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Strafgeſetzbuch
für
den Norddeutſchen Bund.
Vom 31. Mai 1870.

Nebſt
Einführungs-Geſetz
zum

Strafgeſetzbuch fuͤr den Norddeutſchen Bund.
Vom 31. Mai 1870.

Mit vollſtändigem Sachregiſter.

[figure]
Berlin,: 1870.
Verlag der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei
(R. v. Decker).

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Inhalt.


  • Einführungs-Geſetz zum Strafgeſetzbuch für den Nord-
    deutſchen Bund. Vom 31. Mai 1870 Seite 1
  • Strafgeſetzbuch für den Norddeutſchen Bund.
    Vom 31. Mai 1870.

    Einleitende Beſtimmungen§§. 1. — 12. » 3
  • Erſter Theil.
    Von der Beſtrafung der Verbrechen, Vergehen und
    Uebertretungen im Allgemeinen
    .

    Erſter Abſchnitt. Strafen §§. 13. — 42. » 6
  • Zweiter Abſchnitt. Verſuch §§. 43. — 46. » 12
  • Dritter Abſchnitt. Theilnahme §§. 47. — 50. » 13
  • Vierter Abſchnitt. Gründe, welche die Strafe aus-
    ſchließen oder mildern §§. 51. — 72. » 14
  • Fünfter Abſchnitt. Zuſammentreffen mehrerer ſtraf-
    barer Handlungen §§. 73. — 79. » 19
  • Zweiter Theil.
    Von den einzelnen Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen
    und deren Beſtrafung
    .

    Erſter Abſchnitt. Hochverrath und Landesverrath §§. 80. — 93. Seite 21
  • Zweiter Abſchnitt. Beleidigung des Landesherrn §§. 94. — 97. » 26
  • Dritter Abſchnitt. Beleidigung von Bundesfürſten §§. 98. — 101. » 27
  • Vierter Abſchnitt. Feindliche Handlungen gegen
    befreundete Staaten §§. 102. — 104. » 27
  • Fünfter Abſchnitt. Verbrechen und Vergehen in
    Beziehung auf die Ausübung ſtaatsbürger-
    licher Rechte §§. 105. — 109. » 29
  • Sechster Abſchnitt. Widerſtand gegen die Staats-
    gewalt §§. 110. — 122. » 30
  • Siebenter Abſchnitt. Verbrechen und Vergehen
    wider die öffentliche Ordnung §§. 123. — 145. Seite 33
  • Achter Abſchnitt. Münzverbrechen und Münzver-
    gehen §§. 146. — 152. » 38
  • Neunter Abſchnitt. Meineid §§. 153. — 163. » 40
  • Zehnter Abſchnitt. Falſche Anſchuldigung §§. 164. — 165. » 43
  • Elfter Abſchnitt. Vergehen, welche ſich auf die
    Religion beziehen §§. 166. — 168. » 43
  • Zwölfter Abſchnitt. Verbrechen und Vergehen in
    Beziehung auf den Perſonenſtand §§. 169. — 170. » 44
  • Dreizehnter Abſchnitt. Verbrechen und Vergehen
    wider die Sittlichkeit §§. 171. — 184. » 45
  • Vierzehnter Abſchnitt. Beleidigung §§. 185. — 200. » 48
  • Funfzehnter Abſchnitt. Zweikampf §§. 201. — 210. » 52
  • Sechszehnter Abſchnitt. Verbrechen und Vergehen
    wider das Leben §§. 211. — 222. » 53
  • Siebenzehnter Abſchnitt. Körperverletzung §§. 223. — 233. » 55
  • Achtzehnter Abſchnitt. Verbrechen und Vergehen
    wider die perſönliche Freiheit §§. 234. — 241. » 58
  • Neunzehnter Abſchnitt. Diebſtahl und Unterſchla-
    gung §§. 242. — 248. » 60
  • Zwanzigſter Abſchnitt. Raub und Erpreſſung §§. 249. — 256. » 62
  • Einundzwanzigſter Abſchnitt. Begünſtigung und
    Hehlerei §§. 257. — 262. » 64
  • Zweiundzwanzigſter Abſchnitt. Betrug und Un-
    treue §§. 263. — 266. » 66
  • Dreiundzwanzigſter Abſchnitt. Urkundenfälſchung §§. 267. — 280. » 67
  • Vierundzwanzigſter Abſchnitt. Bankerutt §§. 281. — 283. » 71
  • Fünfundzwanzigſter Abſchnitt. Strafbarer Eigen-
    nutz und Verletzung fremder Geheimniſſe §§. 284. — 302. » 72
  • Sechsundzwanzigſter Abſchnitt. Sachbeſchädigung §§. 303. — 305. » 76
  • Siebenundzwanzigſter Abſchnitt. Gemeingefähr-
    liche Verbrechen und Vergehen §§. 306. — 330. » 77
  • Achtundzwanzigſter Abſchnitt. Verbrechen und Ver-
    gehen im Amte §§. 331. — 359. » 83
  • Neunundzwanzigſter Abſchnitt. Uebertretungen §§. 360. — 370. » 89
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Einführungs-Geſetz
zum
Strafgeſetzbuch fuͤr den Norddeutſchen Bund.


Vom 31. Mai 1870.


Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von
Preußen ꝛc.
verordnen im Namen des Norddeutſchen Bundes, nach erfolgter
Zuſtimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:


§. 1.


Das Strafgeſetzbuch für den Norddeutſchen Bund tritt
im ganzen Umfange des Bundesgebietes mit dem 1. Januar
1871 in Kraft.


§. 2.


Mit dieſem Tage tritt das Bundes- und Landesſtrafrecht,
inſoweit daſſelbe Materien betrifft, welche Gegenſtand des Straf-
geſetzbuchs für den Norddeutſchen Bund ſind, außer Kraft.


In Kraft bleiben die beſonderen Vorſchriften des Bundes-
und Landesſtrafrechts, namentlich über ſtrafbare Verletzungen
der Preßpolizei-, Poſt-, Steuer-, Zoll-, Fiſcherei-, Jagd-,
Forſt- und Feldpolizei-Geſetze, über Mißbrauch des Vereins-
und Verſammlungsrechts und über den Holz- (Forſt-) Diebſtahl.


Bis zum Erlaſſe eines Bundesgeſetzes über den Konkurs
bleiben ferner diejenigen Strafvorſchriften in Kraft, welche
rückſichtlich des Konkurſes in Landesgeſetzen enthalten ſind, inſo-
weit dieſelben ſich auf Handlungen beziehen, über welche das
Strafgeſetzbuch für den Norddeutſchen Bund nichts beſtimmt.


§. 3.


Wenn in Landesgeſetzen auf ſtrafrechtliche Vorſchriften, welche
durch das Strafgeſetzbuch für den Norddeutſchen Bund außer
Kraft geſetzt ſind, verwieſen wird, ſo treten die entſprechenden
Vorſchriften des letzteren an die Stelle der erſteren.


Strafgeſetzbuch. 1
[2]

§. 4.


Bis zum Erlaſſe der in den Artikeln 61. und 68. der
Verfaſſung des Norddeutſchen Bundes vorbehaltenen Bundes-
geſetze ſind die in den §§. 81. 88. 90. 307. 311. 312.
315. 322. 323. und 324. des Strafgeſetzbuchs für den
Norddeutſchen Bund mit lebenslänglichem Zuchthaus bedrohten
Verbrechen mit dem Tode zu beſtrafen, wenn ſie in einem Theile
des Bundesgebietes, welchen der Bundesfeldherr in Kriegs-
zuſtand (Art. 68. der Verfaſſung) erklärt hat, oder während
eines gegen den Norddeutſchen Bund ausgebrochenen Krieges
auf dem Kriegsſchauplatze begangen werden.


§. 5.


In landesgeſetzlichen Vorſchriften über Materien, welche
nicht Gegenſtand des Strafgeſetzbuchs für den Norddeutſchen
Bund ſind, darf nur Gefängniß bis zu zwei Jahren, Haft,
Geldſtrafe, Einziehung einzelner Gegenſtände und die Entziehung
öffentlicher Aemter angedroht werden.


§. 6.


Vom 1. Januar 1871 ab darf nur auf die im Strafgeſetzbuche
für den Norddeutſchen Bund enthaltenen Strafarten erkannt werden.


Wenn in Landesgeſetzen anſtatt der Gefängniß- oder Geld-
ſtrafe Forſt- oder Gemeinde-Arbeit angedroht oder nachgelaſſen
iſt, ſo behält es hierbei ſein Bewenden.


§. 7.


Vom 1. Januar 1871 ab verjähren Zuwiderhandlungen
gegen die Vorſchriften über die Entrichtung der Branntwein-
ſteuer, der Bierſteuer und der Poſtgefälle in drei Jahren.


§. 8.


Der Landesgeſetzgebung bleibt vorbehalten, Uebergangs-
beſtimmungen zu treffen, um die in Kraft bleibenden Landes-
ſtrafgeſetze mit den Vorſchriften des Strafgeſetzbuchs für den
Norddeutſchen Bund in Uebereinſtimmung zu bringen.


Urkundlich unter Unſerer Höchſteigenhändigen Unterſchrift
und beigedrucktem Bundes-Inſiegel.


Gegeben Schloß Babelsberg, den 31. Mai 1870.


(L. S.) Wilhelm.


Gr. v. Bismarck-Schönhauſen.


[[3]]

Strafgeſetzbuch
für den
Norddeutſchen Bund.


Vom 31. Mai 1870.


Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von
Preußen ꝛc.
verordnen im Namen des Norddeutſchen Bundes, nach erfolgter
Zuſtimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:


Einleitende Beſtimmungen.


§. 1.


Eine mit dem Tode, mit Zuchthaus, oder mit Feſtungshaft
von mehr als fünf Jahren bedrohte Handlung iſt ein Verbrechen.


Eine mit Feſtungshaft bis zu fünf Jahren, mit Gefängniß
oder mit Geldſtrafe von mehr als funfzig Thalern bedrohte
Handlung iſt ein Vergehen.


Eine mit Haft oder mit Geldſtrafe bis zu funfzig Thalern
bedrohte Handlung iſt eine Uebertretung.


§. 2.


Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt
werden, wenn dieſe Strafe geſetzlich beſtimmt war, bevor die
Handlung begangen wurde.


Bei Verſchiedenheit der Geſetze von der Zeit der begangenen
Handlung bis zu deren Aburtheilung iſt das mildeſte Geſetz
anzuwenden.


§. 3.


Die Strafgeſetze des Norddeutſchen Bundes finden Anwen-
dung auf alle im Gebiete deſſelben begangenen ſtrafbaren
Handlungen, auch wenn der Thäter ein Ausländer iſt.


1*
[4]

§. 4.


Wegen der im Auslande begangenen Verbrechen und Ver-
gehen findet in der Regel keine Verfolgung ſtatt.


Jedoch kann nach den Strafgeſetzen des Norddeutſchen Bun-
des verfolgt werden


  • 1) ein Ausländer, welcher im Auslande eine hochver-
    rätheriſche Handlung gegen den Norddeutſchen Bund
    oder einen Bundesſtaat, oder ein Münzverbrechen
    begangen hat;
  • 2) ein Norddeutſcher, welcher im Auslande eine hochver-
    rätheriſche oder landesverrätheriſche Handlung gegen
    den Norddeutſchen Bund oder einen Bundesſtaat, eine
    Beleidigung gegen einen Bundesfürſten, oder ein Münz-
    verbrechen begangen hat;
  • 3) ein Norddeutſcher, welcher im Auslande eine Handlung
    begangen hat, die nach den Geſetzen des Norddeutſchen
    Bundes als Verbrechen oder Vergehen anzuſehen und
    durch die Geſetze des Orts, an welchem ſie begangen
    wurde, mit Strafe bedroht iſt.
    Die Verfolgung iſt auch zuläſſig, wenn der Thäter
    bei Begehung der Handlung noch nicht Norddeutſcher
    war. In dieſem Falle bedarf es jedoch eines Antrages
    der zuſtändigen Behörde des Landes, in welchem die
    ſtrafbare Handlung begangen worden, und das aus-
    ländiſche Strafgeſetz iſt anzuwenden, ſoweit dieſes
    milder iſt.

§. 5.


Im Falle des §. 4. Nr. 3. bleibt die Verfolgung ausge-
ſchloſſen, wenn


  • 1) von den Gerichten des Auslandes über die Handlung
    rechtskräftig erkannt und entweder eine Freiſprechung
    erfolgt oder die ausgeſprochene Strafe vollzogen,
  • 2) die Strafverfolgung oder die Strafvollſtreckung nach
    den Geſetzen des Auslandes verjährt oder die Strafe
    erlaſſen, oder
  • 3) der nach den Geſetzen des Auslandes zur Verfolg-
    barkeit der Handlung erforderliche Antrag des Verletzten
    nicht geſtellt worden iſt.

[5]

§. 6.


Im Auslande begangene Uebertretungen ſind nur dann zu
beſtrafen, wenn dies durch beſondere Geſetze oder durch Verträge
angeordnet iſt.


§. 7.


Eine im Auslande vollzogene Strafe iſt, wenn wegen
derſelben Handlung im Gebiete des Norddeutſchen Bundes
abermals eine Verurtheilung erfolgt, auf die zu erkennende
Strafe in Anrechnung zu bringen.


§. 8.


Ausland im Sinne dieſes Strafgeſetzes iſt jedes nicht zum
Norddeutſchen Bunde gehörige Gebiet.


§. 9.


Ein Norddeutſcher darf einer ausländiſchen Regierung zur
Verfolgung oder Beſtrafung nicht überliefert werden.


§. 10.


Auf Norddeutſche Militairperſonen finden die allgemeinen
Strafgeſetze des Norddeutſchen Bundes inſoweit Anwendung,
als nicht die Militairgeſetze ein Anderes beſtimmen.


§. 11.


Kein Mitglied eines Landtages oder einer Kammer eines
zum Norddeutſchen Bunde gehörigen Staats darf außerhalb
der Verſammlung, zu welcher das Mitglied gehört, wegen
ſeiner Abſtimmung oder wegen der in Ausübung ſeines Be-
rufes gethanen Aeußerung zur Verantwortung gezogen werden.


§. 12.


Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen eines Land-
tages oder einer Kammer eines zum Norddeutſchen Bunde
gehörigen Staats bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.


[6]

Erſter Theil.
Von der Beſtrafung der Verbrechen, Vergehen und
Uebertretungen im Allgemeinen.


Erſter Abſchnitt.
Strafen.


§. 13.

Die Todesſtrafe iſt durch Enthauptung zu vollſtrecken.


§. 14.

Die Zuchthausſtrafe iſt eine lebenslängliche oder eine zeitige.


Der Höchſtbetrag der zeitigen Zuchthausſtrafe iſt funfzehn
Jahre, ihr Mindeſtbetrag Ein Jahr.


Wo das Geſetz die Zuchthausſtrafe nicht ausdrücklich als
eine lebenslängliche androht, iſt dieſelbe eine zeitige.


§. 15.

Die zur Zuchthausſtrafe Verurtheilten ſind in der Straf-
anſtalt zu den eingeführten Arbeiten anzuhalten.


Sie können auch zu Arbeiten außerhalb der Anſtalt, ins-
beſondere zu öffentlichen oder von einer Staatsbehörde beauf-
ſichtigten Arbeiten verwendet werden. Dieſe Art der Beſchäfti-
gung iſt nur dann zuläſſig, wenn die Gefangenen dabei von
anderen freien Arbeitern getrennt gehalten werden.


§. 16.

Der Höchſtbetrag der Gefängnißſtrafe iſt fünf Jahre, ihr
Mindeſtbetrag Ein Tag.


Die zur Gefängnißſtrafe Verurtheilten können in einer
Gefangenanſtalt auf eine ihren Fähigkeiten und Verhältniſſen
angemeſſene Weiſe beſchäftigt werden; auf ihr Verlangen ſind
ſie in dieſer Weiſe zu beſchäftigen.


Eine Beſchäftigung außerhalb der Anſtalt (§. 15.) iſt nur
mit ihrer Zuſtimmung zuläſſig.


§. 17.

Die Feſtungshaft iſt eine lebenslängliche oder eine zeitige.


Der Höchſtbetrag der zeitigen Feſtungshaft iſt funfzehn
Jahre, ihr Mindeſtbetrag Ein Tag.


[7]

Wo das Geſetz die Feſtungshaft nicht ausdrücklich als eine
lebenslängliche androht, iſt dieſelbe eine zeitige.


Die Strafe der Feſtungshaft beſteht in Freiheitsentziehung
mit Beaufſichtigung der Beſchäftigung und Lebensweiſe der Ge-
fangenen; ſie wird in Feſtungen oder in anderen dazu beſtimmten
Räumen vollzogen.


§. 18.

Der Höchſtbetrag der Haft iſt ſechs Wochen, ihr Mindeſt-
betrag Ein Tag.


Die Strafe der Haft beſteht in einfacher Freiheitsentziehung.


§. 19.

Bei Freiheitsſtrafen wird der Tag zu vierundzwanzig Stun-
den, die Woche zu ſieben Tagen, der Monat und das Jahr nach
der Kalenderzeit gerechnet.


Die Dauer einer Zuchthausſtrafe darf nur nach vollen Mo-
naten, die Dauer einer anderen Freiheitsſtrafe nur nach vollen
Tagen bemeſſen werden.


§. 20.

Wo das Geſetz die Wahl zwiſchen Zuchthaus und Feſtungs-
haft geſtattet, darf auf Zuchthaus nur dann erkannt werden,
wenn feſtgeſtellt wird, daß die ſtrafbar befundene Handlung
aus einer ehrloſen Geſinnung entſprungen iſt.


§. 21.

Achtmonatliche Zuchthausſtrafe iſt einer einjährigen Ge-
fängnißſtrafe, achtmonatliche Gefängnißſtrafe einer einjährigen
Feſtungshaft gleich zu achten.


§. 22.

Die Zuchthaus- und Gefängnißſtrafe können ſowohl für
die ganze Dauer, wie für einen Theil der erkannten Strafzeit
in der Weiſe in Einzelhaft vollzogen werden, daß der Gefan-
gene unausgeſetzt von anderen Gefangenen geſondert gehalten
wird.


Die Einzelhaft darf ohne Zuſtimmung des Gefangenen die
Dauer von drei Jahren nicht überſteigen.


§. 23.

Die zu einer längeren Zuchthaus- oder Gefängnißſtrafe
Verurtheilten können, wenn ſie drei Viertheile, mindeſtens
aber Ein Jahr der ihnen auferlegten Strafe verbüßt, ſich
[8] auch während dieſer Zeit gut geführt haben, mit ihrer Zu-
ſtimmung vorläufig entlaſſen werden.


§. 24.

Die vorläufige Entlaſſung kann bei ſchlechter Führung des
Entlaſſenen oder, wenn derſelbe den ihm bei der Entlaſſung
auferlegten Verpflichtungen zuwiderhandelt, jederzeit wider-
rufen werden.


Der Widerruf hat die Wirkung, daß die ſeit der vor-
läufigen Entlaſſung bis zur Wiedereinlieferung verfloſſene Zeit
auf die feſtgeſetzte Strafdauer nicht angerechnet wird.


§. 25.

Der Beſchluß über die vorläufige Entlaſſung, ſowie über
einen Widerruf ergeht von der oberſten Juſtiz-Aufſichtsbehörde.
Vor dem Beſchluß über die Entlaſſung iſt die Gefängnißver-
waltung zu hören.


Die einſtweilige Feſtnahme vorläufig Entlaſſener kann aus
dringenden Gründen des öffentlichen Wohls von der Polizei-
behörde des Orts, an welchem der Entlaſſene ſich aufhält,
verfügt werden. Der Beſchluß über den endgültigen Wider-
ruf iſt ſofort nachzuſuchen.


Führt die einſtweilige Feſtnahme zu einem Widerrufe,
ſo gilt dieſer als am Tage der Feſtnahme erfolgt.


§. 26.

Iſt die feſtgeſetzte Strafzeit abgelaufen, ohne daß ein Wider-
ruf der vorläufigen Entlaſſung erfolgt iſt, ſo gilt die Freiheits-
ſtrafe als verbüßt.


§. 27.

Der Mindeſtbetrag der Geldſtrafe iſt bei Verbrechen und
Vergehen Ein Thaler, bei Uebertretungen ein Drittheil Thaler.


§. 28.

Eine nicht beizutreibende Geldſtrafe iſt in Gefängniß und,
wenn ſie wegen einer Uebertretung erkannt worden iſt, in
Haft umzuwandeln.


Iſt bei einem Vergehen Geldſtrafe allein oder an erſter
Stelle, oder wahlweiſe neben Haft angedroht, ſo kann die
Geldſtrafe in Haft umgewandelt werden, wenn die erkannte
Strafe nicht den Betrag von zweihundert Thalern und die an
[9] ihre Stelle tretende Freiheitsſtrafe nicht die Dauer von ſechs
Wochen überſteigt.


War neben der Geldſtrafe auf Zuchthaus erkannt, ſo iſt
die an deren Stelle tretende Gefängnißſtrafe nach Maßgabe
des §. 21. in Zuchthausſtrafe umzuwandeln.


Der Verurtheilte kann ſich durch Erlegung des Strafbetrages,
ſoweit dieſer durch die erſtandene Freiheitsſtrafe noch nicht
getilgt iſt, von der letzteren freimachen.


§. 29.

Bei Umwandlung einer wegen eines Verbrechens oder Ver-
gehens erkannten Geldſtrafe iſt der Betrag von Einem bis zu
fünf Thalern, bei Umwandlung einer wegen einer Uebertretung
erkannten Geldſtrafe der Betrag von einem Drittheil bis
zu fünf Thalern einer eintägigen Freiheitsſtrafe gleich zu
achten.


Der Mindeſtbetrag der an Stelle einer Geldſtrafe treten-
den Freiheitsſtrafe iſt Ein Tag, ihr Höchſtbetrag bei Haft
ſechs Wochen, bei Gefängniß Ein Jahr. Wenn jedoch eine
neben der Geldſtrafe wahlweiſe angedrohte Freiheitsſtrafe ihrer
Dauer nach den vorgedachten Höchſtbetrag nicht erreicht, ſo darf
die an Stelle der Geldſtrafe tretende Freiheitsſtrafe den ange-
drohten Höchſtbetrag jener Freiheitsſtrafe nicht überſteigen.


§. 30.

In den Nachlaß kann eine Geldſtrafe nur dann vollſtreckt
werden, wenn das Urtheil bei Lebzeiten des Verurtheilten
rechtskräftig geworden war.


§. 31.

Die Verurtheilung zur Zuchthausſtrafe hat die dauernde Un-
fähigkeit zum Dienſte in dem Bundesheere und der Bundes-
marine, ſowie die dauernde Unfähigkeit zur Bekleidung öffent-
licher Aemter von Rechtswegen zur Folge.


Unter öffentlichen Aemtern im Sinne dieſes Strafgeſetzes
ſind die Advokatur, die Anwaltſchaft und das Notariat, ſowie
der Geſchworenen- und Schöffendienſt mitbegriffen.


§. 32.

Neben der Todesſtrafe und der Zuchthausſtrafe kann auf den
Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden, neben der
Gefängnißſtrafe nur, wenn die Dauer der erkannten Strafe
[10] drei Monate erreicht und entweder das Geſetz den Verluſt der
bürgerlichen Ehrenrechte ausdrücklich zuläßt oder die Gefäng-
nißſtrafe wegen Annahme mildernder Umſtände an Stelle von
Zuchthausſtrafe ausgeſprochen wird.


Die Dauer dieſes Verluſtes beträgt bei zeitiger Zuchthaus-
ſtrafe mindeſtens zwei und höchſtens zehn Jahre, bei Gefängniß-
ſtrafe mindeſtens Ein Jahr und höchſtens fünf Jahre.


§. 33.

Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt den
dauernden Verluſt der aus öffentlichen Wahlen für den Ver-
urtheilten hervorgegangenen Rechte, ingleichen den dauernden
Verluſt der öffentlichen Aemter, Würden, Titel, Orden und
Ehrenzeichen.


§. 34.

Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt ferner
die Unfähigkeit, während der im Urtheile beſtimmten Zeit


  • 1) die Landeskokarde zu tragen;
  • 2) in das Bundesheer oder in die Bundesmarine einzutreten;
  • 3) öffentliche Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehren-
    zeichen zu erlangen;
  • 4) in öffentlichen Angelegenheiten zu ſtimmen, zu wählen
    oder gewählt zu werden oder andere politiſche Rechte
    auszuüben;
  • 5) Zeuge bei Aufnahme von Urkunden zu ſein;
  • 6) Vormund, Nebenvormund, Kurator, gerichtlicher Bei-
    ſtand oder Mitglied eines Familienraths zu ſein, es
    ſei denn, daß es ſich um Verwandte abſteigender
    Linie handele und die obervormundſchaftliche Behörde
    oder der Familienrath die Genehmigung ertheile.

§. 35.

Neben einer Gefängnißſtrafe, mit welcher die Aberkennung
der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt hätte verbunden werden
können, kann auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher
Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt
werden.


Die Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher
Aemter hat den dauernden Verluſt der bekleideten Aemter von
Rechtswegen zur Folge.


[11]
§. 36.

Die Wirkung der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte
überhaupt, ſowie der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter
insbeſondere, tritt mit der Rechtskraft des Urtheils ein; die
Zeitdauer wird von dem Tage berechnet, an dem die Freiheits-
ſtrafe, neben welcher jene Aberkennung ausgeſprochen wurde,
verbüßt, verjährt oder erlaſſen iſt.


§. 37.

Iſt ein Norddeutſcher im Auslande wegen eines Verbrechens
oder Vergehens beſtraft worden, welches nach den Geſetzen
des Norddeutſchen Bundes den Verluſt der bürgerlichen Ehren-
rechte überhaupt oder einzelner bürgerlichen Ehrenrechte zur
Folge hat oder zur Folge haben kann, ſo iſt ein neues Straf-
verfahren zuläſſig, um gegen den in dieſem Verfahren für
ſchuldig Erklärten auf jene Folge zu erkennen.


§. 38.

Neben einer Freiheitsſtrafe kann in den durch das Geſetz
vorgeſehenen Fällen auf die Zuläſſigkeit von Polizei-Aufſicht
erkannt werden.


Die höhere Landespolizeibehörde erhält durch ein ſolches
Erkenntniß die Befugniß, nach Anhörung der Gefängnißverwal-
tung den Verurtheilten auf die Zeit von höchſtens fünf Jahren
unter Polizei-Aufſicht zu ſtellen.


Dieſe Zeit wird von dem Tage berechnet, an welchem die
Freiheitsſtrafe verbüßt, verjährt oder erlaſſen iſt.


§. 39.

Die Polizei-Aufſicht hat folgende Wirkungen:


  • 1) dem Verurtheilten kann der Aufenthalt an einzelnen
    beſtimmten Orten von der höheren Landespolizeibehörde
    unterſagt werden;
  • 2) die höhere Landespolizeibehörde iſt befugt, den Auslän-
    der aus dem Bundesgebiete zu verweiſen;
  • 3) Hausſuchungen unterliegen keiner Beſchränkung hinſichtlich
    der Zeit, zu welcher ſie ſtattfinden dürfen.

§. 40.

Gegenſtände, welche durch ein vorſätzliches Verbrechen oder
Vergehen hervorgebracht, oder welche zur Begehung eines vor-
ſätzlichen Verbrechens oder Vergehens gebraucht oder beſtimmt
[12] ſind, können, ſofern ſie dem Thäter oder einem Theilnehmer
gehören, eingezogen werden.


Die Einziehung iſt im Urtheile auszuſprechen.


§. 41.

Wenn der Inhalt einer Schrift, Abbildung oder Dar-
ſtellung ſtrafbar iſt, ſo iſt im Urtheile auszuſprechen, daß alle
Exemplare, ſowie die zu ihrer Herſtellung beſtimmten Platten
und Formen unbrauchbar zu machen ſind.


Dieſe Vorſchrift bezieht ſich jedoch nur auf die im Beſitze
des Verfaſſers, Druckers, Herausgebers, Verlegers oder Buch-
händlers befindlichen und auf die öffentlich ausgelegten oder
öffentlich angebotenen Exemplare.


Iſt nur ein Theil der Schrift, Abbildung oder Darſtellung
ſtrafbar, ſo iſt, inſofern eine Ausſcheidung möglich iſt, aus-
zuſprechen, daß nur die ſtrafbaren Stellen und derjenige Theil
der Platten und Formen, auf welchem ſich dieſe Stellen be-
finden, unbrauchbar zu machen ſind.


§. 42.

Iſt in den Fällen der §§. 40. und 41. die Verfolgung
oder die Verurtheilung einer beſtimmten Perſon nicht ausführ-
bar, ſo können die daſelbſt vorgeſchriebenen Maßnahmen ſelbſt-
ſtändig erkannt werden.


Zweiter Abſchnitt.
Verſuch.


§. 43.

Wer den Entſchluß, ein Verbrechen oder Vergehen zu ver-
üben, durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausfüh-
rung dieſes Verbrechens oder Vergehens enthalten, bethätigt
hat, iſt, wenn das beabſichtigte Verbrechen oder Vergehen
nicht zur Vollendung gekommen iſt, wegen Verſuches zu beſtrafen.


Der Verſuch eines Vergehens wird jedoch nur in den Fällen
beſtraft, in welchen das Geſetz dies ausdrücklich beſtimmt.


§. 44.

Das verſuchte Verbrechen oder Vergehen iſt milder zu
beſtrafen, als das vollendete.


[13]

Iſt das vollendete Verbrechen mit dem Tode oder mit
lebenslänglichem Zuchthaus bedroht, ſo tritt Zuchthausſtrafe
nicht unter drei Jahren ein, neben welcher auf Zuläſſigkeit
von Polizei-Aufſicht erkannt werden kann.


Iſt das vollendete Verbrechen mit lebenslänglicher Feſtungs-
haft bedroht, ſo tritt Feſtungshaft nicht unter drei Jahren ein.


In den übrigen Fällen kann die Strafe bis auf ein Vier-
theil des Mindeſtbetrages der auf das vollendete Verbrechen
oder Vergehen angedrohten Freiheits- und Geldſtrafe ermäßigt
werden. Iſt hiernach Zuchthausſtrafe unter Einem Jahre
verwirkt, ſo iſt dieſelbe nach Maßgabe des §. 21. in Gefäng-
niß zu verwandeln.


§. 45.

Wenn neben der Strafe des vollendeten Verbrechens oder
Vergehens die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zuläſſig
oder geboten iſt, oder auf Zuläſſigkeit von Polizei-Aufſicht
erkannt werden kann, ſo gilt Gleiches bei der Verſuchsſtrafe.


§. 46.

Der Verſuch als ſolcher bleibt ſtraflos, wenn der Thäter


  • 1) die Ausführung der beabſichtigten Handlung aufgegeben
    hat, ohne daß er an dieſer Ausführung durch Um-
    ſtände gehindert worden iſt, welche von ſeinem Willen
    unabhängig waren, oder
  • 2) zu einer Zeit, zu welcher die Handlung noch nicht
    entdeckt war, den Eintritt des zur Vollendung des Ver-
    brechens oder Vergehens gehörigen Erfolges durch eigene
    Thätigkeit abgewendet hat.

Dritter Abſchnitt.
Theilnahme.


§. 47.

Wenn Mehrere eine ſtrafbare Handlung gemeinſchaftlich
ausführen, ſo wird Jeder als Thäter beſtraft.


§. 48.

Als Anſtifter wird beſtraft, wer einen Anderen zu der
[14] von demſelben begangenen ſtrafbaren Handlung durch Geſchenke
oder Verſprechen, durch Drohung, durch Mißbrauch des An-
ſehens oder der Gewalt, durch abſichtliche Herbeiführung oder
Beförderung eines Irrthums oder durch andere Mittel vor-
ſätzlich beſtimmt hat.


Die Strafe des Anſtifters iſt nach demjenigen Geſetze
feſtzuſetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu
welcher er wiſſentlich angeſtiftet hat.


§. 49.

Als Gehülfe wird beſtraft, wer dem Thäter zur Begehung
des Verbrechens oder Vergehens durch Rath oder That
wiſſentlich Hülfe geleiſtet hat.


Die Strafe des Gehülfen iſt nach demjenigen Geſetze
feſtzuſetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu
welcher er wiſſentlich Hülfe geleiſtet hat, jedoch nach den
über die Beſtrafung des Verſuches aufgeſtellten Grundſätzen
zu ermäßigen.


§. 50.

Wenn das Geſetz die Strafbarkeit einer Handlung nach
den perſönlichen Eigenſchaften oder Verhältniſſen desjenigen,
welcher dieſelbe begangen hat, erhöht oder vermindert, ſo ſind
dieſe beſonderen Thatumſtände dem Thäter oder demjenigen
Theilnehmer (Mitthäter, Anſtifter, Gehülfe) zuzurechnen, bei
welchem ſie vorliegen.


Vierter Abſchnitt.
Gründe, welche die Strafe ausſchließen oder mildern.


§. 51.

Eine ſtrafbare Handlung iſt nicht vorhanden, wenn der
Thäter zur Zeit der Begehung der Handlung ſich in einem Zu-
ſtande von Bewußtloſigkeit oder krankhafter Störung der
Geiſtesthätigkeit befand, durch welchen ſeine freie Willens-
beſtimmung ausgeſchloſſen war.


§. 52.

Eine ſtrafbare Handlung iſt nicht vorhanden, wenn der
Thäter durch unwiderſtehliche Gewalt oder durch eine Drohung,
[15] welche mit einer gegenwärtigen, auf andere Weiſe nicht ab-
wendbaren Gefahr für Leib oder Leben ſeiner ſelbſt oder eines
Angehörigen verbunden war, zu der Handlung genöthigt
worden iſt.


Als Angehörige im Sinne dieſes Strafgeſetzes ſind anzu-
ſehen Verwandte und Verſchwägerte auf- und abſteigender
Linie, Adoptiv- und Pflege-Eltern und -Kinder, Ehegatten,
Geſchwiſter und deren Ehegatten, und Verlobte.


§. 53.

Eine ſtrafbare Handlung iſt nicht vorhanden, wenn die
Handlung durch Nothwehr geboten war.


Nothwehr iſt diejenige Vertheidigung, welche erforderlich
iſt, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von ſich
oder einem Anderen abzuwenden.


Die Ueberſchreitung der Nothwehr iſt nicht ſtrafbar, wenn
der Thäter in Beſtürzung, Furcht oder Schrecken über die
Grenzen der Vertheidigung hinausgegangen iſt.


§. 54.

Eine ſtrafbare Handlung iſt nicht vorhanden, wenn die
Handlung außer dem Falle der Nothwehr in einem unver-
ſchuldeten, auf andere Weiſe nicht zu beſeitigenden Nothſtande
zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder
Leben des Thäters oder eines Angehörigen begangen worden iſt.


§. 55.

Wer bei Begehung einer Handlung das zwölfte Lebensjahr
nicht vollendet hat, kann wegen derſelben nicht ſtrafrechtlich
verfolgt werden.


§. 56.

Ein Angeſchuldigter, welcher zu einer Zeit, als er das
zwölfte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte,
eine ſtrafbare Handlung begangen hat, iſt freizuſprechen, wenn
er bei Begehung derſelben die zur Erkenntniß ihrer Straf-
barkeit erforderliche Einſicht nicht beſaß.


In dem Urtheile iſt zu beſtimmen, ob der Angeſchuldigte
ſeiner Familie überwieſen oder in eine Erziehungs- oder Beſſe-
rungsanſtalt gebracht werden ſoll. In der Anſtalt iſt er ſo
lange zu behalten, als die der Anſtalt vorgeſetzte Verwal-
[16] tungsbehörde ſolches für erforderlich erachtet, jedoch nicht
über das vollendete zwanzigſte Lebensjahr.


§. 57.

Wenn ein Angeſchuldigter, welcher zu einer Zeit, als er
das zwölfte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet
hatte, eine ſtrafbare Handlung begangen hat, bei Begehung
derſelben die zur Erkenntniß ihrer Strafbarkeit erforderliche
Einſicht beſaß, ſo kommen gegen ihn folgende Beſtimmungen
zur Anwendung:


  • 1) iſt die Handlung mit dem Tode oder mit lebensläng-
    lichem Zuchthaus bedroht, ſo iſt auf Gefängniß von
    drei bis zu funfzehn Jahren zu erkennen;
  • 2) iſt die Handlung mit lebenslänglicher Feſtungshaft be-
    droht, ſo iſt auf Feſtungshaft von drei bis zu funfzehn
    Jahren zu erkennen;
  • 3) iſt die Handlung mit Zuchthaus oder mit einer anderen
    Strafart bedroht, ſo iſt die Strafe zwiſchen dem geſetz-
    lichen Mindeſtbetrage der angedrohten Strafart und
    der Hälfte des Höchſtbetrages der angedrohten Strafe
    zu beſtimmen.
    Iſt die ſo beſtimmte Strafe Zuchthaus, ſo tritt
    Gefängnißſtrafe von gleicher Dauer an ihre Stelle;
  • 4) iſt die Handlung ein Vergehen oder eine Uebertretung,
    ſo kann in beſonders leichten Fällen auf Verweis er-
    kannt werden;
  • 5) auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt oder
    einzelner bürgerlichen Ehrenrechte, ſowie auf Zuläſſig-
    keit von Polizei-Aufſicht iſt nicht zu erkennen.

Die Freiheitsſtrafe iſt in beſonderen, zur Verbüßung von
Strafen jugendlicher Perſonen beſtimmten Anſtalten oder
Räumen zu vollziehen.


§. 58.

Ein Taubſtummer, welcher die zur Erkenntniß der Straf-
barkeit einer von ihm begangenen Handlung erforderliche Ein-
ſicht nicht beſaß, iſt freizuſprechen.


§. 59.

Wenn Jemand bei Begehung einer ſtrafbaren Handlung
das Vorhandenſein von Thatumſtänden nicht kannte, welche zum
[17] geſetzlichen Thatbeſtande gehören oder die Strafbarkeit erhöhen,
ſo ſind ihm dieſe Umſtände nicht zuzurechnen.


Bei der Beſtrafung fahrläſſig begangener Handlungen gilt
dieſe Beſtimmung nur inſoweit, als die Unkenntniß ſelbſt
nicht durch Fahrläſſigkeit verſchuldet iſt.


§. 60.

Eine erlittene Unterſuchungshaft kann bei Fällung des
Urtheils auf die erkannte Strafe ganz oder theilweiſe ange-
rechnet werden.


§. 61.

Eine Handlung, deren Verfolgung nur auf Antrag ein-
tritt, iſt nicht zu verfolgen, wenn der zum Antrage Berech-
tigte es unterläßt, den Antrag binnen drei Monaten zu ſtellen.
Dieſe Friſt beginnt mit dem Tage, ſeit welchem der zum
Antrage Berechtigte von der Handlung und von der Perſon
des Thäters Kenntniß gehabt hat.


§. 62.

Wenn von mehreren zum Antrage Berechtigten einer die
dreimonatliche Friſt verſäumt, ſo wird hierdurch das Recht der
übrigen nicht ausgeſchloſſen.


§. 63.

Der Antrag kann nicht getheilt werden. Das gerichtliche
Verfahren findet gegen ſämmtliche an der Handlung Betheiligte
(Thäter und Theilnehmer), ſowie gegen den Begünſtiger ſtatt,
auch wenn nur gegen eine dieſer Perſonen auf Beſtrafung an-
getragen worden iſt.


§. 64.

Nach Verkündung eines auf Strafe lautenden Erkenntniſſes
kann der Antrag nicht zurückgenommen werden.


Die rechtzeitige Zurücknahme des Antrages gegen eine
der vorbezeichneten Perſonen hat die Einſtellung des Verfahrens
auch gegen die anderen zur Folge.


§. 65.

Der Verletzte, welcher das achtzehnte Lebensjahr voll-
endet hat, iſt ſelbſtſtändig zu dem Antrage auf Beſtrafung
berechtigt.


So lange der Verletzte minderjährig iſt, hat der geſetz-
Strafgeſetzbuch. 2
[18] liche Vertreter deſſelben, unabhängig von der eigenen Befugniß
des Verletzten, das Recht, den Antrag zu ſtellen.


Bei bevormundeten Geiſteskranken und Taubſtummen iſt
der Vormund der zur Stellung des Antrages Berechtigte.


§. 66.

Durch Verjährung wird die Strafverfolgung und die
Strafvollſtreckung ausgeſchloſſen.


§. 67.

Die Strafverfolgung von Verbrechen verjährt,


  • wenn ſie mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zucht-
    haus bedroht ſind, in zwanzig Jahren;
  • wenn ſie im Höchſtbetrage mit einer Freiheitsſtrafe
    von einer längeren als zehnjährigen Dauer bedroht
    ſind, in funfzehn Jahren;
  • wenn ſie mit einer geringeren Freiheitsſtrafe bedroht
    ſind, in zehn Jahren.

Die Strafverfolgung von Vergehen, die im Höchſtbetrage mit
einer längeren als dreimonatlichen Gefängnißſtrafe bedroht ſind,
verjährt in fünf Jahren, von anderen Vergehen in drei Jahren.


Die Strafverfolgung von Uebertretungen verjährt in drei
Monaten.


Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die
Handlung begangen iſt, ohne Rückſicht auf den Zeitpunkt des
eingetretenen Erfolges.


§. 68.

Jede Handlung des Richters, welche wegen der begangenen
That gegen den Thäter gerichtet iſt, unterbricht die Verjährung.


Die Unterbrechung findet nur rückſichtlich desjenigen ſtatt,
auf welchen die Handlung ſich bezieht.


Nach der Unterbrechung beginnt eine neue Verjährung.


§. 69.

Iſt der Beginn oder die Fortſetzung eines Strafverfahrens
von einer Vorfrage abhängig, deren Entſcheidung in einem
anderen Verfahren erfolgen muß, ſo ruht die Verjährung bis
zu deſſen Beendigung.


§. 70.

Die Vollſtreckung rechtskräftig erkannter Strafen verjährt,
wenn


[19]
  • 1) auf Tod oder lebenslängliches Zuchthaus oder auf lebens-
    längliche Feſtungshaft erkannt iſt, in dreißig Jahren;
  • 2) auf Zuchthaus von mehr als zehn Jahren erkannt iſt,
    in zwanzig Jahren;
  • 3) auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder auf Feſtungs-
    haft oder Gefängniß von mehr als fünf Jahren erkannt
    iſt, in funfzehn Jahren;
  • 4) auf Feſtungshaft oder Gefängniß von zwei bis zu fünf
    Jahren oder auf Geldſtrafe von mehr als zweitauſend
    Thalern erkannt iſt, in zehn Jahren;
  • 5) auf Feſtungshaft oder Gefängniß bis zu zwei Jahren
    oder auf Geldſtrafe von mehr als funfzig bis zu zwei-
    tauſend Thalern erkannt iſt, in fünf Jahren;
  • 6) auf Haft oder auf Geldſtrafe bis zu funfzig Thalern
    erkannt iſt, in zwei Jahren.

Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem das
Urtheil rechtskräftig geworden iſt.


§. 71.

Die Vollſtreckung einer wegen derſelben Handlung neben
einer Freiheitsſtrafe erkannten Geldſtrafe verjährt nicht früher,
als die Vollſtreckung der Freiheitsſtrafe.


§. 72.

Jede auf Vollſtreckung der Strafe gerichtete Handlung der-
jenigen Behörde, welcher die Vollſtreckung obliegt, ſowie die zum
Zwecke der Vollſtreckung erfolgende Feſtnahme des Verurtheilten
unterbricht die Verjährung.


Nach der Unterbrechung der Vollſtreckung der Strafe beginnt
eine neue Verjährung.


Fünfter Abſchnitt.
Zuſammentreffen mehrerer ſtrafbarer Handlungen.


§. 73.

Wenn eine und dieſelbe Handlung mehrere Strafgeſetze
verletzt, ſo kommt nur dasjenige Geſetz, welches die ſchwerſte
Strafe, und bei ungleichen Strafarten dasjenige Geſetz, welches
die ſchwerſte Strafart androht, zur Anwendung.


2*
[20]
§. 74.

Gegen denjenigen, welcher durch mehrere ſelbſtſtändige Hand-
lungen mehrere Verbrechen oder Vergehen, oder daſſelbe Ver-
brechen oder Vergehen mehrmals begangen und dadurch mehrere
zeitige Freiheitsſtrafen verwirkt hat, iſt auf eine Geſammtſtrafe
zu erkennen, welche in einer Erhöhung der verwirkten ſchwerſten
Strafe beſteht.


Bei dem Zuſammentreffen ungleichartiger Freiheitsſtrafen
tritt dieſe Erhöhung bei der ihrer Art nach ſchwerſten Strafe ein.


Das Maß der Geſammtſtrafe darf den Betrag der verwirkten
Einzelſtrafen nicht erreichen und funfzehnjähriges Zuchthaus,
zehnjähriges Gefängniß oder funfzehnjährige Feſtungshaft nicht
überſteigen.


§. 75.

Trifft Feſtungshaft nur mit Gefängniß zuſammen, ſo iſt auf
jede dieſer Strafarten geſondert zu erkennen.


Iſt Feſtungshaft oder Gefängniß mehrfach verwirkt, ſo iſt
hinſichtlich der mehreren Strafen gleicher Art ſo zu verfahren,
als wenn dieſelben allein verwirkt wären.


Die Geſammtdauer der Strafen darf in dieſen Fällen funf-
zehn Jahre nicht überſteigen.


§. 76.

Die Verurtheilung zu einer Geſammtſtrafe ſchließt die Ab-
erkennung der bürgerlichen Ehrenrechte nicht aus, wenn dieſe
auch nur neben einer der verwirkten Einzelſtrafen zuläſſig oder
geboten iſt.


Ingleichen kann neben der Geſammtſtrafe auf Zuläſſigkeit
von Polizei-Aufſicht erkannt werden, wenn dieſes auch nur wegen
einer der mehreren ſtrafbaren Handlungen ſtatthaft iſt.


§. 77.

Trifft Haft mit einer anderen Freiheitsſtrafe zuſammen,
ſo iſt auf die erſtere geſondert zu erkennen.


Auf eine mehrfach verwirkte Haft iſt ihrem Geſammtbetrage
nach, jedoch nicht über die Dauer von drei Monaten zu erkennen.


§. 78.

Auf Geldſtrafen, welche wegen mehrerer ſtrafbarer Hand-
lungen allein oder neben einer Freiheitsſtrafe verwirkt ſind,
iſt ihrem vollen Betrage nach zu erkennen.


[21]

Bei Umwandlung mehrerer Geldſtrafen iſt der Höchſtbetrag
der an die Stelle derſelben tretenden Freiheitsſtrafe zwei Jahre
Gefängniß und, wenn die mehreren Geldſtrafen nur wegen
Uebertretungen erkannt worden ſind, drei Monate Haft.


§. 79.

Die Vorſchriften der §§. 74. bis 78. finden auch Anwendung,
wenn, bevor eine erkannte Strafe verbüßt, verjährt oder erlaſſen
iſt, die Verurtheilung wegen einer ſtrafbaren Handlung erfolgt,
welche vor der früheren Verurtheilung begangen war.


Zweiter Theil.
Von den einzelnen Verbrechen, Vergehen und
Uebertretungen und deren Beſtrafung.


Erſter Abſchnitt.
Hochverrath und Landesverrath.


§. 80.

Der Mord und der Verſuch des Mordes, welche an dem
Bundesoberhaupt, an dem eigenen Landesherrn, oder während
des Aufenthalts in einem Bundesſtaate an dem Landesherrn
dieſes Staats verübt worden ſind, werden als Hochverrath mit
dem Tode beſtraft.


§. 81.

Wer außer den Fällen des §. 80. es unternimmt,


  • 1) einen Bundesfürſten zu tödten, gefangen zu nehmen, in
    Feindes Gewalt zu liefern oder zur Regierung unfähig
    zu machen,
  • 2) die Verfaſſung des Norddeutſchen Bundes oder eines
    Bundesſtaats oder die in demſelben beſtehende Thron-
    folge gewaltſam zu ändern,
  • 3) das Gebiet des Norddeutſchen Bundes ganz oder theil-
    weiſe einem fremden Staate gewaltſam einzuverleiben
    oder einen Theil deſſelben vom Ganzen loszureißen, oder

[22]
  • 4) das Gebiet eines Bundesſtaats ganz oder theilweiſe einem
    anderen Bundesſtaate gewaltſam einzuverleiben oder einen
    Theil deſſelben vom Ganzen loszureißen,

wird wegen Hochverraths mit lebenslänglichem Zuchthaus oder
lebenslänglicher Feſtungshaft beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Feſtungs-
haft nicht unter fünf Jahren ein.


Neben der Feſtungshaft kann auf Verluſt der bekleideten
öffentlichen Aemter, ſowie der aus öffentlichen Wahlen hervor-
gegangenen Rechte erkannt werden.


§. 82.

Als ein Unternehmen, durch welches das Verbrechen des
Hochverraths vollendet wird, iſt jede Handlung anzuſehen, durch
welche das Vorhaben unmittelbar zur Ausführung gebracht
werden ſoll.


§. 83.

Haben Mehrere die Ausführung eines hochverrätheriſchen
Unternehmens verabredet, ohne daß es zum Beginn einer nach
§. 82. ſtrafbaren Handlung gekommen iſt, ſo werden dieſelben
mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit Feſtungshaft
von gleicher Dauer beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Feſtungshaft
nicht unter zwei Jahren ein.


Neben der Feſtungshaft kann auf Verluſt der bekleideten
öffentlichen Aemter, ſowie der aus öffentlichen Wahlen hervor-
gegangenen Rechte erkannt werden.


§. 84.

Die Strafvorſchriften des §. 83. finden auch gegen den-
jenigen Anwendung, welcher zur Vorbereitung eines Hochver-
raths entweder ſich mit einer auswärtigen Regierung einläßt
oder die ihm von dem Norddeutſchen Bunde oder einem Bundes-
ſtaate anvertraute Macht mißbraucht oder Mannſchaften an-
wirbt oder in den Waffen einübt.


§. 85.

Wer öffentlich vor einer Menſchenmenge, oder wer durch
Verbreitung oder öffentlichen Anſchlag oder öffentliche Ausſtellung
von Schriften oder anderen Darſtellungen zur Ausführung einer
nach §. 82. ſtrafbaren Handlung auffordert, wird mit Zucht-
[23] haus bis zu zehn Jahren oder Feſtungshaft von gleicher Dauer
beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Feſtungshaft
von Einem bis zu fünf Jahren ein.


§. 86.

Jede andere, ein hochverrätheriſches Unternehmen vorberei-
tende Handlung wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder
Feſtungshaft von gleicher Dauer beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Feſtungshaft
von ſechs Monaten bis zu drei Jahren ein.


§. 87.

Ein Norddeutſcher, welcher ſich mit einer ausländiſchen
Regierung einläßt, um dieſelbe zu einem Kriege gegen den
Norddeutſchen Bund zu veranlaſſen, wird wegen Landesverraths
mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn der Krieg
ausgebrochen iſt, mit lebenslänglichem Zuchthaus beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Feſtungs-
haft von ſechs Monaten bis zu fünf Jahren und, wenn der
Krieg ausgebrochen iſt, Feſtungshaft nicht unter fünf Jahren ein.


Neben der Feſtungshaft kann auf Verluſt der bekleideten
öffentlichen Aemter, ſowie der aus öffentlichen Wahlen hervor-
gegangenen Rechte erkannt werden.


§. 88.

Ein Norddeutſcher, welcher während eines gegen den Nord-
deutſchen Bund ausgebrochenen Krieges im feindlichen Heere
Dienſte nimmt und die Waffen gegen den Norddeutſchen Bund
oder deſſen Bundesgenoſſen trägt, wird wegen Landesverraths
mit lebenslänglichem Zuchthaus oder lebenslänglicher Feſtungs-
haft beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Feſtungshaft
nicht unter fünf Jahren ein.


Ein Norddeutſcher, welcher ſchon früher in fremden Kriegs-
dienſten ſtand, wird, wenn er nach Ausbruch des Krieges in
denſelben verbleibt und die Waffen gegen den Norddeutſchen
Bund oder deſſen Bundesgenoſſen trägt, wegen Landesverraths
mit Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren oder mit Feſtungs-
haft von gleicher Dauer beſtraft. Sind mildernde Umſtände
vorhanden, ſo tritt Feſtungshaft ein.


[24]

Neben der Feſtungshaft kann auf Verluſt der bekleideten
öffentlichen Aemter, ſowie der aus öffentlichen Wahlen hervor-
gegangenen Rechte erkannt werden.


§. 89.

Ein Norddeutſcher, welcher vorſätzlich während eines gegen
den Norddeutſchen Bund ausgebrochenen Krieges einer feind-
lichen Macht Vorſchub leiſtet oder den Truppen des Nord-
deutſchen Bundes oder der Bundesgenoſſen deſſelben Nachtheil
zufügt, wird wegen Landesverraths mit Zuchthaus bis zu zehn
Jahren oder mit Feſtungshaft von gleicher Dauer beſtraft.
Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Feſtungshaft
bis zu zehn Jahren ein.


Neben der Feſtungshaft kann auf Verluſt der bekleideten
öffentlichen Aemter, ſowie der aus öffentlichen Wahlen hervor-
gegangenen Rechte erkannt werden.


§. 90.

Lebenslängliche Zuchthausſtrafe trifft einen Norddeutſchen,
welcher vorſätzlich während eines gegen den Norddeutſchen
Bund ausgebrochenen Krieges


  • 1) Feſtungen, Päſſe, beſetzte Plätze oder andere Verthei-
    digungspoſten, ingleichen Norddeutſche oder verbündete
    Truppen oder einzelne Offiziere oder Soldaten in feind-
    liche Gewalt bringt;
  • 2) Feſtungswerke, Schiffe, oder andere Fahrzeuge der Kriegs-
    marine, Kaſſen, Zeughäuſer, Magazine oder andere Vor-
    räthe von Waffen, Schießbedarf oder andere Kriegs-
    bedürfniſſe in feindliche Gewalt bringt oder dieſelben,
    ſowie Brücken und Eiſenbahnen zum Vortheile des
    Feindes zerſtört oder unbrauchbar macht;
  • 3) dem Feinde Mannſchaften zuführt oder Soldaten des
    Norddeutſchen oder verbündeten Heeres verleitet, zum
    Feinde überzugehen;
  • 4) Operationspläne oder Pläne von Feſtungen oder feſten
    Stellungen dem Feinde mittheilt;
  • 5) dem Feinde als Spion dient oder feindliche Spione auf-
    nimmt, verbirgt oder ihnen Beiſtand leiſtet, oder
  • 6) einen Aufſtand unter den Norddeutſchen oder verbünde-
    ten Truppen erregt.

[25]

Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Feſtungs-
haft nicht unter fünf Jahren ein.


Neben der Feſtungshaft kann auf Verluſt der bekleideten
öffentlichen Aemter, ſowie der aus öffentlichen Wahlen hervor-
gegangenen Rechte erkannt werden.


§. 91.

Gegen Ausländer iſt wegen der in den §§. 87. 89. und 90.
bezeichneten Handlungen nach dem Kriegsgebrauche zu verfahren.


Begehen ſie aber ſolche Handlungen, während ſie unter
dem Schutze des Norddeutſchen Bundes oder eines Bundesſtaats
ſich innerhalb des Bundesgebietes aufhalten, ſo kommen die in
den §§. 87. 89. und 90. beſtimmten Strafen zur Anwendung.


§. 92.

Wer vorſätzlich


  • 1) Staatsgeheimniſſe oder Feſtungspläne, oder ſolche Urkun-
    den, Aktenſtücke oder Nachrichten, von denen er weiß,
    daß ihre Geheimhaltung einer anderen Regierung gegen-
    über für das Wohl des Norddeutſchen Bundes oder
    eines Bundesſtaats erforderlich iſt, dieſer Regierung
    mittheilt oder öffentlich bekannt macht,
  • 2) zur Gefährdung der Rechte des Norddeutſchen Bundes
    oder eines Bundesſtaats im Verhältniß zu einer anderen
    Regierung die über ſolche Rechte ſprechenden Urkunden
    oder Beweismittel vernichtet, verfälſcht oder unterdrückt,
    oder
  • 3) ein ihm von Seiten des Norddeutſchen Bundes oder
    von einem Bundesſtaate aufgetragenes Staatsgeſchäft mit
    einer anderen Regierung zum Nachtheile deſſen führt,
    der ihm den Auftrag ertheilt hat,

wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Feſtungshaft
nicht unter ſechs Monaten ein.


§. 93.

Wenn in den Fällen der §§. 80. 81. 83. 84. 87. bis 92.
die Unterſuchung eröffnet wird, ſo kann bis zu deren rechtskräftigen
Beendigung das Vermögen, welches der Angeſchuldigte beſitzt,
oder welches ihm ſpäter anfällt, mit Beſchlag belegt werden.


[26]

Zweiter Abſchnitt.
Beleidigung des Landesherrn.


§. 94.

Wer einer Thätlichkeit gegen das Bundesoberhaupt, gegen
ſeinen Landesherrn oder während ſeines Aufenthalts in einem
Bundesſtaate einer Thätlichkeit gegen den Landesherrn dieſes
Staats ſich ſchuldig macht, wird mit lebenslänglichem Zucht-
haus oder lebenslänglicher Feſtungshaft, in minder ſchweren
Fällen mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit Feſtungs-
haft von gleicher Dauer beſtraft. Neben der Feſtungshaft kann
auf Verluſt der bekleideten öffentlichen Aemter, ſowie der aus
öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Feſtungshaft
nicht unter fünf Jahren ein.


§. 95.

Wer das Bundesoberhaupt, ſeinen Landesherrn oder wäh-
rend ſeines Aufenthalts in einem Bundesſtaate deſſen Landes-
herrn beleidigt, wird mit Gefängniß nicht unter zwei Monaten
oder mit Feſtungshaft bis zu fünf Jahren beſtraft.


Neben der Gefängnißſtrafe kann auf Verluſt der bekleideten
öffentlichen Aemter, ſowie der aus öffentlichen Wahlen hervor-
gegangenen Rechte erkannt werden.


§. 96.

Wer einer Thätlichkeit gegen ein Mitglied des landesherr-
lichen Hauſes ſeines Staats oder gegen den Regenten ſeines
Staats oder während ſeines Aufenthalts in einem Bundesſtaate
einer Thätlichkeit gegen ein Mitglied des landesherrlichen Hauſes
dieſes Staats oder gegen den Regenten dieſes Staats ſich ſchuldig
macht, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit
Feſtungshaft von gleicher Dauer, in minder ſchweren Fällen
mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Feſtungshaft von
gleicher Dauer beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Feſtungshaft
von Einem bis zu fünf Jahren ein.


§. 97.

Wer ein Mitglied des landesherrlichen Hauſes ſeines Staats
oder den Regenten ſeines Staats oder während ſeines Aufent-
[27] halts in einem Bundesſtaate ein Mitglied des landesherrlichen
Hauſes dieſes Staats oder den Regenten dieſes Staats belei-
digt, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren
oder mit Feſtungshaft von gleicher Dauer beſtraft.


Dritter Abſchnitt.
Beleidigung von Bundesfürſten.


§. 98.

Wer außer dem Falle des §. 94. ſich einer Thätlichkeit
gegen einen Bundesfürſten ſchuldig macht, wird mit Zuchthaus
von zwei bis zu zehn Jahren oder mit Feſtungshaft von gleicher
Dauer beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Feſtungshaft
von ſechs Monaten bis zu zehn Jahren ein.


§. 99.

Wer außer dem Falle des §. 95. einen Bundesfürſten belei-
digt, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren
oder mit Feſtungshaft von gleicher Dauer beſtraft.


Die Verfolgung tritt nur mit Ermächtigung des Beleidigten ein.


§. 100.

Wer außer dem Falle des §. 96. ſich einer Thätlichkeit gegen
ein Mitglied eines bundesfürſtlichen Hauſes oder den Regenten
eines Bundesſtaats ſchuldig macht, wird mit Zuchthaus bis zu
fünf Jahren, oder mit Feſtungshaft von gleicher Dauer beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Feſtungshaft
von Einem Monat bis zu drei Jahren ein.


§. 101.

Wer außer dem Falle des §. 97. den Regenten eines Bundes-
ſtaats beleidigt, wird mit Gefängniß von Einer Woche bis zu
zwei Jahren oder mit Feſtungshaft von gleicher Dauer beſtraft.


Die Verfolgung tritt nur mit Ermächtigung des Beleidigten ein.


Vierter Abſchnitt.
Feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten.


§. 102.

Ein Norddeutſcher, welcher im Inlande oder Auslande,
[28] oder ein Ausländer, welcher während ſeines Aufenthalts im
Inlande gegen einen nicht zum Norddeutſchen Bunde gehörenden
Deutſchen Staat oder deſſen Landesherrn eine Handlung vor-
nimmt, die, wenn er ſie gegen einen Bundesſtaat oder einen
Bundesfürſten begangen hätte, nach Vorſchrift der §§. 80.
bis 86. zu beſtrafen ſein würde, wird in den Fällen der §§. 80.
bis 84. mit Feſtungshaft von Einem bis zu zehn Jahren oder,
wenn mildernde Umſtände vorhanden ſind, mit Feſtungshaft
nicht unter ſechs Monaten, in den Fällen der §§. 85. und 86.
mit Feſtungshaft von Einem Monat bis zu drei Jahren beſtraft.


Dieſelbe Strafe tritt ein, wenn die Handlung gegen einen
anderen Staat oder deſſen Landesherrn begangen wurde, ſo-
fern in dieſem Staate nach veröffentlichten Staatsverträgen oder
nach Geſetzen dem Norddeutſchen Bunde die Gegenſeitigkeit ver-
bürgt iſt.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der auswärtigen
Regierung ein.


§. 103.

Wer ſich gegen den Landesherrn oder den Regenten eines
nicht zum Norddeutſchen Bunde gehörenden Deutſchen Staats
einer Beleidigung ſchuldig macht, wird mit Gefängniß von
Einem Monat bis zu zwei Jahren oder mit Feſtungshaft
von gleicher Dauer beſtraft.


Dieſelbe Strafe tritt ein, wenn die Beleidigung gegen den
Landesherrn oder den Regenten eines anderen Staats begangen
wurde, ſofern in dieſem Staate nach veröffentlichten Staats-
verträgen oder nach Geſetzen dem Norddeutſchen Bunde die
Gegenſeitigkeit verbürgt iſt.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der auswärtigen
Regierung ein.


§. 104.

Wer ſich gegen einen bei dem Bunde, einem bundesfürſt-
lichen Hofe oder bei dem Senate einer der freien Hanſeſtädte
beglaubigten Geſandten oder Geſchäftsträger einer Beleidigung
ſchuldig macht, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder
mit Feſtungshaft von gleicher Dauer beſtraft.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Beleidigten ein.


[29]

Fünfter Abſchnitt.
Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf die Ausübung
ſtaatsbürgerlicher Rechte.


§. 105.

Wer es unternimmt, den Senat oder die Bürgerſchaft einer
der freien Hanſeſtädte, eine geſetzgebende Verſammlung des
Bundes, des Zollvereins oder eines Bundesſtaats auseinander
zu ſprengen, zur Faſſung oder Unterlaſſung von Beſchlüſſen
zu nöthigen oder Mitglieder aus ihnen gewaltſam zu entfernen,
wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit Feſtungs-
haft von gleicher Dauer beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Feſtungshaft
nicht unter Einem Jahre ein.


§. 106.

Wer ein Mitglied einer der vorbezeichneten Verſammlungen
durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer ſtrafbaren
Handlung verhindert, ſich an den Ort der Verſammlung zu
begeben oder zu ſtimmen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf
Jahren oder mit Feſtungshaft von gleicher Dauer beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Feſtungshaft
bis zu zwei Jahren ein.


§. 107.

Wer einen Norddeutſchen durch Gewalt oder durch Bedro-
hung mit einer ſtrafbaren Handlung verhindert, in Ausübung
ſeiner ſtaatsbürgerlichen Rechte zu wählen oder zu ſtimmen,
wird mit Gefängniß nicht unter ſechs Monaten oder mit
Feſtungshaft bis zu fünf Jahren beſtraft.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


§. 108.

Wer in einer öffentlichen Angelegenheit mit der Sammlung
von Wahl- oder Stimm-Zetteln oder -Zeichen oder mit der
Führung der Beurkundungsverhandlung beauftragt, ein unrich-
tiges Ergebniß der Wahlhandlung vorſätzlich herbeiführt oder
das Ergebniß verfälſcht, wird mit Gefängniß von Einer Woche
bis zu drei Jahren beſtraft.


Wird die Handlung von Jemand begangen, welcher nicht
[30] mit der Sammlung der Zettel oder Zeichen oder einer anderen
Verrichtung bei dem Wahlgeſchäfte beauftragt iſt, ſo tritt Ge-
fängnißſtrafe bis zu zwei Jahren ein.


Auch kann auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt
werden.


§. 109.

Wer in einer öffentlichen Angelegenheit eine Wahlſtimme
kauft oder verkauft, wird mit Gefängniß von Einem Monat
bis zu zwei Jahren beſtraft; auch kann auf Verluſt der bürger-
lichen Ehrenrechte erkannt werden.


Sechster Abſchnitt.
Widerſtand gegen die Staatsgewalt.


§. 110.

Wer öffentlich vor einer Menſchenmenge, oder wer durch
Verbreitung oder öffentlichen Anſchlag oder öffentliche Aus-
ſtellung von Schriften oder anderen Darſtellungen zum Unge-
horſam gegen Geſetze oder rechtsgültige Verordnungen oder gegen
die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuſtändigkeit getroffenen
Anordnungen auffordert, wird mit Geldſtrafe bis zu zweihun-
dert Thalern oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren beſtraft.


§. 111.

Wer auf die vorbezeichnete Weiſe zur Begehung einer ſtraf-
baren Handlung auffordert, iſt gleich dem Anſtifter zu beſtrafen,
wenn die Aufforderung die ſtrafbare Handlung oder einen
ſtrafbaren Verſuch derſelben zur Folge gehabt hat.


Iſt die Aufforderung ohne Erfolg geblieben, ſo tritt Geld-
ſtrafe bis zu zweihundert Thalern oder Gefängnißſtrafe bis zu
Einem Jahre ein. Die Strafe darf jedoch, der Art oder
dem Maße nach, keine ſchwerere ſein, als die auf die Hand-
lung ſelbſt angedrohte.


§. 112.

Wer eine Perſon des Soldatenſtandes, es ſei des Bundes-
heeres oder der Bundesmarine, auffordert oder anreizt, dem
Befehle des Oberen nicht Gehorſam zu leiſten, wer insbeſon-
dere eine Perſon, welche zum Beurlaubtenſtande gehört, auf-
[31] fordert oder anreizt, der Einberufung zum Dienſte nicht zu
folgen, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren beſtraft.


§. 113.

Wer einem Beamten, welcher zur Vollſtreckung von Geſetzen,
von Befehlen und Anordnungen der Verwaltungsbehörden oder
von Urtheilen und Verfügungen der Gerichte berufen iſt, in
der rechtmäßigen Ausübung ſeines Amtes durch Gewalt oder
durch Bedrohung mit Gewalt Widerſtand leiſtet, oder wer einen
ſolchen Beamten während der rechtmäßigen Ausübung ſeines
Amtes thätlich angreift, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren
oder mit Geldſtrafe bis zu fünfhundert Thalern beſtraft.


Dieſelbe Strafe tritt ein, wenn die Handlung gegen Per-
ſonen, welche zur Unterſtützung des Beamten zugezogen waren,
oder gegen Mannſchaften der bewaffneten Macht oder gegen
Mannſchaften einer Gemeinde-, Schutz- oder Bürgerwehr in
Ausübung des Dienſtes begangen wird.


§. 114.

Wer es unternimmt, durch Gewalt oder Drohung eine
Behörde oder einen Beamten zur Vornahme oder Unterlaſſung
einer Amtshandlung zu nöthigen, wird mit Gefängniß beſtraft.


§. 115.

Wer an einer öffentlichen Zuſammenrottung, bei welcher
eine der in den §§. 113. und 114. bezeichneten Handlungen
mit vereinten Kräften begangen wird, Theil nimmt, wird
wegen Aufruhrs mit Gefängniß nicht unter ſechs Monaten
beſtraft.


Die Rädelsführer, ſowie diejenigen Aufrührer, welche eine
der in den §§. 113. und 114. bezeichneten Handlungen begehen,
werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren beſtraft; auch kann
auf Zuläſſigkeit von Polizei-Aufſicht erkannt werden. Sind
mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängnißſtrafe nicht
unter ſechs Monaten ein.


§. 116.

Wird eine auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen
verſammelte Menſchenmenge von dem zuſtändigen Beamten oder
Befehlshaber der bewaffneten Macht aufgefordert, ſich zu ent-
fernen, ſo wird jeder der Verſammelten, welcher nach der
dritten Aufforderung ſich nicht entfernt, wegen Auflaufs mit
[32] Gefängniß bis zu drei Monaten oder mit Geldſtrafe bis zu
fünfhundert Thalern beſtraft.


Iſt bei einem Auflaufe gegen die Beamten oder die
bewaffnete Macht mit vereinten Kräften thätlicher Widerſtand
geleiſtet oder Gewalt verübt worden, ſo treten gegen diejenigen,
welche an dieſen Handlungen Theil genommen haben, die
Strafen des Aufruhrs ein.


§. 117.

Wer einem Forſt- oder Jagdbeamten, einem Waldeigen-
thümer, Forſt- oder Jagdberechtigten, oder einem von dieſen
beſtellten Aufſeher, in der rechtmäßigen Ausübung ſeines Amtes
oder Rechtes durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt
Widerſtand leiſtet, oder wer eine dieſer Perſonen während der
Ausübung ihres Amtes oder Rechtes thätlich angreift, wird
mit Gefängniß bis zu drei Jahren beſtraft.


Iſt der Widerſtand oder der Angriff unter Drohung mit
Schießgewehr, Aexten oder anderen gefährlichen Werkzeugen
erfolgt, oder mit Gewalt an der Perſon begangen worden, ſo
tritt Gefängnißſtrafe nicht unter Einem Monat ein.


§. 118.

Iſt durch den Widerſtand oder den Angriff eine Körper-
verletzung deſſen, gegen welchen die Handlung begangen iſt,
verurſacht worden, ſo iſt auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren
zu erkennen.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß
ſtrafe nicht unter drei Monaten ein.


§. 119.

Wenn eine der in den §§. 117. und 118. bezeichneten
Handlungen von Mehreren gemeinſchaftlich begangen worden
iſt, ſo kann die Strafe bis um die Hälfte des angedrohten
Höchſtbetrages, die Gefängnißſtrafe jedoch nicht über fünf Jahre
erhöht werden.


§. 120.

Wer einen Gefangenen aus der Gefangenanſtalt oder aus
der Gewalt der bewaffneten Macht, des Beamten oder des-
jenigen, unter deſſen Beaufſichtigung, Begleitung oder Bewachung
er ſich befindet, vorſätzlich befreit oder ihm zur Selbſtbefreiung
[33] vorſätzlich behülflich iſt, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren
beſtraft.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


§. 121.

Wer vorſätzlich einen Gefangenen, mit deſſen Beaufſich-
tigung oder Begleitung er beauftragt iſt, entweichen läßt oder
deſſen Befreiung befördert, wird mit Gefängniß bis zu drei
Jahren beſtraft.


Iſt die Entweichung durch Fahrläſſigkeit befördert worden,
ſo tritt Gefängnißſtrafe bis zu drei Monaten oder Geldſtrafe
bis zu Einhundert Thalern ein.


§. 122.

Gefangene, welche ſich zuſammenrotten und mit vereinten
Kräften die Anſtaltsbeamten oder die mit der Beaufſichtigung
Beauftragten angreifen, denſelben Widerſtand leiſten oder es
unternehmen, ſie zu Handlungen oder Unterlaſſungen zu nöthigen,
werden wegen Meuterei mit Gefängniß nicht unter ſechs Mo-
naten beſtraft.


Gleiche Strafe tritt ein, wenn Gefangene ſich zuſammen-
rotten und mit vereinten Kräften einen gewaltſamen Ausbruch
unternehmen.


Diejenigen Meuterer, welche Gewaltthätigkeiten gegen die
Anſtaltsbeamten oder die mit der Beaufſichtigung Beauftragten
verüben, werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren beſtraft;
auch kann auf Zuläſſigkeit von Polizei-Aufſicht erkannt werden.


Siebenter Abſchnitt.
Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung.


§. 123.

Wer in die Wohnung, in die Geſchäftsräume oder in das
befriedete Beſitzthum eines Anderen oder in abgeſchloſſene Räume,
welche zum öffentlichen Dienſt beſtimmt ſind, widerrechtlich
eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugniß darin verweilt,
auf die Aufforderung des Berechtigten ſich nicht entfernt, wird
wegen Hausfriedensbruches mit Gefängniß bis zu drei Monaten
oder mit Geldſtrafe bis zu Einhundert Thalern beſtraft.


Strafgeſetzbuch. 3
[34]

Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.


Iſt die Handlung von einer mit Waffen verſehenen Perſon
oder von Mehreren gemeinſchaftlich begangen worden, ſo tritt
Gefängnißſtrafe von Einer Woche bis zu Einem Jahre ein.


§. 124.

Wenn ſich eine Menſchenmenge öffentlich zuſammenrottet
und in der Abſicht, Gewaltthätigkeiten gegen Perſonen oder
Sachen mit vereinten Kräften zu begehen, in die Wohnung,
in die Geſchäftsräume oder in das befriedete Beſitzthum eines
Anderen oder in abgeſchloſſene Räume, welche zum öffentlichen
Dienſt beſtimmt ſind, widerrechtlich eindringt, ſo wird jeder,
welcher an dieſen Handlungen Theil nimmt, mit Gefängniß von
Einem Monat bis zu zwei Jahren beſtraft.


§. 125.

Wenn ſich eine Menſchenmenge öffentlich zuſammenrottet
und mit vereinten Kräften gegen Perſonen oder Sachen Gewalt-
thätigkeiten begeht, ſo wird jeder, welcher an dieſer Zuſammen-
rottung Theil nimmt, wegen Landfriedensbruches mit Gefängniß
nicht unter drei Monaten beſtraft.


Die Rädelsführer, ſowie diejenigen, welche Gewaltthätig-
keiten gegen Perſonen begangen oder Sachen geplündert, ver-
nichtet oder zerſtört haben, werden mit Zuchthaus bis zu zehn
Jahren beſtraft; auch kann auf Zuläſſigkeit von Polizei-Auf-
ſicht erkannt werden. Sind mildernde Umſtände vorhanden,
ſo tritt Gefängnißſtrafe nicht unter ſechs Monaten ein.


§. 126.

Wer durch Androhung eines gemeingefährlichen Verbrechens
den öffentlichen Frieden ſtört, wird mit Gefängniß bis zu Einem
Jahre beſtraft.


§. 127.

Wer unbefugterweiſe einen bewaffneten Haufen bildet oder
befehligt oder eine Mannſchaft, von der er weiß, daß ſie ohne
geſetzliche Befugniß geſammelt iſt, mit Waffen oder Kriegs-
bedürfniſſen verſieht, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren
beſtraft.


Wer ſich einem ſolchen bewaffneten Haufen anſchließt, wird
mit Gefängniß bis zu Einem Jahre beſtraft.


[35]
§. 128.

Die Theilnahme an einer Verbindung, deren Daſein, Ver-
faſſung oder Zweck vor der Staatsregierung geheim gehalten
werden ſoll, oder in welcher gegen unbekannte Obere Gehorſam
oder gegen bekannte Obere unbedingter Gehorſam verſprochen
wird, iſt an den Mitgliedern mit Gefängniß bis zu ſechs Mo-
naten, an den Stiftern und Vorſtehern der Verbindung mit
Gefängniß von Einem Monat bis zu Einem Jahre zu beſtrafen.


Gegen Beamte kann auf Verluſt der Fähigkeit zur Beklei-
dung öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf
Jahren erkannt werden.


§. 129.

Die Theilnahme an einer Verbindung, zu deren Zwecken
oder Beſchäftigungen gehört, Maßregeln der Verwaltung oder
die Vollziehung von Geſetzen durch ungeſetzliche Mittel zu ver-
hindern oder zu entkräften, iſt an den Mitgliedern mit Ge-
fängniß bis zu Einem Jahre, an den Stiftern und Vorſtehern
der Verbindung mit Gefängniß von drei Monaten bis zu zwei
Jahren zu beſtrafen.


Gegen Beamte kann auf Verluſt der Fähigkeit zur Bekleidung
öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf
Jahren erkannt werden.


§. 130.

Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weiſe
verſchiedene Klaſſen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen
einander öffentlich anreizt, wird mit Geldſtrafe bis zu zwei-
hundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren be-
ſtraft.


§. 131.

Wer erdichtete oder entſtellte Thatſachen, wiſſend, daß ſie
erdichtet, oder entſtellt ſind, öffentlich behauptet oder verbreitet,
um dadurch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrig-
keit verächtlich zu machen, wird mit Geldſtrafe bis zu zweihundert
Thalern oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren beſtraft.


§. 132.

Wer unbefugt ſich mit Ausübung eines öffentlichen Amtes
befaßt oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines
öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, wird mit Ge-
3*
[36] fängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geldſtrafe bis zu Ein-
hundert Thalern beſtraft.


§. 133.

Wer eine Urkunde, ein Regiſter, Akten oder einen ſonſtigen
Gegenſtand, welche ſich zur amtlichen Aufbewahrung an einem
dazu beſtimmten Orte befinden, oder welche einem Beamten oder
einem Dritten amtlich übergeben worden ſind, vorſätzlich ver-
nichtet, bei Seite ſchafft oder beſchädigt, wird mit Gefängniß
beſtraft.


Iſt die Handlung in gewinnſüchtiger Abſicht begangen, ſo
tritt Gefängnißſtrafe nicht unter drei Monaten ein; auch kann
auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.


§. 134.

Wer öffentlich angeſchlagene Bekanntmachungen, Verord-
nungen, Befehle oder Anzeigen von Behörden oder Beamten
böswillig abreißt, beſchädigt oder verunſtaltet, wird mit Geld-
ſtrafe bis zu Einhundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu
ſechs Monaten beſtraft.


§. 135.

Wer ein öffentliches Zeichen der Autorität des Norddeutſchen
Bundes oder eines Bundesfürſten oder ein Hoheitszeichen eines
Bundesſtaats böswillig wegnimmt, zerſtört oder beſchädigt,
wird mit Geldſtrafe bis zu zweihundert Thalern oder mit Ge-
fängniß bis zu zwei Jahren beſtraft.


§. 136.

Wer unbefugt ein amtliches Siegel, welches von einer
Behörde oder einem Beamten angelegt iſt, um Sachen zu
verſchließen, zu bezeichnen oder in Beſchlag zu nehmen, vor-
ſätzlich erbricht, ablöſt oder beſchädigt oder den durch ein ſolches
Siegel bewirkten amtlichen Verſchluß aufhebt, wird mit Ge-
fängniß bis zu ſechs Monaten beſtraft.


§. 137.

Wer Sachen, welche durch die zuſtändigen Behörden oder
Beamten gepfändet oder in Beſchlag genommen worden ſind,
vorſätzlich bei Seite ſchafft, zerſtört oder in anderer Weiſe der
Verſtrickung ganz oder theilweiſe entzieht, wird mit Gefängniß
bis zu Einem Jahre beſtraft.


[37]
§. 138.

Wer als Zeuge, Geſchworener oder Schöffe berufen, eine
unwahre Thatſache als Entſchuldigung vorſchützt, wird mit
Gefängniß bis zu zwei Monaten beſtraft.


Daſſelbe gilt von einem Sachverſtändigen, welcher zum Er-
ſcheinen geſetzlich verpflichtet iſt.


Die auf das Nichterſcheinen geſetzten Ordnungsſtrafen werden
durch vorſtehende Strafbeſtimmung nicht ausgeſchloſſen.


§. 139.

Wer von dem Vorhaben eines Hochverraths, Landesverraths,
Münzverbrechens, Mordes, Raubes, Menſchenraubes oder eines
gemeingefährlichen Verbrechens zu einer Zeit, in welcher die
Verhütung des Verbrechens möglich iſt, glaubhafte Kenntniß
erhält und es unterläßt, hiervon der Behörde oder der durch
das Verbrechen bedrohten Perſon zur rechten Zeit Anzeige zu
machen, iſt, wenn das Verbrechen oder ein ſtrafbarer Verſuch
deſſelben begangen worden iſt, mit Gefängniß zu beſtrafen.


§. 140.

Wer dem Eintritte in den Dienſt des ſtehenden Heeres oder
der Flotte ſich dadurch zu entziehen ſucht, daß er ohne Er-
laubniß entweder das Bundesgebiet verläßt oder nach erreichtem
militairpflichtigen Alter ſich außerhalb des Bundesgebietes auf-
hält, wird mit einer Geldſtrafe von funfzig bis zu Eintauſend
Thalern oder mit Gefängniß von Einem Monat bis zu Einem
Jahre beſtraft.


Das Vermögen des Angeſchuldigten kann, inſoweit als es
nach dem Ermeſſen des Richters zur Deckung der den Ange-
ſchuldigten möglicherweiſe treffenden höchſten Geldſtrafe und der
Koſten des Verfahrens erforderlich iſt, mit Beſchlag belegt
werden.


§. 141.

Wer einen Norddeutſchen zum Militairdienſte einer aus-
ländiſchen Macht anwirbt oder den Werbern der letzteren zu-
führt, ingleichen wer einen Norddeutſchen Soldaten vorſätzlich
zum Deſertiren verleitet oder die Deſertion deſſelben vorſätzlich
befördert, wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu drei
Jahren beſtraft.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


[38]
§. 142.

Wer ſich vorſätzlich durch Selbſtverſtümmelung oder auf
andere Weiſe zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht
oder durch einen Anderen untauglich machen läßt, wird mit
Gefängniß nicht unter Einem Jahre beſtraft; auch kann auf
Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.


Dieſelbe Strafe trifft denjenigen, welcher einen Anderen
auf deſſen Verlangen zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich
macht.


§. 143.

Wer in der Abſicht, ſich der Erfüllung der Wehrpflicht
ganz oder theilweiſe zu entziehen, auf Täuſchung berechnete
Mittel anwendet, wird mit Gefängniß beſtraft; auch kann auf
Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.


Dieſelbe Strafvorſchrift findet auf den Theilnehmer An-
wendung.


§. 144.

Wer es ſich zum Geſchäfte macht, Norddeutſche unter Vor-
ſpiegelung falſcher Thatſachen oder wiſſentlich mit unbegründeten
Angaben zur Auswanderung zu verleiten, wird mit Gefängniß
von Einem Monat bis zu zwei Jahren beſtraft.


§. 145.

Wer die vom Bundespräſidium zur Verhütung des Zu-
ſammenſtoßens der Schiffe auf See erlaſſenen Verordnungen
übertritt, wird mit Geldſtrafe bis zu fünfhundert Thalern
beſtraft.


Achter Abſchnitt.
Münzverbrechen und Münzvergehen.


§. 146.

Wer inländiſches oder ausländiſches Metallgeld oder Papier-
geld nachmacht, um das nachgemachte Geld als echtes zu ge-
brauchen oder ſonſt in Verkehr zu bringen, oder wer in gleicher
Abſicht echtem Gelde durch Veränderung an demſelben den Schein
eines höheren Werths oder verrufenem Gelde durch Veränderung
an demſelben das Anſehen eines noch geltenden gibt, wird mit
[39] Zuchthaus nicht unter zwei Jahren beſtraft; auch iſt Polizei-
Aufſicht zuläſſig.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe ein.


§. 147.

Dieſelben Strafbeſtimmungen finden auf denjenigen An-
wendung, welcher das von ihm auch ohne die vorbezeichnete
Abſicht nachgemachte oder verfälſchte Geld als echtes in Verkehr
bringt, ſowie auf denjenigen, welcher nachgemachtes oder ver-
fälſchtes Geld ſich verſchafft und ſolches entweder in Verkehr
bringt oder zum Zwecke der Verbreitung aus dem Auslande
einführt.


§. 148.

Wer nachgemachtes oder verfälſchtes Geld als echtes empfängt
und nach erkannter Unechtheit als echtes in Verkehr bringt, wird
mit Gefängniß bis zu drei Monaten oder mit Geldſtrafe bis zu
Einhundert Thalern beſtraft.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


§. 149.

Dem Papiergelde werden gleich geachtet die auf den Inhaber
lautenden Schuldverſchreibungen, Banknoten, Aktien oder deren
Stelle vertretende Interimsſcheine oder Quittungen, ſowie die
zu dieſen Papieren gehörenden Zins-, Gewinnantheils- oder Er-
neuerungsſcheine, welche von dem Norddeutſchen Bunde, einem
Bundesſtaate oder fremden Staate oder von einer zur Ausgabe
ſolcher Papiere berechtigten Gemeinde, Korporation, Geſellſchaft
oder Privatperſon ausgeſtellt ſind.


§. 150.

Wer echte, zum Umlaufe beſtimmte Metallgeldſtücke durch
Beſchneiden, Abfeilen oder auf andere Art verringert und als
vollgültig in Verkehr bringt, oder wer ſolche verringerte Münzen
gewohnheitsmäßig oder im Einverſtändniſſe mit dem, welcher
ſie verringert hat, als vollgültig in Verkehr bringt, wird mit
Gefängniß beſtraft, neben welchem auf Geldſtrafe bis zu Ein-
tauſend Thalern, ſowie auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte
erkannt werden kann.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


[40]
§. 151.

Wer Stempel, Siegel, Stiche, Platten oder andere zur
Anfertigung von Metallgeld, Papiergeld oder dem letzteren
gleich geachteten Papieren dienliche Formen zum Zwecke eines
Münzverbrechens angeſchafft oder angefertigt hat, wird mit
Gefängniß bis zu zwei Jahren beſtraft.


§. 152.

Auf die Einziehung des nachgemachten oder verfälſchten
Geldes, ſowie der im §. 151. bezeichneten Gegenſtände iſt zu
erkennen, auch wenn die Verfolgung oder Verurtheilung einer
beſtimmten Perſon nicht ſtattfindet.


Neunter Abſchnitt.
Meineid.


§. 153.

Wer einen ihm zugeſchobenen, zurückgeſchobenen oder auf-
erlegten Eid wiſſentlich falſch ſchwört, wird mit Zuchthaus bis
zu zehn Jahren beſtraft.


§. 154.

Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher vor einer zur
Abnahme von Eiden zuſtändigen Behörde wiſſentlich ein fal-
ſches Zeugniß oder ein falſches Gutachten mit einem Eide be-
kräftigt oder den vor ſeiner Vernehmung geleiſteten Eid wiſſent-
lich durch ein falſches Zeugniß oder ein falſches Gutachten
verletzt.


Iſt das falſche Zeugniß oder Gutachten in einer Strafſache
zum Nachtheile eines Angeſchuldigten abgegeben und dieſer zum
Tode, zu Zuchthaus oder zu einer anderen mehr als fünf
Jahre betragenden Freiheitsſtrafe verurtheilt worden, ſo tritt
Zuchthausſtrafe nicht unter drei Jahren ein.


§. 155.

Der Ableiſtung eines Eides wird gleich geachtet, wenn


  • 1) ein Mitglied einer Religionsgeſellſchaft, welcher das
    Geſetz den Gebrauch gewiſſer Betheuerungsformeln an
    Stelle des Eides geſtattet, eine Erklärung unter der
    Betheuerungsformel ſeiner Religionsgeſellſchaft abgibt;

[41]
  • 2) derjenige, welcher als Partei, Zeuge oder Sachverſtän-
    diger einen Eid geleiſtet hat, in gleicher Eigenſchaft
    eine Verſicherung unter Berufung auf den bereits früher
    in derſelben Angelegenheit geleiſteten Eid abgibt, oder
    ein Sachverſtändiger, welcher als ſolcher ein für alle-
    mal vereidet iſt, eine Verſicherung auf den von ihm
    geleiſteten Eid abgibt;
  • 3) ein Beamter eine amtliche Verſicherung unter Berufung
    auf ſeinen Dienſteid abgibt.

§. 156.

Wer vor einer zur Abnahme einer Verſicherung an Eides-
ſtatt zuſtändigen Behörde eine ſolche Verſicherung wiſſentlich
falſch abgibt oder unter Berufung auf eine ſolche Verſicherung
wiſſentlich falſch ausſagt, wird mit Gefängniß von Einem Mo-
nate bis zu drei Jahren beſtraft.


§. 157.

Hat ein Zeuge oder Sachverſtändiger ſich eines Meineides
(§§. 154. 155.) oder einer falſchen Verſicherung an Eidesſtatt
ſchuldig gemacht, ſo iſt die an ſich verwirkte Strafe auf die
Hälfte bis ein Viertheil zu ermäßigen, wenn


  • 1) die Angabe der Wahrheit gegen ihn ſelbſt eine Ver-
    folgung wegen eines Verbrechens oder Vergehens nach
    ſich ziehen konnte, oder
  • 2) der Ausſagende die falſche Ausſage zu Gunſten einer
    Perſon, rückſichtlich welcher er die Ausſage ablehnen
    durfte, erſtattet hat, ohne über ſein Recht, die Ausſage
    ablehnen zu dürfen, belehrt worden zu ſein.

Iſt hiernach Zuchthausſtrafe unter Einem Jahre verwirkt,
ſo iſt dieſelbe nach Maßgabe des §. 21. in Gefängnißſtrafe
zu verwandeln.


§. 158.

Gleiche Strafermäßigung tritt ein, wenn derjenige, welcher
ſich eines Meineides oder einer falſchen Verſicherung an Eidesſtatt
ſchuldig gemacht hat, bevor eine Anzeige gegen ihn erfolgt oder
eine Unterſuchung gegen ihn eingeleitet und bevor ein Rechts-
nachtheil für einen Anderen aus der falſchen Ausſage entſtanden
iſt, dieſe bei derjenigen Behörde, bei welcher er ſie abgegeben
hat, widerruft.


[42]
§. 159.

Wer es unternimmt, einen Anderen zur Begehung eines
Meineides zu verleiten, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jah-
ren, und wer es unternimmt, einen Anderen zur wiſſentlichen
Abgabe einer falſchen Verſicherung an Eidesſtatt zu verleiten,
mit Gefängniß bis zu Einem Jahre beſtraft.


§. 160.

Wer einen Anderen zur Ableiſtung eines falſchen Eides
verleitet, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren beſtraft,
neben welchem auf den Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte
erkannt werden kann, und wer einen Anderen zur Ableiſtung
einer falſchen Verſicherung an Eidesſtatt verleitet, wird mit
Gefängniß bis zu ſechs Monaten beſtraft.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


§. 161.

Bei jeder Verurtheilung wegen Meineides, mit Ausnahme
der Fälle in den §§. 157. und 158., iſt auf Verluſt der
bürgerlichen Ehrenrechte und außerdem auf die dauernde Un-
fähigkeit des Verurtheilten, als Zeuge oder Sachverſtändiger
eidlich vernommen zu werden, zu erkennen.


In den Fällen der §§. 156. bis 159. kann neben der
Gefängnißſtrafe auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte er-
kannt werden.


§. 162.

Wer vorſätzlich einer durch eidliches Angelöbniß vor Gericht
beſtellten Sicherheit oder dem in einem Offenbarungseide gege-
benen Verſprechen zuwiderhandelt, wird mit Gefängniß bis zu
zwei Jahren beſtraft.


§. 163.

Wenn eine der in den §§. 153. bis 156. bezeichneten Hand-
lungen aus Fahrläſſigkeit begangen worden iſt, ſo tritt Ge-
fängnißſtrafe bis zu Einem Jahre ein.


Strafloſigkeit tritt ein, wenn der Thäter, bevor eine An-
zeige gegen ihn erfolgt oder eine Unterſuchung gegen ihn
eingeleitet und bevor ein Rechtsnachtheil für einen Anderen
aus der falſchen Ausſage entſtanden iſt, dieſe bei derjenigen
Behörde, bei welcher er ſie abgegeben hat, widerruft.


[43]

Zehnter Abſchnitt.
Falſche Anſchuldigung.


§. 164.

Wer bei einer Behörde eine Anzeige macht, durch welche
er Jemand wider beſſeres Wiſſen der Begehung einer ſtraf-
baren Handlung oder der Verletzung einer Amtspflicht beſchul-
digt, wird mit Gefängniß nicht unter Einem Monat beſtraft;
auch kann gegen denſelben auf Verluſt der bürgerlichen Ehren-
rechte erkannt werden.


So lange ein in Folge der gemachten Anzeige eingeleitetes
Verfahren anhängig iſt, ſoll mit dem Verfahren und mit der
Entſcheidung über die falſche Anſchuldigung inne gehalten werden.


§. 165.

Wird wegen falſcher Anſchuldigung auf Strafe erkannt,
ſo iſt zugleich dem Verletzten die Befugniß zuzuſprechen, die
Verurtheilung auf Koſten des Schuldigen öffentlich bekannt zu
machen. Die Art der Bekanntmachung, ſowie die Friſt zu
derſelben, iſt in dem Urtheile zu beſtimmen.


Dem Verletzten iſt auf Koſten des Schuldigen eine Aus-
fertigung des Urtheils zu ertheilen.


Elfter Abſchnitt.
Vergehen, welche ſich auf die Religion beziehen.


§. 166.

Wer dadurch, daß er öffentlich in beſchimpfenden Aeuße-
rungen Gott läſtert, ein Aergerniß gibt, oder wer öffentlich
eine der chriſtlichen Kirchen oder eine andere mit Korporations-
rechten innerhalb des Bundesgebietes beſtehende Religionsgeſell-
ſchaft oder ihre Einrichtungen oder Gebräuche beſchimpft, in-
gleichen wer in einer Kirche oder in einem anderen zu reli-
giöſen Verſammlungen beſtimmten Orte beſchimpfenden Unfug
verübt, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren beſtraft.


§. 167.

Wer durch eine Thätlichkeit oder Drohung Jemand hin-
[44] dert, den Gottesdienſt einer im Staate beſtehenden Religions-
geſellſchaft auszuüben, ingleichen wer in einer Kirche oder in
einem anderen zu religiöſen Verſammlungen beſtimmten Orte
durch Erregung von Lärm oder Unordnung den Gottesdienſt
oder einzelne gottesdienſtliche Verrichtungen einer im Staate
beſtehenden Religionsgeſellſchaft vorſätzlich verhindert oder
ſtört, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren beſtraft.


§. 168.

Wer unbefugt eine Leiche aus dem Gewahrſam der dazu
berechtigten Perſon wegnimmt, ingleichen wer unbefugt ein
Grab zerſtört oder beſchädigt, oder wer an einem Grabe
beſchimpfenden Unfug verübt, wird mit Gefängniß bis zu
zwei Jahren beſtraft; auch kann auf Verluſt der bürgerlichen
Ehrenrechte erkannt werden.


Zwölfter Abſchnitt.
Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf den
Perſonenſtand.


§. 169.

Wer ein Kind unterſchiebt oder vorſätzlich verwechſelt,
oder wer auf andere Weiſe den Perſonenſtand eines An-
deren vorſätzlich verändert oder unterdrückt, wird mit Ge-
fängniß bis zu drei Jahren und, wenn die Handlung in
gewinnſüchtiger Abſicht begangen wurde, mit Zuchthaus bis
zu zehn Jahren beſtraft.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


§. 170.

Wer bei Eingehung einer Ehe dem anderen Theile ein
geſetzliches Ehehinderniß argliſtig verſchweigt, oder wer den
anderen Theil zur Eheſchließung argliſtig mittels einer ſolchen
Täuſchung verleitet, welche den Getäuſchten berechtigt, die
Gültigkeit der Ehe anzufechten, wird, wenn aus einem dieſer
Gründe die Ehe aufgelöſt worden iſt, mit Gefängniß nicht
unter drei Monaten beſtraft.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des getäuſchten
Theils ein.


[45]

Dreizehnter Abſchnitt.
Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit.


§. 171.

Ein Ehegatte, welcher eine neue Ehe eingeht, bevor
ſeine Ehe aufgelöſt, für ungültig oder nichtig erklärt worden
iſt, ingleichen eine unverheirathete Perſon, welche mit einem
Ehegatten, wiſſend, daß er verheirathet iſt, eine Ehe eingeht,
wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefäng-
nißſtrafe nicht unter ſechs Monaten ein.


Die Verjährung der Strafverfolgung beginnt mit dem
Tage, an welchem eine der beiden Ehen aufgelöſt, für un-
gültig oder nichtig erklärt worden iſt.


§. 172.

Der Ehebruch wird, wenn wegen deſſelben die Ehe
geſchieden iſt, an dem ſchuldigen Ehegatten, ſowie deſſen Mit-
ſchuldigen mit Gefängniß bis zu ſechs Monaten beſtraft.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.


§. 173.

Der Beiſchlaf zwiſchen Verwandten auf- und abſteigender
Linie wird an den erſteren mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren,
an den letzteren mit Gefängniß bis zu zwei Jahren beſtraft.


Der Beiſchlaf zwiſchen Verſchwägerten auf- und ab-
ſteigender Linie, ſowie zwiſchen Geſchwiſtern wird mit Ge-
fängniß bis zu zwei Jahren beſtraft.


Neben der Gefängnißſtrafe kann auf Verluſt der bürger-
lichen Ehrenrechte erkannt werden.


Verwandte und Verſchwägerte abſteigender Linie bleiben
ſtraflos, wenn ſie das achtzehnte Lebensjahr nicht vollendet
haben.


§. 174.

Mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren werden beſtraft:


  • 1) Vormünder, welche mit ihren Pflegebefohlenen, Adoptiv-
    und Pflegeeltern, welche mit ihren Kindern, Geiſtliche,
    Lehrer und Erzieher, welche mit ihren minderjährigen
    [46] Schülern oder Zöglingen unzüchtige Handlungen vor-
    nehmen;
  • 2) Beamte, die mit Perſonen, gegen welche ſie eine
    Unterſuchung zu führen haben oder welche ihrer
    Obhut anvertraut ſind, unzüchtige Handlungen vor-
    nehmen;
  • 3) Beamte, Aerzte oder andere Medizinalperſonen, welche
    in Gefängniſſen oder in öffentlichen, zur Pflege von
    Kranken, Armen oder anderen Hülfloſen beſtimmten
    Anſtalten beſchäftigt oder angeſtellt ſind, wenn ſie
    mit den in das Gefängniß oder in die Anſtalt aufge-
    nommenen Perſonen unzüchtige Handlungen vornehmen.

Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe nicht unter ſechs Monaten ein.


§. 175.

Die widernatürliche Unzucht, welche zwiſchen Perſonen
männlichen Geſchlechts oder von Menſchen mit Thieren begangen
wird, iſt mit Gefängniß zu beſtrafen; auch kann auf Verluſt
der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.


§. 176.

Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird beſtraft, wer


  • 1) mit Gewalt unzüchtige Handlungen an einer Frauens-
    perſon vornimmt oder dieſelbe durch Drohung mit gegen-
    wärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung un-
    züchtiger Handlungen nöthigt,
  • 2) eine in einem willenloſen oder bewußtloſen Zuſtande
    befindliche oder eine geiſteskranke Frauensperſon zum
    außerehelichen Beiſchlafe mißbraucht, oder
  • 3) mit Perſonen unter vierzehn Jahren unzüchtige Hand-
    lungen vornimmt oder dieſelben zur Verübung oder Dul-
    dung unzüchtiger Handlungen verleitet.

Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe nicht unter ſechs Monaten ein.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein, welcher jedoch,
nachdem die förmliche Anklage bei Gericht erhoben worden,
nicht mehr zurückgenommen werden kann.


§. 177.

Mit Zuchthaus wird beſtraft, wer durch Gewalt oder durch
[47] Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine
Frauensperſon zur Duldung des außerehelichen Beiſchlafs nöthigt,
oder wer eine Frauensperſon zum außerehelichen Beiſchlafe miß-
braucht, nachdem er ſie zu dieſem Zwecke in einen willenloſen
oder bewußtloſen Zuſtand verſetzt hat.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe nicht unter Einem Jahre ein.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein, welcher jedoch,
nachdem die förmliche Anklage bei Gericht erhoben worden,
nicht mehr zurückgenommen werden kann.


§. 178.

Iſt durch eine der in den §§. 176. und 177. bezeich-
neten Handlungen der Tod der verletzten Perſon verurſacht
worden, ſo tritt Zuchthausſtrafe nicht unter zehn Jahren oder
lebenslängliche Zuchthausſtrafe ein.


Eines Antrages auf Verfolgung bedarf es nicht.


§. 179.

Wer eine Frauensperſon zur Geſtattung des Beiſchlafs da-
durch verleitet, daß er eine Trauung vorſpiegelt, oder einen
anderen Irrthum in ihr erregt oder benutzt, in welchem ſie den
Beiſchlaf für einen ehelichen hielt, wird mit Zuchthaus bis zu
fünf Jahren beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe nicht unter ſechs Monaten ein.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.


§. 180.

Wer gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz durch ſeine Ver-
mittelung oder durch Gewährung oder Verſchaffung von Gelegen-
heit der Unzucht Vorſchub leiſtet, wird wegen Kuppelei mit
Gefängniß beſtraft; auch kann auf Verluſt der bürgerlichen
Ehrenrechte, ſowie auf Zuläſſigkeit von Polizei-Aufſicht erkannt
werden.


§. 181.

Die Kuppelei iſt, ſelbſt wenn ſie weder gewohnheitsmäßig
noch aus Eigennutz betrieben wird, mit Zuchthaus bis zu fünf
Jahren zu beſtrafen, wenn


  • 1) um der Unzucht Vorſchub zu leiſten, hinterliſtige Kunſt-
    griffe angewendet worden ſind, oder

[48]
  • 2) der Schuldige zu den Perſonen, mit welchen die Unzucht
    getrieben worden iſt, in dem Verhältniß von Eltern
    zu Kindern, von Vormündern zu Pflegebefohlenen, von
    Geiſtlichen, Lehrern oder Erziehern zu den von ihnen zu
    unterrichtenden oder zu erziehenden Perſonen ſteht.

Neben der Zuchthausſtrafe iſt der Verluſt der bürgerlichen
Ehrenrechte auszuſprechen; auch kann auf Zuläſſigkeit von Polizei-
Aufſicht erkannt werden.


§. 182.

Wer ein unbeſcholtenes Mädchen, welches das ſechszehnte
Lebensjahr nicht vollendet hat, zum Beiſchlafe verführt, wird
mit Gefängniß bis zu Einem Jahre beſtraft.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der Eltern oder des
Vormundes der Verführten ein.


§. 183.

Wer durch eine unzüchtige Handlung öffentlich ein Aergerniß
gibt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren beſtraft; auch
kann auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.


§. 184.

Wer unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darſtellungen
verkauft, vertheilt oder ſonſt verbreitet, oder an Orten, welche
dem Publikum zugänglich ſind, ausſtellt oder anſchlägt, wird
mit Geldſtrafe bis zu Einhundert Thalern oder mit Gefängniß
bis zu ſechs Monaten beſtraft.


Vierzehnter Abſchnitt.
Beleidigung.


§. 185.

Die Beleidigung wird mit Geldſtrafe bis zu zweihundert
Thalern oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre
und, wenn die Beleidigung mittels einer Thätlichkeit begangen
wird, mit Geldſtrafe bis zu fünfhundert Thalern oder mit Ge-
fängniß bis zu zwei Jahren beſtraft.


§. 186.

Wer in Beziehung auf einen Anderen eine Thatſache be-
hauptet oder verbreitet, welche denſelben verächtlich zu machen
[49] oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet iſt,
wird, wenn nicht dieſe Thatſache erweislich wahr iſt, wegen
Beleidigung mit Geldſtrafe bis zu zweihundert Thalern oder
mit Haft oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn
die Beleidigung öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften,
Abbildungen oder Darſtellungen begangen iſt, mit Geldſtrafe
bis zu fünfhundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu zwei
Jahren beſtraft.


§. 187.

Wer wider beſſeres Wiſſen in Beziehung auf einen Anderen
eine unwahre Thatſache behauptet oder verbreitet, welche den-
ſelben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung
herabzuwürdigen oder deſſen Kredit zu gefährden geeignet iſt,
wird wegen verleumderiſcher Beleidigung mit Gefängniß bis
zu zwei Jahren und, wenn die Verleumdung öffentlich oder
durch Verbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darſtel-
lungen begangen iſt, mit Gefängniß nicht unter Einem Monat
beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo kann die Strafe
bis auf Einen Tag Gefängniß ermäßigt, oder auf Geldſtrafe bis
zu dreihundert Thalern erkannt werden.


§. 188.

In den Fällen der §§. 186. und 187. kann auf Verlangen
des Beleidigten, wenn die Beleidigung nachtheilige Folgen für
die Vermögensverhältniſſe, den Erwerb oder das Fortkommen
des Beleidigten mit ſich bringt, neben der Strafe auf eine an
den Beleidigten zu erlegende Buße bis zum Betrage von zwei-
tauſend Thalern erkannt werden.


Eine erkannte Buße ſchließt die Geltendmachung eines wei-
teren Entſchädigungsanſpruches aus.


§. 189.

Wer das Andenken eines Verſtorbenen dadurch beſchimpft,
daß er wider beſſeres Wiſſen eine unwahre Thatſache behauptet
oder verbreitet, welche denſelben bei ſeinen Lebzeiten verächtlich
zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen
geeignet geweſen wäre, wird mit Gefängniß bis zu ſechs Mo-
naten beſtraft.


Strafgeſetzbuch. 4
[50]

Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo kann auf Geld-
ſtrafe bis zu dreihundert Thalern erkannt werden.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der Eltern, der Kinder
oder des Ehegatten des Verſtorbenen ein.


§. 190.

Iſt die behauptete oder verbreitete Thatſache eine ſtrafbare
Handlung, ſo iſt der Beweis der Wahrheit als erbracht anzu-
ſehen, wenn der Beleidigte wegen dieſer Handlung rechtskräftig
verurtheilt worden iſt. Der Beweis der Wahrheit iſt dagegen
ausgeſchloſſen, wenn der Beleidigte wegen dieſer Handlung vor
der Behauptung oder Verbreitung rechtskräftig freigeſprochen
worden iſt.


§. 191.

Iſt wegen der ſtrafbaren Handlung zum Zwecke der Herbei-
führung eines Strafverfahrens bei der Behörde Anzeige gemacht,
ſo iſt bis zu dem Beſchluſſe, daß die Eröffnung der Unterſuchung
nicht ſtattfinde, oder bis zur Beendigung der eingeleiteten Unter-
ſuchung mit dem Verfahren und der Entſcheidung über die Be-
leidigung inne zu halten.


§. 192.

Der Beweis der Wahrheit der behaupteten oder verbreiteten
Thatſache ſchließt die Beſtrafung nach Vorſchrift des §. 185.
nicht aus, wenn das Vorhandenſein einer Beleidigung aus der
Form der Behauptung oder Verbreitung oder aus den Um-
ſtänden, unter welchen ſie geſchah, hervorgeht.


§. 193.

Tadelnde Urtheile über wiſſenſchaftliche, künſtleriſche oder
gewerbliche Leiſtungen, ingleichen Aeußerungen, welche zur Aus-
führung oder Vertheidigung von Rechten oder zur Wahrneh-
mung berechtigter Intereſſen gemacht werden, ſowie Vorhal-
tungen und Rügen der Vorgeſetzten gegen ihre Untergebenen,
dienſtliche Anzeigen oder Urtheile von Seiten eines Beamten
und ähnliche Fälle ſind nur inſofern ſtrafbar, als das Vor-
handenſein einer Beleidigung aus der Form der Aeußerung
oder aus den Umſtänden, unter welchen ſie geſchah, hervorgeht.


§. 194.

Die Verfolgung einer Beleidigung tritt nur auf Antrag ein.


Der Antrag kann bis zur Verkündung eines auf Strafe
[51] lautenden Urtheils und bei der Verfolgung im Wege der Privat-
klage oder Privatanklage bis zum Anfange der Vollſtreckung
des Urtheils zurückgenommen werden.


§. 195.

Sind Ehefrauen oder unter väterlicher Gewalt ſtehende
Kinder beleidigt worden, ſo haben ſowohl die Beleidigten, als
deren Ehemänner und Väter das Recht, auf Beſtrafung anzu-
tragen.


§. 196.

Wenn die Beleidigung gegen eine Behörde, einen Beamten,
einen Religionsdiener oder ein Mitglied der bewaffneten Macht,
während ſie in der Ausübung ihres Berufes begriffen ſind,
oder in Beziehung auf ihren Beruf, begangen iſt, ſo haben
außer den unmittelbar Betheiligten auch deren amtliche Vor-
geſetzte das Recht, den Strafantrag zu ſtellen.


§. 197.

Eines Antrages bedarf es nicht, wenn die Beleidigung gegen
eine geſetzgebende Verſammlung des Bundes, des Zollvereins
oder eines Bundesſtaats, oder gegen eine andere politiſche Körper-
ſchaft begangen worden iſt. Dieſelbe darf jedoch nur mit Er-
mächtigung der beleidigten Körperſchaft verfolgt werden.


§. 198.

Iſt bei wechſelſeitigen Beleidigungen von einem Theile auf
Beſtrafung angetragen worden, ſo iſt der andere Theil bei
Verluſt ſeines Rechts verpflichtet, den Antrag auf Beſtrafung
ſpäteſtens vor Schluß der Verhandlung in erſter Inſtanz zu
ſtellen, hierzu aber auch dann berechtigt, wenn zu jenem Zeit-
punkte die dreimonatliche Friſt bereits abgelaufen iſt.


§. 199.

Wenn eine Beleidigung auf der Stelle erwidert wird, ſo kann
der Richter beide Beleidiger oder einen derſelben für ſtraffrei
erklären.


§. 200.

Wird wegen einer öffentlich oder durch Verbreitung von
Schriften, Darſtellungen oder Abbildungen begangenen Belei-
digung auf Strafe erkannt, ſo iſt zugleich dem Beleidigten die
Befugniß zuzuſprechen, die Verurtheilung auf Koſten des
Schuldigen öffentlich bekannt zu machen. Die Art der Be-
4*
[52] kanntmachung, ſowie die Friſt zu derſelben iſt in dem Urtheile
zu beſtimmen.


Erfolgte die Beleidigung in einer Zeitung oder Zeitſchrift,
ſo iſt der verfügende Theil des Urtheils auf Antrag des Be-
leidigten durch die öffentlichen Blätter, und zwar wenn möglich
durch dieſelbe Zeitung oder Zeitſchrift bekannt zu machen.


Dem Beleidigten iſt auf Koſten des Schuldigen eine Aus-
fertigung des Urtheils zu ertheilen.


Funfzehnter Abſchnitt.
Zweikampf.


§. 201.

Die Herausforderung zum Zweikampf mit tödtlichen Waffen,
ſowie die Annahme einer ſolchen Herausforderung wird mit
Feſtungshaft bis zu ſechs Monaten beſtraft.


§. 202.

Feſtungshaft von zwei Monaten bis zu zwei Jahren tritt
ein, wenn bei der Herausforderung die Abſicht, daß einer von
beiden Theilen das Leben verlieren ſoll, entweder ausgeſprochen
iſt oder aus der gewählten Art des Zweikampfs erhellt.


§. 203.

Diejenigen, welche den Auftrag zu einer Herausforderung
übernehmen und ausrichten (Kartellträger), werden mit Feſtungs-
haft bis zu ſechs Monaten beſtraft.


§. 204.

Die Strafe der Herausforderung und der Annahme der-
ſelben, ſowie die Strafe der Kartellträger fällt weg, wenn
die Parteien den Zweikampf vor deſſen Beginn freiwillig
aufgegeben haben.


§. 205.

Der Zweikampf wird mit Feſtungshaft von drei Monaten
bis zu fünf Jahren beſtraft.


§. 206.

Wer ſeinen Gegner im Zweikampf tödtet, wird mit
Feſtungshaft nicht unter zwei Jahren, und wenn der Zwei-
kampf ein ſolcher war, welcher den Tod des einen von Beiden
[53] herbeiführen ſollte, mit Feſtungshaft nicht unter drei Jahren
beſtraft.


§. 207.

Iſt eine Tödtung oder Körperverletzung mittels vorſätzlicher
Uebertretung der vereinbarten oder hergebrachten Regeln des
Zweikampfs bewirkt worden, ſo iſt der Uebertreter, ſofern nicht
nach den vorhergehenden Beſtimmungen eine härtere Strafe
verwirkt iſt, nach den allgemeinen Vorſchriften über das Ver-
brechen der Tödtung oder der Körperverletzung zu beſtrafen.


§. 208.

Hat der Zweikampf ohne Sekundanten ſtattgefunden, ſo
kann die verwirkte Strafe bis um die Hälfte, jedoch nicht
über zehn Jahre erhöht werden.


§. 209.

Kartellträger, welche ernſtlich bemüht geweſen ſind, den
Zweikampf zu verhindern, Sekundanten, ſowie zum Zweikampf
zugezogene Zeugen, Aerzte und Wundärzte ſind ſtraflos.


§. 210.

Wer einen Anderen zum Zweikampf mit einem Dritten ab-
ſichtlich, inſonderheit durch Bezeigung oder Androhung von
Verachtung anreizt, wird, falls der Zweikampf ſtattgefunden
hat, mit Gefängniß nicht unter drei Monaten beſtraft.


Sechszehnter Abſchnitt.
Verbrechen und Vergehen wider das Leben.


§. 211.

Wer vorſätzlich einen Menſchen tödtet, wird, wenn er die
Tödtung mit Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit
dem Tode beſtraft.


§. 212.

Wer vorſätzlich einen Menſchen tödtet, wird, wenn er
die Tödtung nicht mit Ueberlegung ausgeführt hat, wegen
Todtſchlages mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren beſtraft.


§. 213.

War der Todtſchläger ohne eigene Schuld durch eine ihm
oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder ſchwere
[54] Beleidigung von dem Getödteten zum Zorne gereizt und hier-
durch auf der Stelle zur That hingeriſſen worden, oder ſind
andere mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängnißſtrafe
nicht unter ſechs Monaten ein.


§. 214.

Wer bei Unternehmung einer ſtrafbaren Handlung, um
ein der Ausführung derſelben entgegentretendes Hinderniß zu
beſeitigen oder um ſich der Ergreifung auf friſcher That zu
entziehen, vorſätzlich einen Menſchen tödtet, wird mit Zucht-
haus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem
Zuchthaus beſtraft.


§. 215.

Der Todtſchlag an einem Verwandten aufſteigender Linie
wird mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebens-
länglichem Zuchthaus beſtraft.


§. 216.

Iſt Jemand durch das ausdrückliche und ernſtliche Ver-
langen des Getödteten zur Tödtung beſtimmt worden, ſo iſt
auf Gefängniß nicht unter drei Jahren zu erkennen.


§. 217.

Eine Mutter, welche ihr uneheliches Kind in oder gleich
nach der Geburt vorſätzlich tödtet, wird mit Zuchthaus nicht
unter drei Jahren beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe nicht unter zwei Jahren ein.


§. 218.

Eine Schwangere, welche ihre Frucht vorſätzlich abtreibt
oder im Mutterleibe tödtet, wird mit Zuchthaus bis zu fünf
Jahren beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe nicht unter ſechs Monaten ein.


Dieſelben Strafvorſchriften finden auf denjenigen Anwen-
dung, welcher mit Einwilligung der Schwangeren die Mittel
zu der Abtreibung oder Tödtung bei ihr angewendet oder ihr
beigebracht hat.


§. 219.

Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird beſtraft, wer einer
Schwangeren, welche ihre Frucht abgetrieben oder getödtet hat,
[55] gegen Entgelt die Mittel hierzu verſchafft, bei ihr angewendet
oder ihr beigebracht hat.


§. 220.

Wer die Leibesfrucht einer Schwangeren ohne deren Wiſſen
oder Willen vorſätzlich abtreibt oder tödtet, wird mit Zuchthaus
nicht unter zwei Jahren beſtraft.


Iſt durch die Handlung der Tod der Schwangeren verur-
ſacht worden, ſo tritt Zuchthausſtrafe nicht unter zehn Jahren
oder lebenslängliche Zuchthausſtrafe ein.


§. 221.

Wer eine wegen jugendlichen Alters, Gebrechlichkeit oder
Krankheit hülfloſe Perſon ausſetzt, oder wer eine ſolche Perſon,
wenn dieſelbe unter ſeiner Obhut ſteht oder wenn er für die
Unterbringung, Fortſchaffung oder Aufnahme derſelben zu ſorgen
hat, in hülfloſer Lage vorſätzlich verläßt, wird mit Gefängniß
nicht unter drei Monaten beſtraft.


Wird die Handlung von leiblichen Eltern gegen ihr Kind
begangen, ſo tritt Gefängnißſtrafe nicht unter ſechs Monaten ein.


Iſt durch die Handlung eine ſchwere Körperverletzung der
ausgeſetzten oder verlaſſenen Perſon verurſacht worden, ſo tritt
Zuchthausſtrafe bis zu zehn Jahren und, wenn durch die
Handlung der Tod verurſacht worden iſt, Zuchthausſtrafe nicht
unter drei Jahren ein.


§. 222.

Wer durch Fahrläſſigkeit den Tod eines Menſchen ver-
urſacht, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren beſtraft.


Wenn der Thäter zu der Aufmerkſamkeit, welche er aus
den Augen ſetzte, vermöge ſeines Amtes, Berufes oder Gewerbes
beſonders verpflichtet war, ſo kann die Strafe bis auf fünf
Jahre Gefängniß erhöht werden.


Siebenzehnter Abſchnitt.
Körperverletzung.


§. 223.

Wer vorſätzlich einen Anderen körperlich mißhandelt oder
an der Geſundheit beſchädigt, wird wegen Körperverletzung
[56] mit Gefängniß bis zu drei Jahren oder mit Geldſtrafe bis zu
dreihundert Thalern beſtraft.


Iſt die Handlung gegen Verwandte aufſteigender Linie be-
gangen, ſo iſt auf Gefängniß nicht unter Einem Monat zu
erkennen.


§. 224.

Hat die Körperverletzung zur Folge, daß der Verletzte ein
wichtiges Glied des Körpers, das Sehvermögen auf einem oder
beiden Augen, das Gehör, die Sprache oder die Zeugungsfähig-
keit verliert oder in erheblicher Weiſe dauernd entſtellt wird,
oder in Siechthum, Lähmung oder Geiſteskrankheit verfällt, ſo
iſt auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängniß nicht
unter Einem Jahre zu erkennen.


§. 225.

War eine der vorbezeichneten Folgen beabſichtigt und ein-
getreten, ſo iſt auf Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren
zu erkennen.


§. 226.

Iſt durch die Körperverletzung der Tod des Verletzten ver-
urſacht worden, ſo iſt auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren
oder Gefängniß nicht unter drei Jahren zu erkennen.


§. 227.

Iſt durch eine Schlägerei oder durch einen von Mehreren ge-
machten Angriff der Tod eines Menſchen oder eine ſchwere
Körperverletzung (§. 224.) verurſacht worden, ſo iſt jeder,
welcher ſich an der Schlägerei oder dem Angriffe betheiligt hat,
ſchon wegen dieſer Betheiligung mit Gefängniß bis zu drei
Jahren zu beſtrafen, falls er nicht ohne ſein Verſchulden hin-
eingezogen worden iſt.


Iſt eine der vorbezeichneten Folgen mehreren Verletzungen
zuzuſchreiben, welche dieſelbe nicht einzeln, ſondern nur durch
ihr Zuſammentreffen verurſacht haben, ſo iſt jeder, welchem
eine dieſer Verletzungen zur Laſt fällt, mit Zuchthaus bis zu
fünf Jahren zu beſtrafen.


§. 228.

Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo iſt in den Fällen
der §§. 224. und 227. Abſatz 2. auf Gefängniß nicht unter
[57] Einem Monat, und im Falle des §. 226. auf Gefängniß
nicht unter drei Monaten zu erkennen.


Dieſe Ermäßigung der Strafe bleibt ausgeſchloſſen, wenn
die Handlung gegen Verwandte aufſteigender Linie begangen iſt.


§. 229.

Wer vorſätzlich einem Anderen, um deſſen Geſundheit zu
beſchädigen, Gift oder andere Stoffe beibringt, welche die Ge-
ſundheit zu zerſtören geeignet ſind, wird mit Zuchthaus bis zu
zehn Jahren beſtraft.


Iſt durch die Handlung eine ſchwere Körperverletzung ver-
urſacht worden, ſo iſt auf Zuchthaus nicht unter fünf Jahren
und, wenn durch die Handlung der Tod verurſacht worden,
auf Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder auf lebenslängliches
Zuchthaus zu erkennen.


§. 230.

Wer durch Fahrläſſigkeit die Körperverletzung eines Anderen
verurſacht, wird mit Geldſtrafe bis zu dreihundert Thalern oder
mit Gefängniß bis zu zwei Jahren beſtraft.


War der Thäter zu der Aufmerkſamkeit, welche er aus
den Augen ſetzte, vermöge ſeines Amtes, Berufes oder Gewerbes
beſonders verpflichtet, ſo kann die Strafe auf drei Jahre Ge-
fängniß erhöht werden.


§. 231.

In allen Fällen der Körperverletzung kann auf Verlangen
des Verletzten neben der Strafe auf eine an denſelben zu erlegende
Buße bis zum Betrage von zweitauſend Thalern erkannt werden.


Eine erkannte Buße ſchließt die Geltendmachung eines wei-
teren Entſchädigungsanſpruches aus.


Für dieſe Buße haften die zu derſelben Verurtheilten als
Geſammtſchuldner.


§. 232.

Die Verfolgung leichter vorſätzlicher, ſowie aller durch Fahr-
läſſigkeit verurſachter Körperverletzungen (§§. 223. 230.) tritt nur
auf Antrag ein, inſofern nicht die Körperverletzung mit Ueber-
tretung einer Amts-, Berufs- oder Gewerbspflicht begangen
worden iſt.


Die in den §§. 195. 196. und 198. enthaltenen Vorſchriften
finden auch hier Anwendung.


[58]
§. 233.

Wenn leichte Körperverletzungen mit ſolchen, Beleidigungen
mit leichten Körperverletzungen oder letztere mit erſteren auf
der Stelle erwidert werden, ſo kann der Richter für beide
Angeſchuldigte, oder für einen derſelben eine der Art oder
dem Maße nach mildere oder überhaupt keine Strafe eintreten
laſſen.


Achtzehnter Abſchnitt.
Verbrechen und Vergehen wider die perſönliche Freiheit.


§. 234.

Wer ſich eines Menſchen durch Liſt, Drohung oder Gewalt
bemächtigt, um ihn in hülfloſer Lage auszuſetzen oder in Skla-
verei, Leibeigenſchaft oder in auswärtige Kriegs- oder Schiffs-
dienſte zu bringen, wird wegen Menſchenraubes mit Zuchthaus
beſtraft.


§. 235.

Wer eine minderjährige Perſon durch Liſt, Drohung oder
Gewalt ihren Eltern oder ihrem Vormunde entzieht, wird mit
Gefängniß und, wenn die Handlung in der Abſicht geſchieht,
die Perſon zum Betteln oder zu gewinnſüchtigen oder unſittlichen
Zwecken oder Beſchäftigungen zu gebrauchen, mit Zuchthaus bis
zu zehn Jahren beſtraft.


§. 236.

Wer eine Frauensperſon wider ihren Willen durch Liſt,
Drohung oder Gewalt entführt, um ſie zur Unzucht zu bringen,
wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und, wenn die Entfüh-
rung begangen wurde, um die Entführte zur Ehe zu bringen,
mit Gefängniß beſtraft.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.


§. 237.

Wer eine minderjährige, unverehelichte Frauensperſon mit
ihrem Willen, jedoch ohne Einwilligung ihrer Eltern oder ihres
Vormundes, entführt, um ſie zur Unzucht oder zur Ehe zu
bringen, wird mit Gefängniß beſtraft.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.


[59]
§. 238.

Hat der Entführer die Entführte geheirathet, ſo findet die
Verfolgung nur ſtatt, nachdem die Ehe für ungültig erklärt
worden iſt.


§. 239.

Wer vorſätzlich und widerrechtlich einen Menſchen einſperrt
oder auf andere Weiſe des Gebrauches der perſönlichen Freiheit
beraubt, wird mit Gefängniß beſtraft.


Wenn die Freiheitsentziehung über eine Woche gedauert
hat, oder wenn eine ſchwere Körperverletzung des der Freiheit
Beraubten durch die Freiheitsentziehung oder die ihm während
derſelben widerfahrene Behandlung verurſacht worden iſt, ſo iſt
auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. Sind mil-
dernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängnißſtrafe nicht
unter Einem Monat ein.


Iſt der Tod des der Freiheit Beraubten durch die Frei-
heitsentziehung oder die ihm während derſelben widerfahrene
Behandlung verurſacht worden, ſo iſt auf Zuchthaus nicht unter
drei Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umſtände vorhan-
den, ſo tritt Gefängnißſtrafe nicht unter drei Monaten ein.


§. 240.

Wer einen Anderen widerrechtlich durch Gewalt oder durch
Bedrohung mit einem Verbrechen oder Vergehen zu einer Hand-
lung, Duldung oder Unterlaſſung nöthigt, wird mit Gefängniß
bis zu Einem Jahre oder mit Geldſtrafe bis zu zweihundert
Thalern beſtraft.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.


§. 241.

Wer einen Anderen mit der Begehung eines Verbrechens
bedroht, wird mit Gefängniß bis zu ſechs Monaten oder mit
Geldſtrafe bis zu Einhundert Thalern beſtraft.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.


[60]

Neunzehnter Abſchnitt.
Diebſtahl und Unterſchlagung.


§. 242.

Wer eine fremde bewegliche Sache einem Anderen in der
Abſicht wegnimmt, dieſelbe ſich rechtswidrig zuzueignen, wird
wegen Diebſtahls mit Gefängniß beſtraft.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


§. 243.

Auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren iſt zu erkennen, wenn


  • 1) aus einem zum Gottesdienſte beſtimmten Gebäude Gegen-
    ſtände geſtohlen werden, welche dem Gottesdienſte ge-
    widmet ſind;
  • 2) aus einem Gebäude oder umſchloſſenen Raume mittels
    Einbruchs, Einſteigens oder Erbrechens von Behältniſſen
    geſtohlen wird;
  • 3) der Diebſtahl dadurch bewirkt wird, daß zur Eröffnung
    eines Gebäudes oder der Zugänge eines umſchloſſenen
    Raumes, oder zur Eröffnung der im Inneren befind-
    lichen Thüren oder Behältniſſe falſche Schlüſſel oder
    andere zur ordnungsmäßigen Eröffnung nicht beſtimmte
    Werkzeuge angewendet werden;
  • 4) auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einem öffent-
    lichen Platze, einer Waſſerſtraße oder einer Eiſenbahn,
    oder in einem Poſtgebäude oder dem dazu gehörigen
    Hofraume, oder auf einem Eiſenbahnhofe eine zum
    Reiſegepäck oder zu anderen Gegenſtänden der Beför-
    derung gehörende Sache mittels Abſchneidens oder Ab-
    löſens der Befeſtigungs- oder Verwahrungsmittel, oder
    durch Anwendung falſcher Schlüſſel oder anderer zur
    ordnungsmäßigen Eröffnung nicht beſtimmter Werkzeuge
    geſtohlen wird;
  • 5) der Dieb oder einer der Theilnehmer am Diebſtahle
    bei Begehung der That Waffen bei ſich führt;
  • 6) zu dem Diebſtahle Mehrere mitwirken, welche ſich zur
    fortgeſetzten Begehung von Raub oder Diebſtahl ver-
    bunden haben, oder

[61]
  • 7) der Diebſtahl zur Nachtzeit in einem bewohnten Gebäude,
    in welches ſich der Thäter in diebiſcher Abſicht einge-
    ſchlichen, oder in welchem er ſich in gleicher Abſicht
    verborgen hatte, begangen wird, auch wenn zur Zeit
    des Diebſtahls Bewohner in dem Gebäude nicht anwe-
    ſend ſind. Einem bewohnten Gebäude werden der zu
    einem bewohnten Gebäude gehörige umſchloſſene Raum
    und die in einem ſolchen befindlichen Gebäude jeder Art,
    ſowie Schiffe, welche bewohnt werden, gleich geachtet.

Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe nicht unter drei Monaten ein.


§. 244.

Wer im Inlande als Dieb, Räuber oder gleich einem
Räuber oder als Hehler beſtraft worden iſt, darauf abermals
eine dieſer Handlungen begangen hat, und wegen derſelben
beſtraft worden iſt, wird, wenn er einen einfachen Diebſtahl
(§. 242.) begeht, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, wenn
er einen ſchweren Diebſtahl (§. 243.) begeht, mit Zuchthaus
nicht unter zwei Jahren beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt beim ein-
fachen Diebſtahl Gefängnißſtrafe nicht unter drei Monaten, beim
ſchweren Diebſtahl Gefängnißſtrafe nicht unter Einem Jahre ein.


§. 245.

Die Beſtimmungen des §. 244. finden Anwendung, auch
wenn die früheren Strafen nur theilweiſe verbüßt oder ganz
oder theilweiſe erlaſſen ſind, bleiben jedoch ausgeſchloſſen, wenn
ſeit der Verbüßung oder dem Erlaſſe der letzten Strafe bis zur
Begehung des neuen Diebſtahls zehn Jahre verfloſſen ſind.


§. 246.

Wer eine fremde bewegliche Sache, die er in Beſitz oder
Gewahrſam hat, ſich rechtswidrig zueignet, wird wegen Unter-
ſchlagung mit Gefängniß bis zu drei Jahren und, wenn die
Sache ihm anvertraut iſt, mit Gefängniß bis zu fünf Jahren
beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo kann auf Geld-
ſtrafe bis zu dreihundert Thalern erkannt werden.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


[62]
§. 247.

Wer einen Diebſtahl oder eine Unterſchlagung gegen Ange-
hörige, Vormünder, Erzieher oder ſolche Perſonen, in deren
Lohn oder Koſt er ſich befindet, begeht, iſt nur auf Antrag
zu verfolgen.


Ein Diebſtahl oder eine Unterſchlagung, welche von Ver-
wandten aufſteigender Linie gegen Verwandte abſteigender Linie
oder von einem Ehegatten gegen den anderen begangen worden
iſt, bleibt ſtraflos.


Dieſe Beſtimmungen finden auf Theilnehmer oder Begün-
ſtiger, welche nicht in einem der vorbezeichneten perſönlichen
Verhältniſſe ſtehen, keine Anwendung.


§. 248.

Neben der wegen Diebſtahls oder Unterſchlagung erkannten
Gefängnißſtrafe kann auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte,
und neben der wegen Diebſtahls erkannten Zuchthausſtrafe auf
Zuläſſigkeit von Polizei-Aufſicht erkannt werden.


Zwanzigſter Abſchnitt.
Raub und Erpreſſung.


§. 249.

Wer mit Gewalt gegen eine Perſon oder unter Anwendung
von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben
eine fremde bewegliche Sache einem Anderen in der Abſicht
wegnimmt, ſich dieſelbe rechtswidrig zuzueignen, wird wegen
Raubes mit Zuchthaus beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe nicht unter ſechs Monaten ein.


§. 250.

Auf Zuchthaus nicht unter fünf Jahren iſt zu erkennen,
wenn


  • 1) der Räuber oder einer der Theilnehmer am Raube bei
    Begehung der That Waffen bei ſich führt;
  • 2) zu dem Raube Mehrere mitwirken, welche ſich zur fort-
    geſetzten Begehung von Raub oder Diebſtahl verbunden
    haben;

[63]
  • 3) der Raub auf einem öffentlichen Wege, einer Straße,
    einer Eiſenbahn, einem öffentlichen Platze, auf offener
    See oder einer Waſſerſtraße begangen wird;
  • 4) der Raub zur Nachtzeit in einem bewohnten Gebäude
    (§. 243. Nr. 7.) begangen wird, in welches ſich der
    Thäter zur Begehung eines Raubes oder Diebſtahls
    eingeſchlichen oder ſich gewaltſam Eingang verſchafft
    oder in welchem er ſich in gleicher Abſicht verborgen
    hatte, oder
  • 5) der Räuber bereits einmal als Räuber oder gleich einem
    Räuber im Inlande beſtraft worden iſt. Die im §. 245.
    enthaltenen Vorſchriften finden auch hier Anwendung.

Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe nicht unter Einem Jahre ein.


§. 251.

Mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebens-
länglichem Zuchthaus wird der Räuber beſtraft, wenn bei dem
Raube ein Menſch gemartert oder durch die gegen ihn verübte
Gewalt eine ſchwere Körperverletzung oder der Tod deſſelben
verurſacht worden iſt.


§. 252.

Wer, bei einem Diebſtahle auf friſcher That betroffen, gegen
eine Perſon Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger
Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um ſich im Beſitze des
geſtohlenen Gutes zu erhalten, iſt gleich einem Räuber zu be-
ſtrafen.


§. 253.

Wer, um ſich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Ver-
mögensvortheil zu verſchaffen, einen Anderen durch Gewalt
oder Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlaſſung
nöthigt, iſt wegen Erpreſſung mit Gefängniß nicht unter Einem
Monate zu beſtrafen.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


§. 254.

Wird die Erpreſſung durch Bedrohung mit Mord, mit Brand-
ſtiftung oder mit Verurſachung einer Ueberſchwemmung begangen,
ſo iſt auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu erkennen.


[64]
§. 255.

Wird die Erpreſſung durch Gewalt gegen eine Perſon oder
unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr
für Leib oder Leben begangen, ſo iſt der Thäter gleich einem
Räuber zu beſtrafen.


§. 256.

Neben der wegen Erpreſſung erkannten Gefängnißſtrafe
kann auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte und neben der
wegen Raubes oder Erpreſſung erkannten Zuchthausſtrafe auf
Zuläſſigkeit von Polizei-Aufſicht erkannt werden.


Einundzwanzigſter Abſchnitt.
Begünſtigung und Hehlerei.


§. 257.

Wer nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens dem
Thäter oder Theilnehmer wiſſentlich Beiſtand leiſtet, um den-
ſelben der Beſtrafung zu entziehen oder um ihm die Vortheile des
Verbrechens oder Vergehens zu ſichern, iſt wegen Begünſtigung
mit Geldſtrafe bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefäng-
niß bis zu Einem Jahre und, wenn er dieſen Beiſtand ſeines
Vortheils wegen leiſtet, mit Gefängniß zu beſtrafen. Die Strafe
darf jedoch, der Art oder dem Maße nach, keine ſchwerere
ſein, als die auf die Handlung ſelbſt angedrohte.


Die Begünſtigung iſt ſtraflos, wenn dieſelbe dem Thäter
oder Theilnehmer von einem Angehörigen gewährt worden iſt,
um ihn der Beſtrafung zu entziehen.


Die Begünſtigung iſt als Beihülfe zu beſtrafen, wenn ſie
vor Begehung der That zugeſagt worden iſt. Dieſe Beſtim-
mung leidet auch auf Angehörige Anwendung.


§. 258.

Wer ſeines Vortheils wegen ſich einer Begünſtigung ſchuldig
macht, wird als Hehler beſtraft, wenn der Begünſtigte


  • 1) einen einfachen Diebſtahl oder eine Unterſchlagung begangen
    hat, mit Gefängniß,
  • 2) einen ſchweren Diebſtahl, einen Raub oder ein dem Raube
    [65] gleich zu beſtrafendes Verbrechen begangen hat, mit Zucht-
    haus bis zu fünf Jahren.
    Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefäng-
    nißſtrafe nicht unter drei Monaten ein.

Dieſe Strafvorſchriften finden auch dann Anwendung, wenn
der Hehler ein Angehöriger iſt.


§. 259.

Wer ſeines Vortheils wegen Sachen, von denen er weiß
oder den Umſtänden nach annehmen muß, daß ſie mittels einer
ſtrafbaren Handlung erlangt ſind, verheimlicht, ankauft, zum
Pfande nimmt oder ſonſt an ſich bringt oder zu deren Abſatze
bei Anderen mitwirkt, wird als Hehler mit Gefängniß beſtraft.


§. 260.

Wer die Hehlerei gewerbs- oder gewohnheitsmäßig betreibt,
wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren beſtraft


§. 261.

Wer im Inlande wegen Hehlerei einmal und wegen darauf
begangener Hehlerei zum zweiten Male beſtraft worden iſt,
wird, wenn ſich die abermals begangene Hehlerei auf einen ſchweren
Diebſtahl, einen Raub oder ein dem Raube gleich zu beſtrafendes
Verbrechen bezieht, mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren be-
ſtraft. Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefäng-
nißſtrafe nicht unter Einem Jahre ein.


Bezieht ſich die Hehlerei auf eine andere ſtrafbare Handlung,
ſo iſt auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. Sind
mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängnißſtrafe nicht
unter drei Monaten ein.


Die in dem §. 245. enthaltenen Vorſchriften finden auch hier
Anwendung.


§. 262.

Neben der wegen Hehlerei erkannten Gefängnißſtrafe kann
auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte und neben jeder Ver-
urtheilung wegen Hehlerei auf Zuläſſigkeit von Polizei-Aufſicht
erkannt werden.


Strafgeſetzbuch. 5
[66]

Zweiundzwanzigſter Abſchnitt.
Betrug und Untreue.


§. 263.

Wer in der Abſicht, ſich oder einem Dritten einen rechts-
widrigen Vermögensvortheil zu verſchaffen, das Vermögen eines
Anderen dadurch beſchädigt, daß er durch Vorſpiegelung falſcher
oder durch Entſtellung oder Unterdrückung wahrer Thatſachen
einen Irrthum erregt oder unterhält, wird wegen Betruges
mit Gefängniß beſtraft, neben welchem auf Geldſtrafe bis zu
Eintauſend Thalern, ſowie auf Verluſt der bürgerlichen Ehren-
rechte erkannt werden kann.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo kann ausſchließ-
lich auf die Geldſtrafe erkannt werden.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


Wer einen Betrug gegen Angehörige, Vormünder, Erzieher
oder gegen ſolche Perſonen, in deren Lohn oder Koſt er ſich
befindet, begeht, iſt nur auf Antrag zu verfolgen.


§. 264.

Wer im Inlande wegen Betruges einmal und wegen dar-
auf begangenen Betruges zum zweiten Male beſtraft worden
iſt, wird wegen abermals begangenen Betruges mit Zuchthaus
bis zu zehn Jahren und zugleich mit Geldſtrafe von funfzig
bis zu zweitauſend Thalern beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe nicht unter drei Monaten ein, neben welcher zugleich auf
Geldſtrafe bis zu Eintauſend Thalern erkannt werden kann.


Die im §. 245. enthaltenen Vorſchriften finden auch hier
Anwendung.


§. 265.

Wer in betrügeriſcher Abſicht eine gegen Feuersgefahr ver-
ſicherte Sache in Brand ſetzt, oder ein Schiff, welches als ſolches
oder in ſeiner Ladung oder in ſeinem Frachtlohn verſichert iſt,
ſinken oder ſtranden macht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn
Jahren und zugleich mit Geldſtrafe von funfzig bis zu zwei-
tauſend Thalern beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
[67] ſtrafe nicht unter ſechs Monaten ein, neben welcher auf Geld-
ſtrafe bis zu Eintauſend Thalern erkannt werden kann.


§. 266.

Wegen Untreue werden mit Gefängniß, neben welchem auf
Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann,
beſtraft:


  • 1) Vormünder, Kuratoren, Güterpfleger, Sequeſter, Maſſen-
    verwalter, Vollſtrecker letztwilliger Verfügungen und
    Verwalter von Stiftungen, wenn ſie abſichtlich zum
    Nachtheile der ihrer Aufſicht anvertrauten Perſonen oder
    Sachen handeln;
  • 2) Bevollmächtigte, welche über Forderungen oder andere
    Vermögensſtücke des Auftraggebers abſichtlich zum Nach-
    theile deſſelben verfügen;
  • 3) Feldmeſſer, Verſteigerer, Mäkler, Güterbeſtätiger, Schaff-
    ner, Wäger, Meſſer, Bracker, Schauer, Stauer und andere
    zur Betreibung ihres Gewerbes von der Obrigkeit ver-
    pflichtete Perſonen, wenn ſie bei den ihnen übertragenen
    Geſchäften abſichtlich diejenigen benachtheiligen, deren
    Geſchäfte ſie beſorgen.

Wird die Untreue begangen, um ſich oder einem Anderen
einen Vermögensvortheil zu verſchaffen, ſo kann neben der Ge-
fängnißſtrafe auf Geldſtrafe bis zu Eintauſend Thalern erkannt
werden.


Dreiundzwanzigſter Abſchnitt.
Urkundenfälſchung.


§. 267.

Wer in rechtswidriger Abſicht eine inländiſche oder aus-
ländiſche öffentliche Urkunde oder eine ſolche Privaturkunde,
welche zum Beweiſe von Rechten oder Rechtsverhältniſſen von
Erheblichkeit iſt, verfälſcht oder fälſchlich anfertigt und von
derſelben zum Zwecke einer Täuſchung Gebrauch macht, wird
wegen Urkundenfälſchung mit Gefängniß beſtraft.


§. 268.

Eine Urkundenfälſchung, welche in der Abſicht begangen
5*
[68] wird, ſich oder einem Anderen einen Vermögensvortheil zu ver-
ſchaffen oder einem Anderen Schaden zuzufügen, wird beſtraft,
wenn


  • 1) die Urkunde eine Privaturkunde iſt, mit Zuchthaus bis
    zu fünf Jahren, neben welchem auf Geldſtrafe bis zu
    Eintauſend Thalern erkannt werden kann;
  • 2) die Urkunde eine öffentliche iſt, mit Zuchthaus bis zu
    zehn Jahren, neben welchem auf Geldſtrafe von funfzig
    bis zu zweitauſend Thalern erkannt werden kann.

Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe ein, welche bei der Fälſchung einer Privaturkunde nicht
unter Einer Woche, bei der Fälſchung einer öffentlichen Ur-
kunde nicht unter drei Monaten betragen ſoll. Neben der Ge-
fängnißſtrafe kann zugleich auf Geldſtrafe bis zu Eintauſend Tha-
lern erkannt werden.


§. 269.

Der fälſchlichen Anfertigung einer Urkunde wird es gleich
geachtet, wenn Jemand einem mit der Unterſchrift eines Anderen
verſehenen Papiere ohne deſſen Willen oder deſſen Anordnungen
zuwider durch Ausfüllung einen urkundlichen Inhalt gibt.


§. 270.

Der Urkundenfälſchung wird es gleich geachtet, wenn Je-
mand von einer falſchen oder verfälſchten Urkunde, wiſſend,
daß ſie falſch oder verfälſcht iſt, zum Zwecke einer Täuſchung
Gebrauch macht.


§. 271.

Wer vorſätzlich bewirkt, daß Erklärungen, Verhandlungen
oder Thatſachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältniſſe von
Erheblichkeit ſind, in öffentlichen Urkunden, Büchern oder Re-
giſtern als abgegeben oder geſchehen beurkundet werden, wäh-
rend ſie überhaupt nicht oder in anderer Weiſe oder von einer
Perſon in einer ihr nicht zuſtehenden Eigenſchaft oder von einer
anderen Perſon abgegeben oder geſchehen ſind, wird mit Ge-
fängniß bis zu ſechs Monaten oder mit Geldſtrafe bis zu Ein-
hundert Thalern beſtraft.


§. 272.

Wer die vorbezeichnete Handlung in der Abſicht begeht, ſich
oder einem Anderen einen Vermögensvortheil zu verſchaffen
[69] oder einem Anderen Schaden zuzufügen, wird mit Zuchthaus
bis zu zehn Jahren beſtraft, neben welchem auf Geldſtrafe von
funfzig bis zu zweitauſend Thalern erkannt werden kann.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe ein, neben welcher auf Geldſtrafe bis zu Eintauſend Thalern
erkannt werden kann.


§. 273.

Wer wiſſentlich von einer falſchen Beurkundung der im
§. 271. bezeichneten Art zum Zwecke einer Täuſchung Gebrauch
macht, wird nach Vorſchrift jenes Paragraphen und, wenn die
Abſicht dahin gerichtet war, ſich oder einem Anderen einen
Vermögensvortheil zu verſchaffen oder einem Anderen Schaden
zuzufügen, nach Vorſchrift des §. 272. beſtraft.


§. 274.

Mit Gefängniß, neben welchem auf Geldſtrafe bis zu Ein-
tauſend Thalern erkannt werden kann, wird beſtraft, wer


  • 1) eine Urkunde, welche ihm entweder überhaupt nicht oder
    nicht ausſchließlich gehört, in der Abſicht, einem Anderen
    Nachtheile zuzufügen, vernichtet, beſchädigt oder unter-
    drückt, oder
  • 2) einen Grenzſtein oder ein anderes zur Bezeichnung einer
    Grenze oder eines Waſſerſtandes beſtimmtes Merkmal in
    der Abſicht, einem Anderen Nachtheil zuzufügen, weg-
    nimmt, vernichtet, unkenntlich macht, verrückt oder
    fälſchlich ſetzt.

§. 275.

Mit Gefängniß nicht unter drei Monaten wird beſtraft,
wer


  • 1) wiſſentlich von falſchem oder gefälſchtem Stempel-
    papier, von falſchen oder gefälſchten Stempelmarken,
    Stempelblanketten, Stempelabdrücken, Poſt- oder Tele-
    graphen-Freimarken oder geſtempelten Briefcouverts Ge-
    brauch macht,
  • 2) unechtes Stempelpapier, unechte Stempelmarken, Stempel-
    blankette oder Stempelabdrücke für Spielkarten, Kalender,
    Päſſe, Zeitungen oder ſonſtige Druckſachen oder Schrift-
    ſtücke, ingleichen wer unechte Poſt- oder Telegraphen-
    [70] Freimarken oder geſtempelte Briefcouverts in der Ab-
    ſicht anfertigt, ſie als echt zu verwenden, oder
  • 3) echtes Stempelpapier, echte Stempelmarken, Stempel-
    blankette, Stempelabdrücke, Poſt- oder Telegraphen-
    Freimarken oder geſtempelte Briefcouverts in der Abſicht
    verfälſcht, ſie zu einem höheren Werthe zu verwenden.

§. 276.

Wer wiſſentlich ſchon einmal zu ſtempelpflichtigen Urkunden,
Schriftſtücken oder Formularen verwendetes Stempelpapier oder
ſchon einmal verwendete Stempelmarken oder Stempelblankette,
ingleichen Stempelabdrücke, welche zum Zeichen ſtattgehabter
Verſteuerung gedient haben, zu ſtempelpflichtigen Schriftſtücken
verwendet, wird, außer der Strafe, welche durch die Ent-
ziehung der Stempelſteuer begründet iſt, mit Geldſtrafe bis zu
zweihundert Thalern beſtraft.


§. 277.

Wer unter der ihm nicht zuſtehenden Bezeichnung als Arzt
oder als eine andere approbirte Medizinalperſon oder unbe-
rechtigt unter dem Namen ſolcher Perſonen ein Zeugniß über
ſeinen oder eines Anderen Geſundheitszuſtand ausſtellt oder ein
derartiges echtes Zeugniß verfälſcht, und davon zur Täuſchung
von Behörden oder Verſicherungsgeſellſchaften Gebrauch macht,
wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre beſtraft.


§. 278.

Aerzte und andere approbirte Medizinalperſonen, welche ein
unrichtiges Zeugniß über den Geſundheitszuſtand eines Menſchen
zum Gebrauche bei einer Behörde oder Verſicherungsgeſellſchaft
wider beſſeres Wiſſen ausſtellen, werden mit Gefängniß von
Einem Monat bis zu zwei Jahren beſtraft.


§. 279.

Wer, um eine Behörde oder eine Verſicherungsgeſellſchaft über
ſeinen oder eines Anderen Geſundheitszuſtand zu täuſchen, von
einem Zeugniſſe der in den §§. 277. und 278. bezeichneten Art
Gebrauch macht, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre beſtraft.


§. 280.

Neben einer nach Vorſchrift der §§. 267. 274. 275. 277.
bis 279. erkannten Gefängnißſtrafe kann auf Verluſt der bür-
gerlichen Ehrenrechte erkannt werden.


[71]

Vierundzwanzigſter Abſchnitt.
Bankerutt.


§. 281.

Kaufleute, welche ihre Zahlungen eingeſtellt haben, werden
wegen betrüglichen Bankerutts mit Zuchthaus beſtraft, wenn ſie,
in der Abſicht ihre Gläubiger zu benachtheiligen,


  • 1) Vermögensſtücke verheimlicht oder bei Seite geſchafft
    haben,
  • 2) Schulden oder Rechtsgeſchäfte anerkannt oder aufgeſtellt
    haben, welche ganz oder theilweiſe erdichtet ſind,
  • 3) Handelsbücher zu führen unterlaſſen haben, deren Führung
    ihnen geſetzlich oblag, oder
  • 4) ihre Handelsbücher vernichtet oder verheimlicht oder ſo
    geführt oder verändert haben, daß dieſelben keine Ueber-
    ſicht des Vermögenszuſtandes gewähren.

Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe nicht unter drei Monaten ein.


§. 282.

Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird beſtraft, wer


  • 1) im Intereſſe eines Kaufmanns, welcher ſeine Zahlungen
    eingeſtellt hat, Vermögensſtücke deſſelben verheimlicht
    oder bei Seite geſchafft hat, oder
  • 2) im Intereſſe eines Kaufmanns, welcher ſeine Zahlungen
    eingeſtellt hat, oder, um ſich oder einem Anderen Ver-
    mögensvortheil zu verſchaffen, erdichtete Forderungen im
    eigenen Namen oder durch vorgeſchobene Perſonen gel-
    tend gemacht hat.

Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe oder Geldſtrafe bis zu zweitauſend Thalern ein.


§. 283.

Kaufleute, welche ihre Zahlungen eingeſtellt haben, werden
wegen einfachen Bankerutts mit Gefängniß bis zu zwei Jahren
beſtraft, wenn ſie


  • 1) durch Aufwand, Spiel oder Differenzhandel mit Waaren
    oder Börſenpapieren übermäßige Summen verbraucht ha-
    ben oder ſchuldig geworden ſind,

[72]
  • 2) Handelsbücher zu führen unterlaſſen haben, deren Füh-
    rung ihnen geſetzlich oblag, oder dieſelben verheimlicht,
    vernichtet oder ſo unordentlich geführt haben, daß ſie
    keine Ueberſicht des Vermögenszuſtandes gewähren, oder
  • 3) es unterlaſſen haben, die Bilanz ihres Vermögens in der
    geſetzlich vorgeſchriebenen Zeit zu ziehen.

Fünfundzwanzigſter Abſchnitt.
Strafbarer Eigennutz und Verletzung fremder Geheimniſſe.


§. 284.

Wer aus dem Glücksſpiele ein Gewerbe macht, wird mit Gefäng-
niß bis zu zwei Jahren beſtraft, neben welchem auf Geldſtrafe
von Einhundert bis zu zweitauſend Thalern, ſowie auf Verluſt
der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann.


Iſt der Verurtheilte ein Ausländer, ſo iſt die Landespolizei-
behörde befugt, denſelben aus dem Bundesgebiete zu verweiſen.


§. 285.

Der Inhaber eines öffentlichen Verſammlungsorts, welcher
Glücksſpiele daſelbſt geſtattet oder zur Verheimlichung ſolcher
Spiele mitwirkt, wird mit Geldſtrafe bis zu fünfhundert Tha-
lern beſtraft.


§. 286.

Wer ohne obrigkeitliche Erlaubniß öffentliche Lotterien ver-
anſtaltet, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren oder mit
Geldſtrafe bis zu Eintauſend Thalern beſtraft.


Den Lotterien ſind öffentlich veranſtaltete Ausſpielungen
beweglicher oder unbeweglicher Sachen gleich zu achten.


§. 287.

Wer Waaren oder deren Verpackung fälſchlich mit dem
Namen oder der Firma eines inländiſchen Fabrikunternehmers,
Produzenten oder Kaufmanns bezeichnet oder wiſſentlich der-
gleichen fälſchlich bezeichnete Waaren in Verkehr bringt, wird
mit Geldſtrafe von funfzig bis zu Eintauſend Thalern oder mit
Gefängniß bis zu ſechs Monaten beſtraft.


Dieſelbe Strafe tritt ein, wenn die Handlung gegen Ange-
hörige eines fremden Staats gerichtet iſt, in welchem nach ver-
[73] öffentlichten Staatsverträgen oder nach Geſetzen die Gegen-
ſeitigkeit verbürgt iſt.


Die Strafe wird dadurch nicht ausgeſchloſſen, daß bei der
Waarenbezeichnung der Name oder die Firma mit ſo geringen
Abänderungen wiedergegeben wird, daß die letzteren nur durch
Anwendung beſonderer Aufmerkſamkeit wahrgenommen werden
können.


§. 288.

Wer bei einer ihm drohenden Zwangsvollſtreckung in der
Abſicht, die Befriedigung des Gläubigers zu vereiteln, Beſtand-
theile ſeines Vermögens veräußert oder bei Seite ſchafft, wird
mit Gefängniß bis zu zwei Jahren beſtraft.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Gläubigers ein.


§. 289.

Wer ſeine eigene bewegliche Sache, oder eine fremde be-
wegliche Sache zu Gunſten des Eigenthümers derſelben, dem
Nutznießer, Pfandgläubiger oder demjenigen, welchem an der
Sache ein Gebrauchs- oder Zurückbehaltungsrecht zuſteht, in
rechtswidriger Abſicht wegnimmt, wird mit Gefängniß bis zu
drei Jahren oder mit Geldſtrafe bis zu dreihundert Thalern
beſtraft.


Neben der Gefängnißſtrafe kann auf Verluſt der bürgerlichen
Ehrenrechte erkannt werden.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.


Die Beſtimmungen des §. 247. Abſatz 2. und 3. finden
auch hier Anwendung.


§. 290.

Oeffentliche Pfandleiher, welche die von ihnen in Pfand
genommenen Gegenſtände unbefugt in Gebrauch nehmen, wer-
den mit Gefängniß bis zu Einem Jahre, neben welchem auf
Geldſtrafe bis zu dreihundert Thalern erkannt werden kann,
beſtraft.


§. 291.

Wer die bei den Uebungen der Artillerie verſchoſſene Mu-
nition, oder wer Bleikugeln aus den Kugelfängen der Schieß-
ſtände der Truppen ſich widerrechtlich zueignet, wird mit Ge-
[74] fängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geldſtrafe bis zu drei-
hundert Thalern beſtraft.


§. 292.

Wer an Orten, an denen zu jagen er nicht berechtigt iſt,
die Jagd ausübt, wird mit Geldſtrafe bis zu Einhundert Tha-
lern oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten beſtraft.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.


§. 293.

Die Strafe kann auf Geldſtrafe bis zu zweihundert Thalern
oder auf Gefängniß bis zu ſechs Monaten erhöht werden,
wenn dem Wilde nicht mit Schießgewehr oder Hunden, ſondern
mit Schlingen, Netzen, Fallen oder anderen Vorrichtungen nach-
geſtellt oder, wenn das Vergehen während der geſetzlichen Schon-
zeit, in Wäldern, zur Nachtzeit oder gemeinſchaftlich von Mehreren
begangen wird.


§. 294.

Wer unberechtigtes Jagen gewerbsmäßig betreibt, wird mit
Gefängniß nicht unter drei Monaten beſtraft; auch kann auf
Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte, ſowie auf Zuläſſigkeit von
Polizei-Aufſicht erkannt werden.


§. 295.

Neben der durch das Jagdvergehen verwirkten Strafe iſt
auf Einziehung des Gewehrs, des Jagdgeräths und der Hunde,
welche der Thäter bei dem unberechtigten Jagen bei ſich geführt
hat, ingleichen der Schlingen, Netze, Fallen und anderen Vor-
richtungen zu erkennen, ohne Unterſchied, ob ſie dem Verur-
theilten gehören oder nicht.


§. 296.

Wer zur Nachtzeit, bei Fackellicht oder unter Anwendung
ſchädlicher oder explodirender Stoffe unberechtigt fiſcht oder
krebſt, wird mit Geldſtrafe bis zu zweihundert Thalern oder
mit Gefängniß bis zu ſechs Monaten beſtraft.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.


§. 297.

Ein Reiſender oder Schiffsmann, welcher ohne Vorwiſſen
des Schiffers, ingleichen ein Schiffer, welcher ohne Vorwiſſen
des Rheders Gegenſtände an Bord nimmt, welche das Schiff
oder die Ladung gefährden, indem ſie die Beſchlagnahme oder
[75] Einziehung des Schiffes oder der Ladung veranlaſſen können,
wird mit Geldſtrafe bis zu fünfhundert Thalern oder mit Gefäng-
niß bis zu zwei Jahren beſtraft.


§. 298.

Ein Schiffsmann, welcher mit der Heuer entläuft, oder ſich
verborgen hält, um ſich dem übernommenen Dienſte zu ent-
ziehen, wird, ohne Unterſchied, ob das Vergehen im Inlande
oder im Auslande begangen worden iſt, mit Gefängniß bis
zu Einem Jahre beſtraft.


§. 299.

Wer einen verſchloſſenen Brief oder eine andere verſchloſſene
Urkunde, die nicht zu ſeiner Kenntnißnahme beſtimmt iſt, vor-
ſätzlich und unbefugter Weiſe eröffnet, wird mit Geldſtrafe bis
zu Einhundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu drei Mo-
naten beſtraft.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.


§. 300.

Rechtsanwalte, Advokaten, Notare, Vertheidiger in Straf-
ſachen, Aerzte, Wundärzte, Hebeammen, Apotheker, ſowie die
Gehülfen dieſer Perſonen werden, wenn ſie unbefugt Privat-
geheimniſſe offenbaren, die ihnen kraft ihres Amtes, Standes
oder Gewerbes anvertraut ſind, mit Geldſtrafe bis zu fünf-
hundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten
beſtraft.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.


§. 301.

Wer in gewinnſüchtiger Abſicht und unter Benutzung des
Leichtſinns oder der Unerfahrenheit eines Minderjährigen ſich
von demſelben Schuldſcheine, Wechſel, Empfangsbekenntniſſe,
Bürgſchaftsinſtrumente oder eine andere, eine Verpflichtung
enthaltende Urkunde ausſtellen oder auch nur mündlich ein
Zahlungsverſprechen ertheilen läßt, wird mit Gefängniß bis zu
ſechs Monaten oder mit Geldſtrafe bis zu fünfhundert Thalern
beſtraft.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.


§. 302.

Wer in gewinnſüchtiger Abſicht und unter Benutzung des
Leichtſinns oder der Unerfahrenheit eines Minderjährigen ſich
[76] von demſelben unter Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort,
eidlich oder unter ähnlichen Verſicherungen oder Betheuerungen
die Zahlung einer Geldſumme oder die Erfüllung einer anderen,
auf Gewährung geldwerther Sachen gerichteten Verpflichtung
aus einem Rechtsgeſchäfte verſprechen läßt, wird mit Gefäng-
niß bis zu Einem Jahre oder mit Geldſtrafe bis zu Eintauſend
Thalern beſtraft.


Neben der Gefängnißſtrafe kann auf Verluſt der bürger-
lichen Ehrenrechte erkannt werden.


Dieſelbe Strafe trifft denjenigen, welcher ſich eine For-
derung, von der er weiß, daß deren Berichtigung ein Min-
derjähriger in der vorbezeichneten Weiſe verſprochen hat, ab-
treten läßt.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.


Sechsundzwanzigſter Abſchnitt.
Sachbeſchädigung.


§. 303.

Wer vorſätzlich und rechtswidrig eine fremde Sache beſchädigt
oder zerſtört, wird mit Geldſtrafe bis zu dreihundert Thalern
oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren beſtraft.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.


§. 304.

Wer vorſätzlich und rechtswidrig Gegenſtände der Verehrung
einer im Staate beſtehenden Religionsgeſellſchaft, oder Sachen,
die dem Gottesdienſte gewidmet ſind, oder Grabmäler, öffent-
liche Denkmäler, Gegenſtände der Kunſt, der Wiſſenſchaft oder
des Gewerbes, welche in öffentlichen Sammlungen aufbewahrt
werden oder öffentlich aufgeſtellt ſind, oder Gegenſtände, welche
zum öffentlichen Nutzen oder zur Verſchönerung öffentlicher Wege,
Plätze oder Anlagen dienen, beſchädigt oder zerſtört, wird mit
Gefängniß bis zu drei Jahren oder mit Geldſtrafe bis zu
fünfhundert Thalern beſtraft.


[77]

Neben der Gefängnißſtrafe kann auf Verluſt der bürgerlichen
Ehrenrechte erkannt werden.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


§. 305.

Wer vorſätzlich und rechtswidrig ein Gebäude, ein Schiff,
eine Brücke, einen Damm, eine gebaute Straße, eine Eiſen-
bahn oder ein anderes Bauwerk, welche fremdes Eigenthum
ſind, ganz oder theilweiſe zerſtört, wird mit Gefängniß nicht
unter Einem Monat beſtraft.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


Siebenundzwanzigſter Abſchnitt.
Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen.


§. 306.

Wegen Brandſtiftung wird mit Zuchthaus beſtraft, wer vor-
ſätzlich in Brand ſetzt


  • 1) ein zu gottesdienſtlichen Verſammlungen beſtimmtes Ge-
    bäude,
  • 2) ein Gebäude, ein Schiff oder eine Hütte, welche zur
    Wohnung von Menſchen dienen, oder
  • 3) eine Räumlichkeit, welche zeitweiſe zum Aufenthalt von
    Menſchen dient, und zwar zu einer Zeit, während wel-
    cher Menſchen in derſelben ſich aufzuhalten pflegen.

§. 307.

Die Brandſtiftung (§. 306.) wird mit Zuchthaus nicht
unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus be-
ſtraft, wenn


  • 1) der Brand den Tod eines Menſchen dadurch verurſacht
    hat, daß dieſer zur Zeit der That in einer der in Brand
    geſetzten Räumlichkeiten ſich befand;
  • 2) die Brandſtiftung in der Abſicht begangen worden iſt,
    um unter Begünſtigung derſelben Mord oder Raub zu
    begehen oder einen Aufruhr zu erregen, oder
  • 3) der Brandſtifter, um das Löſchen des Feuers zu ver-
    hindern oder zu erſchweren, Löſchgeräthſchaften entfernt
    oder unbrauchbar gemacht hat.

[78]
§. 308.

Wegen Brandſtiftung wird mit Zuchthaus bis zu zehn
Jahren beſtraft, wer vorſätzlich Gebäude, Schiffe, Hütten, Berg-
werke, Magazine, Waarenvorräthe, welche auf dazu beſtimm-
ten öffentlichen Plätzen lagern, Vorräthe von landwirthſchaft-
lichen Erzeugniſſen oder von Bau- oder Brennmaterialien, Früchte
auf dem Felde, Waldungen oder Torfmoore in Brand ſetzt,
wenn dieſe Gegenſtände entweder fremdes Eigenthum ſind, oder
zwar dem Brandſtifter eigenthümlich gehören, jedoch ihrer Be-
ſchaffenheit und Lage nach geeignet ſind, das Feuer einer
der im §. 306. Nr. 1. bis 3. bezeichneten Räumlichkeiten oder
einem der vorſtehend bezeichneten fremden Gegenſtände mitzu-
theilen.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe nicht unter ſechs Monaten ein.


§. 309.

Wer durch Fahrläſſigkeit einen Brand der in den §§. 306.
und 308. bezeichneten Art herbeiführt, wird mit Gefängniß bis
zu Einem Jahre oder mit Geldſtrafe bis zu dreihundert Thalern
und, wenn durch den Brand der Tod eines Menſchen verur-
ſacht worden iſt, mit Gefängniß von Einem Monat bis zu
drei Jahren beſtraft.


§. 310.

Hat der Thäter den Brand, bevor derſelbe entdeckt und
ein weiterer als der durch die bloße Inbrandſetzung bewirkte
Schaden entſtanden war, wieder gelöſcht, ſo tritt Strafloſig-
keit ein.


§. 311.

Die gänzliche oder theilweiſe Zerſtörung einer Sache durch
Gebrauch von Pulver oder anderen explodirenden Stoffen iſt
der Inbrandſetzung der Sache gleich zu achten.


§. 312.

Wer mit gemeiner Gefahr für Menſchenleben vorſätzlich eine
Ueberſchwemmung herbeiführt, wird mit Zuchthaus nicht unter
drei Jahren und, wenn durch die Ueberſchwemmung der Tod
eines Menſchen verurſacht worden iſt, mit Zuchthaus nicht
unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus beſtraft.


[79]
§. 313.

Wer mit gemeiner Gefahr für das Eigenthum vorſätzlich
eine Ueberſchwemmung herbeiführt, wird mit Zuchthaus beſtraft.


Iſt jedoch die Abſicht des Thäters nur auf Schutz ſeines
Eigenthums gerichtet geweſen, ſo iſt auf Gefängniß nicht unter
Einem Jahre zu erkennen.


§. 314.

Wer eine Ueberſchwemmung mit gemeiner Gefahr für Leben
oder Eigenthum durch Fahrläſſigkeit herbeiführt, wird mit Ge-
fängniß bis zu Einem Jahre und, wenn durch die Ueber-
ſchwemmung der Tod eines Menſchen verurſacht worden iſt, mit
Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren beſtraft.


§. 315.

Wer vorſätzlich Eiſenbahnanlagen, Beförderungsmittel oder
ſonſtiges Zubehör derſelben dergeſtalt beſchädigt, oder auf der
Fahrbahn durch falſche Zeichen oder Signale oder auf andere
Weiſe ſolche Hinderniſſe bereitet, daß dadurch der Transport
in Gefahr geſetzt wird, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren
beſtraft.


Iſt durch die Handlung eine ſchwere Körperverletzung ver-
urſacht worden, ſo tritt Zuchthausſtrafe nicht unter fünf Jahren
und, wenn der Tod eines Menſchen verurſacht worden iſt,
Zuchthausſtrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche
Zuchthausſtrafe ein.


§. 316.

Wer fahrläſſigerweiſe durch eine der vorbezeichneten Hand-
lungen den Transport auf einer Eiſenbahn in Gefahr ſetzt,
wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn durch
die Handlung der Tod eines Menſchen verurſacht worden iſt,
mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren beſtraft.


Gleiche Strafe trifft die zur Leitung der Eiſenbahnfahrten
und zur Aufſicht über die Bahn und den Beförderungsbetrieb
angeſtellten Perſonen, wenn ſie durch Vernachläſſigung der ihnen
obliegenden Pflichten einen Transport in Gefahr ſetzen.


§. 317.

Wer gegen eine zu öffentlichen Zwecken dienende Tele-
graphenanſtalt vorſätzlich Handlungen begeht, welche die Be-
[80] nutzung dieſer Anſtalt verhindern oder ſtören, wird mit Ge-
fängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren beſtraft.


§. 318.

Wer gegen eine zu öffentlichen Zwecken dienende Telegra-
phenanſtalt fahrläſſiger Weiſe Handlungen begeht, welche die
Benutzung dieſer Anſtalt verhindern oder ſtören, wird mit
Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geldſtrafe bis zu
dreihundert Thalern beſtraft.


Gleiche Strafe trifft die zur Beaufſichtigung und Bedienung
der Telegraphenanſtalten und ihrer Zubehörungen angeſtellten
Perſonen, wenn ſie durch Vernachläſſigung der ihnen obliegen-
den Pflichten die Benutzung der Anſtalt verhindern oder ſtören.


§. 319.

Wird einer der in den §§. 316. und 318. erwähnten Ange-
ſtellten wegen einer der daſelbſt bezeichneten Handlungen ver-
urtheilt, ſo kann derſelbe zugleich für unfähig zu einer Be-
ſchäftigung im Eiſenbahn- oder Telegraphendienſte oder in be-
ſtimmten Zweigen dieſer Dienſte erklärt werden.


§. 320.

Die Vorſteher einer Eiſenbahngeſellſchaft, ſowie die Vor-
ſteher einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenanſtalt,
welche nicht ſofort nach Mittheilung des rechtskräftigen Erkennt-
niſſes die Entfernung des Verurtheilten bewirken, werden mit
Geldſtrafe bis zu Einhundert Thalern oder mit Gefängniß bis
zu drei Monaten beſtraft.


Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher für unfähig zum
Eiſenbahn- oder Telegraphendienſte erklärt worden iſt, wenn
er ſich nachher bei einer Eiſenbahn oder Telegraphenanſtalt
wieder anſtellen läßt, ſowie diejenigen, welche ihn wieder
angeſtellt haben, obgleich ihnen die erfolgte Unfähigkeitserklä-
rung bekannt war.


§. 321.

Wer vorſätzlich Waſſerleitungen, Schleuſen, Wehre, Deiche,
Dämme oder andere Waſſerbauten oder Brücken, Fähren, Wege
oder Schutzwehre zerſtört oder beſchädigt, oder in ſchiffbaren
Strömen, Flüſſen oder Kanälen das Fahrwaſſer ſtört und durch
eine dieſer Handlungen Gefahr für das Leben oder die Geſund-
[81] heit Anderer herbeiführt, wird mit Gefängniß nicht unter drei
Monaten beſtraft.


Iſt durch eine dieſer Handlungen eine ſchwere Körperver-
letzung verurſacht worden, ſo tritt Zuchthausſtrafe bis zu fünf
Jahren und, wenn der Tod eines Menſchen verurſacht worden
iſt, Zuchthausſtrafe nicht unter fünf Jahren ein.


§. 322.

Wer vorſätzlich ein zur Sicherung der Schifffahrt beſtimmtes
Feuerzeichen oder ein anderes zu dieſem Zwecke aufgeſtelltes Zei-
chen zerſtört, wegſchafft oder unbrauchbar macht, oder ein ſol-
ches Feuerzeichen auslöſcht oder ſeiner Dienſtpflicht zuwider nicht
aufſtellt, oder ein falſches Zeichen, welches geeignet iſt, die
Schifffahrt unſicher zu machen, aufſtellt, insbeſondere zur Nacht-
zeit auf der Strandhöhe Feuer anzündet, welches die Schiff-
fahrt zu gefährden geeignet iſt, wird mit Zuchthaus bis zu
zehn Jahren beſtraft.


Iſt durch die Handlung die Strandung eines Schiffes ver-
urſacht worden, ſo tritt Zuchthausſtrafe nicht unter fünf
Jahren und, wenn der Tod eines Menſchen verurſacht worden
iſt, Zuchthausſtrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche
Zuchthausſtrafe ein.


§. 323.

Wer vorſätzlich die Strandung oder das Sinken eines Schiffes
bewirkt und dadurch Gefahr für das Leben eines Anderen herbei-
führt, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn
durch die Handlung der Tod eines Menſchen verurſacht wor-
den iſt, mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebens-
länglichem Zuchthaus beſtraft.


§. 324.

Wer vorſätzlich Brunnen- oder Waſſerbehälter, welche zum
Gebrauche Anderer dienen, oder Gegenſtände, welche zum öffent-
lichen Verkaufe oder Verbrauche beſtimmt ſind, vergiftet oder
denſelben Stoffe beimiſcht, von denen ihm bekannt iſt, daß ſie
die menſchliche Geſundheit zu zerſtören geeignet ſind, ingleichen
wer ſolche vergiftete oder mit gefährlichen Stoffen vermiſchte
Sachen wiſſentlich und mit Verſchweigung dieſer Eigenſchaft ver-
kauft, feilhält oder ſonſt in Verkehr bringt, wird mit Zuchthaus
bis zu zehn Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod
Strafgeſetzbuch. 6
[82] eines Menſchen verurſacht worden iſt, mit Zuchthaus nicht unter
zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus beſtraft.


§. 325.

Neben der nach den Vorſchriften der §§. 306. bis 308. 311.
bis 313. 315. 321. bis 324. erkannten Zuchthausſtrafe kann
auf Zuläſſigkeit von Polizei-Aufſicht erkannt werden.


§. 326.

Iſt eine der in den §§. 321. bis 324. bezeichneten Hand-
lungen aus Fahrläſſigkeit begangen worden, ſo iſt, wenn durch
die Handlung ein Schaden verurſacht worden iſt, auf Gefängniß
bis zu Einem Jahre und, wenn der Tod eines Menſchen ver-
urſacht worden iſt, auf Gefängniß von Einem Monat bis zu
drei Jahren zu erkennen.


§. 327.

Wer die Abſperrungs- oder Aufſichts-Maßregeln oder Ein-
fuhrverbote, welche von der zuſtändigen Behörde zur Verhütung
des Einführens oder Verbreitens einer anſteckenden Krankheit
angeordnet worden ſind, wiſſentlich verletzt, wird mit Gefängniß
bis zu zwei Jahren beſtraft.


Iſt in Folge dieſer Verletzung ein Menſch von der an-
ſteckenden Krankheit ergriffen worden, ſo tritt Gefängnißſtrafe
von drei Monaten bis zu drei Jahren ein.


§. 328.

Wer die Abſperrungs- oder Aufſichts-Maßregeln oder Ein-
fuhrverbote, welche von der zuſtändigen Behörde zur Verhütung
des Einführens oder Verbreitens von Viehſeuchen angeordnet
worden ſind, wiſſentlich verletzt, wird mit Gefängniß bis zu
Einem Jahre beſtraft.


Iſt in Folge dieſer Verletzung Vieh von der Seuche ergriffen
worden, ſo tritt Gefängnißſtrafe von Einem Monat bis zu zwei
Jahren ein.


§. 329.

Wer die mit einer Behörde geſchloſſenen Lieferungsverträge
über Bedürfniſſe des Heeres oder der Marine zur Zeit eines
Krieges, oder über Lebensmittel zur Abwendung oder Beſei-
tigung eines Nothſtandes, vorſätzlich entweder nicht zur be-
ſtimmten Zeit oder nicht in der vorbedungenen Weiſe erfüllt,
[83] wird mit Gefängniß nicht unter ſechs Monaten beſtraft; auch
kann auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.


Liegt der Nichterfüllung des Vertrages Fahrläſſigkeit zum
Grunde, ſo iſt, wenn durch die Handlung ein Schaden verurſacht
worden iſt, auf Gefängniß bis zu zwei Jahren zu erkennen.


Dieſelben Strafen finden auch gegen die Unterlieferanten,
Vermittler und Bevollmächtigten des Lieferanten Anwendung,
welche mit Kenntniß des Zweckes der Lieferung die Richterfüllung
derſelben vorſätzlich oder aus Fahrläſſigkeit verurſachen.


§. 330.

Wer bei der Leitung oder Ausführung eines Baues wider
die allgemein anerkannten Regeln der Baukunſt dergeſtalt han-
delt, daß hieraus für Andere Gefahr entſteht, wird mit Geld-
ſtrafe bis zu dreihundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu
Einem Jahre beſtraft.


Achtundzwanzigſter Abſchnitt.
Verbrechen und Vergehen im Amte.


§. 331.

Ein Beamter, welcher für eine in ſein Amt einſchlagende,
an ſich nicht pflichtwidrige Handlung Geſchenke oder andere
Vortheile annimmt, fordert oder ſich verſprechen läßt, wird mit
Geldſtrafe bis zu Einhundert Thalern oder mit Gefängniß bis
zu ſechs Monaten beſtraft.


§. 332.

Ein Beamter, welcher für eine Handlung, die eine Ver-
letzung einer Amts- oder Dienſtpflicht enthält, Geſchenke oder
andere Vortheile annimmt, fordert oder ſich verſprechen läßt,
wird wegen Beſtechung mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren
beſtraft.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe ein.


§. 333.

Wer einem Beamten oder einem Mitgliede der bewaffneten
Macht Geſchenke oder andere Vortheile anbietet, verſpricht oder
gewährt, um ihn zu einer Handlung, die eine Verletzung einer
6*
[84] Amts- oder Dienſtpflicht enthält, zu beſtimmen, wird wegen
Beſtechung mit Gefängniß beſtraft; auch kann auf Verluſt der
bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo kann auf Geld-
ſtrafe bis zu fünfhundert Thalern erkannt werden.


§. 334.

Ein Richter, Schiedsrichter, Geſchworener oder Schöffe, wel-
cher Geſchenke oder andere Vortheile fordert, annimmt oder ſich
verſprechen läßt, um eine Rechtsſache, deren Leitung oder Ent-
ſcheidung ihm obliegt, zu Gunſten oder zum Nachtheile eines
Betheiligten zu leiten oder zu entſcheiden, wird mit Zuchthaus
beſtraft.


Derjenige, welcher einem Richter, Schiedsrichter, Geſchwo-
renen oder Schöffen zu dem vorbezeichneten Zwecke Geſchenke
oder andere Vortheile anbietet, verſpricht oder gewährt, wird
mit Zuchthaus beſtraft. Sind mildernde Umſtände vorhanden,
ſo tritt Gefängnißſtrafe ein.


§. 335.

In den Fällen der §§. 331. bis 334. iſt im Urtheile das
Empfangene oder der Werth deſſelben für dem Staate verfallen
zu erklären.


§. 336.

Ein Beamter oder Schiedsrichter, welcher ſich bei der
Leitung oder Entſcheidung einer Rechtsſache vorſätzlich zu Gunſten
oder zum Nachtheile einer Partei einer Beugung des Rechtes
ſchuldig macht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren beſtraft.


§. 337.

Ein Geiſtlicher oder anderer Religionsdiener, welcher zu den
religiöſen Feierlichkeiten einer Eheſchließung ſchreitet, bevor ihm
nachgewieſen worden iſt, daß eine Heirathsurkunde von dem Per-
ſonenſtandsbeamten aufgenommen ſei, wird, wenn zur bürger-
lichen Gültigkeit der Ehe die Aufnahme einer Heirathsurkunde
erforderlich iſt, mit Geldſtrafe bis zu Einhundert Thalern oder
mit Gefängniß bis zu drei Monaten beſtraft.


§. 338.

Ein Religionsdiener oder Perſonenſtandsbeamter, welcher,
wiſſend, daß eine Perſon verheirathet iſt, eine neue Ehe der-
ſelben ſchließt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren beſtraft.


[85]
§. 339.

Ein Beamter, welcher durch Mißbrauch ſeiner Amtsgewalt
oder durch Androhung eines beſtimmten Mißbrauchs derſelben
Jemand zu einer Handlung, Duldung oder Unterlaſſung wider-
rechtlich nöthigt, wird mit Gefängniß beſtraft.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


In den Fällen der §§. 106. 107. 167. und 253. tritt
die daſelbſt angedrohte Strafe ein, wenn die Handlung von
einem Beamten, wenn auch ohne Gewalt oder Drohung, aber
durch Mißbrauch ſeiner Amtsgewalt oder Androhung eines be-
ſtimmten Mißbrauchs derſelben begangen iſt.


§. 340.

Ein Beamter, welcher in Ausübung oder in Veranlaſſung
der Ausübung ſeines Amtes vorſätzlich eine Körperverletzung
begeht oder begehen läßt, wird mit Gefängniß nicht unter
drei Monaten beſtraft. Sind mildernde Umſtände vorhanden,
ſo kann die Strafe bis auf Einen Tag Gefängniß ermäßigt
oder auf Geldſtrafe bis zu dreihundert Thalern erkannt werden.


Iſt die Körperverletzung eine ſchwere, ſo iſt auf Zuchthaus
nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Sind mildernde Um-
ſtände vorhanden, ſo tritt Gefängnißſtrafe nicht unter drei Mo-
naten ein.


§. 341.

Ein Beamter, welcher vorſätzlich, ohne hierzu berechtigt zu
ſein, eine Verhaftung oder vorläufige Ergreifung und Feſtnahme
oder Zwangsgeſtellung vornimmt oder vornehmen läßt, oder die
Dauer einer Freiheitsentziehung verlängert, wird nach Vorſchrift
des §. 239., jedoch mindeſtens mit Gefängniß von drei Mo-
naten beſtraft.


§. 342.

Ein Beamter, der in Ausübung oder in Veranlaſſung der
Ausübung ſeines Amtes einen Hausfriedensbruch (§. 123.) begeht,
wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geldſtrafe
bis zu dreihundert Thalern beſtraft.


§. 343.

Ein Beamter, welcher in einer Unterſuchung Zwangsmittel
[86] anwendet oder anwenden läßt, um Geſtändniſſe oder Ausſagen
zu erpreſſen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren beſtraft.


§. 344.

Ein Beamter, welcher vorſätzlich zum Nachtheile einer Perſon,
deren Unſchuld ihm bekannt iſt, die Eröffnung oder Fortſetzung
einer Unterſuchung beantragt oder beſchließt, wird mit Zucht-
haus beſtraft.


§. 345.

Gleiche Strafe trifft den Beamten, welcher vorſätzlich eine
Strafe vollſtrecken läßt, von der er weiß, daß ſie überhaupt
nicht oder nicht der Art oder dem Maße nach vollſtreckt wer-
den darf.


Iſt die Handlung aus Fahrläſſigkeit begangen, ſo tritt Ge-
fängnißſtrafe oder Feſtungshaft bis zu Einem Jahre oder Geld-
ſtrafe bis zu dreihundert Thalern ein.


§. 346.

Ein Beamter, welcher vermöge ſeines Amtes bei Ausübung
der Strafgewalt oder bei Vollſtreckung der Strafe mitzuwirken
hat, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren beſtraft, wenn er
in der Abſicht, Jemand der geſetzlichen Strafe rechtswidrig
zu entziehen, die Verfolgung einer ſtrafbaren Handlung unter-
läßt, oder eine Handlung begeht, welche geeignet iſt, eine Frei-
ſprechung oder eine dem Geſetze nicht entſprechende Beſtrafung
zu bewirken, oder die Vollſtreckung der ausgeſprochenen Strafe
nicht betreibt, oder eine gelindere als die erkannte Strafe zur
Vollſtreckung bringt.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe nicht unter Einem Monat ein.


§. 347.

Ein Beamter, welcher einen Gefangenen, deſſen Beaufſich-
tigung, Begleitung oder Bewachung ihm anvertraut iſt, vor-
ſätzlich entweichen läßt oder deſſen Befreiung vorſätzlich bewirkt
oder befördert, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren beſtraft.
Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängnißſtrafe
nicht unter Einem Monat ein.


Iſt die Entweichung durch Fahrläſſigkeit befördert oder er-
leichtert worden, ſo tritt Gefängnißſtrafe bis zu ſechs Monaten
oder Geldſtrafe bis zu zweihundert Thalern ein.


[87]
§. 348.

Ein Beamter, welcher, zur Aufnahme öffentlicher Urkunden
befugt, innerhalb ſeiner Zuſtändigkeit vorſätzlich eine rechtlich
erhebliche Thatſache falſch beurkundet oder in öffentliche Regiſter
oder Bücher falſch einträgt, wird mit Gefängniß nicht unter
Einem Monat beſtraft.


Dieſelbe Strafe trifft einen Beamten, welcher eine ihm
amtlich anvertraute oder zugängliche Urkunde vorſätzlich ver-
nichtet, bei Seite ſchafft, beſchädigt oder verfälſcht.


§. 349.

Wird eine der im §. 348. bezeichneten Handlungen in der
Abſicht begangen, ſich oder einem Anderen einen Vermögens-
vortheil zu verſchaffen oder einem Anderen Schaden zuzufügen,
ſo iſt auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren und zugleich auf Geld-
ſtrafe von funfzig bis zu Eintauſend Thalern zu erkennen.


§. 350.

Ein Beamter, welcher Gelder oder andere Sachen, die er
in amtlicher Eigenſchaft empfangen oder in Gewahrſam hat,
unterſchlägt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten
beſtraft; auch kann auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte
erkannt werden.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


§. 351.

Hat der Beamte in Beziehung auf die Unterſchlagung die
zur Eintragung oder Kontrole der Einnahmen oder Ausgaben
beſtimmten Rechnungen, Regiſter oder Bücher unrichtig geführt,
verfälſcht oder unterdrückt, oder unrichtige Abſchlüſſe oder Aus-
züge aus dieſen Rechnungen, Regiſtern oder Büchern, oder
unrichtige Beläge zu denſelben vorgelegt, oder iſt in Beziehung
auf die Unterſchlagung auf Fäſſern, Beuteln oder Packeten der
Geldinhalt fälſchlich bezeichnet, ſo iſt auf Zuchthaus bis zu zehn
Jahren zu erkennen.


Sind mildernde Umſtände vorhanden, ſo tritt Gefängniß-
ſtrafe nicht unter ſechs Monaten ein.


§. 352.

Ein Beamter, Advokat, Anwalt oder ſonſtiger Rechtsbeiſtand,
welcher Gebühren oder andere Vergütungen für amtliche Ver-
richtungen zu ſeinem Vortheile zu erheben hat, wird, wenn er
[88] Gebühren oder Vergütungen erhebt, von denen er weiß, daß
der Zahlende ſie überhaupt nicht oder nur in geringerem Be-
trage verſchuldet, mit Geldſtrafe bis zu Einhundert Thalern
oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre beſtraft.


Der Verſuch iſt ſtrafbar.


§. 353.

Ein Beamter, welcher Steuern, Gebühren oder andere Ab-
gaben für eine öffentliche Kaſſe zu erheben hat, wird, wenn
er Abgaben, von denen er weiß, daß der Zahlende ſie über-
haupt nicht oder nur in geringerem Betrage verſchuldet, erhebt,
und das rechtswidrig Erhobene ganz oder zum Theil nicht zur
Kaſſe bringt, mit Gefängniß nicht unter drei Monaten beſtraft.


Gleiche Strafe trifft den Beamten, welcher bei amtlichen
Ausgaben an Geld oder Naturalien dem Empfänger vorſätzlich
und rechtswidrig Abzüge macht und die Ausgaben als voll-
ſtändig geleiſtet in Rechnung ſtellt.


§. 354.

Ein Poſtbeamter, welcher die der Poſt anvertrauten Briefe
oder Packete in anderen, als den im Geſetze vorgeſehenen Fällen
eröffnet oder unterdrückt, oder einem Anderen wiſſentlich eine
ſolche Handlung geſtattet, oder ihm dabei wiſſentlich Hülfe
leiſtet, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten beſtraft.


§. 355.

Telegraphenbeamte oder andere mit der Beaufſichtigung und
Bedienung einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphen-
Anſtalt betraute Perſonen, welche die einer Telegraphenan-
ſtalt anvertrauten Depeſchen verfälſchen oder in anderen, als
in den im Geſetze vorgeſehenen Fällen eröffnen oder unterdrücken,
oder von ihrem Inhalte Dritte rechtswidrig benachrichtigen,
oder einem Anderen wiſſentlich eine ſolche Handlung geſtatten
oder ihm dabei wiſſentlich Hülfe leiſten, werden mit Gefängniß
nicht unter drei Monaten beſtraft.


§. 356.

Ein Advokat, Anwalt oder ein anderer Rechtsbeiſtand,
welcher bei den ihm vermöge ſeiner amtlichen Eigenſchaft an-
vertrauten Angelegenheiten in derſelben Rechtsſache beiden Par-
teien durch Rath oder Beiſtand pflichtwidrig dient, wird mit
Gefängniß nicht unter drei Monaten beſtraft.


[89]

Handelt derſelbe im Einverſtändniſſe mit der Gegenpartei
zum Nachtheile ſeiner Partei, ſo tritt Zuchthausſtrafe bis zu
fünf Jahren ein.


§. 357.

Ein Amtsvorgeſetzter, welcher ſeine Untergebenen zu einer
ſtrafbaren Handlung im Amte vorſätzlich verleitet oder zu ver-
leiten unternimmt, oder eine ſolche ſtrafbare Handlung ſeiner
Untergebenen wiſſentlich geſchehen läßt, hat die auf dieſe ſtraf-
bare Handlung angedrohte Strafe verwirkt.


Dieſelbe Beſtimmung findet auf einen Beamten Anwendung,
welchem eine Aufſicht oder Kontrole über die Amtsgeſchäfte eines
anderen Beamten übertragen iſt, ſofern die von dieſem letzteren
Beamten begangene ſtrafbare Handlung die zur Aufſicht oder
Kontrole gehörenden Geſchäfte betrifft.


§. 358.

Neben der nach Vorſchrift der §§. 331. 339. bis 341. 352.
bis 355. und 357. erkannten Gefängnißſtrafe kann auf Verluſt
der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer
von Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden.


§. 359.

Unter Beamten im Sinne dieſes Strafgeſetzes ſind zu ver-
ſtehen alle im Dienſte des Bundes oder in unmittelbarem oder
mittelbarem Dienſte eines Bundesſtaats, auf Lebenszeit, auf
Zeit oder nur vorläufig angeſtellte Perſonen, ohne Unterſchied, ob
ſie einen Dienſteid geleiſtet haben oder nicht, ingleichen Notare,
nicht aber Advokaten und Anwalte.


Neunundzwanzigſter Abſchnitt.
Uebertretungen.


§. 360.

Mit Geldſtrafe bis zu funfzig Thalern oder mit Haft wird
beſtraft:


  • 1) wer ohne beſondere Erlaubniß Riſſe von Feſtungen oder
    einzelnen Feſtungswerken aufnimmt oder veröffentlicht;
  • 2) wer außerhalb ſeines Gewerbebetriebes heimlich oder wider
    [90] das Verbot der Behörde Vorräthe von Waffen oder Schieß-
    bedarf aufſammelt;
  • 3) wer als beurlaubter Reſerviſt oder Wehrmann der Land-
    oder Seewehr ohne Erlaubniß auswandert;
  • 4) wer ohne ſchriftlichen Auftrag einer Behörde Stempel,
    Siegel, Stiche, Platten oder andere Formen, welche
    zur Anfertigung von Metall- oder Papiergeld, oder von
    ſolchen Papieren, welche nach §. 149. dem Papiergelde
    gleich geachtet werden, oder von Stempelpapier, öffent-
    lichen Beſcheinigungen oder Beglaubigungen dienen kön-
    nen, anfertigt oder an einen Anderen als die Behörde
    verabfolgt;
  • 5) wer ohne ſchriftlichen Auftrag einer Behörde den Ab-
    druck der in Nr. 4. genannten Stempel, Siegel, Stiche,
    Platten oder Formen, oder einen Druck von Formularen
    zu den daſelbſt bezeichneten öffentlichen Papieren, Be-
    glaubigungen oder Beſcheinigungen unternimmt, oder
    Abdrücke an einen Anderen, als die Behörde verabfolgt;
  • 6) wer Waaren-Empfehlungskarten, Ankündigungen oder
    andere Druckſachen oder Abbildungen, welche in der Form
    oder Verzierung dem Papiergelde oder den dem Papier-
    gelde nach §. 149. gleich geachteten Papieren ähnlich ſind,
    anfertigt oder verbreitet, oder wer Stempel, Stiche,
    Platten oder andere Formen, welche zur Anfertigung von
    ſolchen Druckſachen oder Abbildungen dienen können,
    anfertigt;
  • 7) wer unbefugt die Abbildung von Wappen eines Bundes-
    fürſten zur Bezeichnung von Waaren auf Aushängeſchil-
    dern oder Etiketten gebraucht;
  • 8) wer unbefugt eine Uniform, eine Amtskleidung, ein Amts-
    zeichen, einen Orden oder ein Ehrenzeichen trägt oder
    Titel, Würden oder Adelsprädikate annimmt, ingleichen
    wer ſich eines ihm nicht zukommenden Namens einem
    zuſtändigen Beamten gegenüber bedient;
  • 9) wer geſetzlichen Beſtimmungen zuwider ohne Genehmigung
    der Staatsbehörde Ausſteuer-, Sterbe- oder Wittwenkaſſen,
    Verſicherungsanſtalten oder andere dergleichen Geſell-
    ſchaften oder Anſtalten errichtet, welche beſtimmt ſind,
    [91] gegen Zahlung eines Einkaufsgeldes oder gegen Leiſtung
    von Geldbeiträgen beim Eintritte gewiſſer Bedingungen
    oder Friſten, Zahlungen an Kapital oder Rente zu leiſten;
  • 10) wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Noth
    von der Polizeibehörde oder deren Stellvertreter zur
    Hülfe aufgefordert, keine Folge leiſtet, obgleich er der
    Aufforderung ohne erhebliche eigene Gefahr genügen
    konnte;
  • 11) wer ungebührlicherweiſe ruheſtörenden Lärm erregt oder
    wer groben Unfug verübt;
  • 12) wer als Pfandleiher bei Ausübung ſeines Gewerbes
    den darüber erlaſſenen Anordnungen zuwiderhandelt;
  • 13) wer öffentlich oder in Aergerniß erregender Weiſe Thiere
    boshaft quält oder roh mißhandelt;
  • 14) wer unbefugt auf einem öffentlichen Wege, einer Straße,
    einem öffentlichen Platze oder in einem öffentlichen Ver-
    ſammlungsorte Glücksſpiele hält.

In den Fällen der Nummern 1. 2. 4. 5. 6. und 14.
kann neben der Geldſtrafe oder der Haft auf Einziehung der
Riſſe von Feſtungen oder Feſtungswerken, der Vorräthe von
Waffen oder Schießbedarf, der Stempel, Siegel, Stiche,
Platten oder anderen Formen, der Abdrücke oder Abbildungen
oder der auf dem Spieltiſche oder in der Bank befindlichen Gel-
der erkannt werden, ohne Unterſchied, ob ſie dem Verurtheilten
gehören oder nicht.


§. 361.

Mit Haft wird beſtraft:


  • 1) wer, nachdem er unter Polizei-Aufſicht geſtellt worden
    iſt, den in Folge derſelben ihm auferlegten Beſchrän-
    kungen zuwiderhandelt;
  • 2) wer, nachdem er des Bundesgebietes oder des Gebietes
    eines Bundesſtaats verwieſen iſt, ohne Erlaubniß zu-
    rückkehrt;
  • 3) wer als Landſtreicher umherzieht;
  • 4) wer bettelt oder Kinder zum Betteln anleitet oder aus-
    ſchickt, oder Perſonen, welche ſeiner Gewalt und Auf-
    ſicht untergeben ſind und zu ſeiner Hausgenoſſenſchaft
    gehören, vom Betteln abzuhalten unterläßt;

[92]
  • 5) wer ſich dem Spiel, Trunk oder Müßiggang dergeſtalt
    hingibt, daß er in einen Zuſtand geräth, in welchem
    zu ſeinem Unterhalte oder zum Unterhalte derjenigen,
    zu deren Ernährung er verpflichtet iſt, durch Vermittelung
    der Behörde fremde Hülfe in Anſpruch genommen wer-
    den muß;
  • 6) eine Weibsperſon, welche, polizeilichen Anordnungen zu-
    wider, gewerbsmäßig Unzucht treibt;
  • 7) wer, wenn er aus öffentlichen Armenmitteln eine Unter-
    ſtützung empfängt, ſich aus Arbeitsſcheu weigert, die ihm
    von der Behörde angewieſene, ſeinen Kräften angemeſſene
    Arbeit zu verrichten;
  • 8) wer nach Verluſt ſeines bisherigen Unterkommens binnen
    der ihm von der zuſtändigen Behörde beſtimmten Friſt
    ſich kein anderweitiges Unterkommen verſchafft hat und
    auch nicht nachweiſen kann, daß er ſolches der von
    ihm angewandten Bemühungen ungeachtet nicht ver-
    mocht habe.

§. 362.

Die nach Vorſchrift des §. 361. Nr. 3. bis 8. Verurtheilten
können zu Arbeiten, welche ihren Fähigkeiten und Verhältniſſen
angemeſſen ſind, innerhalb und, ſofern ſie von anderen freien
Arbeitern getrennt gehalten werden, auch außerhalb der Straf-
anſtalt angehalten werden.


Bei der Verurtheilung zur Haft kann zugleich erkannt werden,
daß die verurtheilte Perſon nach verbüßter Strafe der Landespo-
lizeibehörde zu überweiſen ſei. Die Landespolizeibehörde erhält
dadurch die Befugniß, die verurtheilte Perſon entweder bis zu
zwei Jahren in ein Arbeitshaus unterzubringen oder zu gemein-
nützigen Arbeiten zu verwenden. Im Falle des §. 361. Nr. 4.
iſt dieſes jedoch nur dann zuläſſig, wenn der Verurtheilte in
den letzten drei Jahren wegen dieſer Uebertretung mehrmals
rechtskräftig verurtheilt worden iſt, oder wenn derſelbe unter
Drohungen oder mit Waffen gebettelt hat.


Iſt gegen einen Ausländer auf Ueberweiſung an die Landes-
polizeibehörde erkannt, ſo kann an Stelle der Unterbringung in
ein Arbeitshaus Verweiſung aus dem Bundesgebiete eintreten.


[93]
§. 363.

Wer, um Behörden oder Privatperſonen zum Zwecke ſeines
beſſeren Fortkommens zu täuſchen, Päſſe, Militairabſchiede,
Wanderbücher oder ſonſtige Legitimationspapiere, Dienſt- oder
Arbeitsbücher oder ſonſtige auf Grund beſonderer Vorſchriften
auszuſtellende Zeugniſſe, ſowie Führungs- oder Fähigkeitszeug-
niſſe falſch anfertigt oder verfälſcht, oder wiſſentlich von einer
ſolchen falſchen oder verfälſchten Urkunde Gebrauch macht, wird
mit Haft oder mit Geldſtrafe bis zu funfzig Thalern beſtraft.


Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher zu demſelben Zwecke
von ſolchen für einen Anderen ausgeſtellten echten Urkunden,
als ob ſie für ihn ausgeſtellt ſeien, Gebrauch macht, oder
welcher ſolche für ihn ausgeſtellte Urkunden einem Anderen zu
dem gedachten Zwecke überläßt.


§. 364.

Mit Geldſtrafe bis zu funfzig Thalern wird beſtraft, wer
wiſſentlich ſchon einmal verwendetes Stempelpapier nach gänz-
licher oder theilweiſer Entfernung der darauf geſetzten Schrift-
zeichen oder ſchon einmal verwendete Stempelmarken, Stempel-
blankette oder ausgeſchnittene oder ſonſt abgetrennte Stempel-
abdrücke der im §. 276. bezeichneten Art veräußert oder feilhält.


§. 365.

Wer in einer Schankſtube oder an einem öffentlichen Ver-
gnügungsorte über die gebotene Polizeiſtunde hinaus verweilt,
ungeachtet der Wirth, ſein Vertreter oder ein Polizeibeamter
ihn zum Fortgehen aufgefordert hat, wird mit Geldſtrafe bis
zu fünf Thalern beſtraft.


Der Wirth, welcher das Verweilen ſeiner Gäſte über die
gebotene Polizeiſtunde hinaus duldet, wird mit Geldſtrafe bis
zu zwanzig Thalern oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen beſtraft.


§. 366.

Mit Geldſtrafe bis zu zwanzig Thalern oder mit Haft bis
zu vierzehn Tagen wird beſtraft:


  • 1) wer den gegen die Störung der Feier der Sonn- und
    Feſttage erlaſſenen Anordnungen zuwiderhandelt;
  • 2) wer in Städten oder Dörfern übermäßig ſchnell fährt
    oder reitet, oder auf öffentlichen Straßen oder Plätzen
    [94] der Städte oder Dörfer mit gemeiner Gefahr Pferde
    einfährt oder zureitet;
  • 3) wer auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen das
    Vorbeifahren Anderer muthwillig verhindert;
  • 4) wer in Städten mit Schlitten ohne feſte Deichſel oder
    ohne Geläute oder Schelle fährt;
  • 5) wer Thiere in Städten oder Dörfern, auf öffentlichen
    Wegen, Straßen oder Plätzen, oder an anderen Orten,
    wo ſie durch Ausreißen, Schlagen oder auf andere
    Weiſe Schaden anrichten können, mit Vernachläſſigung
    der erforderlichen Sicherheitsmaßregeln ſtehen läßt oder
    führt;
  • 6) wer Hunde auf Menſchen hetzt;
  • 7) wer Steine oder andere harte Körper oder Unrath auf
    Menſchen, auf Pferde oder andere Zug- oder Laſtthiere,
    gegen fremde Häuſer, Gebäude oder Einſchließungen,
    oder in Gärten oder eingeſchloſſene Räume wirft;
  • 8) wer nach einer öffentlichen Straße oder nach Orten hinaus,
    wo Menſchen zu verkehren pflegen, Sachen, durch deren
    Umſtürzen oder Herabfallen Jemand beſchädigt werden
    kann, ohne gehörige Befeſtigung aufſtellt oder aufhängt,
    oder Sachen auf eine Weiſe ausgießt oder auswirft,
    daß dadurch die Vorübergehenden beſchädigt oder verun-
    reinigt werden können;
  • 9) wer auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen Gegen-
    ſtände, durch welche der freie Verkehr gehindert wird,
    aufſtellt, hinlegt oder liegen läßt;
  • 10) wer die zur Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit,
    Reinlichkeit und Ruhe auf den öffentlichen Wegen,
    Straßen und Plätzen erlaſſenen Polizeiverordnungen
    übertritt.

§. 367.

Mit Geldſtrafe bis zu funfzig Thalern oder mit Haft wird
beſtraft:


  • 1) wer ohne Vorwiſſen der Behörde einen Leichnam beerdigt
    oder bei Seite ſchafft, oder wer unbefugt einen Theil
    einer Leiche aus dem Gewahrſam der dazu berechtigten
    Perſonen wegnimmt;

[95]
  • 2) wer den polizeilichen Anordnungen über vorzeitige Be-
    erdigungen entgegenhandelt;
  • 3) wer ohne polizeiliche Erlaubniß Gift oder Arzeneien,
    ſoweit der Handel mit denſelben nicht freigegeben iſt, zu-
    bereitet, feilhält, verkauft oder ſonſt an Andere überläßt;
  • 4) wer ohne die vorgeſchriebene Erlaubniß Schießpulver oder
    andere explodirende Stoffe oder Feuerwerke zubereitet;
  • 5) wer bei der Aufbewahrung oder bei der Beförderung
    von Giftwaaren, Schießpulver oder anderen explodirenden
    Stoffen oder Feuerwerken, oder bei Ausübung der Befug-
    niß zur Zubereitung oder Feilhaltung dieſer Gegen-
    ſtände, ſowie der Arzeneien die deshalb ergangenen Ver-
    ordnungen nicht befolgt;
  • 6) wer Waaren, Materialien oder andere Vorräthe, welche
    ſich leicht von ſelbſt entzünden oder leicht Feuer fangen,
    an Orten oder in Behältniſſen aufbewahrt, wo ihre
    Entzündung gefährlich werden kann, oder wer Stoffe,
    die nicht ohne Gefahr einer Entzündung bei einander
    liegen können, ohne Abſonderung aufbewahrt;
  • 7) wer verfälſchte oder verdorbene Getränke oder Eßwaaren,
    insbeſondere trichinenhaltiges Fleiſch feilhält oder ver-
    kauft;
  • 8) wer ohne polizeiliche Erlaubniß an bewohnten oder von
    Menſchen beſuchten Orten Selbſtgeſchoſſe, Schlageiſen oder
    Fußangeln legt, oder an ſolchen Orten mit Feuergewehr
    oder anderem Schießwerkzeuge ſchießt;
  • 9) wer einem geſetzlichen Verbot zuwider Stoß-, Hieb- oder
    Schußwaffen, welche in Stöcken oder Röhren oder in
    ähnlicher Weiſe verborgen ſind, feilhält oder mit ſich führt;
  • 10) wer bei einer Schlägerei, in welche er nicht ohne ſein
    Verſchulden hineingezogen worden iſt, oder bei einem
    Angriff ſich einer Schuß-, Stich- oder Hiebwaffe oder
    eines anderen gefährlichen Inſtruments bedient;
  • 11) wer ohne polizeiliche Erlaubniß gefährliche wilde Thiere
    hält, oder wilde oder bösartige Thiere frei umherlaufen
    läßt, oder in Anſehung ihrer die erforderlichen Vorſichts-
    maßregeln zur Verhütung von Beſchädigungen unterläßt;
  • 12) wer auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen, auf
    [96] Höfen, in Häuſern und überhaupt an Orten, an welchen
    Menſchen verkehren, Brunnen, Keller, Gruben, Oeffnun-
    gen oder Abhänge dergeſtalt unverdeckt oder unverwahrt
    läßt, daß daraus Gefahr für Andere entſtehen kann;
  • 13) wer trotz der polizeilichen Aufforderung es unterläßt, Ge-
    bäude, welche den Einſturz drohen, auszubeſſern oder nie-
    derzureißen;
  • 14) wer Bauten oder Ausbeſſerungen von Gebäuden, Brunnen,
    Brücken, Schleuſen oder anderen Bauwerken vornimmt,
    ohne die von der Polizei angeordneten oder ſonſt erfor-
    derlichen Sicherungsmaßregeln zu treffen;
  • 15) wer als Bauherr, Baumeiſter oder Bauhandwerker einen
    Bau oder eine Ausbeſſerung, wozu die polizeiliche Geneh-
    migung erforderlich iſt, ohne dieſe Genehmigung oder
    mit eigenmächtiger Abweichung von dem durch die Be-
    hörde genehmigten Bauplane ausführt oder ausführen
    läßt.

In den Fällen der Nummern 7. bis 9. kann neben der Geld-
ſtrafe oder der Haft auf die Einziehung der verfälſchten oder ver-
dorbenen Getränke oder Eßwaaren, ingleichen der Selbſtgeſchoſſe,
Schlageiſen oder Fußangeln, ſowie der verbotenen Waffen erkannt
werden, ohne Unterſchied, ob ſie dem Verurtheilten gehören
oder nicht.


§. 368.

Mit Geldſtrafe bis zu zwanzig Thalern oder mit Haft bis
zu vierzehn Tagen wird beſtraft:


  • 1) wer den polizeilichen Anordnungen über die Schließung
    der Weinberge zuwiderhandelt;
  • 2) wer das durch geſetzliche oder polizeiliche Anordnungen
    gebotene Raupen unterläßt;
  • 3) wer ohne polizeiliche Erlaubniß eine neue Feuerſtätte
    errichtet oder eine bereits vorhandene an einen anderen
    Ort verlegt;
  • 4) wer es unterläßt, dafür zu ſorgen, daß die Feuerſtätten
    in ſeinem Hauſe in baulichem und brandſicherem Zu-
    ſtande unterhalten, oder daß die Schornſteine zur rechten
    Zeit gereinigt werden;
  • 5) wer Scheunen, Ställe, Böden oder andere Räume, welche
    [97] zur Aufbewahrung feuerfangender Sachen dienen, mit
    unverwahrtem Feuer oder Licht betritt, oder ſich denſelben
    mit unverwahrtem Feuer oder Licht nähert;
  • 6) wer an gefährlichen Stellen in Wäldern oder Haiden
    oder in gefährlicher Nähe von Gebäuden oder feuerfangen-
    den Sachen Feuer anzündet;
  • 7) wer in gefährlicher Nähe von Gebäuden oder feuerfan-
    genden Sachen mit Feuergewehr ſchießt oder Feuerwerke
    abbrennt;
  • 8) wer die polizeilich vorgeſchriebenen Feuerlöſchgeräth-
    ſchaften überhaupt nicht oder nicht in brauchbarem Zu-
    ſtande hält oder andere feuerpolizeiliche Anordnungen
    nicht befolgt;
  • 9) wer unbefugt über Gärten oder Weinberge, oder vor
    beendeter Erndte über Wieſen oder beſtellte Aecker, oder
    über ſolche Aecker, Wieſen, Weiden oder Schonungen,
    welche mit einer Einfriedigung verſehen ſind, oder deren
    Betreten durch Warnungszeichen unterſagt iſt, oder auf
    einem durch Warnungszeichen geſchloſſenen Privatwege
    geht, fährt, reitet oder Vieh treibt;
  • 10) wer ohne Genehmigung des Jagdberechtigten oder ohne
    ſonſtige Befugniß auf einem fremden Jagdgebiete außer-
    halb des öffentlichen, zum gemeinen Gebrauche beſtimmten
    Weges, wenn auch nicht jagend, doch zur Jagd aus-
    gerüſtet, betroffen wird;
  • 11) wer unbefugt Eier oder Junge von jagdbarem Federwild
    oder von Singvögeln ausnimmt.

§. 369.

Mit Geldſtrafe bis zu dreißig Thalern oder mit Haft bis
zu vier Wochen werden beſtraft:


  • 1) Schloſſer, welche ohne obrigkeitliche Anweiſung oder ohne
    Genehmigung des Inhabers einer Wohnung Schlüſſel zu
    Zimmern oder Behältniſſen in der letzteren anfertigen
    oder Schlöſſer an denſelben öffnen, ohne Genehmigung
    des Hausbeſitzers oder ſeines Stellvertreters einen Haus-
    ſchlüſſel anfertigen, oder ohne Erlaubniß der Polizei-
    behörde Nachſchlüſſel oder Dietriche verabfolgen;
  • 2) Gewerbtreibende, bei denen ein zum Gebrauche in ihrem
    Strafgeſetzbuch. 7
    [98] Gewerbe geeignetes, mit dem Stempel eines Norddeutſchen
    Eichungsamtes nicht verſehenes Maß oder Gewicht, oder
    eine unrichtige Waage vorgefunden wird, oder welche ſich
    einer anderen Verletzung der Vorſchriften über die Maß-
    und Gewichtspolizei ſchuldig machen;
  • 3) Gewerbtreibende, welche in Feuer arbeiten, wenn ſie die
    Vorſchriften nicht befolgen, welche von der Polizeibehörde
    wegen Anlegung und Verwahrung ihrer Feuerſtätten,
    ſowie wegen der Art und der Zeit, ſich des Feuers zu
    bedienen, erlaſſen ſind.

Im Falle der Nr. 2. iſt neben der Geldſtrafe oder der Haft
auf die Einziehung des ungeeichten Maßes und Gewichtes, ſo-
wie der unrichtigen Waage zu erkennen.


§. 370.

Mit Geldſtrafe bis zu funfzig Thalern oder mit Haft wird
beſtraft:


  • 1) wer unbefugt ein fremdes Grundſtück, einen öffentlichen
    oder Privatweg oder einen Grenzrain durch Abgraben
    oder Abpflügen verringert;
  • 2) wer unbefugt von öffentlichen oder Privatwegen Erde,
    Steine oder Raſen, oder aus Grundſtücken, welche einem
    Anderen gehören, Erde, Lehm, Sand, Grand oder
    Mergel gräbt, Plaggen oder Bülten haut, Raſen, Steine,
    Mineralien, zu deren Gewinnung es einer Verleihung,
    einer Konzeſſion oder einer Erlaubniß der Behörde nicht
    bedarf, oder ähnliche Gegenſtände wegnimmt;
  • 3) wer von einem zum Dienſtſtande gehörenden Unteroffizier
    oder Gemeinen des Heeres oder der Marine ohne die
    ſchriftliche Erlaubniß des vorgeſetzten Kommandeurs
    Montirungs- oder Armaturſtücke kauft oder zum Pfande
    nimmt.
  • 4) wer unberechtigt fiſcht oder krebſt;
  • 5) wer Nahrungs- oder Genußmittel von unbedeutendem
    Werthe oder in geringer Menge zum alsbaldigen Ver-
    brauche entwendet.
    Eine Entwendung, welche von Verwandten aufſtei-
    gender Linie gegen Verwandte abſteigender Linie oder
    [99] von einem Ehegatten gegen den anderen begangen worden
    iſt, bleibt ſtraflos;
  • 6) wer Getreide oder andere zur Fütterung des Viehes be-
    ſtimmte oder geeignete Gegenſtände wider Willen des
    Eigenthümers wegnimmt, um deſſen Vieh damit zu
    füttern.

In den Fällen der Nr. 4. 5. und 6. tritt die Verfolgung
nur auf Antrag ein.


Urkundlich unter Unſerer Höchſteigenhändigen Unterſchrift
und beigedrucktem Bundes-Inſiegel.


Gegeben Schloß Babelsberg, den 31. Mai 1870.


(L. S.) Wilhelm.
Gr. v. Bismarck-Schönhauſen.


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Dieses Werk ist gemeinfrei.


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Kolimo+

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2025). Collection 0. Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund. Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bhn1.0