auf
einer Reiſe durch das Innere der
vereinigten Staaten
von
Nord-Amerika
im Jahre 1819.
Onapiſchquaſippi im Norden des Illinois-Staats belegenen, im
gedachten Jahre von den Indianern an den Congreß
abgetretenen Landſtrichen.
einer Ueberſetzung der Conſtitution des
Illinois-Staats
bei J. D. Gerſtenberg.
1820.
[][[III]]
Vorwort.
Reiſeberichte haben einen groͤßern Werth,
wenn ſie ſobald als moͤglich dem Leſer uͤber-
geben werden. Um dieſes zu bewerkſtelligen,
mußte der Verfaſſer aus ſeinem Tagebuche
einen kurzen Auszug machen, der, ohne An-
ſpruch auf den Titel einer Reiſebeſchreibung
machen zu wollen, dennoch vielleicht Manches
enthaͤlt, was nicht allein den Europaͤer, ſon-
dern auch wol die Bewohner des oͤſtlichen
Theils der vereinigten Staaten intereſſirt,
und woraus Alle, die dorthin ihr Augen-
merk etwa zu richten geſonnen ſeyn ſollten,
einigen Nutzen ziehen moͤgen.
[IV]
Der Verfaſſer iſt Landwirth, und der Leſer
wird daher vorzuͤglich auch nur ſolche Ge-
genſtaͤnde beobachtet finden, welche in die
Landwirthſchaft uͤberhaupt einſchlagen. Bei
allem aber, was er hiemit der Nachſicht
des Publikums uͤbergibt, iſt Wahrheit ſein
erſtes Beſtreben geweſen.
Wahrhafte und gruͤndliche Beſchreibungen
uͤber die vereinigten Staaten uͤberhaupt oder
einzelne Provinzen derſelben, an Ort und
Stelle gemacht, muͤſſen fuͤr Europaͤer, welche
zur Abſicht haben, in jenem großen Feſtlande
ſich niederlaſſen zu wollen, einen uͤberaus gro-
ßen Werth haben. Man irrt ſich aber, wenn
man von den Einwohnern irgend einer Provinz
ſichere Nachrichten erwarten zu koͤnnen glaubt.
Nur ſelten iſt ihnen ganz zu trauen; denn
gemeiniglich erhaͤlt man von allen andern
Staaten eine ſchlechte Beſchreibung, in dem
ſie nur allein die Fruchtbarkeit und Schoͤn-
heit desjenigen Staats zu ruͤhmen wiſſen,
welchen ſie ſelbſt bewohnen. Wie koͤnnte es
[V] auch bei der Unermeßlichkeit des großen Ge-
biets anders ſeyn! — Ueber die oͤſtlichen
Staaten iſt es zwar leichter, ſowohl durch die
vorhandenen Beſchreibungen, als durch die
von den Einwohnern einzuziehenden Nachrich-
ten, ſich einige gruͤndliche Kenntniſſe zu ver-
ſchaffen; aber hier ſind auch fuͤr den Ein-
wanderer die Erreichung ſeiner Zwecke bei
weitem nicht ſo leicht, als in den weſtlicher
liegenden Staaten des großen Binnenlandes.
Wenn er dort durch Wegraͤumung undurch-
dringlicher Waͤlder mit unbeſchreiblicher Muͤhe
ſich erſt ſeinen Acker urbar machen muß: ſo
braucht er hier in den herrlichen Wieſen am
Sangoͤmo nur den Pflug anzuſetzen, um
in demſelben Jahre ſchon eine Aerndte
zu haben, welche ſeine kuͤhnſten Erwartun-
gen uͤbertrifft.
Herr von Gagern hat uns in der
Schrift: Der Deutſche in Nord-Ame-
rika, neulich einige intereſſante Nachrichten
getiefert; aber nachdem, was man in Ame-
[VI] rika von dem Herrn von Fuͤrſtenwer-
ther erfaͤhrt, iſt derſelbe fuͤrerſt noch nicht
Willens, die weſtlichen Staaten zu bereiſen,
daher auch durch ihn bis dahin uͤber dieſe
Gegenden noch nichts Ausfuͤhrliches zu er-
warten ſteht.
Birkbeck’s Reiſe (1817) gibt zwar
mancherlei ſehr gute und wahre Nachrichten;
aber dieſe gehen nicht weiter, als bis zu den
erſten ſuͤdlich belegenen Wieſen des Illinois-
Staats, und doch werden dieſe von den wei-
ter noͤrdlich belegenen, ſowohl an Fruchtbar-
keit als auch in Hinſicht des geſundern Cli-
ma’s, bei weitem uͤbertroffen.
Darby’s Emigrant’s Guide. Newyork
1818 gibt zwar von den weſtlichen Staa-
ten ſehr ſchaͤtzenswerthe Nachrichten; aber ſie
beruͤhren bloß die ſuͤdlichen Theile derſelben und
gehen nicht weiter als bis zum Jahre 1817.
The Navigator. Pittsbourg 1818. 10te
[VII] Aufl. liefert gleichfalls manche intereſſante
Nachrichten uͤber dieſe Gegenden; aber auch
dieſe gehen nicht weiter als bis zum Jahre
1817.
Die Beſchreibung der Laͤndereien,
welche die Soldaten im Illinois-
Staate erhalten haben, von N. B.
von Zandt, Sekretaͤr des General-Land-
Office in Waſhington (1818), enthalten faſt
von allen oben angefuͤhrten Schriften die
beſten Auszuͤge; aber damals war es auch
noch nicht moͤglich, uͤber alle jene Laͤnder
etwas Beſſeres und Gruͤndlicheres zu liefern,
weil ſie ſich damals noch im Beſitze der In-
dianer befanden. Erſt in der letzten Haͤlfte dieſes
Sommers wurde der Vertrag abgeſchloſſen,
nach welchem die Indianer alle jene zwi-
ſchen dem Illinois und Wabaſch, im Norden
des Illinois-Staats belegene Gegenden ge-
raͤumt haben. In dieſem Bezirk ſind alle
Laͤndereien am Sangoͤmo und Onapiſchqua-
ſippi mit eingeſchloſſen, welche durch ihre
[VIII] Schoͤnheit, Fruchtbarkeit und ihr geſundes
Clima Jedermann bezaubern. Dieſe erhielten
erſt ſeit dem letzten Kriege mit den India-
nern (1814), wo die Amerikaner zum Erſten-
male dieſe Gegenden betraten, im ganzen
Umfange der vereinigten Staaten den aus-
gezeichnetſten Ruf.
Da der Verfaſſer dieſer Reiſebemerkungen
kuͤnftig in jenen Gegenden des Illinois-
Staats wohnen wird: ſo hofft er ſich in
den Stand geſetzt zu ſehen, alsdann aus-
fuͤhrlichere Nachrichten uͤber dieſen intereſſanten
Theil von Nord-Amerika liefern zu koͤnnen.
Am Bord des Schiffes la jeune Corinne
im November 1819.
Der Verfaſſer.
Bemerkungen
auf
einer Reiſe durch das Innere der ver-
einigten Staaten
von
Nord-Amerika
im Jahre 1819.
1
[[2]][[3]]
Heute Mittag ſind wir hier, nach einer ſehr lang-
weiligen Reiſe von 80 Tagen, von Bremen gluͤck-
lich und geſund angelangt.
Wir beſtiegen in Bremen am 29ſten Maͤrz das
Amerikaniſche Schiff Plato, vom Capitain
Gardner gefuͤhrt, mußten aber, widriger Winde
halber, bis zum 7ten April in der Weſer-Muͤn-
dung verweilen, worauf wir den ganzen Weg
hieher faſt beſtaͤndig mit widrigen Winden, Sturm
und abwechſelnder Windſtille zu kaͤmpfen hatten,
ſo daß dieſe Reiſe zu den langſamſten, welche
ſeit langen Jahren von Bremen aus hieher ge-
macht worden ſind, gezaͤhlt werden kann. Unſer
Capitain verſicherte: er habe ſeit den 42 Jahren,
waͤhrend er die See befahre, nie eine langweiligere
Reiſe gemacht, wo ihm Wind und Wetter ſo zu-
wider geweſen waͤren. Gewoͤhnlich erfordern die
Ueberfahrten von Bremen oder Hamburg nach den
oͤſtlichen Seehaͤfen der vereinigten Staaten eine
1
[4] Zeit von 45, 40, 35, 30, oft nur von 25 bis
22 Tagen.
Jedem, welcher eine lange Seereiſe zu unter-
nehmen gedenkt, iſt vorzuͤglich anzurathen:
- 1) Ein guter Vorrath reiner Waͤſche, weil das
Waſchen auf dem Schiffe ſehr viele Schwie-
rigkeiten hat. - 2) Bettzeug, als: eine Matratze 3 Fuß breit
und 6½ Fuß lang, eine Decke, ein Kopf-
kiſſen, und einige Bett- und Handtuͤcher. - 3) Wein und geiſtige Getraͤnke auf eigene Rech-
nung.
Medizin iſt gewoͤhnlich auf dem Schiffe zu
haben, doch ſelten gut, und der Reiſende wird
wohl thun, ſich mit einigen Kleinigkeiten der Art,
als: Coͤllniſch Waſſer, Liquor, Pfeffermuͤnzwaſſer ff.
zu verſorgen. Auch rathe ich Allen, welche zur
Verſtopfung geneigt ſind, entweder einige Nah-
rungsmittel, welche dagegen wirken, z. B. ge-
trocknetes Obſt ff. oder aber dahin wirkende Me-
dizin und eine Kliſtierſpruͤtze, mit an Bord zu
nehmen. Die beſtaͤndige Nahrung der Salzſpei-
ſen und des harten Schiffsbrodtes macht ſehr zur
Verſtopfung geneigt, beſonders da es dabei an hin-
laͤnglicher Bewegung des Koͤrpers fehlt.
Die Seekrankheit iſt nur bei einigen Perſo-
nen von Bedeutung, und laͤngerer als gewoͤhnlicher
[5] Dauer. Man befolge aber dabei ja nicht die
Rathſchlaͤge der Seefahrer, wenn ſie das Trinken
von Seewaſſer, gewaltſames Eſſen ohne Appetit
ff. empfehlen. Ein Glas guter alter Wein und
eine Taſſe Thee im Anfange der Krankheit ſind
die beſten Mittel. Dabei eſſe man nach Maaß-
gabe des Appetits, und bleibe, ſo viel als moͤg-
lich, auf dem Verdecke, um der friſchen und ge-
ſunden Seeluft zu genießen. Uebrigens wird man
finden, daß man auf der See ſich gewoͤhnlich
ſehr wohl befindet.
Der Capitain, ſo wie alle Seeleute, ſind, mit
wenigen Ausnahmen, meiſtentheils Leute, welche
von feiner Lebensart nichts wiſſen; der Reiſende
darf daher nichts von der Art erwarten. Er
thut wohl, ſich mit Buͤchern, muſikaliſchen Inſtru-
menten ff. zu verſehen, damit er im Stande iſt,
ſich ſelbſt zu unterhalten. Doch muß ich bemer-
ken, daß wir in dieſer Art ſehr gluͤcklich waren,
indem nicht nur der Capitain, ſondern auch die
Offiziere unſers Schiffs ſehr humane und gebildete
Leute waren.
Alle Capitaine pflegen es ungern zu ſehen,
wenn man ſich mit dem Matroſen am Steuerru-
der unterhaͤlt, und ſie haben darin Recht, indem
ein ſolcher jederzeit auf ſein Geſchaͤft genau zu
achten hat. Ueberhaupt halten die Amerikaner
[6] auf die ſtrengſte Ordnung. In die Cajuͤte darf
ſonſt Niemand als die Offiziere und der Auf-
waͤrter kommen. Sie ſehen es daher auch nicht
gern, daß der Cajuͤten-Paſſagier ſich viel mit dem
uͤbrigen Schiffsvolke und den Paſſagieren unterm
Verdecke zu ſchaffen macht. Fuͤr den Cajuͤten-
Paſſagier iſt auch vorzugsweiſe der Spazierplatz
uͤber der Cajuͤte und zwar der an der Windſeite,
als der angenehmere, beſtimmt, indem es dort
durch die Neigung des Schiffs ebener iſt. Bei
naſſem Wetter wird es oft ſchwer, auf dem Ver-
decke herum zu gehen, ohne auszugleiten; man
kann jedoch dieſem Uebel abhelfen, wenn man ſich
etwas Theer unter die Schuhſolen ſtreichen laͤßt.
Wollen arme Leute die Reiſe nach Ame-
rika unternehmen: ſo haben ſie noch viel groͤßere
Vorſicht anzuwenden noͤthig; denn es iſt bekannt
genug, wie dieſe oft hart und betruͤgeriſch behan-
delt werden. Am beſten thun ſie, wenn ſie ſich
in eine moͤglichſt große Geſellſchaft vereinigen, und
Jemanden, der ihr Zutrauen beſitzt und dieſem
Geſchaͤfte gewachſen iſt, zu ihrem Fuͤhrer waͤhlen.
Was die Gefaͤhrlichkeit einer Seereiſe in An-
ſehung des Untergangs des Schiffs ff. betrifft: ſo
kann man dreiſt annehmen, daß ſie nicht groͤßer
als jede andere Reiſe zu Lande ſey. Unſer alter
Capitain verſicherte uns, daß er ſeit 42 Jahren
[7] waͤhrend er den Ocean als Capitain nach allen
Richtungen befahren, nur einen einzigen Mann
verloren habe, und zwar ſey dieſer in einer fin-
ſtern ſtuͤrmiſchen Nacht von den Maſten in die
See gefallen und nicht zu retten geweſen. Wenn
man dieſes wirklich auffallende Gluͤck zum Maaß-
ſtabe einer Berechnung nehmen wollte, ſo wuͤrde
es ſich leicht finden, daß das Reiſen mit der Poſt,
zumal in Deutſchland, bei weitem gefaͤhrlicher ſey.
Wie koͤnnten auch ſonſt die Aſſecuranz-Geſell-
ſchaften beſtehen, die Schiff und Guͤter auf dem-
ſelben zu 2½ pCt. verſichern; denn, wenn von
250 Schiffen nur eins derſelben verloren ginge,
ſo wuͤrde es ſchon eine Unmoͤglichkeit ſeyn, daß
ſolche Verſicherungs-Geſellſchaften ferner wuͤrden
beſtehen koͤnnen.
Als wir am 25ten Mai in der Naͤhe der Bank
von New-Foundland ankamen, ſahen wir mehrere
große Eisberge, von Groͤnland herabkommend, den
bei weitem waͤrmern Gewaͤſſern des Golfſtroms
entgegenſchwimmen, wo dieſe ungeheuern Eis-
maſſen ihre endliche Aufloͤſung finden. Doch ſol-
len ſie auch zuweilen, jedoch ſelten, den Golf-
ſtrom durchſtreichen, und bis an die Weſtindiſchen
Inſeln gerathen. Ihre Naͤhe wird ſchon durch
eine aͤußerſt ſtrenge Kaͤlte empfunden, noch ehe
man ſie ſelbſt zu Geſichte bekommt.
[8]
Den 4ten Jun. ſahen wir im 42° N Br. und
60° der Laͤnge von Greenwich das Dampfſchiff
Savannah von Savannah, gefuͤhrt vom Capi-
tain Rogers, beſtimmt nach Liverpool und St.
Petersburg. *) Es iſt dieſes das erſte Schiff der
Art; welches den Ocean durchſchneidet. Seine
Ruder-Raͤder befinden ſich an den Seiten des
Schiffs, und koͤnnen nach Belieben aufgezogen,
auch ganz ins Schiff genommen werden. Der
Capitain Rogers verſicherte uns: er koͤnne bei
Windſtille 10 Engl. Meilen, und bei widrigen
Winden 6 Engl. Meilen in einer Stunde zuruͤck-
legen.
Am 14ten Jun. erblickten wir zuerſt die Kuͤ-
ſten von Amerika, und fuhren in die Cheſapeak-
bai ein. Hier ſahen wir 3 Dampfſchiffe, wovon
das eine von Norfolk in Virginien, das andere
von Annapolis, und das dritte von Philadelphia,
alle drei ſaͤmmtlich nach Baltimore ihre Beſtim-
mung hatten.
Am 16ten Jun. gegen Mittag erreichten wir
endlich den Hafen von Baltimore und ſtiegen ans
Land. — Schwerlich kann ſich der Landbewohner
[9] eine klare Vorſtellung von der Freude machen,
welche der Reiſende empfindet, wenn er, nach ei-
ner langwierigen 80taͤgigen Seereiſe, das feſte
Land wieder betritt.
[10]
Die Stadt Baltimore iſt ſehr regelmaͤßig ge-
bauet. Die Straßen ſind mit Trottoirs von
Backſteinen fuͤr die Fußgaͤnger verſehen; aber
dennoch kann man das Ganze keinesweges ſchoͤn
finden, weil die vielen kleinen Haͤuſer einen uͤbeln
Eindruck machen. Mit Einſchluß der Vorſtaͤdte
hat Baltimore 6 Engl. Meilen *) im Umfange,
gegen 75,000 Einwohner, und uͤber 40 Kirchen.
Vor 50 Jahren war es noch ein unbedeutender
Ort von 50 bis 60 Haͤuſern. Man iſt jetzt be-
ſchaͤftigt, die Stadt noch durch Erbauung einer
Boͤrſe, einer katholiſchen Kirche, und eines fuͤr
den unſterblichen Waſhington beſtimmten Mo-
numents zu verſchoͤnern. Dieſes Denkmal be-
ſteht aus einem bis jetzt 140 Fuß hohen Obelisk
von Penſylvaniſchem Marmor, inwendig mit ei-
ner Wendeltreppe verſehen. Es ſoll die Hoͤhe von
180 Fuß erhalten, und ſodann des Generals
Waſhington Bildſaͤule zu Pferde, 15 Fuß
[11] hoch, aus Carariſchem Marmor in Italien ver-
fertigt, auf ſeinem Gipfel tragen. Wir trafen
bei dieſem Denkmal, an welchem ununterbrochen
gearbeitet wird, einen Deutſchen Maurer an, deſ-
ſen Großvater bereits in Amerika geboren war;
dennoch ſprach der Mann ſehr gutes Deutſch.
Die Bemerkung des Herrn von Fuͤrſtenwer-
ther, daß die Deutſchen nach und nach ihre
Sprache verlernen ſollen, leidet alſo doch auch ihre
Ausnahmen. Bei den reichen Kaufleuten hieſelbſt
findet man jedoch dieſe Bemerkung im Allgemei-
nen beſtaͤtigt. So ſprechen z. B. die ſaͤmmtlichen
Kinder des Herrn Chr. Meyer faſt kein Deut-
ſches Wort, und die Gattin des braven Kaufmanns
Herrn Schroͤder, welche das Deutſche recht
gut verſteht und daher es auch wol ſprechen wird,
ſprach mit mir Engliſch, worauf ich ihr Deutſch
antwortete. Wir konnten uns auf dieſe Art
recht gut unterhalten.
Der Tag nach unſerer Ankunft war ein
Sonntag. Wir beſuchten die Deutſche Kirche,
um Gott, dem Herrn der Welten, unſern innig-
ſten Dank fuͤr die gluͤcklich zuruͤckgelegte Seereiſe
darzubringen. Wie erbauete es uns, hier, ſo weit
vom Vaterlande, eine ſo zahlreiche Verſammlung
von Landsleuten in nachahmungswuͤrdiger Stille
und Andacht beiſammen zu finden. Der Predi-
[12] ger, Herr Becker, hielt eine herrliche Rede uͤber
die Worte: Herr, ich liebe die Staͤtte
deines Hauſes ff. Geſang und Vortrag waren
herzerhebend. Erſterer war nicht jenes unmaͤßige
Abſchreien veralteter Verſe, wie man es in
Deutſchland noch ſo vielfaͤltig findet; ſondern gut
gedichtete Verſe wurden von der ganzen Gemeine
mit Sinn fuͤr die Melodie und mit inniger Er-
bauung in melodiſchem Einklange geſungen. —
Uebrigens wird der Sonntag in allen oͤſtlichen
Staaten von Amerika ſehr ſtreng und ruhig ge-
feiert; alle Kauflaͤden ſind geſchloſſen; Muſik darf
nicht einmal in Privathaͤuſern, geſchweige denn
ſonſt oͤffentliche Luſtbarkeiten, als: Schauſpiel,
Tanz u. dgl. an einem Sonntage Statt finden.
Nachmittags fuͤhrte uns Herr Wichelhau-
ſen, deſſen zuvorkommende freundliche Aufnahme
wir nicht genug ruͤhmen koͤnnen, zu dem 1½ Engl.
Meilen von der Stadt entlegenen Landſitze des
Herrn Schroͤder, eines gebornen Hamburgers,
welchen derſelbe, aus Vorliebe fuͤr ſeine ehemalige
Vaterſtadt, Wandsbeck genannt hat. Mit
Recht kann derſelbe ſo heißen; denn er iſt fuͤr
Baltimore eben das und noch mehr, als was
Wandsbeck fuͤr Hamburg iſt. Die ganze Anlage
verraͤth durch Pracht und ſchoͤne Einrichtungen,
der Garten durch ſeine herrlichen Gewaͤchſe und
[13] Bildſaͤulen, einen Mann von Wohlhabenheit, und
einen tiefen Kenner der Natur und Kunſt.
Geſtern fuhr ich mit der Poſt nach Wa-
ſhington. — Die hieſigen Poſten ſind ſehr
gut, die Wagen haͤngen in Federn, und auf jeder
Station wurden vier egale muthige Englaͤnder vor-
geſpannt. Um 5 Uhr Morgens fuhr der Wagen
aus Baltimore ab; auf der erſten Station wurde
gefruͤhſtuͤckt, und um 12 Uhr Mittags waren wir
in Waſhington angelangt, — eine Entfernung
von 42 Engl. Meilen. —
In Waſhington iſt das See-Arſenal ſe-
henswerth. Das neuerbauete Kriegsſchiff Co-
lumbus von 80 Kanonen war bereits vom Sta-
pel gelaſſen. Der Koͤrper dieſes ſchoͤn gebaueten
Schiffs iſt 250 Fuß lang, 52 Fuß breit, und 42
Fuß hoch. Die Maſten ſollen 180 Fuß Hoͤhe er-
halten, und jeder Anker wiegt 6667 Pfund. In
dem Werkhauſe befindet ſich eine Dampfmaſchine
mit der Kraft von 13 Pferden, welche eine Saͤ-
gemuͤhle und eine Drehbank treibt. Mitten auf
dem großen Platze des Arſenals ſteht das Monu-
ment zum Andenken der bei Tripolis gefallenen
Seehelden. Vom Hauſe des Praͤſidenten fuͤhrt
eine Pappelallee, I Engl. Meile lang zum Capitol.
Das Capitol iſt noch nicht ganz vollendet.
Oben von der Kuppel dieſes Prachtgebaͤudes hat
[14] man eine herrliche Ausſicht auf die Stadt und
den Potomak. Dieſer Fluß iſt einer der ſchoͤnſten
im oͤſtlichen Theile der vereinigten Staaten. Nach
Alexandrien fuͤhrt eine 1¾ Engl. Meilen lange
Bruͤcke uͤber denſelben, in deren Mitte eine Zug-
bruͤcke angebracht iſt, um Schiffe durchzulaſſen.
Ich hatte die Ehre, den Secretair der ver-
einigten Staaten, Herrn J. Q. Adams zu ſpre-
chen. Dieſer wuͤrdige Beamtete des maͤchtigen Frei-
ſtaats gab mir mit vieler Zuvorkommenheit alle
Aufſchluͤſſe uͤber Gegenſtaͤnde, die mich zu meinem
Zwecke fuͤhren konnten; auch uͤbergab er mir ein
Empfehlungsſchreiben an einen ſeiner Freunde
Herrn Kook*) in Kaskaskia. Vorzuͤglich in-
tereſſant war es mir, von ihm zu hoͤren, daß
der Canal, welcher Neuyork mit den Seen in
Verbindung ſetzt, in kurzer Zeit beendigt, die
Seen aber in der Folge durch einen Canal von
12 Meilen mit dem Illinois-Fluſſe leicht ver-
bunden, und alsdann die Schiffahrt von Neuyork
nach Neu-Orleans durch das ganze große Innere
von Nordamerika vollendet ſeyn werde. Hiedurch
muͤſſe alsdann der Staat von Illinois, als einer
[15] der wichtigſten in den Freiſtaaten hervorgehen
Dagegen zweifelte er nicht, daß die Conſtitution
von Miſſouri die Beibehaltung der Negerſclaven
erlauben werde.
Der Praͤſident Monroe war abweſend. Er
bereiſet die ſuͤdlichen Provinzen der Freiſtaaten.
Die Umgegend um Waſhington, ſo wie der
ganze Strich Landes von da bis Baltimore hat
durchaus unfruchtbaren Boden; doch ſieht man
dann und wann auf dieſem Wege einige recht
huͤbſche große Landguͤter.
[16]
Am 25ten Morgens 5 Uhr fuhren wir mit
der Poſt von Baltimore ab. Das Reiſen mit
der Poſt hat hier viele Vorzuͤge, aber auch viele
Unannehmlichkeiten. Man kommt ſchnell weiter.
Die Zeit und der Ort des Fruͤhſtuͤcks, des Mit-
tagseſſens ſind beſtimmt und halten die Reiſe
wenig auf. Der Preis iſt fuͤr jede 10 Engl.
Meilen etwa 1 Dollar; Trinkgelder ff. ſind gar nicht
uͤblich. Dagegen ſind die Wagen und Wege tie-
fer ins Land hinein oft ſchlecht, und die erſtern,
der vielen Reiſenden und ihrer Bagage wegen,
ſehr beengt. Die Poſten werden von Privatper-
ſonen gehalten, und Jeder, dem es beliebt, kann
ohne Umſtaͤnde die Erlaubniß der Regierung dazu
erhalten. Dieß mindert oft den Preis; doch muß
der Reiſende dahin ſehen, daß er nicht an ein
Poſtbureau geraͤth, bei welchem nur bis zu einem
gewiſſen Orte die Poſtlinie (wie es hier genannt
wird) durchgefuͤhrt iſt. Es ging uns gleich an-
fangs ſo. In Baltimore verſicherte uns der Poſt-
offiziant, daß wir von Haͤgerstown gleich weiter
fahren wuͤrden. Das war aber nicht der Fall.
Als wir Abends in Haͤgerstown angekommen wa-
[17] ren, mußten wir zu unſerm Leidweſen erfahren,
daß die Poſt, die uns bis hieher gefoͤrdert hatte,
eine ganz neue Anlage ſey, und nicht weiter als
bis hieher fahre. Wir mußten daher zwei Tage
hier verweilen; jedoch benutzten wir dieſe Zeit dazu,
uns auf dem Lande etwas umzuſehen.
Die Amerikaniſchen Landg[ü] [...]er haben im All-
gemeinen wenig und ſehr ſchlechte Gebaͤude. Ein
kleines erbaͤrmliches Haͤuschen, von uͤber einander
gelegten Balken erbauet, beherbergt oft den Be-
ſitzer von 1000 Acres Landes. Mag es auch
ſeyn, daß er oft reich iſt; es iſt ſo die Mode des
Landes. Dieſes Haͤuschen enthaͤlt oft nur ein
einziges Zimmer, welches die Kuͤche, die Wohn-
ſtube und Schlafkammer einer zahlreichen Familie
ausmacht. Doch keine Regel ohne Ausnahme!
Es gibt auch Landguͤter mit großen und praͤchti-
gen Gebaͤuden. Auch die Gebaͤude zum Haus-
halt ſind von weit geringerer Beſchaffenheit, als
es in Europa faſt durchgehends der Fall iſt. Das
Korn wird meiſtentheils im Freien gedroſchen, das
Vieh geht Sommer und Winter draußen umher;
alles dieſes macht die in Deutſchland dazu erfor-
derlichen Gebaͤude hier entbehrlich. Alle Kornfel-
der ſind eingehegt, um ſie gegen das frei herum-
gehende Vieh zu beſchuͤtzen. Dieſe Einhegung wird
in dieſem holzreichen Lande hoͤchſt einfach und
2
[18] zweckmaͤßig eingerichtet. Man legt 10½ Fuß lange
Holzſcheite in beſtaͤndigen ſtumpfen Winkeln, oder
im Zickzack, uͤber einander. Durch das Vorſtehen
der ſtumpfen Winkel uͤber die gerade Linie wird
es moͤglich, 7 bis 9 Scheite ſo uͤber einander zu
ſchichten, daß kein Vieh durchzudringen vermag.
Die Fruͤchte, womit wir die Felder bebauet
fanden, waren Mais, Weizen, Roggen, Gerſte,
Hafer, Klee, Timotheusgras, Kartoffeln, auch
wol etwas Flachs. Das Hornvieh, ſo wie die
Pferde, haben ein gutes Anſehen. Man war hier
bereits mit dem Maͤhen des Roggens beſchaͤftigt,
und der Weizen war an vielen Stellen der Reife
ſehr nahe.
Haͤgerstown wurde vor 30 Jahren ange-
legt. Die Einwohner ſind meiſtens Deutſche. In
den drei Kirchen der Stadt wird der Gottesdienſt
Deutſch und Engliſch gehalten. Es wird hier ei-
ne Deutſche Zeitung und ein Deutſcher Kalender
ſehr gut gedruckt. In Penſylvanien werden jaͤhr-
lich uͤberhaupt gegen 60,000 Deutſche Kalender
gedruckt und verbraucht. In der Zeitung wurde
ein nuͤtzliches Handbuch fuͤr Deutſche empfohlen,
worin die geſetzlich vorgeſchriebenen Formeln bin-
dender Urkunden in unſerer Sprache enthalten
ſeyen, mit der Bemerkung: daß ſolche alsdann
[19] eben die Guͤltigkeit haͤtten, als wenn ſie in Eng-
liſcher Sprache abgefaßt waͤren.
Es macht auf den Europaͤer einen angeneh-
men Eindruck, hier Jedermann nach einer und
derſelben Mode gekleidet zu ſehen. Des Sonntags,
wo Alles im groͤßten Staate iſt, glaubt man ſich
in einem Lande zu befinden, wo Jedermann reich
und wohlhabend iſt. Der Schnitt des Kleides ei-
ner Dienſtmagd iſt von dem der reichen Kauf-
mannsfrau um nichts verſchieden. Die reichern
Stoffe geben den einzigen Unterſchied.
*
[20]
In drei Tagen ſind wir uͤber die Alleghany-
Gebirge hieher — man kann ſagen — geflogen. Mor-
gens 2 Uhr in die Poſtkutſche, ½ Stunde zum
Fruͤhſtuͤck, eben ſo lange und nicht laͤnger zum
Mittagseſſen, alle 10 — 12 Engliſche Meilen 4
friſche muthige Pferde, welche in 4 Minuten ge-
wechſelt ſind, — ſo ward man bis Abends 10
oder 11 Uhr in der uͤbervollen unbequemen Poſt-
kutſche im Fluge fortgeſchleudert. Wird es dun-
kel, ſo zuͤndet man eine oben auf der Poſtkutſche
befindliche Laterne an.
Schon am erſten Tage, als wir Haͤgerstown
verließen, kamen wir uͤber die blauen Berge, wel-
che mit dieſen Thaͤlern abwechſeln. Die Gegend
wurde wilder, und wenige bebauete Plaͤtze fanden
ſich. Doch ſelbſt auf dem Alleghany fehlen ſie
nie ganz, und Wirthshaͤuſer findet man auch in
hinreichender Anzahl. Auf dem hoͤchſten Gipfel
des Alleghany ſtand Mittags den 28ſten Jun. der
Thermometer auf 95° Fahrenheit; es war dabei
eine druͤckende Hitze. Gegen Abend ſtieg ein Ge-
witter auf, welches uns einen herrlichen Anblick
gewaͤhrte. Ueber die Gebirge hin rollte der Don-
[21] ner fuͤrchterlich; flammende Blitze beleuchteten in
kurzen Zwiſchenraͤumen die hohen Berge und tie-
fen Thaͤler. In letztern ſchwaͤrmten unzaͤhlbare
Feuerwuͤrmchen in der Luft wie Funken umher.
In unſerer Naͤhe wurden uns die praͤchtigen
Waldbaͤume am Ufer des Potomak, den man hier
paſſirt, durch das Licht unſerer Laterne, welche
einen ſehr kleinen Kreis um uns her erleuchtete,
ſichtbar.
Am zweiten Abend erreichten wir Bronsville
am Monohella. Dieſer Fluß vereinigt ſich zu
Pittsburg mit dem Alleghany und beide bilden
von hier an den Ohio. *) An der Straße, welche
kuͤnftig die Hauptverbindung der weſtlichen Staa-
ten mit den oͤſtlichen ſeyn ſoll, wird fleißig gear-
beitet; doch fehlt auch noch Vieles, um ſolche in
eine Chauſſee umzuwandeln. Sie geht von Wa-
ſhington uͤber das Gebirge nach Wheeling am
Ohio, in einer Strecke von 298 Engliſchen Meilen
fort.
Am 29ſten Jun. kamen wir hier ſehr ſpaͤt an.
Das Reiſen im Poſtwagen waren wir nun herz-
lich muͤde, und zu Waſſer den Ohio hinab zu
fahren, hatten wir auch keine Luſt, vorzuͤglich des
[22] niedrigen Waſſers wegen. Ich kaufte daher ein
Pferd und einen kleinen Wagen, worin wir mit
Bequemlichkeit unſere Reiſe weiter fortzuſetzen
hoften.
Alle Nachrichten verſichern, daß gewoͤhnlich
der Preis der Pferde am Ohio, und vorzuͤglich
zu Pittsburg gering ſey. Dießmal fanden wir
das nicht, im Gegentheil war Alles hier theurer
als in Baltimore. Ueberhaupt wuͤrden wir weit
beſſer gethan haben, in Baltimore Wagen und
Pferde zu kaufen, und ſo die Reiſe uͤber das
Gebirge zu machen.
Oberhalb Wheeling iſt die Straße kuͤnſtlich
in Felſen gehauen. An der einen Seite iſt der
Abgrund beinahe funfzig Fuß hoch aufgemauert,
an der andern aber der Felſen 60 Fuß tief nieder-
gehauen. Von dieſer Stelle ab hat man eine
der herrlichſten Ausſichten i. das Thal, welches
der kleine Fluß Wheeling bildet, ſo wie auf die
Stadt ſelbſt und den Ohio. Am Fuße dieſer
Anhoͤhe befindet ſich eine reiche Steinkohlenmine.
Der Ohio iſt bei hohem Waſſer oft 40 Fuß
hoͤher als jetzt. Dann koͤnnen Schiffe von 3 —
400 Tonnen hinab in den Meerbuſen von Mexiko
gehen, und es ſind ſchon Seefahrzeuge in Pitts-
burg gebauet worden, welche wirklich den Fluß
hinab in See gegangen ſind. Dampfſchiffe koͤn-
[23] nen jetzt auch nicht einmal hinaufkommen, weil
der Fluß ſo ungewoͤhnlich niedrig iſt. Es wurde
hier eben ein neues Dampfſchiff gebauet. Wir
ſahen hier den erſten Weinberg; tiefer im Lande
ſollen mehrere Anlagen der Art ſich befinden.
Ueber die brennende Quelle zu Kenowha
in Virginien liefert die Haͤgerstowner Deutſche
Zeitung folgende Beſchreibung:
- „Dieſe Quelle kann man als eine der groͤßten
„Seltenheiten in der Natur anſehen. Sie
„liegt ohngefaͤhr 68 Meilen oberhalb des Zu-
„ſammenfluſſes der Stroͤme Kenowha und
„Ohio in Kenowha-County in Virginien auf
„dem Lande von Lorenz-Waſhington. Das
„Waſſer iſt in einem Loche in der Erde ent-
„halten, welches ohngefaͤhr 3 Fuß Tiefe und
„9 Fuß im Umkreiſe hat. Das Waſſer iſt
„immer truͤbe und es brauſet aus demſelben
„eine Luft auf, welche Blaſen auf der Ober-
„flaͤche verurſacht. Wird Flammenfeuer da-
„zu gebracht, ſo faͤngt es ſehr leicht Feuer
„und brennt manchmal ſo lange bis alles
„Waſſer verzehrt iſt. Dieß dauert zuweilen
„etliche Wochen. Das Waſſer iſt ſehr kalt;
„allein es wird durch die daraus aufbrauſen-
„de Luft, wie kochendes Waſſer in einem
[24] „Topfe, in Bewegung geſetzt, und gibt ei-
„nen ſehr ſtarken ſchweflichen Geruch.“ *)
Der Herr Dr.Eoff in Wheeling erzaͤhlte
mir uͤber die Art, wie dieſe Quelle entdeckt wor-
den ſey, Folgendes: Vor etwa 30 Jahren befan-
den ſich 8 Baͤren-Jaͤger in jener Gegend. Ei-
nes Abends hoͤrte einer von ihnen ein Gebrauſe,
und fand beim Scheine des Mondes eine kochen-
de Quelle; er naͤherte ſich behutſam, unterſuchte
mit großer Vorſicht das Waſſer, fand es aber zu
ſeinem Erſtaunen ganz kalt. Als er ſeinen Be-
gleitern dieſes erzaͤhlte, waren alle begierig, dieſe
wundervolle Quelle zu ſehen. Sie kamen an Ort
und Stelle an, als der Mond ſchon untergegan-
gen war. Um nun die Quelle leichter zu finden,
zuͤndeten ſie ein Feuer an, um ſodann mit einem
Feuerbrande die Quelle zu ſuchen. Kaum hatten
ſie einige Zeit auf der Erde herumgeleuchtet, als
der Feuerbrand die brennbare Luft der Quelle be-
ruͤhrte und die erſchrockenen Baͤren-Jaͤger auf
einmal in Feuer huͤllte. Vom Schrecken ergriffen
fielen ſie betaͤubt zur Erde; aber die Flamme be-
ſchraͤnkte ſich bald bloß auf die Oberflaͤche der
[25] Quelle. Einer dieſer Menſchen, ein Methodiſt,
war uͤber dieſe Begebenheit vorzuͤglich heftig er-
ſchrocken. Er fing zu beten an, und ſagte zu den
Uebrigen: es ſey unzweifelhaft der juͤngſte Tag
nun vor der Thuͤr; die Erde werde durch dieſes
Feuer, welches ſie ſelbſt angezuͤndet hatten, nun
verzehrt werden. Dieſe Vorſtellung ergriff nun
auch die Uebrigen. Sie bemuͤhten ſich daher auf
alle Weiſe das Feuer zu loͤſchen, aber alle Ver-
ſuche und angewandte Muͤhe waren fruchtlos. We-
der durch das Aufgießen von Waſſer, noch durch
das Aufwerfen von Erde, noch durch das Zudek-
ken mit ihren Kleidern konnte der gefaͤhrliche
Brand geloͤſcht werden. Mehrere Stunden hatten
ſie ſo vergebens gearbeitet, und durch das viele
Wuͤhlen in der Quelle waren ihre Kraͤfte bereits
ſehr geſchwaͤcht. Jetzt gerieth Einer auf den Ein-
fall, mit ſeinem großen Huthe das Feuer auszu-
wehen. Da ſich zu gleicher Zeit ein friſcher
Wind erhoben hatte; ſo gelang dieſer Verſuch
und die Flamme erloſch.
Zwei Meilen oberhalb dieſer Quelle befinden
ſich die beruͤhmten Bergwerke von Kenowha.
Das Salzwaſſer wird auf folgende Art gewonnen:
Der obere Boden beſteht aus 10 — 15 Fuß ho-
hem Sande und Schlamm; in dieſen wird ein
ausgehoͤhlter Sycamore-Stamm bis auf den
[26] unterliegenden Felſen eingelaſſen. Dieſer Cylinder
wird gereinigt, und auf dem Felſen wohl verkuͤt-
tet, damit weder Sand noch Schlamm ein-
dringen kann. Alsdann wird in den Felſen ein
2½ bis 3 Zoll weites Loch gebohrt, oft zur Tiefe
von 150 — 200 Fuß.
Man trifft oft auf Adern von wildem Waſ-
ſer, welches auf folgende Art abgehalten wird:
Hat man das Salzwaſſer gefunden; ſo treibt man
eine zinnerne Roͤhre in das Loch, bis auf die
Ader des Salzwaſſers, und verkuͤttet ſolche gleich-
falls oben auf dem Felſen, um das Eindringen
alles fremden Waſſers abzuhalten. Das Salz-
waſſer ſprudelt im Anfange oft 20 Fuß hoch in
die Luft, und wird nachgehends durch Pumpen
in die Siedekeſſel geſchafft. Es iſt ſo ſalzhaltig,
daß 90 Gallonen oft ein Buͤſchel Salz geben, da
andere Salinen oft erſt von 500 Gallonen ein
Buͤſchel gewinnen. Es werden auf dieſem Salzwerke
jaͤhrlich uͤber 200,000 Buͤſchel Salz verfertigt.
Eben ſo merkwuͤrdig als die brennende Quelle
iſt die Oelquelle, welche 100 Meilen oberhalb
Pittsburg in den Alleghany faͤllt. Bei ihrem
Urſprunge ſchwimmt eine ſolche Menge Oel auf
der Oberflaͤche des Waſſers, daß eine Perſon des
Tages leicht einige Gallanen davon einſammeln
kann. Dieſes Oel wird bei rheumatiſchen Schmer-
[27] zen mit großem Vortheile durch Einreibungen an-
gewandt. Das Waſſer der Quelle ſelbſt wirkt,
getrunken, als eine gelinde Abfuͤhrung. Im Han-
del geht es unter dem Namen Seneca-Oel,
und wird von Pittsburg jaͤhrlich ſehr vieles davon
verſandt.
[28]
Von Wheeling fuhren wir am 2ten Jul.
mit unſerm kleinen Wagen weiter. So wie man
den Ohio paſſirt hat, geht der Weg eine Weile
im Flußthale hin. Hier hat Alles das Anſehen
der uͤppigſten Fruchtbarkeit. Vorzuͤglich ſetzen die
rieſenhaften Sycamore-Baͤume (Plantanus oc-
cidentalis L.) den Reiſenden in Erſtaunen. Ihr
gewoͤhnlicher Durchmeſſer iſt 4 Fuß; doch gibt es
weit groͤßere, ſogar bis 60 Fuß im Umfange. In
Sciota-County, auf dem Guthe des Hrn. Muͤl-
ler, findet ſich ſogar eine hohle Sycamore, in wel-
cher am 26ten Jun. 1808 dreizehn Reiter her-
umreiten konnten, und das Pferd des vierzehnten
war zu ſcheu, ſonſt haͤtte es auch noch Platz genug
gefunden in dieſem Ungeheuer von hohlem Bau-
me. *)
Wenn man das Thal des Ohio verlaſſen
hat, wird die Gegend ſehr huͤgelicht, und iſt nicht
ſonderlich fruchtbar; aber dennoch findet man herr-
liche Weizenfelder und ſchoͤnes Hornvieh. Mehrere
Heerden fettes Vieh von Kentuky (oft 100 —
[29] 150 Stuͤck an der Zahl) begegneten uns; man-
che darunter konnten an 1000 Pfund ſchwer ſeyn.
Faſt jeden Tag trafen wir auf einige unſerer
Landesleute. In einer kleinen Stadt Waſhing-
ton logirten wir bei einem Wirthe, deſſen Groß-
vater aus Deutſchland heruͤbergekommen war.
Da er die Ueberfahrt nicht an den Schiffer be-
zahlen konnte, ſo mußte er 3 Jahre dienen, und
doch hinterließ er bei ſeinem Tode jedem ſeiner
7 Kinder 200 Acker Land (ohngefaͤhr 300 Mor-
gen Calenbergiſch.)
In dem Wirthshauſe zu Cambridge fanden
wir einen jungen Burſchen aus dem Wuͤrtember-
giſchen, welcher auch fuͤr die Ueberfahrt diente.
Ich ſuchte Gelegenheit mit ihm allein zu reden;
er verſicherte mich, er ſey mit ſeiner Lage wohl
zufrieden, denn er werde als ein Glied der Fa-
milie behandel[t.] Er war hier bereits 1½ Jahre.
Ohnweit Zainsville fanden wir einen Deut-
ſchen Pflanzer, welcher 3 Jahre zuvor hieher ge-
zogen war, fuͤr das in Wald und Wildniß be-
ſtehende Land 8 Dollars p. Acre bezahlt, und
nun ſchon herrliche Weizenfelder hatte, wo er
25 bis 30 Buͤſchel (à 60 — 70 Pf.) p. Acre
aͤrndtete. Sein Großvater war aus Deutſchland
gekommen, und lebte noch, 96 Jahr alt. Man
bemerkt uͤberhaupt, daß die hieher gekommenen
[30] Deutſchen gemeiniglich ein hohes Alter erreichen;
die Kinder werden dagegen hier, durch das viele
Kaffetrinken, gleich in der Jugend verdorben.
Unter den vielen kleinen Staͤdten, welche
wir paſſirten, zeichnet ſich Zainsville am Mus-
kingum vortheilhaft aus. Am Muskingum liegen
oberhalb Zainsville, die Deutſchen Staͤdte
Gnadenhuͤtten und Schoͤnbrunn.
Am Jonathanfluſſe ſahen wir am 4ten Jul.
Abends 9 Uhr zuerſt den Cometen. Er ging in
Nordweſt nach 9¾ Uhr unter.
Bei der großen Neigung der Amerikaner zum
Reiſen fehlt es weder auf den Straßen noch in
den vielen Gaſthaͤuſern an Geſellſchaft. Sehr
angenehm aber iſt es, an einem Sonntage einen
Zug wohlgekleideter Reiter und Reiterinnen nach
der Kirche eilen zu ſehen. Hier haͤlt der Zug
bei einer aͤrmlichen Huͤtte an, und, ſiehe da! es
tritt ein elegantes Paar aus derſelben, beſteigt
die ſchon wartenden Pferde, und ſchließt ſich dem
ſtattlichen Zuge an. Jetzt blickt die Sonne her-
vor, und im Nu ſind die niedlichen gruͤnen Son-
nenſchirme ausgebreitet, um die Schoͤnen wider
die Sonnenſtrahlen zu ſchuͤtzen.
Am 5ten Mittags kamen wir in New-Lan-
kaſter (120 Meilen von Wheeling und 416
Meilen von Waſhington entfernt) an. Dieſe
[31] Stadt iſt eine Pflanzſtadt von Lankaſter in Pen-
ſylvanien. Faſt alle Einwohner ſind Deutſche.
Wir logirten bei Herrn Steinmann, welcher noch
vor 6 Jahren hier fuͤr ſeine Ueberfahrt 3 Jahre
dienen mußte, und jetzt ein Vermoͤgen beſitzt, was
auf 20,000 Dollars geſchaͤtzt wird. — Eine Meile
noͤrdlich von New-Lankaſter iſt ein etwa 400 Fuß
uͤber die Ebene erhabener Fels, von welchem man
eine reizende Ausſicht auf die Stadt und Umge-
gend hat. Oben, dicht am jaͤhen Felſenabhange,
iſt ein Stein durchhoͤhlt, wo, der Sage nach,
die Indianer vormals ihre Hirſchfelle bereiteten,
indem ſie unter dem 12 Zoll weiten Loche ein
Feuer anzuͤndeten und oberhalb deſſelben die Felle
raͤucherten.
New-Lankaſter hat viele huͤbſche Haͤuſer.
Vorzuͤglich zeichnet ſich das Gerichtshaus (Court-
Houſe) in der Mitte der Stadt, auf einem freien
Platze aus. Inwendig beſteht es aus einem großen
Gewoͤlbe, in deſſen Mitte ſich der Sitz der Sherifs,
an den Seiten die Baͤnke fuͤr die Geſchwornen,
dann fuͤr die Advokaten, und endlich die Sitze und
Gallerie fuͤr die Zuhoͤrer befinden. Oben ſind die
Zimmer, wo die Geſchwornen, nach verhandelter
Sache, bei verſchloſſenen Thuͤren ihr Urtheil faͤllen.
Die Impfung der Schutzblattern wird von
den Amerikanern gewiſſenhafter als in Deutſch-
[32] land betrieben. Das Geſetz beſtimmt, daß jedes
Kind vor Erreichung des dritten Jahrs geimpft
ſeyn ſoll. Aber die Einwohner laſſen die Kinder
viel fruͤher impfen. Der Preis fuͤr die Impfung
eines Kindes iſt ½ Dollar.
[33]
Am 6ten des Abends verließen wir New-
Lankaſter und ſetzten unſere Reiſe auf Chiliko-
the (75 Meilen von New-Lankaſter) weiter fort.
Da ich in Neu-Lankaſter ein Pferd gekauft hatte:
ſo trennte ich mich hier von meinem Reiſegefaͤhr-
ten, dem Herrn Hollmann, indem er uͤber
Limstone, ich uͤber Cincinnati die Richtung
nahm.
Von New-Lankaſter nach Chilikothe kommt
man durch ſehr große Waldſtriche, welche von Land-
ſpeculanten erkauft ſind, und nun ſo hoch im
Preiſe gehalten werden, daß ſolche unbebauet blei-
ben. In dieſen Waͤldern fand ich verſchiedene
ſehr hohe Waldroſen-Stauden in voller Bluͤthe,
welche in der Nachbarſchaft des wilden Wein-
ſtocks einen lieblichen Anblick gewaͤhren. Der
Weinſtock waͤchſt faſt durch alle Theile der vereinig-
ten Staaten wild, oft in rieſenhafter Staͤrke. Ich
ſah Reben, welche auf dem Stamme 1½ Fuß
Durchmeſſer hielten, und die Gipfel der hoͤchſten
Eichen mit ihren Blaͤttern und Ranken bedeckten.
3
[34]
In dieſen unermeßlichen Waͤldern findet man
folgende Waldbaͤume:
- Platanus occidentalis. L.
- Juglans nigra L.
- — — cinerea.
- — — squamosa.
- — — porcina.
- — — amara.
- Linodendron tulipifera.
- Fraxinus quadrangularis.
- — — americana.
- — — aquatica.
- Fagus sylvestris.
- — — castanea.
- Quercus alba.
- — — rubra.
- — — tinctoria.
- — — prinos monticola.
- — — falcata.
- — — nigra.
- — — aquatica.
- — — ferruginea.
- — — lyrata.
- — — macrocarpa.
- — — obtusiloba.
- — — phellos.
- Acer saccharinum.
[35]
- Acer rubrum.
- — — negundo.
- Annona triloba.
- Populus angulata.
- — — tremula.
- Robina pseudo-acacia.
- Pavia lutea.
- Gleditsia triacanthos.
- Laurus sassafras.
- Magnolia acuminata.
- Cercis canadensis.
- Pinus abies.
- Prunus virginiana.
- Carpinus americana.
- — — ostrya.
- Tilia pubescens.
- — — americana.
- Morus rubra.
- Salix nigra.
- Betula nigra.
- Diospiros virginiana.
- Juniperus — —
- Ulmus americana.
- — — rubra.
- Celtis erassifolia.
- Nyssa sylvatica.
- Cornus florida.
*
[36]
Als ſichere Zeichen eines ſehr reichen Bodens
gelten Annona triloba (pawpaw); fraxinus
quadrangularis (blue ash); prunus virginiana
(cherry); Juglans nigra (black walnut);
Quercus alba, macrocorpa et tinctoria (whi-
te, overcap and black oak); Gleditsia (la-
cust). — Dagegen quercus obtusiloba (post-
oak) ein ſicheres Zeichen eines feuchten aͤrmeren
Bodens iſt.
Chilikothe am großen Sciota, iſt eine der
bedeutendſten Staͤdte im Staate von Ohio. Gleich
hinter dieſer Stadt fangen die Waͤlder wiederum
an; doch fehlt es nicht an Pflanzungen, obgleich
es dem Anſiedler hier ſehr ſchwer wird, ſich in
den dicken Wald hineinzuarbeiten. Zuerſt hauet
man den groͤßten Theil der Baͤume nieder, ſo daß
etwa alle 10 — 20 Schritt einer ſtehen bleibt.
Dieſen wird bloß rund um den Stamm herum
die Borke abgehauen, damit ſie abſterben. In
der Folge werden ſie als Feuerungsbedarf nach
und nach aus den Feldern genommen. Alsdann
werden die gefaͤllten Baͤume von dem Platze weg-
gebracht, der Boden mit einem Pfluge ohne Raͤder
aufgebrochen und mit Mais beſtellt. Hierauf
wird der Platz auf die naͤmliche Art eingehegt,
wie oben beſchrieben worden.
[37]
In dem kleinen Staͤdtchen Salem logirte
ich zum erſtenmale bei einem Quaͤker. Es ſind
dieß gute Leute, welche viel Moral zu haben
ſcheinen. Geiſtige Getraͤnke trinken ſie nicht nur
nicht, ſondern fuͤhren ſie auch nicht in ihren Haͤu-
ſern; daher ſie auch, wenn ſie Wirthe ſind, ſich
nicht der Schilder bedienen, ſondern bloß uͤber
der Hausthuͤre die Aufſchrift fuͤhren: Entrete-
ment. — Mein Mantelſack, worin ziemlich viel
Geld ſich befand, wurde unachtſam auf die Haus-
flur hingeworfen. Auf meine Erinnerung dage-
gen ſagte man mir: ich moͤge nur ohne Sorgen
ſeyn, er befaͤnde ſich da ganz ſicher. Ich fand
dieß unbegreiflich, indem ich bemerkte, daß im
ganzen Hauſe noch keine einzige Thuͤre war;
aber dennoch war meine Sorge unnoͤthig; denn
am andern Morgen fand ich Alles unverſehrt. Ei-
nem Europaͤer muß es unbegreiflich vorkommen,
daß hier noch nicht einmal ein Argwohn wegen
Stehlens Statt findet; auf meiner ganzen Reiſe
iſt mir — ich moͤchte ſagen bei der großen Sorg-
loſigkeit — auch nicht fuͤr einen Cent, *) entwen-
det worden.
[38]
In das Thal des kleinen Miami hat man,
auf dem Wege von Salem nach Chilikothe, nach
lange durchreiſten Waͤldern, ploͤtzlich eine ſehr
uͤberraſchende Ausſicht. Von einer Anhoͤhe uͤber-
ſieht man das angebauete Thal; im Vordergrunde
ein medliches Landguth; im Hintergrunde den
nicht unbedeutenden Fluß.
Vor Cincinnati wurde in einer Ziegelei
der Thon durch einen Ochſen zerſtampft. Er war
an eine Stachelwalze geſpannt, welche, im Mittel-
punkte befeſtigt, durch ihre Umdrehungen den
Thon zermalmte.
Cincinnati iſt die groͤßte und volkreichſte
Stadt im Ohio-Staate. Sie iſt an eine auf-
ſteigende Anhoͤhe am Ohio erbauet, jetzt gegen 20
Jahre alt und fuͤr dieſe kurze Zeit außerordentlich
bevoͤlkert. Sie hat uͤber 400 Haͤuſer und zaͤhlt
uͤber 3000 Einwohner. Ihr Handel iſt uͤberaus
bluͤhend. Im Muſeo (wo uͤbrigens nichts ſonder-
liches zu ſehen war) ſah ich eine lebendige Klap-
perſchlange. Dieſes furchtbare Thier ſchien ſehr
traͤge; nur durch vieles Zerren mit einem Stabe
konnten wir ſie bewegen, ihre Klapper hoͤren zu
laſſen.
Auf dem Ohio lagen 2 Dampfboͤte, welche
jedoch des aͤußerſt niedrigen Waſſers wegen nicht
weiter gehen konnten.
[39]
Am 10ten Jul. ſetzte ich uͤber den Ohio, und
betrat den Staat Kentuky, nahm meinen Weg
nach Bigbon, beruͤhmt durch die vielen Mam-
muth-Gebeine, welche man hier gefunden hat.
Die gefundenen Zaͤhne von 3 — 11 Pf. Schwere
ſind theils nach Beſchaffenheit der fleiſchfreſſenden
(Carnivora), theils der grasfreſſenden (Grami-
nivora) Thiere gebildet, ſo, daß zwei Geſchlech-
ter dieſer ungeheuren Thiergattungen vormals hier
exiſtirt haben muͤſſen. Nach Jeffersons Notes on
Virginia erzaͤhlte ein Chef der Delaware-India-
ner, daß ſie von ihren Vaͤtern Folgendes uͤber dieſe
Thiere erfahren haͤtten: „Vor alten Zeiten kam
„eine große Anzahl dieſer ſchrecklichen Thiere nach
„Bigbon, und begann unter den Baͤren, Hir-
„ſchen, Elenden, Buͤffeln und andern Thieren,
„welche zum Nutzen der Indianer erſchaffen waren,
„eine allgemeine Vertilgung, anzurichten. Der
„große Geiſt dort oben ſah herab, erblickte den
„Unfug und ergrimmte daruͤber dermaßen, daß er
„ſeinen Blitz an die Seite ſtellte, ſelbſt auf die
„Erde herabſtieg, ſich auf einen benachbarten Berg
„niederließ und zwar auf einen Felſen, wo man
„bis dieſen Augenblick noch ſeinen Sitz und den
„Abdruck ſeiner Fuͤße ſehen kann. Von hier aus
„ſchleuderte er ſeine Pfeile unter ſie und erſchlug
„ſie alle, ausgenommen den großen Bullen, welcher
[40] „mit ſeiner Stirn die ankommenden Pfeile ab-
„wehrte, aber doch endlich einen verfehlte, wel-
„cher ihm die Seite verwundete, worauf er zur
„Seite ſprang, uͤber den Ohio, Wabaſch, Juinois
„und endlich uͤber die großen Seen ſetzte, allwo
„er bis den heutigen Tag noch lebt.“
Hier befindet ſich eine ſtarke Schwefel-Quelle,
wo man bereits einige Einrichtungen zum Baden
getroffen, auch ein ſehr großes Haus errichtet hat,
um die Badegaͤſte zu beherbergen.
Noͤrdlich von Vevay auf der Seite von
Kentuky befindet ſich das niedliche Landguth des
Herrn Augiel, eines ſehr gaſtfreien und artigen
Franzoſen. Er hat einen guten Weinberg und
einen reichen Weinkeller, nur Schade, daß er
durch Zuſatz von ſtarkem Spiritus und Zucker dem
Weine eine Aehnlichkeit mit dem Madeira zu ge-
ben ſucht; aber die Amerikaner lieben ſolche Art
Weine. In ſeiner Nachbarſchaft lebt der be-
ruͤhmte Revolutionsmann Lacannal. Ich be-
ſuchte ihn, und wurde mit vieler Artigkeit von
ihm aufgenommen. Welche Gedanken durchkreuz-
ten meinen Kopf, als ich dieſen ſonſt ſo maͤchti-
gen Mann in einer gewoͤhnlichen Americaniſchen
Huͤtte antraf. Ich gab ihm auf irgend eine
[41] ſchickliche Art meine Verwunderung uͤber ſeine
jetzige Lage zu erkennen; doch Lacannal ſagte, auf
ſeine Buͤcher zeigend: hier iſt meine Unterhaltung;
ich kann nach Frankreich zuruͤckkehren, aber ich
wuͤnſche hier zu bleiben.
Von Herrn Augiel geht der Weg an den
Ufern des Ohio hin. Hier hatte ich Gelegenheit,
mich zu uͤberzeugen, daß der Fluß 40 Fuß hoch
ſteigen koͤnne. Ich ſah naͤmlich an den Aeſten
eines Baums, welcher 10 Fuß uͤber der jetzigen
Waſſerflaͤche ſtand, in der Hoͤhe von mehr als 30
Fuß einen ungeheuern Baumſtamm aufgehangen,
welchen die Gewaͤſſer des Ohio dorthin getragen
hatten.
Gegen Vevay uͤber liegt ein kleines Staͤdt-
chen Gent. Es war Abend, als ich in Vevay
anlangte. Am andern Morgen beſuchte ich ſogleich
einen der erſten hieſigen Anbauer, Herrn Mon-
rot. Dieſer gute alte Schweizer, aus dem Pay
de Veau, empfing mich mit aller Gaſtfreundſchaft.
Sogleich ward der Tiſch mit dem hieſigen Weine
beſetzt, und mit Vergnuͤgen trank ich mit dem
freundlichen Alten ein Glaͤschen. Ich ſah es ihm
an, daß er es gut meinte und gern den Reben-
ſaft mittheilte. Dieſer Wein war rein; und war
[42] er gleich nicht von jener Guͤte, wie Deutſchland
und Frankreich ihn hervorbringen; ſo war er doch
in dieſem Lande ein herrliches Getraͤnk, welches
dem Koͤrper außerorbentlich wohlthat, und beſſer
als alle auslaͤndiſche Weine, welche ich hier auch
oft gefunden habe. Monrot erzaͤhlte mir: als er,
Betang und ein Dritter, deſſen Namen ich ver-
geſſen habe, hier ankamen, beſtand ihre ganze
Baarſchaft nur noch in 7 Dollars. Nun fingen
ſie an, mit der groͤßten Anſtrengung den Boden
zu bauen; aber, leider, zog ihnen dieſes, verbun-
den mit dem Clima, Fieberkrankheiten zu, und
Alle waren im erſten Jahre krank. Doch jetzt,
nach 16 Jahren, ſind alle Schwierigkeiten uͤber-
wunden. Sie haben ſchoͤne Haͤuſer von Backſtei-
nen erbauet und mit guten Weinkellern verſehen;
ihr Wein, kaum ausgegohren, wird ihnen, die
Bouteille zu ½ Dollar, aus dem Hauſe geholt; kurz
ſie befinden ſich in ſehr großer Wohlhabenheit.
Die Rebe, welche ſie bis jetzt fuͤr den hieſigen
Boden und Clima am angemeſſenſten gefunden
haben, iſt die vom Vorgebuͤrge der guten Hoff-
nung, welche dort den herrlichen Capwein liefert.
Fuͤr dieſes Jahr verſprachen die Weingaͤrten einen
guten Ertrag. Sie hatten im Durchſchnitt
vom Acre Wein 80 bis 300 Dollars, vom Acre
Weizen 15 — 25 Dollars, vom Acre Mays 20
[43] bis 30 Dollars jaͤhrliche Einnahme gehabt. Der
Weinbau verdient alſo von jedem Landwirthe in
dieſer Gegend betrieben zu werden, inſofern Lage
und Clima es erlauben; denn die mehrere Arbeit
koͤmmt gegen den hoͤhern Ertrag nicht in Betracht.
[44]
den 20ſten Jul. 1819.
Von Vevay nach Louisville iſt der Weg am
Ufer des Ohio herab ziemlich ſchlecht und wuͤrde
zu Wagen nicht zu paſſiren ſeyn. Auch auf die-
ſem Wege hieher traf ich oft auf Deutſche.
Beilaͤufig muß ich, der Wahrheit zur Steuer,
bekennen, daß man bei einem von Englaͤndern ab-
ſtammenden Amerikaner faſt ohne Ausnahme beſſer
logirt, als bei Wirthen, die von Deutſchen ab-
ſtammen. Bei Erſterm herrſcht faſt durchgehends
die groͤßte Reinlichkeit und Ordnung. Die letz-
tern haben zwar ihrer Voraͤltern Fleiß und Ar-
beitſamkeit; aber auch oft ihre Sorgloſigkeit in
jener Ruͤckſicht beibehalten. Doch von allen die-
ſen Deutſchen, welche man hier trifft, kann man
durchaus nicht auf die Nation den Schluß ma-
chen. Gemeiniglich ſind es ja nur Menſchen aus
der niedrigſten Volksklaſſe, welche von Deutſchland
heruͤber kamen, um hier Ackerbau zu treiben.
Jefferſonsville, ein kleines niedliches
Staͤdtchen am rechten Ufer des Ohio. Gegen-
uͤber, etwas ſuͤdlicher, liegt Louisville, eine
ziemlich bedeutende Stadt, welche einen lebhaften
[45] Handel nach Neu- Orleans treiht. Ich hatte da-
ſelbſt mit Herrn Vetter und Comp. ein klei-
nes Geldgeſchaͤft abzumachen, und war ihnen durch
meine Freunde von Baltimore aus noch beſonders
empfohlen worden. Zur Warnung jedes Reiſen-
den, welcher in dieſem Lande Geldſachen abzu-
thun hat, muß ich hier die Art und Weiſe er-
zaͤhlen, wie die Herren Vetter und Comp.
mit mir Fremdlinge in dieſem Lande verfuhren.
Herr Vetter ſagte zu mir: „Hier iſt Alles in
Vincennes-Noten, welche Landoffices Geld ſind“
Ich war damit ſehr zufrieden, und glaubte Wun-
der, was ich fuͤr gute Papiere erhalten haͤtte.
Als ich aber in Harmonie und an andern
Orten von dieſen Noten Gebrauch machen wollte,
weigerte man ſich, ſie anzunehmen, und machte
mir bemerklich, daß ich hintergangen ſey, wenn
mir dieſe Papiere fuͤr Vincennes-Noten gegeben
worden waͤren. Die letztern waͤren allerdings ſehr
gut; aber die mir gegebenen waͤren alle Branch-
bank-Noten von Vincennes, welche nicht courant
ſeyen.
Unterhalb Louisville ſind die ſogenannten
Waſſerfaͤlle des Ohio(Falls of Ohio),
Der Fluß draͤngt ſich mit großem Geraͤuſch und
ſtarkem Gefaͤlle durch mehrere Felſen, welche jetzt
bei dem ungewoͤhnlich niedrigen Waſſerſtande
[46] ſichtbar waren. Oberhalb des Falles iſt der Fluß
breit und tief. Gegen Louisville, da, wo der
Baͤrgrasfluß ſich mit dem Ohio vereinigt, beginnt
der Fall, und in den 2 Meilen, bis zum Fuße
des Falls, iſt das Gefaͤlle 22½ Fuß. Boote, und
alle Arten von Fahrzeugen finden in Jefferſons-
ville, ſo wie in Louisville erfahrne Lootſen, wel-
che die Schiffe ſicher uͤber dieſen Fall fuͤhren. Bei
ſehr hohem Waſſer iſt faſt gar keine Gefahr, in-
dem alsdann die Felſen gegen 20 Fuß hoch mit
Waſſer bedeckt ſind, und das Ganze mehr einem
reiſſenden Strome als einem Falle gleichſieht.
Von Jeverſonsville fuͤhrt die große Straße
nach Vincennes zuerſt auf Albani, einem klei-
nen Staͤdtchen am Ohio. Der Gaſtwirth in der
goldnen Glocke beſchaͤmt manchen Wirth erſter
Klaſſe in Deutſchland durch Hoͤflichkeit, Reinlich-
keit, Eleganz, und — was am Ende doch die
Hauptſache bleibt — durch ſeltene Billigkeit.
Im Innern von Indiana findet man zu-
weilen meilenlange Strecken, wo der Wald wahr-
ſcheinlich durchs Feuer vertilgt iſt; doch ſind die
Plaͤtze meiſtentheils ſchon wieder mit jungen Loh-
den bedeckt. Uebrigens iſt dieſer Theil eben nicht
ſehr fruchtbar und uͤberaus huͤgelich. Am 16ten
Jul. ſah ich in einer kleinen Stadt Peola
den erſten Hafer einfahren. Vier und funfzig
[47] Meilen dieſſeits Vincennes findet man eine Schwe-
fel-Quelle, welche ſich ſchon in weiter Ferne durch
einen ſtarten Schwefelgeruch zu erkennen gibt.
Das Waſſer hat eine blauweiße Farbe.
Vincennes unterm 38° 43′ Nordbr. iſt
am oͤſtlichen Ufer des großen Wabaſch, in einer
etwas ſandigen Wieſe erbauet. Im Jahre 1775
legten die Franzoſen hier zuerſt einen Poſten an.
Die Entfernung von hier bis zur Muͤndung des
Wabaſch betraͤgt 150 Meilen.
Am Wabaſch finden ſich die vorzuͤglichſten
Pflanzungen im Staate Indiana. Zu Fort Har-
riſon, 262 Meilen von der Muͤndung des Fluſ-
ſes, aͤrndtet der Capitain Hamilton (wie man
mich verſicherte) jaͤhrlich uͤber 60,000 Buͤſchel
Mais zu 60 — 70 Pf. pr. Buͤſchel. Der Fluß
iſt bis Fort Quiatanon fuͤr Fahrzeuge ſchiff-
bar, welche bis 3 Fuß im Waſſer gehen. Klei,
nere Boͤte gehen noch 197 Meilen hoͤher, da, wo
der Fluß nur 9 Meilen von Miami am See
Erie entfernt iſt.
Am 18ten Jul. gegen 8 Uhr Abends kam
ich in die Naͤhe von Harmonie. Die Thurm-
uhr ſchlug 8 — ein erfreuliches Zeichen der Cul-
tur fuͤr einen Reiſenden, welcher 800 Meilen zu-
ruͤckgelegt hat, ohne einen Glockenſchlag gehoͤrt zu
haben. Als ich n Wirthshauſe ankam, war es,
[48] als ob ich mitten in Deutſchland mich befaͤnde.
Kleidung, Sprache, Sitten und Gebraͤuche —
Alles iſt bei dieſen Coloniſten unveraͤndert geblie-
ben. Man ſetzte mir einen Krug Bier vor, und
ich erſtaunte nicht wenig, hier ein aufrichtiges,
echtes Bamberger Bier zu finden. Fruͤh am an-
dern Morgen wurde ich durch das lebhafte Ge-
toͤs arbeitender Zimmerleute geweckt. Ich ging
nach dem Fruͤhſtuͤck zu Hrn. Rapp, Vorſteher
dieſer Colonie, welcher mir zuvoͤrderſt ſeinen Gar-
ten zeigte, wo unter mehrern ſeltnen Gewaͤchſen
ſich auch eine bluͤhende Paſſionsblume befand.
Dann fuͤhrte er mich zu Hrn. Becker, und bat
ihn, mir Alles Sehenswuͤrdige zu zeigen. Herr
Becker iſt ein Mann von feiner Bildung und ſehr
angenehmen Aeußern; er fuͤhrt die Aufſicht uͤber
die Handlung. Wir gingen nun zuerſt die Wol-
lenzeug-Manufaktur zu beſehen. Eine Dampf-
maſchine, mit der Kraft von 30 Pferden, kratzet,
kaͤmmet und reinigt die Wolle, liefert von ihr
kleine Docken, welche auf der Spinnmaſchine durch
ein Maͤdchen und vier Kinder ſehr egal und
ſchnell (40 Faden auf jeden Zug) geſponnen wer-
den. Das Weben, Scheeren u. ſ. w. geſchieht
wieder durch die Dampfmaſchine, welche oben-
drein noch eine Mahl- und eine Schleifmuͤhle
treibt.
[49]
Weit merkwuͤrdiger war jedoch fuͤr mich die
Droͤſchmaſchine, welche ich als durchaus feh-
[lerfrei] anerkennen mußte. Sie liefert in Zeit von
einer Stunde 20 Buͤſchel Weizen (1300 Pfund),
rein, wie irgend eine gute Kornmuͤhle ihn liefert,
driſcht ganz rein aus, ſelbſt wenn die Frucht
feucht iſt, (ſo droͤſchte man heute Morgen gleich
vom Aerndtewagen den vom Thau ziemlich ange-
feuchteten Weizen), und laͤßt das Stroh ganz,
ſo daß es zum Futterſchneiden, ja auch wol zum
Binden benutzt werden kann. In der Folge ſoll
der Dampf auch dieſe Maſchine in Bewegung
ſetzen, jetzt ſind 8 Pferde und, mit Einſchluß der
Kinder, 20 Perſonen zur Arbeit erforderlich.
Man ſpart ſchon jetzt Dreiviertel der Arbeit, Al-
les ſehr gering angeſchlagen, ohne irgend fuͤr die
Zeiterſparung etwas zu rechnen. Man war nicht
geneigt, mir das Innere der Maſchine ausfuͤhr-
lich zu zeigen; aber die Haupteinrichtung erfuhr
ich doch. Die Welle, welche die Pferde herum-
drehen, ſetzt erſtens eine Trommel, faſt wie die
iſt, worin wir die Kartoffeln waſchen, m Be-
wegung, und dieſe Trommel thut das Ausdroͤ-
ſchen. Dann drehet ſie 2 Walzen gegen einan-
der, (wie unſere Kartoffelmuͤhle), die Walzen
laſſen einen Zwiſchenraum von 1½ Zoll, welche
Oefnung gegen einen Tiſch gerichtet iſt, auf
4
[50] welchen eine Perſon die Frucht, (jedesmal einen
mittelmaͤßigen Arm voll), und zwar die Aehren
jedesmal gegen die Maſchine gerichtet, ausbreitet.
Die Walzen ziehen die Frucht ſchnell ein, und
die Trommel ſchlaͤgt augenblicklich die Frucht rein
aus. Das Stroh ſcheint nicht in die Trommel
zu kommen, ſondern, zwiſchen ihr und den Wal-
zen durch, tiefer hinab zu fallen, wo es durch
den Wind, welcher zur Reinigung der Frucht
dient, und durch eine Vorrichtung, welche wie
unſere Schuͤttegabel wirkt, hinten hinausgewor-
fen wird. Vorn erhaͤlt man das reine Korn und
an der Seite den Kaf und das Echter- Korn,
jedes allein. Letzteres iſt in nicht groͤßerer Men-
ge als bei unſerer Art des Reinigens vorhanden;
auch habe ich es nicht mit zur ausgedroſchenen
Frucht gerechnet. In Hinſicht der Wirkung der
Maſchine muß ich noch bemerken, daß ich die
ganze Zeit gegenwaͤrtig geweſen bin und Alles
genau beobachtet habe.
Die Branntweinbrennerei und Brauerei ſind
ebenfalls ſehr gut eingerichtet. Die erſtere wuͤrde
noch dadurch zu verbeſſern ſeyn, daß einige hoͤl-
zerne Geraͤthe, worin Maiſche gekocht wird, von
Kupfer angefertigt wuͤrden. Die Hauptvortheile
ihrer Einrichtung beſtehen darin, daß durch ſie-
dende Waſſerdaͤmpfe alles Deſtilliren geſchieht, wo-
[51] durch das Product an Qualitaͤt ſo ſehr gewinnt.
Dieſe Art iſt auch in jedem Lande, wo der Bla-
ſenzins nicht exiſtirt, die beſte.
Auch die Feldwirthſchaft von Harmonie un-
terſcheidet ſich von der ihrer Nachbarn ſehr vor-
theilhaft Hier goͤnnt man dem Boden, ob er
es gleich nicht bedarf, zuweilen ein halbes Jahr
Ruhe; man hat halbe Brache zu Weizen, um
den Acker mehr zu reinigen. Winter-Gerſte wird
mit großem Vortheil gebauet, und oft ſchon An-
fangs Junius geaͤrndtet.
Die hieſigen Weinberge, etwa 8 — 10 Acres
enthaltend, liefern einen guten Wein, der jedoch
mit Zucker und Spiritus gemiſcht zu ſeyn ſcheint.
Von dem Huͤgel dieſer Weinberge hat man eine
herrliche Ausſicht auf den Fluß, die Stadt, auf
die Gaͤrten und Felder herab.
Das ganze Beſitzthum der Harmoniten be-
ſteht etwa in 20,000 Acres oder 30,000 Calen-
berger Morgen. Die Stadt iſt im Viereck ange-
legt, der oͤffentliche Platz, von der Kirche, Rapps
Wohnhauſe, dem Kaufhauſe, der Schule und
dem Gaſthauſe eingefaßt, ſo wie die ſehr breiten
Straßen, ſind ſaͤmmtlich mit 2 Reihen Pappeln
bepflanzt, welches dem Ganzen ein liebliches und
freundliches Anſehen gibt, und man iſt jetzt mit
der Erbauung ſehr niedlicher Wohnhaͤuſer fuͤr jede
*
[52] Familie beſchaͤftigt. Wenn dieſe Arbeit beendigt
iſt, muß Harmonie die ſchoͤnſte Stadt des weſt-
lichen Amerika ſeyn, indem Alles in der vollkom-
menſten Symmetrie erbauet wird, welches in keiner
andern Stadt moͤglich zu machen ſteht; denn dort
bauet Jemand eine Huͤtte, waͤhrend ſein Nachbar
vielleicht einen Pallaſt neben an bauet.
Ueber die religioͤſe Einrichtung dieſer Gemei-
ne konnte ich nur unbeſtimmte Nachrichten erhal-
ten. In der Kirche war ſo wenig ein Altar als
andere Verzierungen zu finden; auf einer Erhoͤ-
hung von etwa 3 Fuß befand ſich ein Sitz fuͤr
Rapp, neben dieſem ein Pult, auf welchem die
Bibel lag. An jedem Sonntage redet er hier zum
Volke, und ſoll ſich zuweilen einen Propheten
Gottes nennen. Dann werden geiſtliche Lieder
mit Muſikbegleitung geſungen. In dem Noten-
buche fand ich die Arie: „In dieſen heiligen
Hallen ꝛc.“ aus der Oper die Zauberfloͤte von
Mozart. Oft werden Sonntags feierliche Prozeſ-
ſionen mit Muſik in die Fruchtfelder von Harmo-
nie gehalten. Hier gibt es denn eine ſchoͤne Ge-
legenheit fuͤr den Vater, (ſo nennen die Har-
moniten den alten Rapp,) im Angeſichte aller
herrlichen Fruͤchte des Fleißes und der Eintracht,
ſeine Kinder zu fernerer Ausdauer und Einig-
keit zu ermahnen.
[53]
Es ſcheint zwar, als ob Kapp unumſchraͤnk-
ter Dirigent des Ganzen ſey, und doch werden
in einem ſogenannten Brudergerichte, welches
aus den Vormuͤndern der Schmiede-Schuſter
Sattler- und Zimmerleute-Geſellſchaft beſteht, alle
wichtige Angelegenheiten in Berathung gezogen.
Der Hauptgrundſatz der Geſellſchaft beſteht,
nach dem, was ich daruͤber theils von verſchiede-
nen Gliedern der Gemeine, theils von Rapp ſelbſt
erfahren habe, in Folgendem:
- Nach der Lehre Chriſti muͤſſen wir
uns wie eine einzige Familie be-
trachten, wo Jeder nach ſeinen
Kraͤften und Faͤhigkeiten ohne al-
len Eigennutz, bloß zum Wohle
des Ganzen und ſeiner Mitbruͤder
arbeitet.
Man behauptet allgemein, Rapp habe, als die
Geſellſchaft (jetzt 800 Seelen ſtark) vor 5 Jah-
ren von Penſylvanien hieher zog, das unnatuͤrli-
che Geſetz gegeben: alle Verheiratheten ſollten ſich
innerhalb dreier Jahre der ehelichen Beiwohnung
gaͤnzlich enthalten, um dadurch mehr Zeit und
Haͤnde zur Arbeit zu erhalten, und es ſchien auch
[54] beinahe, als ob die Kinder meiſtens von einerlei
Alter waͤren Rapp ſelbſt verſicherte mich, es
ſeyen Verlaͤumdungen des Neides; er lehre nach
Chriſto, und ermahne zur Moral und Bruderliebe.
Die Harmoniten haben in der That gute
Nahrung, Kleidung und Alles, was ſie vermoͤge
ihres Standes beduͤrfen, und, ſind ſie von der
Wahrheit des obigen Grundſatzes uͤberzeugt, ſo
muͤſſen es die gluͤcklichſten Menſchen der ganzen
Chriſtenheit ſeyn. In ganz Amerika habe ich ſel-
ten den Namen Harmonie nennen hoͤren, ohne
zugleich die Deutſchen wegen ihres Fleißes, ihrer
Ausdauer und ihrer Rechtlichkeit loben zu hoͤren. —
Gegen Mittag (29ſten Jul.) traf ich auf
der ſogenannten Engliſchen Wieſe ein, wo die
Englaͤnder Birkbeck und Flower ſeit 3 Jah-
ren ſich angebauet haben. Dieſe Maͤnner, welche
eines Theils keine durch Fruchtbarkeit ſich ſonder-
lich auszeichnende Gegend gewaͤhlt haben, und
andern Theils nur wenig Fleiß im Anbau des
Landes zu zeigen ſcheinen, haben dennoch bereits
eine ſolche Menge Menſchen an ſich gezogen, daß
ſchon eine kleine Stadt, Neu-Albion erbauet,
und, der ſehr unguͤnſtigen Localumſtaͤnde ohnerach-
tet, dieſe Gegend bald ſehr bevoͤlkert ſeyn wird.
[55]
Birbeck’s Notes on a Journay in Ame-
rica etc. habe ich zwar jederzeit der Wahrheit
gemaͤß beſtaͤtigt gefunden; aber in ſeinen Lettres
From Illinois werden ſchon jedem unbefangenen
Landwirthe die aufgeſtellten Berechnungen (S. 69
bis 73) nicht begruͤndet genug erſcheinen, ge-
ſchweige einem ſolchen, welcher an Ort und Stelle
in oͤkonomiſcher Hinſicht unterſuchte und pruͤfte,
und weder von dem in den erſteren Jahren
der Cultur beſonders nothwendig werdenden In-
dianiſchen Korn (Mais) noch von Weizen, auch
nicht einen einzigen Acre in den weiten Wieſen-
laͤndern fand; da doch viele Hunderte derſelben
in den Berechnungen aufgefuͤhrt ſind. Auch iſt
mir keine einzige, fuͤr die Oekonomie ſo nothwen-
dige, und in dieſem Clima fuͤr die Geſundheit ſo
hoͤchſt heiſame Obſt- Anlage zu Geſichte gekom-
men, da doch der Pfirſichbaum ſchon im dritten
Jahre fruchttragend wird, und alſo ſchnell und
leicht angezogen werden kann.
Es war nicht moͤglich, von hier aus direct
uͤber den kleinen Wabaſch nach Kaskaskia zu ge
langen. Daher ſah ich mich genoͤthigt, wiederum
ſuͤdlich gegen den Zuſammenfluß des großen und
kleinen Wabaſch meine Wanderungen fortzuſetzen,
wohin ein ſehr ſchoͤner fahrbarer Weg auf Car-
mi fuͤhrt. Dieſe Stadt liegt am kleinen Wabaſch
[56] etwa 30 Engliſche Meilen oberhalb ſeiner Vereini-
gung mit dem großen Wabaſch. Sie treibt einen
ziemlich lebhaften Handel mit Waaren, welche,
des naͤhern und ſehr ſchoͤnen Weges wegen, von
Shawaneetown meiſtens zu Lande hier an-
kommen.
Ehe man Carmi erreicht, fuͤhrt der Weg
durch mehrere ſehr gute angebauete Pflanzungen,
wo das Auge durch die uͤppigſten Maisfelder er-
goͤtzt wird. Hier iſt der Strich, wo im Jahre
1813 ein fuͤrchterlicher Orkan ſeine ſchrecklichen
Verwuͤſtungen anrichtete. Der Weg fuͤhrt durch
einen Wald, in welchem alle Baͤume etwa 7 —
10 Fuß uͤber der Erde wie Weiden umgedreht,
und ihre Haͤupter oft in entgegengeſetzter Richtung
zur Erde geworfen ſind. Auf dem Ohio ergriff
dieſer Orkan ein Boot, und warf es weit vom
Ufer ans Land. Er durchſtrich in einer Breite
von 1 Engliſchen Meile beinahe das ganze feſte
Land von Amerika in der Richtung von Weſten
nach Oſten.
Nicht weit von Carmi laͤuft der Weg durch
eine Wieſenflaͤche, (Big-Prairie) in welcher,
wegen ihrer großen Fruchtbarkeit, ſich bereits eine
ziemliche Anzahl Pflanzer niedergelaſſen haben.
Dieſer ſogenannten Prairien (Wieſenflaͤchen)
finden ſich im Illinois- Staate ſehr viele, und
[57] man koͤnnte wol annehmen, daß ſie die Haͤlfte
des ganzen Flaͤchenraums betragen moͤchten. Sie
ſind, nach Beſchaffenheit ihrer Fruchtbarkeit, mit
hoͤhern oder niedrigern Graͤſern und Stauden uͤp-
pig bedeckt, und in der That, es kann fuͤr einen
Fremden nichts Einladenders gedacht werden, als
ſich hier niederzulaſſen, und in dieſer Fuͤlle der
Natur zu leben und zu weben. Er braucht weiter
nichts zu thun, als den Pflug in dieſen meiſtens
ganz ebenen Wieſenflaͤchen nur ein mal anzuſetzen,
und ſeine Aecker prangen von den reichſten Fruͤch-
ten und den geſegnetſten Aerndten. Wie viel leich-
ter iſt hier der Anfang eines Pflanzers, als in
den dichten Waͤldern am Ohio und Indiana! Zum
Beweiſe dieſes erlaube ich mir nur anzufuͤhren, daß
von allen Laͤndereien, welche bis jetzt im Staate
Illinois zum Verkauf geſtellt ſind, noch kein Plaͤtzchen
unverkauft geblieben iſt, wo in fruchtbaren ebenen
Wieſen nur gutes Waſſer und Waldgrund ſich
beiſammen fand. Leider fehlt aber das gute
Waſſer im ſuͤdlichen Theile nur zu ſehr; dabei
haben die Fluͤſſe keinen ſtarken Abfluß, welches,
vereint mit mehrem Nebenumſtaͤnden, jaͤhrlich
viele Fieberkrankheiten zur Folge hat; aber man
findet doch, daß dieſes Uebel in eben dem Maaße
abnimmt, wie das Land nach und nach mehr an-
gebauet wird. Eben ſo verſchwinden mit der zu-
[58] nehmenden Anbauung eine Menge anderer Uebel,
als: die Fliegen, Muskiten u. ſ. w.
Die Fliegen werden in den Sommermo-
naten Julius, Auguſt und September, in den
großen Wieſen dem Reiſenden zu Pferde aͤußerſt
laͤſtig; ja man behauptet ſogar, daß dieſe Inſekten
bei großer Hitze in kurzer Zeit ein Pferd zu toͤdten
im Stande ſeyen.
Es gibt von dieſen Fliegen zweierlei Arten:
die kleinen gruͤnen, und die großen Pfer-
de-Bremſen. Die erſtern von der Groͤße der
gemeinen Fliege, die zweite oft ſo groß als eine
Horniſſe. Da ſie faſt immer nur den Kopf, Hals
und die Bruſt des Pferdes anfallen: ſo genuͤgt
eine Bedeckung von Leinwand, um dieſe Theile
zu ſchuͤtzen. Gebraucht man noch außerdem die
Vorſicht, groͤßtentheils vor Sonnen-Aufgang und
nach Sonnen-Untergang zu reiſen: ſo iſt dieſes
Uebel nur von geringer Bedeutung.
Was die Fliegen den Pferden ſind, das ſind
die Muskiten dem Menſchen. Die Muskite iſt
wol weiter nichts, als die Europaͤiſche Muͤcke;
wenigſtens habe ich zwiſchen den Muskiten in
den noͤrdlich vom Ohio belegenen Staaten und
unſerer Muͤcke keinen Unterſchied gefunden. Ihr
Biß iſt durchaus nicht ſchmerzhafter; ihre Groͤße,
Geſtalt, und daß ſie nur an feuchten Orten und
[59] in der Nachtzeit ſich einſtellt; alles dieſes hat ſie
mit jener gemein. In großer Menge findet ſie
ſich an den niedrigen Ufern der Fluͤſſe und in un-
angebaueten ſumpfigen Gegenden. Alles, was ich
fruͤher uͤber dieſe Inſekten, ſo wie Alles, was ich
uͤberhaupt fruͤherhin uͤber Amerika je gehoͤrt oder
geleſen habe — es ſey Gutes oder Boͤſes — iſt
meiſtens etwas uͤbertrieben.
Auf der andern Seite des kleinen Wabaſch
findet man vielen Wald und wenigere Anpflan-
zungen. Je naͤher man aber gegen Kaskaskia
koͤmmt, deſto mehr vermehren ſich die Wieſen
mit abwechſelnden Waͤldern, welche oft die nied-
lichſten Anſichten bilden. Fehlte es hier nicht
zu ſehr an Waſſer, ſo wuͤrden dieſe Gegenden zu
den ſchoͤnſten und angenehmſten gerechnet werden
koͤnnen.
Am andern Ufer des Kaskaskia (Oka), ei-
nes hier ſehr bedeutenden Fluſſes, liegt die Stadt
Kaskaskia, wo ſich gegenwaͤrtig der Sitz der
Staats-Regierung befindet. Sie wurde ſchon
vor laͤnger als 50 Jahren von den Canadiſchen
Franzoſen angelegt und iſt eben nicht ſehr bedeu-
tend; auch ſcheint ſie keine ganz geſunde Lage zu
haben, indem ſie in dem Thalgrunde des Miſſiſ-
ſippi (American botam) liegt, welcher durch-
gehends als ſehr ungeſund bekannt iſt. Doch auch
[60] dieſes Uebel, welches von den Ueberſchwemmun-
gen des Miſſiſſippi und dem feuchten Boden her-
ruͤhrt, beſſert nach und nach die Zeit. Man hat
bemerkt, daß von Jahr zu Jahr dieſes Thal theils
mehr abtrocknet, theils auch gegenwaͤrtig vom
Fluſſe nur ſelten, und nur an den niedern Stel-
len uͤberſchwemmt wird. Seit 30 Jahren iſt
Kaskaskia nicht mehr uͤberſchwemmt worden. —
In der katholiſchen Kirche daſelbſt fand ich eine
ziemlich zahlreiche Gemeine verſammelt. Des
junge wohlgebildete Prediger erbauete in Franzoͤ-
ſiſcher Sprache mit einer ſo ſeltenen Wohlredenheit
und einer ſo ſchoͤnen Ausſprache, daß ich mich
hoͤchlich daruͤber wunderte, weil mir dergleichen
ganz unerwartet geweſen war.
Nachmittags hatte ich die Ehre, beim Herrn
Gouverneur Bond zum Thee eingeladen zu wer-
den, wo ich zum erſtenmale in der neuen Welt
mich in eine Geſellſchaft vornehmer Damen ver-
ſetzt ſah. Man bewies mir allgemein eine große
Aufmerkſamkeit und zuvorkommende Guͤte. Das,
was dem Fremden, mit der Landesſprache und
den Sitten gewoͤhnlich zu wenig Vertrauten, ſehr
angenehm zu Statten kommt, iſt die Verbannung
aller ſogenannten Etiquette und unnoͤthigen Com-
plimente aus hoͤhern und niedern Geſellſchaften.
[61] Der Amerikaner gruͤßt nie mit Abnehmung des
Huthes, ſondern durch einen traulichen Haͤnde-
druck. Man tritt zu den vornehmſten Perſonen
mit bedecktem Haupte. Zum Eſſen und Trinken
wird wenig oder gar nicht genoͤthigt; Jeder be-
dient ſich der vorhandenen Speiſen und Getraͤnke
nach Maaßgabe ſeines Appetits. Dennoch herrſcht
in allen Geſellſchaften die groͤßte Ordnung und
Wohlanſtaͤndigkeit, wobei den gegenwaͤrtigen Da-
men eine hohe Achtung und Aufmerkſamkeit be-
wieſen wird.
So wie in einem freien Staate der Unter-
ſchied der Staͤnde nicht in Betracht kommt, ſo
war dieß auch hier der Fall zwiſchen dem Gou-
verneur und ſeinen Gaͤſten.
Ich machte von hier einen Spaziergang zu
dem 1½ Engliſche Meilen entfernten Miſſiſſippi.
Dieſer gewaltige Strom, der alle Gewaͤſſer des
großen Innern von Nordamerika in ſeinem unge-
heuern Bette ſammelt, war gegenwaͤrtig ſehr nie-
drig; dennoch floͤßten mir ſeine ſchnell dahin flie-
ßenden Waſſermaſſen Erſtaunen ein. Sein Waſ-
ſer iſt truͤbe, und die Schoͤnheit des Stroms
wird durch die vielen in ſeinem Bette hie und
da hervorragenden Baumſtaͤmme ſehr vermindert.
[62] Dieſe Baͤume reißt der Strom bei hohen Waſſer-
fluthen an ſeinen Ufern aus, und laͤßt ſie auf
ſeichten Stellen ruhen, bis eine hoͤhere Waſſer-
fluth ſie weiter befoͤrdert. Jedoch geſchieht es
haͤufig, daß der Stamm mit ſeinen von Erde
beſchwerten Wurzeln, im Boden des Fluſſes ſich
ſenkend, haͤngen bleibt und feſtſchlaͤmmt; alsdann
heben ſich die durch den Verluſt ihrer Zweige
leichter gewordenen Schaͤfte uͤber die Oberflaͤche
und ragen, als eingerammte Pfaͤhle, aus dem
Waſſer hervor. Man hat noch vor Kurzem ein
Beiſpiel gehabt, daß ein Stromaufwaͤrts gehen-
des Dampfſchiff die gewaltſamen Wirkungen eines
ſolchen, durch den Abbruch ſeines Hauptes zuge-
ſpitzten Stammes in ſeinem Bauche erfuhr, und
nach einiger Zeit ſinken mußte. Um dieſer Gefahr
auszuweichen, faͤngt man jetzt an, die Dampf-
ſchiffe mit einem doppelten Boden zu verſehen,
damit, wenn der erſte durchbohrt wird, der zweite
die gewuͤnſchte Sicherheit gewaͤhre. Jene, die Schif-
fahrt unſicher und gefaͤhrlichmachenden Baumſtaͤm-
me, nennen die Amerikaner Log’s oder Shnag’s.
Alle von den Franzoſen angelegten Staͤdte ha-
ben gewoͤhnlich einen gemeinſchaftlichen Weideplatz,
ſo wie mehrere gemeinſchaftliche Grundbeſitzungen.
Auf dieſer Gemeinde-Weide vor Kaskaskia ſah
[63] ich, zum erſtenmal in Amerika, jenen ſchoͤnen
gruͤnen Raſengrund, welchen Europa in ſo man-
chen das Auge ergoͤtzenden Abſtufungen ſo lieblich
darſtellt, und deſſen Daſeyn bekanntlich nur den
Zaͤhnen des darauf weidenden Viehes zu verdan-
ken iſt.
[64]
Von Kaskaskia ab faͤngt der ſogenannte Ame-
rikaniſche Boden an, welcher das Thal des Miſ-
ſiſſippi bildet. Gleich oberhalb Kaskaskia dehnt
das Thal ſich bis an das Staͤdtchen Prairie des
roches auf 7 Engliſche Meilen breit aus, und
iſt oͤſtlich von ſteilen Felſenwaͤnden eingeſchloſſen,
von welchen haͤufig die lieblichſten Quellen herab-
ſprudeln. Der Fluß iſt ganz mit Wald bekraͤnzt;
dann folgen bis zum Fuße der Felſen ebene Wie-
ſen, deren Fruchtbarkeit alles uͤberſteigt, was man
ſich in der Art denken kann.
Hier ſah ich Maisfelder, auf welchen ſeit
30 Jahren, und zwar niemals geduͤngt, Mais
gebauet worden war. Sie ließen noch nichts zu
wuͤnſchen uͤbrig, denn ihre Stauden prangten 15
Fuß hoch. Dieſer Boden beſteht aus ſehr fetti-
gem ſchwarzen, mit Sand vermiſchten Schlamm,
welcher mitunter fahl und, wegen des Ueberfluſſes
von Humus, ſehr leicht iſt. Die Huͤgel uͤber
den ſteilen Felſen ſind theils mit Wald, theils
mit ſchoͤnem gruͤnen Raſen geziert. Hiedurch er-
haͤlt das Thal eine ſehr einladende Einfaſſung, ſo
wie es uͤberhaupt eine der reizendſten Gegenden des
Illinois-Staats ausmacht.
[65]
Oberhalb Krairie des roches verlieren ſich
die ſteilen uͤberhaͤngenden Felſenwaͤnde in hohe Ra-
ſen- und Waldhuͤgel. Auch hier ſah ich die Fort-
ſetzung der Zerſtoͤrungen, welche der oben ſchon er-
waͤhnte Sturmwind angerichtet, und ſeinen Weg
bei Harriſonville uͤber den Miſſiſſippi genommen
hatte. Doch ſchien ſeine Kraft hier nicht ſo ver-
nichtend geweſen zu ſeyn, als am Wabaſch.
Wie vorſichtig der Fremde hier in der Wahl
des Trinkwaſſers ſeyn muß, habe auch ich erfah-
ren. Eines Abends verirrte ich mich vom Wege,
und langte erſt ſpaͤt bei einem Pflanzer an, wel-
cher mir, wie gewoͤhnlich, ſehr willig ein Nacht-
lager in ſeiner Wohnung geſtattete. Das mir
von ihm gereichte Waſſer ſchmeckte mir zwar nicht,
aber ich mußte meinen Durſt damit zu loͤſchen
ſuchen. Allein am andern Morgen wurde ich von
einer heftigen Diarrhoͤe befallen. Es iſt daher ei-
nem Reiſenden ſehr zu empfehlen, etwas ſtarken
Branntwein und Zucker jederzeit bei ſich zu fuͤhren.
Ein Achtel Branntwein mit 7 Achtel Waſſer und be-
liebigem Zucker vermiſcht, gibt ein gutes geſundes
Getraͤnk in dieſem Clima.
Am 27ten Jul. fuhr ich uͤber den Miſſiſſippi
nach St. Louis, einer am rechten Ufer des
Fluſſes auf einer hohen Bank belegenen Stadt,
deren Unterlage aus Felſen beſteht. In dieſen
5
[66] Steinen (Kalkſteinen) findet man hoͤchſt merkwuͤr-
dige Abdruͤcke, z. B. vollkommene Eindruͤcke von
Fuͤßen, Haͤnden, Bogen und Pfeilen der India-
ner, ſo, daß man geneigt wird, zu glauben,
dieſer Stein ſey in fruͤhern Zeiten eine ſo weiche
Maſſe geweſen, daß er dergleichen Eindruͤcke habe
annehmen koͤnnen, worauf denn durch Natur und
Zeit dieſe haͤrtern Steinmaſſen gebildet worden
ſeyen. — Ein ſolcher Stein befindet ſich zu Har-
monie, wohin ihn die daſige Colonie, ſeiner
Merkwuͤrdigkeit wegen, mit großen Koſten, 180
Engliſche Meilen weit, transportiren ließ.
Eine herrliche Quelle, welche aus dem Fel-
ſenufer ſprudelt, verbunden mit der waldfreien
erhabenen Gegend, war vermuthlich der Beweg-
grund zur erſten Anlage von der Stadt St.
Louis. Ihre Gruͤndung faͤllt in den Zeitraum,
in welchem Philadelphia angelegt wurde. Erſt
ſeitdem die Umgegend und die Muͤndung des
Miſſiſſippi im Beſitz der vereinigten Staaten ſich
befindet, iſt St. Louis auch erſt im Aufbluͤhen
begriffen. Daher kann man dieſem wichtigen Platze
ſein verhaͤltnißmaͤßiges hohes Alter nicht zum
Vorwurfe machen. Gegenwaͤrtig wird, außer der
bereits bewohnten Stadt, oben auf der Hoͤhe des
Ufers die Stadt vergroͤßert, und dieſer Theil wird
[67] die fruͤhere Anlage, welche im erſten Zuſchnitte
verdorben war, bald an Schoͤnheit uͤbertreffen.
Man findet hier bereits verſchiedene ſehr huͤbſche
Gebaͤude, und allenthalben iſt man mit Erbauung
neuer Haͤuſer beſchaͤftigt; daher die vielen Saͤge-
muͤhlen in der Nachbarſchaft, unter denen ſich
auch Eine befindet, welche durch Dampf getrieben
wird.
St. Louis liegt unterm 38°, 39′ noͤrdlicher
Breite und mag leicht 4000 Einwohner zaͤhlen.
Die Umgegend landeinwaͤrts iſt Wieſengrund, wel-
cher jedoch nicht ſo fruchtbar iſt, als die Wieſen
im Illinois-Staate gewoͤhnlich ſind. Dieſe Stadt
iſt der Sitz der Territorial-Regierung des Miſ-
ſouri-Territoriums. Der Antrag, zum Staate
erhoben zu werden und ſich eine eigne Verfaſſung
zu geben, fand beim Congreſſe Schwierigkeiten,
indem der Congreß die Bedingung machen wollte,
daß die Sclaverei im Staate von Miſſouri abgeſchaft
werden ſolle. Jetzt findet man faſt taͤglich in den
verſchiedenen Zeitungen Aufſaͤtze uͤber dieſen Ge-
genſtand, deren Mehrzahl faſt immer gegen die
Einfuͤhrung der Sclaverei im Miſſouri-Staate
eifert. Ueberall wird uͤber die Moͤglichkeit, die
Sclaverei, als ein anerkanntes großes Uebel, im gan-
zen Umfange der Freiſtaaten abzuſchaffen, jetzt viel
*
[68] geſchrieben, ſo daß man allgemein wirklich die Hoff-
nung faßt, auch die ſuͤdlichen Staaten bald von
dieſer Plage befreiet zu ſehen. *)
Das linke Ufer des Fluſſes iſt dem Einſtuͤr-
zen und Wegſchwemmen ſehr ausgeſetzt, waͤhrend
am rechten Ufer ſich Steine und Felſen befinden,
welche die reißenden Wirkungen des Stroms ab-
wehren. Dieſes Wegſpuͤlen des Ufers betraͤgt oft
10 — 20 Fuß in einem Jahre, ſo daß nicht ſel-
ten ganze Pflanzungen dadurch verloren gehen.
Zwei kleine Staͤdtchen, die Illinoisſtadt und Jak-
ſonsville, welche St. Louis gegenuͤber erbauet ſind,
laufen Gefahr, mit der Zeit gleichfalls im Miſſiſ-
ſippi ihr Grab zu finden.
Im Allgemeinen kann man annehmen, daß
alle Flußufer in Amerika ungeſunde Aufenthalts-
oͤrter ſind, und vorzuͤglich die Ufer der groͤßern
Fluͤſſe. In St. Louis findet man dieſes Jahr
das kalte Fieber haͤufiger wie gewoͤhnlich. Man
[69] ſchreibt dieſes der großen Hitze dieſes Sommers zu,
weil ſich alle Gattungen der Fieber in dieſem Jahre
haͤufiger zeigen.
Als ich uͤber den Miſſiſſippi zuruͤckgekehrt war,
und mich wieder im Staate Illinois befand, wen-
dete ich mich aufwaͤrts, um dieſes Thal bis an die
Muͤndung des Miſſouri hinauf zu bereiſen.
Einige Meilen von der Stadt Illinois fand
ich die Muͤhle des Herrn Jarrot, eines Franzoſen,
welche das Eigene in ihrer Einrichtung hat, daß
die Waſſerraͤder liegend im Waſſer laufen und
die Welle aufwaͤrts ſtehend drehen; es ſoll
durch dieſe Erfindung, ſelbſt bei 7 — 10ſuͤßigem
Stauwaſſer die Bewegung dieſer Raͤder nicht ge-
hemmt werden.
Man findet in dieſem Thal mehrere kleine
Staͤdte angelegt, welche aber nicht ſonderlich fort-
kommen und zwar eben der ungeſunden Lage wegen.
Z. B. St. Marie, gerade der Muͤndung des
Miſſouri gegenuͤber, hat zwar 4 — 5 Haͤuſer,
aber ohne einen einzigen Bewohner. Es iſt im
hohen Grade zu bedauern, daß dieſe ſo fruchtbare
und zum Handel ſo ſchoͤn gelegene Gegend ſo unge-
ſund iſt. Aber jaͤhrlich wird der hin und wieder
ſumpfige Boden immer feſter und trockner, und man
darf ſich der Hoffnung uͤberlaſſen, daß auch hier
die Zeit das Uebel heilen wird.
[70]
In einer andern Stadt Namens Gibraltar,
3 Meilen hoͤher hinauf, fand ich ziemlich viel Ein-
wohner und man war mit Bauen beſchaͤftigt. Mei-
ne Krankheit hatte indeſſen zugenommen und war
in voͤllige Diſſenterie ausgeartet; ich hatte mir in
St. Louis ein Abfuͤhrungsmittel geben laſſen, aber
die Krankheit ſchien dennoch nicht weichen zu
wollen. Ich nahm nun deshalb etwas Opium und
trank Reiswaſſer, worauf ſich das Uebel ſofort ver-
minderte.
Von Gibraltar ſchlug ich den Weg nach Ed-
wardsville ein. Man findet von hier ab bis
auf die Thalhuͤgel (Bluffs) einige große Pflan-
zungen, und, was mir noch erfreulicher war, Je-
dermann war geſund und wohl.
Gegen Abend den 27ten Jul. erreichte ich
Edwardsville, eine niedliche Stadt etwa 6 bis 7
Meilen von den Thalhuͤgeln des Miſſiſſippi, und
25 Meilen von St. Louis entfernt. Die frucht-
bare Umgegend iſt herrlich mit Pflanzungen be-
deckt, wo man die erſtaunliche Fruchtbarkeit des
Bodens zu bewundern Gelegenheit hat. Ich fand
den Mais (Indion-Korn) faſt durchgehends 12
bis 15 Fuß hoch. Diejenigen Gaͤrten, welche be-
reits das Alter zu Obſtanlagen haben, prangen
von volltragenden Pfirſichen und andern Obſtbaͤu-
men. Die Pfirſiche iſt diejenige Obſtſorte, wel-
[71] che hier zur Verwunderung gut gedeihet. In 4 Jah-
ren liefert der gelegte Pfirſichkern bereits Fruͤchte,
und traͤgt nachher faſt ohne Ausnahme jedes Jahr ſo
voll, daß ſeine Zweige geſtuͤtzt werden muͤſſen. Pfir-
ſichbranntwein und getrockenete Pfirfichen ſind hier
ſehr gewoͤhnlich. Dagegen habe ich in ganz Ame-
rika den Zwetſchenbaum ſelten gefunden, außer in
Harmonie; Aepfel dagegen gibt es in groͤßter Men-
ge, vorzuͤglich in allen aͤltern Anlagen, und ich
habe manche herrliche Sorten unter ihnen ange-
troffen. Außerdem liefern die Gaͤrten Melonen,
beſonders Waſſermelonen, in großer Menge und
von ſeltner Groͤße; die letztern werden fuͤr eine ge-
ſundere Speiſe gehalten als die erſtern. Daß hier
auch alle uͤbrige Gartenfruͤchte gut gedeihen werden,
laͤßt ſich aus dem Vorhergehenden erwarten; der
Kuͤrbis erreicht zuweilen die rieſenmaͤßige Groͤße
von 3 Fuß im Durchmeſſer. Braunen und rothen
Kohl habe ich aber nirgends in Amerika angetroffen,
auch ſcheint den Kartoffeln und vielen andern Ge-
waͤchſen der Boden zu fett zu ſeyn. Die Kartof-
feln duͤrfen z. B. nur erſt ſehr ſpaͤt, oft erſt im
Julius gepflanzt werden; fruͤhgelegte gerathen faſt
nie. Mais, Weizen und Hafer wachſen vortreff-
lich; Gerſte und Roggen habe ich nicht gefunden.
Hier in Edwardsville traf ich mit meinem
Reiſegefaͤhrten, Herrn Hollmann wiederum zu-
[72] ſammen, und es wird dem Leſer nicht unangenehm
ſeyn, auch von ſeiner Reiſe einige Nachricht zu
erhalten. Ich werde daher aus ſeinem Tagebuche
einen kurzgegefaßten Auszug hier mittheilen.
[73]
den 11ten Jul. 1819.
Von Chilikothe wurde mir, ſagt Herr
Hollmann, der Weg uͤber Limstone als der
beſte fuͤr Wagen angerathen. Gleich hinter Chili-
kothe wird die Gegend ſandig, ſteinig und bergig.
In der kleinen Stadt Bembridge erwiederte
mir der Wirth auf meine Frage: ob hier in der
Nachbarſchaft auch Deutſche wohnten? „er habe
nie gehoͤrt, daß ein Deutſcher in dieſer Gegend
ſich niedergelaſſen habe;“ — kein uͤbles Compli-
ment fuͤr meine Landsleute! — Die Gegend gleichet
ſo ziemlich der Luͤneburger Heide, und da es in
dieſem Lande ſo viele gute Laͤnderei gibt, ſo iſt es
in der That zu bewundern, daß man hier in
dieſer ſo ſchlechten Gegend noch ſo viele Pflanzun-
gen findet. Es ſind aber dieſe Anbauer faſt lau-
ter Irrlaͤnder, und zuweilen gerathen dieſe armen
Leute durch die Betruͤgerei von Speculanten auf ſol-
che ſchlechte Laͤnderei. Ein hieſiger Kaufmann kauft
z. B. eine Menge Land in einer oͤffentlichen Ver-
ſteigerung. Hierauf ſchreibt er ſeinen Correſpon-
denten in Neuyork, Philadelphia ꝛc. zeigt ihnen
die Nummern der Section an und ertheilt ihnen
[74] den Auftrag, ſolches an neuankommende Emigran-
ten als gutes Land zu verkaufen. Dadurch er-
haͤlt er gleich die ganze baare Summe fuͤr das
erkaufte Land, wofuͤr er jedoch erſt im 5 Jahren
das Ganze zu bezahlen hat. Dieſer Vortheil wuͤrde
ſchon hinreichend ſeyn; aber der Kaͤufer muß auch
in den meiſten Faͤllen noch 30 — 50 pCt. mehr
dafuͤr bezahlen, als der Einkaufspreis dafuͤr ge-
weſen war.
In Uniontown hatte ich einen beſondern
Vorfall. Ich gerieth naͤmlich mit einem Menſchen
ins Geſpraͤch, welcher bald darauf in Franzoͤſiſcher
Sprache ſagte: er habe mir ein paar Worte unter
vier Augen zu ſagen. Ich erfuͤllte ſeinen Wunſch,
und, ſiehe da! er war ein Methodiſt, welcher mich
zu bekehren die Abſicht hatte. Er ſchwatzte mir
ſo Vieles von der einzigen Seligkeit und Inſpira-
tion unſers Heilandes vor — daß mir angſt und
bange wurde. Auch wurde er, wie es ſchien, bei
dieſer Rede ſelbſt inſpirirt; denn er machte ver-
ſchiedene convulſiviſche Gebaͤrden, und ſchien end-
lich mir um den Hals fallen zu wollen. Ich ſagte
ihm aber kalt und kurz: Alles, was er mir jetzt
geſagt habe, ſey mir nicht recht deutlich, und es
fehle mir an Zeit, mir es von ihm deutlich ma-
chen zu laſſen. Hierauf ließ ich ihn ſtehen; the
rascal!“ (der Schurke!) murmelte er hinter
mir her.
[75]
Von Uniontown fuͤhrt ein ziemlich ſchlechter
Weg fortwaͤhrend nach Limstone. Die Ueber-
raſchung iſt groß, wenn man das Ende des Waldes
erreicht hat, wo man ſich auf einem hohen ſteilen
Berge befindet, unter deſſen jaͤher Wand der Ohio
dahinfließt, und auf deſſen anderm Ufer man eine
Ebene voller Pflanzungen und Obſtgaͤrten, welche
die Stadt Limstone umgeben, erblickt. In der
unglaublichen kurzen Zeit von 3 Minuten wird
man uͤber den ziemlich breiten Fluß geſetzt. Das
Faͤhrſchiff iſt rund; in der Mitte iſt der Platz
fuͤr 6 Pferde, welche die Maſchinerie in Bewe-
gung ſetzen, die ein Ruderrad 14mal geſchwinder
umdreht, als die Pferde gehen; daher die unglaub-
liche Geſchwindigkeit dieſes Fahrzeugs. Es iſt mit
einer Gallerie umgeben und hat einen Pavillon von
2 Etagen fuͤr die Paſſagiere; der untere Raum
auf dem Deck iſt fuͤr Wagen und Pferde beſtimmt.
Oben auf dem Pavillon findet der Ueberfahrende
Zeitungen ꝛc.; auch jede Art von Erfriſchung iſt
am Bord zu haben. Hier in Limstone befindet
ſich eine Dampfmuͤhle, welche taͤglich 160 Buͤſchel
Weizen verarbeitet. Gegenwaͤrtig lagen 130,000
Tonnen Weizenmehl, welche nach Neu-Orleans
verkauft waren, vorraͤthig; aber des niedrigen Waſ-
ſerſtandes wegen noch nicht hatten abgefuͤhrt wer-
den koͤnnen.
[76]
Lexington, die Hauptſtadt des Staates
Kentuky, iſt von Maisville (Limstone) 120 Mei-
len entfernt. Der Weg fuͤhrt durch die fruchtbar-
ſten Gegenden, bereits allenthalben mit bluͤhenden
Pflanzungen und recht huͤbſchen Landguͤthern be-
ſetzt. Denkt man ſich hier in dieſe ſo herrlich ange-
baueten Gegenden um 20 Jahre zuruͤck, wo noch
alles Wald und Wildniß war, und nur hin und
wieder ein Jaͤger ſich angeſiedelt hatte: ſo braucht
man eben kein großer Prophet zu ſeyn, um vor-
herſagen zu koͤnnen, was Ohio, Indiana, Illi-
nois, kurz das geſammte weſtliche Amerika in
wenigen Jahren ſeyn wird.
Die Stadt Lexington, obgleich erſt 20
Jahre alt, iſt die reichſte und ſchoͤnſte Stadt im
weſtlichen Amerika. Ihre Umgebungen ſind mit
herrlichen Landhaͤuſern wie uͤberſaͤet, deren einige
auch Weinberge haben. Man iſt jetzt eben allent-
halben mit der Weizenaͤrndte beſchaͤftigt. Alle
Fruͤchte werden hier, wie im ganzen Lande, mit
der Sichel geſchnitten. Weizen, Mais, Tabak,
Hafer und Hanf ſind die gewoͤhnlichen Producte
der hieſigen Landbauer. Dieſe Gegend war vor
20 Jahren, als man anfing ſich hier anzubauen,
[77] als eine der allerungeſundeſten verſchrieen, und
zwar mit Recht; jetzt weiß man von keinen Krank-
heiten mehr, und die Gegend gilt weit und breit
umher fuͤr aͤußerſt geſund.
Louisville am Ohio entſprach meinen Er-
wartungen keinesweges. Ich hatte mir dieſe Stadt
groͤßer und ſchoͤner gedacht; auch ſoll der Aufent-
halte daſelbſt ſehr ungeſund ſeyn. In einem Dampf-
faͤhrſchiffe ſetzte ich von hier uͤber nach Neu-Al-
bani im Indiana-Staate. Dieſe Stadt iſt
erſt 4 Jahre alt und hat dennoch bereits 70 ziem-
lich anſehnliche Haͤuſer.
An Geſellſchaft fehlt es einem Reiſenden in
Amerika ſelten. Heute z. B. beſteht unſere Reiſe-
Geſellſchaft aus 14 Perſonen, und ſo geht es faſt
alle Tage.
Faſt mehrentheils durch Waͤlder fuͤhrt der Weg
nach Vincennes. An Wirthshaͤuſern fehlt es
auch in dieſen wilden Gegenden doch nicht, und oft
iſt das Innere derſelben weit beſſer, als das Aeu-
ßere verſprach; faſt allenthalben findet man Rein-
lichkeit und gute Bedienung.
Vincennes iſt eine der bedeutendſten Staͤdte
im Indiana-Staate, welche von Franzoſen zu-
erſt angelegt wurde; man findet auch jetzt hier de-
ren noch viele.
[78]
Am 11ten Jul. ſetzte ich, in Geſellſchaft von
10 Reiſenden zu Pferde, uͤber den Wabaſch, und
betrat den Illinois-Staat.
Hat den Reiſenden von der Kuͤſte des at-
landiſchen Meers her das ewige Reiſen in Waͤl-
dern ermuͤdet: ſo glaubt er ſich in eine andere
Weltgegend verſetzt, ſobald er uͤber den Wabaſch
koͤmmt und jene großen Wieſenflaͤchen (Prairies)
mit kleinen Holzrevieren abwechſelnd, vor ſeinen
Augen ausgearbeitet ſieht. Doch dieſe iſt Eine
der groͤßten und durch den Holzmangel zur Be-
bauung eben nicht ſehr geeigneten Wieſen.
Nach einer 22 Meilen langen Reiſe, fort-
waͤhrend durch dieſe Prairien, erreichten wir das
Wirthshaus. Es war ganz mit Reiſenden ange-
fuͤllt. Demohnachtet wurde Jeder genuͤgend be-
dient, die Pferde gut in Acht genommen, und
nur in Anſehung des Nachtlagers war die Be-
quemlichkeit freilich nicht groß; Jeder mußte ſich
auf dem Fußboden ſein Bette zubereiten ſo gut
er konnte, und auch hier zeigt der Amerikaner ei-
ne beſondere Unbefangenheit, welche Folge der
edeln Freiheit iſt; Alles macht ſich ohne Umſtaͤnde
und Complimente. Dieſe Art zu leben, welche
[79] mir Anfangs aͤußerſt fremd und unangenehm war,
erhielt bald meinen ganzen Beifall; man fuͤhlt ſich
nach und nach ſelbſt frei unter freien braven
Menſchen. Der Character der Amerikaner, wel-
cher mir anfangs ſo wenig zuſagen wollte, iſt
dennoch im Ganzen gut; ſey es, daß die Ange-
woͤhnung, mit ihnen zu leben, nach und nach mein
Urtheil geaͤndert hat, oder daß das Volk ſelbſt
hier wirklich beſſer als in den oͤſtlichen Staaten iſt.
Der Weg fuͤhrt durch Wieſen, wo man
den ganzen Tag kein Haus, ja nicht einmal einen
Baum antrift, in deſſen Schatten man vor der
brennenden Sonnenhitze geſchuͤtzt, ausruhen koͤnnte.
Hier waͤre der Platz, wo meine fleißigen Lands-
leute, welche in dieſes Land einwandern, mit
Leichtigkeit und ſchnell ein eintraͤgliches Eigenthum
erwerben koͤnnten. Es wuͤrde ſehr vortheilhaft
ſeyn, wenn mehrere wohlhabende Maͤnner, ſey es
in Amerika oder Europa, eine Geſellſchaft bildeten,
welche armen Landsleuten einen hinreichenden Vor-
ſchuß machten, um hier eine Pflanzung zu er-
richten. Wie manches theure Leben wuͤrde durch
eine ſolche Vereinigung und zweckmaͤßige Maaß-
regeln gerettet werden! Auch wuͤrde ein ſolcher in
dieſem Staate, bei Fleiß und Thaͤtigkeit, in we-
nigen Jahren das wohlhabende Haupt einer freien
Buͤrgerfamilie werden. Wandert der Deutſche,
[80] der Europaͤer uͤberhaupt, ohne alle Kenntniß des
Landes und der Sprache ꝛc. — wie es meiſtens
der Fall iſt — nach Amerika: ſo kann man ſich
eben nicht wundern, wenn derſelbe aller Orten
betrogen wird, im Lande ſelbſt in ſchlechte Gegen-
den und auf ſchlechte Laͤndereien geraͤth, wo er
unter anſtrengenden Arbeiten einen guten Theil
ſeines Lebens vertrauert, und wodurch er nicht
ſelten Alles einbuͤßt.
„Was aber ſoll der Europaͤer uͤberhaupt —
oder der fleißige Deutſche insbeſondere — thun,
wenn er in ſeinem Vaterlande keine Ausſicht zu
ſeinem Fortkommen weiter ſieht und nun ſein
Heil in der neuen Welt zu ſuchen waͤhnt? Wie
ſoll ers anfangen, ſo lange jene Geſellſchaft nicht
exiſtirt, ſich vor den Prellereien zu huͤlen, die ſei-
ner in Amerika warten?“ —
Ich habe einen ziemlichen Theil des Ameri-
kaniſchen Feſtlandes durchſtrichen, und glaube faͤ-
hig zu ſeyn, einige Rathſchlaͤge daruͤber ertheilen
zu koͤnnen.
Vorausgeſetzt, daß ein nicht ganz huͤlfloſer,
von allen Mitteln Entbloͤßter, der Arbeit unge-
wohnter Armer; und angenommen, daß ein thaͤ-
tiger, ruͤſtiger, mit einigen Mitteln verſehener
fleißiger Landmann dieſe Fragen thut: ſo glaube
ich folgende Anſicht dem letztern hier aufſtellen zu
[81] koͤnnen. Geſetzt ein in Europa lebender Tagloͤh-
ner oder Beſitzer einiger Grundſtuͤcke kann bei allem
Fleiß und Streben nicht vorwaͤrts kommen, und
er iſt mit ſich einig geworden, ſein Gluͤck in Ame-
rika zu verſuchen: ſo kann das vernuͤnftiger Weiſe
nicht anders geſchehen, als wenn er ſo viel Baar-
ſchaften beſitzt, um die Reiſe bezahlen zu koͤnnen-
und ſo viel uͤbrig behaͤlt, um dort ein Landſtuͤck
ſich zu erwerben. Geſetzt nun ferner, ein ſol-
cher machte in ſeinem Vaterlande ſeine Grund-
ſtuͤcke, Moͤbeln, Vieh ꝛc. zu Gelde, und vermoͤchte
davon 4 bis 500 Rthlr. zuſammenzubringen, ſo
wuͤrde dieß im Mittel-Durchſchnitt etwa 300
Dollars betragen. Davon bedarf er
- bis zum naͤchſten Seehafen, wo er
ſich einſchifft _ _ 10 Dollar. - Die Ueberfahrt nach Amerika koſtet _ _ 60 —
- Die Reiſe zu Lande daſelbſt von
einem oͤſtlichen Hafen bis in den
Staat Illinois _ _ 50 — - Der Ankauf von 160 Acres (oder
240 Morgen Calenbergiſch) à 2
Dollars, wovon er den 4ten Theil
gleich baar bezahlt mit _ _ 80 — - (Die uͤbrigen ¾ werden in 5 Jahren
bezahlt.) - Summa 200 Doll.
6
[82]
Nach Beſtreitung dieſer unvermeidlichen Aus-
gaben behaͤlt er noch 100 Dollars uͤbrig, welche er
zur Anſchaffung des nothwendigen Inventariums
anwenden muß. Dann wird er aber, wenn er
ſeinen Deutſchen Fleiß auch hier anwendet, nicht
allein im Stande ſeyn, die uͤbrigen Dreiviertel fuͤr
den Ankauf des Landes in 5 Jahren zu bezahlen,
ſondern er wird auch ohne Zweifel noch einigen
Ueberſchuß behalten koͤnnen. Nach 5 Jahren aber
wird er nicht nur voͤlliger Beſitzer von 160 Acres
freien Landes ſeyn, ſondern er wird auch im Be-
ſitze eines bedeutenden Viehſtapels ſich befindem
welcher ihm in dieſen Jahren, durch die reichen
fetten Wieſen genaͤhrt, ohne alle Koſten zugewach-
ſen ſeyn wird.
Stellt man nun eine Vergleichung an, was
ein ſolcher Menſch innerhalb 6 Jahren in Europa
erworben haben wuͤrde; ſo kann wol mit aller
Sicherheit folgendes Reſultat angenommen werden:
In Europa vermochte er in den gluͤcklichſten
beſten Jahren vielleicht kaum, oder vielmehr hoͤch-
ſtens 50 Rthlr jaͤhrlich zuruͤckzulegen; (aber wie
Viele gibt es nicht, welche nicht nur Nichts uͤbrig
behalten, ſondern wol noch Gott danken, wenn
ſie nur keine Schulden machen, und wer hat wol,
unter den vorausgeſetzten Umſtaͤnden, ſolche 6 hin-
tereinander folgende gluͤckliche Jahre erlebt? —
[83] Aber dieß angenommen, ſo wuͤrde ſich ſein effec-
tives Vermoͤgen innerhalb 6 Jahren um 300
Rthlr. (oder 200 Dollars) vermehrt haben.
In Amerika ſieht es dagegen anders mit
ihm aus. Dort hat er nach 5 Jahren ange-
ſtrengten Fleißes (denn 1 Jahr muß auf die
Ueberfahrt und die Vorbereitungen verwandt wer-
den) wirklich
- 160 zum Theil ſchon urbar ge-
machten und eingehegten Acres
Landes (à 4 Dollar
pr. Acre) _ _ 640 Dollars. - 2 Pferde à 30 Doll. _ _ 60 —
- 30 Stuͤck Hornvieh à 15 Doll. 450 —
- 100 Schweine à 1½ Doll. _ _ 150 —
- 20 Schaafe à 2 Doll. _ _ 40 —
- in dieſer Zeit erworben _ _ 1340 Dollars.
Zieht man von dieſen 1340 Dollars die aus
Europa mitgenommenen 300 Doll. ab, ſo bleiben
ihm 1040 Dollars, alſo ⅘ mehr als er in Euro-
pa zu erwerben vermochte, uͤbrig. Daß der Acre
Land nach 5 Jahren von 2 Dollars auf 4 Dollars
ſteigt, iſt aber auch die allergeringſte Annahme,
weil fuͤr die Gebaͤude, Befriedigung u. dgl. nichts
gerechnet iſt; oft ſteigt der Acer in 5 Jahren
auf 20 Dollars.
*
[84]
Noch iſt zu beruͤckſichtigen, daß er hier einer
der freien Buͤrger des freieſten Staats iſt; ſeine
Verhaͤltniſſe ſind durch die weiſeſten Geſetze auf
das genaueſte beſtimmt; ihm und ſeinen Kindern
ſteht der Weg zu den hoͤchſten Wuͤrden des Staats
offen; nur Tugend, Verdienſt und Wuͤrdigkeit,
nicht Geld oder Geburt, ſind die Mittel, um
zu ihnen zu gelangen.
So weit meine Anſichten uͤber dieſen Gegen-
ſtand. — — Ich fahre in meinen Reiſeberichten fort.
In der Mitte der oben erwaͤhnten, 24 Mei-
len im Durchmeſſer enthaltenden Prairie, brach
an meinem Wagen eine Achſe, wodurch ich in
nicht geringe Verlegenheit gerieth. Die berittenen
Reiſegeſellſchafter konnten mir nicht helfen und
mußten mich verlaſſen; aber zwei Fußgaͤnger, wel-
che von Baltimore her auf dieſe Art die Reiſe
gemacht hatten, waren mir thaͤtige Helfer in der
Noth. Sie gingen 3 Meilen wieder zuruͤck, um
einen Baumſtamm zu holen, welchen wir dort am
Wege liegen geſehen hatten. Mit vieler Muͤhe
brachten wir alsdann den Wagen bis zum naͤch-
ſten Hauſe. Dieſe braven Amerikaner vergalten
mir Boͤſes mit Gutem; ſie waren bisher ſchon
lange in unſerer Geſellſchaft geweſen, und bei der
Durchfahrt eines Fluſſes hatte ich es ihnen nicht
erlauben wollen, ſich auf meinen Wagen zu ſetzen.
[85]
Als wir beim naͤchſten Wirthshauſe ankamen,
hatten die uͤbrigen Reiſegefaͤhrten bereits einen
Stellmacher herbei holen laſſen; und ſo war es
mir, durch die menſchenfreundliche Beihuͤlfe mei-
ner Reiſegefaͤhrten moͤglich, bereits am andern
Morgen die Reiſe mit ihnen fortzuſetzen. Die
Hitze wurde gegen Mittag ſo druͤckend, und die
Fliegen ſo unertraͤglich, daß wir uns entſchließen
mußten Halt zu machen; erſt gegen 6 Uhr Abends
ſetzten wir unſere Reiſe weiter fort. In dieſen Prai-
rien iſt das Reiſen zur Nachtzeit ſehr vorzuziehen.
Den ſchoͤnen ebenen Weg kann man auch ohne
Mondſchein finden, und die Pferde werden weder
von der Hitze noch von den Fliegen geplagt.
Der Wirth in der naͤchſten Taberne empfing
uns mit der Anrede: „er betreibe die Wirthſchaft
nur beizu, und verlange von ſeinen Gaͤſten, daß
ſie ſich nach ihm richten muͤßten; wem das nicht
anſtehe, der moͤge weiter reiſen.“ Die Reiſege-
ſellſchaft fand dieſe Anrede des Wirths zwar ſehr
ſonderbar, beſchloß jedoch, hier einzukehren, indem
das naͤchſte Wirthhaus ſehr weit entfernt, Roß
und Mann aber ſehr ermuͤdet waren. Nach ver-
zehrtem Abendbrodt begann der Wirth mit ſeiner
Familie zu beten und zu ſingen, daß uns muͤden
Wanderern die Ohren gellten. Mancher der Rei-
ſenden wuͤrde ſich dieſe Unterhaltung gern verbe-
[86] ten haben, wenn der Wirth ſich bei unſerm Ein-
tritt nicht obgedachter Maaßen verwahrt gehabt
haͤtte. Nach verrichtetem Gebet erzaͤhlte mir der
Wirth, daß er in ſeiner Religionsuͤbung oft von
Reiſenden geſtoͤrt und manchmal ſogar ſchaͤndlich
verſpottet worden ſey, weshalb er ſich genoͤthigt
geſehen habe, bei der Aufnahme von Gaͤſten jene
Bedingung zu machen. Er war ein Quaͤker.
Am 23ten Jul. traf ich zu Ewardsville ein.
Die vorzuͤglichſte Merkwuͤrdigkeit, welche mir hier
aufſtieß, war das Lager der Kikapou-India-
ner, welche ſich jetzt hier aufhielten, um mit den
Bevollmaͤchtigten der vereinigten Staaten einen
Vertrag abzuſchließen, wodurch ſie allen ihren Rech-
ten und Anſpruͤchen auf die Laͤndereien am San-
goͤmo, Onaquispaſippi und im ganzen Staate
Illinois entſagten, ſolche an den Congreß abtraten
und dann ſofort den Staat von Illinois raͤumten.
Ihre Farbe iſt rothbraun, ihr Geſicht unregelmaͤßig,
oft ſchauderhaft mit hellrother Farbe bemahlt, ihre
Haupthaare ſind abgeſchoren bis auf einen Schopf
auf dem Scheitel, und mit verſchiedenen Farben
bemahlt. Bekleidet ſind nur ſehr wenige; im
Sommer iſt eine wollene Decke, im Winter eine
Buͤffelhaut ihre ganze Bedeckung. Zierrathen von
Silber, als: Ringe um den Hals und Arme-
auch Schilder vor der Bruſt getragen, ſcheinen
bei ihnen ſehr beliebt zu ſeyn.
[87]
In Edwardsville wurde mir geſagt, 4 Mei-
len von da wohne ein Deutſcher Pflanzer Namens
Barensbak (Baͤrensbach), welcher ein ſehr
ſchoͤnes Landweſen beſitze; ich ſaͤumte nicht, ihn
zu beſuchen, und zu meiner hoͤchſten Freude fand
ich einen Braunſchweiger Landsmann in ihm.
Sein Vater war fruͤherhin Ober-Salz-Inſpektor
zu Salzgitter geweſen, und hatte das Guth gro-
ßen Heerde im Fuͤrſtenthum Hildesheim in
Pacht gehabt. Man mag ſich unſere gegenſeitige
Freude ſelbſt denken! Wie bruͤderlich, wie innig
wurde ich von dieſem meinem braven Landsmanne
aufgenommen! wie groß war ſeine Freude, als er
hoͤrte, daß ich in ſeiner Nachbarſchaft geboren ſey!
In 19 Jahren hat er nichts aus ſeiner Vaͤter
Heimath vernommen. Anfangs hatte er in
Kentuky gewohnt, wo er auch noch 500 Acres
Land beſaß; ſeit 9 Jahren wohnte er nun hier im
Illinois-Staate, war Beſitzer von 800 Acres gu-
ter Laͤnderei, 6 Pferden, 50 Stuͤck Hornvieh, 70
Schweinen und 40 Schaafen. In ſeinem Garten
fand ich, außer vielem Gemuͤße ꝛc. eine Menge
Pfirſchenbaͤume, welche zum Zerbrechen voller Fruͤchte
hingen. Er fuͤhrte mich in ſeine Felder, wo ich
denn Gelegenheit hatte, die Ueppigkeit des hieſigen
Bodens zu bewundern. Der Mais war meiſtens
12 bis 15 Fuß hoch; Weizen und Hafer war be-
[88] reits eingeſcheuert. Der ſchwarze Boden ſcheint
nur aus Dammerde, mit etwas Sand vermiſcht,
zu beſtehen. Er hat gemeiniglich eine Tiefe von
4 — 6 Fuß, dann folgt gelber Lehm, zuweilen
auch Kies.
[89]
Gleich nachdem ich mich in Edwardsville mit
meinem Reiſegefaͤhrten wieder vereinigt hatte, be-
ſuchten wir unſern Landsmann Baͤrensbach-
um ihn zu erſuchen, daß er uns die Laͤndereien
zeigen moͤchte, welche am 1ſten Auguſt d. J. im
Landoffice zu Edwardsville oͤffentlich verſteigert
werden ſollten. Er erfuͤllte unſern Wunſch nicht
nur mit der groͤßten Bereitwilligkeit; ſondern wir
verdanken dieſem braven Manne auch noch man-
che andere nuͤtzliche Nachricht; ſeine gepruͤften Er-
fahrungen und ſeine uns gegebenen Rathſchlaͤge
haben wir jederzeit fuͤr uns ſehr heilſam gefunden.
Er iſt in der ganzen Umgegend ſo ſehr geachtet, daß
wir ſeinen Namen faſt niemals von den Einwoh-
nern haben nennen hoͤren, ohne daß er mit großen
Lobeserhebungen begleitet worden waͤre. Trotz
ſeiner Abneigung gegen jeden oͤffentlichen Dienſt,
hat man ihn doch zu dem wichtigen Amte eines
Richters berufen.
Die 24 Townships, welche zum Verkauf
kamen, liegen zwiſchen hier und Edwardsville, am
Shoolkreek, Sugarkreek und Silberkreek. Es iſt
viele ſehr gute Laͤnderei darunter, und wie wuͤr-
[90] den gewiß auf dieſer Auction Land gekauft ha-
ben, wenn es moͤglich geweſen waͤre, in der Naͤhe
von der nun erſt anzulegenden Stadt Vandalia
etwas recht gutes zu erhalten.
Dieſe Stadt ſoll, laut der am Ende ange-
fuͤgten Conſtitution des Illinois-Staats, der
Sitz des Gouvernements ſeyn, und die Lots
(Bauſtellen) werden am 6ten Sept. d. J. gleich-
falls oͤffentlich verkauft werden. In der Umge-
gend dieſer Stadt befindet ſich eine große Menge
ſehr ſchoͤner Laͤnderei; aber Jedermann iſt voll
des Lobes derjenigen, welche etwa 60 bis 80
Meilen nordwaͤrts am Fluſſe Sangoͤmo liegen.
Die Indianer haben ihren Vertrag mit dem Con-
greſſe abgeſchloſſen, und der letztere iſt nun im
voͤlligen Beſitze dieſer ſo hochgeruͤhmten Landſtriche.
Alles dieſes in Erwaͤgung gezogen, hielten wir es
fuͤr gerathener, die Zeit abzuwarten, und beſchloſ-
ſen, vorerſt uns in der Stadt Vandalia anzu-
ſiedeln, und dann von hier aus zu ſeiner Zeit Land
anzukaufen. Um indeß die Zwiſchenzeit ſo gut als
moͤglich zu benutzen, fingen wir an, hier ein klei-
nes Haus, nach Art der Amerikaner, von Balken,
(welche aufeinander gelegt und an den Enden
eingefalzt werden), zu erbauen. Sobald dieſer
Bau ſo weit gediehen war, daß mein Reiſegefaͤhrte.
ſolchen allein zu vollenden im Stande war, machte
[91] ich mich auf die Reiſe, um auch das Wunder-
land am Sangoͤmo zu beſehen, ehe ich nach Eu-
ropa zuruͤckkehrte. Am 27ſten Auguſt trat ich in
Begleitung eines Wegweiſers dieſe kleine Reiſe
an. Wir waren beide zu Pferde, und hatten un-
ſere Mantelſaͤcke, ſo reichlich als moͤglich, mit
Proviant fuͤr Mann und Roß angefuͤllt, weil auf
dergleichen in jenen Gegenden nicht viel zu rech-
nen iſt. Von Edwardsville fuͤhrt eine große ſehr
befahrne Straße dorthin. Um dieſe zu erreichen,
ritten wir von Vandalia aus uͤber den Shool-
kreek und dann in den Wieſen nordwaͤrts. Wir
ließen die Waͤlder der Quellen des Sugar- und
Silberkreeks ſuͤdlich, und trafen bei den Waͤldern
der Quellen des Macopin auf dieſe Straße Man
beruͤhrt nun noch die Waldſpitzen einiger Arme die-
ſes Fluſſes und kommt dann in jene große Wieſe,
welche, vom Illinoisfluſſe an, durch den groͤßten
Theil des Staats von Weſten nach Oſten fort-
laͤuft und ſich an dem Urſprunge der Oka (Kas-
kaskia) und an den Ufern des Wabaſch verliert.
Dieſe große Wieſe iſt zwar die Scheidung der
Gewaͤſſer, welche zum Miſſiſſippi ſuͤdlich und zum
Sangoͤmo noͤrdlich laufen, aber deshalb doch von
keiner ſonderlichen Hoͤhe. Oeſtlich der Straße be-
finden ſich einige Seen oder Suͤmpfe, aus welchen
die beiden Arme des Shoolkreeks ihre erſten Ge-
[92] waͤſſer erhalten. Die ganze Gegend ſuͤdlich dieſer
Wieſenhoͤhe zeichnet ſich dadurch beſonders aus,
daß die Wieſen ſehr erhaben, dabei meiſtens eben
und ſehr fruchtbar ſind, jedoch nirgend ſich einiges
Quell- oder Flußwaſſer darinn befindet. Ueber-
haupt ſind die wenigen Quellen, welche ſich etwa
hier befinden, nur in den Waͤldern zu ſuchen.
Die Ufer der Fluͤſſe ſind ſehr hoch und huͤgelich;
nur einzig an dieſen befinden ſich die Waldpar-
thien. Auch haben alle Fluͤſſe nur wenig Fall,
bilden viele ſtehende Waſſermaſſen, waͤhrend in
trockenen Jahrszeiten der Fluß beinahe gaͤnzlich
austrocknet, und dadurch jene Duͤnſte verurſacht
werden, welche die Luft ungeſund machen.
Sobald man auf die Hoͤhe und noͤrdliche
Seite dieſer Wieſe anlangt, aͤndert ſich das Gras
der Wieſe und der Boden wird ſichtbar beſſer.
Die Flußufer laufen in ſanfter Abdachung von
den Wieſen dem Waſſer zu und ſind ebenfalls
mit Wald bedeckt; und auch dieſer zeigt von groͤ-
ßerm Reichthum des Bodens. Man findet hier
im Illinois-Staate faſt alle jene Holzarten, wel-
che oben im Ohio-Staate (Seite 34 ff.) angefuͤhrt
ſind, außer daß ich neben dem Zucker-Ahorn
(Acer saccharinum L., Sugar Muple)
auch noch den Zuckerbaum (Sugar tree)
fand, welcher ſich durch ſeine Blaͤtter nur
[93] ſehr wenig von jenem unterſcheidet. Die Ein-
wohner halten dieſen letztern zur Gewinnung des
Zuckers fuͤr weit beſſer.
Am Sugaxkreek, wo wir die zweite Nacht
zubrachten, fanden wir gleich bei der Spitze des
Waldes eine Familie, welche ihre Wohnung noch
nicht vollendet hatte. Eine halbe Meile weiter
hatten ſich drei Familien rund um eine vortreff-
liche Quelle angeſiedelt. Hier uͤbernachteten wir.
An dieſem kleinen Fluſſe, welcher ohngefaͤhr 15
Meilen noͤrdlich von ſeinem Urſprunge in den
Sangoͤmo faͤllt, ſind bereits gegen 60 Pflanzun-
gen angelegt, und zwar alle erſt ſeit dieſem Fruͤh-
jahre (1819); ſie haben den Boden der Wieſe
mit dem Pfluge einmal umgebrochen, das Korn
(Mais) hineingepflanzt, und nun ſieht man dieſe
praͤchtigen Felder, faſt ohne alle Ausnahme, mit
10 — 15 Fuß hoher Frucht bedeckt. Es iſt
kein Wunder, daß ein ſo hoher Grad von Frucht-
barkeit die Menſchen anziehet, den mancherlei Ge-
fahren zu trotzen, die einer ſolchen Anſiedelung
bisher bevorſtehen konnten, und man kann daher
vorausſagen, daß vielleicht keine Gegend im gan-
zen weiten Amerika ſich ſo ſchnell bevoͤlkern wird,
als dieſe. Aber demohngeachtet muß man alle
Anſiedler, welche bis jetzt ſich hier niederließen,
fuͤr tollkuͤhne Waghaͤlſe halten; denn ſie wagten
[94] ſich auf die Beſitzungen der Indianer, und muß-
ten befuͤrchten, dieſen Herbſt, bei dem großen
Jagen der Indianer *), ſaͤmmtlich von ihren Be-
ſitzungen vertrieben zu werden, waͤre nicht gluͤckli-
cher Weiſe jener Vertrag in Edwardsville abge-
ſchloſſen worden, in Folge deſſen nun der Staat
bis an den See Michigan von allen Indianern
geraͤumt iſt. Wie Viele werden aber nun jetzt
nicht einwandern, da Alles ſicher und ruhig hier
iſt. Betrachten wir aber dieſe jetzigen Pflanzer in
Ruͤckſicht ihres Eigenthums-Rechts auf dieſe ihre
Pflanzungen: wie aͤußerſt gefaͤhrlich iſt in dieſer
Ruͤckſicht ihre Lage! Das Land iſt noch nicht ein-
mal vermeſſen, [und] kann daher erſt nach 3
bis 4 Jahren zum Verkauf kommen. Dann ſteht
es aber einem Jeden frei, eine ſchon bebauete Pflan-
zung dem jetzigen Anbauer zu uͤberbieten. Wenn
[95] nun aber alle dieſe Bedenklichkeiten und großen
Gefahren die Menſchen von der Einwanderung in
dieſes Gebiet nicht abhalten konnten: ſo iſt dieß
ſchon der uͤberzeugendſte Beweis, daß es wirklich
mit Recht das ſchoͤne Land am Sangoͤmo
genannt wird.
Von dem Sugarkreek wandten wir uns ſo-
gleich weſtlich, in der Abſicht, die Muͤndung des
Sangoͤmo in den Illinois zu erreichen, und dort
uͤber denſelben auf das noͤrdliche Ufer uͤberzuſetzen.
Wir paßirten den Laͤkskreek (Seenfluß), dann
die zwei Arme des Springkreeks, welche beide
in der offenen Wieſe laufen, was ich hier in
Amerika noch nie gefunden hatte. Jenſeits des
Springkreeks iſt eine Lagerſtelle der Indianer; die
Wieſe erhebt ſich in ſanfte Huͤgel; dann finden
ſich zwei herrliche Quellen in der Wieſe, bloß von
einigen Baͤumen beſchattet; das Waſſer dieſer Baͤ-
che fließt ſchnell und klar durch die uͤppige Wieſe,
deren hohes Gras dem Reuter oft uͤber den Kopf
reicht. Von dieſen beiden kleinen Baͤchen erhebt
ſich eine Ebene, welche bis an den Fluß des (frucht-
baren) Landes (Richlandkreek) fortlaͤuft. Hier
uͤbernachteten wir bei dem Pflanzer Schaͤffer.
Er war eben beſchaͤftigt, die Wieſe weiter aufzu-
brechen; es war mir eine Luſt zu ſehen, daß die-
ſer erſte Aufbruch eine Ackerkrume gab, wie der
[96] beſte Kleeacker. Ich rieth ihm, wenigſtens einen
kleinen Theil mit Weizen zu beſtellen, welches
dem Anſehen ohnfehlbar die beſte und paßlichſte
Frucht fuͤr dieſen Boden ſeyn muͤßte. Er aber
behauptete, Mais im kommenden Fruͤhjahre dar-
auf gepflanzt, ſey vortheilhafter. Doch verſprach er-
eine Probe auch mit Weizen zu machen, er habe
aber ſchon das dießjaͤhrige Maisfeld fuͤr den Wei-
zen beſtimmt. Mais, Ruͤben und Melonen wo-
ren die Fruͤchte, welche er in dieſem Jahre im
erſten Aufbruche der Wieſe erzielte. Daß dieſe
Gegend auch in Ruͤckſicht der Geſundheit nichts
zu wuͤnſchen uͤbrig laſſe, ward mir durch die
geſunde Ausſicht ſeiner Bewohner hinlaͤnglich be-
wieſen.
In der folgenden Wieſe fanden wir abermals
einige Quellen, und gegen Mittag erreichten wir
— immerfort weſtlich fortreitend — einen andern
kleinen Fluß, an welchem ſich wiederum 3 oder
4 Pflanzungen befanden. Der Wald dieſes Fluß-
uſers beſtand faſt ausſchließlich aus Zuckerbaͤumen,
und gab zur Gewinnung des Zuckers dieſen Leu-
ten die vortheilhafteſte Ausſicht fuͤr das kommen-
de Fruͤhjahr. Nach allen Erkundigungen, die wir
einzogen, war von allen dieſen Pflanzern noch Nie-
mand am Ufer des Illinois, noch an der Muͤn-
dung des Sangoͤmo, geweſen; der Wald und das
[97] muͤhſam zu durchdringende Geſtraͤuch hatte ſie
davon abgehalten; ſie ſchaͤtzten indeß die Entfer-
nung auf 25 — 30 Meilen. Da die Hitze druͤckend
und die Fliegen unertraͤglich waren: ſo mußten
auch wir es aufgeben, bis an den Illionis vorzu-
dringen. Wir wandten uns daher wieder an den
Sangoͤmo und erreichten gegen Mittag ſeine Wal-
dungen. Auch hier fanden wir drei Pflanzungen,
den Fluß konnten wir jedoch nicht paßiren, denn
er war ſehr hoch. Dieſer Fluß iſt ziemlich be-
deutend, und muß den groͤßten Theil des Jahrs
fuͤr mittelmaͤßige Fahrzeuge ſchiffbar ſeyn. Er
unterſcheidet ſich ſehr vortheilhaft von allen uͤbri-
gen Fluͤſſen des weſtlichen Amerika dadurch, daß
ſein helles Waͤſſer, ſelbſt in dieſer ſo trocknen Zeit,
eine mittelmaͤßige Hoͤhe behaͤlt, und daß er unge-
woͤhnlich fiſchreich iſt. Wir mußten uns nun am
Fluſſe hoͤher hinauf wenden, und fanden zwiſchen
den Muͤndungen des Spring und Zuckerkreeks
eine Fuhrt, wo ſich ein Canot befand, in welchem
wir uͤberſetzten und die Pferde nebenher ſchwim-
men ließen. Das Ufer des Fluſſes iſt hier gegen
50 Fuß hoch, von der Waſſerflaͤche des Sangoͤmo
gerechnet, wo ſich eine weite Ebene bildet, herr-
lich zur Anlegung einer Stadt. Unten am Ufer
des Fluſſes fand ich einen ſehr guten Thon zu
Toͤpfer- und Ziegelarbeit. Sobald wir am andern
7
[98] Ufer die Waldung des Sangoͤmo verlaſſen hatten
kamen wir in eine große Wieſenflaͤche, wo ein
nicht unbedeutender Huͤgel mit Wald bedeckt un-
ſere Aufmerkſamkeit feſſelte. Es war das Elk-
hart (Elendherz). Dieſer Ort iſt wegen ſeiner
anmuthigen und vortheilhaften Lage beruͤhmt. Ein
nicht gar zu jaͤher Huͤgel, etwa 2 Meilen im Um-
fange, mit zwei herrlichen Quellen verſehen, iſt der
einzige Waldfleck in einer 6 bis 8 Meilen weiten
Wieſe. Seine Waldbaͤume zeigen von der uͤppig-
ſten Fruchtbarkeit des Bodens. Ich fand Zucker-
baͤume von 3 — 4 Fuß im Durchmeſſer, und
der ſich hier angeſiedelte Pflanzer, Herr Letham,
hatte 30 Acres mit dem Holze der blauen Eſche
eingehegt. Dieſer Huͤgel verliert ſich gegen den
Sangoͤmo, ſo wie noͤrdlich gegen den Onaquispa-
ſippi zu in abwechſelnden Huͤgeln ohne Wald,
welche mir, vermoͤge ihrer Grasarten, die ſie tru-
gen, zu Schaafweiden oder Weinbergen ſehr gele-
gen und anwendbar ſchienen. Oeſtlich am Fuße
des Huͤgels iſt ebene reiche Wieſe. Hier hatte
Herr Letham 30 Acres Mais in dieſem Fruͤh-
jahre angepflanzt, welcher uͤber alle Erwartung
uͤppig ſtand. Ich nahm von dieſem Boden eine
kleine Probe mit, welche aus reiner Dammerde
und einer unbedeutenden Beimiſchung von Sand
zu beſtehen ſcheint. In der umliegenden Wieſe
[99] findet ſich der Wiederausbruch der beiden Quellen,
welche beide am Rande des Waldes ſich wieder
im Boden verlieren. Gegen Suͤden hin ſind meh-
rere Quellen in der Wieſe, von denen einige oft
3 — 4 Fuß hohe kleine Waſſerfaͤlle bilden. Alle
dieſe Umſtaͤnde machen das Elkhart nicht nur
zu einer ſchoͤnen, ſondern auch, in landwirthſchaft-
licher Hinſicht, zu einer ganz unſchaͤtzbaren Beſi-
tzung; denn wer das Holzrevier des Elkhart beſitzt,
der beherrſcht zugleich den groͤßten Theil der um-
liegenden großen und reichen Wieſe, wo dann
wegen Mangel an Holz eine Pflanzung ſchwer an-
zulegen ſeyn wuͤrde. Dieſe Pflanzung iſt bis jetzt
diejenige, welche im ganzen Illinois-Staate am
noͤrdlichſten belegen iſt — (Militair-Laͤnderei jen-
ſeits des Illinois ausgenommen). Jedoch wird ſie
es nicht lange mehr bleiben, indem bereits 15
Meilen weiter, wo ehemals der Kikapou-Indaner
Hauptſtadt ſtand, einige Maisfelder angelegt ſind,
und gegen Fruͤhjahr eine Pflanzung daſelbſt an-
gelegt werden wird.
Wir ſetzten unſere Reiſe weiter noͤrdlich fort
und erreichten bald die reizenden Ufer des Ona-
quispaſippi (Satzriver). Leider war auch die-
ſer Fluß zu hoch, um ihn mit dem Pferde zu
paſſiren. Hier laͤuft ein ziemlich gangbarer Weg
*
[100] noͤrdlich zum Fort-Clair am See Pioͤria.
Der Boden noͤrdlich am Sangoͤmo hat bei weitem
mehr Sand, als im uͤbrigen Theile des Staats
Illinois, und das Einzige, was zu befuͤrchten
ſtaͤnde, waͤre, daß ſeine ausnehmende Fruchtbar-
keit mit den Jahren abnehmen moͤchte. Allein
dieſer Zeitpunkt iſt gewiß noͤch ſehr fern, und fuͤr
die Gegenwart bietet dieſer Boden große Vortheile
dar; denn erſtens iſt ſein Gras von ſeltner Guͤte
und gibt das ſchoͤnſte Heu; und zweitens iſt ſeine
Cultur nur halb ſo beſchwerlich, als weiter ſuͤd-
lich. Noch ein anderer unſchaͤtzbarer Vorzug iſt
ſeine hohe Lage, welche durch den ungehinderten
Luftzug ein geſundes Clima hervorbringt.
Der Onaquispaſippi iſt ein noch ſchoͤnerer
Fluß als der Sangoͤmo; denn er hat alle die Ei-
genſchaften des letztern, aber in einem noch hoͤ-
heren Grade; er iſt gleichfalls fuͤr mittelmaͤßige
Fahrzeuge ſchiffbar.
In dieſer Wieſe findet man viele Klapper-
ſchlangen; jedoch nur eine kleinere Gattung von
grauer Farbe. Vielfaͤltig ſind die Mittel wider
den Biß dieſer giftigen Schlange. Die Amerika-
ner wenden den Trank eines Decocts der Borke
der blauen Eſche mit Erfolg dagegen an; ferner
[101] die Wurzel der an feuchten Stellen in der Wieſe
haͤufig ſich findenden Serpentaria; ſie bluͤhet roth,
gleich unſerm Fuchsſchwanz. Auch haͤlt man es
fuͤr gut, wenn es moͤglich iſt, das Thier zu toͤdten,
ihm den Kopf abzuſchneiden, und den abgeſchnit-
tenen Theil des Rumpfes ſofort auf die Wunde
zu halten, wodurch das Gift ausgezogen wird.
Die Indianer wenden folgendes Mittel an: So-
bald Jemand von einer Klapperſchlange gebiſſen
worden iſt, ergreifen ihn die Uebrigen, binden ihn
an Pfaͤhle neben einer Quelle dergeſtalt feſt, daß
der verwundete Theil von fließendem Waſſer uͤber-
ſtroͤmt wird. Der Patient empfindet alſobald
die fuͤrchterlichſten Schmerzen, bricht in die jaͤm-
merlichſten Klagen aus und bittet die Umſtehen-
den, ihn lieber zu toͤdten, als ihn ſo fuͤrchterlichen
Qualen auszuſetzen; dieſe aber, des gluͤcklichen
Erfolgs gewiß, laſſen ſich dadurch nicht beſchwichti-
gen. Nach Verlauf einer halben Stunde faͤllt
der arme Gequaͤlte in einen ſanften Schlaf, aus
welchem ihn die Indianer nach einer halben Stun-
de erwecken und losbinden. Nun iſt er ſo wohl,
als ob ihm nichts widerfahren ſey. Dieſe Curart
war im letzten Kriege an einem Amerikaner mit
gluͤcklichem Erfolg angewendet worden, wie mir
von einem Augenzeugen erzaͤhlt wurde. Auch habe
ich auf meiner ganzen Reiſe von keinem Todes-
[102] falle gehoͤrt, der durch den Biß dieſer giftigen
Schlange verurſacht worden waͤre.
Aufgehalten durch das hohe Waſſer des Ona-
quispaſippi, mußten wir auf die Unterſuchung
jener Gegend, wo die Kakapootown ſtand, Ver-
zicht leiſten und unſere Ruͤckkehr wieder antreten.
Wir hatten aber auch genug geſehen, um verſi-
chern zu koͤnnen, daß dieſe Gegend eine der aller-
wichtigſten und bedeutendſten im Illinois-Staate
iſt, oder vielmehr durch eine ſchnelle Bevölkerung
in kurzer Zeit es werden wird. Eins der groͤßten
Hinderniſſe, welches einer zahlreichen Bevoͤlkerung
anfangs im Wege ſtehen moͤchte, ſollte wol das
wenige dort befindliche Holz ſeyn; doch iſt fuͤr
eine maͤßige Bevoͤlkerung, und fuͤr eine, nach dem
Urtheile der Amerikaner, außerordentliche Anſie-
delung hinreichendes Holz daſelbſt vorhanden;
auch koͤnnen die Fluͤſſe Sangoͤmo und Onaquispa-
ſippi die Zufuhr dieſes Artikels ſehr erleichtern.
Ueber dem wird der Waldbeſtand ſich ſehr bald ver-
mehren, da er durch das verwuͤſtende Wieſen-
brennen in der Folge nicht mehr vermindert wer-
den kann. Eben ſo werden dieſe beiden Fluͤſſe
den Abſatz aller Producte nach St. Louis und
Neu-Orleaus nicht nur eroͤffnen, ſondern
auch ihre Naͤhe beim Illinois dieſen Gegenden
[103] noch eine andere viel verſprechende Ausſicht ge-
waͤhren; weil durch den Canal von Reuyork *)
eine Verbindung jener Stadt mit den Seen be-
werkſtelligt wird. Der Illinois iſt aber ſehr leicht
mit den Seen durch einen nur 12 Meilen langen
Canal zu vereinigen, und ſchon bei hohem Waſ-
ſer zu paſſiren. Durch dieſen Canal wird ſodann
die Landſchiffahrt von Neuyork bis Neu-Orleans
eroͤffnet — eine Entfernung von 3000 Engliſchen
[104] Meilen! Eine ſolche Binnenſchiffahrt aber exiſtirt
weder jetzt in der ganzen uͤbrigen Welt, noch wird
ſie jemals irgendwo exiſtiren. Ueberdem erfreuet
ſich dieſer Staat einer Schiffbarkeit ſeiner Graͤnze
und innern Fluͤſſe, welche 3094 Meilen betraͤgt,
und alle werden durch den Miſſiſſippi mit einan-
der in eine Verbindung geſetzt. Kurz ich glaube
nicht, daß irgend einer der Staaten im freien
Amerika ſolcher Beguͤnſtigungen der Natur in je-
der Hinſicht ſich erfreuen kann, als der Staat
von Illinois.
Auf unſerer Ruͤckkehr hielten wir uns etwas
nordoͤſtlich, durchritten in der großen Wieſe, wel-
che die Gewaͤſſer des Sangoͤmo vom Shoolkreek
trennt, die Seen, welche nur 3 Fuß Waſſertiefe
haben, und deren ſchlammiger Boden nicht grund-
*)
[105] los iſt. Wir gelangten, nachdem wir die Quellen
des Shoolkreek paſſirt hatten, abermals auf eine
große gangbare Straße; ſie fuͤhrt nach dem noͤrd-
lichen Theile des Sangoͤmo, welcher noch weit
mehr angebauet iſt, als der Theil, wo wir gewe-
ſen waren. Die Pflanzungen erſtrecken ſich bereits
mehrere 100 Meilen oͤſtlich an den Nebenfluͤſſen des
Sangoͤmo hinauf, wo die Fruchtbarkeit dieſelbe,
ja wie Einige behaupten, noch groͤßer ſeyn ſoll.
Des Sangoͤmo ganze Laͤnge iſt zwar noch unbe-
kannt; doch weiß man, daß er wenigſtens 300
Meilen von ſeiner Vereinigung mit dem Illinois
ſchiffbar iſt. Etwa 60 Meilen von ſeiner Muͤn-
dung theilt er ſich in 2 Arme, deren ſuͤdlicher den
Namen Mooqua fuͤhrt, welches in der Sprache der
Kikapoo-Indianer Wolfsgeſicht bedeutet. Die-
ſer Arm iſt bis jetzt am beſten bekannt, und er
iſt bereits ziemlich mit Pflanzungen beſetzt. Ober-
halb des Urſprungs des Sangoͤmo findet ſich ein
50 Fuß hoher Felſen, welcher in der Mitte eine
Spalte hat. Die Indianer legten in dieſe Spalte
Taback, Mais, Honig und andere Erzeugniſſe des
Landes, um ſie dem hoͤchſten Weſen als Dank-
opfer darzubringen.
Die Indianer bauen meiſtens etwas Mais,
und ſind ſehr große Verehrer dieſer nuͤtzlichen Frucht.
Sobald dem Oberhaupt die erſte reife Maisaͤhre
[106] dargebracht wird, ſo veranſtaltet er ein großes Feſt,
wo Muſik und Tanz die Geſellſchaft erfreuen; da-
bei muß fleißig aus der großen Friedenspfeiffe ge-
raucht werden. Vielfaͤltig iſt auch der Nutzen des
Mais Dem Indianer wie dem Amerikaner gibt
er, ſobald die Aehren einige Reife erlangt haben,
eine gute, geſunde Nahrung. Die Aehren wer-
den entweder in Waſſer gekocht, oder am Feuer
geroͤſtet. Aus ſeinem Mehl wird Brodt bereitet,
auch macht man einen Brei daraus, welcher mit
Milch ein herrliches Eſſen iſt. Außerdem wird
alles Vieh, vorzuͤglich Pferde und Schweine, da-
mit gefuͤttert. Auch ſein trocknes Blatt wird ſorg-
faͤltig in Dimmen (Haufen) aufbewahrt; es dient
den Pferden und dem Hornvieh bei ſchlechter
Witterung zum Futter.
Nach einer aͤußerſt muͤhſeligen Tagereiſe er-
reichten wir, gegen 11 Uhr Nachts, die erſten
Pflanzungen am Shoolkreek, wo wir uͤbernachteten.
Hier graßirte ebenfalls das kalte Fieber, vorzuͤg-
lich unter denen, welche erſt in dieſem Jahre aus
den oͤſtlichen Staaten hier angekommen waren.
Doch liegt auch Vieles an der Lebensart dieſer
Leute; denn ſie leben theils nur von trocknem
Hirſchfleiſche, Waſſermelonen u. dgl. und ſetzen
ſich oft der Naͤſſe aus. Eine ſolche Art zu leben
muß nothwendig Krankheiten nach ſich ziehen. Auf-
[107] fallend iſt bei dieſen Fiebern die heilſame Wirkung
der Chinarinde. Ich hatte eine Quantitaͤt der-
ſelben von Baltimore mitgebracht, und Jedem, dem
ich davon mittheilte, half dieſes Mittel ſehr bald.
Jedoch muß, wenn die Krankheit von verdorbe-
nem Magen herruͤhrt, zuvor eine Abfuͤhrung, —
und ruͤhrt ſie von Erkaͤltung her, ein Fußbad ge-
nommen werden; dann wird, eine Stunde nach
dem Fieber, die China mit Madeirawein oder
Waſſer, jede Stunde ein Theeloͤffel voll genom-
men. In Europa wird die Beſchreibung von die-
ſem Uebel auch gar ſehr uͤbertrieben. Werden
obige Mittel angewendet, ſo iſt der Patient in
wenigen Tagen voͤllig hergeſtellt. Dagegen kennt
man hier die Schwindſucht, welche in Europa ſo
manches hoffnungsvolle Leben hinwegraft, faſt
nur dem Namen nach. Auch epileptiſche und hipo-
chondriſche Krankheiten, ſo wie hitzige Bruſtfieber,
ſind ſelten.
Am 5ten Septemb. kam ich nach Vandalia
zuruͤck. Dieſe Stadt ſoll, in Gemaͤßheit der Con-
ſtitution, der Sitz des Gouvernements werden.
Sie iſt 50 Meilen von Edwardsville, und ohn-
gefaͤhr 60 Meilen von Wabaſch entfernt, ſo daß
ſie faſt in dem Mittelpunkte des Staats belegen
iſt. Ihre Lage iſt vortrefflich gewaͤhlt, auf einer
50 Fuß hohen Bank der Oka (des Kaskaskia)
[108] mit herrlichem Bauholz und gutem Quellwaſſer,
ſo wie mit einer Umgebung des herrlichſten Lan-
des, reichlich verſehen. Der Fluß, welcher bis
hieher ſchiffbar iſt, bildet gegen dieſe Bank eine
ſtarke Kruͤmmung, welche beinahe einen rechten
Winkel betraͤgt, aus Oſten kommend und nach
Suͤden gehend. Der beiliegende Plan (S. die
Kupfertafel) gibt eine anſchauliche Ueberſicht der
zu erbauenden Hauptſtadt Vandalia. Sie wird
ein regelmaͤßiges Viereck bilden, welches wiederum
in 64 regelmaͤßige Quadrate getheilt, und wovon
in der Mitte der Raum von 2 Quadraten zu ei-
nem oͤffentlichen Platze beſtimmt iſt. Jedes Qua-
drat mit 8 Hausſtellen enthaͤlt 320 Quadratruthen,
jede Hausſtelle iſt 80 Fuß im Lichten breit und
152 Fuß tief. Von Suͤden nach Norden wird
jedes Quadrat wiederum durch eine 16 Fuß breite
Straße durchſchnitten. Die groͤßern regelmaͤßigen
und geraden 80 Fuß breiten Straßen von Oſten
nach Weſten ſind auf der Kupfertafel durch
a b c d e f g benannt, und die von Suͤden
nach Norden durch 1 2 3 4 5 6 7 angegeben.
Erſt vor etwa 4 Wochen machten die Com-
miſſaire den Verkauf dieſer Stadtplaͤtze (Lots)
bekannt, (er wird morgen Statt haben) und be-
reits faͤngt es an, ſehr lebhaft zu werden.
Charles Reuvis und ich waren die Erſten,
[109] welche zu bauen anfingen. Wie ſchwer war es
damals, durch den dicken Wald zu dringen, wel-
cher den ganzen Umfang der Stadt inne hat.
Jetzt ſind ſchon mehrere ſehr gangbare Wege er-
oͤffnet, welche hieher fuͤhren. Nun werden die
lebhafteſten Vorbereitungen zur Erbauung von
Haͤuſern getroffen, und taͤglich werden wir von
Reiſenden beſucht. Aber wie wird es in 10 oder
in 20 Jahren ſich veraͤndert haben! Dann wer-
den alle dieſe gewaltigen Waldmaſſen verſchwun-
den ſeyn, und eine bluͤhende Stadt mit herrli-
chen Gebaͤuden wird an ihrer Stelle ſtehen. Ein
freies Volk wird dann durch ſeine Vertreter von
hier aus ſich ſelbſt regieren, und uͤber ſein Wohl
und ſeine Freiheit wachen. —
[110]
Die Lots (Bauſtellen) in Vadalia waren
verkauft, (ich hatte deren 4 erſtanden) und nach-
dem ich die erforderlichen Maaßregeln zur Vollen-
dung des Hauſes ꝛc. getroffen hatte, mußte ich
nun auf meine Ruͤckkehr nach Europa bedacht ſeyn.
Als ich in St. Louis anlangte, war das
Dampfboot Harris vor einigen Tagen abgefah-
ren, und man erwartete erſt in 8 Tagen ein an-
deres. Um dieſe Zeit nicht unnuͤtz hier in dieſer
Stadt zuzubringen, nahm ich einen Platz auf der
Poſt nach St. Charles am noͤrdlichen Ufer des
Miſſouri. Der Weg fuͤhrt durch huͤgelichte Wie-
ſen, welche, dahier ſchon ſeit einiger Zeit die
Wieſen nicht mehr abgebrannt werden, ſchon an-
fangen, ſich mit Holz zu beſtauden. So werden
alle Wieſen dem Holzanwuchſe nach und nach
weichen muͤſſen, ſobald die Feuer aufhoͤren ihren
jungen Ausſchlag jaͤhrlich zu vertilgen.
Auf der erſten Station wohnt ein alter
Pflanzer, in deſſen Garten die Reiſenden ſich an
den reifen Pfirſichen erquickten.
Der Miſſouri-Thalgrund (Botom) iſt hier
etwa 6 Meilen breit, und verraͤth, durch ſeine
Holzarten, ſo wie durch ſeine Ausſicht, die hoͤchſte
Fruchtbarkeit.
[111]
Gegen Mittag erreichten wir den truͤben reiſ-
ſenden Miſſouri, und fuhren in einem Boote nach
St. Charles uͤber. Dieſe Stadt iſt jetzt ſehr
im Aufbluͤhen begriffen; es werden mehrere ſehr
huͤbſche Haͤuſer aus Backſteinen erbauet. Die
Poſt faͤhrt nicht weiter; daher machte ich eine
kleine Fußreiſe in die Umgegend. Wald und kleine
Wieſen wechſelten mit einander ab; aber eben ſehr
fruchtbar fand ich den Boden nicht. Die Wein-
trauben waren nun reif, und boten ſich dem
Wanderer zur Labung dar. Oft ſind niedrige
von Reben uͤberzogene Baͤume, wenn man die
Zweige von einander biegt, inwendig ganz ſchwarz
von den dunkeln Trauben. Ihr Geſchmack iſt
ſuͤßſauer, oft pikant. Sie ſind durch ganz Ame-
rika zu Hauſe, vorzuͤglich in fruchtbaren Wieſen.
Spaͤt gegen Abend erreichte ich eine Woh-
nung, deren Bewohner mich ſehr freundſchaftlich
bewirthete. Neben ihm wohnte ein Schwarzbur-
ger, Namens Krieter, welcher 1817 aus Eu-
ropa gewandert war. Er war vielfaͤltig, vorzuͤg-
lich in Holland, betrogen worden, gerade ſo, wie
es der Herr Fuͤrſtenwerther in ſeiner Schrift:
„der Deutſche in Amerika,“ beſchreibt.
Dieſer gute Mann fuͤhrte mich zu einem Canadi-
ſchen Franzoſen, Namens Bernhard, welcher
hier bereits ſeit 42 Jahren wohnt. Seine Pflan-
[112] zung ſtoͤßt an den Fluß Les Dardennes, wel-
cher in den Miſſiſſippi faͤllt. Hier befindet ſich
eine katholiſche Kirche, wo alle Monate einmal
durch den Pfarrer von Portages des Sioux der
Gottesdienſt gehalten wird. Dann machte er mich
mit einem Deutſchen Gaſtwirth, Namens Knutz,
bekannt, deſſen Vater aber bereits in Amerika
geboren war. Er beſaß einen großen Obſtgarten
voller Aepfelbaͤume, unter denen ich die herrlich-
ſten Sorten fand. Hier fuͤhrt die große Straße
nach Boonstik und Franklin vorbei. Dieſe Oer-
ter ſind ſehr gut angebauet, daher dieſe Straße
ziemlich viel bereiſet wird. Knutz hatte bereits
einen guten Cider bereitet, womit er uns bewir-
thete.
Ich wandte mich nun nach Portages. Auf
dieſem Weg paſſirt man jene beiden Huͤgel, wel-
che unter dem Franzoͤſiſchen Namen Les Mam-
melles bekannt ſind. Von hier aus uͤberſieht
man das Thal, wo der Miſſouri und Miſſiſſippi
ſich vereinigen. Auch hier macht man die Be-
merkung, daß dieſe Thaͤler von Jahr zu Jahr
trockner werden, und die Ueberſchwemmungen ſich
ſeit dem Erdbeben 1811 ſehr vermindert haben.
Es ſcheinen dieſe Huͤgel ehemals die Vereinigung
des Miſſouri und Miſſiſſippi begraͤnzt zu haben;
jetzt ſind dieſe Gewaͤſſer beinahe 6 Meilen zuruͤck-
[113] getreten, und haben ein fruchtbares Thal zuruͤck-
gelaſſen.
Gegen Mittag kam ich nach Portage des
Sioux am Miſſiſſippi, ausſchließlich von Franzo-
ſen bewohnt, welche von Canada auf dem Illinois
herabkommend, ſich hier niedergelaſſen und dieſen
Ort angelegt haben. Es ſind gute Leute, welche
den alten ehrlichen Charakter behalten haben, den
ihre Vorfahren vor laͤnger als 150 Jahren aus
Europa nach Canada hinuͤberbrachten. Ich beſtieg
hier ein Canot, in welchem mich ein Franzoſe auf
dem Miſſiſſippi hinaufruderte. Die jenſeitigen
Ufer des Miſſiſſippi im Illinois-Staate beſtehen
aus Felswaͤnden, worin ſich einige ſehr große Hoͤh-
len befinden. Wir beſuchten zwei dieſer Hoͤhlen,
worin ich Tropfſtein, jedoch nicht allgemein, auch
nicht in ſo langen Stangen, als in den Hoͤhlen
am Harz und in Franken, fand. Der Lauf des
Miſſiſſippi iſt ziemlich reiſſend; um ſo mehr ſticht
das ſtille dahin fließende Waſſer des Illinois ge-
gen ihn ab. Wir erreichten dieſen Fluß gegen
Abend, und fuhren etwa 3 Meilen denſelben hin-
auf, wo wir bei einem Franzoſen uͤbernachteten,
welcher auf dem Militair-Lande am rechten Ufer
deſſelben wohnte. Es iſt gewiß kein Fluß in Nord-
Amerika, welcher zur Schiffahrt ſtromaufwaͤrts ſich
beſſer eignet, als dieſer. Sein ſtilles Waſſer hat
8
[114] allenthalben die gehoͤrige Tiefe, und iſt rein von
Holzſtaͤmmen (Logs), welche den Miſſouri und
Miſſiſſippi ſo gefaͤhrlich machen.
Der Illinois nimmt von ſeiner Muͤndung
aufwaͤrts folgende Fluͤſſe auf:
Oſtwaͤrts:
- 1) River fauche.
- 2) Maras.
- 3) Macoupin, ſchiffbar 9 Meilen.
- 4) Negro.
- 5) Sangömo, ſchiffbar 250 Meilen.
- 6) Michillimackinack, ſchiffbar 90 Meilen.
Neunzehn Meilen oberhalb dieſes Fluſſes bildet
der Illinois den See Piaria, 20 Meilen lang
und 1½ Meile breit, außer in der Mitte, wo
ſich die Ufer bis auf eine Viertel Meile naͤhern.
Dieſer See iſt tief, ſein Waſſer hell, und hat
einen Ueberfluß der herrlichſten Fiſche. Ober-
halb dieſer See nimmt der Illinois noch
- 7) den Vermillon,
- 8) - Manon,
- 9) - Fox river, oder des pages,
- 10) - River des planes und
- 11) - Kankakee auf.
In den ebenen Wieſen, wo der Kankakee ſei-
nen Urſprung hat, iſt ein kleiner See, ungefaͤhr
5 Meilen lang und 40 Schritte breit, wodurch der
[115] Kankakee mit dem Chicagoriver vereinigt wird,
der eigentlich eine Bay des See Michigan iſt. Von
obigem See theilt er ſich in 2 Arme, wovon der
ſuͤdliche 6 Meilen von ſeiner Trennung in den
See Michigan faͤllt, der noͤrdliche vereinigt ſich
erſt 30 Meilen weſtlich mit dieſem See und nimmt
unterwegs einige kleine Gewaͤſſer auf. Dieſe Ver-
einigung der Seen mit dem Illinois durch den
kleinen See oder Canal am Urſprunge des Des
planes, ſcheinen die Franzoſen und Indianer ge-
macht zu haben, um bei hohem Waſſer mit ihren
Boͤten in den Illinois zu gelangen. Mit gar leich-
ter Muͤhe wird dieſe Fahrt auch fuͤr groͤßere Fahr-
zeuge hergeſtellt werden koͤnnen. Die Indianer
und Franzoſen haben jetzt in der trockenſten Zeit
ihre Fahrzeuge nur 12 Meilen zu tragen, und
es wird auch deshalb dieſe Strecke Portages ge-
nannt.
Weſtwaͤrts nimmt der Illinois auf:
- 1) den M’kee’s,
- 2) - Crooketkreek,
- 3) - Spoon-river,
- 4) - Kikapoo.
Dieſe Fluͤſſe ſind von keiner ſonderlichen Be-
deutung und nehmen ſaͤmtlich im Militair-
lande ihren Urſprung. Dieſes Land umfaßt die
ganze Gegend zwiſchen dem Miſſiſſippi und Illi-
*
[116] nois, vom 38° 47′ bis 41° 47′ noͤrdlicher Br.
und vom 12° bis 14° weſtlicher Laͤnge von Wa-
ſhington. Es wird nahe an 15 Millionen 530,000
Acres enthalten.
Am folgenden Tage ging ich in den Miſſiſ-
ſippi und nach Portages zuruͤck. Von hier be-
ſuchte ich jene Landſpitze zwiſchen dem Miſſiſſippi
und Miſſouri, wo vormals eine Niederlaſſung von
einigen Familien der Kikapoo-Indianer ſich be-
fand. Es iſt dies eine Wieſenflaͤche, welche oͤſt-
lich den Miſſiſſippi beruͤhrt, von dem Miſſouri
aber durch eine etwas tiefer liegende Waldeinfaſ-
ſung getrennt iſt. Die Groͤße dieſer Wieſe be-
traͤgt ohngefaͤhr 1 Engl. M. im Umfange. Jetzt
wohnt hier ein Niederlaͤnder Dethier, welcher
dieſe Laͤnderei in der Abſicht ankaufte, um eine
Pulvermuͤhle daſelbſt anzulegen, da er aber der
niedrigen Pulverpreiſe wegen ſeine Rechnung nicht
dabei fand; ſo gab er dies Vorhaben auf. Da-
gegen prangen nun ſeine Felder von herrlichem
Mais, und ſeine Obſtanlagen verſprechen den ſchoͤn-
ſten Erfolg. Er pfropfet, copulirt ꝛc. alle Staͤmme
ſo dicht auf der Wurzel, daß die Stelle mit Erde
bedeckt wird, wodurch das Anwachſen jedesmal
ganz unfehlbar iſt. Am andern Morgen verließ
ich dieſe gaſtfreien Pflanzer und wandte mich an
dem Miſſouri aufwaͤrts, wo ſich eine Faͤhre befin-
den ſollte.
[117]
Ein ſeltenes Schauſpiel hat man gerade auf
dieſer Landſpitze, wo die zwei groͤßten Stroͤme des
weſtlichen Amerikas ſich vereinigen. Der bei wei-
tem ſtaͤrkere Miſſouri draͤngt die klaren, und in
Vergleich mit dem reiſſenden Miſſouri ſtillen Flu-
then des Miſſiſſippi an das jenſeitige Ufer des
Illinoisſtaats, wo das Waſſer bis beinahe 12
Meilen abwaͤrts fortwaͤhrend hell und klar bleibt,
waͤhrend der uͤbrige Theil durch die truͤben Ge-
waͤſſer des Miſſouri das Anſehen eines durch ſtarke
Regenguͤſſe und Schlamm uͤberfuͤllten Fluſſes er-
haͤlt.
Der Miſſouri kann vielleicht einſt der Canal
werden, wodurch die Amerikaner ihren Handel
in die Suͤdſee, nach China ꝛc. treiben werden.
Man ſpricht jetzt ſchon viel daruͤber, daß das Gou-
vernement den nicht ſehr weiten Weg, zwiſchen
dem Urſprung des Miſſouri uͤber die weißen Berge,
bis zu den Gewaͤſſern des Colombia, welcher
ſich weſtlich in die Suͤdſee ergießt, in Stand
ſetzen laſſen wolle. Auch iſt bereits wieder in die-
ſem Jahre von der Regierung ein Militair-Detaſche-
ment in 2 Dampfſchiffen den Miſſouri aufwaͤrts
geſandt worden, um dort einige Militairpoſten,
zur Sicherſtellung der Schiffahrt, anzulegen. Auf
jeden Fall wird dieſer Weg nach der Suͤdſee der
kuͤrzeſte, und in der Folge gewiß der ſicherſte und
[118] gangbarſte ſeyn. Was werden dann St. Louis
und Neu-Orleans fuͤr bluͤhende Staͤdte wer-
den! wie wird die ganze Umgegend ſich heben!
Der Weg von der Landſpitze der Miſſouri-
Muͤndung bis zu der Faͤhre betraͤgt beinahe 7
Meilen. Man wandert fortwaͤhrend in einem
Walde, deſſen uͤppige Waldbaͤume von der groͤß-
ten Fruchtbarkeit zeugen. Der Pawpaw (Annona
triloba L.), deſſen Aepfel jetzt reif ſind, findet
ſich hier vorzuͤglich haͤufig. Dieſe Frucht, einer
großen Nierenkartoffel aͤhnlich, ſehr wohlſchmeckend
und geſund, waͤchſt oft traubenweiſe an den Spi-
tzen der Zweige. Vor ihrer Reife iſt ſie gruͤn,
und bei voͤlliger Reife veraͤndert ſich die Farbe in
gruͤngelb. Ihr Fleiſch iſt hochgelb und ſehr ſaftig.
Die Kerne erlangen die Groͤße kleiner Gartenboh-
nen und ſind von dunkelbrauner Farbe.
Als wir uͤber den Miſſouri fuhren, ſahen
wir oft Schildkroͤten, welche ſich auf den Baum-
ſtaͤmmen ſonneten, aber ſogleich ins Waſſer hin-
abgingen, ſobald ſie Jemand wahrnahmen. Auch
im Miſſiſſippi habe ich ihrer viele gefunden.
Gegen der Faͤhre uͤber liegt Jamestown,
eine Stadt in welcher aber nur erſt 2 bis 3 Haͤu-
ſer errichtet ſind.
Das Waſſer des Miſſouri iſt dieſes Jahr un-
[119] gewoͤhnlich niedrig, und zwei Dampfſchiffe, welche
nach Franklin hinauf gefahren ſind, koͤnnen des-
halb noch nicht zuruͤckkommen.
Alles, was man gemeiniglich von dem außer-
ordentlich geſunden Clima an den Ufern des Miſſouri
erzaͤhlt, fand ich keinesweges beſtaͤtigt: denn an den
Ufern dieſes Fluſſes fand ich das kalte Fieber ſo
haͤufig, wie an jedem andern.
Ich ſetzte meinen Weg ſogleich weiter fort, und
erreichte am Nachmittage das Fort La belle
Fontaine am Miſſouri, wo ein Detaſchement
Soldaten ſich befindet. Unter dem Huͤgel dieſes
Forts ſprudelt eine ſtarke herrliche Quelle hervor,
welche dem Orte den Namen gegeben hat.
Auch hier hatten die Haſelnuͤſſe ihre Reife
erlangt; ſie kommen demnach um 4 Wochen ſpaͤ-
ter als in Deutſchland, und tragen zum Erſtaunen
voll. Ihre Schaale iſt dicker, ihr Kern kleiner,
ihr Geſchmack beſſer, als in Deutſchland.
Gegen Abend erreichte ich die Pflanzung des
Obriſten de Lanay aus St. Louis. Dieſer ſehr
gebildete Mann hat hier eine Saͤgemuͤhle angelegt,
welche mit Ochſen in Bewegung geſetzt wird, und
deren Producte alsdann auf dem Miſſiſippi nach
St. Louis gefuͤhrt werden.
Am andern Morgen fuhr ich mit meinem gaſt-
freien Wirthe in einer Piroge nach St. Louis.
[120] Zu meinem großen Leidweſen erfuhr ich daſelbſt,
daß das angekommene Dampfboot vorerſt nicht wie-
der abgehen werde. Um alſo meine Ruͤckkehr moͤg-
lichſt zu beſchleunigen, kaufte ich ſofort einen klei-
nen Kahn und fuhr, in Geſellſchaft eines Penſyl-
vaniers am 27. September von St. Louis den
Miſſiſippi hinab.
Am erſten Abend erreichten wir Hercula-
neum, welches etwa 30 Engl. Meilen von St.
Louis entfernt iſt. In dieſer Stadt faͤllt vorzuͤg-
lich ein ſehr ſchoͤnes Haus am Ufer des Fluſſes
den Vorbeireiſenden in die Augen, deſſen Beſitzer
Herr Matlock ich zwar ſprach, aber ſeine beruͤhmte
Hagelfabrik, welche ihren Bedarf aus den ſehr er-
giebigen Bleiminen der 50 Engl. Meilen von hier
belegenen Stadt Bourton bezieht, wegen Man-
gel an Zeit, leider! nicht in Augenſchein nehmen
konnte. 20 Meilen unterhalb Herculaneum findet
ſich am rechten Ufer des Miſſiſſippi eine Mineral-
quelle, deren Waſſer einige Aehnlichkeit mit dem
Selterſer in Deutſchland hat.
St. Geneviefe, 60 Meilen von St. Louis
mit etwa 2000 Einwohnern, hat eine ſchoͤne katho-
liſche Kirch[e]. Das Gemeindefeld von 7000 Acres
gibt der Gegend ein ſehr freundliches Anſehn. Es
herrſcht hier der ſonderbare Gebrauch, daß die Fruͤch-
te dieſes Feldes, nach vollendeter gemeinſchaftlicher
[121] Beſtellung und Bearbeitung, unter die Eigenthuͤ-
mer, nach Verhaͤltniß ihres Beſitzthums in der
Stadt, vertheilt werden.
Unterhalb Kaskaskia iſt jener merkwuͤrdige
Engpaß (the great tower), wo der Fluß durch
die an beiden Ufern befindlichen Felſenhuͤgel ſich
einen Durchgang erzwungen zu haben ſcheint. Es
iſt ſehr wahrſcheinlich, daß, vor dem Durchbruche
der Gewaͤſſer an dieſer Stelle, alle jene Thaͤler und
Ebenen, oberhalb des weſtlichen Amerika, unter
Waſſer ſtanden und einen großen See bildeten.
Dieſe Meinung ſcheint auch noch dadurch an Wahr-
ſcheinlichkeit zu gewinnen, daß an den ſehr hohen
Felswaͤnden ſich ein bemerkbarer alter Waſſerſtand,
in einer Hoͤhe von 100 Fuß uͤber die jetzige Waſ-
ſerflaͤche, zeigt, wodurch theils die Felſen ausge-
ſpuͤlet ſind, theils die Farbe derſelben veraͤndert
worden iſt. Der ſogenannte große Thurm
(great tower) iſt ein, 150 Fuß hoher und 100
Fuß im Umfange haltender, ganz vom Strome
umgebener Felſen. Der Strom iſt an dieſer Stelle,
wegen ſeiner ſtarken Gefaͤlle, außerordentlich rei-
ßend, und es waͤre daher dieſer Platz wohl zur
Anlegung von Waſſerwerken geeignet.
Hier an den Ufern des Miſſiſſippi ſah ich den
erſter Baͤr, welcher der großen Hitze wegen ſich in
dem Fluſſe badete. Wir kamen mit unſerm Kah-
[122] ne ihm unbewerkt ziemlich nahe; allein er nahm
bei unſerm Anblick die Flucht, und ſuchte mit gro-
ßer Schnelligkeit den dichten Wald zu erreichen,
was ihm jedoch, wegen ſeines mit Waſſer beſchwer-
ten Pelzes ſehr ſauer zu werden ſchien.
Hirſche ſieht man ſehr haͤufig am Ufer, um
ihren Durſt zu loͤſchen. Sie ſind kleiner als der
edle Hirſch, heller von Farbe und mit kleineren
krumm gebogenen Geweihen. Die Jagd dieſer
Thiere iſt — beſonders am Miſſiſſippi — merk-
wuͤrdig, und gewaͤhrt dem Jaͤger großes Vergnuͤ-
gen. Sie geht im Herbſte vor ſich. In den
Waͤldern finden ſich naͤmlich viele Kletten, welche
ſich in den Haaren dieſer Thiere feſtſetzen. Dieſer
ihnen hoͤchſt beſchwerliche Umſtand treibt ſie an den
Fluß, um ſich derſelben durchs Baden zu entledi-
gen. Dieſerhalb fahren die Jaͤger des Nachts in
Kaͤhnen in den Fluß, und ſchießen davon oft ſo
viel, als ihr Kahn nur immer faſſen kann. Bei
andern Jagden beſitzen einige Jaͤger die beſondere
Geſchicklichkeit, die Stimme der Hindinnen mit
einer Pfeife oder mit dem Munde nachzumachen,
um dadurch den Hirſch in ihre Naͤhe zu locken und
ihn dann zu erlegen.
Pelikane und wilde Gaͤnſe ſieht man
auf den Sandbaͤnken dieſes Fluſſes in unzaͤhlbarer
Menge. Sie jagten uns oft Nachts Graus und
[123] Schrecken ein, indem der ſchnelle Aufflug von Tau-
ſenden dieſer großen Voͤgel die Luft mit einem
furchtbaren Geraͤuſch erfuͤlle.
Fuͤnf Meilen unter dem großen Thurme (great
Tower) nimmt der Miſſiſſippi den aus dem
Illinois-Staate kommenden Muddy-River auf.
Ungefaͤhr 25 Meilen oberhalb der Muͤndung jenes
Fluſſes finden ſich an ſeinen Ufern ſehr bedeutende
Steinkohlen-Minen, welche nicht allein fuͤr den
Bedarf des Illinois-Staats hinreichend ſind, ſon-
dern auch noch in Menge nach Neu-Orleans ver-
ſandt werden.
Am 30. September fuhren wir bei dem Cap
Girardeau vorbei. An der rechten Seite des
Flußufers liegt auf einer hohen Bank die nicht
unbedeutende, jetzt im ſchnellen Zuwachs begriffene,
Stadt gleiches Namens.
Am 1. October Morgens 8 Uhr erreichten
wir die Muͤndung des Ohio, eine fuͤr Schifffahrer
ſehr gefaͤhrliche Stelle, indem der Miſſiſſippi, gegen
die Gewaͤſſer des Ohio kaͤmpfend, mehrere boͤſe
Wirbel bildet. Gegen Abend um 8 Uhr begegnete
uns das Dampfboot Henderſon. Ein ſolches
Boot gewaͤhrt in der Nacht einen einzigen Anblick
in ſeiner Art, indem es bei einer aus ſeinem Rauch-
fange aufſteigenden Feuerſaͤule, unter fuͤrchterlichem
Getoͤſe ſeiner Maſchinerie, ſtromaufwaͤrts eilt.
[124]
Es fahren gegenwaͤrtig gegen 36 Dampfboͤte
auf dem Miſſiſſippi und ſeinen Nebenfluͤſſen. Die
Fahrt von Neu-Orleans bis St. Louis, 1200
Engl. Meilen weit, legen ſie bei hohem Waſſer in
10 bis 20 Tagen aufwaͤrts, und abwaͤrts oft in
6 Tagen zuruͤck. Die Fracht fuͤr Guͤter von Neu-
Orleans bis St. Louis iſt 3 Dollars fuͤr 100
Pfund. Paſſagiere in der Cajuͤtte zahlen 100 Dol-
lars, haben aber dafuͤr auch alle moͤgliche Bequem-
lichkeit und einen ſehr guten Tiſch. Stromab-
waͤrts iſt der Preis fuͤr einen Paſſagier 50 Dol-
lars. Am andern Morgen begegnete uns ein an-
deres Dampfboot Alabama nach St. Louis be-
ſtimmt.
Neu-Madrid iſt auf einer hohen Bank
am rechten Ufer des Miſſiſſippi ſeit 1790 durch den
Obriſten Georg Morgan angelegt worden. Sein
Aufbluͤhen wurde aber theils durch das ungeſunde
Clima und theils durch das ſchreckliche Erdbeben
am 16. December 1811 gehemmt. Durch dieſes
fuͤrchterliche Naturereigniß wurden faſt alle Schorn-
ſteine der Haͤuſer eingeſtuͤrzt, viele Haͤuſer umge-
worfen und andere ſtark beſchaͤdigt. Der Erdbo-
den hob ſich an der einen Stelle, waͤhrend er an
einer andern Stelle in die Tiefe verſank, aus wel-
cher Waſſer in allen Richtungen hervorbrauſeten.
Baͤume ſchlugen mit ihren Gipfeln zuſammen, an-
[125] dere wurden abgeſchlagen, noch andere zerſplittert.
Hier wurden ſie mit ihren Wurzeln herausgeriſ-
ſen, dort kamen ſie ſogar mit ihren Gipfeln auf
die Erde zu ſtehen. Der Fluß kam eben ſo wie
das Land in Aufruhr. In der Luft krachte der
Donner furchtbar, und Blitze fuhren unaufhoͤrlich
zur Erde herab. Todes-Schrecken ergriff das
Volk; die Thiere und Voͤgel theilten ihn mit den
Menſchen. Das Hornvieh rennte angſtvoll und
wild umher, und ſuchte bei den Menſchen in frei-
em Felde Schutz. Man nimmt an, daß die Bank,
auf welcher die Stadt Neu-Madrid erbauet iſt,
damals wenigſtens um 8 Fuß geſunken ſey.
Ein anderes dieſer Colonie unguͤnſtiges Hin-
derniß iſt das unaufhoͤrliche Einfallen und Weg-
ſchwemmen ſeines Ufers. Wo jetzt der Miſſiſſippi
fließt, war die erſte Anlage der Stadt Neu-Ma-
drid, indem ſeit dieſer Zeit beinahe 500 Schritte
des Ufers durch die Fluthen des Stroms hinweg
geriſſen ſind. Von dieſer Stadt fuͤhrt eine gute
Landſtraße zu der Muͤndung des Oſage in den
Miſſouri, eine Entfernung zu Lande von 150 und
zu Waſſer uͤber 500 Meilen.
Unterhalb Neu-Madrid ſieht man allenthal-
ben an den Ufern des Fluſſes die Spuren des
Erdbebens. 150 Meilen vom Einfluſſe des Ohio
verſchlang es die Inſel Nr. 32 gaͤnzlich. Dieſe
[126] Gegend ſcheint uͤberhaupt durch daſſelbe am haͤr-
teſten gelitten zu haben. Im Fluſſe ſiehet man
Baumſtamm an Baumſtamm, ſaͤmtlich mit dem
Wurzelhaupte empor ſtehend. Es ſcheint, als ob
dieſe mit Baͤumen dicht bedeckt geweſene Inſel
durch jenes Naturereigniß gaͤnzlich umgeſtuͤlpt
worden ſey, ſo daß die Gipfel in die Tiefe der
Fluthen eingeſchlammt, und, nachdem die Wurzeln
von der Erde abgewaſchen, nur dieſe den Blicken
der Menſchen noch ſichtbar geblieben ſind.
Bei der Inſel Nr. 35 gerieth unſer kleines
Fahrzeug, durch die Unvorſichtigkeit meines Beglei-
ters, zwiſchen zwei Baumſtaͤmme. Der aͤußerſt
reißende Strom warf es ſogleich auf die Seite;
es ſchoͤpfte bereits Waſſer und wir glaubten ſchon
jeden Augenblick verſinken zu muͤſſen, als ich noch
gluͤcklicher Weiſe mit der einen Hand einen dieſer
Baumſtaͤmme erreichen, das Boot im Gleichge-
wicht erhalten konnte, und wir ſo der nahen au-
genſcheinlichen Gefahr entgingen. Ein Umſtand,
daß wir einer Frau es hartnaͤckig verweigerten, ſie
oberhalb dieſer Stelle auf eine kurze Strecke mit
in unſer Boot zu nehmen, mochte vielleicht unſere
Rettung nur allein moͤglich machen.
Die hohen Ufer der Inſeln Nr. 34 — 36
(Chickasaw — Bluffs) des Miſſiſſippi betragen
an Hoͤhe gegen 200 Fuß. Sie ſind ſaͤmtlich am
[127] linken Ufer des Fluſſes ſehr ſteil, und beſtehen aus
gelber und rother Erde.
An der Muͤndung des St. Francisfluſ-
ſes findet man die bedeutende Pflanzung des gaſt-
freien Herrn Horners. Da ich ſeit einigen
Tagen, durch das Nachtreiſen auf dem Fluſſe in
einem offenen Kahne, mir das kalte Fieber wieder
zugezogen hatte; ſo konnte mir nichts Erwuͤnſch-
teres begegnen, als bei Herrn Horner China
vorzufinden, durch deren Gebrauch ich auch auf der
Stelle wieder davon befreiet wurde. Der St.
Francisfluß, an ſeiner Muͤndung gegen 200
Schritte breit, iſt bei ſehr hohem Waſſer gegen
200 Meilen hinauf ſchiffbar. Außerdem aber wird
durch die zahlreichen, von den Waſſerfluthen losge-
riſſenen und in eine Art von natuͤrlichen, in en-
gen Ufern zuſammen gedraͤngten, Holzfloͤßen in
trocknen Jahrszeiten die Schifffahrt ſehr gehemmt.
Unterhalb des Forts Pickering ſieht man
zuerſt jenes Moos, welches unter dem Namen
Spaniſches Moos bekannt iſt. Es wird,
gleich den Pferdehaaren, zu Matratzen ꝛc. gebraucht.
Indeſſen erfordert es zuvor viele Arbeit; es muß
gut getrocknet und ausgeklopft werden. Den Baͤu-
men giebt es ein hoͤchſt trauriges Anſehn, indem
es, gleich grauen Baͤrten, von den Zweigen herab-
haͤngt.
[128]
Der White-River (weiße Fluß), von der
Muͤndung des St. Francis zu Lande 40, zu Waſ-
ſer 81 Meilen entfernt, entſpringt ſuͤdlich in den
ſchwarzen Bergen. 3 Meilen von der Muͤndung
deſſelben aufwaͤrts wird ſolcher, vermittelſt eines
gegenſeitigen Waſſerpaſſes (einem natuͤrlichen Ka-
nal), mit dem Arcanſas, 20 Meilen oberhalb
ſeiner Muͤndung, in Verbindung geſetzt, von wo
ab noch 20 Meilen aufwaͤrts die Stadt Arcanſas
liegt; daher die den Miſſiſſippi herab kommenden
Schiffe dieſe Stadt, durch die Muͤndung des Whi-
te-River und dieſen Canal, ſchon in 28 Meilen,
dagegen durch die Muͤndung des Arcanſas erſt in
55 Meilen erreichen koͤnnen.
Der Arcanſas iſt einer der laͤngſten Stroͤ-
me in dem weſtlichen Amerika. Sein Urſprung
faͤllt in den 42° N. B. und 36° 20′ Weſtl. L.
von Waſhington, oder 113° 20′ Weſtl. L. von
Greenwich. Sein Lauf geht durch 7 Breiten- und
19 Laͤngengrade; ſein Waſſerlauf betraͤgt jedoch
mehr als 2500 Engl. Meilen, wovon er 2000
Meilen weit ſchiffbar iſt. An ſeinen fruchtbaren
Ufern werden bereits mehrere Staͤdte angelegt; auch
iſt dieſer Landſtrich ſchon vom Miſſouri-Territorio
getrennt, und beſteht unter dem Namen des Ar-
cansas-Territori als ſelbſtſtaͤndig. An ſeinen
Nebengewaͤſſern befinden ſich jene beruͤhmten, ſehr
[129] haͤufig von Leidenden beſuchten, warmen Quellen,
welche, nach den Angaben des Herrn Dr. Hunter,
in 4 Hauptquellen von 154° bis 132° Fahrenheit
beſtehen, und in jeder Minute 165 Gallonen Waſ-
ſer geben, welches getrunken, einen leichten Auf-
ſtoß verurſacht. Sein Gewicht iſt dem deſtillirten
Waſſer gleich. Es enthaͤlt Kohlenſaͤure, Schwefel-
ſaͤure, etwas Kalk und Eiſen. Die Entfernung
dieſer Quellen von Neu-Orleans betraͤgt zu Lande
253, zu Waſſer aber 645 Meilen, von St. Louis
auf dem geradeſten Landwege, 472 Meilen.
Beinahe 200 Meilen weiter ſuͤdlich den Miſ-
ſiſſippi hinab, faͤllt der Yazoo-River oͤſtlich in
denſelben. Dieſer Fluß iſt zwar nur 50 Meilen
aufwaͤrts ſchiffbar; aber deshalb nichts deſto we-
niger von bedeutender Laͤnge. Er entſpringt im
Staate von Georgien, und ſeine Ufer ſind eben-
falls mit einigen Staͤdten bevoͤlkert. Sein Lauf
geht durch eine Menge ſehr reicher Laͤnderſtriche,
welche theilweiſe von den Chaitow- und Chik-
kaſow-Indianern bisher bewohnt wurden, aber
gegenwaͤrtig, vermoͤge eines vom General Jakſon
(Siegers von Neu-Orleans) mit denſelben abge-
ſchloſſenen Vertrags, geraͤumt werden.
Auf dieſe Weiſe werden die ſich außerdem
immer mehr und mehr vermindernden Ur-Ein-
wohner aus ihrer vaͤterlichen Heimath, in die noch
9
[130] unbewohnten Wildniſſe an der Suͤdſee zuruͤckge-
draͤngt, wo ſie ſich auch, durch noch reichlich be-
ſetzte Jagd-Reviere, fuͤr hinlaͤnglich entſchaͤdigt
halten.
Gleich unterhalb des Yazoo-River liegen die
ſogenannten Wallnußhuͤgel, mit einer bedeu-
tenden Pflanzung des Herrn Turnbull, auf dem
linken Miſſiſſippi-Ufer. Dieſe Huͤgel, mit vielen
Gebaͤuden und Baumwollen-Pflanzungen bedeckt,
geben der Gegend ein anmuthiges Aeußere.
Hierauf folgen weiter unterwaͤrts Point-
Pleaſant und das Staͤdtchen Warrington,
bei welchem ſich kupferhaltige und deshalb fuͤr
ſchaͤdlich gehaltene Mineralquellen befinden, wes-
wegen die Einwohner und Schifffahrer das durch-
aus geſunde Miſſiſſippi-Waſſer jenem Quellwaſſer
vorziehen.
Endlich gelangten wir am 21ſten October des
Morgens nach Natches, wo gluͤcklicher Weiſe in
eben dem Augenblicke das Dampfſchiff Volkana
abfahren wollte.
Wie froh war ich, als ich nach einer hoͤchſt
beſchwerlichen und gefahrvollen, in einem kleinen
offenen Kahne und auf einem reiſſenden Strome
vollendeten Reiſe von 895 Engl. Meilen, jenes ſi-
chere, ſchoͤne, mir jede Bequemlichkeit darbietende
Dampffahrzeug beſteigen konnte! — Ein Kano-
[131] nenſchuß kuͤndigte die Naͤhe der Abfahrt an. Das
Feuer unter den beiden Waſſerkeſſeln wurde ange-
ſchuͤrt; knallend machten ſich nun von Zeit zu Zeit
die ſich entwickelnden Daͤmpfe durch das Sicher-
heitsventil Luft. Nach dem zweiten gegebenen
Zeichen ſetzte ſich das Fahrzeug in Bewegung.
Das furchtbar toſende Stampfen der Cilinder, das
Rauſchen der Ruderraͤder im Waſſer, die ſchnell
vorbei fliegenden Ufer des Fluſſes ꝛc. feſſeln lange
des Reiſenden Auge und Ohr. — Die Schnellig-
keit dieſer Schiffe ſtromabwaͤrts uͤberſteigt alle Be-
griffe. Man verſicherte mich, daß bei hohem Waſ-
ſer der Weg von Natches nach Neu-Orleans —
300 Meilen Entfernung — oft in 29 Stunden
zuruͤckgelegt werde. Die Reiſenden haben auf die-
ſem geraͤumigen Fahrzeugen alle erdenklichen Be-
quemlichkeiten, zwei große, ſchoͤn meublirte Zimmer,
und auf dem Verdeck einen Spatzierplatz unter dem
Schatten eines geraͤumigen Zeltes. Gutes Eſſen
und Trinken vermehren die Annehmlichkeiten auf
dieſe Art zu reiſen. Der Preis von Natches nach
Neu-Orleans iſt 15 Dollars, von Neu-Orleans
ſtromaufwaͤrts 30 Dollars.
Am andern Morgen gegen 8 Uhr fuhren wir
der Muͤndung des Red-River (des rothen Fluſ-
ſes) vorbei. Dieſer Fluß, bedeutender als der Ar-
kanſas, wird auch bereits mit Dampfboͤten bis
*
[132] Alexandria befahren. Sein Waſſer nimmt von der,
mit ſich fuͤhrenden Erde eine rothe Farbe an, wel-
che er auch auf die Ufer des Miſſiſſippi verſchie-
dentlich abſetzt.
Der Red-River entſpringt noͤrdlich von St.
Fée im Spaniſchen Gebiete. Im Fruͤhjahr ſchwillt
ſein Waſſer oft bis zu 60 Fuß Hoͤhe an, da er
ſonſt nur 8-10 Fuß tief iſt. Wie ſehr ſeine
fruchtbaren Ufer bereits bewohnt ſind, iſt ſchon
daraus abzunehmen, daß uns das Dampfboot
Neuport und ein Kielboot, beide in Handelsan-
gelegenheiten nach Alexandria beſtimmt, begegneten.
Der Eigenthuͤmer des letztern, ein Rheinlaͤnder,
hatte es unter andern mit der Maſchinerie einer
Dampf-Saͤgemuͤhle beladen, welche am Red River
ohnweit Alexandria errichtet werden ſollte. Der
Schnitt geſchieht mit einer Circular-Saͤge in Ge-
ſtalt eines Rades, und verrichtet daher die Saͤge
das Doppelte, im Vergleich der ſonſt uͤblichen
Landſaͤgen. Außerdem iſt ſie auch auf die dickſten
Bloͤcke anwendbar. In der Nacht fuhr auch noch
das Dampfboot Ramapon nach Natches bei
uns voruͤber.
In dieſer ſuͤdlichen Gegend ſieht man haͤufig
den Allegator. Er ſonnet ſich gern am Ufer,
und ſcheint nicht ſehr geſchwind in ſeinen Bewegungen
zu ſeyn. Seine Farbe iſt blaugrau; ſeine ganze
[133] Geſtalt die des Nilkrokodils. Die groͤßten darun-
ter mochten gegen 1 — 8 Fuß Laͤnge haben. Ihr
Fell wird von den Sattlern zu Satteldecken ꝛc.
bereitet.
Unterhalb Baton-rouge ſind die beiden
Miſſiſſippi Ufer ununterbrochen mit Baumwollen-
und Zucker-Plantagen bedeckt. Faſt jede hundert
Schritt findet man ein niedliches Landhaus, um-
geben mit Trauerweiden und Orangenbaͤumen.
Sowohl die Baumwollenfelder mit der jetzt ſich
geoͤffneten reifen Fruchtkapſel, als auch die Zucker-
felder mit ihrem 7 — 10 Fuß hoch prangenden
Zuckerrohr, gewaͤhren dem Auge eines Europaͤers
den uͤberraſchendſten ſchoͤnſten Anblick.
Am 24ſten Oktober erreichten wir Neu-Or-
leans. Unſere Reiſe wurde dadurch etwas auf-
gehalten, daß der Capitain unſers Fahrzeugs an
verſchiedenen Orten Brennholz einnahm, und weil
die finſtern Naͤchte bei niedrigem Waſſer die Schiff-
fahrt auf gefahrvollen Fluͤſſen nicht geſtatten.
Neu-Orleans wurde bereits 1720 von
den Franzoſen gegruͤndet, hat jetzt gegen 1400
C [...] vohner, und liegt unterm 29° 57′ Noͤrdl. Br. —
Die Stadt iſt regelmaͤßig gebauet, hat verſchiedene
ſehr anſehnliche und große Gebaͤude, als den Dom,
das Stadthaus, die Caſerne, das Hospital ꝛc., und
verſchoͤnert ſich faſt taͤglich immer mehr. Was
[134] fuͤr eine bedeutende und bluͤhende Stadt wird
Neu-Orleans dann erſt werden, wenn alle
jene Laͤnder am Ohio, Miſſiſſippi, Miſſouri, Illi-
nois, Arkanſas, Redriver ꝛc. und ſo vieler anderer
ſchiffbarer Stroͤme und Fluͤſſe, welche ihre Gewaͤſ-
ſer, dieſer Stadt vorbei, in den Meerbuſen von
Mexico entladen, nur erſt in ihrer Bevoͤlkerung
und ihrem Culturzuſtande dem Staate von Ken-
tucky gleichen werden; — einem Lande, welches,
wie bekannt, vor 20 Jahren noch kaum erſt dem
Namen nach exiſtirte, und jetzt ſchon jaͤhrlich Mehl,
Fruͤchte aller Art, Taback, Rindfleiſch, Schweine-
fleiſch, Branntwein, Gefluͤgel, Pferde, Ochſen, Die-
len, Eiſenwaaren ꝛc. in großer Menge nach Neu-
Orleans ſendet, von wo aus die weſtindiſchen In-
ſeln ꝛc. wieder mit ſolchen verſorgt werden. Scha-
de nur, daß bis jetzt im Sommer faſt jaͤhrlich das
gelbe Fieber unter ſeinen Bewohnern ſo große
Verheerungen anrichtet. Dieſe Krankheit bricht
jedesmal nur des Sommers in den Seeſtaͤdten
aus, und verbreitet ſich in deren Nachbarſchaft;
im Innern des Landes kennt man ſie nicht. Bei
meiner Ankunft zu Neu-Orleans war dieſe [...]pi-
demie bereits im Abnehmen; doch wurde ich von
einem deutſchen Arzte, Herrn Dr. Hermann, ge-
warnt, mich nicht zu lange in der Stadt aufzu-
halten, um ſo mehr, weil ich damals von den bis-
[135] herigen Anſtrengungen noch an einer allgemeinen
Schwaͤche litt.
Ehe ich Neu-Orleans verlaſſe, halte ichs fuͤr
Pflicht, den hieher reiſenden Fremden noch das
Haus des Herrn Ravel, der Ecke des Doms
gegenuͤber, zu empfehlen. Man findet bei ihm ei-
ne gute Kuͤche, und im Falle, daß man das Un-
gluͤck haͤtte, krank zu werden, die Pflege eines ge-
faͤlligen und ſehr menſchenfreundlichen Wirths.
Am 30ſten Oktober ging ich an Bord des Schiffs
la jeune Corinne, gefuͤhrt vom Capitain Bessier,
nach Bordeaux ab. Erſt am 1ſten November ſe-
gelten wir am Fort Plakemine vorbei, und
erreichten nun die offene See. Auf dieſem Fort
wehete noch die Flagge der vereinigten Staaten.
Mit wehmuͤthiger Stimmung verließ ich ein Land,
das meinen Wuͤnſchen und Hoffnungen ſo ſehr ent-
ſprach und in welches ich bald wieder auf immer
zuruͤck zu kehren gedenke. Nach einer ziemlich
langweiligen Reiſe, waͤhrend welcher wir faſt unauf-
hoͤrlich Regenwetter hatten, gingen wir am 28ſten
December auf der Rhede von Rochelle vor An-
ker und ſegelten mit einem friſchen Oſtwinde am
1ſten Januar 1820 in die Garonne ein.
[136]
Reiſe-Route
nach
einigen der wichtigſten Oerter der vereinigten
Staaten.
I. Wegweiſer auf der Straße von Waſhington
lity nach St. Louis.
| Engl. | Meilen. | |
| Washington | 3 | 3 |
| Georgetown | 12 | 15 |
| Montgomery Court-house | 28 | 43 |
| Fredericktown | 31 | 74 |
| Hägerstown | 30 | 104 |
| Honcoktown | 34 | 138 |
| Old town | 14 | 152 |
| Cumberland | 62 | 214 |
| Foot of Laurel hill | 4 | 218 |
| Union town | 12 | 230 |
| Bronsville | 25 | 255 |
| Washington (in Penſylvanien) | 16 | 271 |
| Alexandria | 16 | 287 |
| Wheeling (am Ohio in Virginien) | 11 | 298 |
| St. Clairsville | 12 | 310 |
| Morris town | 22 | 332 |
| Washington (in Ohio) | 10 | 342 |
| Cambridge | 25 | 367 |
| Engl. | Meilen. | |
| Lanes ville | 33 | 400 |
| New Lankaster | 6 | 416 |
| Jarlton | 18 | 434 |
| Chilicothe | 57 | 491 |
| West Union | 17 | 508 |
| Limstone oder Mais- ville [am Ohio] | 4 | 512 |
| Washington [in Kentucky] | 20 | 532 |
| Blue Licks | 21 | 553 |
| Paris | 22 | 575 |
| Lexington, Frankfort | 13 | 588 |
| Versailles | 8 | 596 |
| Petersburg [am Kentucky-River] | 42 | 638 |
| Bairds town | 16 | 654 |
| Bealsburg | 16 | 670 |
| Elisabeth town | 37 | 707 |
| Hardensburg | 47 | 754 |
| Yellow bank | 25 | 779 |
| Henderson | 21 | 800 |
| Morgan-field | 15 | 815 |
| Shawanee Town [am Ohio] | 12 | 827 |
| U. S. Saline | 47 | 874 |
| East Fork river | 10 | 884 |
| Waisſeaux river | 11 | 895 |
| Beaucoup | 45 | 940 |
| Kaskaskia | 15 | 955 |
| Engl. | Meilen. | |
| Prairie des roches | 47 | 1002 |
| Cahokia nach St. Louis | 3 | 1005 |
II. Wegweiſer von St. Louis auf den
Miſſiſſippi herab nach Neu-Orleans.
| Vitepush [rechts] | 8 | 8 |
| Herculaneum [rechts] | 25 | 33 |
| Gabarre creek kleiner Fluß, [Muͤndung rechts] | 24 | 57 |
| Occa oder Kaskaskia river [links] | 24 | 81 |
| the great Tower [rechts] | 30 | 111 |
| Cap Girardeau [rechts] | 31 | 142 |
| Muͤndung des Ohio [links] | 38 | 180 |
| Ironbanks, [links] | 20 | 200 |
| Neu-Madrid, [rechts] | 50 | 250 |
| Little prairie, [rechts] | 32 | 282 |
| the long Reach, [rechts] | 31 | 313 |
| Inſel Nr. 32 [vom Erdbeben verſchlungen] | 17 | 330 |
| Erſte Chikaſow Bluffs [Bank] links | 27 | 357 |
| Dritte Chikaſow Bluffs desgl. | 23 | 380 |
| Fort Pickering desgl. | 43 | 423 |
| Council Island Nr. 53. desgl. | 39 | 462 |
| St. Francis-river [rechts] | 31 | 493 |
| White-river desgl. | 85 | 578 |
| Arcansas-river desgl. | 15 | 593 |
| Illecheko Settlement (Pflanzung) | 44 | 637 |
| Engl. | Meilen. | |
| Yazoo-river [links] | 143 | 780 |
| Wallnut-hills desgl. | 12 | 792 |
| Warrington desgl. | 10 | 802 |
| Point Pleasant [rechts] | 28 | 830 |
| Natches [links] | 66 | 896 |
| Red-river [rechts] | 70 | 966 |
| Batton rouge [links] | 108 | 1074 |
| nach New-Orleans [rechts] | 136 | 1210 |
III. Von St. Louis bis zur Muͤndung
des Colombia-Fluſſes in die
Suͤdſee, bei Waſſer auf dem Miſſouri
und Colombia.
| St. Charles | 21 | 21 |
| Charretts-village | 47 | 68 |
| Ogases-river | 65 | 133 |
| Grand-river | 106 | 239 |
| Kanzas-river | 102 | 341 |
| Platte-river | 253 | 594 |
| Fort Mandan | 989 | 1583 |
| Yellow-Stone river | 259 | 1842 |
| Chippevan-Gebirge, in welchem der Miſ- ſouri und Colombia entſpringen | 742 | 2584 |
| Muͤndung des Colombia | 946 | 3548 |
IV. Von Pittsburg zu Waſſer bis zur
Muͤndung des Ohio.
| Von Pittsburg nach Steubenville [rechts] | 78 | 78 |
| Engl. | Meilen. | |
| Wheeling desgl. | 18 | 96 |
| Mariette, an der Muͤndung des Muskin- gum [rechts] | 87 | 183 |
| Muͤndung des Gr. Kenhova Fluſſes [links] | 100 | 283 |
| Portsmuth, Muͤndung des Sciota [rechts] | 107 | 390 |
| Limstone oder Maisville [links] | 151 | 441 |
| Cincinnati [rechts], Newport [links] | 72 | 513 |
| Vevay rechts | 97 | 610 |
| Louisville [rechts] Jeffersonsville [links] | 80 | 690 |
| Shawaneetown [rechts] | 312 | 1002 |
| Muͤndung des Ohio in den Miſſiſſippi | 119 | 1121 |
Die
Conſtitution
des
Illinois-Staats.
Aus dem Engliſchen uͤberſetzt.
[[142]][[143]]
Conſtitution des Illinois-Staats.
- Angenommen in der Verſammlung zu Kas-
kaskia den ſechs und zwanzigſten Auguſt
im Jahre unſers Herrn Ein tauſend acht
hundert und achtzehn, und im drei und
vierzigſten der Unabhaͤngigkeit der verei-
nigten Staaten.
Graͤnze des Staats.
Die Muͤndung des Wabaſch-Fluſſes; dann die-
ſen Fluß aufwaͤrts folgend und mit der Linie
von Indiana bis zu der noͤrdlichen Ecke dieſes
Staats; dann oͤſtlich mit der Linie deſſelben Staats
zu der Mitte des Sees Michigan; dann noͤrdlich
laͤngs der Mitte dieſes Sees zur noͤrdlichen Breite
von zwei und vierzig Graden und dreißig Minu-
ten; dann weſtlich zu der Mitte des Strombettes
des Miſſiſſippi-Fluſſes; dann in der Mitte dieſes
Fluſſes hinab bis zu ſeinem Zuſammenfluſſe mit
[144] dem Ohio-Fluſſe, und dann am nordweſtlichen
Ufer dieſes Fluſſes hinauf bis zur Muͤndung des
Wabaſch.
ArtikelI.
- Enthaltend die Vertheilung der Ge-
walten des Gouvernements.
Section 1.
Die Gewalten des Gouvernements des Illi-
nois-Staaten ſollen in drei verſchiedene Departe-
ments vertheilt, und jedes derſelben einer beſon-
dern obrigkeitlichen Corporation anvertrauet wer-
den, naͤmlich: die Geſetzgebende einer; die
Ausuͤbende einer andern; und die Richter-
liche einer dritten.
Section 2.
Keine Perſon, oder Verſammlung mehrerer
Perſonen, welche in einem dieſer Departements
befindlich ſind, ſoll irgend eine Gewalt ausuͤben,
welche zu einem andern Departement gehoͤrt, aus-
genommen wenn hieruͤber nachgehends beſonders
verfuͤgt und Erlaubniß dazu ertheilt wuͤrde.
ArtikelII.
Section 1.
Eine Generalverſammlung ſoll die geſetzge-
[145] bende Autoritaͤt bekleiden. Sie ſoll beſtehen aus
einem Senat und einem Hauſe der Volks-
vertreter. Beide werden vom Volke erwaͤhlt.
Section 2.
Die erſte Wahl der Senatoren und Volks-
vertreter ſoll am dritten Donnerstage des naͤchſten
Septembers anfangen, und dieſen und die zwei
folgenden Tage dauern; die naͤchſte Wahl ſoll
aber gehalten werden am erſten Montage im Au-
guſt 1819, und alsdann ſoll jedesmahl alle zwei
Jahre die Wahl auf den erſten Montag im Auguſt
gehalten werden, und zwar in jeder Grafſchaft
(County) und an ſolchen Orten, welche durch
das Geſetz beſtimmt werden.
Section 3.
Niemand kann Volksvertreter ſeyn, welcher
nicht das ein und zwanzigſte Jahr erreicht hat,
nicht Buͤrger der vereinigten Staaten und Ein-
wohner dieſes Staats iſt; welcher in den Gren-
zen der Grafſchaft oder des Diſtricts, wo er er-
waͤhlt wird, nicht die naͤchſten zwoͤlf Monate vor
ſeiner Wahl gewohnt hat, wenn die Grafſchaft
oder der Diſtrict ſo lange errichtet geweſen iſt; wo
nicht, ſo muß er im Umfange der Grafſchaft oder
Grafſchaften, des Diſtricts oder der Diſtricte ge-
wohnt haben, wozu dieſe ſonſt gehoͤrt, es ſey denn;
10
[146] daß er in oͤffentlichen Geſchaͤften der vereinigten
Staaten oder ſeines Staates abweſend geweſen ſey,
und keiner, welcher weder Staats- noch Graf-
ſchafts-Abgaben bezahlt hat.
Section 4.
Die Senatoren, welche als ſolche in der er-
ſten Seſſion beſtimmt ſind, ſollen durchs Loos von
ihren verſchiedenen Grafſchaften und Diſtricten,
ſo bald als moͤglich, in zwei Claſſen getheilt wer-
den. Die Stellen der Senatoren erſter Claſſe
ſollen nach Ablauf des zweiten Jahrs gewechſelt
werden, und die der zweiten Claſſe nach Ablauf
der vier Jahre, ſo, daß die eine Haͤlfte alle zwei
Jahre wieder gewaͤhlt werden kann.
Section 5.
Die Anzahl den Senatoren und Volksvertre-
ter ſoll in der erſten Generalverſammlung, [gehal-
ten nach den zu gebenden Beſtimmungen,] be-
ſtimmt werden, und zwar nach Verhaͤltniß der
Grafſchaften und Diſtricte und der Anzahl der
weißen Einwohner. Die Zahl der Volksvertreter
ſoll nicht unter ſieben und zwanzig, und nicht uͤber
ſechs und dreißig ſeyn, bis die Volkszahl dieſes
Staats die Anzahl von hundert tauſend uͤberſteigt;
und die Zahl der Senatoren ſoll nie unter einem Drit-
tel noch uͤber die Haͤlfte der Volksvertreter betragen.
[147]
Section 6.
Keine Perſon kann Senator ſeyn, welche
nicht das fuͤnf und zwanzigſte Jahr erreicht hat,
welche kein Buͤrger der vereinigten Staaten iſt,
und welche nicht ein Jahr in der Grafſchaft oder
in dem Diſtricte vor ſeiner Wahl gewohnet hat,
wenn die Grafſchaft oder der Diſtrict ſchon er-
richtet war, wo nicht in den Thielen, woraus ſie
fruͤher beſtanden, ausgenommen, er ſey in Geſchaͤf-
ten der vereinigten Staaten oder dieſes Staats
abweſend geweſen, und keiner, welcher weder Staats-
noch Grafſchafts-Abgaben bezahlt hat.
Section 7.
Wenn der Senat und das Haus der Volks-
vertreter verſammelt ſind, ſoll jedes einen Spre-
cher und andere Beamtete waͤhlen, [ausgenommen
den Sprecher des Senats.] — Jedes Haus ſoll
uͤber die Faͤhigkeiten und Wahlen ſeiner Glieder
urtheilen und kann ſich adjourniren. Zwei Drit-
tel jedes Hauſes machen es vollzaͤhlig; eine ge-
ringere Zahl aber mag ſich von Tage zu Tage ad-
journiren, und die Abweſenden zur Verſammlung
antreiben.
Section 8.
Jedes Haus ſoll ein Tagebuch ſeiner Ver-
handlungen fuͤhren und es bekannt machen. Die
*
[148] Bejahungen und Verneinungen einer jeden Frage
ſollen auf das Verlangen zweier Mitglieder ins
Tagebuch eingeruͤckt werden.
Section 9.
Je zwei Glieder irgend eines der Haͤuſer
ſollen die Freiheit haben, irgend einen Akt oder
einen Beſchluß anzugreifen oder ſich demſelben zu
widerſetzen, wenn ſie ihn dem allgemeinen oder
dem Privatwohl fuͤr nachtheilig halten, und koͤn-
nen die Gruͤnde ihres Widerſpruchs zu Protocoll
geben.
Section 10.
Jedes Haus mag die Regeln ſeines Verfah-
rens feſtſetzen, die Mitglieder wegen ordnungswi-
drigem Betragen ſtrafen, und durch eine Majori-
taͤt von zwei Drittel ein Mitglied ausſtoßen; doch
nicht ein Zweitesmal derſelben Urſache wegen.
Section 11.
Wenn Vacanzen eintreten, ſchreibt der Gou-
verneur, oder wer ſeinen Poſten vertritt, die Wahl
aus, um die Vacanzen auszufuͤllen.
Section 12.
Senatoren und Volksvertreter ſollen in allen
Faͤllen [Verraͤtherei, Todesverbrechen oder Frie-
densbruch ausgenommen] nicht verhaftet werden
[149] koͤnnen, ſowohl waͤhrend der Dauer der Sitzun-
gen, als auch auf der Hin- und Zuruͤckreiſe, und
ſollen gleichfalls nicht wegen ihrer Reden und
Debatten in einem der Haͤuſer an irgend einem
andern Orte angegriffen werden koͤnnen.
Section 13.
Jedes Haus mag mit Gefaͤngniß beſtrafen
eine jede Perſon, (Nicht-Mitglied), welche die
ſchuldige Achtung des Hauſes durch ordnungswi-
driges und veraͤchtliches Betragen nicht beobachtet,
vorausgeſetzt, daß dieſer Arreſt zu keiner Zeit vier
und zwanzig Stunden uͤberſteigen darf.
Section 14.
Die Thuͤren jedes Hauſes und jeder Com-
mittee ſollen offen ſeyn, ausgenommen in Faͤllen,
wo nach der Meinung des Hauſes Geheimhaltung
erforderlich ſey. Keines der Haͤuſer kann ohne
Zuſtimmung des andern ſich laͤnger als zwei Tage
adjourniren, oder ſich in einen andern Ort bege-
ben als den, wo die beiden Haͤuſer ihre Sitzun-
gen halten.
Section 15.
Vorſchlaͤge koͤnnen in einem Hauſe gemacht
werden, doch das andere kann ſie annehmen, aͤn-
dern, oder verwerfen.
[150]
Section 16.
Jeder Vorſchlag ſoll in jedem Hauſe an drei
verſchiedenen Tagen verleſen werden, ausgenom-
men Nothſachen; drei Viertel des Hauſes muͤſſen
dafuͤr ſtimmen, daß der Vorſchlag der Art ſey, eine
ſolche Ausnahme zu verdienen, und jeder Vorſchlag
von beiden Haͤuſern angenommen, ſoll von den ver-
ſchiedenen Sprechern der Haͤuſer unterzeichnet ſeyn.
Section 17.
Die Geſetze des Staats ſollen jedesmal an-
fangen mit:
„Das Volk des Staats Illinois,
„vertreten durch die General-Ver-
„ſammlung, beſchließt:“
Section 18.
Die General-Verſammlung dieſes Staats
ſoll keinem der folgenden Beamteten des Gouver-
nements groͤßere oder geringere Gehalte ausſetzen
als folget, bis zum Jahr Ein taufend acht hun-
dert und vier und zwanzig: der Gouverneur 1000
Dollars, und der Secretair des Staats 600 Dollars.
Section 19.
Kein Senator oder Volksvertreter ſoll, waͤh-
rend der Zeit, fuͤr die er erwaͤhlt iſt, zu irgend ei-
nem Amte in dieſem Staate berufen werden,
welches waͤhrend dieſer Zeit eingefuͤhrt, oder deſſen
Gehalt in dieſer Zeit vermehrt worden iſt.
[151]
Section 20.
Kein Geld ſoll vom Schatze bezogen werden
koͤnnen, als in Folge einer geſetzlichen Bewilligung.
Section 21.
Es ſoll eine genaue Rechnung uͤber Einnah-
me und Ausgabe der oͤffentlichen Gelder gefuͤhrt
werden, und ſie ſoll bei dem Anfange jeder Si-
tzung der General-Verſammlung mit den Geſetzen
oͤffentlich bekannt gemacht werden.
Section 22.
Das Haus der Volksvertreter ſoll allein das
Recht des Anklagens haben; doch muß die Majo-
ritaͤt aller anweſenden Mitglieder in die Anklage
einſtimmen. Jede Anklage ſoll vom Senate un-
terſucht werden, und in dieſer Sitzung ſollen die
Senatoren an Eides Statt verſichern, Recht zu
ſprechen nach dem Geſetze und nach Ueberzeugung.
Niemand kann verurtheilt werden ohne Zuſtimmung
von zwei Drittel aller gegenwaͤrtigen Senatoren.
Section 23.
Der Gouverneur und alle andere Civilbeamte
dieſes Staats koͤnnen einer Anklage, wegen irgend
eines Verbrechens, unterworfen werden; aber die
Verurtheilung ſoll ſich nicht weiter ausdehnen, als
uͤber Entfernung vom Dienſte, Erklaͤrung fuͤr un-
faͤhig in dieſem Staate ein Ehrenamt zu beklei-
[152] den, Gehalt zu beziehen, oder Auftraͤge zu erhalten.
Die beklagte Partei, ſchuldig oder unſchuldig be-
funden, ſoll nichts deſto weniger einer Anklage,
Unterſuchung, Verurtheilung und Beſtrafung nach
den Geſetzen in allen Faͤllen unterworfen ſeyn.
Section 24.
Die erſte Sitzung der General-Verſammlung
ſoll ihren Anfang am erſten Montag des naͤchſten
Octobers nehmen, und ſoll demnaͤchſt allezeit auf
den erſten Montag im Monat December, welcher
auf die Wahl der Mitglieder folgt, und zu keiner
andern Zeit, ausgenommen als durch dieſe Con-
ſtitution feſtgeſetzet iſt, beſtimmt ſeyn.
Section 25.
Kein Richter irgend eines Gerichtshofes, Se-
cretair des Staats, General-Anwald, Staats-
Anwald, Regiſtrator, Secretair irgend eines Ge-
richtshofes oder Canzlei, Landrichter oder Einneh-
mer, Mitglied eines Hauſes des Congreſſes, oder
irgend Jemand, der ein Amt mit Gehalt von den
vereinigten Staaten bekleidet, (vorausgeſetzt, daß
Stellen bei der Miliz, Poſtmeiſter und Friedens-
richter, nicht als eintraͤgliche Aemter der Art an-
geſehen werden,) ſoll Sitz in der General-Ver-
ſammlung haben; noch ſoll irgend Jemand, der
von den vereinigten Staaten ein Ehrenamt oder
[153] Einkommen hat, in dieſem Staate ein Ehrenamt
oder Einkommen erhalten koͤnnen.
Section 26.
Jede Perſon, welche irgend ein Amt erhaͤlt,
ſoll vor der Einfuͤhrung in daſſelbe ſchwoͤren: Die
Conſtitution der vereinigten Staaten
und dieſes Staats zu unterſtuͤtzen, — und
außerdem den gewoͤhnlichen Dienſteid leiſten.
Section 27.
Bei allen Wahlen ſollen alle weißen Ein-
wohner uͤber 21 Jahr alt, wenn ſie 6 Monate
vor der Wahl im Staate gewohnt haben, zuge-
laſſen werden; aber nur in der Grafſchaft oder in
dem Diſtricte, wo Jemand wirklich ſich aufhaͤlt,
kann er ſeine Stimme abgeben.
Section 28.
Alle Stimmen ſollen mit lautem Ausruf ge-
geben werden, bis hierin die General-Verſamm-
lung eine Aenderung macht.
Section 29.
Die Waͤhler ſollen in allen Faͤllen, [Landes-
verraths, Todesverbrechens und Friedensbruch ausge-
nommen,] von Verhaft frei ſeyn, auch waͤhrend der
Wahl, und auf der Hin- und Herreiſe zu derſelben.
Section 30.
Die General-Verſammlung hat die Macht,
[154] Jemand von der Wahl ſelbſt, ſo wie von dem Recht
erwaͤhlt zu werden, auszuſchließen, wenn er der
Beſtechung, des Meineids, oder anderer entehren-
der Verbrechen uͤberwieſen iſt.
Section 31.
Im Jahre 1820, und nachher alle 5 Jahre,
ſoll eine Zaͤhlung der weißen Einwohner des Staats
Statt finden in der Art, wie es die Geſetze vorſchreiben.
Section 32.
Alle Vorſchlaͤge uͤber Erhebung einer Steuer
ſollen in dem Hauſe der Volksvertreter beginnen,
ſind jedoch der Abaͤnderung oder Verwerfung un-
terworfen, ſo wie in allen andern Faͤllen.
ArtikelIII.
Section 1.
Mit der ausuͤbenden Gewalt des Staats ſoll
ein Gouverneur bekleidet werden.
Section 2.
Die erſte Wahl eines Gouverneurs ſoll be-
ginnen am erſten Donnerstage des naͤchſten Sep-
tembers, und ſoll an dieſem und den folgenden
Tagen dauern; die folgende Wahl ſoll den erſten
Montag im Auguſt des Jahrs 1822 gehalten
werden. Alsdann ſoll alle 4 Jahre am erſten
[155] Montage im Auguſt die Gouverneurswahl gehal-
ten werden. Der Gouverneur ſoll von denſelben
Waͤhlern erwaͤhlt werden, welche die Glieder der
Verſammlung waͤhlen, an denſelben Orten, und
auf dieſelbe Art. Das Reſultat jeder Wahl eines
Gouverneurs ſoll verſiegelt dem Sprecher des Hau-
ſes der Volksvertreter, am Sitze der Regierung,
zugeſandt werden, welche daſſelbe oͤffnet, und in
Gegenwart der Majoritaͤt der Glieder des Hauſes
bekannt macht. Wer die hoͤchſte Anzahl der
Stimmen hat, iſt Gouverneur. Sind aber zwei
oder mehrere gleich; ſo ſoll unter dieſen durchs
Ballottement beider Haͤuſer der Verſammlung der
Gouverneur erwaͤhlt werden. Streitige Wahlen
ſollen, nach zu gebenden Vorſchriften, durch beide
Haͤuſer der General-Verſammlung entſchieden werden.
Section 3.
Der erſte Gouverneur ſoll ſein Amt bis zum
1ſten December 1822 bekleiden, und bis ein an-
derer Gouverneur erwaͤhlt und mit dieſem Amte
beauftragt iſt. Und in der Folge ſoll der Gouver-
neur ſein Amt jederzeit bis zum Ablauf des Zeit-
raums von 4 Jahren und bis ein anderer Gou-
verneur erwaͤhlt und mit dem Amte bekleidet iſt,
behalten, aber er kann in 8 Jahren nur einmal
erwaͤhlt werden. Er muß wenigſtens 30 Jahre
alt, und 30 Jahre Buͤrger der vereinigten Staaten
[156] ſeyn, wovon er die letzten 2 Jahre in dem Bezir-
ke dieſes Staats zugebracht hat.
Section 4.
Er ſoll der General-Verſammlung von Zeit
zu Zeit Nachricht von dem Zuſtande der Regie-
rung geben, und ihnen ſolche Maaßregeln zur Be-
rathung anempfehlen, welche er fuͤr dienſam haͤlt.
Section 5.
Er ſoll die Macht haben, Aufſchub und Gna-
de nach Verurtheilung zu ertheilen, ausgenommen
in Faͤllen oͤffentlicher Anklage.
Section 6.
Der Gouverneur ſoll zu feſtgeſetzten Zeitraͤu-
men einen Gehalt fuͤr ſeine Dienſte ausbezahlt
erhalten, welcher jedoch waͤhrend ſeiner Dienſtzeit
weder erhoͤhet noch vermindert werden kann.
Section 7.
Er kann ſich von allen Beamteten des Exe-
cutiv-Departements uͤber Dienſtſachen Bericht er-
ſtatten laſſen, und muß wachen uͤber treue Erfuͤl-
lung der Geſetze.
Section 8.
Wenn irgend ein Beamteter, deſſen Ernen-
nung, vermoͤge der Conſtitution, der General-Ver-
ſammlung, oder dem Gouverneur und Senate zu-
ſtehet, außer der Verſammlungszeit ſtirbt, oder
[157] ſein Amt auf irgend eine Weiſe vacant wird;
ſo ſoll der Gouverneur die Macht haben, die Stelle
zu beſetzen durch Ernennung einer Commiſſion,
welche mit der naͤchſten General-Verſammlung
aufhoͤrt.
Section 9.
Er kann in außerordentlichen Faͤllen die Staͤn-
de durch eine Proclamation zuſammenrufen, und
ſoll denſelben bei ihrer Verſammlung die Urſachen
vortragen, warum er ſie berufen hat.
Section 10.
Er ſoll die Land- und Seemacht dieſes Staats
en Chef befehligen, ausgenommen, wenn ſie in
den Dienſt der vereinigten Staaten berufen werden.
Section 11.
Es ſoll fuͤr jede Grafſchaft des Staats durch
die Waͤhler der General-Verſammlung, und zu
derſelben Zeit, und an denſelben Orten, ein She-
rif und ein Coroner (Mord-Beſchauer) erwaͤhlt
werden, und zwar nach den Vorſchriften, welche
das Geſetz hierin vorſchreibt. Der Sherif und Co-
roner ſollen, von dem Zeitraume ihrer Wahl ange-
rechnet, ihr Amt zwei Jahr bekleiden, und ſollen
vom Dienſte entfernt und fuͤr unfaͤhig erklaͤrt
werden, nach dem wie daruͤber durch das Geſetz
beſtimmt wird.
[158]
Section 12.
In Faͤllen, wo die beiden Haͤuſer uͤber das
Adjournement nicht einig werden koͤnnen, ſoll der
Gouverneur die Macht haben, die General-Ver-
ſammlung zu vertagen, nachdem er es fuͤr noth-
wendig erachtet, vorausgeſetzt, daß es nicht zur
Zeit der geſetzlichen Verſammlung Statt findet.
Section 13.
Mit dem Gouverneur ſoll zu gleicher Zeit
und unter gleichen Bedingungen ein Vice-Gou-
verneur erwaͤhlt werden. Bei der Stimmung die-
ſer Wahlen ſollen die Waͤhler bemerken, wem ſie
ihre Stimme als Gouverneur oder Vice-Gou-
verneur geben.
Section 14.
Er ſoll, kraft ſeines Amts, der Sprecher des
Senats ſeyn, hat das Recht, in der Verſamm-
lung zu debattiren und uͤber alle Gegenſtaͤnde mit-
zuſtimmen, und ſollte der Senat in zwei gleiche
Theile getheilt ſeyn, ſo gibt ſeine Stimme den
Ausſchlag.
Section 15.
Wenn die Regierung von dem Vice-Gou-
verneur verwaltet wird, oder er nicht im Stande
iſt, ſein Amt als Sprecher des Senats zu ver-
walten: ſo ſollen die Senatoren aus ihrer Mitte
[159] einen Sprecher fuͤr dieſen Zeitraum erwaͤhlen, und
ſollte, waͤhrend der Vacanz des Gouverneurs, der
Vice-Gouverneur angeklagt oder vom Amte ent-
fernt werden, oder ſein Amt ablehnen oder nieder-
legen, ſterben, oder aus dem Staate abweſend
ſeyn: ſo ſoll der Sprecher des Senats in gleichem
Maaße die Regierung verwalten.
Section 16.
Waͤhrend der Vice-Gouverneur als Sprecher
des Senats in Thaͤtigkeit iſt, ſoll er fuͤr ſeine
Dienſte denſelben Gehalt beziehen als der Spre-
cher des Hauſes der Volksvertreter, und nicht mehr;
und waͤhrend er die Regierung verwaltet, ſoll er
denſelben Gehalt genießen wie der Gouverneur,
wenn er ſeinen Dienſt verwaltet.
Section 17.
Wenn der Vice-Gouverneur aufgerufen wird,
die Regierung zu verwalten, und er ſollte ſolches
ablehnen, ſterben oder abweſend ſeyn, und dieß in
den Zeitraum fallen, wo die Staͤnde nicht ver-
ſammlet ſind: ſo ſoll der Secretair verpflichtet
ſeyn, den Senat zuſammen zu berufen, damit er
fuͤr dieſen Fall einen Sprecher erwaͤhle.
Section 18.
Im Fall einer Anklage des Gouverneurs, ſei-
ner Entfernung vom Dienſte, ſeines Todes, der
[160] Ablehnung oder Niederlegung ſeines Amtes, oder
Abweſenheit aus dem Staate, ſoll der Vice-Gou-
verneur alle Macht und Gewalt deſſelben ausuͤben
bis zu der Zeit, daß, Kraft der Conſtitution, die
Wahl des neuen Gouverneurs herangeruͤckt iſt,
ausgenommen, wenn die General-Verſammlung
hieruͤber anders beſchließen oder die Vacanz er-
ſetzen ſollte.
Section 19.
Der Gouverneur im Dienſte und der Rich-
ter des oberſten Gerichtshofes, oder die Majoritaͤt
deſſelben mit dem Gouverneur, ſoll, Kraft dieſes,
einen Rath bilden, um alle Vorſchlaͤge der Staͤn-
de, bevor ſie Geſetzes Kraft erhalten, zu revidiren,
und ſoll ſich zu dieſem Zweck, waͤhrend der Staͤn-
de-Verſammlung, von Zeit zu Zeit verſammlen;
jedoch ſollen ſie dieſerhalb unter keiner Bedingung
irgend eine Entſchaͤdigung oder Gehalt beziehen,
und alle Vorſchlaͤge des Senats und des Hauſes
der Volksvertreter ſollen, bevor ſie Geſetzes Kraft
erhalten, dieſem Rathe zur Durchſicht und zum
Gutachten vorgelegt werden. Findet der Rath
oder die Majoritaͤt deſſelben, daß es unthunlich
ſey, den Vorſchlag zum Geſetz zu erheben: ſo ſoll
er ſeine Gegenreden und Gutachten ad marginem
ſetzen, und den Vorſchlag demjenigen Hauſe zuruͤck-
ſenden, worin er vorgebracht iſt. Sollte aber als-
[161] dann der Senat oder das Haus der Volksvertre-
ter, dieſer Einreden des obigen Raths ohngeachtet,
mit der Mehrheit aller erwaͤhlten Glieder den Vor-
ſchlag genehmigen: ſo ſoll derſelbe dem anderen
Hauſe zugeſandt werden, und geht er dort in
eben der Art durch: ſo ſoll er Geſetzes Kraft er-
halten. Jeder Vorſchlag, welcher nach 10 Tagen,
von der Praͤſentation an gerechnet, vom Rathe
nicht zuruͤckgeſandt wird, ſoll Geſetzes Kraft er-
halten, ausgenommen, wenn durch das Adjourne-
ment der General-Verſammlung ſolches unthunlich
wird; dann ſoll der Vorſchlag am erſten Tage der
Wiederverſammlung zuruͤckgeſandt werden.
Section 20.
Der Gouverneur, in Uebereinſtimmung mit
dem Senate, ſoll einen Secretair des Staats er-
nennen, welchem obliegt ein richtiges Journal der
Dienſthandlungen des Gouvernements zu fuͤhren,
und auf Verlangen der General-Verſammlung
ſolches nebſt allen Papieren, welche dahin zielen,
vorzulegen, und alle jene Obliegenheiten zu er-
fuͤllen, welche die Geſetze ihm auflegen werden.
Section 21.
Der Staatsſchatzmeiſter und die oͤffentlichen
Buchdrucker des Staats ſollen alle 2 Jahre durch
die Stimmenmehrheit beider Haͤuſer erwaͤhlt wer-
11
[162] den, vorausgeſetzt, daß, wenn waͤhrend ihres Ad-
journements eine Vacanz entſteht, der Gouverneur
das Recht haben ſoll, ſolche zu beſetzen.
Section 22.
Der Gouverneur ſoll, mit Wiſſen und Zu-
ſtimmung des Senats, alle jene Aemter beſetzen,
welche durch die Conſtitution oder die Geſetze er-
richtet ſind, vorausgeſetzt, daß deshalb nicht bereits
anderweitig disponirt ſey. Es ſollen indeſſen die
Inſpectoren, Einnehmer und ihre Deputirte, Land-
meſſer der Heerſtraßen, Conſtables, Gefangenwaͤr-
ter, und ſolche Stellen niedern Ranges, deren
Amtsuͤbung ſich auf die Graͤnzen ihrer Grafſchaft
beſchraͤnkt, auf die Art beſetzt werden, wie die
General-Verſammlung es vorſchreiben wird.
ArtikelIV.
Section. 1.
Die richterliche Gewalt dieſes Staats ſoll
durch einen oberſten und durch untere Gerichtshoͤfe
ausgeuͤbt werden, wie ſolche von Zeit zu Zeit durch
die General-Verſammlung angeordnet und errich-
tet werden moͤgen.
Section 2.
Die Gerichtsbarkeit des oberſten Gerichtshofs,
welcher ſeinen Sitz an demſelben Orte hat, wo
[163] der Sitz der Regierung iſt, ſoll bloß appellatoriſch
ſeyn, ausgenommen in Faͤllen, wo von den hoͤchſten
Behoͤrden des Staats anders verfuͤgt wird, in An-
gelegenheiten der Staats-Einkuͤnfte und in An-
klagefaͤllen, wo die Unterſuchung dieſem Gerichte
allein zuſtehet.
Section 3.
Der oberſte Gerichtshof ſoll aus einem Praͤ-
ſidenten und drei Aſſeſſoren beſtehn, je zwei der-
ſelben machen ihn vollzaͤhlig. Die Zahl der Ju-
ſtizraͤthe mag indeſſen nach Ablauf des Jahrs 1824
von der General-Verſammlung vermehrt werden.
Section 4.
Die Richter des oberſten Gerichtshofs und
der untern Gerichtshoͤfe ſollen durch die vereinte
Stimme beider Haͤuſer erwaͤhlt werden, und wer-
den durch den Gouverneur beſtallt. Sie ſollen
(bei gutem Betragen) ihr Amt behalten bis zum
Ende der erſten Sitzung der General-Verſamm-
lung, welche nach dem 1ſten Januar 1824 ge-
halten wird, um dieſe Zeit ſoll ihre Beſtallung zu
Ende gehen. Bis zu dieſer Zeit ſollen die obgedach-
ten Richter Kreisgericht in verſchiedenen Grafſchaf-
ten halten, wie und wann es ihnen die General-
Verſammlung geſetzlich vorſchreibt. Nach dem Ab-
lauf des obgedachten Zeitraums ſollen jedoch die
*
[164] Richter des oberſten Gerichts ihr Amt behalten,
ſo lange ſie es gut verwalten, und dieſe Richter
ſollen nicht verpflichtet ſeyn Kreisgericht zu hal-
ten, ausgenommen, wenn das Geſetz es erheiſcht.
Section 5.
Die Richter der untern Gerichtshoͤfe ſollen
ihr Amt behalten, ſo lange ihr Betragen tadellos
iſt. Sollten ſich jedoch Klagen erheben — wenn
gleich nicht hinreichend zur oͤffentlichen An-
klage — ſo, daß zwei Drittel beider Haͤuſer ihre
Entfernung vom Amte fordert: ſo ſollen ſie, ſo wie
die Richter des oberſten Gerichtshofes, entlaſſen
werden. Es wird jedoch hiebei feſtgeſetzt, daß we-
der ein Mitglied der Verſammlung, noch irgend einer,
der mit ihnen verwandt iſt, eine Stelle bekleiden
kann, welche durch eine ſolche Dienſtentlaſſung va-
cant geworden iſt. Die Richter des oberſten Ge-
richtshofes ſollen waͤhrend ihrer zeitigen Anſtellung
einen jaͤhrlichen Gehalt von 1000 Dollars, in vier-
teljaͤhrigen Raten aus dem Staatsſchatze erhalten.
Die Richter der untern Gerichtshoͤfe und die Rich-
ter des oberſten Gerichtshofes, welche nach dem
1ſten Januar 1824 ernannt werden, ſollen einen
aͤhnlichen und hinreichenden Gehalt erhalten, wel-
cher waͤhrend ihrer Amtsfuͤhrung nicht vermindert
werden kann.
[165]
Section 6.
Der oberſte Gerichtshof oder deſſen Mehrheit
ſollen, ſo wie die Kreisgerichte, ihre Secretaire er-
nennen.
Section 7.
Alle Prozeßſchriften oder andere Erlaſſe ſol-
len allezeit:
Im Namen des Volks des Staats
Illinois;
alle executiviſche Ausfertigungen:
Im Namen und in Vollmacht des
Volks des Staats Illinois
beginnen und ſchließen:
Wider den Frieden und die Wuͤrde
des Volks des Staats Illinois.
Section 8.
Die General-Verſammlung ſoll in jeder
Grafſchaft eine Anzahl Friedensrichter ernennen,
und das Geſetz ſoll deren Dienſtzeit, Macht und
Obliegenheit anordnen und beſtimmen. Ein auf
ſolche Weiſe ernannter Friedensrichter ſoll durch
den Gouverneur beſtellt werden.
ArtikelV.
Section 1.
Die Kriegsmacht des Staats Illinois ſoll
[166] aus allen freien Mannsperſonen (Neger, Mulat-
ten und Indianer ausgenommen,) welche im Staate
wohnen, vom 18ten bis 45ſten Jahre beſtehen,
ausgenommen ſolche Perſonen, welche jetzt oder
kuͤnftig durch die Geſetze der vereinigten Staaten
davon befreiet ſind. Dieſe Macht ſoll bewaffnet,
gekleidet, und in den Waffen geuͤbt werden, nach
den Anordnungen der General-Verſammlung.
Section 2.
Niemand, welcher, den Grundſaͤtzen ſeiner
Religion zu Folge, keine Waffen tragen darf, ſoll
in Friedenszeiten zur Waffenuͤbung aufgefordert
werden, vorausgeſetzt, daß er fuͤr dieſe Befreiung
eine Entſchaͤdigung erlegen muß.
Section 3.
Compagnie- Bataillons- und Regiments-
Offiziere — Staabsoffiziere ausgenommen, — wer-
den durch die Glieder derſelben Compagnie, deſſel-
ben Bataillons und Regiments erwaͤhlt.
Section 4.
Brigadiers und General-Majors werden durch
das Corps der Offiziere der Brigaden und Divi-
ſionen erwaͤhlt.
Section 5.
Alle Offiziere der Kriegsmacht erhalten ihre
Beſtallung vom Gouverneur, und behalten ihr
[167] Amt ſo lange ſie es gut verwalten, bis zu ihrem
60ſten Jahre.
Section 6.
Die Kriegsmacht ſoll in Zeit der Waffen-
uͤbung, der Wahl der Obern, und auf der Hin-
und Herreiſe zu derſelben nicht in Verhaft ge-
nommen werden koͤnnen, es ſey denn wegen Ver-
rath, Todesverbrechen und Friedensbruch.
ArtikelVI.
Section 1.
Weder Sclaverei noch unfreiwillige Dienſt-
barkeit ſoll hinfuͤhro in dieſem Staate geduldet
werden, es ſey denn, um Verbrechen zu beſtrafen,
deren der Schuldige voͤllig uͤberfuͤhrt iſt. Es ſoll
keine Mannsperſon nach zuruͤckgelegtem 21ſten
Jahre, und keine Frauensperſon nach zuruͤckgelegtem
18ten Jahre in Dienſtbarkeit gehalten werden koͤn-
nen, wenn auch deshalb Vergleiche ſollten abge-
ſchloſſen ſeyn, es ſey denn, daß die Perſonen, im
Stande und Genuſſe ihrer voͤlligen Freiheit, dieſen
Vergleich erneuern und eingehen. Noch ſoll ir-
gend ein Vertrag, welcher mit einem Neger oder
Mulatten außerhalb oder innerhalb dieſes Staats
abgeſchloſſen, und deſſen Bedingung eine einjaͤhrige
Dienſtbarkeit uͤberſteigt, guͤltig ſeyn, ausgenom-
men die Lehrjahre.
[168]
Section 2.
Niemand, der ſich in einem andern Staate
zu Dienſten oder Arbeit verpflichtet hat, ſoll ver-
bunden ſeyn, dieſe Verpflichtung zu erfuͤllen, aus-
genommen die Arbeiter an den Salzwerken, bei
der Stadt Shawaneetown, doch auch dort nicht
laͤnger als ein Jahr; noch ſoll es dort laͤnger
erlaubt ſeyn, als bis zu dem Jahre 1825. Jede
Uebertretung dieſes Artikels hat gaͤnzliche Befrei-
ung von allen Obliegenheiten des Verpflichteten
zur Folge.
Section 3.
Alle und jede Perſon, welche, in Kraft der
fruͤhern Geſetze des Territoriums von Illinois,
Vergleiche zur Leiſtung von Dienſtbarkeit einge-
gangen haben, ſollen verbunden ſeyn, dieſelben zu
erfuͤllen, und ſolche Neger und Mulatten, welche
damals einregiſtrirt waren, ſollen die Zeit ausdie-
nen, welche das Geſetz beſtimmt; doch ſollen die
Kinder, welche hinfort von dieſen Negern oder
Mulatten geboren werden, frei ſeyn, die maͤnn-
lichen nach dem 21ſten, die weiblichen nach dem
18ten Jahre ihres Alters. Alle Kinder, welche
von ſolchen zur Dienſtbarkeit verbundenen Perſonen
geboren werden, ſollen durch den Secretair der
Grafſchaft in ein Regiſter eingetragen werden, und
zwar innerhalb 6 Monaten nach ihrer Geburt.
[169]
ArtikelVII.
Section 1.
Sollte jemals ⅔ der General-Verſammlung
es fuͤr dienſam erachten, dieſe Conſtitution zu ver-
aͤndern oder zu verbeſſern, ſo ſollen die Waͤhler
aufgefordert werden, fuͤr oder gegen eine ſolche
Uebereinkunft zu ſtimmen, und, ſollte es ſich fin-
den, daß die Mehrheit des Volks von Illinois
dafuͤr ſtimmt, ſo ſoll die General-Verſammlung
bei der naͤchſten Zuſammenkunft eine Commiſſion
fordern von eben ſo viel Mitgliedern, als in der
General-Verſammlung befindlich find, gewaͤhlt auf
gleiche Weiſe wie die General-Verſammlung, und
dieſe Commiſſion ſoll drei Monate nach ihrer Wahl
ſich, behufs der Verbeſſerung oder Abaͤnderung der
Conſtitution, verſammlen.
ArtikelVIII.
Damit die allgemeinen großen und erhabenen
Grundſaͤtze der Freiheit und einer freien Staats-
verfaſſung anerkannt und unveraͤnderlich befolgt
werden moͤgen, ſo erklaͤren wir hiermit:
Section 1.
Daß jeder Menſch gleich frei und unabhaͤn-
[170] gig geboren iſt, und ſich im Beſitze gewiſſer ihm
angehoͤrender unbeſtreitbarer Rechte befindet. Dazu
gehoͤren das Recht uͤber ſein Leben und Freiheit
zu verfuͤgen und ſie zu vertheidigen; Eigenthum
und Ehre zu erlangen, zu beſitzen und zu verthei-
digen; ſein eigenes Gluͤck zu befoͤrdern.
Section 2.
Daß alle Oberherrſchaft im Volke ruhe, und
daß jede freie Regierungsform ſich auf das An-
ſehn des Volks ſtuͤtze und ſeine Ruhe, Sicherheit
und Gluͤck zum Zwecke habe.
Section 3.
Daß jeder Menſch ein natuͤrliches und unbe-
ſtreitbares Recht hat, Gott den Allmaͤchtigen nach
der Ueberzeugung ſeines Gewiſſens zu verehren;
daß keine menſchliche Gewalt hierin einigen Zwang
auflegen kann; und daß nie irgend ein geſetzlicher
Vorzug irgend einer Religionsparthei zugeſtanden
werden ſoll.
Section 4.
Daß alle Wahlen frei und unabhaͤngig ſind.
Section 5.
Daß das Recht der Verhoͤre durch eine Jury
unverletzlich ſeyn ſoll.
Section 6.
Daß die Perſonen, Haͤuſer, Papiere und Be-
[171] ſitzungen des Volks vor unvernuͤnftigen Durchſu-
chungen und Einziehungen geſichert ſeyn ſollen;
und daß jeder Beamte, der einen verdaͤchtigen Ort
durchſuchen ſoll, eine General-Vollmacht haben
muß, (in Bezug auf das Factum ausſchließlich;)
auch ſoll Niemand verhaftet werden koͤnnen, deſſen
Name nicht genannt iſt, oder deſſen Vergehungen
nicht beſonders beſchrieben oder durch den Augen-
ſchein dargethan ſind, weil dieſes der Freiheit ge-
faͤhrlich iſt und nicht geduldet werden darf.
Section 7.
Daß kein freier Mann verhaftet, ſeiner Frei-
heit, ſeines Eigenthums oder ſeiner Rechte beraubt,
geaͤchtet oder Landes verwieſen, oder auf ſonſtige
Weiſe an ſeinem Leben, ſeiner Freiheit oder ſei-
nem Eigenthum anders beeintraͤchtigt werden darf,
als durch das Urtheil der Pairs und durch die
Landesgeſetze.
Section 8.
Daß, bei allen Unterſuchungen von Verbre-
chen, der Angeklagte das Recht hat, ſelbſt oder
durch ſeinen Anwald gehoͤrt zu werden, zu ver-
langen, daß ihm die Natur und Urſache der An-
klage offenbaret werde; daß die Zeugen einander
gegenuͤber geſtellt werden und er volle Macht hat,
die Zeugen zu ſeinen Gunſten aufmerkſam zu ma-
[172] chen. Bei Unterſuchung einer Anklage oder um
Nachricht daruͤber einzuziehn, ſoll eine ſchleunige
Unterſuchung durch eine unpartheiiſche Jury der
Nachbarſchaft Statt finden, und der Angeklagte
darf nicht aufgefordert werden, gegen ſich ſelbſt
ein Zeugniß abzulegen.
Section 9.
Gegen Niemand ſoll wegen eines anklagungs-
wuͤrdigen Verbrechens ſogleich criminaliter verfah-
ren werden, ausgenommen bei der Land- und See-
macht, oder bei der Miliz im Dienſt in Zeiten
des Kriegs und der oͤffentlichen Gefahr, oder auf
Befehl eines Gerichtshofs wegen Unterdruͤckung
und Mißbrauch der Amts-Gewalt.
Section 10.
Niemand ſoll, wegen eines und deſſelben Ver-
gehens, zweimal an Leib und Leben gefaͤhrdet wer-
den koͤnnen. Auch ſoll Niemandes Eigenthum
dem allgemeinen Beſten aufgeopfert werden, ohne
Zuſtimmung der General-Verſammlung, und ohne
ihm eine gerechte Entſchaͤdigung zu geben.
Section 11.
Jedermann in dieſem Staate ſoll das Recht
haben, die Geſetze zum Schutze anzurufen, wenn er
an ſeiner Perſon, ſeinem Eigenthum oder an ſeiner
Ehre irgend gekraͤnkt wird, es ſoll ihm Recht und
[173] Gerechtigkeit werden, ohne daß er noͤthig haͤtte,
ſolche zu erkaufen; und zwar vollſtaͤndig ohne
Verweigerung, und ſchnell ohne Verzug, den Ge-
ſetzen gemaͤß.
Section 12.
Jedermann kann, bei hinreichender Sicher-
heit, einen Buͤrgen ſtellen, außer fuͤr Hauptverbre-
chen, wo der Verdacht uͤberzeugend und die Wahr-
ſcheinlichkeit groß iſt; und das Recht der Habeas-
Corpus Acta ſoll nicht aufgehoben werden koͤnnen,
es ſey denn daß die oͤffentliche Sicherheit bei Auf-
ruhr und feindlichem Einfall es erfordern.
Section 13.
Alle Strafen ſollen den Vergehungen ange-
meſſen ſeyn; der wahre Zweck aller Strafmittel
ſoll Beſſerung, nicht Vertilgung des Menſchenge-
ſchlechts ſeyn.
Section 14.
Niemand ſoll Schulden halber verhaftet wer-
den koͤnnen, es ſey denn, daß er ſein Vermoͤgen
nicht den Glaͤubigern uͤberlaſſen wolle, wie es die
Geſetze vorſchreiben, oder in Faͤllen, wo großer Ver-
dacht eines Betrugs Statt findet.
Section 15.
Es ſoll kein Geſetz ex post facto, noch ir-
gend gegen die Rechte fruͤherer Vertraͤge gegeben
[174] werden, und kein Urtheil ſoll die Ehre der Nach-
kommen angreifen oder Einziehung des Vermoͤgens
zur Folge haben.
Section 16.
Verweiſung aus dem Staate ſoll nie als
Strafmittel angewandt werden.
Section 17.
Es iſt zur Bewahrurg der Freiheit unum-
gaͤnglich nothwendig, oft die Grundregeln der buͤr-
gerlichen Regierungs-Verfaſſung in Anwendung
zu bringen.
Section 18.
Das Volk hat das Recht, ſich in friedlicher
Art zu verſammlen, um uͤber das allgemeine Wohl
zu berathſchlagen, ſeine Vertreter anzuweiſen, und
um ſich an die General-Verſammlung wegen Ab-
huͤlfe von Beſchwerden zu wenden.
Section 19.
Die Erlegung von Abgaben ſoll ſich jederzeit
nach dem Werthe von Eigenthum richten, ſo daß
Jeder nach Verhaͤltniß des Werthes ſeines Beſitz-
und Eigenthums Abgaben erlegt.
Section 20.
Daß in dieſem Staate nicht mehr Banken
oder dergleichen aͤhnliche Einrichtungen errichtet
[175] werden ſollen, als bereits geſetzlich errichtet ſind,
außer einer Staats-Bank und ihrer Zweige, deren
Einrichtung der General-Verſammlung uͤberlaſſen
bleibt.
Section 21.
Die Preſſe ſoll frei ſeyn. Jeder kann uͤber
das Verfahren der General-Verſammlung und
jedes andern Zweiges der Regierung frei ſich aͤu-
ßern, und nie ſoll ein Geſetz gegeben werden koͤn-
nen, wodurch dieſes Recht beſchraͤnkt wuͤrde. Die
freie ungehemmte Mittheilung der Ge-
danken und Meinungen iſt eins der hei-
ligſten Rechte des Menſchen, und jeder
Buͤrger dieſes Staats mag freimuͤthig reden, ſchrei-
ben und in Druck ergehen laſſen, was ihm be-
liebt; nur fuͤr den Mißbrauch dieſer Freiheit bleibt
er verantwortlich.
Section 22.
Bei Anklage wegen Bekanntmachung von
Schriften, um die Dienſthandlungen von Beam-
teten und eines jeden, der in amtlicher Angelegen-
heit handelt, zu unterſuchen, oder ſonſtigen Din-
gen, welche ſich zur Aufklaͤrung des Volks eignen,
muß die Wahrheit der Klage uͤberzeugend darge-
than werden. In allen Anklagen wider Schriften
ſoll dem Geſchwornen-Gerichte die Entſcheidung
[176] unter der Leitung des Gerichtshofes, wie in an-
dern Faͤllen, zuſtehen.
Schluß.
Section 1.
Damit durch Veraͤnderung der Territorial-
Regierung in die bleibende Staats-Regierung keine
Nachtheile entſtehen moͤgen, ſo erklaͤrt die Ver-
ſammlung: daß alle Rechte, Prozeſſe, Handlungen-
Anklagen, Anſpruͤche und Vertraͤge, ſowohl unter
Einzelnen als unter Geſellſchaften, nach den jetzi-
gen Geſetzen in Kraft bleiben, als ob keine Veraͤn-
derung Statt gefunden haͤtte.
Section 2.
Alle Geldſtrafen, Strafen und Leiſtungen,
welche das Territorium von Illinois zu fordern
hatte, ſtehen nun dem Staate zu Gebote. Die
Verpflichtungen des Gouverneurs und aller Be-
amtelen des Territoriums ſollen unveraͤndert nun-
mehro dem Staate geleiſtet werden.
Section 3.
Kein Sherif oder Einnehmer oͤffentlicher Gel-
der ſoll waͤhlbar zu irgend einem Staatsamte
ſeyn, bevor er nicht alle Gelder geſetzlich abgelie-
[177] fert hat, welche er Kraft und in Gemaͤßheit ſei-
nes Amtes erhoben hat.
Section 4.
Es ſollen fuͤr jede Grafſchaft 3 Commiſſaire
erwaͤhlt werden, welche die Angelegenheiten der
Grafſchaft abthun ſollen, und deren Dienſtzeit,
Macht und Obliegenheit geſetzlich beſtimmt werden
ſoll.
Section 5.
Der Couverneur, Secretair, die Richter und
alle andere Beamteten ſollen ihre Amtspflichten
fortwaͤhrend erfuͤllen, bis ſie, nach Anleitung dieſer
Verfaſſunsurkunde durch andere Beamtete erſetzt
ſind.
Section 6.
Der Gouverneur dieſes Staats kann ſein
Privat-Segel gebrauchen, bis ihm ein Staats-
Siegel uͤtrgeben wird.
Section 7.
Die vorgeſchriebenen Eidesleiſtungen koͤnnen
vor jedem Friedensrichter abgelegt werden, bis die
General-Verſammlung bieruͤber anders verfuͤgt
haben wird
12
[178]
Section 8.
Bis zum erſten Cenſus, wie er durch dieſe
Conſtitution beſtimmt iſt, ſoll die Grafſchaft
- Madison 1 Senator und 3 Volksvertreter,
- St. Clair 1 — 3 —
- Bond 1 — 1 —
- Monroe 1 — 1 —
- Randloph 1 — 2 —
- Jakson 1 — 1 —
die Grafſchaft Johnson und Franklin, beide einen
Senatorial-Bezirk bildend 1 Senator und jede
Grafſchaft 1 Volksvertreter,
- Union 1 Senator und 2 Volksvertreter,
- Pope 1 — 2 —
- Galatin 1 — 3 —
- White 1 — 3 —
- Edward 1 — 2 — und
- Crawfort 1 — 2 —
erwaͤhlen.
Section 9.
Der Praͤſident der Verſammlung ſoll Aus-
ſchreiben zur Wahl erlaſſen, ſolche an die verſchie-
denen Sherifs der Grafſchaften, in deren Abwe-
ſenheit an die deputirten Sherifs, und in Abwe-
ſenheit dieſer, an die Coroners erlaſſen und ihnen
aufgeben, daß ſie eine Wahl veranlaſſen: fuͤr einen
[179] Gouverneur und Vice-Gouverneur, Vertreter beim
jaͤhrlichen Congreß der vereinigten Staaten, Glie-
der zur General-Verſammlung, und Sherifs und
Coroners der Grafſchaften. Die Wahl ſoll den
dritten Donnerstag im naͤchſten Monat Septem-
ber beginnen, und die zwei folgenden Tage dauern.
Auch ſoll ſie in derſelben Art, wie die bisherigen
Territorial-Wahlen geſetzlich eingeleitet werden.
Section 10.
Die General-Verſammlung mag einen Re-
viſor der oͤffentlichen Rechnungen, einen Staats-
Anwald, und ſonſt nothwendige Beamtete ernen-
nen, und ihre Obliegenheiten muͤſſen geſetzlich be-
ſtimmt werden.
Section 11.
Es ſoll der General-Verſammlung
zur Pflicht gemacht werden, ſolche Ge-
ſetze und Verfuͤgungen zu erlaſſen,
welche dem Gebrauche des Zweikampfs
(Duells) vorbeugen.
Section 12.
Jeder weiße Einwohner maͤnnlichen Geſchlechts
uͤber 21 Jahr alt, welcher zur Zeit der Unterzeich-
nung dieſer Conſtitution in dieſem Staate wohn-
*
[180] haft iſt, hat ein Recht, der oben beſtimmten Wahl
beizuwohnen und ſeine Stimme dabei abzugeben.
Section 13.
Bis die General-Verſammlung ein Anderes
verfuͤgt, ſoll der Sitz der Regierung zu Kaskaskia
bleiben. Die General-Verſammlung ſoll in ihrer
erſten Sitzung dem Congreß eine Bittſchrift uͤber-
geben, damit derſelbe dieſem Staate einen Bezirk
Landes einraͤume. Dieſer Bezirk ſoll nicht mehr
als 4 und nicht weniger als 1 Section betragen;
und ſoll an dem Kaskaskia Fluſſe (Oca), ſo nahe
als moͤglich oͤſtlich von der 3ten Haupt-Mittags-
Linie liegen. Sollte dieſe Bitte gewaͤhrt werden;
ſo ſoll die General-Verſammlung 5 Commiſſaire
ernennen, welche das beſagte Land auswaͤhlen und
daſelbſt eine Stadt anlegen ſollen; dieſe Stadt
ſoll alsdann fuͤr den Zeitraum von 20 Jahren der
Sitz der Regierung ſeyn. Sollte die Bitte abge-
ſchlagen werden: ſo mag die General-Verſamm-
lung den Sitz der Regierung nach Gutbefinden
anderweitig beſtimmen.
Section 14.
Jeder, welcher das 30ſte Jahr zuruͤckgelegt,
2 Jahre hier im Staate gewohnt hat, und ein
Buͤrger der vereinigten Staaten iſt, kann auf der
naͤchſten Wahl zum Vice-Gouverneur erwaͤhlt
[181] werden; vorausgeſetzt, daß ihm die Vorſchriften
des Art. III. Sect. 13. nicht im Wege ſtehen.
Gegeben in der Verſammlung zu Kaskaskia den
26ſten Auguſt im Jahre des Herrn 1818, und
dem 43ſten Jahre der Unabhaͤngigkeit der verei-
nigten Staaten.
Urkundlich deſſen haben wir hier unſere Na-
men unterſchrieben:
Jeſſe B. Thomas,
Praͤſident der Verſammlung und Volksvertreter
der Grafſchaft St. Clair.
- John Meſſinger
- James Lemen jr.
- Georg Fiſcher
- Elias Kent Kone
- B. Stephenſon
- Joſeph Borough
- Abraham Pripett
- Michael Jones
- Leonard Whete
- Adolphus Frederik
Hubbart
- Hezekiel West
- William M’ fatridge
- Seth Gard
- Levi Compton
- Willis Horgrave
- William M’ Henry
- Caldwell Carus
- Enoch Moore
- Samuel Omelveny
- Hamlet Ferguſon
- Conrad Will
- James Hall jr.
- Joſeph Kitſchell
- Ed. N. Cullom.
- Thos Kirkpatrick
- Samuel G. Morſe
- William Echols
- John Whitianer
- Andrew Banſon ( Waſhington ([Grafſchaft])
- Isham Harriſon
- Thomas Roberts
beglaubigt
W. M. C. Grunup,
Secretair der Verſammlung.
Durch eine Ordonanz derſelben Verſammlung
wurde zugleich von dem Congreß eine Township
(24040 Acres Land) erbeten, welche lediglich zur
Errichtung einer Univerſitaͤt beſtimmt iſt. Der
Congreß hat beides bewilligt. Dieſe Laͤndereien
der Univerſitaͤt ſind von dem Sitz der Regierung
ohngefaͤhr 4 Engl. Meilen entfernt.
[[184]]
Appendix A
Goslar,
gedruckt bei Ernſt Wilhelm Gottlieb Kircher und Sohn.
[[185]]
Appendix B Verbeſſerungen.
- Bei der Entfernung des Druckorts ſind nachſte-
bende Druckfehler ſtehen geblieben, die man vor dem
Leſen abzuaͤndern bittet:
Vorrede. S. IV. Z. 4. von u. ſtatt: in dem lies: indem. - ‒ V. ‒ 1. v. u. ſt. nachdem l. nach dem
- ‒ VI. ‒ 1. v. o. ſt. Fuͤrſtenwerther l. Fuͤr-
ſtenwaͤrther.
Text S. 11 Z. 7 v. o. desgl. - ‒ 20 ‒ 8 — ſt. ſo ward l. ſo wird
- ‒ 25 ‒ 5 v. u. ſt. Bergwerke l. Salz-
werke - ‒ 26 ‒ 2 — ſt. Gallanen l. Gallonen
- ‒ 28 ‒ 7 v. o. ſt. Plantanus l. Pla-
tanus - ‒ 36 ‒ 5 — ſt. macrocorpa l. ma-
crocarpa - ‒ 37 ‒ 21 — ſt. großen l. groͤßten
- ‒ 65 ‒ 1 — ſt. Krairie l. Prairie
- ‒ 77 ‒ 8 — ſt. Aufenthalte l. Aufenthalt
- ‒ 78 ‒ 11 — ſt. ausgearbeitet l. aus-
gebreitet - ‒ — ‒ 17 — ſt. demohnachtet l. dem-
ohngeachtet - ‒ 82 ‒ 6 v. u. faͤllt die) bei aber weg
- ‒ 64 ‒ 14 v. o. ſt. une und l. und es
- ‒ 96 ‒ 3 — ſeine hinter Anſehen nach
- ‒ 102 ‒ 16 v. o. [...] dem Urtheile l. dem
Begriffe - ‒ 107 ‒ 4 v. u. ſt. von Wabaſch l. vom W.
- ‒ 110 ‒ 13 — ſt. dahier l da hier
- ‒ 111 ‒ 5 — ſt. Fuͤrſtenwerther l. Fuͤr-
ſtenwaͤrther
[[186]] S. 112 Z. 11 v. u ſtatt: Weg lies: Wege - ‒ 113 ‒ 3 v. o. ſt Portage l. Portages
- ‒ 123 ‒ 3 — ſt. erfuͤlle l. erfuͤllt
- ‒ 131 ‒ 16 — ſt. dieſem l. dieſen
- ‒ 133 ‒ 2 — ſt. 1 — 8 l. 7 — 8
- ‒ 136 ‒ 6 — ſt. Waſhington lity l. Wa-
ſyinaton City - ‒ 137 ‒ 3 v. u. ſt. Waisseaux l. Vais-
seaux - ‒ 146 ‒ 11 — ſt. den l. der
- ‒ 147 ‒ 8 v o. ſt. Thielen l. Theilen
- ‒ 173 ‒ 10 — ſt. Habeas-Corpus
Acta l H. C. Acte - ‒ 174 ‒ 8 — ſt. Bewahrurg l. Bewah-
rung - ‒ 178 ‒ 8 — ſt. Randloph l. Ran-
dolph.
Einige weniger auffallende Kleinigkeiten wird der
aufmerkſame Leſer ohnedem zu verbeſſern wiſſen.
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von St. Petersburg in Savannah wieder eingetroffen.
zum Repräſentanten für den Illinois-Staat beim Congreſſe
erwählt.
ſche Schreibart unſerer hieſigen Landsleute beurtheilen.
Repräſentanten nach mancherlei Debatten über die Sclaverei
in jedem Gebiete durch, und das Miſſouri-Gebiet wurde den
vereinigten Staaten einverleibt. Die Sclaverei oder unfrei-
willige Dienſtbarkeit wurde nur in dem Sinne, als Beſtra-
fung für Verbrechen, deren der Angeſchuldigte geſetzlich über-
wieſen worden, zugeſtanden, in jedem andern Sinne aber auf
immer verboten.
Anm. d. Verl.
Graͤnzen eine große Jagd. Dann zuͤnden ſie das trockne duͤrre
Gras der Wieſe an, die Gluth laͤuft mit unglaublicher Schnel-
ligkeit uͤber die Gegend hin, vor ihr entflieht das Wild, aus
ſeinen ſichern Schlupfwinkeln aufgeſchreckt, und erliegt dem
toͤdlichen Geſchoß der Jaͤger. Dieſe verderbliche Gewohnheit,
die Wieſen abzubrennen, iſt der Grund, daß der Wald nur
einzig und allein auf die Flußufer und andere wenige Orte
beſchraͤnkt iſt, indem die Gluth des Feuers nicht nur ſeine wei-
tere Ausbreitung gaͤnzlich hinderte, ſondern ihn auch wol
noch verminderte. Bei dieſen Jagden treiben die Indianer
alle weißen Anſiedler von ihrem Bezirke mit Gewalt fort.
d. V.
Gegenſtand Bericht erſtattet. Wir theilen folgende Stelle aus
der Rede des Gouverneurs de Witte Clinton zu Albany vom
4ten Jan. 1820 mit:
„Jetzt hat unſer Staat die mittlere Section des Weſtcanals und
den Seitencanal nach Salina vollendet.“ In einer Länge von
96 Englichen Meilen iſt dadurch die inländiſche Schiffahrt ge-
ſichert worden. Am 23ten October ſchiffte man zum erſtenmal
von Utica nach Rom, und am 23ten Novemb. war der Cham-
plaincanal beendigt. In den 29 letzten Monaten haben wir 96
Meilen neue Canäle gegraben, ohne neue Auflagen zu ſchaf-
fen und in einer Periode, wo uns Europa verarmt glaubte.
Unſere inländiſchen, weſtlichen und nördlichen Seen ſind jetzt
ſämmtlich bis zum Meere auf unſern Canälen ſchiffbar. Noch
bedürfen wir 5 Jahre, und jede Grafſchaft hat außer ihren
Landſtraßen auch Waſſerſtraßen nach dem Meere.
Noch müſſen die Flüſſe Severn und Geneſee bei Rocheſter
durch einen Canal communiciren und vom Cayugamoraſt das
Weizenmehl ſeiner fruchtbaren angrenzenden Aecker leicht in die
Häfen gelangen können. — Wir müſſen dann aus dem innern
Weſten unſer einheimiſches Salz beziehen können und das
fremde wird nicht mehr eingeführt werden. Das Alles wird
noch 4 Millionen Dollars koſten. Die vielen beendigten Canal-
nen, z. B. den Gyps, den unſere grünen Aerndten zur Be-
ſtreuung bedürfen, erhielten wir einſt aus Europa, und haben
ihn in gleicher Güte durch die gegrabenen Canäle im Lande ent-
deckt. Jetzt können wir Gyps in die andern Staaten ausfüh-
ren. Wir haben Kalkſteine nahe bei unſern Canälen entdeckt,
die uns bisher fehlten. Eben ſo Baſalt und Sandſteine zu Bau-
ten und zum Straßenpflaſter oder Brückenbauten, die noch
häufig fehlen. Alles verräth, daß unſer Staat einſt Europa
entbehren kann und daß der innere Handel bald größer wer-
den wird, als der auswärtige.
Der Verl.
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 0. Bemerkungen auf einer Reise durch das Innere der vereinigten Staaten von Nord-Amerika im Jahre 1819. Bemerkungen auf einer Reise durch das Innere der vereinigten Staaten von Nord-Amerika im Jahre 1819. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bhdk.0