohne Beize gibt Benzoflavin ſchöne Nüancen, die
allerdings nicht waſchecht ſind, aber dennoch für manche Zwecke dienen
dürften.


Benzoflavin iſt das beſte Nüancierungsmittel für Grün, ſowohl für
ſattes, als Lichtgrün; ebenſo läßt ſich Benzoflavin zuſammen mit Safranin
zu ſchönen und waſchechten Ponceaus verwenden.


4. Thioflavin T (Caſſella \& Comp.) iſt nach Angabe der Fabri-
kanten methyliertes Primulin und erzeugt grünſtichige Nüancen, von denen
die auf Seide faſt gelbgrün zu nennen ſind. Die Anwendung geſchieht auf
Baumwolle
durch Beizen nach dem bekannten Tannin-Brechweinſtein-Ver-
fahren; das Ausfärben geſchieht in einem 60 bis 80° R. warmen Bade,
aber unter Zuſatz von Salzſäure, Eſſigſäure oder Alaun. Nach mir vor-
liegenden Ausfärbungen gibt ⅛ Prozent Thioflavin T auf Baumwolle ein
lichtes Kanariengelb, ¼ Prozent ein reines Schwefelgelb, ½ Prozent ein
[657] Citronengelb, 2 Prozent ein Goldgelb; beſonders lebhafte Nüancen erzielt
man, wenn man mit ungefärbtem Tannin beizt und in mit Salzſäure ange-
ſäuertem Bade färbt. Auf Seide färbt man im kochendem Seifenbade, ſpült
in reinem Waſſer und aviviert kalt mit Schwefelſäure. Die Färbungen
auf Seide, beſonders die mit wenig Farbſtoff, zeigen eine ſtark grüne Fluores-
cenz und erſcheinen bei künſtlicher Beleuchtung faſt weiß. Das Thioflavin
dürfte ſich daher auch für das Weißnüancieren von Seide empfehlen. Wolle
wird auf neutralem Bade gefärbt. Auf Leder gibt Thioflavin T gleichfalls
eine ſchöne, reine, grünlichgelbe Nüance. Die Felle werden vor dem Färben
ſchwach mit Salzſäure behandelt, dann auf friſchem Bade ausgefärbt. Auch
in der Druckerei werden mit Thioflavin T ſchöne Effekte erzielt. Thioflavin T
iſt in hohem Grade waſch- und ſäureecht; ſeine Lichtechtheit ſoll größer ſein,
als die der meiſten ähnlichen gelben Farbſtoffe.


Die beiden neueſten Erſcheinungen auf dem Markte der gelben Farb-
ſtoffe (Frühjahr 1889) ſind ſaurer Natur.


5. CarbazolgelbW (Bad. Anilin- und Sodaf.), ein ſchwach ſaurer
Anthracenfarbſtoff, kommt *) in Pulverform in den Handel und zeichnet ſich
durch ſeine feurigen gelben, dem Gelbholz und Quercitron ganz ähnlichen
Nüancen aus. Carbazolgelb iſt waſchecht und färbt ſich ſehr gut in Ver-
bindung mit Alizarinfarben. Die Flotte zieht gut aus und iſt ein guter
Erſatz für Galloflavin, das bei ſeinem nicht billigen Preiſe nur matte gelbe
Farben liefert und nur wenig ausgiebig iſt. Auf Kupferkeſſeln gefärbt, wird
die Farbe etwas trüber, grünlicher. Das Carboniſieren mit Chlormagneſium
verträgt Carbazolgelb ſehr gut, denn es verändert ſich nicht im geringſten.
Nur der eine Uebelſtand iſt bei dieſer Farbe zu beachten, daß ſie nicht
ſäureecht iſt, und durch mineraliſche Säuren ſofort grasgrün wird. Die
Färbeweiſe iſt dieſelbe, wie die der Alizarinfarben. Man beizt mit 3 Pro-
zent Chromkali und 2½ Prozent Weinſtein, läßt 1½ Stunden kochen und
färbt auf friſchem Waſſer mit Carbazolgelb bei Zuſatz von Eſſigſäure
½ Stunde kalt bis 2 Stunden kochend aus. Eine Ausfärbung von ½ Pro-
zent Carbazolgelb W liefert ein Gelb, wie vergleichsweiſe eine Ausfärbung
von 35 Prozent Gelbholz oder 30 Prozent Quercitron, und eine Ausfär-
bung von 2 Prozent Carbazolgelb gibt ein Gelb, wie vergleichsweiſe eine
Nüance von 40 Prozent Quercitron und 3 Prozent Zinnſalz.


6. Thioflavin S (Caſſella \& Comp.) iſt das Natriumſalz der
methylierten Sulfoſäure der Primulinbaſe; es wird in gleicher Weiſe, wie
die Benzidinfarbſtoffe, auf Baumwolle in neutralem Bade unter Zuſatz von
Glauberſalz allein oder in kochendem Seifenbade (5 Prozent Seife vom Gewicht
der Baumwolle) ausgefärbt; ſtatt der Seife kann das alkaliſche Bad auch
mit Soda oder zinnſaurem Natron bereitet werden. Man läßt ½ Stunde
kochen, wäſcht gut und trocknet im Schatten. Die Bäder ziehen nicht aus.
Die mir vorliegenden Ausfärbungen auf Baumwolle ſind weſentlich heller
als die mit Thioflavin T, ſo daß letzterem eine größere Deckkraft zugeſchrie-
ben werden muß. Es zeichnet ſich durch ſeinen brillanten Farbenton aus;
ſeine Lichtechtheit iſt gering, doch gewinnt dieſelbe, wenn man die Färbungen
durch ein kochendes Bad paſſiert, dem man 5 Prozent Kupfervitriol zuge-
ſetzt hat; es verträgt die ſtärkſte Seife, ohne auf Weiß abzulaſſen.


Ganswindt, Färberei. 42
[658]

Nachtrag zu Primulin (S. 192). Neuerdings (Ende Mai 1889)
iſt auch die Darſtellung und Zuſammenſetzung des Primulins bekannt ge-
worden. Danach iſt das Primulin die Monoſulfoſäure einer neuen Farb-
ſtoffbaſe, welche ſich neben noch einer zweiten in der Zuſammenſetzung nahe-
ſtehenden Baſe bildet, wenn 2 Mol. Para-Toluidin mit 5 Mol. Schwefel ſo
lange erhitzt werden, bis kein Schwefelwaſſerſtoff mehr entweicht. Von dieſen
beiden Baſen iſt die eine Thio-Toluidin, die andere Dehydro-Thioto-
luidin
genannt worden. Wie ſie ſich zu einander verhalten, geht am beſten
aus den beiden Formeln hervor:
Thio-Toluidin
S (C7 H6 · NH2)2
Dehydro-Thiotoluidin
S (C7 H6 · N)2.
Das Primulin wäre demnach Dehydro-Thiotoluidin-Monoſulfoſäure.


Dieſer intereſſante Einblick in die Konſtitution des Primulins beſtätigt
aufs beſte die von mir beim Polychrom und Thiochromogen ausgeſprochene
Anſicht *), daß wir in dieſen beiden Körpern entweder dieſelben oder doch
ſehr naheſtehende Farbſtoffe vor uns haben. Sie illuſtrieren auch in
intereſſanter Weiſe die Beziehungen derſelben zum Thioflavin.


4. Grüne Farbſtoffe.


(Nachtrag zu § 73.)


Von grünen Farbſtoffen iſt nur ein neuer Anthracen-Farbſtoff der Bad.
Anilin- und Sodafabrik zu nennen: das Alizaringrün, ein dem Coeruleïn
naheſtehender Körper. Die Bad. Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen
bringt denſelben ſeit Dezember 1888 in den Handel, und zwar in 2 Mar-
ken S W für Wolle und S in Teigform für Kattundruck. Während aber
Coeruleïn ein gelbſtichiges Grün iſt, zeigt Alizaringrün ſtark bläuliche
Töne
. Das ſchönſte reine Grün erhält man bei Verwendung gleicher Ge-
wichtsmengen Coeruleïn und Alizaringrün. — Anwendung: Auf vorge-
beizte Wolle wie die andern Alizarinfarben. Die von Seiten der Bad.
Anilin- und Sodafabrik vorgeſchriebene Beize lautet: 3 Prozent (vom Ge-
wicht der Wolle) Kaliumdichromat und 2½ Prozent Weinſtein. 1½ bis
2 Stunden kochen, die Wolle auswerfen, über Nacht in Körben ſtehen laſſen,
gut ſpülen. Der Zuſatz von Eſſigſäure zum Färbebade iſt auch bei Alizarin-
grün notwendig, doch mit der Abänderung, daß der Zuſatz nicht gleich beim
Beginn des Färbens, ſondern erſt dann gemacht wird, wenn das Färbebad
die Temperatur von 55° R. erreicht hat; auch ſoll das Zugeben der Eſſig-
ſäure nur in kleinen Portionen geſchehen. Die Färbungen ſind durchaus
echt
. Was dem neuen Alizaringrün noch beſondern Wert verleiht, iſt ſeine
leichte Kombinierbarkeit mit den übrigen Alizarinfarben. Der Kombination
mit Coeruleïn zur Erzeugung eines reinen Grüns iſt bereits oben gedacht.
Ebenſo wichtig iſt die Kombination mit Alizarinblau, welche indigoblaue Töne
gibt; ſo erhält man mit 2½ Prozent Alizaringrün S W und 2½ Prozent
Alizarinblau S W (beide in Teigform) ein helles, mit je 5 Prozent ein
mittleres und mit je 10 Prozent ein dunkles Küpenblau. Durch Kombi-
nieren mit Galloflavin W erhält man hellgrüne bis jagdgrüne Nüancen, auch
hellgrüne Modefarben, wie Schlammgrün ꝛc.; durch Kombinieren mit Anthracen-
[659] braun und Alizarinſchwarz verſchiedene modegraue Töne. Desgleichen laſſen
ſich die Alizaringrün-Färbungen durch einen Aufſatz mit einem anderen grünen,
gelben oder blauen Wollfarbſtoff beliebig nüancieren.


Nachtrag zu NaphtolgrünB (S. 198). Bei der Anwendung
Zeile 4 und 5 von unten muß es ſtatt „mit Naphtolgelb S und mit Indigo-
karmin“ hinter kombinieren heißen: „mit Indiſchgelb, Indazin, Orange II. ꝛc.“


5. Blaue Farbſtoffe.


(Nachtrag zu § 74 u. 75.)


a)Neutrale blaue Farbſtoffe.

1. Benzoſchwarzblau (Bayer \& Comp.) iſt ein neutraler Azo-
Farbſtoff (wie § 74, 1), welcher Baumwolle direkt färbt, und ſich gegenüber
dem Benzoazurin und Azoblau durch ſeine dunkelblauen Töne, die bei hellen
Nüancen nicht ins Rötliche gehen, auszeichnet. Die Färbeweiſe geſchieht am
beſten mit 4 Prozent Pottaſche im Seifenbade eine Stunde kochend, und er-
hält man mit 3 Prozent Farbſtoff ein ſchönes Dunkelblau. Statt Pottaſche
kann man auch phosphorſaures Natron anwenden. Der Farbſtoff iſt gegen
Säure und ſtarke Alkalien ſehr beſtändig und daher ſehr waſchecht, nur muß
man nach dem Färben ſehr gut waſchen, damit der unangenehme rötliche
Ton der Farbe verſchwindet. Durch das Benzoſchwarzblau, das eigentlich
den Namen wegen ſeiner Farbe nicht verdient, da es weniger ein Schwarz-
blau als mehr ein mäßiges Dunkelblau iſt, iſt der eine Uebelſtand bei den
direkt färbenden blauen Farbſtoffen auf Baumwolle gehoben, nämlich der,
daß man bei Benzoazurin und Azoblau keine dunklen Töne hervorzubringen
imſtande iſt, auch wenn man noch ſoviel Farbſtoff zuſetzt.


Deshalb kann das Benzoſchwarzblau als Grund für Dunkelblau
und zum Dunkeln für Modefarben, auch zu Braun, gefärbt mit Benzobraun
(S. 663), ganz vorteilhaft verwendet werden. In der Baumwoll-Stückfärberei
dürfte es ſich als Untergrund für Küpenblau ganz gut bewähren. Ein
großer Uebelſtand bei Benzoſchwarzblau, überhaupt bei allen direkt färbenden
Baumwoll-Farbſtoffen, beſteht darin, daß die Färbeflotten nicht ausgezogen
werden.


2. Paraphenylenblau (Dahl \& Comp.) iſt (nach dem Textile
Colorist
1888, 337) ein dem vorigen ſich anreihender neutraler waſſerlös-
licher Farbſtoff, und liefert ein gegen Säure und Alkalien vollkommen echtes
Blau, welches in vielen Fällen das Indigblau zu erſetzen vermag. —
Anwendung: Gut angefeuchtetes Baumwollgarn wird warm mit 4 bis
6 Prozent Tannin präpariert, indem man es 4 bis 8 Stunden in der
Tanninlöſung eingelegt läßt. Dann wird das Garn mit 2 bis 3 Prozen
Brechweinſtein behandelt, in deſſen Löſung es wieder 1 bis 2 Stunden ver-
weilt, und nach gründlichem Waſchen mit Paraphenylenblau ausgefärbt.
Man geht am beſten bei 25° C. in das Blaubad ein und ſteigt mit der
Temperatur während des Färbens langſam bis zu 80° C. Um die blaue
Farbe möglichſt echt auf der Baumwolle herzuſtellen, gibt man noch ein
heißes 0,1 bis 1,5 prozentiges Chrombad, je nach der Intenſität der ge-
wünſchten blauen Farbe. Ein zu ſtarkes Chromieren muß vermieden wer-
42*
[660] den, weil es der Lebhaftigkeit und Reinheit der Nüance ſchadet. Auch andere
Oxydationsmittel, wie chlorſaures Kali, Eiſenchlorid ꝛc. laſſen ſich an Stelle
des Chromkalis verwenden; jedes derſelben nüanciert den Blauton wieder
in anderer Weiſe.


Eine zweite Vorſchrift für das Färben mit Paraphenylenblau gibt an,
die Baumwolle mit 5 Prozent Tannin zu präparieren, dann in eine Miſchung
von eſſigſaurem Chrom (1 bis 2° Bé.) mit einer Löſung von ungefähr
2 Prozent Brechweinſtein mindeſtens 6 Stunden oder über Nacht einzulegen,
zu waſchen und auszufärben bis zur Erſchöpfung der Farbflotte, welcher man
zuletzt noch eine geringe Menge von obigem eſſigſaurem Chrom zufügt, um
die Farbe möglichſt rein und echt zu erhalten.


Von beſonderem Wert erweiſt ſich die Säurefeſtigkeit des Paraphenylen-
blaus bei der Halbwollen-Färberei. Während bei Verwendung anderer Farb-
ſtoffe zuerſt der Wollfaden und dann erſt der Baumwollfaden gefärbt wird,
wobei erſterer entweder von ſeiner Farbe verliert oder von der zweiten Flotte
Farbſtoff im Ueberſchuß aufnimmt, kann bei dieſem Blau zuerſt der Baum-
wollfaden und dann der Wollfaden in ſaurem Bade ausgefärbt werden, wo-
durch das ſpätere Abfärben des Wollfadens vermieden wird. — Aus dem-
ſelben Grunde erweiſt ſich ferner das Paraphenylenblau ſehr brauchbar, wenn
ein Halbwollſtoff zweifarbig oder wenn Futterſtoffe, welche Wolle, Baumwolle
und Seide enthalten, dreifarbig verlangt werden. Der Baumwollfaden wird
dann wieder in erſter Linie fertig blau gefärbt und chromiert, hernach wird
der Wollfaden beliebig hellblau, rot, grün, olive oder grau gefärbt, wobei
jedoch die Wahl der Farbſtoffe ſo getroffen werden muß, daß dieſelben wenig
Neigung haben, ſich mit dem Seidenfaden zu verbinden; dieſer ſelbſt kommt
in der Ausfärbung zuletzt an die Reihe.


Schließlich ſei noch erwähnt, daß das Paraphenylenblau von der Fabrik
in drei Nummern für drei verſchiedene Blautöne geliefert wird, und daß
dasſelbe ſich ganz gut in Geſellſchaft mit Auramin, Ceriſe, Bismarckbraun
und Methylviolett anwenden, ſowie auf Eiſengrund auffärben läßt.


3. Pelikanblau (Zimmer) iſt gleichfalls ein neutraler Farbſtoff von
indigblauer Nüance und kommt in Form eines dicken Teiges in den Handel,
von welchem 2 Teile ſich in 1 Teil Eſſigſäure löſen. Es gibt auf Baum-
wolle
echte Färbungen, welche durch Hinzufügung anderer neutraler Farbſtoffe
(z. B. Methylenblau, Malachitgrün ꝛc.) zur eſſigſauren Löſung des Farbſtoffes
entſprechend nüanciert werden können. Das Pelikanblau iſt echt gegen Licht,
Luft und Säure und ziemlich widerſtandsfähig gegen Alkalien. Nach
„Oeſterr. Wollen- und Leineninduſtrie“ ertragen die Färbungen eine 50° R.
warme, mit Soda verſetzte, 10 prozentige Seifenlöſung ganz gut, gewinnen
ſogar dabei an Reinheit und Lebhaftigkeit. — Anwendung: Nach dem
Tannin-Brechweinſtein-Verfahren unter Zuſatz von etwas Alaun und unter
langſamer Steigerung der Temperatur der Blauflotte, bis dieſelbe ganz aus-
gezogen iſt. Zuletzt wird die gefärbte Baumwolle durch ein warmes ſodahal-
tiges Seifenbad oder nur durch ein Sodabad paſſiert.


4. Solidblau 9 R R (Kalle \& Comp.) iſt ein hübſches gleichmäßiges
Blau mit Rotſtich und wird in gleicher Weiſe wie das vorhergehende, be-
ſonders für Baumwollengarn angewendet.


5. Indazin (Caſſella) iſt ein neutraler Safranin-Farbſtoff (Phenyl-
dimethylamidophenetolimidophenazoniumchlorid) in Form eines blauſchwarzen
[661] Pulvers, welches ſich in Waſſer — namentlich auf Zuſatz von Salz- oder
Eſſigſäure — mit rotblauer Farbe löſt. Das Indazin beſitzt eine ſtarke
Deckkraft und zeichnet ſich durch indigoähnliche Töne aus, welche einen
hohen Grad von Licht- und Seifen-Echtheit beſitzen. Es erſcheint in 4 Marken
im Handel, M, GB, L und P, von denen P als reines Indigblau, L als
Schwarzblau, GB als grünſtichiges, M als rotſtichiges Blau bezeichnet wer-
den kann.


Indazin iſt vielſeitiger Anwendung fähig; es färbt ſowohl tieriſche wie
pflanzliche Geſpinnſtfaſern. Wolle wird im ſchwach ſauren Bade mit
½ bis 2 Prozent Farbſtoff ausgefärbt. Man kann auch mit Kalium-
dichromat und Weinſtein oder Schwefelſäure vorbeizen und dann mit Ind-
azin ausfärben; gleich gut läßt ſich Indazin als Untergrund oder als Auf-
ſatzfarbe für Holzfarben benutzen, wie auch in Miſchung mit denſelben.
Der Farbſtoff beſitzt auf Wolle ein großes Egaliſierungsvermögen und iſt
höchſt alkalibeſtändig. Baumwolle wird mit Tannin und Antimon vorbe-
reitet und dann lauwarm in ſchwach angeſäuertem Bade ausgefärbt.


Auf Seide gibt Indazin M beſonders wirkungsvolle Nüancen; man
färbt in ſchwach angeſäuertem Seifenbade und erhält mit Indazin M (1 bis
4 Prozent) leuchtende, mittel bis dunkel ſtahlblaue Töne. Auf Seide zeigt
ſich auch die Kombinationsfähigkeit mit ſauren Farbſtoffen ſehr ſchön. So
geben gleiche Teile Indazin M und Säuregrün extra konzentriert (Caſſella)
ein ſchönes Pfauengrün, welches bei Gaslicht dunkler erſcheint; gleiche Teile
Indazin M und Indiſchgelb G ein intenſives Ruſſiſchgrün, welches bei
Lampenlicht in ein Violettbraun übergeht; gleiche Teile Indazin M und
Orange extra geben ein dunkles Goldbraun.


Die Kombinationsfähigkeit des Indazins läßt es auch für Halbſeiden
mit wollenem Schuß als wertvoll erſcheinen, z. B. für Popeline und ähnliche
Gewebe.


6. Diaminblau (Caſſella) gehört zu den Baumwolle direkt färben-
den Stoffen, und erſcheint in den Marken B (bläulich) und R bis 3 R
(rötlich) im Handel. Es wird aus Oxydiphenyl-Baſen dargeſtellt und gibt die
Marke B dem Indazin ähnliche, die Marke 3 R dem Benzoazurin ähnliche
Nüancen. Man färbt in kochendem Bade während ½ bis ¾ Stunden unter
Zuſatz von 1 bis 4 Prozent Farbſtoff, 15 Prozent Glauberſalz und 5 Pro-
zent Soda. Die Bäder ziehen nicht aus; für weitere Färbungen genügt
⅓ der erſteren Zuſätze von Glauberſalz und Soda, ſowie geringerer Farb-
ſtoffzuſatz. Das Diaminblau zeichnet ſich durch großes Färbevermögen, be-
deutende Echtheit und leichte Miſchbarkeit mit andern direkt färbenden Farb-
ſtoffen aus und eignet ſich daher zur billigen Herſtellung ganz dunkler Farb-
töne.


7. Metaminblau (Leonhardt \& Comp.) ſcheint dem Diaminblau
nahezuſtehen; es färbt Baumwolle, die nach dem Tannin-Brechweinſtein-Ver-
fahren vorgebeizt iſt, und zwar gibt die Marke B ein Reinblau mit violettem
Schein, die Marke G ein Indigblau, die Marke GB eine zwiſchen dieſen
beiden liegende Nüance.


b)Schwach ſaure blaue Farbſtoffe.

8. Alizarin-Indigblau (Bad. Anilin- und Sodafabr.) iſt ein neuer
Alizarinfarbſtoff. Er findet, wie alle Alizarinfarben, Anwendung auf chrom-
[662] gebeizter Wolle. Das Alizarinindigblau kommt in den Marken SW und SMW,
beide in Teigform, in den Handel, und gibt die Marke SW indigblaue Färbungen,
welche den aus gleichen Teilen Alizarinblau und Alizaringrün ſehr ähnlich
ſind; die Marke S M W gibt dunklere und reinblaue Töne, welche jedoch erſt
bei Anwendung von 25 bis 30 Prozent Farbſtoff einen eigentlichen Indigo-
ton zeigen.


9. Schwarzblau (M. L. \& Br.). Dieſer Farbſtoff ſcheint ſich mehr
als Untergrund für andere ſaure Farbſtoffe zu eignen. Anwendung findet
es nur auf Wolle in der Art, daß man in einem erſten Bade mit dem
Farbſtoff und dem gleichen Gewicht Weinſtein den Untergrund färbt und
dann auf neuem Bade die eigentliche Farbe entwickelt, z. B. mit Säuregrün
und Schwefelſäure ein Graublau, mit Orange, Scharlach 2 R und Schwefel-
ſäure ein ſchönes Rotbraun.


Nachtrag zu Waſſerblau 6 B extra (S. 205). In Zeile 2 von
oben muß es ſtatt „Opalblau“ heißen: „Reinblau“.


6. Violette Farbſtoffe.


(Nachtrag zu § 78 u. 80.)


1. Paraphenylenviolett (Dahl) iſt ein neutraler Farbſtoff und
entſpricht in Zuſammenſetzung, Eigenſchaften und Anwendung dem von der-
ſelben Firma in den Handel gebrachten Paraphenylenblau, ſo daß lediglich
auf dieſes (Nachtrag, S. 659) hingewieſen zu werden braucht; das Violett
iſt aber nicht ganz ſo echt wie das Blau. Beide können auch zuſammen
gefärbt werden.


2. Echtviolett (Bayer) iſt ein ſtark ſaurer Farbſtoff, welcher bläu-
liche Nüancen gibt. Die Färbungen ſind vollkommen licht- und luftecht,
und widerſtehen ſchwachen Säuren, werden aber von ſtarken Säuren in
Grün umgewandelt, von Alkalien und Seife werden ſie nicht angegriffen,
ſind alſo walkecht. — Anwendung: Auf Wolle in ſaurem Bade mit
Glauberſalz und Schwefelſäure oder auf mit Kaliumdichromat vorgebeizter
Wolle, nach bekannter Methode.


Bemerkenswert iſt eine Kombination von Echtviolett und Echtgrün (Bayer),
wodurch nicht der ſonſt übliche Indigoton, ſondern ein ziemlich echtes, ſattes
Schwarz erhalten werden ſoll.


3. Säureviolett 2 B (Bad. Anilin- und Sodaf.) iſt ein ſtark ſaurer
Farbſtoff und gibt Nüancen wie Methylviolett 2 B. Es ſoll das Indigo-
karmin erſetzen, und mit allen andern ſtark ſauren Farbſtoffen kombiniert
werden können, ſowie ſich durch leichtes Egaliſierungsvermögen auszeichnen.
Es kommt ſoeben in den Handel (Ende Mai 1889).


7. Braune Farben.


(Nachtrag zu § 81.)


1. Mikado-Braun (Leonhardt \& Comp.) iſt ein Repräſentant der
Mikado-Farbſtoffe (Ausführliches ſ. Nachtrag, S. 652 und 653) und beſitzt
deren vortreffliche Eigenſchaften. Es erſcheint im Handel in 2 Marken,
G (gelblich) und R (rötlich. Die erhaltenen Färbungen ſind viel echter und
widerſtandsfähiger, als die mit Bismarckbraun. — Anwendung: wie bei
Mikado-Orange, doch muß der Kochſalzzuſatz auf 100 Prozent erhöht werden,
[663] d. h. man muß ebenſoviel Kochſalz zufügen, als die zu färbende Ware wiegt.
Mikado-Braun wird auf Baumwolle, Seide und Halbſeide gefärbt.


2. Benzobraun (Bayer) iſt ein Baumwolle direkt färbender Farb-
ſtoff und kommt in den Marken G, B und N B vor. Nach Julius*)
ſcheint es weder ein Benzidin- noch ein Stilbenfarbſtoff zu ſein. — An-
wendung
: Man färbt auf Baumwolle mit 3 Prozent Farbſtoff und
10 Prozent Kochſalz 1 Stunde kochend heiß. Durch Kombinieren mit
Chryſamin erhält man gelbbraune Abſtufungen. Benzobraun läßt ſich auch
auf Wolle anwenden und gibt hier gelbbraune Nüancen; ebenſo eignet es
ſich natürlich für Halbwolle.


3. Congobraun (Akt.-Geſ. für Anilinf.) iſt ein Benzidinfarbſtoff und
ſteht dem Congo und Congo-Corinth nahe, läßt ſich damit, wie auch mit
anderen ſubſtantiven Farben, nüancieren. Es kommt in den Marken
G und R in den Handel. Die Färbungen ſollen licht-, luft-, ſäure- und
ſeifenecht ſein; die Nüance ſteht dem Catechubraun nahe. — Anwendung: Auf
Baumwolle färbt man in einem 2½ prozentigen Seifenbade mit 10 Pro-
zent Glauberſalz oder phosphorſaurem Natron mit 2 bis 5 Prozent Congo-
braun, je nach Nüance. Es läßt ſich auch auf Wolle und vornehmlich auf
Halbwolle anwenden. Schließlich dient es, wie alle Benzidinfarbſtoffe, ge-
gegebenen Falls auch als Mordant für andere Farbſtoffe.


Hierher müſſen auch noch 2 Farbſtoffe gezählt werden, über welche
nur verhältnismäßig ſpärliche Nachrichten vorliegen:


4. Gambin (Holiday’s Sons) ſind 2 iſomere Farbſtoffe: α-Nitro-
ſo-β-Naphtol und β-Nitroſo-α-Naphtol; ſie kommen in 2 Marken, Gambin G
(gelbe oder grüne Nüance) und Gambin R (rote Nüance) in den Handel.
Leider iſt nicht zu erſehen, für welche Faſer ſie ſich beſonders eignen. Mit
Eiſenbeize ſollen ſchön olivgrüne Töne erhalten werden, Chrombeizen geben
hübſche braune Farben. Die Färbungen ſind ſehr wenig echt gegen Seife
und Licht, ſollen aber ſehr billig ſein.


5. Styrogallol (Jacobſens Patent) iſt ein Farbſtoff in Form eines
blaßgrün gefärbten, aus mikroſkopiſchen Nädelchen beſtehendes Pulver. Es
gibt mit Beizen ſeifenechte gelb- bis ſchwarzbraune Töne.


8. Schwarze Farben.


(Nachtrag zu § 82.)


Während bis vor wenig Jahren kein einziger künſtlicher organiſcher
ſchwarzer Farbſtoff bekannt war, folgt jetzt in ſchneller Aufeinanderfolge einer
dem andern.


1. AlizarinſchwarzS W (Bad. Anilin- und Sodaf.) Dem auf
S. 216 Geſagten iſt hinzuzufügen, daß das Alizarinſchwarz große Vorzüge
vor dem Blauholzſchwarz hat, die Farben ſind viel echter und verändern ſich
beim Carboniſieren mit Säure in keiner Weiſe; Blauholzfarben werden be-
kanntlich durch Säure gerötet und zerſtört. Was das Alizarinſchwarz be-
ſonders wertvoll macht, iſt die Eigenſchaft, ohne weitere Zuthaten direkt
graue Färbungen zu erzielen. Nach mir vorliegenden Ausfärbungen gibt
1 Prozent Alizarinſchwarz S W ein ſchönes Modegrau, 3 Prozent ein
[664] Schiefergrau, 5 Prozent ein Schieferſchwarz. Wertvoll iſt es ferner für
das Färben von Modefarben; da es ſich mit allen übrigen Alizarinfarben
leicht kombinieren läßt, ſo erhält man durch Zuſammenfärben mit Alizarin-
blau, Alizaringrün, Coeruleïn, Anthracenblau, Galloflavin, etwa je ½ Pro-
zent, alle Nüancen von Dunkelgrau-Mode, Braun-Mode, bläuliches, gelb-
liches und grünliches Grau u. ſ. w.


2. Brillantſchwarz (Bad. Anilin- und Sodaf.) iſt ein ſtark ſaurer
Farbſtoff für Wolle; er kommt in den Marken B und E in den Handel,
welche Marke die früheren Farbſtoffe Blauſchwarz B und Tiefſchwarz E
derſelben Fabrik erſetzen. Die Färbungen ſind ſäureecht und ſollen ſich da-
durch auszeichnen, daß das Schwarz auch bei künſtlicher Beleuchtung ſehr
gut ausſieht. — Anwendung: Nur auf Wolle; dem Färbebade werden
5 Prozent (vom Gewicht der Wolle) Glauberſalz und 15 Prozent Wein-
ſteinpräparat (Natriumbiſulfat) zugegeben; Zuſatz von freier Schwefelſäure
ſoll vermieden werden.


3. Echtſchwarz (Leonhardt \& Comp.) Dieſer neueſte Farbſtoff
(März 1889) der Firma Leonhardt \& Comp. in Mühlheim in Heſſen gibt
nach deren Angabe auf mit Tannin und holzeſſigſaurem Eiſen vorgebeizter
Baumwolle ein völlig waſch- und lichtechtes Tiefſchwarz; wird das Eiſen-
ſalz durch Brechweinſtein oder ein anderes Antimonſalz erſetzt, ſo erhält
man ein Schwarz mit blauem Schein. — Anwendung: Die Baumwolle
wird mit 1 Prozent Tannin bei 40 bis 50° R. gebeizt; nach 3 Stunden
hebt man auf, windet ab und fixiert das Tannin auf friſchem Bade, be-
ſtehend aus 40 Prozent holzſaurem Eiſen 15° Bé. und 1 Prozent Kreide,
während 1½ Stunden. Nach dem Abwinden läßt man die Baumwolle gut
zugedeckt 9 bis 10 Stunden liegen, ſpült dann, und färbt ſchließlich mit
5 Prozent Echtſchwarz aus, indem man zunächſt ¾ Stunden kalt behandelt,
dann allmählich zum Kochen treibt und ſchließlich im Färbebade erkalten
läßt.


4. Jetſchwarz (Bayer \& Comp.) iſt ein neuer neutraler Farbſtoff
für Wolle und Seide, welcher ſeit April 1889 ſich im Handel befindet. Die
Zeitſchrift „Oeſterreichs Wollen- und Leinen-Induſtrie“ ſchreibt darüber,
Seite 398:


Das Jetſchwarz färbt Wolle und Seide aus ganz neutralem Bade,
alſo unter gefliſſentlicher Vermeidung von Säure- oder Alkalizuſatz, aber
unter Verwendung von 10 Prozent Kochſalz bei 5 Prozent Farbſtoff (vom
Gewicht der Wolle) pechſchwarz, womit zugleich der Name des neuen Farb-
ſtoffs erklärt iſt. Das erhaltene Schwarz iſt echt gegen Licht, Luft, Wäſche
und Walke. Das Färben muß kochend, in Holzgeſchirren, vorgenommen
werden und ſoll das Kochen mindeſtens 1 Stunde dauern. — Wird bei
Jetſchwarz R eine etwas geringere Farbmenge ins Bad gegeben, ſo erhält
man ein dunkles Indigblau. Das Schwarz R ſelbſt zeigt, auch bei Lam-
penlicht, einen tiefblauen Ton zum Unterſchied vom Schwarz G, welches
gelblich nüanciert iſt. Schwarz R liefert aber nicht nur ein vollkommen
walkechtes Schwarz, ſondern auch ein ſolches, welches nicht abrußt und ſtarke
Stoffe, wie Tuch und Filz, leicht durchfärbt. Beſonders zu empfehlen iſt
das neue Schwarz auch für aus Wolle und Seide beſtehende Gewebe, wie
Gloria, ein beliebtes Material für Schirmſtoffe; denn ein ſolches Gewebe,
in Jetſchwarz gefärbt, gibt an Waſſer abſolut keine Farbe ab. Will man
[665] hierfür das Schwarz, um beliebigen Wünſchen der Konſumenten zu ent-
ſprechen, verſchiedentlich nüancieren, ſo kann dies mit Benzoazurin, Azoblau,
Azoviolett, Congo-Corinth, Roſazurin, Deltapurpurin oder Chryſophenin ge-
ſchehen.


Ueber die chemiſche Natur dieſes Körpers iſt aus dieſen Angaben nichts
zu erſehen; er ſcheint ein Azofarbſtoff zu ſein, und den Benzidinfarbſtoffen
nahe zu ſtehen, da die zum Nüancieren gewählten Farbſtoffe ſämtlich dieſer
Kategorie angehören.


5. Naphtolſchwarz 6 B (Caſſella) iſt eine neue, ausgeſprochen
bläuliche Nüance des bekannten Naphtolſchwarz B, welche nach Angabe der
Fabrikanten noch größere Licht- und Waſchechtheit beſitzen ſoll, als die
früheren Marken.


9. Natrium-Salze.


(Nachtrag zu § 91.)


1. Sesquicarbonat. Unter dieſem Namen kommt ein neues kry-
ſtalliſiertes Natriumſalz von der Formel Na2 CO3 · Na H CO3 + 2 H2 O in
den Handel; es erſcheint in Form feiner, ſchneeweißer, glänzender Nadeln.
Es ſteht in gewiſſem Sinne in der Mitte zwiſchen der kalcinierten und kry-
ſtalliſierten Soda, unterſcheidet ſich aber von beiden vorteilhaft und zwar
von erſterer durch ſeine leichtere Löslichkeit, von letzterer durch den geringeren
Waſſergehalt, von beiden durch ſeine große chemiſche Reinheit. Es kann
daher mit Vorteil an Stelle beider verwendet werden.


2. Salpetrigſaures Natron, Natriumnitrit, Na NO2, iſt ein
längſt bekanntes Salz, hat aber erſt durch die Einführung der Ingrain-
farben für die Färberei Bedeutung erlangt. Das Handelsprodukt bildet
kleine, ſchiefe, vierſeitige rhombiſche Prismen, welche in Waſſer ſehr leicht
löslich ſind. — Anwendung: Zur Diazotierung von Primulin, Polychrom
und ähnlichen Farbſtoffen; dieſes Diazotieren geſchieht durch Paſſieren der
mit der gelben Grundfarbe gefärbten Ware durch eine mit Schwefelſäure
oder Salzſäure angeſäuerte Löſung des Salzes.


Nachtrag zu Unterchlorigſaures Natron. Die vielgebrauchte
Eau de Javelle war urſprünglich nicht eine Löſung von unterchlorigſaurem
Natron, ſondern von unterchlorigſaurem Kali, wogegen das gelöſte unter-
chlorigſaure Natron Eau de Labarraque hieß. Das Kaliumſalz wird, weil
teurer, längſt nicht mehr gebraucht; der Name iſt aber erhalten geblieben
und im Handel findet ſich als Eau de Javelle jetzt ſtets das Natronſalz.


10. Thonerde-Salze.


(Nachtrag zu § 95.)


Mehrbaſiſche Aluminium-Rhodanide vom dreifach baſiſchen
bis achtfach baſiſchen Salz hat ſich J. Hauff patentieren laſſen. Die
letzte der genannten Verbindungen ſoll der Formel Al6 (SCN)2 (OH)16 ent-
ſprechen. Zur Darſtellung dieſer baſiſchen Rhodanide wird — nach der
Patentſchrift — die berechnete Menge Thonerdehydrat in neutralem Rhodan-
aluminium (vergl. S. 267) bei langſam ſteigernder Temperatur gelöſt. Man
erhält auf dieſe Weiſe Verbindungen, welche beſtändiger ſein ſollen, als das
neutrale Rhodanid. Schon die vierfach baſiſche Verbindung läßt ſich ohne
[666] jegliche Entwickelung von Sulfocyanſäure bis zur Trockne eindampfen, in
welcher Form ſie ſich vollſtändig und unverändert wieder in Waſſer löſt.
Die minder baſiſchen Verbindungen nähern ſich in der Unbeſtändigkeit dem
neutralen Rhodanaluminium, welches beim Abdampfen Sulfocyanſäure, Per-
ſulfocyanſäure, Blauſäure und lösliches baſiſches Rhodanaluminium bildet.
Dieſe baſiſchen Rhodanthonerden ſollen nach den Behauptungen des Erfinders
vortreffliche Beizen für Baumwollfärberei und -Druckerei liefern.


11. Chromſalze.


(Nachtrag zu § 98.)


Von neueren Chromverbindungen ſind die folgenden von Wichtigkeit:


1. Weinſaures Chromoxydkali iſt ein Doppelſalz, welches durch
Zuſatz von Weinſäure zu einer kalten Löſung von Kaliumdichromat gewonnen
wird. Dabei ſoll eine Temperaturerhöhung vermieden werden, da das grüne
Doppelſalz ſonſt, nach Brühl, in eine andere Modifikation übergeht und
dadurch ſeine Eigenſchaften teilweiſe verändert. — Anwendung: Zur Er-
zeugung von Anilingrau.


2. Baſiſche Chromfluoride werden von der Firma Köpp \& Comp.
in Oeſtrich in den Handel gebracht; ſie exiſtieren nur in wäſſeriger Löſung
und zerfallen beim Eindampfen in neutrales Chromfluorid (vergl. S. 280)
und Chromoxyd. Dieſe letzte Reaktion läßt ſie als zum Fixieren von Chrom-
oxyd auf der Faſer beſonders geeignet erſcheinen.


3. Chromſaures Chromoxyd, Chromchromat,
C2 (Cr O4)3 + 9 H2 O, iſt von M. v. Gallois dargeſtellt worden. Das-
ſelbe wird nach patentiertem Verfahren (D. R. P. 45999) dargeſtellt, in-
dem man 1000 g Chromalaun mit 860 g Kryſtallſoda fällt, den Niederſchlag
vom Chromoxyd gut auswäſcht, auspreßt und mit 300 g Chromſäure in der
Wärme löſt. Dieſe Verbindung eignet ſich weniger zum Beizen der Baum-
wolle, wohl aber empfiehlt ſie ſich trotz ihres hohen Preiſes zum Beizen der
Seide, welche mit Alizarinfarben gefärbt werden ſoll, da ſie dann Effekte
liefert, welche mit keiner anderen Beize zu erreichen ſind. Auch zum Beizen
der Wolle iſt das Chromchromat mit Vorteil zu verwenden, da ſich der
geſamte Chromgehalt der Beize leicht und vollſtändig fixiert und der ſonſt
übliche Weinſtein ſich dabei erſparen läßt.


Auch ein baſiſches Chromchromat von der Formel C2 (Cr O4) (O H)2
hat v. Gallois dargeſtellt; dasſelbe kann auch als Beize dienen, wenn es
in friſch bereitetem Zuſtande verwendet wird; die Löſung iſt jedoch nicht halt-
bar. — Anwendung: Nach der Patentſchrift wählt man die Konzentration
der Beizflüſſigkeiten mit einem vergleichsweiſen Gehalt von 200 g Chrom-
alaun. Durch Verdünnen mit Waſſer kann man aus dieſer Beize alle mög-
lichen zur Herſtellung heller Nüancen erforderlichen Beizen bereiten. Zum
Klotzen löſt man den aus 200 g Chromalaun gefällten Chromoxydteig in
Chromſäure, ſetzt 150 g eſſigſaure Magneſia von 16° Bé. zu und füllt das
das Ganze mit Waſſer zu 1 l auf.


4. Chromſulfatchromat, Cr2 (Cr O4) (S O4) (O H)2, wird nach
v. Gallois bereitet, wie folgt: 1000 g Chromalaun werden, wie unter 3),
mit 860 g Kryſtallſoda gefällt, der erhaltene Niederſchlag wird in 196 g
[667] konzentrierter Schwefelſäure gelöſt und dieſer Löſung 150 g Natriumdichro-
mat hinzugegeben. Dieſe Löſung bleibt auch nach wochenlangem Stehen
haltbar und klar. — Anwendung wie beim vorigen.


12. Seltenere Metallſalze.


(Nachtrag zu § 105.)


Nickelchlorid, Ni Cl2, iſt von Pinkney zum Färben und Drucken
von Anilinſchwarz empfohlen worden; in der Patentſchrift gibt er zum
Färben von Anilinſchwarz folgende Vorſchrift: Salzſaures Anilin 32 g,
Nickelchlorid 20 g, chlorſaures Kali 25 g, Waſſer 640 g. Die Ware wird
zuerſt im Anilinſalzbad präpariert, und dann in dem Bade von Nickelchlorid
und chlorſaurem Kali das Schwarz in bekannter Weiſe entwickelt. Statt
Nickelchlorid kann auch Nickelſulfit genommen werden.


13. Appreturmittel.


(Nachtrag zu § 111.)


Kunſtgummi. Bei dem notoriſchen Mangel an arabiſchem Gummi
hat es nicht an Verſuchen gefehlt, dasſelbe durch ein Kunſtprodukt zu erſetzen,
welches wenigſtens annähernd gleiche Eigenſchaften beſitzt und eine dem ent-
ſprechende Verwendung zuläßt. Eine der beſten Nachahmungen dieſer Art
iſt das nach dem Schumannſchen Patent hergeſtellte Kunſtgummi, welches
ein zuckerfreies, waſſerhelles, glashartes und nicht hygroſkopiſches Dextrin
vorſtellt. Seine Klebkraft, ſein Ausſehen und viele ſeiner Eigenſchaften
kommen der des Naturgummis ſehr nahe; dazu iſt ſein Preis ein billiger,
und es hat daher für Appreturen, ganz beſonders aber im Zeugdruck für
Verdickungen Anwendung gefunden.


Wer ſich für die Fabrikation des Kunſtgummis intereſſiert, findet
Näheres in der Patentſchrift (D. R. P. 41931).


14. Wollbeizen.


(Nachtrag zu Teil II, § 40.)


1. Präzipitierter Schwefel dient in einzelnen Fällen als Beize zum
Fixieren einer kleinen Anzahl von künſtlichen organiſchen Farbſtoffen, z. B.
Malachitgrün und Methylgrün auf Wolle. Der Schwefel in amorpher
Form wird im Beizbade ſelbſt erzeugt. Die Art der Anwendung iſt unter
Malachitgrün, S. 194, beſchrieben.


2. Chlor als Beizmittel für Wolle. Neuere Unterſuchungen über
die Einwirkungen des Chlors auf die Wollfaſer — welche übrigens nur die
unbegreiflicherweiſe unbeachtet gebliebenen Forſchungen Lightfoots und die
Angaben Caros beſtätigen — haben ergeben, daß eine ſchwache wäſſerige
Chlorlöſung ſowohl als auch eine mit einer Säure verſetzte ſchwache Löſung eines
unterchlorigſauren Salzes ihren geſamten Gehalt an wirkſamem Chlor an
die Wolle abgibt, ohne dieſe irgend zu ſchädigen. Die Thatſache
ſcheint die Anſicht Knechts zu beſtätigen, daß die Wolle ein baſiſcher Körper
ſei, in welchem Falle dann die chlorierte Wolle als ſalzartige Verbindung
[668] aufzufaſſen ſein würde. Andererſeits wäre es auch denkbar, daß durch das
Chlor eine Dehydrogenation (ſogen. Oxydation) ſtattfände, in welchem Falle
allerdings die chlorierte Wolle als Oxy-Keratin zu betrachten wäre. Sei
dem, wie ihm wolle, Thatſache iſt, daß die chlorierte Wolle Eigenſchaften
beſitzt, welche ſie der Seide näher bringen: ſie wird glänzender, weicher und
glatt, bekommt einen ſeidenartigen Griff und büßt ihre Verfilzungsfähigkeit
ein, dagegen nimmt ihre Verwandtſchaft, ihre Aufnahmefähigkeit für eine
Anzahl von Farbſtoffen um ein Bedeutendes zu. Dieſe Erhöhung der Auf-
nahmefähigkeit iſt z. B. für ſtark ſaure Farbſtoffe eine ſo große, daß ſie bei
einigen derſelben (z. B. Naphtolſchwarz, Naphtolgrün) eine Erſparnis an
Farbſtoff bis zu 50 Prozent bedeuten kann *). Außerdem ermöglicht das
Chlorieren der Wolle das Weglaſſen des Zuſatzes von Glauberſalz und
Schwefelſäure, reſp. von Weinſteinpräparat, da die ſauren Farbſtoffe auf mit
Chlor gebeizter Wolle in neutralem Bade angehen. Dieſer letztere Um-
ſtand geſtattet weiter ein Kombinieren von ſauren und neutralen Farbſtoffen
in einem Bade, was bisher nicht möglich war. Dieſe Thatſache eröffnet
der Wollenfärberei eine neue Perſpektive, und es wäre ſehr wohl denkbar,
daß der ſo einfache und glatt verlaufende Prozeß des Vorbeizens mit Chlor
mit der Zeit das mühſame Beizen mit Chrom verdrängt, da die Oxydation
durch Chrombeizung doch nur eine unvollkommene iſt und bleibt, und da
die Erhöhung der Verwandtſchaft zu ſauren Farbſtoffen durch Chlorieren
viel bedeutender erhöht wird, als durch Beizen mit Kaliumdichromat.


Es iſt das Verdienſt der Firma Caſſella \& Comp., dieſes neue
Beizverfahren für Wolle ſtylgerecht ausgebildet und der Praxis zugänglich
gemacht zu haben. Dieſelbe gibt für die Anwendung folgende Vor-
ſchrift **):


Wird das Säuren und Chloren in zwei getrennten Bädern ausgeführt,
ſo rechnet man auf 100 kg Wolle 3 bis 10 kg Schwefelſäure 66° Bé.,
verdünnt mit der für das genannte Quantum Ware nötigen Menge Waſſer.
Die Menge der Säure richtet ſich nach der Dichte des Gewebes, man wird
alſo 10 kg Säure für Tuch, Filz u. dergl., ſowie für loſe Wolle nehmen,
welche, um ſpäter gleichmäßig durchgefärbt zu werden, überdies das Sauer-
bad kochend verlangt. Für leichtere Gewebe, Strangwolle u. dergl. genügt
es, wenn 3 bis 4 kg Schwefelſäure dem Bade zugeſetzt werden und das-
ſelbe auf 75 bis 80° C. gehalten wird. Nach ¼ bis ½ Stunde iſt die
Säure vollkommen von der Wolle abſorbiert. — Für das darauffolgende
Chlorbad richtet man ſich eine ganz klare, von allen ungelöſten Teilchen be-
freite Chlorkalklöſung vor, beſtehend aus 10 kg trockenem Chlorkalk, welcher
in einem hölzernen, wohl auch in einem gemauerten Behälter, mit 500 l
kaltem Waſſer angerührt wird. Die klare Löſung wird nach kurzer Zeit
durch einen in paſſender Höhe vom Bade angebrachten Hahn abgelaſſen und
der Rückſtand noch 2 bis 3 mal mit je 250 l Waſſer ausgezogen. Alle
3 oder 4 Chlorkalkflüſſigkeiten, miteinander vereinigt, bilden das Chlorbad.
[669] — Wolle, welche ſtark ſauer und kochend vorgebeizt worden iſt, wird vor
dem Chloren leicht abgeſpült oder abgeſchleudert, andernfalls kann man direkt
aus der Säure in das 20 bis 25° C. warme Chlorbad gehen, welches
ſchließlich bis zum Kochen erhitzt wird. Die unterchlorige Säure verſchwin-
det ſo vollſtändig — ohne zu entweichen — daß auf dieſem ſelben Chlor-
bade auch noch gefärbt werden kann, indem man einfach den Farbſtoff zu-
gibt und erwärmt, bis die gewünſchte Tiefe der Farbe erreicht iſt, wobei
die meiſten ſauren Farbſtoffe dem Bade gänzlich entzogen werden. — Will
man das Färben in einem beſonderen, dritten Bade vornehmen, ſo iſt dieſes
mit 1 kg Salzſäure per 1000 l Waſſer zu korrigieren, um jede alkaliſche
Reaktion desſelben zu neutraliſieren.


Das Säuren, Chloren und Färben kann in einem Bade vorgenommen
werden bei leichten Geweben oder bei Garnen. Dieſelben erhalten auf 100 kg
3 bis 4 kg Schwefelſäure 66° und verweilen in dem 75 bis 80° C. warmen
Sauerbade ½ Stunde lang, oder bis das Waſſer jede ſaure Reaktion ver-
loren hat. Man läßt dann auf 20 bis 25° C. abkühlen, gibt die klare
Löſung von 10 kg Chlorkalk in dasſelbe Bad, erhitzt kurze Zeit zum Kochen,
fügt ſchließlich die Farblöſung hinzu, und färbt die Wolle je nach der Natur
des Farbſtoffes, kochend oder von lauwarm bis kochend aus, denn auch in
dieſem Falle iſt das Chlor vollſtändig aus der Flüſſigkeit verſchwunden, ſo
daß es auf die Teerfarbſtoffe nicht mehr ſchädigend einwirken kann.


15. Wollfarbſtoffe.


(Nachtrag zu Teil II, § 41.)


  • Orſeille-Erſatz N.
  • Azorubin A.
  • Azo-Eoſin.
  • Apollorot.
  • Walkrot.
  • Tuchrot 3 G.
  • Azo-Karmin.
  • Orange G G.
  • Thiochromogen.
  • Carbazolgelb.
  • Thioflavin T.
  • Alizaringrün.
  • Indazin.
  • Alizarin-Indigblau.
  • Schwarzblau.
  • Echtviolett.
  • Säureviolett 2 B.
  • Brillantſchwarz.
  • Jetſchwarz.
  • Naphtolſchwarz b B.

16. Seiden-Farbſtoffe.


(Nachtrag zu Teil II, § 55.)


  • Erythroſin extra N.
  • Azo-Eoſin.
  • Toluylenrot.
  • Orange G G.
  • Thiochromogen.
  • Thioflavin T.
  • Indazin.
  • Jetſchwarz.

17. Baumwollen-Farbſtoffe.


(Nachtrag zu Teil II, § 69.)


  • Diaminrot 3 B.
  • Naphtylenrot.
  • Brillantpurpurin R.
  • Erika.
  • Mikado-Orange.
  • Toluylen-Orange.
  • Thiochromogen.
  • Pelikanblau.
[670]
  • Benzoflavin.
  • Thioflavin T.
  • Thioflavin S.
  • Benzoſchwarzblau.
  • Paraphenylenblau.
  • Polychrom.
  • Solidblau 9 R R.
  • Indazin.
  • Diaminblau.
  • Metaminblau.
  • Paraphenylenviolett.
  • Mikadobraun.
  • Benzobraun.
  • Congobraun.
  • Echtſchwarz.

18. Halbſeiden-Farbſtoffe.


  • Safranin.
  • Toluylenrot.
  • Thiochromogen.
  • Thioflavin T.
  • Indazin.

19. Färberei-Einrichtung.


Ueber dieſes Thema iſt inzwiſchen eine eigene Broſchüre erſchienen,
welche Intereſſenten empfohlen werden ſoll:


Anlage, Konſtruktion und Einrichtung von Färberei- und Bleicherei-
Lokalitäten. Von J. Trey. Berlin 1889. Jul. Springer.


[[671]][672][673][674][675][676][677][678][679][680][681][682][683][684][685][686][687][688][689][690][691][692][693][][][][][][][][][][]
Notes
*)
Deutſches Wollengewerbe 1887, Nr. 15.
*)
Auf dieſer Eigenſchaft der Wolle beruht ihre Verwendung als direktes Be-
kleidungsmittel, um den Schweiß aufzuſaugen, als Strümpfe, Unterjacken, Normal-
hemden ꝛc. Die ganze Jägerſche Bekleidungstheorie beruht auf dieſer Eigenſchaft.
**)
Auf dieſer Eigenſchaft beruht die Fähigkeit der Wolle, mit Hilfe von For-
men ſich zu Filzplatten, Wollhüten, Einlegeſohlen ꝛc. preſſen zu laſſen.
*)
Real-Encyklopädie der geſamten Pharmazie; Wien, Urban und Schwarzen-
berg
; Artikel: Feſtigkeitsprüfung.
**)
Die Reißlänge iſt eine Zahl, welche in Metern oder Kilometern angibt,
welche Länge eine Geſpinnſtfaſer haben müßte, um ohne jedwede Belaſtung, lediglich
durch ihr eigenes Gewicht, von ſelbſt zu zerreißen.
***)
Handbuch der Chemiſchen Technologie.
†)
Nach einem Bericht der neuen, im März 1888 eröffneten Konditionieran-
ſtalt in Aachen, im „Deutſchen Wollengewerbe“.
*)
Gorup-Beſanez, Phyſiologiſche Chemie.
**)
Ebendaſelbſt.
***)
Ebendaſelbſt.
*)
Die Feinheit des Garnes (die Garnnummer) beſtimmt man nach den Be-
ſchlüſſen des jüngſt abgehaltenen Kongreſſes zu Turin, die eine internationale ge-
worden und wird ausgedrückt durch die Zahl, welche angibt, wie oft die Garn-
einheit
von 1000 m ihrem Gewichte nach in 1 kg enthalten iſt.
**)
Nur bei der Landarbeit wird noch ausnahmsweiſe von Färbern im kleinen
Maßſtabe mittels Handarbeit Wolle zu Wollgarn verſponnen.
***)
D. h. mehr oder minder verfilzte Gewebe.
*)
Die Seidenraupe, ſeit 2600 v. Chr. in China gezüchtet, gelangte 550 v. Chr.
nach Konſtantinopel, von wo aus ſich die Seidenzucht über das ſüdliche Europa
verbreitete. Die Verſuche, welche in Deutſchland mit der Seidenzucht gemacht wur-
den, haben infolge klimatiſcher Einflüſſe niemals eine rechte Bedeutung erlangen
können. (Ueber die neueſten Verſuche in Schleſien vergl. S. 32.)
*)
Heinzerling, Abriß der chem. Technologie.
*)
*)
Hummel, „The Deyeing of textile fabrics“.
*)
1 t = 1000 kg.
*)
Vergl. unter Wolle S. 20.
*)
Vergleiche meine Anſchauungen über die Wirkung der Eſſigſäure bei Ge-
legenheit der Mulderſchen Analyſenreſultate S. 34.
*)
Nach der Färberei-Muſterzeitung.
*)
Wiesner, Rohſtoffe des Pflanzenreiches.
*)
Deutſche Färber-Zeitung 1887, Nr. 6.
**)
Die Färberei und Bleicherei der Geſpinnſtfaſern.
*)
1 Yard = 0,9144 Meter.
**)
Nach Heinzerling „Chemiſche Technologie“.
*)
Es wäre wohl aus mehr als einem Grunde richtiger, das Klopfen erſt hin-
ter dem Brechen vorzunehmen.
*)
Geißler u. Möller, Real-Encyklopädie der geſ. Pharmazie, Art. Hanf,
Band V.
**)
Handbuch der techn.-chem. Unterſuchungen.
*)
Programm des Züricher Polytechnikums 1881.
**)
Deutſche Färberzeitung 1887, Nr. 12.
*)
Zwiſchen Ramié und Chinagras ſteht als Mittelglied noch die Roafaſer oder
der Rheahanf, über deſſen Herkunft wie über deſſen Wert als Gewebefaſer die Mei-
nungen noch geteilt ſind.
*)
J. Moeller, die Neſſelfaſer. Sonderabdruck aus der Polyt. Zeitg. 1883,
Nr. 34 u. 35.
**)
Real-Encyclopädie der geſ. Pharmazie. Bd. VII.
***)
v. Höhnel, Mikroſkopie.
*)
Real-Encyklopädie der geſ. Pharmazie, Bd. V, S. 81.
*)
Nach Hoyers „Lexikon der Verfälſchungen“.
*)
Ausführlicheres hierüber ſiehe „Deutſche Färberzeitung“ 1888, Nr. 9 u. 10.
*)
Der vorſtehende Paragraph iſt nur ein Auszug aus einer größeren Arbeit
über das gleiche Thema, welches ich in der „Real-Encyklopädie der geſamten Phar-
mazie“, Bd. IV, veröffentlicht habe. Dieſer Auszug macht auf Vollſtändigkeit kei-
nen Anſpruch; er behandelt lediglich die in der Färberei wirklich vorkommenden
Geſpinnſtfaſern und ſoll nur die Wege weiſen, auf welchen eine Unterſuchung von
Geſpinnſten oder Geweben überhaupt zu erfolgen hat. Der Verf.
*)
Der grundfalſche Name Kermesbeeren kommt daher, daß man den Kermes
anfänglich für die Früchte oder Beeren des Baumes hielt, auf denen das
Inſekt lebt.
*)
Deutſche Färberzeitung 1888, Nr. 12.
*)
Romen erwähnt noch vier andere Arten in dieſe Kategorie gehöriger Rot-
hölzer: Nakacaguaholz, Bahiaholz, Kaliforniaholz, Terrafirmaholz, über deren Ab-
ſtammung etwas Verläßliches nicht bekannt iſt.
**)
Der Name ſtammt von der Stadt Fernambuco in Braſilien, in deren Nähe
der Baum viel vorkommt.
*)
Dieſe vorſündflutliche Methode ſollte man doch lieber durch eine einfachere
und zeitgemäßere erſetzen: Extrahieren der Flechten mit verdünnter kalter Natronlauge,
und Fällen mit Salzſäure. Man erhält ſo die Flechtenſäuren als weißen Nieder-
ſchlag, welchen man nur in ammoniakaliſchem Waſſer zu löſen und der Luft aus-
zuſetzen braucht, um direkt zu den reinen Farbſtofflöſungen zu gelangen.
Der Verf.
*)
Liebermann hat neuerdings nachgewieſen, daß durch die Einwirkung von
Ammoniak auf Orcin zwei Orceïne gebildet werden, welchen er die Formeln
C14 H12 N2 O3 und C14 H13 NO4 beilegt.
*)
Deutſche Färberzeitung 1887, Nr. 15.
*)
Chem. News 1888, Nr. 57.
*)
Die Angabe anderer Autoren, daß die Wurzel auch von einer Pflanze Cur-
cuma rotunda L.
ſtammen ſoll, iſt nicht richtig.
*)
Berichte der deutſch. Chem. Geſellſchaft 18, 3417.
*)
In Färberkreiſen findet man faſt durchweg die beiden letzten Bezeichnungen;
das iſt ein ſchweres Unrecht gegen unſere deutſche Sprache, denn Cachou iſt der
franzöſiſche, Cutch der engliſche Ausdruck dafür, die deutſche Bezeichnung
aber heißt
: Catechu.
*)
Die Anilinfarbſtoffe. Braunſchweig, 1888.
*)
Die Anilinfarbſtoffe. Braunſchweig, 1888.
*)
Farben, welche wie das Alizarin, je nach der angewandten Beize, verſchiedene
Farben hervorbringen, werden polygenetiſche Farbſtoffe benannt.
*)
Ueber ein anderweites „Alizarinpulver“, welches alle Eigenſchaften des ech-
ten Alizarins beſitzen ſoll, vergl. deutſche Färberztg. 1886, Nr. 22.
*)
Viktoriaorange iſt vorwiegend das Kaliſalz des Orthokreſols, Safranſurro-
gat dagegen das aus Parakreſols.
*)
*)
Unter Lutecienne wird bekanntlich auch ein Gemiſch von Eoſinen verſtanden;
vergl. § 67, 1 c.
*)
Dieſer Name iſt ſehr unglücklich gewählt, denn er bedeutet verdeutſcht Blau,
nicht aber Grün. Richtiger wäre wohl, die völlig falſche Bezeichnung Coeru-
leïn
gänzlich aufzugeben. Ich ſchlage vor, dieſen Farbſtoff mit Viridin zu be-
zeichnen. Allerdings bezeichnete man bisher mit dem Namen Viridin das ſogen.
Alkaligrün, das Natronſalz der Diphenyldiamidotriphenylcarbinolſulfoſäure. Die-
ſes befindet ſich jedoch nicht mehr im Handel; eine Verwechſelung iſt daher ausge-
ſchloſſen.
**)
Alizaringrün und Anthracengrün bezeichnen wenigſtens den Farbſtoff als
einen grünen; ſie ſind jedoch geeignet, den Farbſtoff als einen Anthracenfarbſtoff
anzuſprechen, was keineswegs der Fall iſt, obgleich es in ſeinem Verhalten gegen
Beizen ſich ganz wie ein ſolcher verhält.
*)
La teinture au XIX siècle.
*)
Deutſche Färberzeitung 1886, Nr. 20.
*)
Ein dem Reginaviolett nahe verwandter Farbſtoff war das Diphenyl-
roſanilin
oder Roſanilinviolett, C32 H28 N3 Cl; jetzt nicht mehr im Handel.
*)
Thales von Milet (600 v. Chr. Geb.) iſt der Verfechter dieſer Anſchauung.
*)
Deutſche Färberzeitung 1888, 27.
*)
Auszug aus den von der Maſchinenfabrik Humboldt in Kalk bei Köln
mir zur Verfügung geſtellten Unterlagen.
*)
Ich bemerke ausdrücklich, daß hier von einer mechaniſchen Reinigung
auf chemiſchem Wege vermittelſt Alaun die Rede iſt, von einer Klärung durch Alaun;
zur Beſeitigung der Härte des Waſſers iſt der Alaun nicht verwendbar.
*)
Dieſe Flüſſigkeit läßt ſich zu ordinärem Rot, Braun, Violett u. dergl. noch
ganz gut verwerten.
*)
Hummel gibt an, daß die Rotbeizen bräunlich ausſehen. Das wäre ein
ſchlechtes Zeichen. Eine nach den von mir aufgeſtellten Vorſchriften bereitete eſſig-
ſaure Thonerde wird nie bräunlich ausſehen.
*)
Hummel-Knecht und in „Oeſterreichs Wollen- und Leinen-Induſtrie“,
auch Stein bezeichnen dasſelbe als eine Art Oxydhydrat. Das Antimonoxyd ent-
hält jedoch, trotzdem es kryſtalliniſch iſt, kein Waſſer.
*)
Chemiker-Zeitung 1881, S. 949.
*)
Natriumſulfhydrat bereitet man ſich durch Löſen von Schwefel in warmer
Aetznatronlauge.
*)
Journal of the Dyers Society.
*)
Unter „freiem Alkali“ iſt in der Hauptſache kohlenſaures Alkali, ſeltener Aetz-
alkali zu verſtehen, da dieſes ſich bei genügender Berührung mit der Luft in kohlen-
ſaures Salz umwandelt.
*)
Pharm. Centralhalle 1886, 410—414.
*)
Kolorie der Baumwolle.
*)
Ebell (Chemikerztg. 1888, 2) empfiehlt dagegen, das handelsübliche 3proc.
Waſſerſtoffſuperoxyd nicht zu verdünnen.
*)
Quillayarinde iſt die Rinde von Quillaya Saponaria, einem in Chile und
Peru vorkommenden Baum aus der Familie der Spiraeaceen; ſie bildet flach rinnen-
förmige, lange Rindenſtücke, welche außen hellbraun, innen ſchmutzig gelbweiß, ge-
ruchlos, von kratzendem und ſcharfem Geſchmack ſind.
*)
Das Zebrowskyſche Patent erſtreckt ſich auf das Waſchen und Bleichen
roher loſer Wolle mittels einer ſehr verdünnten Schwefelſäure und darauffolgender
Behandlung mit einer Löſung von Schwefeloxydchlorid in Benzin.
*)
Eiſerne Pfannen ſind zum Verbrennen des Schwefels minder empfehlens-
wert, weil das Metall die Entzündungstemperatur des Schwefels zu ſehr herabmin-
dert, ſo daß der Schwefel leicht nicht weiter zu brennen vermag.
*)
Pharm. Centralhalle 1887, 249.
*)
Soll doch wohl ſchweflige Säure heißen. Der Verf.
*)
Deutſche Färberzeitung 1887, 12.
*)
Im Handel exiſtieren ſowol Porzellan-Menſuren, welche immer eine aus
ſchwarzer Emaille eingebrannte Graduierung haben, ſowie graduierte Glascylinder,
bei welchen die bis auf die einzelnen Kubikcentimeter genaue Graduierung geätzt iſt.
*)
Es iſt auch vorgeſchlagen worden, das Entſchweißen der Wolle im Ober-
maier
ſchen Apparat vorzunehmen. Die dafür angeführten Gründe ſind jedenfalls
der Beachtung wert. Während jedoch Scheuerle das Entſchweißen im Apparat
warm empfiehlt, iſt Delmart der Anſicht, daß — abgeſehen von der Feſtlegung des
*)
Faſermaterials — durch dieſe Methode der Entſchweißung ein beſonderer Vorteil
nicht erzielt werde, da die Wärme und Alkalinität des Schweißbades dieſelben
bleiben.
*)
Das Wort „Schwillieren“ iſt verballhorniſiert. Der Erfinder dieſer Ma-
ſchinen hieß Chevillier und ſomit heißen dieſelben eigentlich Chevillier-Maſchinen.
*)
Die künſtlichen organiſchen Farbſtoffe. Berlin, 1887.
*)
Färberei und Bleicherei der Geſpinnſtfaſern. Berlin, 1888.
*)
Bei Gelegenheit der Generalverſammlung des Verbandes der Innungen
der Färber und verwandter Gewerbe Deutſchlands, 18. Juli 1887.
*)
Hummel empfiehlt z. B. zum Färben mit Alizarin: Beizen mit 4 bis
12 Prozent Eiſenvitriol und 10 bis 30 Prozent Weinſtein für etwa 10 Prozent
Alizarin.
*)
Vitalis, Lehrbuch der geſamten Färberei, S. 488. Weimar, 1854.
*)
Außer dem bereits angeführten Säurefuchſin iſt das Echtrot (Roccelline) einer
der echteſten Azofarbſtoffe, mit dem man unter entſprechender Behandlung die glei-
chen Farbtöne, wie mit Cochenille erzielen kann, wogegen die Färbungen bedeutend
ſäure- und ſeifenechter und um 80 Prozent billiger ſind. Bei Verwendung von
Echtrot ſäuert man das Bad leicht mit Salzſäure an, erwärmt es auf 40° und läßt
die Wolle darin 15 bis 30 Minuten verweilen; dann erſt gibt man den Farbſtoff
in kleinen Portionen zu und ſteigert die Temperatur allmählich in ½ Stunde bis
auf 70° und erhält hierin eine weitere halbe Stunde. Die zum Nüancieren be-
ſtimmten Farbſtoffe ſetzt man zweckmäßig erſt ſpäter dem Färbebade zu.
*)
Näheres hierüber ſ. 1. Teil § 74, S. 198.
**)
Die Echtfärberei der loſen Wolle. Reichenberg 1888.
*)
Die Echtfärberei der loſen Wolle. Reichenberg, 1888.
**)
Färberei und Bleicherei der [Geſpinnſtfaſern]. Berlin, 1888.
*)
Hummel ſchreibt dagegen wörtlich: „Es gewährt keinen Vorteil, mehr als
6 Prozent Ferroſulfat anzuwenden“ und „Verſuche haben gezeigt, daß das Verhält-
nis 1 Teil Ferroſulfat und 2 bis 3 Teile Weinſtein ſein ſollte“.
*)
Chemiker-Zeitung 1887.
*)
Beim Löſen von Indigo in rauchender Schwefelſäure bilden ſich Indigo-
ſulfoſäuren und beim Färben damit iſt nicht der Indigo als ſolcher das färbende
Prinzip, ſondern die Indigoſulfoſäure.
*)
Neueſte Erfindungen und Erfahrungen 1888, Heft 5, S. 193—195.
*)
Die faulige Gärung wird nach Fitz durch einen mikroſkopiſchen Pilz, Ba-
cillus subtilis,
eingeleitet.
*)
Chemiker-Zeitung 1888, 721.
*)
Aus Ganswindt, Theorie und Praxis der Hypoſulfitküpe; Neueſte Erfin-
dungen und Erfahrungen 1888, S. 342—345.
*)
Aus einem Referate des Verfaſſers in der „Deutſchen Färberzeitung“ 1887,
Nr. 12, 17, 29.
*)
Centralblatt für die Textil-Induſtrie 1889, S. 173/74.
*)
Bei allen dieſen Holzfarben iſt 4 Prozent Seife vom Gewicht der Seide ge-
rechnet.
*)
Köchlin, Bull. de Mulhouse, 1881.
**)
Die Anilinfarbſtoffe. Braunſchweig 1888.
*)
Erſter Teil dieſes Buches, § 98, 14.
*)
Chemiker-Ztg. 1887.
*)
Die Anilinfarbſtoffe, S. 32.
*)
Neu; beide im erſten Teil dieſes Buches noch nicht enthalten.
*)
*)
*)
Von Tillmanns, E. ter Meer u. Comp. Muſter in der Deutſchen
Färber-Zeitung 1887, Nr. 33.
**)
Deutſche Färber-Zeitung 1887, Nr. 21.
1).
Neu, im Erſten Teil noch nicht enthalten. Näheres Deutſche Färber-Zeitung
1888, Nr. 34.
*)
Romen dagegen erklärt das Auswaſchen für überflüſſig.
*)
Dieſer wird, wo er zu haben iſt, ſtets dem Kuhmiſt vorgezogen.
*)
Pharm. Centralhalle 1886, 410 ff.
**)
Journal der ruſſ. phyſik. Geſellſchaft.
*)
Dieſe Bezeichnung iſt von mir an anderem Orte vorgeſchlagen worden.
*)
Deutſche Färber-Zeitung 1889, Nr. 3.
*)
Alkali? Soll wohl Schwefelſäure heißen.
**)
Traité des matières colorantes.
***)
Journ. Soc. of Dyers.
*)
Chemiker-Zeitung 1888, 989.
*)
Neu, im Erſten Teil dieſes Buches noch nicht enthalten. Siehe Nachtrag.
*)
Bulletin de Mulhouse 1884.
*)
Ganswindt, Die Frage der Abwäſſer in hygieniſcher und nationalökono-
miſcher Hinſicht. Pharm. Centralhalle 1886, 484 ff.
*)
Noch praktiſcher wäre eine Löſung von rohem Chlormagneſium. D. Verf.
*)
Färberei und Bleicherei der Geſpinnſtfaſern. Berlin 1888.
*)
Nach „Oeſterreichs Wellen- und Leinen-Induſtrie“ 1889, 397.
*)
Nach Centralbl. f. d. Textil-Induſtrie 1889.
*)
Auch bereits „Deutſche Färber-Zeitung“ 1888, Nr. 36.
*)
Romens Journal 1888, 201.
*)
Man wird hier unwillkürlich an die Umwandlung der Baumwolle durch
den Bleichprozeß in Oxycelluloſe erinnert, wodurch bekanntlich die Baumwolle,
welche vorher zu Farbſtoffen gar keine Affinität zeigte, zur Aufnahme von Farb-
ſtoffen, wenn auch in beſchränkterem Maße als bei Wolle, empfänglich gemacht wird.
**)
Nach „Oeſterreichs Wollen- und Leinen-Induſtrie“ 1889, 341.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 0. Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bhng.0