[]
Eigentliche und warhafftige
Erzehlung
von dem
Kobald/ Polter-
Geiſt oder Hexen-
Geſpenſt/

Welches ſich bißhero zu St. Annaberg in einem
wohl gebaueten Wohnhauſe vom 4. Auguſti an biß zu
Ende des Septembris dieſes 1691ſten Jahres/ ſo wohl am hellen
Tage/ als des Nachts/ durch allerhand Unfug und geſtifftete
Ungelegenheit mercken und ſpuͤren
laſſen.

Nebenſt einem kleinen
Vor- und Nachbericht/
Was von dergleichen Begebenheiten zu
halten.


Leipzig. / druckts Juſtus Reinhold/ bey dem es auch im Durch-
gange des Rathhauſes zu bekommen.
[]

DAß der Menſchen Furcht und Angſt
des Satans groͤſte Freude/ unſer Erſchre-
cken und Weheklagen ſein Saitenſpiel und
Jauchtzen/ unſere Schmertzen [und] Thraͤ-
nen ſein Gelaͤchter ſeyn/ hat man unter
andern auch gnugſam daraus zu erkennen/
wenn der alte Boͤſewicht durch Gottes Verhaͤngniß ſich noch
iezuweilen in abſcheulicher Geſtalt ſehen laͤſſet/ oder durch
ſein hoͤlliſchen Geſinde mancherley Verdruß und Ungluͤck
ſtifftet/ die Leute aͤffet/ und ſie deſto zaghafftiger und furcht-
ſamer zu machen/ es aufs wunderlichſte beginnet und vor-
nimmet. Manchmahl ſetzet er mit ſeinen Plagen fuͤr andern
an fromme Chriſten/ weil er ihnen ſonſt nichts zu ſchaden
oder anzuthun vermag/ als daß er ſie etwa durch ungewoͤhn-
liche Geſichte/ Traͤume/ Schatten/ Poltern/ Spotten/
Lachen und dergleichen Haͤndel blendet und verunruhiget;
Sintemahl er die von GOTT ſelbſt geſetzten Schrancken
nimmermehr uͤberſchreiten darff. Unterweilen aber koͤmmt
er auch uͤber ſeine liebe Getreue/ nemlich die Gottloſen/ die
ein boͤſes Gewiſſen haben/ um ſelbige deſto hefftiger und
grauſamer zu martern und zu qvaͤlen/ ie weniger ſie ſelbſt
ihnen etwas guts bewuſt ſeyn.


Wiewohl man nun niemanden in dergleichen Faͤllen
richten/ ſondern das Privat-Urtheil ſchlechter Dings ein-
ſtellen ſoll; Hiernaͤchſt auch weder die Frommen um ihrer
Froͤmmigkeit willen ſtoltziren/ noch die bußfertigen Suͤnder
B 2an
[] an Gottes Gnade und Chriſti Erbarmen zweiffeln duͤrffen:
So iſt doch nach aller verſtaͤndigen und hocherleuchteten
Maͤnner Auſſage und Bekaͤntnis dieſes gewiß und ohnfehl-
bar/ daß/ wer dem Satan Trutz bieten/ und ſein Affenſpiel
hertzhafft verachten wolle/ bey unſern lieben HErrn GOtt
in guten Concept ſtehen muͤſſe. Aus den Hiſtorien iſt zwar
auch von einem Heydniſchen Spartaner bekandt/ daß/ als
ihm auf einem Grabe ein Geſpenſt in weißer Toden-Geſtalt
erſchienen/ er alsbald ſeinen Spieß ergriffen/ und damit auf
das Geſpenſte loß gerannt/ der Meynung/ es ſey ein Geiſt
eines Verſtorbenen; Als es aber im Augenblicke verſchwun-
den/ hat er zwar geſchrien: Wo fleuchſt du hin/ du verzagter
Geiſt? Komm! ich will dich zum andern mahl wieder hin-
unter in den Abgrund ſchicken. Allein das Geſpenſte hat ſich
nicht mehr ſehen laſſen. So demnach der Teuffel mit ſeiner
Phantaſey auch von einem blinden Heyden abgelaſſen/ weil
er geſehen/ daß bey ihm kein Zittern noch Entſetzen/ ſondern
vielmehr ein trotziger Muth und tapffere Standhafftigkeit
anzutreffen ſey: Wie vielmehr wird er dem guten unerſchro-
ckenen Muth eines glaͤubigen Chriſten ausweichen/ wenn er
nicht zwar in Vermeſſenheit/ ſo leichtlich Gefahr lauffen
kan/ ſondern in rechter Gottes Gelaſſenheit ſtehet/ bey allen
Anlaͤuffen und Pfeilen des hoͤlliſchen Feindes ſeinem lieben
GOtt vertrauet/ und in ſeinem Beruffe und Ambts-Ge-
ſchaͤfften getroſt fortfaͤhret.


Natuͤrlich iſt es zwar/ und dem itzigen Zuſtande des
Menſchen gemaͤß/ daß er uͤber iedwedes Teufels-Geſpinſte
Grauen und Schauer fuͤhlet; Geſtalt denn auch die Heiligen
Gottes/ ob ihnen gleich gute Engel erſchienen/ ſich dennoch
gefuͤrchtet. Allein ein Chriſten-Hertz muß ſich alsbald erman-
nen/ und zwar durch die von GOtt zugeſprochenen Troſt-
Worte: Fuͤrchte dich nicht/ Jch bin bey dir. Laß ſeyn/ daß
Beelzebub alles uͤbrige wie Stroh und Stoppeln achtet/ ſo
wird
[] wird er dennoch uͤberwunden/ und muß es mit ſeiner Unge-
ſtuͤmmigkeit ein Ende haben/ wenn der Glaube und das
Gebeth als ein bewehrter Harniſch das Hertz der Frommen
waffnet und ausruͤſtet.


Jnsgemein pfleget man den guten Rath mitzutheilen/
daß/ wo Geſpenſter ſich mercken laſſen ſolten/ man alſobald
ein Creutz vor ſich ſchlagen moͤchte. Wie denn auch viel der
alten Kirchen-Lehrer in ihren Schrifften lehren und ſchreiben/
daß/ wer ſein Angeſicht mit dem heiligen Creutze bezeichnet/
vor dem Verderber ſicher ſey/ und von ihme in geringſten
nicht gezwacket oder beleydiget werden koͤnne. Welches denn
nicht dahin zu deuten/ als ob ſie nur dem aͤuſſerlichen Zeichen
eine ſolche Krafft und Wuͤrckung zugeſchrieben/ welches
aberglaͤubiſch gethan ſeyn wuͤrde; ſondern ſie haben durch
ſolch aͤuſſerlich Merckmahl den gecreutzigten Heyland vor die
Augen gleichſam gemahlet/ und zu verſtehen gegeben/ daß
man das theure Verdienſt JEſu Chriſti in ſtetem Gedaͤcht-
niß haben ſolte. Denn dieſer gebenedeyete Weibes-Saamen
iſt es eintzig und allein/ vor dem alle Teufel ſelbſt ſich fuͤrchten
und erzittern/ nachdem Er der hoͤlliſchen Schlangen den
Kopff zertreten/ und alle ſeine Macht und Gewalt durch
einen herrlichen Triumph zu ſeinen Fuͤſſen niedergeleget.
Allermaſſen Er auch darzu in die Welt kommen/ daß Er die
Wercke des Satans zerſtoͤre; Und bezeuget fuͤrnehmlich
Athanaſius in lib. de humanitate Verbi ejusq́ve corporali
adventu,
daß zwar die boͤſen Geiſter hiebevor viel Leute
bethoͤret/ und ſich da und dort/ bald an Waſſern und Fluͤſſen/
bald auf Gebuͤrgen und Felſen/ bald in Gebuͤſchen und
Waͤldern aufgehalten/ und den armſeligen Menſchen offt-
mahls Schrecken verurſachet; Nunmehro aber/ da der
Sohn Gottes im Fleiſch erſchienen/ haͤtten dergleichen Ge-
ſpenſter und Teufels-Larven ihren Abſchied nehmen muͤſſen.
Freylich iſt es nicht zu leugnen/ daß nach hell-aufgegangenem
A 3Licht
[] Licht des Evangelii in aller Welt/ die Teufel/ ſo wohl von
beſeſſenen Menſchen/ als auch von beſeſſenen Oertern ver-
jaget und ausgetrieben worden/ und nun nicht mehr in
ſolcher Menge/ als etwa vorhin in der tieffſten Finſterniß der
Heyden/ allenthalben rumoren duͤrffen. Keinesweges aber
hat man ſich einzubilden/ daß der Fuͤrſte dieſer Welt nun-
mehro gaͤntzlich ruhe/ und nicht noch heutiges Tages in den
Kindern des Unglaubens ſein Werck habe. Ein anders
berichtet uns hiervon Gottes Wort/ wie daß er zufoͤrderſt
auch in den letzten Zeiten umher gehe als ein bruͤllender Loͤwe/
und ſuche/ welchen er verſchlingen moͤge; Ja/ daß er einen
groſſen Zorn gegen die Menſchen trage/ und wohl wiſſe/
daß nun zu ſeinem voͤlligen Gerichte gar wenig Zeit mehr
uͤbrig ſey.


Drum wuͤtet und tobet der Satan wider die Menſchen/
nicht nur heimlicher und verdeckter weiſe/ ſie unverſehens/
wo muͤglich/ in Suͤnde und Todt zu verſtricken/ ſondern er
ſtrecket auch wohl oͤffentlich ſeine Krallen herfuͤr/ und giebet
von ſeiner Gegenwart augenſcheinliche Spuren. Sind
Leute/ die Lebens-lang nichts unheimliches weder geſehen
noch gehoͤret/ und deßwegen dem lieben GOtt zu dancken
haben/ ſo finden ſich doch auch deren nicht wenig/ die aus eige-
ner Erfahrung viel von dergleichen Dingen zu ſagen wiſſen.


Jn den alten Kirchen-Hiſtorien und Schrifften der
heiligen Vaͤter lieſet man unterſchiedliche Exempel/ daß
Geſpenſter erſchienen. Nach der Zeit aber haben auch die
Muͤnche gantze Buͤcher mit dergleichen Erzehlungen ange-
fuͤllet/ welche iedoch mehrentheils beſſern Grund und Be-
weißthum erfordert/ zumahl da es auf lauter Aberglauben
und endlich auf Teufels-Beſchweren eines gewiſſen Ordens
der Exorciſten hinaus gelauffen/ und ihrer viele darinnen
eiteln Ruhm geſuchet/ als ob ſie die Kunſt gehabt/ mit
gewiſſen Formulen/ oder mit Weyhwaſſer und Ave Maria
die
[] die Geiſter zu banniſiren. Jnsgemein ſind ſie durch die Lehren
der Teufel/ denen ſie gefolget/ in die greulichen Jrrthuͤmer
vom Fegfeuer/ von Seelen-Meſſen/ von Anruffung der
vermeynten Heiligen/ und ſo fort/ gefallen. Doch weil ſie
ſich mit Erſcheinungen der Geiſter auch offtmahls der Truͤ-
gerey und Unwahrheit befliſſen/ und der gemeine Mann
hinter ihr falſches Blendwerck und erdichtete Kuͤnſte kommen/
haben Atheiſten dadurch ſich deſto mehr in ihres Hertzens
Gedancken verhaͤrtet/ und zuletzt alles/ was man von Ge-
ſpenſten geredet/ vor Maͤhrlein halten wollen. Allein/ ſo
es gantz und gar keine Geſpenſter geben ſolte/ ſo wuͤrden nicht
die Juͤnger des HErrn Chriſti dieſen ihren allerliebſten und
holdſeligſten Freund das erſtemahl auf dem Meere/ auf
welchem Er zu ihnen kam/ und das andere mahl in der Ver-
ſammlung nach ſeiner Auferſtehung/ vor ein Geſpenſt ange-
ſehen haben. Jch will geſchweigen/ was glaubhafftige neue
Exempel von Geſpenſtern/ der Alexander ab Alexandro
Lib. 2. Genial. dierum Cap. 9. Baptiſta Fulgoſus de dictus
\& factus memorabilibus l. I. c. 8. Hieronymus Cardanus

in ſeinen Buͤchern de ſubtilitate \& varietate rerum, deßglei-
chen der beruͤhmte teutſche Scribent Erasmus Franciſci in
ſeiner Schaubuͤhne/ nebenſt vielen andern Autoribus hin
und wieder angefuͤhret haben. Der Wittenbergiſche Theo-
logus, Philippus Melanchthon
meldet in ſeinem Buche/
welches er von der Seele geſchrieben/ daß er ſelbſt einige
Geſpenſter geſehen/ und von vielen andern glaubwuͤrdigen
Leuten vernommen/ daß auch ſie mit ihren Zeugniſſen beyge-
ſtimmet/ und dergleichen Erſcheinungen bekraͤfftiget.


Unnoͤthig iſt es/ daß wir uns daruͤber aufhalten/ nach-
dem annoch leider! zu dieſen unſern Zeiten es die Erfahrung
giebet/ daß ſich Hexen und Unholde in ein unſeliges Bindniß
mit dem Teufel einlaſſen/ und alſo mit Geſpenſtern und
Kobalden/ deren Nahme dort beym Propheten Eſaia
cap. 34.
[]cap. 34. v. 14. zu finden/ erſchrecklicher und unchriſtlicher
Weiſe zu thun und zu ſchaffen haben. Leider GOtt erbarms!
hat dergleichen grauſames Exempel zu itziger Zeit die uhralte
Berg-Stadt/ Annaberg/ betroffen/ und dermaſſen
erſchrecket/ daß dieſe liebe Stadt nach ihrem uhralten Nah-
men faſt wiederum Schreckenberg moͤchte genennet
werden/ allwo hiebevor die noch iederman bekandte und ange-
nehme alte Muͤntze der Schreckenberger geſchlagen worden.


Weil daß aber der ſchaͤndliche Luͤgengeiſt auch mitten
unter ſeinem Rumoren daran meiſt ſeine Luſt und Ergoͤtz-
lichkeit hat/ daß die Wahrheit durch vielfaͤltigen Anhang und
falſchen Zuſatz geteuſchet und verfaͤlſchet werde; So hat er
es gewiß auch vor dieſes mahl an ſolchem ſeinen Meiſterſtuͤck
nicht fehlen laſſen/ ſondern zugleich allerhand Luͤgen hin und
wieder in der Welt von dieſer Begebenheit ausgeſtreuet.
Dannenhero ſoll allhier dem geneigten Leſer/ der Wahrheit
zum beſten/ der eigentliche Verlauff ohne fernere Weitlaͤuff-
tigkeit erzehlet und mitgetheilet werden.

Es iſt demnach zufoͤrderſt zu wiſſen/ daß Herr M. E. Z.
in itzt gemeldtem Annaberg vor einiger Zeit das nunmehro
[beſchriebene] Hauß rechtmaͤßiger Weiſe erkauffet/ und an
eine des Orts ſo wohl als anderwerts ihrer Gottesfurcht
halben wohlbekandte Pfarr-Wittwe vermiethet/ welche
denn ſolches Hauß in aller Stille und Vergnuͤgen uͤber Jahr
und Tag bewohnet. Nachdem ſie aber auf etliche Wochen
zu denen Jhrigen nach Stollberg verreiſet/ hat ſich in ihrer
Abweſenheit am 2. Auguſti erſtlich zur Nacht ein Geſtoͤber
unter den Huͤnern im Hof-Gewoͤlbe ereignet/ welches man
aber als nichts ſonderliches hingehen laſſen/ biß auf den
10. Auguſti/ da es weit aͤrger worden/ und man von widrigen
Dingen zu murmeln angefangen. Jndeſſen iſt auch der
Eigenthums-Herr ſelbſt nach Schneeberg verreiſet geweſen.
Dahero
[] Dahero nach ſeiner Ruͤckkunfft den 13. Auguſti die im Hauß
gebliebene Magd ſampt der im Hintergebaͤude wohnenden
Haußgenoßin referiret/ wie bißhero in der Nacht ſich etwas
haͤtte hoͤren laſſen/ und hernach bey Tage mit Steinen nach
ihnen geworffen/ auf dem Gange gekehret/ und mit etwas
gekugelt/ auch aufm Saal herum gegangen/ daß man es gar
eigentlich rauſchen hoͤren. Auf ſothanen Bericht gieng der
Beſitzer nach Mittags im Nahmen Gottes ins Hauß/ betete
mit denen Seinigen zu GOtt/ ermahnete und examinirte die
Anweſenden Chriſtlich/ der Meynung/ es waͤre nur etwa/ wie
mehrmahl zu geſchehen pfleget/ eine weibliche Furchtſamkeit
und bloße Einbildung/ oder auch ein eingeſchlichener ſchalck-
haffter Dieb geweſen; aber es hat ſich ſtracks folgenden Tages
wieder ſpuͤren laſſen.


Denn am 14. Auguſti/ da die Fr. Pachterin nach Hauſe
kommen/ iſt nichts minder das werffen angegangen/ wiewohl
es Nachts darauf gantz ſtille worden. Wie denn dieſes wun-
derlich und verdaͤchtig nachmahls ſtets geſchienen/ daß inner-
halb gantzer 8. Wochen kaum 8. oder 10. Naͤchte geweſen/ da
man etwas gemercket/ ſondern nur allein bey lichten und
hellen Tage/ deren kaum zwey dieſe gantze Zeit uͤber ruhig
gelaſſen worden/ und die uͤbrigen nur bißweilen den halben
Tag. Auch hat man vom Anfang obſerviret/ daß wenn
mehr Leute im Hauſe geweſen/ ſonderlich Manns-Volck/ es
wenig oder gar nichts gethan; worbey auch dieſes vor eine
goͤttliche Gnadenſchickung und Verſchonung/ wie auch vor
eine ſonſt merckliche Begebenheit geachtet worden/ daß die
gantze Zeit uͤber der Eigenthums-Herr nicht mehr als einen
eintzigen Stein fallen hoͤren. Sonſt hat es allezeit geruhet/
ſo lange er zugegen geweſen/ welches doch alle Tage bald fruͤh/
bald Mittags/ bald gegen Abend/ wie ſichs etwa fuͤgen
wollen/ geſchehen.


BDen
[]

Den 15. Auguſt iſt fruͤh morgens der Tumult noch heff-
tiger worden/ indem es in kurtzem wohl 10. Steine/ wie auch
ein Stuͤckgen Eiſen geworffen. Die Steine ſind meiſtens
geweſen/ als waͤren ſie itzo aus dem Pflaſter gezogen. Hier-
auf hat es ferner auf dem Boden/ Saal und Gange geſprun-
gen/ gefallen/ gerauſchet und gekugelt; beſonders wolte die
Haußgenoßin einen nackenden leibhafften Arm/ der die
Treppe herunter geworffen/ geſehen haben. Die Wuͤrffe ſind
uͤberall im Hauſe/ bald in die Kuͤche/ bald in Hof/ und ſo fort/
geſchehen. Der Magd/ als ſie ſich in der Kuͤche niederbuͤcket/
greiffts/ wie ſie es beſchrieben/ mit einer kalten Hand ins Ge-
ſichte/ und zeucht ſie hinter ſich nieder/ daß ſie uͤberlaut ange-
fangen zu ſchreyen. Einige Geſtalt hat niemand geſehen/
ohne die Haußgenoßin und die Magd zu unterſchiedlichen
mahlen/ wie auch/ ihren Vorgeben nach/ zwey Buͤrger. Es
hatte ſich aber præſentiret/ wie ein grauer dicker Schatten/
und das Angeſicht gleich einem alten hagern Weibe. Viel
Perſonen aber haben es um/ neben und vor ſich rauſchen
hoͤren/ ſind ihm auch auf dem Fuß nachgefolget aus einem
Zimmer ins andere/ biß es etwa einen Fall gethan/ und alſo
dahin geweſen.


Den 16. Auguſt hat es der Magd einen kuͤpffernen Hel-
ler auf d[e]n bloſſen Fuß geworffen/ und am 21. Ejusdem hat
es ein Metall in der Kuͤche fallen laſſen/ wie einen Zien-
Groſchen/ den die Fr. Pachterin in der Stube auf den Tiſch
geleget/ und mit dem Teppich zugedecket/ willens/ ſelbigen
dem rechten Wirth zu weiſen; Als ſie aber zur Stuben-
thuͤr genaus gehet/ und wieder hinein koͤmmt/ iſt er vom
Tiſche weg.


Den 25. Auguſt hat es angefangen an die Stuben- und
Gewoͤlb-Thuͤren zu klopffen und zu ſchlagen/ auch folgende
Tage damit fortgefahren. Hingegen hat es vom 28. Auguſt
her mit dem oͤfftern Steinwerffen ein wenig nachgelaſſen/
und
[] und deſtomehr andere loſe Haͤndel getrieben; als/ daß es
gruͤn Reiſig auf die Haußthuͤr/ auf den Stubenleuchter/ an
das Gewoͤlbſchloß/ an den Spiegel/ und ſonderlich auch der
Magd auf die Haube geſtecket/ und zwar ſolches gantz unver-
merckt/ iedoch haben ſie den Leuchter ungewoͤhnlich ſchwan-
ken ſehen.


Am 3. Septembr. hat es angefangen auch mit Kleidern
ſein Unweſen zu treiben/ indem es einen alten Peltz zuſammen
gewickelt und ins Kuͤchen-Fenſter geſtellet/ einen Rock aus
dem Hinter- ins Foͤrder-Hauß getragen/ zwey Muͤtzen oben
aufs Ofengelaͤnder gehaͤnget; deßgleichen ein paar alte Hoſen
uͤber die Haußthuͤr hinaus/ und Struͤmpffe/ Handſchuh/
Muͤtzen/ ꝛc. rings umher an den mitten in der Stube hangen-
den Leuchter: Auch hat es Kleider in die Roͤhre/ in Ofentopf/
in ein Waſchfaß/ untern Ofen/ unter das Bette/ und ſo
weiter geſtecket.


Den 9. Septembr. hat es in der Kuͤche einen neuen Topf
in kleine Scherblein zerbrochen/ mit welchen es die Magd
klimpern und ſpielen hoͤren; als ſie aber dieſelben aufgerafft
und hinaus getragen/ hebt es an zulachen. Und dergleichen
kickerndes Lachen hat man zu unterſchiedlichen mahlen ge-
hoͤret. Auch hat es dieſen Tag das Feuer in Ofen dermaßen
zerworffen/ daß man es in der Stube hoͤren koͤnnen.


Den 10. Septembr. hat es aus der Haußgenoßin Kam-
mer Betten/ Kleider und andere Sachen auf dem Saal hin
und her geſchleppet/ und unter die Treppe ein brennend Licht/
ſo zuvor in der Kammer unangezuͤndet geſtanden/ neben
einem Kuͤſſen geſetzet/ welches denn ein großes Schrecken ver-
urſachet/ und den Haußwirth billich bewogen/ ſolches inſon-
derheit der Obrigkeit anzuzeigen.


B 2Den
[]

Den 11. Septembr. hat es der Haußgenoßin im Hinter-
Hauſe eine Ohrfeige gegeben; ſonſt hat es/ dafuͤr GOtt zu
dancken/ niemanden angetaſtet.


Den 12. Septembr. ſtellet es unter andern die Ofengabel
und Ofenkruͤcke creutzweiß in die Kuͤchenthuͤr; deßgleichen
einen langen Porſchtwiſch mit einem weißen Tuͤchlein bedeckt
uͤber die Haußthuͤr hinaus/ daß es die vorbey gehenden geſe-
hen und angemeldet. Jtem/ der Haußgenoßin wirfft es die
Muͤtze/ ſo ſie im Hof niedergeleget/ in Waſſertrog; und haͤlt
ihr nachmahls die Kuͤchenthuͤre zu/ daß ſie ruffen muß heraus
gelaſſen zu werden.


Den 13. Dieſes hat es derſelben Frau einen Topff Birnen
vor der Kuͤchenthuͤr weggenommen/ und auf die Treppe ge-
ſetzet; Nachmahls und zu andrer Zeit hat es auch der Frau
Pachterin Eſſen aus dem Schrancke genommen und ver-
ſtecket: Jtem/ ein Zugemuͤß aus dem Ofen herfuͤr gezogen/
unter das Ofenloch/ und einen alten Flederwiſch hinein ge-
ſtecket; Jtem/ es verſteckte einſten 5. Paar Meſſer/ zog die
Schluͤſſel ab/ welches aber alles nachmahls ſie bald hier bald
da/ in Toͤpffen/ im Rauchloch/ ꝛc. wieder gefunden. Wenn
es denn etwas hatte geſtifftet/ oder ſtifften wolte/ pflegte es
ſich lachend hoͤren zu laſſen.


Den 14. dieſes zog es beyden Waſſertroͤge ab/ und ver-
ſteckte die Zapffen/ deren nur einer ſich nach etlichen Stunden
wieder fand an einem Ort/ da man zuvor ſchon geſuchet;
Jtem/ es hat abermahl ein brennend Licht erſtlich auf die
Haußbanck/ hernach auf den Hauß-Leuchter geſtecket.


Den 15. hat ſichs mit der Rolle hoͤren laſſen; Jtem/
die Magd hat es im Hofe gar eigentlich nieſen/ und in der
Kuͤche ihr gar vernehmlich etliche mahl biſſen hoͤren; Jtem/
es hat derſelben zweymahl an das Bein gegriffen.


Den
[]

Den 18. Septembr. haben ſie es Abends aus der Ober-
Stube durch das heruntergehende Loch herab rauſchen hoͤ-
ren/ welches man hernach zunageln laſſen.


Den 25. Septembr. hat es den gantzen Tag etlich zwan-
tzigerley Unrath geſtifftet/ daß die Anweſenden fort nachzu-
gehen/ zu ſuchen und zu huͤten gehabt.


Den 26. Septembr. Sonnabends vor Mittage hat es
auch unterſchiedliches gethan; abſonderlich hat es aus dem
verſchloſſenen Waſſer-Troge junge Tauben genommen/ und
in die Kuͤche getragen/ da man es ſonſt noch niemahls an
einem verſchloſſenen Orte geſpuͤret. Auch hat man ſonſt
alles Verlohrne wieder gefunden/ ohne dieſen Tag iſt Waͤſche
aus dem Garten wegkommen/ die man nicht wieder finden
koͤnnen. Fuͤrnehmlich aber war dieſer Tag ungluͤcklich/
indem es Mittags nach 12. Uhr im Holtz-Stalle ein Feuer
mit Vaß-Tauben angezuͤndet/ daß ſie ſchon lichterloh
gebrennet. Hingegen war darbey das von GOtt geſchickte
Gluͤck und geſchwinde Rettung/ indem ſie ungefehr aus
der Stube gehen/ den Dampff mercken/ demſelben nach-
ſchleichen/ das Feuer finden/ ſtracks Lermen machen/ und
es bald mit Waſſer daͤmpffen. Worauf ein groß Schrecken/
Auflauff und Anſtalt zur Verhuͤtung groͤſſerer Ungelegen-
heit gemachet wurde; abſonderlich durch Beſetzung des
Hauſes mit 25. Buͤrgern/ welche folgends Tag und Nacht
gewachet haben. Weil man aber von ſelbiger Zeit an/ in
drey Wochen/ gar nichts mehr gemercket/ hat man die Anzahl
der Waͤchter verringert/ und nur noch eine Zeit lang mit
10. Buͤrgern das Hauß bewachen laſſen/ welches alſofort
wieder von den geraus gewichenen Miethleuten ſicher und
ruhig bewohnet werden koͤnnen. Mittler Zeit aber hat ein
Ehemann des Orts [bey] der Obrigkeit klagend angebracht/
daß ſein Weib der Zauberey halben ihm ſehr verdaͤchtig ſey/
B 3und
[] und er ſo gar des Nachts einige ſichtbarliche Thiere bey ihr
erblicket; woruͤber ſie denn in gefaͤngliche Hafft genommen
worden. Und weil man aus einigen andern Anzeigungen
vermuthet/ daß von ihr die Unſicherheit in obbemeldtem
Hauſe hergeruͤhret/ als duͤrffte ſie nicht nur zeitlich ihren
verdienten Lohn bekommen/ ſondern auch/ wo ſie nicht
annoch durch Gottes Beyſtand aus des Satans Stricken
entriſſen wird/ dort ewiglich in dem Pfuhl/ der mit Feuer
und Schwefel brennet/ zu gebuͤhrenden Danckhab vor ihre
verfluchte Teufeley geworffen werden. Von dem Ausgange
der Sache wird kuͤnfftig ein mehrers zu hoͤren und zu ver-
nehmen ſeyn; Wie man denn auch ferner von demjenigen
Polter-Geiſte ausfuͤhrlichen Bericht erwartet/ welcher eben-
falls nach der Zeit zu Wieſenthal/ ſo zwey Meilen von Anna-
berg gelegen/ in eines Geiſtlichen Behauſung ſich ſehr unge-
ſtuͤmm erzeiget/ und die Leute nicht wenig moleſtiret.


Aus obigem Exempel aber/ welches hiermit/ ſo viel die
Wahrheit der Geſchicht antrifft/ kuͤrtzlich vorgeſtellet wor-
den/ hat man allerdings zu ſchlieſſen/ daß alles/ was vor-
gegangen/ auf goͤttliches Zulaſſen/ von niemand anders/
als von dem boͤſen Geiſte geſchehen; welcher/ gleich wie er
ſich ſtracks bey unſern erſten Eltern in eine verfuͤhriſche
Schlange verkappet; wie er ehemahls durch die Egyptiſchen
Weiſen und Zauberer vor Pharao groſſe Zeichen und Wun-
der gethan; wie er auch durch Vermittelung einer Hexen
ein augenſcheinliches Geſpenſt unter Samuels Geſtalt dem
Koͤnig Saul gepraͤſentiert; und wie er zu Zeiten der Apoſtel
durch Simon und Elimas/ Kinder des Teuffels voll aller Liſt
und aller Schalckheit/ das Volck mit Zauberey bezaubert:
Alſo iſt er noch dieſe Stunde der arge Tauſend-Kuͤnſtler/
welcher auch anitzo dasjenige/ was zu Annaberg geſchehen/
angerichtet/ und hierzu ein in zauberiſcher Kunſt bethoͤrtes
Werck-
[] Werckzeug gebrauchet. Wie nun ſolches auſſer allen Zweifel
zu ſetzen/ ſo ſollen wir billich dieſe und andere Erzehlungen
von umgehenden Geſpenſtern uns allen zur guten Fuͤrſich-
tigkeit und Beobachtung unſers Wandels dienen laſſen/ daß
wir ja dem abgeſagten Menſchen-Feinde/ dem leidigen
Teufel/ der uns auf allen Seiten nachſtellet/ im geringſten
nicht trauen/ ſondern uns vielmehr/ ſo lieb uns zeitliche und
ewige Wohlfahrt ſeyn mag/ aufs fleißigſte durch die Gnade
des Heiligen Geiſtes huͤten/ daß er uns nicht/ wie er ſtets
verlanget/ in ſein Netz bringe/ und mit ſich hinunter in den
Abgrund ziehe. Das ſey ferne/ daß wir durch freventliches
Abweichen von GOTT mit Belial in einige Gemeinſchafft
treten/ und hin in das hoͤlliſche Reich/ daraus uns Chriſtus
erloͤſet/ wiederum muthwillig und ſpornſtreichs rennen
ſolten. Laſſet uns nicht uͤbels thun/ dadurch der Satan
deſtomehr Gelegenheit erhaͤlt/ uns aller Orten zu aͤngſtigen.
Vor allen Dingen laſſet uns GOttes allein ſeligmachendes
Wort in hohen gebuͤhrenden Werth halten/ und nach dieſer
Regul einher gehen/ damit nicht GOtt durch unſere ſchnoͤde
Verachtung dieſes reinen Lichtes gezwungen werde/ boͤſe
und falſche Geiſter aus gerechten Gerichte außzuſenden und
zuzugeben/ daß/ nachdem die Liebe zur Wahrheit erloſchen/
die Blindheit und Finſterniß uͤberhand nehme. Wo ein
helles Licht leuchtet/ koͤnnen die duͤſtern Schatten nicht
beſtehen; Und ie heller das Licht des Evangelii ſcheinet/ und
in aller Menſchen Hertzen hinein ſtrahlet/ muß ſich um ſo
viel deſtomehr der Fuͤrſt der Finſterniß ſampt den Geiſtern/
die in der Finſterniß dieſer Welt herrſchen/ verbergen und
verkriechen.


Solte aber dennoch GOtt der HErr aus verborgenen
Urſachen nach ſeinem heiligſten Rath und Willen eben auch
uͤber uns/ gleich wie uͤber Hiob/ dem Satan erlauben/ ſo
haben wir in ſolchen Verſuchungen GOtt hertzlich in den
Nahmen
[] Nahmen unſers HErrn JEſu Chriſti anzuruffen/ daß Er
unſere Kleinmuͤthigkeit mit feſten Glauben/ Chriſtlicher
Gedult und unbeweglicher Standhafftigkeit unterſtuͤtze/
und uns durch ſeinen Arm wider die Macht und Liſt des
Teufels ſtreiten helffe. Boͤſen Leuten giebt der Satan ſelbſt
ins Hertz/ als ſey ihm durch Laͤſtern und Fluchen viel abzu-
gewinnen/ und dieſe thun ihm eben hierdurch einen ſehr an-
genehmen Dienſt. Alleine wir/ ſo wir Chriſtlich geſinnet
ſeyn/ halten es mit Chriſtlicher Wachſamkeit/ mit Beten
und Faſten/ und mit dem Schild des Glaubens/ damit
außzuleſchen alle feurige Pfeile des Boͤſewichts. So wird
denn auch der Staͤrckere/ der mit uns iſt/ den artliſtigen
Schlangen-Kopff unter unſere Fuͤſſe treten/ und vollends
zerknirſchen; Er wird uns nicht weniger als Paulum/ da
ihn des Satans Engel mit Faͤuſten ins Angeſicht geſchlagen/
mit ſeiner Gnade vergnuͤgen/ und ſeine Krafft in uns Schwa-
chen maͤchtig ſeyn laſſen; Biß Er uns endlich aushelffe zu
ſeinem Himmelreich; alsdenn hat alle Plage und
Beſchwerung ein erwuͤntſchtes
ENDE.


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TextGrid Repository (2025). Anonymous. Eigentliche und warhafftige Erzehlung von dem Kobald/ Polter-Geist oder Hexen-Gespenst. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bhj5.0