Zuruf
[1]Vorüber rauschen Wind und Welle,
Doch Duft und Perlen trägt ihr Schos!
Drum rasch aus enger, dumpfer Zelle
Und von dir selber ring' dich los!
Auch außen blüht's und singt's wie immer;
O wandle nur durch Wald und Feld!
Willst forschend du dich selbst gewinnen,
Verliere dich in Gott und Welt!
Hoch über aller Welt!
[2]Der Tag ist blau, die Lüfte schweifen,
Weit liegt die Ferne um mich her,
Die Blicke lass' ich drüber streifen,
Wie flücht'ge Schwalben über Meer;
Die Dörfer all', die Städte prangen,
Von blauem Herbstesduft umfangen,
Der Abend sinkt vom Himmelszelt —
Mein Blick ist klar, es glühn die Wangen,
Ein neues Sein hat angefangen
Hoch über aller Welt!
Als ich noch ging durch's enge Leben,
Den kleinen Schmerz in tiefer Brust,
Wol trieb mich da das wirre Streben
Nach flücht'gem Kuß, nach schnöder Lust:
[3]Ich sah das Einz'lne nur, das Kleine,
Fern blieb mir selbst nicht das Gemeine,
Das alle Kraft in Fesseln hält;
Doch nun ersteht im Abendscheine
Vor mir das Ewige, das Eine,
Hoch über aller Welt!
Halt' fest, mein Herz, dies frische Regen,
Den Drang voll jugendlicher Kraft;
Lern in die Weite dich bewegen,
Wo sich das Leben regt und schafft!
Die Welt liegt offen in die Runde,
Verliere nicht die goldne Stunde
Und stähle dich, ein junger Held:
Schau' in dich selbst bis tief zum Grunde,
Auf daß dein Innerstes gesunde
Hoch über aller Welt!
Dann liegt das reiche, volle Leben
Vor dir, ein weisheitvolles Buch;
Dann ist der Zauber dir gegeben,
Der bannet der Gemeinheit Fluch.
[4]Und wie in diesen blauen Tagen,
Wo Welten dir zu Füßen lagen,
So freudevoll, so sonnerhellt,
Aus dunkler Nacht, aus Kampf und Klagen
Wird dich dein Weg nach Oben tragen
Hoch über alle Welt!
Dich preis' ich, goldne Sommerzeit!
Dich preis' ich, goldne Sommerzeit,
Du bringst der Mannheit Kraft und Fülle!
Du birgst, von wirrem Drang befreit,
Den ernsten Schatz in heit'rer Hülle
Und wahrest ihn vor wildem Streit!
Du hast die Glut, die nie erschlafft!
Wohl dringt's aus deinen scharfen Blitzen
Gar oft wie Sturm und Leidenschaft;
Doch nur, um fester zu besitzen,
Was du errangst mit frischer Kraft.
[5]Zu blöder Halbheit nicht verflucht,
Gehst du dahin, klar und besonnen;
Dich irret nicht der Tage Flucht,
Was du verlierst, hast du gewonnen,
Die Blüte welkt, es reift die Frucht.
Und deine Nächte, wie so reich!
Welch sel'ges Ruh'n von Müh' und Streben!
Aus ihrem lichten Sternenreich
Streust du herab ein volles Leben
Und stimmst die Seele mild und weich.
O goldne Zeit voll Sonnenschein,
Du führst mich ganz ins reiche Leben
Voll Freiheit und Genuß hinein;
Von dir lern' ich mit süßem Beben
Den heil'gen Stolz, ein Mann zu sein!
Herbstweise
[6]Der Herbstwind spielt mit welkem Laube,
Hin ist die schöne Sommerzeit,
Doch dort am Hügel reift die Traube,
Sie trägt den Geist, der uns befreit.
Ich mag nicht mit den Lüften hadern,
Daß sie den flücht'gen Glanz verwehn:
Das Leben in des Weinstocks Adern
Und das in mir wird nicht vergehn.
Ihr Andern mögt den Lenz beklagen,
Daß er von dannen zog mit Hast,
Der Kranz, den ihr ums Haupt getragen,
Der ist es werth, daß er verblaßt:
Der Herbst ist Frühling meinem Herzen,
Er zeigt mir, wie das Ird'sche fällt,
Und wie der Geist trotz Noth und Schmerzen
Doch stets ein ew'ges Recht behält.
Der laute Frühling lehrt mich schweifen,
Bis daß das Herz sich selbst vergißt;
Der stille Herbst lehrt mich begreifen
Die reiche Welt, die in mir ist.
[7]Und ob der Herbstwind von den Bäumen
Das letzte Blatt zur Erde warf:
Ich seh' den Wein im Becher schäumen,
Und freu' mich, daß ich leben darf!
In der deutschen Kunstausstellung zu München
September 1858
[8]Wer nicht an Deutschland will verzagen,
Der trete ein in diesen Saal,
Verstummen müssen seine Klagen,
Im Auge glänzt ein Hoffnungsstrahl:
Wo solche Kräfte sprudelnd quellen,
Da ist kein Siechthum, ist kein Tod;
Mit tausend frischen Lebenswellen
Begrüßt ihn rings ein Morgenroth.
Auf! Labe dich am Hochgefühle,
Daß unser Volk ein großes sei;
Und ward dir draußen eng und schwüle,
Hier athme leicht, hier athme frei!
[9]Nicht abwärts führen solche Bahnen,
Des Schaffens Born ist nicht versiegt;
Er läßt uns eine Zukunft ahnen,
Die groß und herrlich vor uns liegt.
Blick' hin! Du kennst den theuern Namen,
Es reiht sich leuchtend Stern an Stern;
Sie streuten einst den goldnen Samen,
Zu ihren Werken kehrst du gern;
Vom Schein ins Wesen sich zu retten,
Durchbrachen sie verjährten Zwang;
Gelöst durch sie von ihren Ketten,
Begann die Kunst den Siegesgang.
Hier spricht die Macht der innern Wahrheit,
Sie hält, wenn vieles sank, noch Stand;
Sie wirkt mit ungetrübter Klarheit
Auch da, wo irre ging die Hand;
Sie labt dich wie ein Maienregen,
Sie weht dich an wie Bergesluft;
Du hörst auf kühnbetretnen Wegen
Der Führer Stimme, die dich ruft.
[10]Und weiter nach dem ersten Ringen
Verfolgst du jetzt der Künste Bahn,
Du siehst sie rastlos vorwärts dringen,
Viel ward gestaltet und gethan;
Dies ist die echte Kraft des Lebens,
Daß neues Leben ihm entquillt
Und mit dem Drang des gleichen Strebens
Den spätgebornen Enkel füllt.
Und siehst du den und jenen schwanken,
Der Menge Beifall zugekehrt,
Die unempfindlich dem Gedanken
Gemeine Wirklichkeit begehrt,
Nimmt der und jener falsch die Richte,
Du beuge nimmer doch den Muth;
Nichts geht im Haushalt der Geschichte
Verloren, was ein dauernd Gut.
Drum sei getrost! Nicht darf dir bangen,
Siehst du im Streit Geist und Natur;
Vom selben Ursprung ausgegangen,
Nie lassen sie von seiner Spur;
[11]Sinkt auch die eine Schale nieder,
Bald ist's die andre, die ihr gleicht;
Das Ebenmaß, es kehret wieder,
Das der Vollendung Palme reicht.
Ja selbst die Krittler, jene kleinen,
Die in den Staub das Große ziehn,
Sie mögen schmähen und verneinen,
Ihr Wort wird hin im Winde fliehn;
Du aber freue dich des Schönen,
Dein Vaterland bekenne laut,
Und danke seinen edlen Söhnen,
Die solch ein Denkmal ihm gebaut!
Husarenlied
[12]So prächtig loht auf der Haide die Glut,
Verklärt die Gewaffen mit ihrem Strahle,
Es lagern die Reiter wohlgemuth
Um dampfende Kessel beim Abendmahle:
„Hei! schönes, erbeutetes Öchselein,
Nun bist du hinüber, wir segnen dich ein,
Nun fährt zur Grube dein Fleisch und Bein,
Teremtette!
Wonnig, wonnig ist der Schmaus,
Wahr das ruhmgekrönte Wort:
— Von den Vätern stammt es ab,
Und der Enkel pflanzt es fort —
[13]Wahr bei jedem Bissen Brot,
Wahr im Glück und in der Noth:
Extra Hungariam non est vita,
Et si est vita, non est ita!“
„Ein Wörtchen mit dir, geliebtes Faß!
Du sprichst ja so klug wie die sieben Weisen.
O schöpft, ihr Brüder, das goldene Naß,
O laßt uns die Rebe von Menes preisen!
Ihr Leib ist vom heiligen Geist geweiht,
Die Frucht des Leibes gebenedeit
In aller, in aller Ewigkeit.
Teremtette!
Wonnig, wonnig ist der Trank,
Wahr das ruhmgekrönte Wort:
— Von den Vätern geht es aus,
Mit den Enkeln geht es fort —
Wahr bei jedem Tropfen Wein,
Bruder, den du schlürfest ein:
Extra Hungariam non est vita,
Et si est vita, non est ita!“
[14]„Schön, Marketenderin, schön bist du!
Bist roth und weiß wie die Apfelblüte.
Ein Küßchen! Wir drücken die Augen zu,
Und flehen, daß gnädig uns Gott behüte!
Kein Kuß ist so duftig, so süß und lind,
Und keiner auf Erden berauscht so geschwind —
O küsse nur, feuriges Ungarkind!
Teremtette!
Wonnig, wonnig ist das Weib,
Wahr das ruhmgekrönte Wort:
— Von den Vätern kommt es her,
In den Enkeln lebt es fort —
Wahr bei jedem Herzensschlag,
Wahr bis an den jüngsten Tag:
Extra Hungariam non est vita,
Et si est vita, non est ita!“
„Du Brauner, in unsern Kreis herein;
Frisch! Klänge der Heimat, wundertönig!
Ei, erbtest du nicht dein Geigelein
Von Bihary, dem Zigeunerkönig?
[15]Und horcht, ihr Brüder, das reizt und rührt,
Das herrscht und bittet, das löscht und schürt —
Ein Leu, an seidenem Band geführt —
Teremtette!
Wonnig, wonnig ist das Lied,
Wahr das ruhmgekrönte Wort:
— Von den Väter stammt es ab,
Und der Enkel pflanzt es fort —
Wahr bei jedem Bogenstrich,
Ob er bang, ob freudiglich:
Extra Hungariam non est vita,
Et si est vita, non est ita!“
„Du gabst uns soviel, du bestes Land,
Nun gönnt uns ein Gott die Seligkeiten,
O Mutter! mit voller, mit schneller Hand
Dir beizustehen, in schweren Zeiten.
Was groß, hat der Feinde groß und klein,
Wir setzen für dich das Leben ein,
Nimm unser Blut, nimm unser Gebein' —
Teremtette!
Wonnig, wonnig ist der Tod
Für das theure Vaterland:
[16]Aus den Gräbern strecken wir
Schwörend auf die weiße Hand —
Wahr ist unser stolzes Wort,
Enkel, sprich es fort und fort:
Extra Hungarium non est vita,
Et si est vita, non est ita!“
Freudvoll und leidvoll
[17]Der Kukuk der Schwarzwälderuhr, der ruft die Stunde heiser;
Im schwarzen Ofen knistern laut die angebrannten Reiser,
Durchs braungetäfelte Zimmer weht behaglich duftige Wärme,
Und auf dem Käfig hängt ein Tuch, daß nicht die Amsel lärme.
Gar heimlich tönt's in dem Gemach, klopft Regen auf die Schindel;
Am frischgedeckten Tische spinnt ein Mädchen an der Spindel.
[18]Was mag am Wandkalender dort der rothe Strich wol sagen?
Was deckt wol dieses weiße Tuch, hier übern Schrank geschlagen?
Vom Fenster wischt das schöne Kind den Reif: da schlägt die Stunde,
Leis lächelnd horcht sie auf den Schlag, die rechte Hand am Munde;
Drauf spinnt sie wieder ruhig fort, im Herzen hoffnungstrunken —
Ein Stündchen drauf, da weint sie still, das Haupt zur Brust gesunken ...
Ein Mann
[19]Es hatt' ihn in der Jugendzeit
Ein blondes Kind verrathen,
Das hat ihn mehr nur angespornt
Zu Arbeit und zu Thaten.
Und zuckt es manchmal ihm im Aug',
Er wollt' es kühn beweisen,
Wenn auch von Glas nur ist das Herz,
Sein Willen ist von Eisen.
Sie kamen auf ihn eingestürmt,
Des Kummers wilde Horden;
Er aber bot die Brust und sprach:
Ich bin ein Mann geworden.
[20]— Er ward ein Mann, er hat gekämpft,
Gewirkt, gesorgt, gelindert,
Und auch der Tage Balsam hat
Den alten Schmerz gelindert.
Und oftmals sagt' er sich's mit Stolz:
Wo Hunderte gestorben,
Hat mir die Kraft der Mannespflicht
Des Mannes Recht erworben.
... Zuweilen nur in später Nacht,
Wenn Alle um ihn schliefen,
Da klang ein ungesprochnes Wort
In seines Busens Tiefen.
Da weht's um ihn wie Geisterhauch,
Aus Süden nicht, noch Norden;
Da tritt ihn ein Gedanke an:
Ach, wär' es anders worden!
Neuer Frühling
[21]Schon eine frühe Lerche schwang
Sich auf trotz Schnee und Kälte;
Sie sang voll Klang den Frühlingsdrang,
Von dem das Herz ihr schwellte.
Sie sang so lang', bis selbst die Sonn'
Mild auf sie nieder lachte,
Und bis am Lindenbaum davon
Ein grünes Blatt erwachte.
Nun dürfen ja die Rosen auch
Solange nicht mehr warten;
Nun zaubert bald in Duft und Hauch
Die Erde sich zum Garten.
Nun drängt's und gähret allerwärts,
Will wieder frisch erglühen —
Da wird ja wol auch dir, mein Herz,
Ein neuer Frühling blühen.
Abschied
[22]Und wenn es Gott nicht anders will
Und muß es denn geschehen,
Wohlan, so laß mich stumm und still
Aus deinen Armen gehen.
Und sage mir kein Abschiedswort
Und wein' auch keine Zähre;
O denke, wenn ich von dir fort,
Daß ich gestorben wäre!
Schwebt dann mein Geist in nächt'ger Zeit
Durch deines Herzens Gründe,
Um einen Todten trägst du Leid,
Und das ist keine Sünde.
Ich aber will nun wiederum
Unstät die Welt durchschweifen,
Und suchen das Mysterium
Des Daseins zu begreifen.
[23]Ist mir dereinst das Räthsel klar,
Wird mir's ja auch wol kommen,
Warum, was mir das Liebste war,
Zuerst mir ward genommen.
O wenn dir Gott ein Lieb geschenkt
O wenn dir Gott ein Lieb geschenkt,
Behalt' es treu im Herzen,
Und was dich drückt und was dich kränkt,
Mit ihm kannst du's verschmerzen;
Es schwindet jedes Leid der Welt,
Wenn drauf der Liebsten Thräne fällt —
Drum wenn dir Gott ein Lieb geschenkt,
Behalt' es treu im Herzen.
Wenn fromm auf dich ihr Auge schaut,
Aus Bitterm wird das Süßte,
Wie, wenn der Himmel tröstend blaut,
Zum Paradies die Wüste.
Der Haber und der Wahn schläft ein,
Das wilde Herz wird gut und rein —
Wenn fromm auf dich ihr Auge schaut,
Aus Bitterm wird das Süßte.
[24]Zieh' von dir, wenn du zu ihr trittst,
Die staub'gen Erdenschuhe,
Und was du duldetest und littst,
Das singt ihr Wort zur Ruhe;
Wie wo der Herr beschritt den Grund,
Blühn tausend Blumen auf zur Stund' —
Zieh von dir, wenn du zu ihr trittst,
Die staub'gen Erdenschuhe!
... Doch wenn du sie verloren hast,
Voll Jammers, unermessen,
O denk', in deiner Schmerzen Last,
Denk', daß du sie besessen!
Und will das Herz dir brechen schier,
Fluch' nicht der Welt, noch ihr und dir —
Auch wenn du sie verloren hast,
Denk', daß du sie besessen!
Im Frühling
[25]Nun keimt und blüht es allerwärts,
Die Drossel singt im Waldesgrün,
Mir ist, als fühlt' ich auch mein Herz
Nun mit des Waldes Blumen blühn.
Die ganze Welt erneut sich,
Und jedes Würmchen freut sich;
Wie Alles duftet, treibt und ringt
In wonnevollem Werden —
Was auch das Leben Trübes bringt:
Es ist doch schön auf Erden!
Dort sinnend wandelt eine Frau,
Schon furcht sich alternd ihr Gesicht;
Das schwarze Haar wird silbergrau,
Sie denkt der Jugendzeit und spricht:
[26]Die Vöglein zwitschern wieder
Die alten Frühlingslieder,
Sie kennen nicht Veränderung
In Antlitz und Geberden —
Doch, bleibt man auch nicht immer jung:
Es ist gar schön auf Erden!
Es fiel vom Baum ein welkes Blatt,
Ein Greis schloß seine Augen zu,
Ein Trauerzug wallt aus der Stadt,
Man trägt den Leib zur ew'gen Ruh';
Der Geist auf lichtern Bahnen
Sieht schon, was wir nur ahnen,
Er geht zu neuem Frühling ein,
Frei aller Noth zu werden —
Wohl mag's im Himmel schöner sein,
Doch schön ist's auch auf Erden.
Bitte
[27]Laß den Muckern ihre Tugend,
Was daran ist, Herr, du weißt es!
Nur erhalte mir die Jugend
Meines Herzens, meines Geistes.
Wo so edle Weine fließen,
Muß die Quelle doch wol echt sein;
Wo so duft'ge Blumen sprießen,
Kann der Boden nicht ganz schlecht sein.
Mache fruchtbar meinen Acker,
Segne meine Liederquelle,
Und das Herz erhalte wacker,
Und den Blick erhalte helle!
Herbstlied
Der Himmel ist grau umzogen,
Es glänzt kein Sonnenstrahl,
Aschgraue Nebel wogen
Feucht über Berg und Thal;
[28]Kalt pfeift der Wind aus Norden,
Vom Baume weht das Blatt —
Nun ist es Herbst geworden,
Wir müssen heim zur Stadt.
Wie klingt so traurig heute
Der Heerde Glockengeläut,
Als ob es zu Grabe läute
Die schöne Sommerzeit!
Trüb hüllen Wiesen und Felder
Sich in den Nebelflor,
Nur Fichten- und Tannenwälder
Dunkeln daraus hervor.
Lebt wohl, ihr schlanken Tannen,
Ihr Wiesen frisch und hell!
Wir müssen nun von dannen,
Der Sommer floh so schnell;
Kalt weht der Wind aus Norden,
Die Blumen sind verblüht,
Herbst ist's im Lande geworden
Und herbstlich im Gemüth.
[29]Die Luft wird sich erneuen,
Die Sonne wieder glühn,
Der Nebel sich zerstreuen,
Die Blumen wieder blühn;
Und klingen Waldeslieder
Von Lenzeslust und Glück,
Und kommt der Frühling wieder,
Kommen auch wir zurück!
Der Rautenkranz
[30]Umwölbt von grünen Hallen,
Im duftigen Bosket,
Hielt unter den Vasallen
Der Kaiser das Banket.
Kernvolle Sprüche flossen
Begeisternd wie der Wein;
Der Reichstag war geschlossen
Zu Würzburg an dem Main.
Wie Flagg' an Flagg' im Hafen
Ein Siegerschiff umweht,
Umreihten Herr'n und Grafen
Des Rothbarts Majestät.
[31]Vertauscht ward Erz und Leder
Mit Seid' und goldnem Glanz,
Es ziert statt Helm und Feder
Ihr Haupt ein leichter Kranz.
Dem Kreis der hohen Ritter
Blieb nur der Welfe fern,
Der Leuchtthurm im Gewitter,
Braunschweigs gewalt'ger Stern.
Zu bändigen sein Wachsen
Hat kaiserliche Macht
Heinrich den Leu'n von Sachsen
Erklärt in Reichesacht.
Es blickte scheu indessen
Das weiße Roß umher;
Das einst der Leu besessen
Erfaßte gern der Bär!
Was Anhalts Graf ersehnte,
Heut' krönt es seinen Ruhm,
Da Friedrich ihn belehnte
Mit Sachsens Herzogthum.
[32]Im Schatten der Kastanien
Kann nun des Mahls sich freun
Der Bernhard von Askanien,
Der Erbe von dem Leu'n!
Doch theilt er nicht das Scherzen,
Er sitzt gedankenschwer,
Als hätt' er auf dem Herzen
Ein Wünschlein oder mehr.
Der Kaiser ruft von drüben
Ihm endlich lachend zu:
„Was will Euch just betrüben,
Herzog, wo drückt der Schuh?“
Der schweigt, und von den Zweigen
Nimmt seinen Schild er dann,
Sich nahend ihm mit Neigen,
Spricht er den Kaiser an:
„Du gabst mir, Herr, voll Gnaden
Der Sachsen Herzogshut,
Nun mach' auch noch den Schaden
In meinem Wappen gut;
[33]Ein Roß und viele Knappen,
Viel Brüder und ein Schild,
Gieb, Herr, ein neues Wappen
Dem neuen Stamm als Bild!“
Der Kaiser, der, voll Schwüle
Von manchem derben Zug,
Ein Kränzlein frisch und kühle
Um seine Schläfe trug,
Nahm's rasch von seinen Locken
Und warf es gnädigmild
Dem Herzog, süß erschrocken,
Quer übers Eisenschild:
„Getrost! Will nicht mehr klappen
Des weißen Rosses Huf?
Der sorgt auch für ein Wappen,
Der dich zum Herzog schuf.
Dein Stamm mag blühn und wachsen
In immergrünem Glanz:
Im Schilde trag' von Sachsen
Des Kaisers Rautenkranz.“
I. Bis zur Schwelle des süßen Gemachs folgt Amor den Beiden
Amoretten
[34]Bis zur Schwelle des süßen Gemachs folgt Amor den Beiden,
Jenseit der Schwelle empfängt Hymen das liebende Paar.
Auch die Grazien wenden sogleich den zierlichen Rücken,
Schamhaft dulden sie nicht Eros' begehrenden Blick.
O so halte den Dichter, du Göttin zarter Gefühle,
Von dem ernsteren Schritt eherner Schwelle zurück!
Laß ihm zu deinem Ruhme, zur Freude sterblicher Menschen,
Immer dein liebliches Kind, immer die Grazien nah!
[35]Denn nur diese verleihen die Gabe des seligen Wortes,
Welches den Dichter beglückt; Hymen und Eros sind stumm.
II. Luna, freundliches Licht, du schöne träumende Göttin
Amoretten
Luna, freundliches Licht, du schöne träumende Göttin,
Leuchte mit silbernem Strahl, leuchte dem frohen Besitz!
Aber dem heimlich verliebten, den Abend ersehnenden Jüngling
Spare dein volleres Licht, spar' es der glücklichen Zeit!
Nebel, sei mir gegrüßt, und Wolken, seid mir willkommen,
Hüllet den Sterblichen ein, wie ihr die Götter verhüllt.
Düster brennen die Lichter, doch leuchtet heller die Liebe,
Und das Verlangen, es führt sicher zum freundlichen Ort.
[36]Räuber und Liebende trägt dieselbe gewogene Gottheit:
Hermes, gewandtester Gott, lehre mich süßesten Raub!
III. Sei mir gewogen, Fortuna, beständig, du schwankende Göttin
Amoretten
Sei mir gewogen, Fortuna, beständig, du schwankende Göttin!
Denn des Glückes bedarf, welchen die Liebe beherrscht.
Dem enthüllet sich nur des Lebens große Bedeutung
Und sein tieferer Sinn, welchen sein Unglück verfolgt.
Sollen dich Menschen verehren und Götter selbst dich erhöhen,
Beuge dich männlich dem Joch, welches das Leiden dir bringt.
Selbst Neptun verlernet die Rache und Here das Zürnen,
Und das verlassene Haupt schützt der gewaltige Gott.
Aber Amor, den lieblichen Gott, und den fröhlichen Bacchus
Rühret die Selige nur, welchen das Glück sich erkor.
IV. Welchen die Himmlischen heben zu ihrem unsterblichen Mahle
Amoretten
Welchen die Himmlischen heben zu ihrem unsterblichen Mahle,
Ewig bleibt er und jung, selber ein herrlicher Gott;
Aber nur selten üben sie dies unsterbliche Vorrecht
Und Jahrhunderte kaum bringen den Einen hervor.
Amor, freundlicher Gott! auch hierin bist du besonders,
Jeglichen, wen du beglückst, Jeglichen machst du zum Gott!
Denn es fehlen ihm nie die Schönheit und ewige Jugend,
Welchen der Schöne berührt mit der unsterblichen Hand.
O so öffne die Thüre dem Schritte des strahlenden Gottes,
Mach' ihm freundlich den Pfad, daß er noch lange dir bleibt!
V. Amor ist ein Verschwender und wen er beherrschet, der wird es
Amoretten
Amor ist ein Verschwender und wen er beherrschet, der wird es;
Gern mit Gaben erkauft Jeder den köstlichen Schatz.
[38]Da du den Dichter erwärmt mit deinem lieblichen Hauche,
Reichlich opfert er dir, was ihm das Köstlichste däucht;
Schöner blühen ihm nun, auf allen Beeten die Blumen,
Und in vollem Erguß murmelt der silberne Quell.
Wenn der Dichter verschwendet, so freuen sich alle die Völker,
Alle erfreut das Geschenk, welches die Süße beglückt.
VI. Komm zur Laube, Geliebte! Die sanften Schatten des Abends
Amoretten
Komm zur Laube, Geliebte! Die sanften Schatten des Abends
Laden zu süßem Gespräch an dem geliebtesten Platz;
Nachtigall und Viole vermehren die glückliche Stunde,
Segnend erhebt sich das Bild Amor's aus Rosengebüsch.
O der seligen Zeiten, der fröhlichen Tage der Kindheit,
Wo dem genießenden Volk lebte der seligste Gott!
Aber sie schwanden dahin, es schwanden mit ihnen die Götter
[39]Und der Gedanke vertrieb forschend die edle Gestalt.
Stürzten die Götter herab von ihren goldenen Höhen,
Amor der einzige blieb, Amor gewaltig auch hier.
Denn von allen Gedanken, die süßen Gedanken der Liebe
Hassen das flüchtige Wort, suchen die schönere Form;
Dichter bringen ihn wieder in seine lieblichen Grenzen
Und der Verliebte begrüßt freudig die schöne Gestalt.
VII. Traulich ist es daheim, es brennt die freundliche Lampe
Amoretten
Traulich ist es daheim, es brennt die freundliche Lampe
Und mit klopfender Brust härr' ich des lieben Besuchs.
Aber die Liebliche nicht, die süße Freundin erwart' ich,
Ach, ein widriger Gang nahm sie für heute mir fort.
Doch statt ihrer besucht mich die Muse, die holde Gefährtin
[40]Meiner Liebe, sie kommt, freundlich, o sei mir gegrüßt!
Sieh, ihr dienet euch Beide: sie weckt die schönen Gefühle,
Und du gibst mir das Wort, welches die Liebe verklärt.
Harre aus!
[41]Harre aus bei deinen Fahnen, Sohn des Lichts, mein freier Geist,
Wandle fort auf deinen Bahnen, wo du dich unhemmbar weißt.
Alle Sonnen, die da prächtig vorwärts ziehn in Glanz und Licht,
Jeder Frühling, der da mächtig Dunkelheit und Winter bricht,
Jeder Stern ist dir verbündet, mit dir ist, was licht und frei,
Jeder Lichtstrahl, der dir kündet, daß er unaufhaltsam sei!
[42]Machtlos jede Erdenschranke vor dem Schritt des Geistes fällt,
Denn ein Gott ist der Gedanke, und wer denkt, beherrscht die Welt!
Kriemhilde
Auf dem Söller stand Kriemhilde, sah ins braune Heideland —
Helme blitzten, Speer' und Schilde von dem fernen Hügelrand;
Aus der Stirn die feuerblonden Locken strich die weiße Hand:
„Seid willkommen, ihr Burgondengäste, in Kriemhildens Land!
Sieben Jahre mächtig, mächtig hab' ich diesen Tag ersehnt,
Schwer, alltäglich und allnächtig hat mein Harren sich gedehnt;
[43]Wenn ich von des Hennen Munde Kuß auf Kuß mit Schaudern trug,
Dacht' ich schweigend an die Stunde, die nun endlich, endlich schlug.
König Etzel, zu den Waffen, den man Gottes Geißel nennt!
Nun den Brautschatz sollst du schaffen, der in Blut und Feuer brennt:
Nicht umsonst gab ich dem größten Waffenkönig diesen Leib —
Rache, Rache soll mich trösten, wie sie nie genoß ein Weib!
Sieh, es scheuet, König Günther, wild dein Hengst an meiner Brück',
Und du klopfst den Hals ihm munter — doch er trägt dich nicht zurück:
Als mein Siegfried ritt zu jagen, hat auch ihm nicht bang gegraut,
Und du hast ihn doch erschlagen, der so freudig dir vertraut!
[44]Seh' ich recht? Ja, das ist Hagen! Traun, ein Gott nahm ihn den Sinn,
Konnt' er sonst ins Land sich wagen, wo Kriemhilde Königin?
Ja, magst stolz dein Haupt du tragen wie ein schwarzes Felsgerüst,
Diese Hand wird's niederschlagen, welche Siegfried oft geküßt. —
Aber dort auf weißem Pferde — frei sein Goldhaar spielt im Wind —
Mit der freundlichen Geberde — das ist Giselher, das Kind!
O mein Bruder, mild von Sitten, mit den Wangen weiß und roth,
O was bist du mitgeritten zu Kriemhildens Gastgebot!
Schwesterliebe mag nicht nützen! Konnte nicht des Gatten Leib
Vor den Brüdern Kriemhild schützen, rächen kann ihn Etzel's Weib.
[45]Sieh, sie steigen von den Rossen, Hagen auch — sie sind herein —
Dumpf hat sich das Thor geschlossen — alle, alle sind sie mein!“
Hie Deutschland
Januar 1859
Und ob zerklüftet und zergliedert des deutschen Volkes Herrlichkeit,
So tief ist's, Fremdling, nicht erniedert, daß es dem Schlag die Wange leiht.
Wohl ging uns Unglück und Bethörung, ein dunkler Fluch, seit lange nach;
Doch jetzt genug der Selbstzerstörung, genug des Zwiespalts und der Schmach!
Wohl fiel dein kaiserlich Geschmeide, Germania, dir von Brust und Haupt,
Wohl hat von deinem reichen Kleide manch edles Stück der Feind geraubt,
[46]Wohl hadern rings noch deine Söhne, stark ist das Unrecht, schwach das Recht,
Fern von des Friedens stiller Schöne schafft noch schwer ringend dies Geschlecht:
Doch hebt der Erbfeind frech die Hände nach unsrer Brüder Wappenschild,
Dann ist der Zank und Zwist zu Ende, der Streit im Älternhaus gestillt,
Und Nord und Süd im heil'gen Grimme, vereint der Ruf der Ehre sie,
So donnert laut mit Einer Stimme: Hie deutsches Volk und Deutschland hie!
Getrost, ihr Brüder dort im Osten! Nicht einsam mehr ist euer Stand:
Die Waffen, die zu lang' ihm rosten, reißt schon der Preuße von der Wand,
Der Schwabe eilt von seinen Wiesen, vom hohen Berg der Baier her,
Die Dänen senden ihre Friesen und seine Sachsen schickt das Meer.
[47]Laß sehn, ob diese Völkerwellen sich legen vor Despotenwort:
Weh euch, wenn sie hinüberschwellen, ihr morschen Throne hie und dort,
Ha, drüben auf Italiens Fluren, das Deutschlands schönste Kräfte stahl,
Sei aufgedrückt mit ew'gen Spuren der deutschen Herrschaft Siegesmal.
Ich weiß von einem schwarzen Tage, da fiel ein herrlich deutsch Geschlecht —
Fiel von französ'schem Henkerschlage, — in Welschland fiel's — fiel wider Recht —
Ein blonder Knab' rief: „Eh' ich sterbe, werf' ich den Rachehandschuh hin“:
Auf, Östreich, Hohenstaufenerbe — noch harrt der Rache Konradin.
Es scheint, die Welt bedarf's zu Zeiten, daß durch sie hin mit Schwertesschwang
Gewaltig die Germanen schreiten im Heldenschritt, im Siegesgang.
[48]Sagt an, ihr Slaven und Romanen, gelüstet euch der alte Streit?
Wohlan — schon rauscht's in unsern Fahnen — schon zuckt das Schwert — wir sind bereit!
Lied eines Deutschen
Ich weiß ein Lied so voller Trauer, wer dieses Lied zu Ende singt,
Dem ist's, als ob vor Schmerzensschauer das Herz ihm in der Brust zerspringt;
Ein Lied voll schwerster Gramgedanken, es macht des Sängers Wange bleich,
Ein Lied voll Wehe sonder Schranken — das ist das Lied vom deutschen Reich!
O so viel Macht und Muth und Treue, und so viel Thorheit, Schimpf und Schmach,
O so viel Hoffnung stets auf's neue und so viel Unheil, das sie brach,
[49]O so viel Hinterlist und Tücke, und immer wieder neu Vertrau'n —
O nimmer mit so wenig Glücke war so viel Recht und Kraft zu schaun!
Es muß in Sternen stehn geschrieben, daß Deutschland nicht soll untergehn,
Der Gott der Völker muß uns lieben, sonst wär' es längst um uns geschehn!
Mein Volk, nicht rückwärts darfst du schauen, daß Gram dir nicht das Herz verzehrt;
Nein, vorwärts, und auf Gott vertrauen, und auf dein Recht und auf dein Schwert!
Die Liebe schuldlos
[50]Und wie sie küßt, da flüstert sie:
„Das ist ja doch wohl keine Schuld?“
Wogegen ich: Der Liebe Huld,
Der Liebe Glück vergeht sich nie.
Gott zürnt uns, wenn wir uns hassen,
Er segnet uns, wenn wir uns fassen,
Er freut sich unsrer Sympathie,
Er, welcher uns die Triebe lieh,
Die wir im heißen Herzen hie,
Im gottgeschaffnen Herzen tragen,
Er selbst in uns — soll ich es sagen,
Wie's Weisere zu denken wagen —
Ist das Gesetz der Harmonie:
Wie sollten wir vor ihm verzagen?
Die Liebe fromm
[51]Die Liebende spricht:
Deinem Schritte folgt mein Schritt;
Denn das ist der Liebe Brauch.
Wärst du fromm, ich wär' es mit;
Da du gottlos, bin ich's auch.
Der Liebende spricht:
Daß du gottlos, sage nicht!
Liebe ist Religion,
Ist der Frauen ganze Pflicht,
Ist Verklärung, höchste, schon.
Liebe fromm! Nicht frömmer ist
Dein Gemüth zu aller Frist;
Liebe gottlos für und für —
Gott erfüllt die Seele dir.
Die List der Trinker
[52]Schöne, schlanke, rasche Dirne,
Wende dich noch einmal her!
Sorge für erneute Labe,
Unsre Becher, sie sind leer.
Doch bevor du uns entschwebest,
Weil' ein wenig — weile lang!
Wenn du dich dem Blicke stellest,
Schon gestillt ist unser Drang.
Ja, wir eilen uns, zu leeren
Die Pokale, nur aus List,
Daß wir neu von dir begehren,
Schauen neu, wie schön du bist.
Falsch, aber süss
Komm, falsche Dirne, laß dich küssen!
So falsch du bist, doch bist du süß,
Dein Mund hat all an sich gerissen
Den Honig aus dem Paradies.
[53]Ich herze dich, und sollte hassen;
Ich hasse dich, doch ach, wie mild!
Ich sollte dich auf ewig lassen,
Und fasse dich, so wild, so wild!
Und ist in alle diese Wonnen
Mein Leben und mein Geist getaucht —
Was mir dein Herz für Qual ersonnen,
Ist Alles in den Wind gehaucht!
Der Unvergänglichen
Ich schaute deiner Jugend Rosenflor;
Seitdem — wie viele Jahre sind geschwunden,
Wie vielem Schönen ist der Preis entwunden,
Und du — du stehst im Glanze wie zuvor!
Bist du allein in der Lebend'gen Chor
Vom Loose der Vergänglichkeit entbunden?
Wie darfst du solch ein Götterrecht bekunden?
Was half dich über dem Ruin empor?
[54]Die Reize deines Innern, irr' ich nicht,
Die ewigen begründen diese Blüte,
Die gleich erhaben überm Zeitgericht:
Dein ganzes Sein ist Liebe nur und Licht,
Und überirdisch schön wie dein Gemüthe,
Bleibt dir Gestalt, Bewegung, Angesicht.
Deutsches Heimweh
[55]Als ich den blanken Degen mir
Einst um die Hüfte schnallte,
Mir hoch vom Haupt in ernster Zier
Der schwarze Haarbusch wallte,
Das war ein stolzer, deutscher Krieg,
Der tief mein Herz entzückte;
Doch mußt' ich trauern, daß der Sieg
Das schlechtre Banner schmückte.
Seitdem ist mir, als ob sich recht
Ein Heimweh auf mich senke,
Wenn ich an Lager und Gefecht,
An Wacht und Runden denke.
[56]Noch ist der Klang des Jägerhorns
Im Ohr mir nicht zerronnen,
Noch hör' ich, mit der Wucht des Zorns,
Den Sturmmarsch der Colonnen.
Hei! Kugeln zischen hin und her,
Ein Feindesherz zu suchen,
Der Dampf wallt bläulich wie ein Meer
Ins grüne Laub der Buchen.
Weit übers Feld Signalruf gellt,
O lustig Tirailliren!
Und dann, das Bajonnet gefällt,
Mit Hurrah avanciren!
O frische Zeit! O kehre du
Ein einzig mal noch wieder,
Und gib uns Sorgen statt der Ruh',
Und Schwerterklang für Lieder!
Durchrüttle diese Krämerwelt,
Laß ihre Götzen stürzen,
[57]Laß Männerseelen, hochgeschwellt,
Zu neuem Flug sich schürzen!
Zertritt mit einem Fuß von Erz
Das Paradies der Thoren,
Laß dich nicht irren Klag' und Schmerz;
Wird's doch nur so geboren, —
Geboren neu aus Blut und Brand,
Was unser einst gewesen:
Das große, freie Vaterland,
Deutsch bis an die Vogesen!
Der Ewige Jude
[58]Vom Gürtel der Alpen schritt ich her,
Der Wandrer ohne Ruh',
Und schaue über das weite Meer
Dem Treiben der Wellen zu.
Vor mir des Klippenfelses Glut
Umrast der Wasser Streit,
Und hinter mir tobt des Ätna Wuth
In wilder Zerrissenheit.
Seh' über mir die alte Pracht
Im Himmelsgestirn entbrannt,
Hab' kundige Blicke in die Nacht
Des Abgrunds längst gesandt.
[59]Und was im Urwald schleichend geht,
Was durch die Wüste brüllt
Und in den Palmen säuselnd weht,
Es ist mir unverhüllt.
Und was die Weisen aller Zeit
Und was der Gottessohn
Gesprochen in dem alten Streit,
Ich dacht' es Alles schon.
So such' ich in Himmel, Erd' und Meer
Den einen festen Grund;
Doch immer dasselbe Ungefähr
Im Alten und Neuen Bund.
Wie buhlt die Natur mit dir, du Dirn',
O Glaube, süßer Thor,
Lügt täglich mit verwirrter Stirn
Dir neue Wunder vor! —
Es lebt nur Ein erträglicher Sinn,
Nur Einer von Gewicht,
Und daß ich Zweifler es selber bin,
Das ist mein Strafgericht;
[60]Daß meine Kraft in ihr Gesetz
Herab den Himmel zieht,
Daß sich verfängt in meinem Netz
Das ganze Weltgebiet!
Spann' deine Flügel weit und breit,
Du ewiger Weltkoloß:
Es lebt, der deine Ewigkeit
Schon längst vorausgenoß.
Und schmiede mich an der Berge Wand:
Bin doch der freie Mann,
Der deinen Riesenunverstand
Allein erlösen kann;
Der mit dem schöpf'rischen Gehirn
Den göttlichen Ätherstrahl,
Mit des Gedankens kühner Stirn
Das Feuer vom Himmel stahl!
Wir
[61]Du bist die weiße Kirschenblüt',
Du bist die rothe Rosenglut,
Du hast des Frühlings froh Gemüth
Und seiner Kinder leichtes Blut,
Bist wie des Bächleins Wallen
Zu aller Wohlgefallen;
Ich walle still, ein müder Strom,
Des Bächleins Klang zu lauschen,
Im abendlich verlassnen Dom
Träum' ich von Festesrauschen,
Ich bin die späte Sommerzeit,
Nachblickend deiner Herrlichkeit.
Trennung
Nun haben sie's zuweg gebracht
Mit ihrem Neiden und Hassen:
Es ist gekommen über Nacht,
Daß ich dich muß verlassen.
[62]Von deinem Herzen reiß' ich mich
Mit blutiger Todeswunde;
Der Himmel, Kind, bewahre dich
Vor ihrem argen Bunde.
Bei Wetterdunkel zieh' ich aus,
Du bist nicht mitgegangen;
Es kracht der Blitz ob deinem Haus
Und trifft die Wetterstangen,
Und stürzt mit raschbezähmter Glut
Vor meinem Kinde nieder; —
Träf' alle Läst'rer seine Wuth,
So hätt' ich nichts dawider!
Trost
Nun ist des Frühlings Lust vorbei
Und all sein holder Wahn,
Doch manchen hellen Freudenschrei
Hab' ich darein gethan.
[63]Die Erde war so jung, so warm,
So glühend ihre Brust,
Ich hab' mich oft in ihren Arm
Gestürzt vor Lieb' und Lust!
Der Geliebten
[64]I.
So schön, so hold, so jugendlich,
Und doch so traurig und verschlossen?
So mild, so sanft, so tugendlich
Und noch in Liebe nie ergossen?
O heitre deinen Blick, den trüben;
Laß, Mädchen, laß die Schwermuth fliehn:
Du bist geschaffen, um zu lieben,
Nicht um in Thränen zu verblühn!
Sieh dort im Walde, mattenreich,
Lustwandeln selig die Gespielen,
Die Bäume neigen schattenreich
Ihr Haupt, die heiße Luft zu kühlen;
[65]Aufspringt das Reh, die Vöglein singen
Hellschmetternd aus der vollen Brust:
So laß auch du ein Lied erklingen
Von Leben, Liebe, Jugendlust!
Die Vöglein staunend schweigen dann,
Der Stimme süßem Klang zu lauschen,
Die Büsche mit den Zweigen dann
Dir huldigend entgegenrauschen.
So heitre deinen Blick, den trüben,
Laß, Holde, laß die Schwermuth fliehn:
Du bist geschaffen, um zu lieben;
Nicht um in Thränen zu verblühn!
II.
Du meinst, ich werde dein vergessen
Im wirrenden Gewühl der Welt?
Dann hast du, Kind, noch nicht ermessen,
Was dich und mich verbunden hält.
Wol hat, wie die Geschicke schwanken,
Manch fremder Anblick mich erfüllt;
Doch eilten immer die Gedanken
Zurück zu deinem lieben Bild.
[66]So lebst du mir ein zwiefach Leben,
Als meiner Seele Königin!
Von dir gezügelt wird mein Streben,
Von dir erfrischt der schlaffe Sinn.
Du sprengest rastlos, allgewaltig
Auch meines Herzens letztes Thor,
Und blickest kennbar, vielgestaltig,
Aus jeder heil'gen Regung vor.
Nun magst du wol die Kraft ermessen,
Die dich und mich verbunden hält:
Könnt' ich, o Holde, dein vergessen,
Vergäß' ich meiner innern Welt!
Der Tag von Hemmingstedt
Das ist der Tag von Hemmingstedt,
Wo Siebentausend abgemäht!
Schläft Ditmar's Vater unter'm Sand,
Ist Ditmar's Sohn noch bei der Hand.
[67]Und über Johann von Dänemark kam seine finstere Stunde,
Er murmelt: „Es brennt im Herzen mir die alte Ditmarsen-Wunde! —
Beim Himmel, es soll nicht Messer, nicht Scheer mir Bart noch Haupthaar stutzen,
Bis daß ich wieder ins Joch gebeugt dies bauernstolze Trutzen.“
[68]Und Boten sendet er in die Marsch, die künden allerwegen:
„Drei Schlösser will unser König und Herr in eure Lande legen,
Nach Maeldorf eins, an den Elbstrom eins und das dritt' an die Lundener Fähre“;
Es brachte da Zornes viel ins Land die königliche Märe.
Und von den Bauern Wolf Isebrand, der sprach: „Er mag nur kommen!
Wir haben aus keines Königs Hand dies Land zu Lehn genommen;
Wir sind zudem vom Aufrechtgehn versteift in unsern Hälsen,
Und wer seine Schlösser auf Marschland baut, der baut sie nicht auf Felsen.“
„Dies Land ist unser! Wir haben's im Kampf der Sturmflut abgerungen, —
Wir bangen vor keines Königs Zorn, wir, die wir das Meer bezwungen;
[69]Unser altes Recht, unser alter Muth, — so werden wir nicht zu Schanden;
Noch lebt der Gott, der bei Bornhövd an unserer Seite gestanden!“
Da gingen die Boten. Bei Rendsburg war's, wo sie den König trafen,
Der lagerte da, drei Nächte schon, sammt seinen Fürsten und Grafen;
Es stieß dazu viel kriegerisch Volk von Jütland und von Fühnen,
All' wollten sie brechen den Bauernstolz, und die Schmach des Königs sühnen.
Von Deutschland auch viel edele Herr'n nieder ins Lager kamen:
Zwei junge Grafen von Oldenburg, Adolph und Otto mit Namen,
Manch altes Geschlecht von Holstein auch um den Danebrog sich scharte,
Fünf Rantzaus, sieben von Ahlefeld und vierzehn Wackerbarte.
[70]Und Söldner auch; — Gesindel war's aus Rheinland, Franken und Sachsen,
All' hatten sich längst, durch Mord und Brand, in die Schlinge hineingewachsen,
„Die sächsische Garde“ hieß man sie, wol auch „die schwarze Bande“,
Verheerend wie der schwarze Tod zogen sie durch die Lande.
Ihr Führer aber war Junker Slenz, der maß sechs rheinische Schuhe,
Heut' brach er am Wege die Schlösser ab, und morgen an der Truhe,
In Flechten hing sein flachsenes Haar wie Stricke herab zum Würgen,
Er hatte zwei Feuerräder im Kopf und hieß — der lange Jürgen.
Und Jürgen Slenz, an der Seite Johann's, vorauf die gepanzerten Glieder,
So führte er heut', unter schmetterndem Klang, das Heer in die Marsch hernieder,
[71]Zwölftausend sind's; schon dringen sie vor auf dem schlammig-schlüpfrigen Damme;
Um Hülfe schreit in die Nacht hinein brennender Dörfer Flamme.
Die Bauern aber, kaum tausend Mann, zogen sich rasch zurücke,
Bis daß sie kamen um Mitternacht an die Hemmingstedter Brücke;
Sie fanden da Wall und Graben noch aus der Zeit der alten Sassen,
Und es sprach Wolf Isebrand: „Hier sei's, hier wollen wir auf sie passen!“
Man hielt. Nur einer murmelte barsch: „Das mög' unser Heiland nicht wollen,
Wir sind am Tausendteufelswall, wo die Moorelfen tanzen und tollen
Mit den Flammenbüscheln, dem Irrlichtvolk, es haust hier unter dem Rasen,
Und bei Vollmond kommt das Feuerpferd, um die Büschel wegzugrasen.“
[72]Da stutzten die Andern; Wolf aber rief: „Was Spuk von Irrlichtelfen!
Wenn droben der Himmel mit uns ist, muß auch die Hölle helfen.
Die Nacht ist schwarz, wir brauchen Licht, laßt's nur da unten flimmern,
Wir wollen ein christlich Bollwerk hier trotzdem zusammenzimmern.“
Da griffen sie freudig nach Spaten und Axt, vorbei war Murren und Stutzen,
Sie schleppten das Brückengebälk herbei, als Pfahlwerk es zu nutzen;
Sie füllten und stopften mit Moor und Schlamm des alten Erdwalls Lücken,
Und warfen zuletzt ihm Rasen und Sand drei Fuß hoch auf den Rücken.
So kam der Tag, und mit ihm kam goldblinkend die sächsische Garde;
Hell spiegelte sich der Morgenstrahl auf Harnisch und Hellebarde, —
[73]Die trotzige Schar, rasch rückte sie vor, gegliedert und dicht geschlossen,
Nicht kümmerte sie der Hagelgruß von Steinen und Wurfgeschossen.
Jetzt war sie heran, zwischen ihr und dem Wall war nur noch des Grabens Quere,
Da schnürten die Vordersten schnell in eins je zwölf ihrer kantigen Speere,
Sie warfen wie Balken querüber dann die Bündel aus Speer und Lanze,
Und über die fliegende Brücke hinweg wollten sie gegen die Schanze.
Umsonst; man stieß sie rücklings hinab, — es fehlte das Brückengelände, —
Da nahmen die Folgenden, springstockgleich, ihren Speerschaft in die Hände,
Sie setzten ihn auf, und war es misglückt, im Sturmschritt vorzudringen,
So sollte nun Sprung- und Hebelkraft im Flug sie hinüberschwingen.
[74]Umsonst auch das, sie sprangen zu kurz; wer dennoch das Ufer erklettert,
Der ward, unter wildem Rachegeschrei, von den Bauern zu Boden geschmettert;
Dumpf dröhnte die Axt — bis plötzlich jetzt die Freudenrufe verklangen,
In das bange Gemurmel starben sie hin: „Hilf Gott, wir sind umgangen!“
So war's; heran im Rücken schon wogte der Feinde Gewimmel, —
Da trat eine Bauernjungfrau vor, die hob ihre Hand gen Himmel,
Zur Mutter Gottes rief sie aus: „O leih' uns Sieg zum Streite,
Und ewige Keuschheit gelob' ich dir, Maria Gebenedeite!“
Und sieh, als wäre die Heilige selbst mildlächelnd ihr erschienen,
Wie Siegesbürgschaft sprach es jetzt aus ihren leuchtenden Mienen,
[75]Sie rief: „Mir nach!“ Und flatternden Haars voran mit dem Christusbilde,
Jauchzte sie jetzt in den Feind hinein: „Hilf, Maria, du Milde!“
Die Bauern ihr nach, bunt angethan mit allerlei Waffen und Wehren;
Manch alter vergessener Morgenstern bracht' es da wieder zu Ehren;
Die Schwerter und Äxte des Tags von Bornhövd, seit lange von Rost ergriffen,
Heut' wurden an Feindes Panzer und Helm sie wieder blank geschliffen.
Lang' stund der Kampf; doch mehr und mehr anwuchs die Woge der Dränger,
Da trat Gott selbst für den Schwachen ein, und rief: „Ich will es nicht länger!“
Und er schickte die Flut, die stieg am Strand, bis hoch an die Schleusenpforte,
Und rüttelte dran und rief: „Macht auf, da drinnen bin ich am Orte!“
[76]Die Wächter am Strande zögerten noch, da sieh, unter Schäumen und Krachen
— Die Hülfe Gottes kam mit Gewalt! — wurde die Schleuse zerbrochen,
Schon über die Felder von Hemmingstedt brauste die Woge, die wilde,
Und die Bauern jubelten, wie zum Sieg: „Hilf, Maria, du Milde!“
Sie nahmen jetzt wieder festen Stand hinter'm Tausendteufelswalle,
Da waren sie sicher vor der Flut und behielten den Feind in der Falle;
Der wandte sich rechts, der wandte sich links, doch der Tod war immer zur Stelle,
Den einen faßte die Marsenfaust, den andern faßte die Welle.
Nur Jürgen Slenz, der ritt an den Wall, als wäre noch nichts verloren,
Einstieß er tief, zum Sprunge bergan, seinem friesischen Hengste die Sporen:
[77]Jetzt war er hinauf, — er schaute sich um, wie wol in besseren Tagen,
Und rief: „Wer ein Herz im Leibe hat, der mag es mit mir wagen!“
Das hörte der Reimer von Wimerstedt, der hatte da Lust zum Streite,
Er sprang heran, und schlug mit der Axt den Speer des Junkers zur Seite,
Er holte dann aus, einen vollen Hieb auf die stählerne Brust zu führen,
Und — fest im Panzer stak die Axt, thät sich nicht rücken, nicht rühren.
Der Hieb war gut; doch unversehrt waren des Jürgen Glieder,
Da riß der Reimer und wuchtete traun am Axtstiel ihn hernieder,
Er trat ihm dann, fünf Finger breit, das Eisen zwischen die Rippen —
Es kam kein Laut, kein Seufzer mehr über des Junkers Lippen.
[78]Das war das Ende von Jürgen Slenz; mit ihm zu Tode kamen
— Die Knechte und Söldner ungezählt — viel hundert tapfere Namen,
Zumal auch was von Holstein her um den Danebrog sich scharte:
Fünf Rantzaus, sieben von Ahlefeld und vierzehn Wackerbarte.
Der König aber floh zu Schiff bis in seine Stadt am Sunde,
Er trug zu der alten Narbe heim eine neue brennende Wunde,
Die neue Wunde, — bis in den Tod wollt' ihm die nie verharschen; —
Das war der Tag von Hemmingstedt, der Brauttag von Ditmarschen.
Wie die Lerche
[79]Wie die Lerche möcht' ich sein,
Die nicht blos im Sonnenschein,
Die auch, wenn in dunkeln Tagen
Wind und welke Blätter klagen,
Singend reget ihr Gefieder;
Nur von innen strömt der Quell der Lieder!
Wie die Lerche möcht' ich sein,
Die hoch oben ganz allein
Und von Menschen ungesehn,
Die ihr Singen doch verstehn,
Sendet Melodien nieder;
Kennet mich nicht, kennet meine Lieder!
Du weisst es nicht, wie du mir wohlgethan
[80]Du sangst im grünumrankten Haus
Und ich war nah bei dir;
Die Töne zogen froh hinaus
Und flogen bis zu mir.
Doch hat kein Laut, kein Seufzerhauch
Den Lauscher dir entdeckt;
Stumm lag ich unter'm Rosenstrauch,
Vom Buchenzaun versteckt.
Du machtest mir mein Herz so licht;
Dein Lied griff lind daran.
Du weißt es nicht, du weißt es nicht,
Wie du mir wohlgethan!
Dein Augenpaar weiß nichts von mir,
Mein's hat dich nie erblickt;
Du glaubst es nimmer, sagt' ich dir,
Daß du mir Trost geschickt.
Dir war es gleich, wohin der Ton,
Der Laut des Herzens flog,
[81]Und nimmer ahnst du, daß er schon
In eine Heimat zog.
Du gabst dein Lied den Winden preis,
Es fand ein bess'res Ziel
Und suchte, was dein Herz nicht weiß,
In meinem ein Asyl.
Es zog hinein und klinget drin
Und hebt mich himmelan,
Du wurdest mir zur Trösterin,
Weißt nicht, was du gethan.
O wohl mir, hätt' ich unbewußt
Auch einst ein Herz erfreut
Und goldne Perlen aus der Brust
Unwissend ausgestreut!
Mit freudehellem Angesicht
Säh' ich den Tod mir nahn,
Spräch' Einer nur: „Du weißt es nicht,
Wie du mir wohlgethan!“
Im Walde
[82]Im Walde, im grünen Dämmerschein,
Da klingt's und hallt es wunderbar,
Da singen die Vögel das ganze Jahr
Für sich allein.
Im Walde, im grünen Dämmerschein,
Da grüßt das Moos im Purpurglühn,
Da stehen viel Blumen so hold und blühn
Für sich allein.
Der Wald, der grüne Dämmerschein,
Die Einsamkeit bedrückt mich sehr:
Ich will ja nicht leben und singen mehr
Für mich allein!
Du Leben rufst, du goldner Schein,
Du rufst mich, um in Liebeskraft,
Im Ringen und Streben und Leidenschaft,
Ein Mensch zu sein!
O Mond, o lösch' dein goldnes Licht!
[83]O Mond, o lösch' dein goldnes Licht,
O Nacht, sei nicht so schön,
O lieben Sterne funkelt nicht,
Ich möchte schlafen gehn.
Schon fallen mir die Augen zu,
Die lang' sich müd' gemacht —
Und doch ich finde keine Ruh'
In solcher Zaubernacht!
O Menschen, seid nicht allzu gut,
O Welt, sei nicht so schön,
Weckt mir nicht neue Lebensglut,
Ich möchte schlafen gehn.
Mein Tag erlosch, schon winket mir
Ein Stern von ew'gen Höh'n,
Und doch, doch ist mein Herz noch hier —
O Welt sei nicht so schön!
Nachtleben
[84]Viel Blumen sehn ins Tageslicht,
So traumesstill hinein,
Als rührte sie der Frühling nicht
Mit seinem Sonnenschein.
Doch in der Nacht erwachen sie,
Die Seele strömt hinaus,
Haucht ihre eigne Poesie
In holden Düften aus.
Und kündet in dem linden Hauch,
Daß sie den Lenz verstand,
Daß sie das lichte Leben auch
Still liebte und empfand.
So wandelt schöne Tage lang
Der Dichter wie im Traum,
Als hörte er des Lebens Klang,
Die tausend Stimmen kaum,
[85]Als blieb von Lenz und Glück und Licht
Allein er unbewegt,
Als würde seine Seele nicht
Zu Lieb' und Lust erregt.
Und doch — sein tiefstes Herz erfaßt
Des Lebens ganze Pracht,
Und seine wonnevolle Last
Löst sich in stiller Nacht.
Da bebet durch die dunkle Ruh'
Sein Lied wie Blumenhauch,
Und ruft den Menschen selig zu:
„Ich leb' und liebe auch!“
Der grosse Seehund von Sule Skerrie
Volksballade von den Shetland-Inseln
[86]Eine irische Amme sitzt und singt,
Und immer singt sie: „Kind, schlaf ein!
Wenig kenn' ich deinen Vater, Kind;
Viel wen'ger das Land, da er schreitet drein!“
Aufstand da Wer an des Bettes Fuß,
Und ein Gast war der, ein grämlicher, traun!
„Hier bin ich, Vater zu deinem Kind;
Ob auch nicht lieblich anzuschaun!
Ich bin ein Mann wol auf dem Land,
Und ich bin ein Seehund in der See;
Und wenn ich fern bin und fern vom Land:
In Sule Skerrie, da wohnt' ich von je!“
[87]„Es war nicht wohl“, sprach das Mädchen schön,
„Es war nicht wohl, in der That“, sprach sie,
„Daß zu mir kam und ein Kind mir gestand
Der große Seehund von Sule Skerrie!“
Nun hat er gelangt einen Beutel Gold,
Und er hat ihn auf ihre Knie gestellt,
Sprechend: „Gib mir meinen kleinjungen Sohn,
Und nimm dir auf dein Ammengeld!
Und es wird geschehen einen Sommerstag,
Wenn die Sonne scheint heiß auf jeglichen Stein,
Daß ich nehmen will meinen kleinjungen Sohn
Und ihn schwimmen lehren ins Meer hinein!
Und du wirst frei'n einen Schützen stolz,
Und ein stolzer Schütz wird er sein, weiß ich;
Und den ersten Schuß, den immer er schießt,
Schießt er todt meinen kleinjungen Sohn und mich!“
Nach Johanna Kinkel's Begräbniss
20. November 1858
[88]Zur Winterzeit in Engelland,
Versprengte Männer, haben
Wir schweigend in den fremden Sand
Die deutsche Frau begraben.
Der Rauchfrost hing am Heidekraut,
Doch sonnig lag die Stätte,
Und sanften Zugs hat ihr geblaut
Der Surreyhügel Kette.
Am Ginster und Wachholderstrauch
Schwang zirpend sich die Meise, —
Da wurde dunkel manches Aug',
Und mancher schluchzte leise;
Und leise zitterte die Hand
Des Freundes, die bewegte,
Die auf den Sarg das rothe Band,
Den grünen Lorber legte.
[89]Die muthig leben sie gelehrt
Und muth'ge Liederweisen,
Am offnen Grabe stand verstört
Das Häuflein ihrer Waisen;
Und fast, ob auch wie quellend Blut
Der wunden Brust entrungen,
Ist über der verlassnen Brut
Des Vaters Wort erklungen.
So ruh' denn aus in Luft und Licht!
Und laß uns das nicht klagen,
Daß Drachenfels und Ölberg nicht
Ob deinem Hügel ragen!
Daß er nicht glänzt im Morgenthau,
Noch glüht im Abendscheine,
Wo durch Geländ und Wiesenau
Die Sieg entrollt zum Rheine!
Wir senken in die Gruft dich ein
Wie einen Kampfgenossen;
Du liegst auf diesem fremden Rain
Wie jäh' vor'm Feind erschossen;
[90]Ein Schlachtfeld auch ist das Exil,
Auf dem bist du gefallen,
Im festen Aug' das Eine Ziel,
Das Eine mit uns allen!
Drum hier ist deine Ehrenstatt,
In Englands wilden Blüten;
Kein Grund, der besser Anrecht hat,
Im Sarge dich zu hüten!
Ruh' aus, wo dich der Tod gefällt!
Ruh' aus, wo du gestritten!
Für dich kein stolzer Leichenfeld
Als hier im Land der Britten!
Die Luft, so dieses Kraut durchwühlt
Und diese Graseswellen,
Sie hat mit Milton's Haar gespielt,
Des Dichters und Rebellen;
Sie hat geweht mit frischem Hauch
In Cromwell's Schlachtstandarten;
Und dieses ist ein Boden auch,
Drauf seine Rosse scharrten!
[91]Und auf von hier zum selben Bronn
Des goldnen Lichtes droben
Hat Sidney, jener Algernon,
Sein brechend Aug' erhoben;
Und oft wol an den Hügeln dort
Ihr Aug' ließ Rahel hangen, —
Sie, Russell's Weib, wie du der Hort
Des Gatten, der gefangen!
Die sind's vor allen, diese Vier!
Dies Land, es ist das ihre!
Und sie beim Scheiden stellen wir
Als Wacht an deine Thüre!
Die deinem Leben stets den Halt
Gegeben und die Richtung, —
Hier stehn sie, wo dein Hügel wallt:
Freiheit, und Lieb', und Dichtung!
Fahr' wohl! Und daß an muth'gem Klang
Es deinem Grab nicht fehle,
So überschütt' es mit Gesang
Die frühste Lerchenkehle!
[92]Und Meerhauch, der dem Freien frommt,
Soll flüsternd es umspielen,
Und jedem, der hier pilgernd kommt,
Das heiße Auge kühlen!
1. Singe
Drei Lieder
[93]Wenn den Allumfanger Äther
Dicht bedeckt ein Wolkenheer,
Läßt er Blitze glühen, sprühen,
Malt sich heiter dann im Meer.
Und du weichst dem wilden Drange?
Willst in Qualen untergehn?
Singe nur! Und im Gesange
Wirst du fröhlich auferstehn.
2. Nach dem Regen
Drei Lieder
[94]Von des Himmels Angesichte
Ist die Wolke nun gebannt,
Und es lacht im jungen Lichte
Wiederum das weite Land.
Von des Regens weicher Kühle
Dampfen Wiese, Wald und Flur,
Und ich fühl's: durch meinen Busen
Weht der Athem der Natur.
3. Lüftchen, das den Hain umsäuselt
Drei Lieder
Lüftchen, das den Hain umsäuselt
Und des Hügels grünen Hang,
Nimm auf deine helle Schwinge
Meiner Lieder leichten Klang.
Weh' ihn über weite Fluren
Zu der fernen Liebsten Ohr!
Trag' ihn dann zum blauen Äther
Mit dem Lerchenlied empor!
Der Tod des Tiberius
[95]Bei Cap Misenum winkt ein prächtig Haus
Aus Lorberwipfeln zu des Meeres Küsten,
Geschmückt mit Säulen, Mosaiken, Büsten
Und jedem Prunkgeräth zu Fest und Schmaus;
Denn oft sah's nächtlicher Gelage Glanz,
Wo lock'ge Knaben, Epheu um die Stirnen,
Mit Bechern flogen, silberfüß'ge Dirnen
Den Thyrsus schwangen in berauschtem Tanz,
Und Jauchzenschall, Gelächter, Saitenspiel,
Bis auf die Gärten rings der Frühthau fiel.
Doch heut wie stumm das Haus! Nur hier und dort
Ein Fenster hell — und wo die Säulen düstern,
Wogt am Portal der Sklaven Schwarm mit Flüstern;
Es kommen Sänften, Boten jagen fort,
[96]Und jedesmal dann zuckt umher im Kreise
Ein Fragen, das nur scheu um Antwort wirbt:
„Was sagt der Arzt? Wie steht es?“ — Leise, leise!
Zu Ende geht's, der greise Tiger stirbt.
Bei matter Ampeln Zwielicht droben lag
Der kranke Cäsar auf dem Purpurkissen,
Sein fahl Gesicht, von Schwären wild zerrissen,
Erschien noch grauser heut', wie sonst es pflag.
Hohl glomm das Auge; durch die Schläfe wallte
Des Fiebers Glut, daß jede Ader schlug;
Niemand war bei ihm, als der Arzt, der Alte,
Und Macro, der des Hauses Schlüssel trug.
Und jetzt mit halbersticktem Schreckensruf
Aus seinen Decken fuhr empor der Sieche,
Hoch auf sich bäumend:„Schaff' mir Kühlung, Grieche,
Eis! Eis! Im Busen trag ich den Vesuv.
O wie das brennt! Doch grimmer brennt das Denken
Im Haupt mir, ich verfluch' es tausend mal,
[97]Und kann's doch lassen nicht zu meiner Qual!
O gib mir Lethe, Lethe, mich zu tränken!
Umsonst! Dort wälzt sich's wieder schon heran
Wie Rauchgewölk und ballt sich zu Gestalten —
Sieh, von den Wunden heben sie die Falten,
Und starren mich gebrochnen Auges an,
Germanicus, und Drusus, und Sejan —
Wer rief euch her? Kann euch das Grab nicht halten?
Was saugt ihr mit dem Leichenblick, dem stieren,
An meinem Blut, und dörrt mir das Gebein?
's ist wahr, ich tödtet' euch; doch mußt es sein —
Wer hieß im Würfelspiel euch auch verlieren?
Hinweg! — Weh mir! Wann endet diese Pein!“
Der Arzt bot ihm den Kelch; er sog ihn leer,
Und sank zurück in tödtlichem Ermatten.
Dann aus den Kissen blickt er scheu umher
Und frug zerstört:„Nicht wahr? Du siehst nichts mehr?
Fort sind sie, fort, die fürchterlichen Schatten.
Vielleicht auch war's nur Dunst. Doch glaube mir,
Sie kommen oft schon Nachts, und wie sie quälen,
Das weiß nur ich — doch still. Komm, setz' dich hier
Nah, nah; von Anderm will ich dir erzählen.
[98]Auch ich war jung einst, traut' auf meinen Stern
Und glaubt an Menschen. Doch der Wahn der Jugend
Zerstob zu bald nur, und ins Innre lugend
Verfault erfand ich alles Wesens Kern.
Da war kein Ding so hoch und bar der Rüge,
Der Wurm saß drin; aus jeder Großthat sahn
Der Selbstsucht Züge mich versteinernd an;
Lieb', Ehre, Tugend, Alles Schein und Lüge!
Wo war ein Freund, der nicht den Freund verrieth,
Ein Bruder, der nicht Brudermord gestiftet,
Ein Weib, das lächelnd nicht den Mann vergiftet!
Nichtswürdig Alle — stets dasselbe Lied.
Da ward ich auch wie sie, und weil nur Schrecken
Sie zähmte, lernt' ich Schrecken zu erwecken.
Und Krieg mit ihnen führt' ich; zum Genuß
Ward ihre Qual mir, ihr verendend Röcheln;
Ich schritt ins Blut hinein bis zu den Knöcheln.
Doch auch das Grausen wird zum Überdruß;
Und jetzt nur noch gequält vom Strahl des Lichts,
Matt, trostlos, reulos, starr' ich in das Nichts.“
Sein Wort ging tonlos aus; er keuchte leis
Im Krampf, von seinen Schläfen floß der Schweiß,
[99]Und craß verstellt, wie eine Larve sah
Sein blutlos Antlitz. Zu des Lagers Stufen
Trat Macro da: „Soll ich den Cajus rufen,
Herr, deinen Enkel, den Caligula?
Du bist sehr krank —“
Doch jener: „Schlange, falle
Mein Fluch auf dich! Was geht dich Cajus an?!
Noch leb' ich, Mensch, und Cajus ist wie Alle,
Ein Narr, ein Schurk, ein Lügner, nur kein Mann.
Und wär' er's, frommt es nicht; kein Held verjüngt
Rom und die Welt, wie er mit Blut sie düngt.
Wenn's Götter gäb', aus diesem Berg der Scherben
Vermöcht' ein Gott selbst nicht mehr Frucht zu ziehn,
Und nun der blöde Knab'! — Nein, nein, nicht ihn,
Die Rachegeister, welche mich verderben,
Die Furien, die der Abgrund ausgespien,
Sie und das Chaos setz' ich ein zu Erben,
Für sie dies Scepter!“ —
Und im Schlafgewand
Jach sprang er auf, und wie die Glieder flogen
Im Todesschweiß, riß er vom Fensterbogen
Den Vorhang fort, und warf mit irrer Hand
Hinaus den Stab der Herrschaft in die Nacht.
Dann schlug er sinnlos hin.
[100]Im Hofe stand
In sich vertieft ein Kriegsknecht auf der Wacht,
Blondbärtig, hoch. Zu dessen Füßen rollte
Des Scepters rundes Elfenbein, und sprang
Vom glatten Marmorgrund mit hellem Klang
An ihm empor, als ob's ihn grüßen wollte.
Er nahm es auf, unwissend was es sei,
Und sank zurück in seine Träumerei.
Er dacht' an seinen Wald im Lippethal,
Die düstern Wipfelkronen sah er ragen,
Er sah am Runenstein die Brüder tagen,
Blank jedes Wort, wie ihrer Streitaxt Stahl,
Und treu die Hand zum Sühnen wie zum Schlagen.
Und an sein liebes Weib gedacht er dann,
Und sah sie sitzen an des Hüttleins Schwelle,
Im langen gelben Haar, wie sie mit Schnelle
Die Spindel wirbelnd in die Ferne sann,
Wol her zu ihm. Und vor ihr spielt am Rain
Sein Knabe, der den ersten Speer sich schnitzte,
Und dem so kühn das Auge blitzte,
Als spräch's: Ein Schwert nur, und die Welt ist mein.
Und plötzlich floß dann — wie, verstand er kaum —
Ein andres Bild in seinen Heimatstraum:
[101]Vor seine Seele drängt es sich mit Macht,
Wie er dereinst in heißen Morgenlanden
Als Wacht an eines Mannes Kreuz gestanden,
Bei dessen Tod die Sonn' erlosch in Nacht.
Wol war seitdem entflohn manch heißer Tag,
Doch konnt' er nie des Dulders Blick vergessen,
Darin ein Leidensabgrund, unermessen,
Und dennoch alles Segens Fülle lag.
Und nun — wie kam's nur? — schien ihm aus den Eichen
Zu ragen jenes Kreuz als Siegeszeichen,
Und seines Volks Geschlechter sah er ziehn
Unzählig, stromgleich; über den Gefilden
Von Waffen wogt es, und auf ihren Schilden
Stand jener Mann, und Glorie strahlt' um ihn.
Da fuhr er auf, aus des Palastes Hallen
Kam dumpf Geräusch: der Herr der Welt war todt.
Er aber schaute kühn ins Morgenroth,
Und sah's wie einer Zukunft Vorhang wallen.
Die Erde
[102]Wol hast du einst mit hoher Wonne
Mein junges Herz getränkt, Natur,
Wenn mich der Glanz der Frühlingssonne
Zur Ferne zog durch Wald und Flur;
Vertieft in mich mit halbem Lauschen,
An deinen Wundern streift' ich hin,
Und wob in all dem Blühn und Rauschen
Der eignen Brust geheimsten Sinn.
Doch heilig ernster ist die Feier,
Damit du jetzt mein Herz umschwebst,
Wenn du den falt'gen Isisschleier
Vom hohen Antlitz lüftend hebst;
Wenn du vom Reiz der bunten Schale
Mein Auge still zur Tiefe lenkst,
Und aus des heutigen Tages Strahle
Ins Dämmerlicht der Urzeit senkst.
Da offenbart im Schwung der Auen
In schwarzer Grotten Säulenschos
Sich mir der Welle leises Bauen
Des Feuers jachen Zornesstoß;
[103]Da singt der Gurt zerborstner Schichten
Ein heilig Lied mir vom Entstehn,
Und läßt in wandelnden Gesichten
Die Schöpfung mir vorübergehn.
Und wieder schau ich's, wie mit Toben,
Vom unterird'schen Durst gedrängt,
Der flüss'ge Kern des Erdballs droben
Die meergebornen Krusten sprengt;
Wie er ein Strom von zähen Gluten,
Bis in die Wolken rauchend stürmt,
Und über Thälern dann und Fluten
Zergipfelt zum Gebirg sich thürmt.
O Riesenkampf der Urgewalten,
Drin eine Welt sich gährend rührt,
Der durch den Kreislauf der Gestalten
Mich auf ein letzt Geheimniß führt!
Denn wie ich rastlos rückwärts dringe
Von Form zu Form, erlischt die Spur;
Ich steh' am Abgrund, draus die Dinge
Der erste Lebenspuls durchfuhr.
[104]Da fällt ins zagende Gemüthe
Ein Glanz aus tiefsten Tiefen mir:
„Im Anfang war die ew'ge Güte,
Und tausend Engel dienen ihr.“
Und wie sie licht in Flammen wallen,
In Fluten brausen allerorts,
Empfind' ich schauernd über allen
Den Hauch des unerschaffnen Worts.
Ballade
Herr Walther lag im Zauberthurm
In der Waldfrau schneeweißem Arm —
Frau Mechthild klagte bei tiefer Nacht
Ihres Herzens bittern Harm.
Sie saß auf ihrem verwitweten Bett
Und weinte Thränen wie Blut,
Zwei Monde war's, daß ihr Gemahl
Ihr nicht am Herzen geruht.
[105]Und als der Morgen ins Fenster sah
Vom Lager sprang sie empor,
Und als man im Münster die Frühmette sang,
Sie pocht an des Bischofs Thor:
„Ach, heiliger Bischof, nun rath' und hilf,
Groß Unheil sag' ich dir an:
Die Waldfrau hat meines Gatten Herz
Verzaubert mit Spruch und mit Bann.
Wol lebten wir Monden drei und vier,
Und die Zeit ward nimmer uns lang,
Tags klang aus dem Walde herüber sein Horn
Und es hüpfte mein Herz bei dem Klang.
Und bei Nacht, wie blühte so roth sein Mund
Und er küßte mich tausendmal!
Nun hält ihn gefangen das teuflische Weib,
Und einsam verzehrt mich die Qual.
Ach, Bischof, heil'ger Vater, mein,
Und weißt du ein Sprüchlein nicht,
Das stark ist wider höllische Kunst,
Und solchen Zauber zerbricht?“
[106]Den weißen Bart der Bischof strich,
Er griff in den Busen hinein:
„Da nimm die Kapsel von rothem Gold
Mit des Märtyrers heil'gem Gebein.
Und hältst du sie hoch in Sonn' und Wind,
Wenn von ferne die Glocken erschallen,
Und rufst dreimal seinen Namen dazu,
Der Zauber wird von ihm fallen.“
Frau Mechthild schürzt ihr langes Gewand,
Sie schritt in den Wald hinaus;
Und als auf den Wipfeln der Mittag lag,
Sie stand vor des Waldweibs Haus.
Da kam es geweht durch die stille Luft,
Die Glocken klangen so tief;
Sie hielt die Kapsel in Sonn' und Wind,
Herrn Walther's Namen sie rief.
Sie rief ihn zum zweiten und dritten mal,
Vor Thränen vermochte sie's kaum;
Herr Walther lag in der Waldfrau Schos,
Er hob die Stirn wie im Traum.
[107]„Nun sage mir an, mein schneeweiß Lieb,
Sag' an, was soll es bedeuten?
Mir ist, als zöge mich was von hier,
Und Glocken hört' ich läuten.
Mir ist, ich müßt' mich besinnen auf was,
Was süß und theuer mir war —“
Da sah sie mit funkelnden Augen ihn an,
Und löst ihr wallendes Haar.
„Sieh hin, sie her, was willst du mehr?
Meine Locken sind güldene Schlangen,
Mein Leib ist weiß und mein Mund ist heiß,
Du bist und bleibst gefangen.“
Und sie küßt ihn wild auf den lechzenden Mund,
Da vergingen die Sinne ihm all,
Und als er zurück in den Schos ihr sank,
Sie lachte mit lautem Schall.
Frau Mechthild hörte das Lachen wohl,
Ihr schnitt's wie ein Messer durchs Herz,
Unter dem Lindenbaum sank sie dahin
Aufs Moos in tödtlichem Schmerz.
[108]Sie wollte rufen und konnt' es nicht,
Ihr war die Brust so beklommen;
Sie rang und wand sich in stummer Qual,
Es war ihr Stündlein gekommen.
Und als die Sonne zu sinken kam,
Ein Knäblein lag ihr im Schos,
Das schaute sie an mit Walther's Blick,
Aus Augen blau und groß.
„O Kind, mein Kind, nun erbarme sich dein
Der Vater droben im Licht!
Mit Thränen wirst du getaufet sein,
Einen Vater hast du nicht.
Durch Wald und Wind, mein Waisenkind,
Komm, komm, nun trag' ich dich fort!“
Da that der Knab' einen hellen Schrei,
Als wollt er nimmer vom Ort.
Herr Walther lag in der Waldfrau Schos,
Er hörte des Kindleins Schrei —
Da war's, als spräng' ihm in tiefster Brust
Ein tönend Glas entzwei;
[109]Und rings zerging's wie ein weißer Dampf,
Und leicht ward Seel' und Leib:
„Laß los, Verfluchte, laß mich los,
Ich muß zu meinem Weib!
Zu meinem Weib, das ich vergaß,
Zu meinem Fleisch und Blut —
O Gott im Himmel sei Preis und Dank,
Nun wird noch Alles gut!“
Den Teppich zerriß er und sprang hinab
Die Stufen zu vier und vier:
„Vergib, vergib mein treu, treu Lieb,
Nun scheid' ich nimmer von dir.
Und grüß dich Gott, mein Knab', mein Kind,
Und segne dich tausendfach,
Und segne dir auch dein Stimmlein hell,
Das all den Zauber zerbrach!“
Kleine Leiden
[110]Heiligen und großen Schmerzen
Wird mein Herz sich nie versagen;
Ferne halte nur ein Gott ihm
Die gemeinen Erdenplagen.
Was erhabne Mächte senden,
Tragen will ich's ohne Laut;
Jene nur sind das Verhaßte,
Friedliche, wovor mir graut.
Heil den Helden, die ihr Leben
Schließen auf dem Bett der Ehren;
Ihnen Heil, die in den Flammen
Sich als Märtyrer bewähren;
[111]Welch ein Segen in dem Leide,
Welche Lust in letzter Noth,
Wenn ein Opfer fürs Geliebte
Unsre Qual und unser Tod!
Doch wie selten ist's gestattet,
Schön zu leiden, schön zu enden,
Aufzufahren in den Himmel,
Siegespalmen in den Händen!
Wie zermalmend, all sein armes,
Dunkeles, verlornes Sein
Hinzuopfern einer langen,
Würdelosen Lebenspein!
Der Terek
[112]Du Sohn des fels'gen Daghestan,
Du trägst des Kaisers Epaulette!
Weit offen liegt des Ruhmes Bahn,
Dem Zaren nur gehört die Welt;
Den Himmel stützen, wenn er fällt,
Die Millionen Bajonnette!
So naht er sich dem Vaterland
Auf einer kaiserlichen Sendung.
Die Kuppen glühn im Abendbrand,
Licht wallt der Wolken Festtalar;
Ein neues Bild der Riesenschar
Zeigt ihm der Weg bei jeder Wendung.
[113]Was ist's, daß ihm zu Herzen quillt?
Die Felsen drohn ihn zu zerschmettern,
Es zürnt der Wasserfall und schilt;
Sein Haupt neigt grollend der Tschinar
Und wie ein Richter schwebt der Aar
Mit breiten Schwingen aus den Wettern.
„Nur sacht, mein Rößlein, eile nicht!
O laß den Reiter Athem schöpfen!“
Glut überströmt sein Angesicht —
O fremd Gefühl von Lust und Schmerz!
Ihm preßt des Kaisers Rock das Herz,
Und angstvoll reißt er an den Knöpfen.
„O Petersburg, du Stadt des Herrn,
Du starrst mich an so übernächtig,
Im kalten Nord ein müder Stern.
Auch an der Newa fernem Strand,
Da dacht' ich nicht ans Vaterland —
Wie ist es schön, wie ist es mächtig!“
Doch sieh! Wie braust durchs Felsgestein,
Wo Reben sich um Ulmen ranken,
Ein goldner Fluß im Abendschein!
[114]Wie kommt er von den Bergen frisch!
Wie rauscht und stürmt er kriegerisch
Voll welterobernder Gedanken!
Doch weiterhin — wie grüßt er mild
Des Ufers wuchernde Gelände!
Wie trägt er liebend jedes Bild,
Das ihm geschenkt die grüne Flur,
Und seiner Mutter, der Natur,
Küßt er mit zartem Dank die Hände.
Der Terek ist's! Sein Rauschen weckt
Im Busen längst verklungne Lieder,
Und was im Herzen tief versteckt,
Der Kindheit Lust, der Jugend Glück,
Es kommt hervor, es kehrt zurück,
Es grüßt der Heimat Sonne wieder.
Der Geist des Flusses greift herauf
Aus seinen träumerischen Tiefen,
Er hemmt das Roß in seinem Lauf,
Er macht den Reiter starr und stumm;
Es wogt und braust um ihn herum,
Als ob ihn tausend Stimmen riefen.
[115]Die Sonne sinkt, der Nebel dampft
Und Geister traten aus den Spalten;
Er hält die Mähne bang' umkrampft —
Dumpf dröhnt des Terek Donnerwort,
Mit tausend Armen reißt's ihn fort
Mit fremden, drohenden Gewalten.
Horch, der verlassnen Braut Gesang
Hallt aus den fernen Aulen wieder
Durch Wogensturz und Donnerklang!
Ihr Diadem glänzt stolz und licht,
Doch todtenbleich ihr Angesicht,
Und trauernd weinen ihre Lieder.
„Fluch oder Segen!“ tönt's ihm zu
Auf unsichtbarer Stimmen Flügel:
„Du hast die Wahl, nun wähle du!
Dort des Verräthers Glanz und Ruhm,
Hier deiner Heimat Heiligthum!“
Und weinend steigt er aus dem Bügel.
Er kniet! Da quillt ein russisch Glück
Mit jeder Thrän' aus seinem Herzen,
Vom Zarenreich fällt Stück auf Stück,
[116]Und die er ach! so lang' verloren,
Die theure Heimat neugeboren
Ersteht aus dieser Saat der Schmerzen!
Da hat er rasch sich aufgerafft:
„Fort mit des Kaisers Epauletten!“
Er reißt in wilder Leidenschaft
Den Rock ab, der das Herz ihm preßt,
Und schnallt ihn an den Sattel fest
Mit Säbel, Gurt und Ordensketten.
„Mein theures Rößlein, kehr' zurück,
Gehorche deines Zars Befehlen!
Ich suche jetzt ein andres Glück,
Trag' heim, was mir beschieden war,
Trag's heim zu unsrer Reiterschar —
Ich will den Kaiser nicht bestehlen!“
Und muthig stürzt er in den Fluß
Mit alter Kraft, ein Flutbesieger.
Der winkt ihm schäumend seinen Gruß
Und trägt ihn jauchzend an den Strand —
„Gott segne dich, mein Vaterland,
Und segne du den neuen Krieger!“
Klagegesang der Kinder Juda in Rom
[117]Bitter waren wol die Leiden
Unsrer Väter, die gefangen
Ihre Harfen aufgehangen
An des Euphrat Trauerweiden;
Aber wir am Tiberstrom,
Eingezwängt in dumpfe Gitter,
Hingen auf die Klagezither,
Kinder Juda wir in Rom.
Enkel jener, die vom Lande
Kanaan die Römer führten,
Die ob Juda triumphirten
Und verließen sie in Schande;
[118]Waisen Salem's bauen wir
Endlos fort von Glied zu Gliede
Unsres Jammers Pyramide
Auf dem Römerschutte hier.
Schon zweitausend Jahre trauern
Wir am Fluß, deß gelbe Wellen
Wild und wüst vorüberschwellen
An den öden Ghettomauern;
Mit der Väter Klagemuth
Weinen wir was jene weinten,
Leiden die zu Leid geeinten,
Ewig in dieselbe Flut.
Volk um Völker sind gefallen;
Doch wir klammern wie die grünen
Eupheuranken um Ruinen
An Octavia's Trümmerhallen,
An den Zeugen unsrer Schmach,
Wo des Vaterlands Verheerer,
Wo Jerusalems Zerstörer
Einst den Stab ob Juda brach.
[119]Ach, in Kammern, sonnenlosen,
Die das Elend nicht umfassen,
Thürmte uns, in engen Gassen,
Pharao ein andres Gosen;
Und es kommen unsre Noth
Zu verhöhnen, zu begaffen
Finstre Mönche, stolze Pfaffen,
In den Blicken Haß und Tod.
Wie der Engel, der vorüber-
Wandelnd schreibt die Würgerzeichen
An die Häuser, wo erbleichen
Soll das Volk, wankt hier das Fieber,
Und der Plagen volle Zahl,
Angst und Frohn zu allen Stunden,
Und die Schande, die verbunden
Mit der hungerbleichen Qual.
Draußen lärmt das Festgepränge
In dem Corso dicht ergossen,
Und es rollen die Carossen
Durch der Masken bunt Gedränge;
[120]Festlich schmückt sich jedes Haus
Mit der golddurchwirkten Seide,
Von Balkonen streut die Freude
Volle Blumenlenze aus.
Dann der Rosen, ach! von Saron
Denken wir, wie sie verglühten,
Wie gefallen sind die Blüten
Von dem Mandelstab des Aaron!
Tochter Zion, schmuckberaubt,
Magd von Rom, wie mußt du neigen
In das thränenvolle Schweigen,
In die Asche nun dein Haupt!
Dann der preisgegebnen Töchter
Denken wir, und wie mit Hieben
Unsre Väter man getrieben
Durch des Volkes Hohngelächter;
Denken dann, wie Judas Blut
Rothgefärbt St. Petri Schwelle;
Und gedenken an die grelle,
Grause Scheiterhaufenglut.
[121]Und nun sitzen wir im Schweiße
Unsres Angesichts die Tage
Vor den Thüren, unsre Plage
Mehren wir mit sauerm Fleiße;
Fetz und Flicken, was zerfällt,
Sammeln wir an allen Enden:
Denn uns wirft mit ellen Händen
Nur den Abfall zu die Welt.
Ach, wir denken bei den Flicken
Salomo's: zu Fetzen werden
Muß die Herrlichkeit der Erden,
Wie die Lumpen hier zerstücken.
O wie sind, die dich geschmückt,
Tochter Zion, deine Spangen,
Und dein Feierkleid zergangen,
Und in Fetzen so zerstückt!
Und so seufzen wir und nähen
Auf dem Römerschutt die Flittern,
Und wir denken, so zersplittern
Mußte Rom auch und vergehen;
[122]Aber wir zu seinem Hohn
Klammern fest noch wie die grünen
Epheuranken an Ruinen —
Denn Ruinen sind sie schon.
Nicht mehr kränken uns am Bogen
Titus' dort die Marmorbilder,
Tempelleuchter, Tisch und Schilder,
Und des Jordan heil'ge Wogen;
Mußten doch in Wust und Graus
Deine Götter, Rom, erbleichen,
Doch Jehovah's heil'ge Zeichen
Löschte kein Jahrtausend aus.
Gras umweht die Trümmerreste
Dort von Jovis' Tempelhallen,
Und in Staub ist sie gefallen
Der Cäsaren hohe Feste;
Aber hier trotz Zeit und Tod
Dauern noch zu deiner Ehre
Ungebrochen die Altäre,
Herr der Zeiten, Zebaoth!
[123]An des Tiberstromes Welle
Bauten wir mit stillem Weinen
Ärmlich nur, aus rohen Steinen,
Deines Tempels eine Zelle,
Und mit Zeichen ihre Wand
Schmückten wir, daß wir gedenken,
Wenn wir drauf die Blicke lenken
Wie dein Haus so herrlich stand.
Und wir sammeln uns zum Bunde
Abraham's als treue Brüder
Vor der Bundeslade wieder,
In der sabbathstillen Stunde,
Und das siebenfache Licht
Auf der siebenfachen Leuchte
Stellen wir, das unerbleichte,
Vor Eloah's Angesicht.
Und dann singen wir mit Zungen
Unsrer Väter zu den Harfen,
In Accorden, jammerscharfen,
Psalmen David's unverklungen:
[124]Bis die Thräne nimmt den Lauf,
Und sich lösen uns vom Herzen
Die jahrtausendalten Schmerzen
In Messiashoffnung auf.
Glückselig!
[125]Leg' deine Händ' in meine,
Dein Haupt an meine Brust;
Da lausche meinem Herzschlag,
Und ahne meine Lust.
Und ob ohn' Ende rauschte
Der Wogen feuchter Mund,
Könnten sie auserzählen,
Wie tief des Meeres Grund?
Noch tiefer als die Meerflut
Ist meines Herzens Lust;
Laß schweigen mich, und lausche
Ihr selbst an meiner Brust.
Letzte Zusammenkunft
[126]O schürz' und tummle schnelle dich
Feinsliebchen, ich bestelle dich,
Wenn der Rebhahn kräht und die Lerche fällt
Und weißer Thau im Thale hält,
Zum Hügel hin, zum Hügel dort,
Auf letzten Kuß, auf letztes Wort!
Ein letztes Wort, ein letzter Kuß,
Allweil ich morgen wandern muß!
Will schaun mit dir auf Meer und Land,
Wenn Nebel und Nacht die Flur umspannt,
Daß du nicht weinst, mein süßes Kind,
Wie gar so weit die Straßen sind.
Daß gar so weit die Straße mein,
Daß soll mein' eigne Sorge sein;
Du sollst nur sehn vom Hügelrand,
Wohinaus ich meinen Pfad gewandt,
Daß deine Gedanken wissen wohin,
So ich dein Schatz für immer bin.
Soll ich dein Schatz für immer sein,
Nimm diesen Kuß, dies Ringelein!
[127]Wenn der Rebhahn sich frühmorgens regt
Und sich den Thau vom Flügel schlägt,
Dann ist dein Liebster lange fort
Weit über den Hügel und immerfort!
Stille
Horch, wie still! Von meinem Kissen
Hat der Mond sich längst verzogen,
Und die Uhr ist stillgestanden
In der Kammer finsterm Bogen.
Draußen ist, wie wenn die Bäume
Schlafend über'm Teiche hingen;
Nur ein dürres Blatt zuweilen
Fällt hinein, und Tropfen klingen.
Thu', mein Herz, denn gleich dem Wasser
Ruhe, wie die stillen Äste!
Nichts zu denken, nichts zu träumen,
Schlaf, mein Herz, — das ist das Beste.
Verlust im Siege
[128]In niedrer Hütte keimte mir das Leben,
Der Kummer sang mir seine Wiegenlieder
Und streute gift'gen Mehlthau auf mich nieder;
Ein ärmlich Loos schien mir das Glück zu weben.
Doch in der bleichen, abgehärmten Hülle
Erweckte Gott der Seele kühnes Drängen;
Ich wagte bald, die enge Haft zu sprengen,
Zu werben um des Lebens schönste Fülle.
Und siegreich trat ich aus dem schweren Ringen,
Das Misgeschick war glorreich überwunden —
Und doch, was ist es, daß in trüben Stunden
So bange Laute mir die Brust durchklingen?
[129]So zog der jüngre Sohn vor alten Zeiten
In fremdes Land hinaus, der Unverzagte,
Das Erbe, das die Heimat ihm versagte,
Durch eigne Kraft sich draußen zu erstreiten.
Wie scholl im Kampf so freudig seine Stimme,
Wie grimmig sprang sein Schwert auf Schild und Spangen!
Es floß der Schweiß, das Blut von seinen Wangen,
Bis daß der Feind entwich vor seinem Grimme.
Er jubelt auf, — rings schweigen seine Krieger;
Er blickt umher, — weh ihm, er sieht nur Leichen!
Manch theures Antlitz trägt das Todeszeichen
Und schweigend steht der schwergeprüfte Sieger
Der kühne Geist, zu Misgeschick geboren,
So Gott ihm hilft, er bricht sich seine Bahnen;
Doch seinen Jubel dämpft ein leises Ahnen,
Wie viel des Schönen er im Kampf verloren.
Gedichte des Mädchens
[130]I.
Ich bin gegangen über den Markt,
An den Giebeln lag die Sonne
Und auf dem Platz lag Stroh.
Wie war ich doch so froh,
Daß mich die Leute grüßten
Und freundlich sahn mich an!
Doch wenn die Leute wüßten,
Daß du mir es angethan,
Du meine Herzenswonne,
Sie grüßten mich nicht so.
Ich bin gegangen hinab zum Strom,
Die Weiber wuschen eben
Und standen im Wasser seicht.
Wie waren meine Worte so flink und leicht,
[131]Daß alle Weiber lachten
Und klatschten in dem Kahn!
Doch wenn die Weiber dachten,
Daß du mir es angethan,
Du Herz, mein einzig Leben,
Sie schmähten auf mich vielleicht.
Ich bin gegangen zum Weinberg spät,
Die Staare flogen in Schwärmen
Und plapperten wälsch und platt.
Wie war ich so einsam dort, so matt,
Daß ich nannte deinen Namen
Und rief zum Wald hinein.
Doch weh' mir, die Staare kamen
Und schrien ihn hinterdrein —
Ach, nun geht an mein Härmen,
Bald weiß ihn die ganze Stadt.
II.
Kaiserkronen, Königskerzen
Blühen draußen in dem Garten;
Doch viel schönre Blumenarten
Blühn allein in seinem Herzen.
[132]Könnt' ich daraus flechten Kronen,
Säß' ich auf den schönsten Thronen,
Glühte mir der Herzen Brand,
Wollt ich Krone, Thron und Land
Königlich verschmerzen.
Soll ich Blumen pflücken, Seide spinnen,
Sagen sie, ich käm' zu späte,
Wüßte nimmer was ich thäte,
Sagen's draußen, sagen's drinnen,
Wissen nicht, wie sie so häßlich,
Wie sein Wort mir unvergeßlich
Strahlen spinnt, von Stern zu Stern:
Erde — Menschen — Welt, wie fern
Seid ihr meinen Sinnen!
Schlug im Wald mit süßen Klagen
Nachtigall im Abendschweigen;
Wo ihr Nest ist in den Zweigen,
Niemand weiß es doch zu sagen.
Fiel ein Tropfen im Windeswehen,
Seh' ich doch keine Wolke stehen,
[133]Und weiß nicht, was um mich klingt,
Was zu Thränen mich bezwingt
In so schönen Sommertagen.
Wie sie neidisch flüstern, lästern
Von geheimen Stadtgeschichten,
Von geheimen Liebespflichten,
Böse Muhmen, böse Schwestern.
Und ich sitze traumumfangen,
Weiß nicht wie die Zeit vergangen,
Was ist morgen, was ist heut' —
Ach, ich suche nur zerstreut
Ein verloren selig Gestern.
III.
Du bist so kalt wie Weihnachtseis,
Du thust so vornehm stolz, Gott weiß,
Was ich dir hab' zu Leid' gethan
Und was dich hat verdrossen;
Sieh meine heißen Thränen an,
Die sind um dich geflossen.
[134]Wie hast du nicht mit mir geschmält,
Wenn ich ein einzig mal gefehlt;
Wie war entwichen deine Ruh',
Wenn ich mit Andern gütig;
Heut' lachst du allen Mädchen zu,
Und läßt mich stehn unmuthig.
Thu' was du willst, nur mir vergib,
Ich will dir Alles thun zu Lieb';
Ich geb' mich ganz in deine Macht,
Magst tödten mich oder küssen —
Nur laß mich nicht mehr aus Verdacht
Noch länger schweigend büßen.
IV.
Am alten grauen Stadtthor
Wackeln die Steine;
Epheulaub und Moose grün,
Goldlack und Gräser blühn
Grad auf der Mitten —
Durchs alte liebe Stadtthor,
Lieb, wie ich's meine,
Kam er stolz geritten.
[135]Am alten lieben Stadtthor
Standen die Lauben
Und ein schattig Gärtchen d'rum;
Dort war es kühl und stumm,
Dort starb mein Frieden —
Durchs alte graue Stadtthor
Mit Treu und Glauben
Ist er geschieden.
Ums alte graue Stadtthor
Flogen die Schwalben;
Jetzt in der Octoberzeit
Fliegen sie hoch und weit,
Blieben nur die Spatzen —
Am alten grauen Stadtthor
Nur deinethalben
Pfeifen sie und schwatzen.
Durchs alte graue Stadtthor
Fahren die Bauern,
Traben Reiter mit Musik;
Ihn bringt kein Lied zurück,
[136]Kein Traumeswähnen —
Am alten grauen Stadtthor
Sitz' ich mit Trauern,
Sitz' ich in Thränen.
V.
Meine Blumen hab' ich begossen,
Sie hingen die Köpflein schwer;
Meine Augen sind übergeflossen,
Die sind nun roth so sehr.
Im Winkel steht der Wocken,
Die Spindel die ist leer;
Ach Gott, mir bleichen die Locken
Mit jedem Tage mehr.
Mein Vöglein hab ich gefüttert,
Das hüpfte hin und her;
Mein Herz, das ist erschüttert,
Mein Herz, das hüpft nicht mehr.
VI.
Es hat geregnet die ganze Nacht,
Noch glänzen die feuchten Ranken;
Ich habe sie weinend bang' verwacht
In trüben Nachtgedanken.
Ein leises Glöcklein ferne klang
Durch mitternächt'ge Weite;
Ich glaube, sie gaben mit Gesang
Einem Mägdlein das Geleite.
Nun blühen die rothen Rosen auf
Und die schlanken Nachtviolen;
Laß ich den Thränen auch den Lauf,
Singt's doch im Herzen verstohlen —
Und singt und jauchzt so wundersam,
Das Leid ist weggeschwommen,
Die Wolken fliehen, es flieht der Gram:
Er ist zurückgekommen!
Erloschene Kohlen
[138]Gehe, liebe Tochter, hole Kohlen
Von der alten Nachbarin am Platze.
Tief schon sank die Dämmrung, und die Schatten
Schleichen riesenlang im stillen Haus um,
Und mich schauert's. Hüte fein die Kohlen
Vor dem Luftzug; ist die Sonn' hinunter,
Macht sich auf der Abendwind vom Meere.
Hüt' dich selber auch: denn bald nun bist du
In den Jahren, wo ein Lippenhauch schon
Flammen aufjagt in der stillen Seele.
Hab' ich es doch selbst an mir erfahren,
Wie auf Erden Höll' und Himmel brennen!
Einstmals war ich jung und reich gesegnet,
Wie nur je ein Weib. Du bist die jüngste;
Meine Kinder alle nahm ein Gott mir,
Weil zu schön sie waren für die Erde,
Weil zu stolz ich selbst auf sie gewesen.
Ja, gesehen hab' ich bessre Tage,
Als ich noch aus Silber trank und Golde,
Als noch Seide deckte meine Hüften,
Schmelz und Blumen meine Locken schmückten.
Jene Zeit des Glanzes und der Reue
[139]Kommt in stiller Nacht mir oft im Traume,
Furchtbar ernst wie ein Medusenantlitz,
Himmlisch süß wie Maientagesanbruch;
Da ich wandelte in Jugendschönheit,
Die zum Fluch und Elend mir geworden.
Denn die Männer wissen, daß wir schwach sind,
Wenn wir einen in das Herz geschlossen.
Meine erste Liebe war ein Fremdling,
Ein Barbar, doch aus berühmtem Hause,
Der in meinem Mund die stolze Sprache
Romas also schön fand, sie zu lernen.
Und die Sprache ward zu Amor's Köcher;
Rasch aus tausend todten stumpfen Worten
Wurden so viel tausend Liebespfeile,
Daß er Glut gewann, obgleich er kalt war.
Denn er kam aus jenem blassen Lande
Jenseit unsrer mitternächt'gen Berge,
Wo die Nebel ziehn an wilden Strömen
Und der Sturmwind peitscht gezackte Wolken.
So wie Nebel war auch seine Seele;
Aber unstet, stürmisch war sein Werben,
Und er trieb es nach des Nordens Sitte,
Wo die Frauen Heiligen gleich geachtet,
[140]Weil sie kalt, unnahbar sich verschließen:
Daß auch ich erhabner mich gedünket,
Und vergaß, wie niedrig ich geboren,
Wenn ich mit ihm fuhr im reichen Wagen,
Wenn Gesang erklang vor meinem Fenster!
Gänzlich lebte er von meinen Blicken,
Und ein leises Wort war ihm Befehl schon.
Doch ich liebt' ihn wahrhaft, heiß und heftig,
Mit der Glut der Jugend hing ich an ihm,
Der mich selbst zu achten erst mich lehrte.
Kurze Zeit nur hab' ich ihn besessen,
Denn gar bald begann er tief zu grübeln,
Daß er nichts als glücklich nur gewesen
Und er schreckte feig vor meinen Lippen;
Zu gewaltig war ihm meine Liebe
Und zu schwach die Flügel seiner Seele,
Daß sie sich versengt an meinen Flammen.
Und so stieß er herzlos mich ins Elend,
Draus er mich zuvor emporgehoben. —
Gestern als ich ging nach Santa-Croce,
Um zu beichten, hört' ich eine Stimme,
Hohl und zitternd. Eisig überlief's mich:
Blaß und geisterhaft war er geworden,
Als ein armer Mönch seit langen Jahren
[141]Und ich bin gegangen ungebeichtet;
Denn er hätte mich nicht lösen können,
Er nur, er ist schuld an meinem Unglück!
Merke das und liebe nie die Schwärmer,
Die dich erst zur Göttin machen wollen
Und dann schnöd' verlassen, wenn sie sehen,
Daß du nichts bist als ein sterblich Wesen. —
Und der Zweite dann, ach, hätte Gott mir
Jene Zeit erspart und ihre Leiden!
Doch es ist Vorherbestimmung alles,
Nur der erste Schritt allein ist unser.
Jener Zweite war ein kühner Seemann,
Düster und tyrannisch war sein Wesen,
Jäh und heftig seine Mannesseele.
Zwar er konnte lachen, trinken, tanzen,
Und mit vollen Händen Gold verschwenden;
Doch verschlossen blieb mir sein Seele
Und ein Dämon haust' in ihren Tiefen,
Der mich oft aus seinen dunkeln Augen
Magisch hielt wie mit geheimem Zauber
Und mich schlug mit unsichtbaren Fesseln.
Salben bracht er mir und bunte Früchte,
Die gereift des Morgenlandes Sonne;
[142]Kleine Vögel, die nur paarweis leben,
Wo vordem das Paradies der Menschheit;
Teppiche, gewebt im Mohrenlande;
Seide, in Jerusalem gesponnen;
Goldne Schalen; Edelsteine blutroth,
Die ein türkischer Corsar getragen.
Denn sein Schiff, es flog von Sonnenaufgang
Zu des Abendmeeres fernsten Inseln,
Und er kam nur einmal in dem Jahre,
Wenn die Störche kommen aus Ägypten,
Und er blieb bei uns drei kurze Wochen.
Auf der Tiber lag sein schlankes Fahrzeug.
Und ich wohnte bei ihm. Schaukelnd wiegten,
Wie das Schiff die Wogen, meine Seele
Süße Träume einer goldnen Zukunft.
So ward mir die Zeit der Leiden Christi
Schon zum Maimond, eh noch es Mai war.
Doch er weigerte sich immer standhaft,
Mich auf seine Bahnen mitzunehmen,
Und er lachte stets zu meinen Schwüren,
Lachte zu dem Heiland und der Messe.
Ach, es lag um ihn ein schwarz Geheimniß,
Daß ich oft gezittert und geweinet
Und doch nicht die Bande lösen konnte!
[143]So geschah's, daß schon drei Jahr' verronnen,
Als er landend einst an der Ripetta
Brachte mir ein Papageienmännlein
Und es hing am Mast im goldnen Bauer.
Und er schenkt es mir als Liebeszeichen,
Unsers Lebens in der Zeit der Trennung;
Denn das Weibchen sei bei ihm zu Hause.
Doch der dritte Tag war nicht vergangen,
Als es klang wie Flügelschlag am Maste
Und das Weibchen kam aus fernem Lande,
Seinem Männchen war es nachgeflogen.
So beschämten uns die grünen Vögel,
Und sie sprachen, zankten, pfiffen, schrieen
Hundert süße Namen in dem Käfig:
Sei gegrüßt, Amirala! Zuleika!
Fatime! Zaire! Herz, was machst du?
Auf und tanzt und singt! Groß ist Allah! —
Sieh, da fiel's wie Binden von dem Aug' mir,
Daß er fern besaß noch viele Frauen,
Daß er war ein Moslim, und ich selber
Nur erkaufter Zierde gleich des Harem!
Da erhob sich Sturm in meiner Seele,
Wuth und Wahnsinn rast' in meinem Herzen,
Und ich stieß ins Herz die goldne Nadel
[144]Jenen Vögeln, die uns so beschämten.
Doch ihm selber warf ich in der Nachtzeit
Brand ins Fahrzeug, wo er schlief im Rausche;
Schauernd sah ich's, wie die Flammen flogen
Hastig, züngelnd, sprühend in dem Tauwerk
Und sich eitel spiegelten im Strome,
Daß zum hellen Tag die Nacht geworden,
Hell wie meine Seele, die mit Jubel
Ins Geprassel sah und ins Getümmel,
Bis ein langer Todesschrei erschollen —
Manchmal hör' ich heut' ihn noch im Traume
Gellen aus der Ferne hohl und schaurig!
Damals klang er süß; doch meine Perlen,
Meine Seibe, Schmuck und Federn warf ich
Zu den Todten nieder in die Wellen,
Und entfloh darauf in die Gebirge.
Dieses merk' und liebe nie die Fremden,
Die mit anderm Gott auch andre Liebe
Tragen neben dir im falschen Herzen;
Einige Liebe ruht in Einem Gotte!
Doch der Dritte! — Mag die Welt mir fluchen:
Ewig dank' ich's Gott, daß mir beschert ward
Aller Liebe süßeste auf Erden,
[145]Die noch heiter lächelt in mein Alter.
Jener Dritte war ein kühner Räuber,
Ihn nur einzig liebt' ich wie mein Leben,
Er nur einzig liebte als ein Mann mich,
Treu und stark in Freude und im Unglück.
Waren wir ja beide doch geächtet
Von den Glücklichen und von den Frommen,
Feind den Reichen, Feind den sichern Schelmen,
Die uns so in Noth und Schuld getrieben.
Also führten wir ein wildes Leben
In des Apennines grünen Schluchten
Und in Felsenhöhlen, an den Feuern,
Bald in bittrer Armuth, bald in Fülle,
Daß mit Castagnetten, Tamburinklang
Oft Gesang und Tanz scholl durch die Nächte.
Denn wir waren beide sehr gefürchtet,
Doch noch höher waren wir beneidet.
Damals war ich glücklich; meine Knaben
Lernten laufen an den Brombeersträuchern,
Herzten, küßten ihre ernste Mutter,
Daß ich glaubte, Gott sei mir barmherzig
Um der Kinder unschuldvolle Liebe.
Doch sie alle nahm er bald mir wieder,
Weil sie viel zu schön für Menschen waren,
[146]Weil zu stolz ich selbst auf sie gewesen.
Ach, von damals ist das Leid begonnen,
Und bis heute ist's mit uns gegangen!
In den Sümpfen war es bei Cisterna,
Wo Raubvögel stehn in hohen Lüften,
Wo Libellen tanzen an den Büschen,
Doch wo unsichtbar mit Todesgeiseln
Gift'ge Dünste ziehn wie Heergeschwader.
Damals war's, als wir im Kampf gefangen!
Schwer verwundet ward mein Herzgeliebter,
Doch die Ketten schmückten ihn wie Perlen.
Sieben Monde lagen wir im Kerker,
Doch nie sah' ich weinen seine Augen,
Die noch immer zärtlich auf mir ruhten —
Und als Held schritt aufrecht er zum Tode.
An demselben Tag, da er erschossen,
In derselben Nacht bist du geboren.
Viel zu früh ein Kind der Leiden warst du,
In den Kerker hab' ich dich getragen,
Doch in Freiheit warst du einst empfangen,
Und um dich nur ließ man mir das Leben.
Öde wär's und einsam mir geblieben,
Hätt' ich dich nicht, letztes Liebeskleinod
Meiner alten Tage, und Erinnrung,
[147]Daß ich einmal glücklich doch gewesen!
Also war's, was ich in Leid erfahren;
Darum hüte ganz dich vor der Liebe,
Liebe keinen! Wie wir's auch beginnen,
Leid und Thränen sind ihr Ende immer.
Geh' nun, liebe Tochter, hole Kohlen,
Völlig schon ist Nacht hereingesunken.
Doch du weinst und zitterst, und dein Auge
Flieht die Mutter? Gnädige Madonna,
Längst geschehn schon ist, was ich gefürchtet! —
Gott behüte deine arme Seele,
Selber will ich nach den Kohlen gehn.
Fiammetta
Kleines Mädchen, kleines Mädchen
Mit den tiefen dunkeln Augen,
Weißt du schon, wozu sie taugen
Und wie feucht die sanfte Pracht,
Wenn das Herz voll Scham und Sorgen,
Still verborgen,
An ein süßes Glück gedacht?
[148]Schelmisch Mädchen, schelmisch Mädchen
Mit den kleinen weißen Händen,
Kennst du schon die süßen Spenden,
Blick und Gruß und Druck der Hand?
Mit den Augen träumend schweifst du?
Spielend greifst du
In die Lüfte unverwandt ...
Süßes Mädchen, süßes Mädchen,
Immer laß dein Lied ertönen
In der Sommernacht, der schönen,
Die von Träumen zärtlich glüht
Pries doch mancher schon verwegen
Liebessegen,
Der ihm selbst noch nie geblüht.
Aber plötzlich, warum schweigst du,
Thränenthau ins Aug' ergossen?
Ist die Knospe schon erschlossen?
Wohl, sein Schwellen thut es kund:
Schon geküßt von Morgenstrahlen
Süßer Qualen,
Schon geküßt ward dieser Mund!
Verspätetes Glück
[149]O holde Zeit, die mein Glück erzog,
Noch einmal knospe, einmal blühe!
Als über uns dicht die Rose sich bog,
Eine einzelne weiße Taube flog
Über den Himmel in goldner Frühe!
Dann kamen die Tage der Traurigkeit —
O thörichter Kampf, o vergebliches Sehnen!
Auf der Brücke war's in der Märzenzeit,
Die Wasser schossen zu Thale weit;
Wir aber sahen hinab mit Thränen.
Nun versöhnt ich das Glück — doch nun bin ich allein;
Ja, wärst du wie ehmals, o wärst du mein eigen,
Ein Eden baut' ich in die Wüste hinein!
Vorüber —! Am Berge glüht Abendschein
Und herbstlich rauscht der Wind in den Zweigen.
I. Ein stilles Eiland in entlegnen Meeren
Sonette aus Helgoland
[150]Ein stilles Eiland in entlegnen Meeren,
Ein Hort der Einsamkeit, den Störer mieden,
Der liebste Traum der Herzen ist's, die Frieden
Und tiefste Abgeschiedenheit begehren.
Ein Schiff, hinsteuernd in die schicksalschweren,
Verhüllten Reiche der Okeaniden,
Das lockendste der Bilder ist's hienieden,
Für Herzen, die im Drang zur Ferne gähren.
Kein Zauber doch ist deinem gleich von allen,
Umflorter Sarg! Im Banne deiner Truhe
Vereint das Bleiben sich und Weiterwallen;
[151]Du bist das Wanderschiff durch wilde Brandung,
Du bist das stille Inselland der Ruhe,
Bist Rast und Reise, Fahrt zugleich und Landung.
II. Ein reizvoll Eiland, lieblichster Umschränkung
Sonette aus Helgoland
Ein reizvoll Eiland, lieblichster Umschränkung
Dünkt das Sonett mir in der Dichtung Meere,
Ein kunstreich Schiff, in dessen enger Fähre
Den Weltenreichthum führt maßvolle Lenkung;
Ein Sarg auch ist's, deß tiefere Versenkung
Zur Ganzheit ein geschlossnes Sein verkläre;
Der Bau der Breter selbst und Bretchen kehre
In das Sonett als sinn'ge Reimverschränkung.
Im Maß die Macht, Gewähren im Entbehren,
Das ist sein Zauber, das ist auch der deine,
Du rother Fels, selbst ein Sonett von Steine.
So will dein eigner Spiegel dich verklären,
Dein Abbild wird zum Kranze deiner Ehren,
Dir blühend aus dem eignen Widerscheine.
III. Wer dieses Eilands Herr? Kein Mal gibt Kunde
Sonette aus Helgoland
[152]Wer dieses Eilands Herr? Kein Mal gibt Kunde,
Kein Pfahl in Landesfarben ist zu schauen,
Kein Schilderhaus, kein Wappen steingehauen,
Kein Mörser, der es spräch' aus ehrnem Schlunde.
Nur Sonntags, mit dem Glockenklang im Bunde,
Aufsteigt die stolze Britenflagg' im Blauen:
Hier bin ich, mahnt sie landwärts deutsche Gauen;
Doch Schmerz und Scham nur grüßt aus deutschem Munde.
Mir soll's die kurze Sonntagslust nicht kränken,
Zu freun mich solcher Macht und Kraft und Ehre,
Auch fremden Volks, als ob's das eigne wäre!
Der Abend wird die Flagge wieder senken;
Dann gibt's sechs Tage, schmerzlich zu bedenken:
Warum's so kam? Und wie's zum Besten kehre?
IV. O stillen Fleißes rührend schöner Reigen
Sonette aus Helgoland
[153]O stillen Fleißes rührend schöner Reigen,
Wenn zarte Frauen hier mit schweren Lasten
Hinan, hinab die Inseltreppe hasten,
Wie ab und auf am Bronn die Eimer steigen!
Der Hochsinn ging in Dienstbarkeit sich neigen,
Thatkraft und Schwäche sich so hold umfaßten,
Herkulisch Tagwerk übend ohne Rasten
Und magdlich fromm es bergend tief in Schweigen.
Sinnvoll, ihr Frauen, sprecht ihr's aus im Kleide:
Des Hauptes schwarze Hülle sagt von Leide,
Das euch in Dunkelheit die Tage spinnen;
Doch fürstlich schwebt der Fuß hinan die Treppe
Im schönverbrämten Roth der Purpurschleppe:
Demüth'ge Mägde, hohe Königinnen!
V. Der Geiger fiedle und der Pfeifer blase
Sonette aus Helgoland
Der Geiger fiedle und der Pfeifer blase,
Zum Hochlandsreih'n euch Mägdlein aufzufrischen,
Daß die Gestalten sich, hinschwebend, mischen
Wie Gold- und Silberfischlein in dem Glase!
[154]Gleicht ihr nicht selbst den Fischlein in der Vase?
So was vom Nixenhaften, Meeresfrischen,
Ein Zug der Sippe läßt sich nicht verwischen:
Die Meerfei, traun, ist eure holde Base.
Mir sei's kein Wunder, wenn die Budenwände
Mit Einem Schlag als blanke Wogen steigen!
Die Spielleut' stört es nicht und nicht den Reigen:
Auf Muscheln blasen sie das Stück zu Ende,
Ihr tanzt zu End' im Meerschloß von Krystallen,
Und geht dann ruhn zum Lusthain der Korallen.
VI. Nur auf dem Meer die Regenschauer lasten
Sonette aus Helgoland
Nur auf dem Meer die Regenschauer lasten,
Was sucht ein Lootsenaug' im Dunstgebraue?
„Nothflaggen, die mich rufen, morsche Taue,
Verlorne Anker und bedrohte Masten!“
Wie kann dein altes Aug' durch Nebel tasten,
Wo sich mein jüngres senkt am wirren Graue?
„Das kommt, weil ich in See mein Lebtag schaue
Und Eures auf Papier nur pflegt zu rasten.“
[155]Ein Meer ist auch das weiße Blatt nicht minder,
Hat reiche Frachten, kühne Weltenfinder,
Manch treuen Lootsen, der zur Ferne schaue,
Hat Wolken auch, die um die Sterne lasten;
Mein Auge sieht, wie deins, gefällte Masten,
Zerbrochne Anker und zerrissne Taue.
VII. Im Pred'gergarten prunkt ein grün Geschmeide
Sonette aus Helgoland
Im Pred'gergarten prunkt ein grün Geschmeide,
Der Maulbeerbaum mit so laubvoller Krone,
Wie keiner seiner Art in Südens Zone;
Der Nord erließ ihm den Tribut von Seide.
Hier praßt der Flüchtling dem Geschick zum Hohne,
Kein Seidenwurm wählt seinen Schmuck zur Weide,
Kein Messer droht, das Laub und Ast verschneide —
Im Reich der Bäume doch ist er die Drohne.
Dem Baum im Süd riß man den Kranz vom Haupte,
Doch reicher, stolzer ragt mir der Entlaubte,
Ob sein Gezweig auch kahl zum Himmel starre;
[156]Er schattet fort im Baldachin der Throne,
Er wipfelt noch im Flug der Luftballone,
Er rauscht im Band der tönenden Guitarre.
VIII. Zugvögel sanglos diese Lüfte theilen
Sonette aus Helgoland
Zugvögel sanglos diese Lüfte theilen,
Kein Sprosser flötet's hier durch laub'ge Äste,
Kein Hänfling zwitschert's hier aus sicherm Neste
Das fromme Siedlerlied: „Da ist gut weilen!“
Wir ziehen! tönt's im Chor der flücht'gen Gäste;
Die Wellen rauschen's, die den Strand zerfeilen;
Die Wolken dröhnen rollend hin: wir eilen!
Wir fliehen! braust's im Ostenwind und Weste.
Leis in den Nebeln säuselt's: wir zerrinnen!
Zerrissne Segel flattern dort: wir wallen!
Die Möve kreischt im hast'gen Flug: von hinnen!
Zerbröckelnd springt der Stein vom Rand: wir wandern!
Vom alten Felsen klingt es: wir zerfallen!
Er singt es wol sich selber und uns andern.
IX. Vom Felsen rieseln rothe Steinchen leise
Sonette aus Helgoland
[157]Vom Felsen rieseln rothe Steinchen leise,
Als rinne Blut vom Eiland in die Fluten;
Es stirbt langsamen Tod, wie jener Weise;
Im Bad aus offnen Adern zu verbluten.
Doch grausam träg ist der Zerstörung Reise,
Kein rascher Untergang in Sturm und Gluten!
Ein Sturz, der einst kein Wellchen regt im Kreise, —
Wie herbes Menschenloos will mich's gemuthen:
Wenn langsam niederrieselt ins Vergessen
Das Dauernste, was unser Herz besessen,
Wenn unser Bestes Stück um Stück verwittert!
Wir müssen erst die bittre Quelle trinken
Der herben Flut, eh' wir in sie versinken, —
Wir sinken ein, und keine Welle zittert.
X. Die Insel birgt das Haupt in Dämmernissen
Sonette aus Helgoland
Die Insel birgt das Haupt in Dämmernissen, —
Der Sterbeschleier ist's der Todgeweihten,
[158]Den um ihr Antlitz Nebelflöre breiten;
Das Opfer will im Opferkleid sich wissen.
Drum mag den Sonnengott sie gerne missen,
Er lächelt ihr kaum im Vorüberschreiten,
Wenn Ost, der Wolkenspalter, ihr zu Zeiten
Vom Haupt den Schleier frevelnd weggerissen.
Die milde Nacht doch kommt, ihn nun zu spinnen,
Sie wirft ihr flatternd Mondlicht auf die Welle
In blankem Streif als weißes Todtenlinnen,
Verhängt mit schwarzem Tuch des Himmels Zinnen,
Und zündet Stern an Stern zur Lichterhelle
Als Trauerkerzen einer Sterbkapelle.
Im Spiegel
[159]Die Liebesrede war gemach verklungen,
Wir ruhten Herz an Herz an trauter Stelle:
Und schweigend aus des Selbstvergessens Quelle
Trank ich, in Träume selig eingesungen.
Da fiel, zufällig halb und halb gezwungen,
Mein Blick auf eines Spiegels Silberwelle:
Und drin erblickt ich in krystallner Helle
Mich selbst in ihr, umschlingend und umschlungen.
An mich geschmiegt sah ich die Blütenflocken
Des Busens, sah der Augen lichte Sonnen,
Und niederwogend ihre schwarzen Locken:
[160]Da stand ich, ein Narciß, am Zauberbronnen
Der Schönheit, und bestaunte, süß erschrocken,
Das sel'ge Wunder meiner Liebeswonnen.
Lass die Rose schlummern!
Laß die Rose schlummern,
Und die Wellen auch,
Alle laß sie schlummern,
Nächt'ger Windeshauch!
Alle ruhn sie gerne
Unter'm Himmelsdom:
Herzen nah und ferne,
Blume, Wald und Sterne!
Störe nicht des holden
Traumes Wanderzug,
Der die Schwinge golden
Regt zum Niederflug;
Dessen Schlummerweise
Durch die Welten zieht,
Wundersam und leise,
Wie ein Sternenlied!
[161]Ineinanderbeben
Läßt sein Flügelschlag
Alles Einzelleben,
Das getrennt der Tag!
Drum zu früh nicht störe,
Die so bald entfliehn,
Dieser Schlummerchöre
Süße Melodien!
Ben-Ali
[162]Ben-Ali zog mit seiner Schar rasch vor Orejas festes Schloß,
Das Don Alfons belagert hielt, der Christ mit starkem Heerestroß.
Und wie er anrückt zum Entsatz, ruft ihm der Christenkönig zu:
„Ben-Ali, Scheikh, ein wahrer Held läßt einen Troß, wie der, in Ruh'!
Du müh' dich um ein Schlößlein nicht, und nicht um einen solchen Schwarm;
Nein, für Toledo spare auf, das ich besetzt, den Heldenarm!“
[163]Der findet wahr das Wort und eilt hin vor die waffenreiche Stadt,
Wo Bavengetta, Alfons' Weib, seit Wochen Hof und Haushalt hat.
Und horch, vom Wall ruft sie ihm zu: „Nicht gegen Weiber kämpft ein Held,
Du ziehe vor Oreja! Dort mit Männern steht mein Mann im Feld.“
Ben-Ali findet wahr das Wort, und um zu zeigen vor der Frau,
Daß er als Mohr die Frauen ehrt, hält er zum Preis ihr eine Schan.
Er läßt sein Heer an ihrem Hof vorbeiziehn stolz, in Waffenglanz!
Die Königin sieht lächelnd zu, und schickt als Preis ihm einen Kranz.
Auf raschen Wegen eilt er dann, und wie er vor Oreja kam,
Hat es der König schon besetzt; heim zieht Ben-Ali voll von Scham.
[164]Und in Cordova beuget er vor dem Khalifen das Genick:
„Nimm diesen Kopf als Buße hin für Misgeschick und Ungeschick!“
Doch der Khalife hebt ihn auf mit lächelnd mildem Angesicht:
„Zwei Feinde haben dich besiegt, und gegen die sandt' ich dich nicht.
Zu siegen über reinen Sinn, wär' es an Einem schon genug:
Der eine Feind heißt Christenlist, den andern nennt man Weibertrug.“
In das Album einer edeln Frau
[165]In deiner Seele unbeflecktem Adel,
In ihrer Unschuld wurzeln deine Schwächen,
Und was die Meisten vor gemeinem Tadel
Bewahrt, das ist ihr innerstes Gebrechen.
Es könnte Einer dir das Leben rauben,
Und wäre dir schon halb dein Blut entquollen,
So würdest du ihm noch im Sterben glauben,
Er hätt' dir blos die Adern öffnen wollen.
Will die Natur die Schönheit rein entfalten,
So darf sie nichts von ihrem Feind ihr sagen;
Sie kann nur dann das Herrlichste gestalten,
Doch muß sie seinen Untergang auch wagen.
[166]Oft wünscht' ich dir zu deinem vollen Frieden,
Du möchtest in der Brust des Feindes lesen;
Doch weiß ich wohl, es wird dir nicht beschieden:
Denn diesen Mangel trägt dein ganzes Wesen.
Therese
[167]I.
Die Nacht ist schwül, am Himmel wallen
Die Wolken grau und wetterschwer,
Ein lauer Regen ist gefallen,
Die Gassen liegen still und leer.
Nur manchmal flattert um die Mauern
Des Doms ein blasser Wetterschein;
Ich geh' daher mit süßen Schauern,
Denn sehnend harrt die Liebste mein!
Da schreckte schmerzlich leises Weinen
Aus sel'gen Träumen mich empor,
Und kauern auf den feuchten Steinen
Schaut' ich ein Weib am Kirchenthor:
[168]Ihr Haupt sinkt müd' zum Busen nieder,
Ein Knäblein ruht auf ihrem Arm,
Kaum deckt die jungen zarten Glieder
Ein leichtes Tuch — daß Gott erbarm'!
Und wie vom Himmel mir als Leuchte
Ein Blitzstrahl jäh herniederfuhr,
Wies mir das blasse, thränenfeuchte
Gesicht verwelkter Schönheit Spur!
Die gramdurchfurchten Züge klagen
Die alte Märe mir aufs neu':
Von schönen Mai- und Junitagen,
Von kurzem Rausch und langer Reu'!
Nie wird der Mund mehr lächeln wollen,
Des Auges Feuer ist verloht;
Dies Herz kann fürder nichts als grollen
Und nichts sich wünschen als den Tod ...
Ich wende hastig mich — denn nimmer
Zur Liebsten heute kann ich gehn,
In ihren Armen würd' ich immer
Das blasse Weib vor Augen sehn!
II.
Noch nichts von winterlicher Trauer!
Noch einmal warmen Sonnenschein
Und düfteschwangre Ahnungsschaner,
Noch einmal laßt es Frühling sein!
Die schwergebeugten Wipfel warten
Der Hand noch, die die Früchte bricht;
Die Sonnenblume kehrt im Garten
Das Antlitz sehnend noch zum Licht!
Noch helle hör' ich den gewohnten
Gesang der Vögel im Geheg',
Und Schatten gaukeln wie vor Monden
Auf dem verlassnen Waldesweg!
Und geh' ich Nachts im Sternenscheine
An deinem Hause still vorbei,
Regt sich die Sehnsucht, und ich meine,
Daß es noch immer Frühling sei!
Es war die Zeit der Rosen
[170]Es war die Zeit der Rosen,
Da du um mich gefreit;
Ein lindes Duften und Kosen
Ging über die Erde weit.
Wie da die Rosen glühten,
So roth, so heiß wie Blut,
Wie ihre Kelche sprühten
Unnennbar süße Glut!
Da hab' ich tief empfunden,
Wie Lenz und Liebe beglückt;
Ich habe uns Kränze gewunden
Von Rosen, die du mir gepflückt.
[171]Ich küßt' sie in süßem Erbeben,
Die Nachtigall schlug im Hag:
„Nimm hin, o Freund, mein Leben“ —
Nun komme, was kommen mag!
Nie werd' ich es vergessen,
Wie dein Aug' von Thränen naß;
Der Sommer schwand indessen,
Die Rosen sind welk und blaß.
Sie mußten beide vergehen,
Das Glück und die Rosenzeit,
Ich habe dich scheiden sehen —
Und nun bist du so weit!
Horch, Winterstürme tosen,
Die Sonne ist längst erblaßt —
Es war die Zeit der Rosen,
Wir brachen sie in Hast!
Meine Boten
[172]Gruß' ihn, o Morgenröthe,
Mit deinem ersten Strahl!
Leucht', Sonne, seinem Pfade
Und grüß' ihn tausend mal!
Ihr Blümlein hold und duftig,
Verborgen im tiefen Thal,
Sprecht ihm von meiner Liebe,
Und grüßt ihn tausend mal!
Am dunkeln Abendhimmel,
Ihr Sternlein ohne Zahl,
Mit euerm süßen Blinken
Grüßt ihn viel tausend mal!
In einsam stiller Kammer,
Im dichtgedrängten Saal
Sucht ihn nur mein Gedanke
Und grüßt ihn tausend mal!
[173]Ich kann ihm ja nicht zürnen,
Denn süß ist selbst die Qual —
Ihr meine Lieder alle,
O grüßt ihn tausend mal!
Der Liebe Heil
[174]Das ist die allergrößte Pein,
Wenn so dein Herz erkrankt,
Daß ihm mit sich allein zu sein
Im tiefsten Grunde bangt.
Umsonst, daß du mit wilder Hast
Hinjagst in alle Welt —
Die Stunde kommt, die dich zur Rast
Dir gegenüberstellt.
Die Stunde kommt, da sich dein Blick
Vor'm eignen Bilde scheut,
Und selbstgerufnes Misgeschick
Mit neuem Jammer dräut.
[175]Da ist nur eins, das retten kann:
Wenn du dich gläubig gibst,
Und, ganz ein hingegebner Mann,
Von ganzer Seele liebst.
Dann mögen dich Gedanken wirr
Umziehn — was liegt daran?
Nachtfalter sind's, die scheu und irr
Sich einer Flamme nahn.
Und Liebe ist das heil'ge Licht,
Da flattern sie hinein —
Es zittert wol, doch stirbt es nicht,
Und leuchtet wieder rein.
An die Nacht
Tiefe feierliche Nacht,
Süßen Zaubers voll,
Lege deinen Schleier sacht
Über meinen Groll.
[176]Was der Tag auf mich gebracht,
Was er mich gekränkt,
All' in deinen Wunderschacht
Sei es eingesenkt!
Hat die Sonne grell und mild
Aufgeschreckt mein Leid,
Sei dein Mond ein Gnadenbild,
Der es leuchtend weiht!
Sie, die meine Wonne war,
Meines Lebens Glück,
Deine Boten, wunderbar,
Bringen sie zurück.
Träume, eure Märchenwelt,
Zauberreich gebaut,
Hat mich wieder zugesellt
Der verlornen Braut;
Sternentanz und Mondenglanz
Haben mich verwirrt,
Daß mein Herz in Liebe ganz
Neuversöhnet irrt;
[177]Daß ich wieder mich gesund
Trink' im warmen Thau,
Den ich schlürfe von dem Mund
Jener holden Frau:
So wie damals, da uns sacht
Dein Gewand umquoll,
Tiefe, feierliche Nacht,
Süßen Zaubers voll.
Otto von Botenlauben
[178]Der hoch als Sänger ward geehrt,
Er trug zum Osten auch sein Schwert
Im Kampf mit grimmen Heiden.
Dort kämpfte er in mancher Schlacht;
Von Liebeslust und Leiden
Sang er dann auf der Wacht.
Einst in der Heimat klang sein Lied
Aus fromm andächtigem Gemüth,
Jetzt aber gilt's der Minne;
Die hat ihm ganz das Herz bewegt,
Seitdem im tiefsten Sinne
Ein Königskind er hegt!
[179]Sie war ihm der Karfunkelstein,
Versenket in den tiefen Rhein,
Der Stern in einer Krone;
Ausströmend wunderbare Glut,
Wie auf des Kaisers Throne
Das Licht der Gnade ruht.
Er selber war die Nachtigall,
Die vor dem zarten Liederschall
Aushaucht das junge Leben;
Durft' sie nur preisen sein Gesang,
Wollt' er die Seele geben
Gern mit dem letzten Klang.
Bald lohnte ihm der Süßen Hand,
Da zog er heim ins Vaterland,
Nicht länger konnt' er's meiden;
Einen Zauberschleier, zart und weich,
Gab ihr zuletzt beim Scheiden
Die Mutter kummerbleich.
„Bewahr' ihn wie dein Augenlicht,
Daß nie dein Glück wie Glas zerbricht,
[180]Die Beute kurzer Stunden;
Viel Wonne und viel heißer Schmerz
Ward einst darein gebunden,
Drum hüt' ihn wohl, o Herz!“
Den Schleier hat sie treu bewahrt;
Sie kamen wohl nach guter Fahrt
Zu Frankens grünen Auen.
Vom Thurm des Schlosses, fest und gut,
Sollt' die Geliebte schauen,
Wie reich sein Hab' und Gut.
Da faßt ihr Haupt ein Frühlingswind,
Der Schleier ist gelöst geschwind,
Er flattert in die Weiten;
Fern sieht man über'm grünen Wald
Die leichte Hülle gleiten,
Indeß ihr Klagen schallt.
Herr Otto fleht mit Herz und Mund:
„Gib, Himmel, deine Gade kund,
Laß mich den Schleier finden;
Ein Kloster, dir zum Dank erhöht,
[181]Will an dem Fleck ich gründen,
Wo ihn mein Blick erspäht.“
Drauf sprengt er in den nahen Tann,
Auf unwegsamer Felsenbahn,
Wo laut die Wasser brausen.
Tief bis ins finstre Waldrevier,
Wo in dem Dickicht hausen
Der Wolf und wilde Stier.
Sieh da, auf saftig frischer Au'
Hebt sich, benetzt vom Morgenthau,
Ein Busch von wilden Rosen;
Dran wiegt der Schleier sich im Wind,
Gleich Schmetterlingen kosen
Die rothen Knospen ihm gelind.
Voll Jubel tönt des Grafen Horn,
Er treibt das Roß durch Busch und Dorn,
Das Kleinod heimzubringen;
Auch hört man bald aus Waldesnacht
Des Klosters Glocken klingen,
Das er gar reich bedacht.
[182]Er sang noch manche Minneweis',
Manch' Lied zu Gottes Ehr' und Preis,
Bis er sein Haupt geneiget;
In Frauenrode auch sein Bild
Noch diese Stunde zeiget,
Wie er so fromm und mild.
Mein Apfelbaum
[183]O daß dich Gott behüte!
Im Paradiese kaum
Ein Baum wol schöner blühte
Als du, mein Apfelbaum!
Ich muß den Meister loben,
Der dich so schön gemacht,
Zum Sträußchen dich gewoben
Aus Duft und Farbenpracht.
Du wunderbares Sträußchen!
Könnt' ich ein Bienchen sein,
Dann wählt ich dich zum Häuschen
Und kehrte bei dir ein.
[184]Wie lustig wollt' ich schweben
Um dich im Sonnenschein,
Wie schön und herrlich leben
Von deinem Blütenwein!
O daß dich Gott behüte!
Im Paradiese kaum
Ein Baum wol schöner blühte
Als du, mein Apfelbaum!
Schmetterlings Sterbelied
„Leb' wohl, mein Vater Sonnenschein!
Du meine Mutter Blütenduft!
Ihr Schwestern all' und Brüderlein
Im süßen Hauch der Himmelsluft!
Ich schwebte gern mit euch umher
In Wald und Wiese, Au' und Feld;
Nie war mein Herz von Sorgen schwer,
Und gern verlass' ich diese Welt.“
[185]So sang der müde Schmetterling,
So sang er sich sein Sterbelied;
Kaum als er an zu leben fing,
War hin sein Leben und er schied.
Wallfahrtslied
Nur ein Wandern ist das Leben,
Und wir wandern auf und ab,
Wünschen, hoffen, sehnen, streben,
Und das Ziel ist nur ein Grab,
Nur ein Grab für dich, mein Herz,
Deine Lust und deinen Schmerz.
Vieles Schöne, das wir hatten,
Sel'ger Stunden stilles Glück
Ging dahin wie Traum und Schatten,
Und wir blieben arm zurück.
Und so schwindet allgemach
Alles hin und wir ihm nach.
[186]Mag denn Alles sein geschieden,
Öd' und einsam unser Pfad,
Wenn uns Eins nur bleibt hienieden:
Das Bewußtsein edler That!
Dann, o Tod, mag's morgen sein,
Ruhig, ruhig harr' ich dein.
Maid von Juda, dein mit Wehe
[187]Maid von Juda, dein mit Wehe
Muß ich denken spät und früh,
Seit dein Auge mich getroffen
Wie ein Blitz vom Sinai.
Denn dies Auge, wie es wettert,
Hat auch einen milden Strahl,
Und auf seinem Grunde blühen
Süße Märchen sonder Zahl.
Märchen aus dem Morgenlande,
Würzig wie der Myrrhe Laub,
Farbenbunt wie Falterschwingen,
Zart wie Lilienblütenstaub.
[188]Lämmer weiden auf den Triften,
Lieblich schallt des Hirten Rohr,
Aus den Hütten an den Bergen
Wallt der blaue Rauch empor.
Tauben girren in den Klüften,
Quellen rauschen von den Höh'n,
In den Palmenwipfeln flüstert's
Leis' wie Engelflügel wehn.
Fromme Sänge, Harfenklänge
Ziehen durch die stille Nacht;
Über dunkeln Cederwäldern
Steht der Mond in lichter Pracht.
Langsam durch die stille Wüste
Wallt ein Karavanenzug,
Schleier flattern, Spangen blitzen,
Drüber rauscht des Geiers Flug.
Maid von Juda, dein mit Wehe
Muß ich denken spät und früh,
Seit dein Auge mich getroffen
Wie ein Blitz vom Sinai.
Du bist wie eine wilde Rose
[189]Du bist wie eine wilde Rose,
So düftevoll, so dornenreich;
Ob ich dir zürne, mit dir kose,
Du bist wie eine wilde Rose,
Mein Leid und meine Lust zugleich.
Ich fliehe dich zu dieser Stunde,
Und kann doch ohne dich nicht sein;
Ich grolle dir und unserm Bunde,
Ich fliehe dich zu dieser Stunde,
Und alles Grollen ist nur Schein.
O Liebchen, laß uns Frieden schließen,
Das Leben ist voll Kampf und Streit
Und macht genug der Thränen fließen;
O Liebchen, laß uns Frieden schließen,
Es liebt sich wol nicht ohne Leid.
Ich lieg' im Grase hingestreckt
[190]Ich lieg' im Grase hingestreckt,
Umwogt von grünen Halmen,
Die Lerche jauchzt zum Himmel auf
Die hellen Morgenpsalmen.
O Lerche, nimm mein leidvoll Herz
Auf deine leichten Flügel,
Und trag' es hoch, und trag' es weit,
Wol über Thal und Hügel.
Und halt' es hin dem Sonnenstrahl,
Und halt' es hin den Lüften,
Daß seine Rosen wiederum
Dir welken, blühn und düften.
Lehr' mich ein Lied, deß Klang durchdringt
Die Wälder und die Haine,
Ein Lied so fromm, ein Lied so frisch,
So fröhlich wie das deine.
Nur nicht im Lenz
[191]Wenn da über Berg und Thal
Sich des Winters Hüllen breiten,
Möget ihr auch mir einmal
Meine Ruhestatt bereiten.
Tod, o nur im Lenze nicht
Wolle mich von hinnen nehmen,
Aus dem warmen Sonnenlicht
In die kalte Nacht der Schemen.
Wenn da rings in Flur und Hain
Alle Kräfte neu sich regen,
Ach, wie muß es traurig sein,
Zu den Todten sich zu legen!
Nachtfeier
In ernster Feier zieht die Nacht herauf,
Der Tag verstummt und senket seine Fahnen,
Es pflanzt der Mond sein Silberbanner auf,
Und lautlos ziehn die Sterne ihre Bahnen.
[192]In Haß und Zwietracht ist die Welt getheilt,
Durch alle Lande tobt der Lärm der Schlachten,
Und eh' der Frieden soviel Wunden heilt,
Wird manch ein Auge noch der Tod umnachten.
Und dennoch schimmert eben diese Welt,
Wenn du sie schauest aus der Ätherferne,
So friedevoll, wie dort am Himmelszelt
Der blasse Mond und all' die trüben Sterne.
Mich dürstet
„Mich dürstet!“ rief am Kreuz der Gottessohn,
Und ein Gemisch von Gall' und Essig reichten
Mitleidig sie ihm dar, daß es die Qual,
Die gräßliche, des Sterbenden betäube.
„Mich dürstet!“ also tönt der Jammerruf
Der Menschheit seit Jahrtausenden bereits,
Und haben sie denn Andres ihr geboten
Als einen Trank, der wol den Sinn umhüllen,
Doch nimmer ihr den heißen Durst kann stillen?
Abschied
[193]Wenn du, um größres Weh' zu meiden,
Von dem, was du geliebt, mußt scheiden —
Geh' nicht in Groll, geh' nicht in Zorn!
Die Zeit wird mildern deine Schmerzen;
Doch gehst du mit verhülltem Herzen,
Bleibt in der Wunde dir der Dorn.
Du wirst ihn immerdar empfinden,
Manch größres Leiden wird verschwinden,
Indeß das kleine dir verblieb.
Es wird vergiften dir das Leben,
Daß du gezürnt und nicht vergeben;
Drum — eh' du scheidest, o vergib!
Trost im Leiden
[194]Hast du ein bittres Leid erfahren,
Denk' nicht, es sei mit dir nun aus;
Es wächst gewiß in wenig Jahren
Dir manch ein goldner Trost daraus.
Der wird dir stets zur Seite gehen,
Dich trösten, wenn du Trübes sinnst;
So mag es denn wol auch geschehen,
Daß du das Leid noch lieb gewinnst.
Herbsttage
Verkühlet ist des Sommers Brand,
Die Rose starb im Hage;
Nun ziehen durch das weite Land
Des Herbstes stille Tage.
Gelagert ist ein blauer Duft
Auf Bergen und in Thalen;
Mild webet durch die blaue Luft
Die Sonne ihre Strahlen.
[195]Golbdfarben schimmert das Gebüsch,
Nachdenklich stehn die Weiden;
Es will der Wald sich träumerisch
Zum Schlafengehn entkleiden.
O welch ein Frieden! Welche Ruh'!
Welch stillverklärtes Schweigen!
So, Herz, mein Herz, entschlummr' auch du,
Wenn sich dein Tag will neigen.
Der Frau Mutter Lehren
[196]Und als ich mein lustig Bündel geschnürt,
Da war die Frau Mutter sehr gerührt,
Sie gab mir viel gute Lehren,
Wie in der Welt zu verkehren.
Sie sprach: „Kommst du zu Herbergsthür,
Und tritt ein schmuckes Mägdlein herfür,
Dich höflich zu empfangen,
Du greifst ihr wol in die Wangen?“
„Ja wol, Frau Mutter!“ — „Du schnöder Gesell!
In Positur wirfst du dich schnell
[197]Und ziehst das Hütlein, das graue:
Grüß Gott, du zarte Jungfraue!
Und trittst zur Stube du hinein,
Da werden viel Hirschgeweihe sein,
Du hängst wol ohn' Umstände
Dein nasses Zeug an die Wände?“
„Ganz recht, Frau Mutter!“ — „Das läßt du fein!
Da bittest du höflich das Jüngferlein,
Die Kleider dir zu reinigen,
Doch möge sie sich nicht peinigen.
Und kommt es nun zur Schlafenszeit,
Und die schöne Jungfer gibt dir Geleit,
Und geht voran mit dem Lichte,
Daß sie das Bette dir richte:
Da greifst du sie lustig unter den Arm,
Und küssest wacker und küssest sie warm,
Und stiftest zum Vermächtniß
Ihr wol gar ein lebend Gedächtniß?“
[198]„Mit großem Vergnügen!“ — „Unnützer Wicht!
Da nimmst du höflich das Kerzenlicht,
Und leuchtest ihr beim Spreiten,
Und gehst sie artig geleiten,
Und sprichst: Schön Dank, fein Jüngferlein!
Wünscht ruhsame Nacht zum Herrn Vater mein!
Dann lösche dein Licht und bete,
Daß dich kein Unfall betrete!“ —
Ach, wenn das die gute Frau Mutter wüßt',
Wie oft ich des Lammwirths Lenchen geküßt!
Ich war keinen Tag gegangen,
Da hat mich das Ding gefangen;
Da kniff ich ihr schon in der Wange Roth,
Und küßte den Mund, den so gern sie bot —
Gibt's wol im Hause ein Plätzchen,
Wo nicht geküßt ich mein Schätzchen?
Im Keller allein da thut's nicht gut,
Dieweil das Lenchen, das wilde Blut,
Vergessen vor lauter Lachen
Den Hahnen zuzumachen.
[199]Und wenn dich das Alter belehren will,
So horch andächtig und schweige still,
Hernach treib's nach Belieben —
So ward es und wird es getrieben.
Wilhelm von Humboldt's Landhaus am Tegelsee
[200]Es glänzt ein heitres stilles Haus
Aus stillen grünen Kronen;
Auf seinen Warten ruhen aus
Die Winde aller Zonen.
Auf ihrem Hauch ein edler Klang
Hat sich hinausgeschwungen,
Von Meer zu Meer grüßt ihn Gesang,
Gesang in allen Zungen.
Im Hause sind Gemach und Saal
Gefüllt von Glanzgestalten,
Die in vergangner Tage Strahl
Die stumme Wache halten.
[201]Die Marmorlippen scheinen sich
Just aufzuthun wie Blüten,
Erhobne Hände feierlich
Ein heilig Gut zu hüten.
Laß hinter dir, was trüb' und wild,
Der du dies Haus betreten;
Denn zu der Hoffnung reinem Bild
Darfst du gefaßt hier beten!
Trittst du hinaus, den Föhrensaum
Sieh ernst den See umgeben!
In seinen Wipfeln rauscht der Traum
Vom ferneblauen Leben.
Und auf dem Walde wandeln sacht
Die weißen Wolkenfrauen,
Die in der Flut krystallner Nacht
Ihr klares Bild beschauen.
In leiserm Blau die Sonne schweift,
Ihr eigner Schein ist blasser,
Von feuchter Reiherschwinge träuft
Er perlenbleich ins Wasser.
[202]Fühlst nach der Heimat du das Weh,
O Fremdling, dich durchschauern:
Land' an dem nord'schen Geistersee,
Hier ist es schön zu trauern!
Erfüllung
[203]Nun hab' ich alle Gunst errungen,
Die für mein Leben ich erfleht:
Du ruhst von meinem Arm umschlungen,
Von meiner Liebe Hauch durchweht;
Es kommt ein seliges Ermatten,
Ein göttlich Ruhen über mich —
So stillet mit des Abends Schatten
Des Meers gewalt'ge Brandung sich!
Was ich ersehnt, gab diese Stunde,
Die Hoffnung schweigt, sie ist erfüllt;
Auf meiner Seele stillem Grunde
Ruht ewig mir dein süßes Bild.
[204]Leis' naht der Schlaf in lichten Kreisen,
Umwandelt meine Stirn der Traum;
O tönt, tönt fort, ihr holden Weisen,
Entrückt der Zeit mich und dem Raum!
Mir ist als läg' in kühler Grotte
Ich auf des Meeres stillem Grund,
Als weiht' die Meerfrau mich zum Gotte
Durch ihren Kuß auf Wang' und Mund,
Als gösse ew'ge Jugend glühend
Durch meine Götteradern sich,
Du aber, Göttin, senktest blühend
In Liebesglut dich über mich!
Sieh, feurige Korallen ranken
An weißen Säulen sich empor;
So ringen roth sich Glutgedanken
Um dich aus meiner Brust hervor!
Und doch, der Glut gesellt sich Frieden,
Dein Wort bringt Milde, bringt mir Ruh' —
So haucht der Abendwind den müden
Lenzblüten leise Kühlung zu.
[205]O könnt' ich diese Stunden halten!
Umsonst, sie fliehn, der Traum verschwebt,
Ob mit der Sehnsucht Allgewalten
Mein Herz ihn auch zu fesseln strebt.
Doch zag' ich nicht, ob nah, ob ferne,
Und wie sich mein Geschick verwebt:
Es leuchten deiner Augen Sterne
In mir — und meine Liebe lebt!
Sneewittchen
[206]Sneewittchen, das Königskind ist todt!
Das schuf den Zwergen große Noth;
Laut klagten die sieben Kleinen.
„Ach, Gott, wie war sie schön und gut!
Wie hielten wir sie in treuer Hut!“
Sie hörten nicht auf zu weinen.
Sie zogen ihr an ein weißes Kleid,
Wie schlummernd lag die schöne Maid
Mit zugeschlossnen Blicken;
Sie schufen den Sarg ihr aus Krystall
Und suchten Blumen überall,
Das liebe Kind zu schmücken.
[207]Da lag Sneewittchen im schwarzen Haar,
Bekränzt mit Blumen wunderbar,
Wie eine Königinne.
Fast sahn sich blind die Zwergelein —
Ach, daß sie todt nun sollte sein,
Wollt' ihnen nicht zu Sinne.
Sie schauten in den Sarg hinein
Wol bis zum vollen Mondenschein,
Sie wollten sie nicht begraben:
„Um unter der garstigen Erde zu stehn
Ist ja Sneewittchen viel zu schön,
Die Erde soll sie nicht haben!“
Sie hoben den Sarg mit Mühe schier,
Und trugen ihn durchs Waldrevier
Zu einem hohen Berge.
Sie brachten ächzend ihn zur Stell',
Der Mond schien ins Gesicht ihr hell;
Das freute die sieben Zwerge.
Des andern Morgens in der Fruh,
Da flogen die Vöglein all' herzu,
Sneewittchen anzublicken;
[208]Die Hirsch' und Rehe kamen auch,
Und Gras und Blume, Baum und Strauch
Thäten sich liebreich bücken.
So lag sie da wol hundert Jahr,
Noch unverweset ganz und gar,
An Schönheit ungebrochen;
Verzaubert lag ihr schöner Leib —
Stiefmutter, das böse Königsweib,
Die hatte den Zauber gesprochen.
Und sieh, mit Purpur und mit Kron'
Geritten kam ein Königssohn
Hoch auf schneeweißem Rosse:
„Ach, lebtest du, du schöne Maid,
Du wärest Königin noch heut'
Mit mir auf meinem Schlosse!“
Und wie das Wort gesprochen war,
Hob sie die Augen blau und klar,
Der Zauber war vergangen;
Die Vöglein alle sangen laut —
Er hält die allerschönste Braut
Mit Armen rings umfangen!
Chriemhildens Rache
[209]Geschrieben steht im Buch der Nibelungen
Von Siegfried's Tode, wie der grimme Hagen
Heimtückisch ihn im grünen Wald erschlagen,
Und wie Chriemhild die weiße Hand gerungen.
Was so die Vorzeit dichtend einst gesungen,
Zur finstern Wahrheit ward's in unsern Tagen:
Zum Himmel stiegen laut der Völker Klagen,
Die in ihr Netz die Arglist hat geschlungen.
Und immer düstrer zieht es sich zusammen;
Stumm sitzt Chriemhild in ihrer dunkeln Kammer
Und sinnt, wie sie den Brand des Unheils fache.
Schon greifen um sich die geheimen Flammen,
Schon steigt zur Wuth der jahrelange Jammer —
Auf Hagen's Unthat folgt Chriemhildens Rache.
Frühling im Sommer
[210]Das ist die schönste Stunde,
Wo du mich still bewegst,
Gleich einer Himmelskunde
Mich rein und tief erregst;
Wo jede Frucht des Baumes
Zur Blüte sich verkehrt,
Und nur die Welt des Traumes
Die Wünsche wieder nährt;
Wo meinem Liebesdrange
Ein Blick zu reichlich lohnt;
Wo ich den Kuß verlange,
Doch wie das Kind den Mond;
[211]Wo ich mit nichts mich quäle,
Mit allem freu' was ist,
Und selig mir erzähle,
Daß du auf Erden bist!
Sehnen
[212]Seit Gott aus seinen Paradiesen
Das erste Menschenpaar gewiesen,
Singt Sehnsucht ihre Trauerweisen,
Das Glück, das ferne Glück zu preisen.
Denn aus den ersten Schmerzensthränen,
Geweint von Paradiesessehnen,
Ward Poesie der Welt geboren,
Ein Abglanz dessen was verloren.
Es klinget fort die alte Weise,
Der singt sie wild, der träumrisch leise, —
Sie weilten all' in Paradiesen,
Sie wurden alle fortgewiesen.
[213]Denn alle Paradieseswonnen,
Und aller Welten Feuersonnen
Sind todtes Licht, sind todt Getriebe,
Durchhaucht sie nicht der Kuß der Liebe.
Und alles, was in Eden prangte,
Das Höchste, was ein Herz verlangte,
Was nur als Traum es ließ erbeben,
Das alles kann die Liebe geben.
Und noch weit mehr — ihr Alle wißt es, —
Die ihr geliebt, ihr Alle mißt es, —
Und darum greift ihr in die Saiten,
Durchrauscht vom Wahn entschwundner Zeiten.
Und jeder Ton, der euch entklinget,
Stets nur die eine Weise singet, —
Der singt sie wild, der träumrisch leise,
So klinget fort die alte Weise.
So rauscht das hohe Lied der Liebe,
Es klagt der Schmerz: ach, wenn sie bliebe!
So fingen rastlos fort die Einen,
Die Andern lauschen, jubeln, weinen.
Im Walde
[214]Bist du noch nie im Wald allein gesessen,
Das Aug' versenkt ins dunkle Grün der Tannen,
Das Ohr geneigt den Quellen, die verrannen,
Rings um dich Ruh' und tief in dir Vergessen?
O, dann empfandst du auch, sich unermessen
Ob dir des Daseins blauen Himmel spannen,
Das bunte Spiel des Lebens zog von dannen,
Mit keinem irdischen Gewicht zu pressen.
In solcher Stunde ward von dir genommen,
Was hemmt — Eins mit der Ewigkeit zu werden,
Und ohne Tod bist du zu Gott gekommen.
Die Stunde weicht den irdischen Beschwerden,
Doch ein Erkennen bleibt in dir erglommen:
Du bist — und Alles ist erfüllt auf Erden!
Die Göttin der Armuth
[215]Ihr Heiden, begrenzt von blauen Fernen,
Ihr Schluchten, wo sicher die Gemse ruht,
Gebirge, bekränzt von hellsten Sternen,
Und wandernde Ströme mit rascher Flut,
Ihr Schatten, die weit sich im Norden breiten,
Von undurchdringlichem Waldesgrün,
O lasset die Göttin vorüberschreiten!
Die Göttin der Armuth, laßt sie ziehn!
Sie wanderte, seit der Reichthum thronet,
Aus Freien Sklaven geworden sind,
Und unter den harten Menschen wohnet
Das schöne, heitere Götterkind.
[216]Sie wandert unter Entbehren und Fasten,
Und hell ihr Gesang in Lüften klingt;
Noch unter der Arbeit schweren Lasten
Die gute Göttin der Armuth singt.
So reicht ihr Alter zu frühesten Tagen,
Sie wallte länger als Ahasver;
Ihr Fuß hat weiter sie schon getragen,
Als Schwalben reisen zum fernsten Meer.
Es wohnen auf weitem Erdenballe
Die Kinder zahllos ihr zerstreut;
Es hat in göttlich Geheimniß alle
Die Göttin der Armuth eingeweiht.
Was immer sich groß und schön mag zeigen,
Sie hat auf Erden alles geweckt.
Sie baut die Felder, die nicht ihr eigen;
Sie pflegt die Bäume, bis Frucht sie deckt;
Sie leitet singend hinaus die Heerde,
Und wenn das Morgenroth erglüht,
Sein erstes Lächeln auf unsre Erde
Die gute Göttin der Armuth sieht.
[217]Sie baut aus grünem Gezweig die Hütte
Dem Fröhner, der Holz im Walde fällt;
Sie dämpft des Wilderers leise Schritte,
Und schärft sein Aug', wenn der Hirsch sich stellt;
Sie kräftigt den Greisen, wenn kraftverloren
Sein Arm mit Pflug sich und Hacke müht;
Die schönsten Kinder, auf Stroh geboren,
Die Göttin der Armuth auferzieht.
Den Dichter entflammt sie zu allen Zeiten
Mit mahnendem Rufe zum Gesang;
Sie weckt aus Flöten, entlockt aus Saiten
Des wandernden Künstlers Sphärenklang;
Sie trägt ihn leichten Flugs zu Fernen,
Sie kränzt sein Haar mit Perlenthau,
Und ihm erleuchtet mit hellsten Sternen
Der Armuth Göttin das Himmelblau.
Den Stein behaun und den Marmor glätten,
Das lehrt sie den kundigen Handwerksmann;
Der glüht das Kupfer und schmiedet die Ketten,
Sie leitet die schwielige Faust ihm an.
[218]Es macht in der zitternden Greisin Händen,
Des Mägdleins auch, noch der Knospe gleich,
Den Flachs, um köstlich Gespinst zu vollenden,
Die Göttin der Armuth seidenweich.
Sie stützt die Hütte, vom Sturm erschüttert;
Sie schonet der Fackel Harz am Herd,
Wenn Mondlicht durch die Scheiben zittert,
Der Lampen Öl bleibt unverzehrt;
Sie schafft das Brot, weiß Korn zu rösten,
Dran Alt und Jung im Haus sich hält;
Sie kleidet im Sommer, in Winterfrösten,
Die Göttin der Armuth nährt die Welt.
Sie baute Schlösser und Kathedralen;
Sie trägt die Muskete, führt das Schwert,
Das Siege, womit dann Fürsten prahlen,
Auf Feldern erringt, die Krieg verheert;
Sie sammelt die Todten, wenn Sieg gewonnen,
Und pflegt, was wund und wehrlos fiel;
Es öffnet den Flüchtigen, die entronnen,
Die Göttin der Armuth ein Asyl.
[219]Nur Sanftmuth bist du, bist Erbarmen,
Und Kraft und Geduld, o Göttin du!
Du eilst mit rettenden Liebesarmen,
Mit That und Hülfe Bedrängten zu!
In heiliger Liebe stehen sie offen
Den Kindern allen in deinem Reich,
Und Milde gibst du, Glauben und Hoffen,
O Göttin der Armuth, allen gleich!
Sie haben die Welt bisher getragen,
Und fanden für Arbeit keinen Lohn!
Doch scheiden nimmer in künft'gen Tagen
Sich arm und reich! Es dämmert schon!
Wenn dann, ob noch Jahrhunderte kreisen,
Der göttlichen Gaben sich alle freun,
Nie wird doch in ihren Jubelweisen
Der Armuth Göttin vergessen sein.
Nie werden die Kinder dich verkennen,
Die alle geboren, für alle litt,
Die alle gesäugt, die Mutter dich nennen,
Und streitbare Kirche, die für sie stritt.
[220]Es heilt ihr Balsam deine Wunden,
Auf duftendem Lager findest du,
Von Schmerzen der alten Welt zu gesunden,
O Göttin der Armuth, endlich Ruh'!
Es kommen die Tage des Herrn! Sie kleiden
Die Göttin in Licht! — Du Wüstenei,
Ihr Ströme, Berge, Thäler und Heiden,
Bis dahin gebt ihr die Pfade frei!
Ihr Schatten, die weit sich im Norden breiten,
Von undurchdringlichem Waldesgrün,
O lasset die Göttin vorüberschreiten!
Die Göttin der Armuth, laßt sie ziehn!
Morgen im Gebirge
[221]Noch ist es stille tiefe Nacht,
Die goldnen Sterne brennen,
Es glänzt der Mond in voller Pracht
Und kann sich gar nicht trennen
Vom Himmel in der Nacht.
Die Höhen sind so licht und rein,
Die Bergeselfen wirken
Und weben ihren Nebelreihn
Im Schatten junger Birken
Um Felsen und Gestein.
[222]Das stolze Licht des Lucifer
Erglüht in hellem Brande;
Wär' er dein Herr, o Sternenheer,
Er schlüge dich in Bande
Und stürzte dich ins Meer.
Dann würde nur sein helles Glühn
Die weite Welt durchschauen,
Die Felsen würden Feuer sprühn
Und Edelsteine würden blühn
Statt Blumen auf den Auen.
Der junge Tag ist aufgewacht!
O Sieger, Licht und Töne
Umgeben dich in voller Pracht,
Du steigst in deiner Schöne
Vom Himmel in der Nacht!
Phönizier
In Tyrus hatten wir geladen
Und stießen schwerbefrachtet ab,
Da sahn wir plötzlich die Plejaden
Verdüstert sich im Meere baden,
Und ahnten, was die Zukunft gab.
[223]Wir lenkten schnell zum Strand des Niles,
Doch furchtbar wandte sich das Glück:
Statt eines sehnlichen Asyles
Warf uns vom nahen Land des Zieles
Der Sturm, und weit ins Meer zurück.
Die Wogen kamen Nachts, sie trugen,
Wir wußten nicht woher, wohin,
Sie bäumten sich und brüllten, schlugen,
Ein Stöhnen ging durch alle Fugen
In unserm hölzernen Delphin.
Am Morgen, als der Wind sich legend
Die Flut bestrich, da stieg empor,
Sich plötzlich gegen uns bewegend,
Aus einer andern Himmelsgegend
Die Sonne, als den Tag zuvor.
Wir zogen Segel auf und nieder,
Wir hingen Ruder ein und aus,
Wir opferten und sangen Lieder,
Und starrten dennoch immer wieder
Verzweiflungsvoll ins Meer hinaus.
[224]Sturmvögel flogen um die Maste,
Ihr unheilvoll Gekrächz begann;
Wie Mancher, der vor Furcht erblaßte,
Erlag dem Fieber, es erfaßte
Den Besten noch, den Steuermann.
Und endlich nahten wir den Zonen,
Wo Blumen unverwelklich blühn,
Wo selig fromme Völker wohnen,
Beschattet von der Palme Kronen
An blühender Gestade Grün.
Und hier ließ uns die Fahrt vollenden
Der leitenden Kabiren Schar,
Sie wußten neuen Muth zu senden,
Und nahmen gnädig unsrer Spenden
Und unsrer Opfergüsse wahr.
O Brüder, da wir wiederkehren
An unser väterlich Gestad',
Die ferne ruhn in fremden Meeren,
Laßt uns mit Todtenopfern ehren,
Und lichter wird ihr dunkler Pfad!
Der Heerbann
[225]Welch muthig Hörnerschallen
Durch alle Gaue klingt
Den deutschen Völkern allen;
Das Schwert geht um die Hallen,
Das Volk die Fahne schwingt!
Es bietet seine Freien
Der Graf und Herzog auf,
Es stellen ihre Treuen
Die Städte und Abteien,
Fußvolk und Reiterhauf'.
Den Heerschild hört man tönen;
Da jagt durchs Felsenthal
Der Greis mit seinen Söhnen;
Die Eichenzweige krönen
Der Helme Silberstrahl.
Die Lanzen und Geschosse
Sind tapfrer Männer Stolz;
Die Reisigen im Schlosse,
[226]Die Einen tummeln Rosse,
Die Andern schießen Bolz.
Es wehn die Bannerzeichen
Aus jedem Gaugebiet
In allen deutschen Reichen;
Den Männern, stark wie Eichen,
Voran der König zieht.
„Ihr Muthigen und Treuen!
Der Hunne sengt im Land;
Er soll es bald bereuen,
Ihr werdet ihn zerstreuen,
Die Waffen in der Hand! —
Ihr alten Alemannen,
Ihr Franken um den Rhein!
Ihr mögt die Bogen spannen,
Vor euern Eisentannen
Entfliehn der Feinde Reih'n.
Ihr Sachsen und ihr Baiern
Verließet euern Herd!
Ihr aus der Mark der Steiern,
[227]Mit Fittigen von Reihern,
Auch ihr schwingt euer Schwert!“
Die hunderttausend Speere
Gehn ihren Waffengang,
Am ein und andern Meere
Hört man vom deutschen Heere
Den lauten Schlachtgesang.
Am Meer
[228]Der Abend kam und mit ihm wuchs die Flut.
Ha, kühler Meerwind nach des Mittags Glut!
Ich schritt allein am muschelreichen Strand,
Um meine Sohle stob der Düne Sand
Und feuchte Perlen warf mir ins Gesicht
Die Woge, die ans Ufer rauscht und bricht.
Den Hut riß ich vom Haupt und schwang ihn frei
Hinaus zum blauen Meer und sang dabei:
Gegrüßt, du herrliches, du ew'ges Meer,
Wie stolz und prächtig rollest du daher!
Die Wogenhäupter weiß von Schaum bekränzt,
Vom letzten Strahl des Sonnengotts beglänzt,
Der mit erschöpftem Viergespann entflieht,
Umklungen von der Nereiden Lied.
[229]Die Welle drängt die Welle mit Gewalt,
Das steigt und fällt und duldet keinen Halt;
Gedonner und Gebrause tief und voll,
Gipfelnde Wogen, brechendes Geroll.
Kein Segel blickt, soweit mein Auge fliegt,
Das sich auf deinem trotz'gen Rücken wiegt,
Nur ungezähmter krauser Wasserschwall
Und schrankenlose Freiheit überall!
Der Weltgeist weht um meine Schläfe her —
Gegrüßt, du herrliches, du ew'ges Meer!
So schritt ich hin, im Winde flog mein Haar —
Doch sieh, am Strande ernst und sonderbar
Saß dort ein Mann, in faltigem Gewand,
Ein breites Messer hielt er in der Hand
Und grub seltsame Lettern in den Sand!
Wie aus vergangnen Zeiten ein Gebild:
Ein dunkler Bart umsäumte lang und wild
Sein braunes Antlitz, tief durchfurcht von Qual,
Doch seine Augen blitzten wie sein Stahl;
So saß und schwieg und schrieb der fremde Mann.
Sein Räthselwesen zog mich mächtig an,
Die Lösung suchend trat ich rasch ihm nah
Und frug: „Wer bist du und was schreibst du da?“
[230]Er sah mich an mit einem langen Blick —
In diesen Augen lag ein Weltgeschick —
Und murmelte: „Du fragst? Mit welchem Recht?
Bist du mein Herr und bin ich wol dein Knecht,
Du toller Schwätzer, der am Strande rennt?
Zeig' mir dein Recht, dein gültig Pergament!
Doch wenn's auch noch so klar geschrieben steht,
Ein kluger Richter hat es bald verdreht!
Geh' zur Giudecca hin und forsche da
Dem Vater nach der schönen Jassica,
Erfahre dort, daß ich durch Zinsgewinn
Der reichste Mann, der Jude Shylock bin!“
Ich mußte lachen, lachen lang' und hell:
„Der Jude Shylock du, du närrischer Gesell!
Vor Mitternacht schon ein Gespenstergraus,
Wer ließ dich aus San Servulo heraus,
Wo du in Träumen, die dein Hirn verwirrn,
Ans kühle Gitter drücktest deine Stirn,
Die fieberfeuchte, und hinausgeschaut,
Wo in der Sonne die Lagune braut?!“ —
Sein wilder Flammenblick durchbohrte mich,
Daß mich ein leises Frösteln überschlich.
„So lache doch“, sprach er, „einst lachten so
[231]Wie du die Richter und Antonio,
Als sie mein Recht verkürzt durch Christenkniff,
Und ich dies Messer da vergeblich schliff.
Sie lasen nicht heraus, nein, nur hinein,
Was nicht geschrieben stand in meinem Schein;
Wo ist lebendig Fleisch, das ohne Blut?
Die Christen geizten nach des Juden Gut.
Weil ich ein Jude, ward der Spruch verkehrt
Und der Gerechtigkeit entfiel das Schwert.
Doch ihre Wage schwankte lang' und bang,
In ihren Schalen Auf- und Untergang!
Schau', drüben, wo der Abendnebel graut,
Mit stolzen Kuppeln liegt die Meeresbraut.
Doch wo ihr Glanz, ihr Ruhm, ihr Schimmer, wo?
Venedig dort — ist selbst Antonio!
Der königliche Kaufmann, tief gehaßt,
Auf Ebenpfählen stand sein Prachtpalast
Von istrischem schneehellem Marmorstein;
Die Schmeichler zogen stündlich aus und ein,
Die schönste Gondel trug ihn im Kanal
Und seine Schiffe waren ohne Zahl;
An Spaniens Küsten, wo die Mittagsglut
Durchkocht und reift der Traube dunkles Blut,
Im Barbaresken-Meer, im Hellespont
[232]Hat sich sein weißes Segeltuch gesonnt, —
Doch weil er ränkevoll, misgünstig, klein,
Brach das Geschick, das rächende, herein.
Der mich bespie, der mich mit Füßen trat,
Ha, wie er flehte und sich beugend bat,
Als all sein Gut versunken und verstreut —
Ein König gestern und ein Bettler heut'!
Frag' ihn, der lange schwer und grausam litt,
Wer ihm sein bestes Fleisch vom Herzen schnitt,
Daß es jetzt offen liegt, nur bunt verhängt
Und träges Blut durch enge Adern drängt, —
Nicht ich, den sie gemartert und geplagt,
Des Glücks beraubt, von Haus und Herd gejagt:
Die eigne Schuld, der eigne Frevel nur,
Verletztes Recht und oft gebrochner Schwur!
Es war mein Recht so unbestreitbar
Wie es das Recht des Stammgenossen war,
Der eines Tages zu Jerusalem
Den König mit dem Dornendiadem
Mit rauhen Worten von der Schwelle stieß,
Auf die er sich ermattet niederließ.
Sie trieben ihn nach Golgatha in Hast,
Zusammenbrach er unter seiner Last;
Er trug das Kreuz, das ihn dann selber trug,
[233]An das ihn hoher Priester Ausspruch schlug.
Wer schilt den Mund, der Den von dannen schalt,
Der rings vor Israel als Sünder galt,
Der wundgegeißelt zu dem Tode ging,
Ans Kreuz geheftet zwischen Schächern hing?
Ein Theil des Hauses ist der Schwelle Stein,
Darf ich nicht wahren, was ich nenne mein?
Weil er den Sünder, der zur Strafe schritt,
Nicht an des reinen Hauses Schwelle litt,
Ein gutes Recht zu wahren nur gesucht,
Ward er für alle, alle Zeit verflucht!
Jahrhunderte hindurch hetzt ihn die Qual
Der Wüste Brand, das duftdurchhauchte Thal,
Der Gletscher Eis, die See, vom Sturm gefaßt —
Nur weiter, weiter, ohne Ruh' und Rast!
Der Kinder Schreckbild, kluger Thoren Spott,
Verflucht von jenem milden Christengott!
Ein Recht! — Ein Recht! — Und kein verletzt Gebot,
Und dafür wandern, wandern und kein Tod!!“
Er fuhr empor, er drohte mit der Faust
Zum Himmel hin, hat wild sein Haar zerzaust,
Mit einem langen, grellen Jammerschrei
[234]Riß er das Kleid auf seiner Brust entzwei.
Wie tief von diesem Schmerzenston erschreckt,
War rasch der Himmel nachtgrau überdeckt,
Der Boden zitterte, wie fieberhaft
Durchwogt von einer unterird'schen Kraft,
Die, Ausgang suchend, heiß, in vollstem Fluß
Der Erde Kruste erst zersprengen muß,
Die Brandung schlug dumpfdonnernd an den Strand
Und hoch aufwirbelte der Düne Sand.
Dann schritt er weiten Schrittes übers Meer
Mit wehnden Haaren, wie auf ebnem Pfad —
In stummen Schauern stand ich am Gestad'
Und sah ihn fliehen — Shylock — Ahasver!
Das Todtenfest von Thirlestane
[235]1. Die Herrin und der Pfeifer
Sie lehnt' am Fenstergesims und kühlte
Mit feuchtem Luftstrom der Nebelnacht,
Der in dem schwarzen Gelock ihr wühlte,
Die Wangen, so brennend angefacht —
Die Herrin von Thirlestane.
„Wo bleibt“, so spricht sie, „der Pfeifer des Hauses,
Den ich heut' Abend zu mir beschied?
Aufspielend zu den Freuden des Schmauses
Vergißt er, so scheint es, bei Wein und Lied
Die Herrin von Thirlestane.“
[236]Da schüttert durch die gewölbte Halle
Ein dumpfer gewichtiger Männerschritt;
Die Wand erdröhnt vom mächtigen Schalle,
Es dröhnt das Herz, das klopfende, mit,
Der Herrin von Thirlestane.
Die Augen vom Dunst des Meths geschwollen,
Tritt er ins Gemach der Herrin ein.
Er spricht: „Was kann dein Begehr und Wollen
Zu so später nächtlicher Stunde sein,
O Herrin von Thirlestane?“
Sie blickt ins lauernde Aug' ihm lauernd
Und legt die Hand auf die Schulter ihm;
Sie spricht, im eigenen Herzen schauernd,
Mit fliegender Hast und Ungestüm —
Die Herrin von Thirlestane:
„Ich habe stets und immer aufs neue
Vertraun und Glauben auf dich gesetzt;
Auch warst du treu — wenn nicht aus Treue,
Doch um klingenden Lohn — John Lally, bis jetzt
Der Herrin von Thirlestane!“
[237]Er legt die Hände, die geballten,
Auf seine Brust und spricht zu ihr:
„Magst du nach Belieben mit mir schalten!
Was du mir befiehlst, vollführ' ich dir,
O Herrin von Thirlestane!
Und wenn ein Mord, und wenn der Kerker —“
Sie winkt ihm zu schweigen und zieht alsdann
In ihres Gemaches düstern Erker
Den Pfeifer, den schlauen, zu sich heran,
Die Herrin von Thirlestane.
Es saust der Wind in den alten Rüstern,
Der Mond so trüb' in das Fenster blickt;
Sie neigt sich zu ihm mit leisem Flüstern,
Bei dem sie selbst im Geheimen erschrickt,
Die Herrin von Thirlestane.
Sie reicht ihm einen Beutel mit Golde,
John Lalley nimmt ihn und spricht im Gehn:
„Was du mir gebeutst, du Hehre, du Holde,
Das soll nach deinen Wünschen geschehn —
O Herrin von Thirlestane!“ —
[238]Sie wankt dahin, wo, ein goldnes Kettlein
Um seinen rosigen Hals geschmiegt,
Ihr junges Knäbchen Arthur im Bettlein
Süß schlafend und freundlich träumend liegt —
Die Herrin von Thirlestane.
Sie schleicht heran auf seidenen Socken,
Daß sie den Schläfer, den kleinen, nicht stört;
Sie legt ihm die Hand auf die goldnen Locken,
Und durch die Zähne murmelnd schwört
Die Herrin von Thirlestane:
„Dem stolzen Edward, der Güter Erben,
Den das erste Weib deines Vaters gebar,
Ich schwör' ihm Tod, ich schwör' ihm Verderben,
Ich schwör's ihm hier auf dein Haupt und Haar —
Ich, Herrin von Thirlestane!“
2. Sir Robert
Am eichnen Tisch im Rittersaal
Sir Robert, Häuptling des Geschlechts,
Beim Frühtrunk sitzt und üpp'gem Mahl,
[239]Die Würfel links, den Becher rechts.
Das saft'ge Lendenstück zerschnitt
Sir Robert, als mit Schweiß bedeckt
Und staubbefleckt
Ein Bote rasch ins Zimmer tritt.
„Herr, traur'ge Kunde!“ — „Bah, was ist's?
Starb mir ein Hund? Starb meine Frau?
Ein Roß, vom Bruch des Widerrists?
Ein Jägerbursch vom Zahn der Sau?“
Der Diener stottert bang hervor:
„Nicht Roß, nicht Hund — der junge Laird — —“
Vom Sessel fährt
Sir Robert ahnungsvoll empor.
„Der junge Laird?“ — „Herr, o verzeiht!
Es muß ja sein: man bringt ihn — todt!
Er ist dahin — welch Herzeleid!
Und kurz vorher gesund und roth!“
Sir Robert preßt die Lippen ein,
Sein Auge glüht wie Feuerbrand;
Doch hält er Stand,
Er steht so starr und fest wie Stein.
[240]„Mein Edward! — O, ein böser Gast
Solch schneller Tod! — Das junge Blut,
Und schon dahin! Ich bin gefaßt! —
Doch wehe dann der bösen Brut! —
Erzähle, Bursch, und stärke dich,
Nimm einen Schluck vom Weine da!
Sprich, wie's geschah;
Du zitterst ja viel mehr als ich!“
Der Bote streichelt sich den Bart
Und trinkt den vollen Becher leer,
Er räuspert sich nach Botenart,
Und dann beginnt er seine Mär,
Indeß der Freiherr trotzig wild
Den Becher mit den Händen preßt,
So starr und fest,
Daß Blut ihm aus den Nägeln quillt.
„Die neue Burg“, der Bote spricht,
„Stand endlich da in aller Pracht.
Der junge Herr nach seiner Pflicht
Hat Trink- und Denkspruch ausgebracht,
[241]Ein Hoch dem Meister Zimmermann,
Dem Meister Maurer seinen Dank,
Und dabei trank
Er Schluck auf Schluck als echter Mann.
Auch noch beim Tanze schwang er sich
Mit mancher Dirne flink im Kreis;
Doch welch ein Schreck, als er erblich!
Ja, Herr, er wurde kreideweiß!
So plötzlich kam's — sein Leib schwoll auf,
Ein Zittern faßt' ihn — welche Noth!
Bald war er todt —
In einer kurzen Stunde Lauf!“
In Grimm und Zorn der Freiherr fragt:
„Wer war's, der ihm den Trank gereicht?“ —
„John Lally, Herr!“ der Bursche sagt,
Indem er scheu zurütckeweicht:
„Und wunderbar! John stahl sich fort
Gleich nach der lust'gen Festlichkeit,
Und weit und breit
Sah man ihn nicht mehr — auf mein Wort!“
[242]Sir Robert murmelt vor sich hin:
„Der Pfeifer reicht' ihm den Pokal,
Der Pfeifer floh mit dem Gewinn
Für seine That, die sie befahl.
Die Sünderin, so schlau und fein —
Verrechnet haben soll sie sich!“
Der Bote schlich
Sich fort. Sir Robert war allein.
3. Das Todtenfest
Auf der Wiese der Burg — wie dreht sich der Tanz!
Wie jubelt's und wirbelt's! Wie weht der Kranz
Von den Häuptern der üppigen Dirnen!
Das Herz klopft unter dem Mieder wild;
Der Dudelsack und die Pfeife schrillt —
Sie tanzen, daß Tropfen auf Tropfen quillt
Von ihren gerötheten Stirnen.
[243]Von edlem Wildpret und saftigem Rind
Auf dem weiten Anger die Tische sind
Zum Brechen beschwert und belastet.
Die Fässer stehen in langen Reih'n,
Gefüllt mit köstlichem welschen Wein;
Selbst den Boden schlägt man den Fässern ein —
Ein Thor, der noch darbt und schmachtet!
Halb Schottland strömte zum Feste daher;
Es kommt, es geht, es wogt wie ein Meer
Von Menschen, Welle auf Welle.
Ein Jahr schon dauert das Festgelag
Zu Ehren Edward's, der längst schon lag
In einem silbernen Sarkophag
In der tiefen Gruft der Kapelle.
Der Freiherr mischt sich ins Menschengewirr;
Seine Lippe zuckte, sein Blick war irr',
Doch tapfer sang er und trank er.
„Ihr Burschen von Schottland“, rief er, „beweist,
Was lustig leben und trinken heißt,
Ja trinken, ihr Bursche, trinken zumeist —“
Sie stammelten ihm ihren Dank her.
[244]„Und“, sprach er, „was fehlt noch meinem Glück?
Heraus muß das letzte Kupferstück,
Bis alles verthan und verpraßt ist!
Geborgt ist der Sarg, verpfändet das Schloß,
Verkauft aus dem Marstall mein letztes Roß,
Bezahlt noch keiner vom Dienertroß —
Das wisse, wer heute mein Gast ist!
Noch heut' und morgen — dann ist es aus
Mit Trank und Spiel, mit Gesang und Schmaus,
Dann streun auf das Haupt wir uns Asche!
Dann bin ich ein echter Bettelmann
Wie mancher von euch! Drum drauf und dran!
Es zeche jeder so gut er kann,
Und leere mir Tasche und Flasche!“
So schwelgt der Baron, so vergeudet er wild
Sein Gut, sein Habe, sein Wappenschild,
Indeß, vom Dunkel umnachtet,
Im tiefsten Verließ bei ärmlicher Kost,
Hinter eisernen Thüren von Moder und Rost,
In Hunger, Elend und Fieberfrost
Die Gattin, die Mörderin, schmachtet.
[245]Durch des Gitterfensters enges Rund
Dringt tief in des Thurmes schwarzen Schlund
Das wüste Gelärm und Gebrause.
Ihr Geist ist stumpf, matt wallt ihr Blut,
Erloschen ist ihrer Augen Glut;
Doch ahnt sie, daß man das Herrengut
Da oben verprass' und verschmause.
Da plötzlich wird es todtenstumm,
In den Angeln dreht sich die Thüre um —
Man naht sich auf steinerner Treppe
Der bangenden Frau durch die Dunkelheit,
In der sie geschmachtet solange Zeit,
Man reißt und zerrt sie an ihrem Kleid
Und an des Kleides Schleppe.
Von Männern, bewaffnet mit Schwert und Spieß,
Wird sie aus dem modrigen Burgverließ
Heraufgebracht an die Helle.
Mit höflichem Wort, doch im Lächeln Hohn,
An der rechten Hand den jüngsten Sohn,
Begrüßt der nun verarmte Baron
Die Frau an des Burghofs Schwelle.
[246]„Mylady“, ruft er, „das Glück ist Wind!
Empfangt hier Arthur, das Bettelkind,
Daß der Herrgott ihn nähr' und schütze!
Ich bin nun so arm wie er und Ihr!
Drum seht Ihr mich mit dem Bettelsack hier
Sammt dem Knotenstock, zwar nicht zur Zier,
Doch dient er dem Bettler zur Stütze.
Wir ziehen nun in die Welt hinaus,
Ich rechts, Ihr links aus dem Herrenhaus,
Wir schleichen uns fort verstohlen.
Getränk — wer böt' es so frisch wie der Bach?
Ein Strauch — wo wüßt Ihr ein schönres Gemach?
Der Himmel — wo gäb' es ein festeres Dach?
Mylady! Nun Gott befohlen!“
Ein Grab
[247]Im alten Kirchhof ist ein Grab,
Wen es verbirgt, weiß keiner mehr;
Denn seit man ihn gesenkt hinab,
Ist's nun schon viele Jahre her.
Es war ein Grab von frischem Staub,
Als man den Todten drein gelegt;
Bewachsen ist es nun mit Laub,
In dem der Wind sich säuselnd regt.
Manch Auge war von Thränen feucht,
Als schollernd drin der Sarg verschwand:
„Dem Guten sei die Erde leicht!“
So seufzten die, so ihn gekannt.
[248]Es war ein Mann, der früh und spät,
Mit treuem Fleiß und reger Kraft,
Voll echter Menschenmajestät,
In seinem kleinen Kreis geschafft;
Ein Mann, dem nie die Welt das Glück,
Den Preis der herben Mühe gab,
Doch Kummer viel und Misgeschick
Und dann am Ende dieses Grab.
Ach Gott, den Mann vergess' ich nicht,
Und wär' er todt auch hundert Jahr',
Der stets im Leben recht und schlicht
Und noch dazu mein Vater war.
Das Wort
„Im Anfang“, wißt ihr, „war das Wort“,
Das hat dann Fleisch empfangen,
Und ist im Siegstriumphe fort
Durch alle Welt gegangen.
[249]Und Heidentrug und Römerlug
Hat's aus der Welt gewettert —
Den Teufel nur nicht tief genug
Zur Höll' hinabgeschmettert.
Denn wieder ist er flügg und los
Und rasselt mit den Ketten;
Ein Zauberwort kann Klein und Groß
Von seiner List nur retten.
So groll' denn, Wort, im Donnerklang
Durch alle Welt noch stärker!
Befrei' auf deinem Siegesgang
Die Wahrheit aus dem Kerker!
Und zieh' ans Sonnenlicht hervor
Die muthig für dich zeugten!
Erheb' aus ihrer Schmach empor
Die Armen und Gebeugten!
Vom heil'gen Geiste neu entflammt,
Bekämpfe die Sophisten,
Den Hohenpriesterschwarm mitsammt
Dem Voll der Heidenchristen!
[250]Zerstieb' den frechen Heuchlerkram,
Das Pharisäerwesen —
Auf daß wir wieder Furcht und Scham
Im Aug' der Lüge lesen!
Hab' auch Erbarmen mit dem Zopf,
Den die Philister tragen!
O stäub' ihn aus und klopf' und klopf
Recht weit hinab vom Kragen!
Verbreit' die Strahlen deines Lichts
Durch alle Ländergauen!
Den Sturm des großen Weltgerichts
Laß alle Frevler schauen!
Der Freiheit hoher Fackelbrand
Entzünd' in lichten Flammen;
Drin schmelze Kaste, Rang und Stand
Zum „Menschenstand“ zusammen!
Denn keine Rechte, nein, nur Recht
Noch dient zum Schirm und Horte!
Das ganze menschliche Geschlecht
Es schwört zu diesem Worte.
[251]O freies Wort, du heilig Wort,
Errett' uns von dem Bösen,
Und schall' vom Süden bis zum Nord
Die Menschheit zu erlösen!
Herbst
[252]Ganz vom Frühling losgesagt
Ist noch nicht das Herz,
Weil dort noch ein Bäumchen ragt
Blühend himmelwärts.
Weil hier nach dem grünen Strauch
Noch der Tod nicht greift,
Weil mir noch ein sanfter Hauch
Übers Antlitz streift.
Dann erst hat vom Liebling traut
Uns der Tod getrennt,
Wenn erinnernd mehr kein Laut
Seinen Namen nennt.
Schleswig-Holstein
[253]Ein Völkersturm, der an des Alten Wucht
So stark wie keiner je zuvor gerüttelt! —
Und plötzlich schien so nah des Sieges Frucht,
Von der Geschichte Baum so leicht geschüttelt!
Der Gegner griff euch übermüthig an,
Ihr mußtet kämpfen um verbriefte Rechte;
Wie schöne Thaten wurden da gethan!
Das ganze Deutschland jauchzte dem Gefechte,
Und doch vergebens war die Heldenkraft!
Verlassen von den Mächtigen und Großen,
Saht ihr das schön Erkämpfte weggerafft
Und tiefer euch ins Leid zurückgestoßen.
[254]O herbe Noth! O grimme Bitterkeit!
Wer darf nach euch von hartem Loose sagen?
Ihr seid die wahren Märtyrer der Zeit,
Die Tugend ist wie Missethat geschlagen!
Erschütternd Elend, allem Volk enthüllt!
Wo ist ein edler Mann in deutschen Landen,
Dem nicht mit Thränen sich das Auge füllt,
Sieht er den Bruderstamm in solchen Banden?
Und doch — erhebt euch wieder, schaut empor
Und laßt euch nicht von euerm Schmerz bezwingen!
Ist auch das Ziel nun ferner als zuvor,
Noch immer ist es kämpfend zu erringen.
Es war uns Allen allzu nah gebracht!
Das eben hat der bösen Geister Tücke
Zu grollerfülltem Widerstand entfacht;
Zu rasch gelungne Schöpfung ging in Stücke.
Doch weil ihr jetzt bewältigt vom Geschick,
Nicht dürft ihr auf ein künftig Heil verzichten;
Als Männer schmerzgeprüft mit offnem Blick
Erkennt in euerm Leid die neuen Pflichten.
[255]Tragt euer unabänderliches Loos!
Ertragt das Völkchen, das mit solcher Gierde
Nach euch verlangt; es fühlt sich arm und bloß,
Entbehrt in euch es seiner höchsten Zierde!
Gebt ihm die Stütze, deren es bedarf
Und ohne die es freilich sinken sollte,
Weil hohe Politik die Würfel warf
Und das Geschick es leben lassen wollte.
Und drängt es kleinlich euch im eignen Land,
Entgegensetzt ihm einen Sinn von Eisen!
Das von Natur und Geist gewobne Band,
Das uns vereinigt, wird es nicht zerreißen.
Ist es ein Volk von eignem Genius?
Nein, sondern eins, dem wir Erleuchtung senden
Und das mit uns im Geiste wandeln muß,
Und immer mehr, je mehr wir uns vollenden.
Und wenn sie meinen, daß sie jetzt euch dreist
Den deutschen Sinn, die deutsche Weise nehmen —
Wir werden sie mit Sprache, Sitte, Geist
In siegender Entfaltung überströmen!
[256]Vielleicht nur darum auch gefiel es Gott,
Zu dulden, daß sie euch hinweggenommen
Und daß ihr tragen müßt der Sieger Spott,
Damit sie selbst mit euch herüberkommen.
Fürwahr, es wird sich in dem Lauf der Zeit
Das deutsche Machtbewußtsein wieder rühren,
Und, was begonnen Geistesthätigkeit,
Durch Heldenkraft zum letzten Schlusse führen.
Erinnre dich!
Mit Sehnsucht wünschest du das Glück herbei,
Du zürnest, daß es nicht gekommen sei? —
Gibt's etwas Schöneres als Männlichkeit,
Mit Ungemach und Noth im edeln Streit?
Gibt's etwas Schöneres als heitern Blick,
Umflutet von Verlust und Misgeschick?
Als Vorwärtsdringen auf gehemmter Bahn
Zum Ehrenpreis bestrittnen Siegs hinan?
[257]Ist's nicht die Frucht, mit kühnem Muth gepflückt,
Die tiefer als geschenkte dich beglückt?
Ja, ließ nicht Gott selbst diese Welt erstehn,
Um männlich Kämpfen gegen Noth zu sehn. —
Und dem Geschaffenen als höchsten Ruhm
Zu gönnen selbsterrungnes Eigenthum? —
Drum nutz' dein Leid und preise Gott dazu;
Wär' es nicht da, drum bitten müßtest du!
Kurzbolt
[258]Hei, wie so hell die Kunde scholl!
Durchs Land gehn freudige Sagen!
Der Finkler, Heinrich der Sachse, soll
Die deutsche Krone tragen!
Die falschen Franken ergrimmten in Wuth,
Sie murrten zornentflammet:
In uns fließt Karl's des Großen Blut,
Und Königen sind wir entstammet.
Und Konrad's Bruder Eberhart,
Und Giselbert von Lothringen,
Sie riefen zur ehernen Kriegesfahrt,
Und zogen die blanken Klingen.
[259]Umsonst bat Kuno, Graf von der Lahn:
„Pflanzt keine Aufruhrfahnen!
Auch ich gehöre den Saliern an,
Und ehre die hohen Ahnen.
Doch rechtlich ist des Kaisers Wahl,
Ihn haben die Fürsten erkoren;
Auf, mehren wir seiner Diener Zahl,
Ihm sei die Treue geschworen!“
Da spotten sie laut: „Ei, Kurzbolt, sieh,
Mit deinem höckrigen Rücken,
Den krummen Beinen, dem schiefen Knie
Wirst du den Sachsen entzücken!“
Er aber achtet nicht den Hohn
Und zieht auf waldigen Wegen,
Des Reiches echter treuer Sohn,
Dem neuen König entgegen.
Und als er in das Lager ritt,
Da raunen Herren und Knechte:
„Solch kurzer Leib, solch hinkender Schritt
Taugt nimmer zum Gefechte.“
[260]Doch rasch begrüßet er im Zelt
Der Heimat Hort und Leiter:
„Es droht Empörung dir, mein Held,
Ich geh' mit dir als Streiter.“
Der Finkler dankt, doch will der Mann
Ihm seltsamlich erscheinen.
Indeß er sinnt: gar Großes kann
Gott wirken durch den Kleinen! —
Und sieh, ein Haufen Jäger naht
Mit Spießen, Bogen, Stangen,
Sie haben im Harz auf waldigem Pfad
Den wilden Bären gefangen.
Rings jauchzt man dem Unthier gewaltig, groß,
Da bricht es die Seile in Stücke;
O weh, der Kaiser ist waffenlos,
Das Thier stürzt auf ihn voll Tücke.
O weh, ihm droht ein jäher Tod!
Nur Kurzbolt weiß zu wagen,
Sein rascher Schwertschlag bricht die Noth,
Das Unthier liegt erschlagen.
[261]Und wie es röchelt im rothen Blut,
Umarmt der Finkler den Franken:
„Ich kenne dich kaum, du machst es gut,
Schon muß ich mein Leben dir danken!“
Bald ritten sie an den Elbefluß
Entgegen den trotzigen Wenden,
Da ließ ein Riese frechen Gruß
Und kühne Botschaft senden:
„Herr König, ich schlage Mann um Mann
Im Zweikampf mit deinem Heere!“
Da ging Herr Kurzbolt den Finkler an:
„Ich stelle mich zur Wehre!“
Er zog hinaus, dem Riesen gefällt
Der Zwerg zum Waffentanze;
Doch bald ist ihm die Brust zerspellt
Von Kurzbolt's klingender Lanze.
Die Feinde fliehen in wilder Flucht,
Der Finkler umarmt den Franken:
„Im Männerkampf, hei, welche Wucht!
Dir hab' ich mein Heer zu danken!“
[262]Nun ging zum grünen Rhein die Fahrt,
Den Aufruhr dort zu zwingen,
Es gilt dem Salier Eberhart
Und Giselbert von Lothringen.
Gen Breisich nahten sie dem Rhein,
Da fliehn die Empörer am Strande,
Und springen in den Kahn hinein
Und stoßen rasch vom Lande.
Der Kurzbolt wirft den Spieß mit Macht
In seiner Feinde Runde;
Er trifft das Schiff, daß es zerkracht,
Sie sinken all' zu Grunde.
Sie sinden alle den Tod im Fluß,
Der Finkler umarmt den Franken:
„Nun geb' ich dir den Bruderkuß!
Dir hab' ich das Reich zu danken!
Dir dank' ich Leben, Heer und Reich!“
So ruft Herr Heinrich von Sachsen;
Dem König Heil und dem Land zugleich,
Wo solche Treue mag wachsen!
[263]Seitdem war Kurzbolt in Stadt und Zelt
Des Königs liebster Genosse,
Sie ritten zum Streit in Heide und Feld,
Und tagten zusammen im Schlosse.
Was hatten die deutschen Kaiser doch
Nicht sämmtlich solche Vasallen!
Es stände das Reich hehr, herrlich, hoch
Noch vor den Reichen allen!
Des Juden Rache
[264]Sinnt der Schüler einsam über'm Talmud,
Dessen heil'ge Überlieferungen
Ihm der Synagoge weiser Rabbi
Glüh'nder Rede hatte ausgedeutet.
Süßen Nachklang immer noch im Herzen,
Blättert träumrischer in der Gomora,
Wendet in der Mischna er die Blätter.
Doch die Seele weilt in andern Sphären,
Diese hängt noch an des Rabbi Lippen,
Diese bebt noch von der hohen Rede,
Die der bärtige Israelite
Gramerfüllten Herzens vom Katheder
Über die Verfolgung seines Stammes
Den gerührten Schülern vorgetragen. —
[265]Und der Schüler in dem stillen Zimmer
Weiß nicht, wie die Stunden ihm verrinnen,
Weiß nicht, wie die Nacht schon niederdunkelt,
Und die Sterne hell und höher aufgehn.
Siehe, durch die trüben Fensterscheiben
Von der Gasse kommt ein rother Schimmer
Langsam, ob an einer dunkeln Mauer
Hell ein Lichterglanz vorüberzittert.
Weiß der Schüler wohl, was das bedeutet;
Nahe wohnet er dem Judenkirchhof,
Nur zu dieser mitternächt'gen Stunde
Darf die Juden heimlich man bestatten.
Nieder blickt der Schüler auf den Talmud;
Nieder tropfet eine schwere Thräne,
Als die unten auf der öden Gasse
Lautlos mit der Bruderleiche wandeln;
Und im heißen Schmerz ruft er die Worte:
„Gott ist Gott der Christen wie der Juden!
Herr Herr Zebaoth, wo ist dein Antlitz,
Das du zürnend wendest von den Deinen?
Wo dein starker Arm, daß er uns helfe?
Ausgestreut in aller Welten Länder
[266]Juda's Same! Wie vor'm Windstoß flüchtet
Eine Wolke Sandstaubs in der Wüste,
Hin- und hergewirbelt, nimmer ruhend —
Alles flieht vor ihm, dem Selbstentflohnen —
Also soll das Volk des Herrn verderben?“
Gramversunken, rathlos saß der Jude,
Überdenkend seines Volkes Schicksal,
Fühlend, wie noch nie, die große Bürde,
Diesem Volk, geknechtet, fluchbelastet,
Seinen dorn'gen Pfad voranzugehen.
Nächtelang schon hatte er verweinet,
Hatte Kraft vom Herrn sich heiß erflehet;
Doch die Bitterkeit, die Arglist und die
Wilde Schmähsucht derer, die gekreuzigt
Achten ihren Heiland durch die Juden,
Drückten seine Seele schwer darnieder,
Und sie rang vergeblich oft nach Fassung.
Horch, da tönen polternd schwere Tritte,
Und die mürbe Stiege draußen knarret,
Aufgerissen wird des Schülers Thüre:
Vier Genossen schleppen, bleich und bebend
Mit verwirrtem Haar, verstörten Mienen,
[267]Eingehüllt in des Talares Falten
Einen schweren Körper in das Zimmer.
Auf vom Pulte springt entsetzt der Schüler,
Blut'ge Tropfen sickern durch die Hülle,
Unter ihr ächzt eines Menschen Stimme.
„Was beginnt ihr, theuere Genossen?“,
„Unsern Meister traf ein tückisch Messer,
Als vom Lehrstuhl in der Synagoge
Wir nach seinem Hause ihn begleitet!
Bruder, sieh die arge Todeswunde!“
Nieder stürzt er zu dem theuern Lehrer,
Drückt das greise Haupt, das todesbleiche
An die Brust, in der das Herz will stocken,
Nur ein Schrei entringt sich seinen Lippen.
Und der blasse Mund des Meisters regt sich,
Aufschlägt er die müden Augenlider,
Die das Reich der Schatten schon umnachtet;
Leise, aber liebreich, nicht im Zorne
Spricht der Rabbi seine letzten Worte:
„Klaget nicht, und trocknet eure Augen,
Rufet nicht nach Rache zu dem Himmel,
[268]Gott ist Richter und des Schicksals Lenker.
Seht, ich fluche nicht der Hand des Christen,
Die das kalte Eisen nach mir führte,
Denn nur blöder Wahn hat sie verleitet!
Eure Rache sei nicht blut'ge Rache —
Eure Rache sei Vergebung, Liebe!“ —
Sterbend jetzt verhüllte er sein Antlitz.
Noch der Morgen fand ihn bei der Leiche,
Ihn, den Trauernden, den treuen Schüler,
Der die Nacht in dumpfem Weh verbrütet.
Er erhob sich; ihm im tiefsten Herzen
Leuchteten des Meisters letzte Worte.
Und der Schüler, der vordem noch zaghaft
Auf sein Ziel, auf seine Pflicht geschauet,
Fühlte eine große Wandlung in sich,
Fühlt sich stark genug zum großen Werke,
Seinem fluchbeladnen Volk als treuer Führer
Auf dem dorn'gen Pfad voranzuwandeln,
Seines theuern Meisters blut'gem Schatten
Aufzutreten als der rechte Rächer.
Tags darauf geht er zur Synagoge.
Auf dem Marktplatz saß ein Weib in Lumpen,
[269]Hungerbleich, an schlaffer Brust ein Kindlein,
Eines Christen Weib war diese Mutter.
Fleh'nden Blickes sprach aus ihr das Elend,
Ob nicht einen ihre Noth erbarme;
Achtlos gingen viele ihr vorüber.
Schritt der Jude an dem Weib vorüber,
Sah es an und hört des Kindes Wimmern,
Und er gibt, die Blöße zu bedecken,
Seinen warmen Mantel jenem Weibe.
Eure Rache sei Vergebung, Liebe!
Und er schritt hinauf die Tempelstufen.
Hexenküche
„Hat keiner mir mein Kind gesehen?
Seit Mittag ist das Mädchen weg,
Die Abendluft beginnt zu wehen,
Und kühler wird's am Wiesensteg.
Daß Rösel sich nur nicht erkältet,
Nicht 'mal ein Halstuch hat sie um!
Allein so ist's: wie ihr auch scheltet,
Die Jugend schiert sich nichts darum.
[270]Nun, wenn der Vater ihr begegnet,
Er leuchtet ihr gewiß nach Haus!
Ach, Himmel, wenn es nur nicht regnet,
Die Wolken sehn so streifig aus ...
Noch auf dem Herde steht ihr Essen,
Seit Mittag hielt ich warm die Glut.
Ich selber habe nichts gegessen;
Wär' ich dem Balg nur nicht so gut!
Da ist sie in das Korn gelaufen,
Zu schaun nach einem Lerchennest;
Ein paar Cyanen abzuraufen
Zum Kranz, das ist für sie ein Fest.
Nun ist sie fort und wie verstoben,
Die Heimkehr schätzt sie gar gering;
Nun warte nur, ich will's geloben,
Von Morgen ändert sich das Ding!
Sie wird mir älter alle Tage,
Den Kinderrock verwuchs sie schon,
Und, daß ich heimlich mir es sage,
Schon blickt nach ihr manch schmucker Sohn.
[271]Da will es sich nicht länger schicken,
Herumzupirschen frei und frank;
Den künft'gen Ehmann zu beglücken,
Lernt sich allein bei Küch' und Schrank.
Da endlich kommt sie! Nein — ich irre,
Es ist des Köhlers alte Frau;
Ach, Gott, was ist die klapperdürre,
Der Blick so fahl, der Kopf so grau!
Wie wackelt ihr die weiße Haube,
Wie wackelt das behaarte Kinn!
Verzeih' mir's Gott, allein ich glaube,
Das Weib ist eine Zauberin!
Sie pflückt bei Neumond heimlich Kräuter,
Sie schabt vom Felsen Moos und Pilz,
Sie füllt und leert der Kühe Euter —
Und unsre Kuh starb an der Milz.
Ei ja, das ist das Weib gewesen,
Es hat gewiß den bösen Blick;
Ich schalt es einmal einen Besen —
Ach, wär' mein Rösel erst zurück!
[272]Sie kam zu Schaden, ich vermuth' es;
Wenn sie im Walde sich verlief!
Mir träumte heute Nacht nichts Gutes,
Da rechts ich auf der Seite schlief.
Nein, so am Walde auch zu wohnen,
Wie oft verdacht' ich's meinem Mann;
Es rauscht so seltsam in den Kronen,
Er aber lacht und knurrt mich an.
Aus nichts kommt nichts! Und wär's erdichtet,
Wovon doch jeder Mund fast spricht,
Wovon so manches Lied berichtet,
Man greift es aus der Luft doch nicht?
Ich selber möcht' es fast beschwören:
Als neulich ich im Holze war,
Hab' unter mir ich seufzen hören,
Die Sache schien mir gleich nicht klar ...
Und nun die alte Köhlerhütte!
So winkelschief, so diebsversteckt,
Kein Fenster ist in der Kajüte,
Nichts Gutes wird da ausgeheckt.
[273]Da geht man nur vorbei mit Schauern,
Die Hexenküche meid' ich schon —
Die Alten sind's nicht werth, bedauern
Muß ich nur ihren hübschen Sohn.
Ha, wenn er morgens durchs Gestrüppe
So hell wie eine Drossel pfeift,
Auf seinen Schultern Baum und Schippe,
Zum Meiler durch den Waldgrund streift:
Da hab' ich immer denken müssen,
Ein prächt'ger Junge doch, der Hinz!
Doch lag's mir schwer auf dem Gewissen,
Er sei wohl ein verwunschner Prinz ...
Nein in der That, das währt zu lange,
Die Rösel, scheint es, treibt ihr Spiel;
Ich bin ja sonst nicht gleich so bange,
Doch was zu viel ist, ist zu viel.
Ja komm mir nur, dich will ich lehren
Zu rechter Zeit zu Hause sein!
Dein Essen sollst du kalt verzehren,
Und morgen sperre ich dich ein.
[274]Wenn nur kein Unglück ist geschehen!
Der Hexenküche trau' ich nicht,
Erst neulich hab' ich flackern sehen
Darin ein wunderliches Licht;
Die Alte rührte einen Kessel,
Ich sah's, die Hütte ist schon spack;
Ein Drudenfaß, das war ihr Sessel,
Sie braute einen Theriak.
Den hat sie meinem Kind gegeben
Und ihm bestrickt den klaren Sinn —
Und kostete es auch mein Leben,
Zur Hexenküche muß ich hin!
Geh' ich allein? Sag' ich's dem Paster,
Daß er den Zauber gleich bespricht?
Doch wissen's mehr, so wird's zum Laster,
Ich sag' es lieber keinem nicht.“ —
Die Mutter eilt zur Köhlerhütte,
Die beiden Alten flogen aus;
Doch an des Herdes trauter Mitte
Die Jungen halten einmal Haus.
[275]So selig still ist's in der Stube,
Die Abendsonne lauscht hinein!
Im Arme hält der Köhlerbube,
Der bangen Mutter Töchterlein!
Sind denn versteinert alle beide?
Sie sehen nicht und hören nicht;
O weh, wenn jetzt zu ihrem Leide
Der schöne Zauber plötzlich bricht!
An seiner Brust ruht sie versunken,
Sie träumt von einer andern Welt;
In ihrem blonden Haare prunken
Die blauen Blumen noch vom Feld. —
„Nun, dacht' ich's doch! Hier steckt die Dirne?!
Und hält wol gar den Buben fest?
Mir aber sagt sie kecker Stirne,
Sie suche sich ein Lerchennest?
Das sind mir grade meine Lerchen!
Fürwahr das Nest liegt sehr abseit;
Ein andres mit den Klapperstörchen
Liegt in der Regel auch nicht weit!
[276]Ja freilich wär' es gut gewesen,
Hätt' ich den Pfarrer mitgebracht;
Das heißt, zu binden, nicht zu lösen;
Ich spür's: auch Lieb' ist Zaubermacht!
Ich wollte nur mein Mädchen haben,
Und wünschte dieses nur herbei;
Nun find' ich auch noch einen Knaben!
Doch — seid willkommen alle zwei!“
Nachtigall
[277]Die Nachtigall schlug einst so laut
In meinen stillen Träumen,
Und was sie mir liebend anvertraut,
Ich sang es ohne Säumen.
Da sah ich am hellen lichten Tag
Den Himmel voller Sterne,
Da wandelt' ich selig durch den Hag
Und wanderte so gerne.
Die duftenden Blumen, der rauschende Wald
Erfrischten meine Seele,
Mit unwiderstehlich süßer Gewalt
Bezwang mich Philomele.
[278]O Jugend, thauige Frühlingsnacht,
Wie bald bist du vergangen!
Was träufelt nun so sacht, so sacht
Herab auf meine Wangen?
O Nachtigall in meiner Brust,
Was weinst du nun so leise?
Du störest ja die blühende Lust
Der Knospen rings im Kreise.
Neue Nibelungen
Wir haben alle, wir armen Jungen,
Wir entarteten Nibelungen,
Unser Lied der Noth und Klage;
Aber statt muthig einherzuwandeln,
Kühn und entschlossen zu handeln,
Erwägen wir klüglich erst jegliche Lage.
Unsere Liebe weiß nur zu singen,
Unser Haß wagt nicht zu dringen
Durch Gefechte zu seinem Rechte;
[279]Rachegedanken machen uns beben;
Treu nach unserem Sinn zu leben,
Wagen wir nicht, wir falschen Knechte.
Chriemhilde steht da, die hehre, milde
Königin, die gekränkte, wilde
Rächerin, und ruft uns vergebens
Auf — wir halten sie hoch in Ehren —;
Doch aller Hagen Verbrechen lehren
Uns nicht die Verachtung des Lebens.
So bleibt denn der Schatz im tiefen Grunde!
Und es naht, es nahet die Stunde,
Wo wir noch vollends vergessen,
Wie unsere Ahnen gestritten,
Was unsere Väter gelitten,
Wie unsere Schmach unermessen.
Das Ende von dem gewaltigen Liede —
Jammer und Todesfriede —
Sinkt schon jetzt auf uns herab;
Aber Schicksal dürft ihr's nicht nennen!
Habt doch den Muth laut zu bekennen,
Daß unser Geschlecht nur gut fürs Grab.
Sehnsucht
[280]Wie hab' ich mir den Lenz ersehnt
Mit seinen lieben Spenden,
Da sich der blaue Himmel dehnt
Und alle Leiden enden.
Nun blaut der Himmel klar darin,
Der Frühling ist gekommen,
Mit Amselsang und Sonnenschein,
Und doch will mir's nicht frommen.
Ich weiß nicht, wem mein Sehnen gilt:
Der Winter ist vertrieben,
Die Blüte treibt, die Knospe schwillt —
Die Sehnsucht ist geblieben.
Nixenkönigs Trost
[281]Des Pfarrers Kinder hüpfen fort
Rasch zu des Wettersees Gestaden;
Des Nixen Kindlein sitzen dort,
Und harren ihrer Spielkamraden.
Die nahen lärmend; Arm in Arm
Sieht man die Kinder sich umschlingen,
Den drollig kleinen Nixenschwarm
Mit Christenkindern lustig springen.
Sie tummeln froh auf grünem Plan,
Feldblumen winden sie zum Kranze,
Und lassen sich gar herzig an
Und reihen sich zum Ringeltanze.
[282]Da sieh — der Nixenkönig hold
Beginnet aus der Flut zu steigen,
Er rührt der Harfe Zaubergold
Frohlockend zu der Kinder Reigen.
Keck trat der Knabe Nils herzu,
Und rief mit spöttischen Geberden:
„Geh', alter Nix! Was willst denn du?
Du kannst ja nimmer selig werden!“
Da füllt' ein Weheruf die Luft,
Die Saiten hört man springend gällen;
Wie eine Leiche in die Gruft,
So sank der Nix in dunkle Wellen.
Die Nixenkinder hielten sich
In unbewußter Furcht umschlungen,
Und weinten laut und bitterlich;
Die andern sind voll Angst entsprungen.
Nur Bolla blieb zurück am Strand,
Zum Trost für die verlassnen Kleinen;
Sie legte betend Hand in Hand,
Und mußte selbst herzinnig weinen.
[283]Die andern trieb es wie ein Fluch,
Es wußte keines sich zu rathen:
Der Pfarrer saß beim Bibelbuch,
Als jammernd seine Kinder nahten.
Erschrocken hört' er ihre Mär,
Den Knaben schalt er um sein Höhnen.
Zum See dann eilend wandelt er,
Den Schwergekränkten zu versöhnen.
Zur Flut sich neigend rief er laut:
„Klag' nicht, denn wisse, wer hienieden
Unsträflich wandelnd Gott vertraut,
Dem spendet Gott auch seinen Frieden.“
Da war's, als ob ein Zaubersang
Den geisterhaften See belebte;
Die Flut im vollsten Ton erklang,
Daß Berg und Hain und Flur erbebte.
Der Nixenkönig aber ließ
Noch lang' sich hören am Gestade;
Er griff ins goldne Spiel und pries
Mit lautem Ton die ew'ge Gnade.
Die Hornbrüderschaft
1586
[284]Wenn wir den Becher schwingen,
So soll zu jeder Zeit
Dein lautes Lob erklingen,
Herr Hans von Manderscheidt!
Du Bischof sondergleichen,
Du alter Humorist,
Der du im besten Zeichen
Zur Welt gekommen bist.
Den Herrn von Gott's Genaden
Wird oft das Amt zur Last;
Von Sorgen überladen
Bricht mancher Nacken fast.
[285]Auch quält sie gar absonder
Absonderliche Pein:
Im Leib der Hypochonder,
Im Fuß das Zipperlein.
Drum tagen jetzt die Besten
Des Reichs, wie solcherlei
Drangsalen und Gebresten
Wol abzuhelfen sei:
Zu Hohenbarr im Saale
Sitzt das Concilium,
Flink geht die volle Schale
Den dichten Kreis herum.
Zum Vorsitz fügt sich willig
Herr Hans von Manderscheidt;
Von Strodtburg sitzt, wie billig,
Der Bischof ihm zur Seit'.
Der Herzog Fritz von Sachsen,
Die Herr'n von Salm und Lein,
Und andre Kräfte wachsen
Zu diesem Trutzverein.
[286]Erst wird jedwede Meinung
Gehörig überdacht,
Dann jegliche Verneinung
Zu Protokoll gebracht;
Auf strenger Logik Wage
Wird streng das Wort gewägt,
Und wird jedwede Frage
Allseitig dargelegt
Bei jeglichem Beschlusse
Ein goldnes Bächlein fließt,
Daß auch in frischerm Gusse
Die Rede sich ergießt.
Das Wort, erst leis' und schüchtern,
Wird bald zum tollsten Scherz:
Der Kopf bleibt klar und nüchtern,
Doch überfließt das Herz.
Es legen ihre Würden
Die Herr'n freiwillig ab,
Und stell'n zu andern Bürden
So Hut als Hirtenstab.
[287]Und wie nun unumwunden
Der Wein den Sieg gewann,
Da ruft Herr Hans: „Gefunden
Hab' ich den Talisman!“
„Was drückt den grauen Haaren
Den Kranz der Jugend auf?
Was kürzt, ihr habt's erfahren,
Der trägsten Tage Lauf?
Was frommt, wie Thau den Triften,
Der Männerbrust? — Der Wein!
Ihr Herr'n, drum laßt uns stiften
Heut' einen Zechverein.
Im Hagenauerforste
War einst mein Ahn zur Jagd,
Und hat zum dunkeln Horste
Des Ures sich gewagt.
Nach langem, heißem Kampfe
Erlag das edle Thier,
Ein Schrei im Todeskampfe
Hallt weit im Waldrevier.
[288]Drauf ließ mein Ahne fassen
Als Becher jenes Horn,
Und nimmer wollt' er lassen
Von diesem Labeborn.
Man mußt's ihm täglich reichen,
Gefüllt mit goldnem Saft,
Drum sei dies Horn das Zeichen
Von unsrer Brüderschaft.
Und wer's mit einem Zuge
Zur Nagelprobe leert,
Der sei, mit gutem Fuge,
Als Ordensglied erklärt.
Solch Horn darf kecklich tragen
Ein jeder Ehemann,
Und nimmer soll man sagen,
Es haft' ein Makel dran.“
„Mit dieser Waffe stoßen
Den Gram wir in den Wind,
Und kränzt's mit rothen Rosen
Etwan ein rosig Kind, —
[289]Wir wehren es mit nichten!
Ist kußlich gar der Mund,
So ... Sagt mir, wollt ihr pflichten
Zu diesem Bruderbund?“
Da gab's kein lang Erwägen,
Ein Jubel tausendfach
Erscholl dem Mann entgegen,
Der jenes Wörtlein sprach.
Das Ordensbuch entwerfen
Die Herr'n dann insgemein,
Und beim Pokale schärfen
Sie jeden Punkt sich ein.
Es ward im deutschen Reiche
Der Hornbund oft genannt
Und ob viel toller Streiche
Allmänniglich bekannt.
Sein Witz, ein goldner Funken,
Erfreute manch Geschlecht:
Unmäßig ward getrunken
Und ohne Maß gezecht.
[290]Die Pfaffen und die Laien
Umschlang ein Bruderkranz,
Die höchsten Häupter leihen
Dem Bunde ihren Glanz.
Und weil in besten Launen
Die Herr'n stets pokulirt,
So hat auch zum Erstaunen
Das ganze Land florirt.
Ja, wenn das Glas wir schwingen,
So soll zu jeder Zeit
Dein helles Lob erklingen,
Herr Hans von Manderscheidt!
Du Bischof sondergleichen,
Du alter Humorist,
Der du im besten Zeichen
Zur Welt gekommen bist!
Christliche Kunst
[291]Im Anfang trat auf Gottes Ruf
Der Schöpfung Herrlichkeit zu Tage.
Er redete, das ist, er schuf,
Und seine Welt war seine Sprache.
Die Sprache tönet fort und fort,
Heut' wie am Tag des Urbeginnes;
Und jedes Ding ist Gottes Wort,
Und jedes Wort ist eignen Sinnes.
Der Erde Schemel und das Meer,
Und was sich regt in seiner Tiefe,
Die Himmel und der Sterne Heer
Ist alles Gottes-Hieroglyphe.
[292]Der Menschengeist, von ihm ein Strahl,
Von gleichen Drangs hervorzubrechen,
Versucht's im engen Erdenthal
Des Urgeist's Sprache nachzusprechen.
Und Farbenschimmer, Stoff und Klang,
Gestaltenwechsel und Ereigniß
Durchforscht sein Offenbarungsdrang:
Die Kunst lehrt finden ihn das Gleichniß.
Mädchenlieder
[293]I.
O Blätter, dürre Blätter,
Wie trauert ihr so sehr!
Als ihr noch gabet grünen Schein,
Da war mein lieber Schatz noch mein,
Den hab' ich nimmermehr.
O Blätter, dürre Blätter,
Ihr habt ihn oft gesehn,
Wie er so heiß geküßt mich hat;
Ach, kann denn Liebe wie ein Blatt
In einem Jahr vergehn?
[294]O Blätter, dürre Blätter,
Es war ein falscher Knab'.
Euch klag' ich es, ihr schweiget still —
Weil ich sonst Niemand sagen will,
Wie gern ich ihn noch hab'!
II.
Als ich in dem Bettlein lag
Ging mein Herze Schlag auf Schlag,
Wollte nicht zu Ruhe gehen.
Armes Herz, was willst du mehr?
Sieh, du liebst ihn gar zu sehr,
Und du willst dir's nicht gestehen.
Ist die treue Nacht gekommen,
Hat mein armes Herz genommen
Wie ein Mütterlein ihr Kind;
Wie das Kindlein in der Wiegen,
Das nicht schlafen kann und liegen,
Nahm sie's auf den Arm geschwind.
Neige dich, du stolzer Tag,
Daß ich ruhn und schlafen mag;
[295]Komm zur Erde voll Erbarmen,
Schöne Himmelskönigin!
Komm, o Nacht, du Trösterin,
Holde Mutter aller Armen!
Am Sarge
[296]Hast du wol solche Leichen schon geschaut,
Die offnen Aug's ...? Du kehrst dich ab? Dir graut?
Du mußt nicht fürchten sie, mußt sie beweinen:
Sie liebten, lebend, ohne Glück; nun kann
Im Tode selbst nicht ruhn der arme Mann,
Sein Aug' ist offen, suchet nach der Einen.
Blick' in den Sarg; kennst du die Leiche nicht?
Der Tod ruht bleiern auf dem Angesicht;
Das Auge aber lebt, es blickt, es saget
Unendliches dir noch von Qual und Leid,
Als wüßt's von Himmel, Hölle, Ewigkeit
Noch nichts ... und weh', mein Aug' ist's, das hier klaget!
[297]Es sucht nach dir ... du kommst?! Dein Antlitz neigt
Sich über mich, und eine Thräne zeigt
In deinem Auge sich?! — O sieh, nun schließen
Die meinen sich — gut' Nacht! Ich starb allein
Um diese Mitleidsthräne! — Leben? Nein,
Du hättest denn mich, lebend, lieben müssen!
Eruna
[298]I.
O Stolberg, Hirschenlager! Grüß Gott! Wie gerne schau'
Ich dich im engen Thale, so nah' der Güldnen Au'!
Wie trägst dein Haupt du stattlich! Dein Schloß, es ragt so frei,
Als wär's auf deinem Kopfe ein köstlich Hirschgeweih. —
Bei Stempeda wie Silber glänzt eine Felsenwand;
Man heißt's den alten Stolberg im ganzen Harzerland.
[299]Es scholl ein lautes Hämmern aus ihm wol sieben Jahr';
Ein rechter Stolberg war es, ein Stahlberg ja fürwahr.
Die dort das Eisen brachen, die hatten wenig Schlaf;
Die alten Sachsen waren's; Bergmeister war ein Graf.
Die Berg- und Hüttenmänner in Hütten und im Schacht
Sie thäten Erz nur fördern für eine große Schlacht.
Nicht wenig Waffen brauchst du, hast du gethan den Schwur,
Hinab am Fluß zu rüsten die güldne Unstrutflur,
Und weit und immer weiter — Scheidung dem Boden gleich
Zu machen, bis als Leiche daliegt Thüringens Reich.
Von solchen Schwüren hallte der alte Stolberg nach
Aus aller Sachsen Munde bei Nacht als wie bei Tag.
[300]Sie ließen Gold und Silber, und nahmen nur das Erz;
Was mocht' am besten treffen in der Thüringer Herz.
Schon lagen tausend Hügel von Eisen da im Thal
Und in den Schmieden glänzten die Waffen schon von Stahl:
Da trat wol zu den Knappen dort in der Felsenwand
Eruna, Stolbergs Jungfrau, der Erdgeist wohlbekannt.
Weissagend sprach zu ihnen Eruna da so laut:
„Euch soll ein Hirsch geleiten! Das neue Stolberg baut!
Wenn wo der Hirsch sich lagert, das sei des Städtleins Markt;
Zum Kampfe mit Thüringen jetzund seid ihr erstarkt.“
Durch stolze Eichenforsten das Hirschlein sah man gehn
Bis zu den Wiesenmatten so blumig anzusehn.
[301]Und auf den bunten Matten, da bauten sie die Stadt;
Es ist das Hirschenlager, wo ihren Markt sie hat.
So nach Eruna's Weisung ward Stolberg da fundirt
Und gegen die Thüringer gar weislich aufgeführt;
Sie bauten auf dem Berge darüber schlank und frei
Schloß Stolberg auch dem Grafen, als wär's das Hirschgeweih.
Wie also ward am Harze Stolberg fundiret sein,
Ist auch am Bergesrande erbaut der Sachsenstein;
Die Franken und die Sachsen, sie tödteten zumal
Thüringens edle Söhne im schönen Unstrutthal.
Was blickt von Scheidungs Pforte zur Morgenröthe da
Der Adler hin der Sachsen? Die Völkerschlacht geschah;
Ein Siegeszeichen haben die Sachsen dort gemacht.
Thüringen fiel. Eruna lauscht still im Bergesschacht.
[302]Wie hobst dein Haupt du, Stolberg! Dein Schloß, es ragt so frei,
Als wär's auf deinem Kopfe ein köstlich Hirschgeweih.
Du trautes Hirschenlager! O Stolberg! Gerne schau
Ich dich im engen Thale, so nah der Güldnen Au'.
II.
Einst war der Feind gekommen nach Stolberg in das Land
Und hat es unterworfen mit mörderischer Hand;
Er gab auch manchem Bergmann von Stolberg schnöden Sold,
Daß er im alten Stolberg nach Silber grüb' und Gold.
Die Knappen in der Teufe vom alten Stolberg da
Vernahmen, ach wie herrlich, wol eine Musica,
Daß ihre Herzen fühlten bald Freude und bald Leid;
Es war vielleicht ein Sehnen hin nach der güldnen Zeit.
[303]Gelockt von Zaubertönen hieben sie muthig zu;
Sie rissen ab die Kleider zuletzt wol sonder Ruh'.
Sie kamen immer näher der Teufe, immer schwoll
Noch lauter an das Klingen, Musik so wundervoll:
Bis eine Silberader die Knappen legten blank,
Acht Fuß gerade mächtig und unermeßlich lang,
Und auf der Silberader gar lustig anzusehn
Ein Männlein und ein Fräulein, die tanzten wunderschön.
Sie führten an den Reigen im weißen Leingewand
Nach alter guter Sitte gar ehrbar, Hand in Hand.
Doch hinter ihnen thaten gar manchen hohen Satz,
Als wären's ihre Diener, viel' Zwerg' im rothen Latz.
Und alles war bereitet gar seltsam ritterlich;
Die muntern Geiger führten gar wunderlichen Strich.
Die Zwerglein mit den Pauken, hei, wie sie ächzten da!
Bergmännlein man die großen Posaunen blasen sah.
[304]Die Männer standen lauschend da in dem Bergesschacht,
Sie sahn und hörten staunend des alten Stolberg Pracht.
Auch trat wol in der Teufe zu ihnen jetzt der Geist,
Die Jungfrau hin von Stolberg, so man Eruna heißt.
So sprach Eruna raunend: „Was wollt um schnöden Sold,
Ihr Thoren, Fremden lassen dies Silber und dies Gold?
Hebt es nur auf für Stolberg!“ Da eilten schnell von dann'n
Wol aus dem alten Stolberg erschreckt sie Mann für Mann.
Seitdem verschwand Eruna. Der Bergmann nur allein
Mag sie zuweilen schauen wie einen Nebelschein;
Doch wenn die güldnen Zeiten — fürwahr, 's ist kein Gedicht —
Für Stolberg wiederkommen, erscheint sie wie ein Licht.
[305]Jetzt aus dem alten Stolberg, da hört man wunderlich
Zuweilen nur ein Tönen, als wär's ein Geigenstrich;
Doch sind die güldnen Zeiten dereinst erst wieder da,
Dann machen tausend Zwerge die schönste Musica.
Die Osterjungfrau bei Osterode
Ich habe früh gesehen
Am Bach im Sonnenlicht
Die Osterjungfrau stehen,
Sie wusch ihr hold Gesicht.
„So früh, und eine Rose
Trägst du schon an der Brust?“
So sprach ich mit Gekose;
Die gab sie mir mit Lust.
Sie sprach: „Nimm hin, Geselle!
Es blühn am grünen Stiel
Bei meines Burgthurms Stelle
Der rothen Röslein viel.
[306]Tritt nun zum Heiligthume
Der Berge froh hinein;
Dir öffnet diese Blume
Die Wunder groß und klein.
Die goldnen Eimer zeigen
Soll die Frau Holle dir,
Wenn sie zu Berg muß steigen
Im grünen Waldrevier.
Sie weist dir in den Buchen
Ihr Bett von Winterschnee,
Das sie im Forst muß suchen
Als wie ein Hirsch und Reh.
Bei heißer Mittagssonne
Führt in den dicksten Tann
Dich ein zu Kühl' und Wonne
Des Harzes wilder Mann.
Dir klagt ein Zwerg die Sorgen,
Sein Glück ist wie der Wind;
Jetzt backt er Brot, und morgen
Ist er ein Edelkind.
[307]Zu dem Krystallpalaste
Vom Hiebich nah bei Grund
Wird dir, vielwerthem Gaste,
Geöffnet alle Stund'.
Aus altem Burggemäuer
Da sollen nach dir schaun
Viel zarte Jungfraun theuer
Und wundersame Fraun.
Vergiß nur nicht das Beste
Bei all der Wunder Schein:
Die Rose halte feste
Und stets gedenke mein!“
Dichterahnung
[308]Das ist ein köstliches Gefühl,
Wenn zu des Herzens tiefsten Schlägen
Der Seele stummes Saitenspiel
Von neuen Liedern sich will regen.
O wunderseliges Gemisch
Von Furcht und Hoffnung, Lust und Bangen,
Wie Meeresathem mild und frisch
Und heiß wie bräutliches Verlangen!
So muß es wol dem Saatkorn sein,
Verborgen in der Erde Gründen,
Wenn erster Thau und Sonnenschein
Den nahen Frühling ihm verkünden.
[309]Es keimt und quillt und dehnt sich aus
Und wächst und sproßt und keimt aufs neue,
Schon wird zu enge ihm das Haus,
Es sehnt sich nach des Himmels Bläue.
Und leise, leise Träume wehn
In seine Dunkelheit hernieder
Von Sommertagen hold und schön,
Voll Sonnenglanz und Lerchenlieder:
Wo es wird stehen stolz und stark,
Ein grüner Halm mit schwanken Ähren,
Und wird mit seinem milden Mark
Ein dankbares Geschlecht ernähren. —
O blüh' herauf, herauf auch du,
Mein keimend Lied aus stillem Busen;
Es lächle dir als Sonne zu
Der schaffende, der Blick der Musen!
Zwar weiß ich wohl, du wirst verwehn,
Noch eh' du halb dich erst erschlossen,
Nicht wirst du stolz und ragend stehn,
Am Boden bleiben deine Sprossen.
[310]Und doch, o neidenswerthes Loos,
Wird dir's so gut nur wie der Blume,
Die einsam blüht in Waldesschoos
Zur Freude sich und Gott zum Ruhme!
Unsterblichkeit
Schon neigte sich der grüne Tag,
Schon wurde stumm der Vöglein Schlag,
Das Flüstern wurde stumm im Hain
Und selbst die Blumen schliefen ein.
Kein Athem rings auf keinem Mund!
Es ruht der Schöpfung weites Rund,
Als wie ein Kind an Mutterbrust,
So sanft, so still, so unbewußt.
Die Sterne nur mit ew'gem Gang
Gehn schweigend durch die Nacht entlang,
Mer Mond, ein treuer Wächtersmann,
Führt ihren Reigen leuchtend an.
[311]Das Alles war so, wird so sein
Viel tausend Jahre hinterdrein;
Nach vielen tausend Jahren wird
Der Mond noch sein der treue Hirt.
Nur du allein, o Menschenbrust,
O du, in der der Erde Lust,
Der Erde Weh zusammenschäumt,
O du, die selbst ein Gott sich träumt:
Zerfallen wirst du und verwehn —
Vielleicht schon heute kann's geschehn,
Vielleicht, noch heute frisch und roth,
Knickt dich am Morgen schon der Tod.
Und was im Herzen dir gepocht,
Und was im Hirn dir schäumend kocht,
Der liebste Wunsch, das frömmst' Gebet —
Bald ist's zerflattert und verweht.
Ja, selbst die Liebe, die noch heut'
Dir Rosen auf den Hügel streut,
Bald trocknet sie die Thränen auch;
Auch Liebe weht dahin wie Rauch.
[312]O holde Ruh', o süßer Tod,
Aus dem uns kein Erwachen droht!
Versunken ganz im Meer der Zeit,
O selige Vergessenheit!
Denn Andre wieder werden stehn
Und werden auch gen Himmel sehn,
Und lassen auch der Sterne Schein
Sich dringen tief ins Herz hinein.
Und was die Seele dir bewegt,
Was deinen Geist auf Schwingen trägt,
Was froh und traurig dich gemacht,
Was du gekämpft, geweint, gelacht:
Es kehret Alles wieder doch
Nach vielen tausend Jahren noch;
Von vielen tausend Herzen wird,
Wie einst von dir, geliebt, geirrt.
Die Menschheit ist ein ew'ger Kreis,
Sie wandelt hin in festem Gleis,
Wie an der Kette wohlgefügt
Sich Ring an Ring zusammenschmiegt.
[313]Und wie der Mai zum Leben weckt,
Was lang' der Erde Schoos verdeckt,
Und jeder Keim aus Wintersnacht
Blüht neu hervor in Frühlingspracht:
So schließt auch an der Menschheit Baum
Sich Ring an Ring, du faß'st es kaum,
Und immer kämpft ein neu Geschlecht
Um neue Freiheit, neues Recht.
Ja, jeder Wunsch, der dir vergällt
Als Thräne auf die Seele fällt,
Und jeder früh verblaßte Traum,
Einst glüht er noch als Frucht vom Baum.
So rolle denn, o Strom der Zeit!
Du selber bist Unsterblichkeit!
Es netzt die Sohle wol dein Strom;
Doch ewig ragt der Menschheit Dom!
Heimat
[314]Die du mit duftig mildem Odem
Mir kühlst der Seele heißen Brand,
Gegrüßt, o Heimat, deren Boden
Ich allzu lang' mich abgewandt!
Gleichwie der Schiffer an der Küste
Sich rettet aus zerschelltem Kahn,
So aus des Lebens staub'ger Wüste
Lenk' ich zurück zu dir die Bahn.
Und wie mit zärtlichem Erbarmen
Die Mutter das verirrte Kind,
So ziehst auch du mit starken Armen
Mich an den Busen sanft und lind;
Die wirren Schatten heißt du fliehen,
Die mich umschwärmt zu steter Pein,
Und lullst mit leisen Melodieen
Den Schmerz, den immer wachen, ein.
Und was das Leben mir genommen,
Und was das Schicksal mir entwandt,
Ich seh' es alles wiederkommen,
Wie ich es ehedem gekannt.
[315]Das sind der Berge blaue Gipfel,
Vom Grün der Wälder dicht umsäumt,
Es sind dieselben Schattenwipfel,
In denen ich als Kind geträumt!
Und erstes Hoffen, erstes Sehnen,
Der erste Zorn der jungen Brust,
Das süße Weh der ersten Thränen,
Des ersten Kusses Götterlust —
Es kehret alles, alles wieder,
Gleichwie die Schwalbe kehrt im Mai,
Und wiederschäumt durch meine Lieder
Der Muth der Jugend stolz und frei!
O sei gesegnet, theurer Boden,
Der rasch die Seele mir verjüngt!
Schon fühl' ich mich von deinem Odem
Gleichwie von Frühlingshauch beschwingt;
Weit hinten liegt, was ich gewesen,
Das Leben lacht in neuem Glanz —
Hier werd' ich oder nie genesen,
Am Busen meines Vaterlands!
Neue Gluten
[316]O Stern der Liebe, längst versunken,
Verloschen hatt' ich dich geglaubt;
Was wirfst du heute deine Funken
Noch einmal auf mein alternd Haupt?
Aus Wetterwolken mitternächtig
Nahst du voll finstrer Majestät,
Wie ein Komet verderbenträchtig
Sein flammend Haupt zur Erde dreht.
Ich aber steh' und fühl' erschrocken
Und selig dennoch deinen Strahl —
O nicht auf dich, auf braune Locken
Gieß' deiner Gluten süße Qual!
Hab' Mitleid mit dem müden Herzen,
Soviel geprüft von Gram und Noth,
Es hat verlernt, wie lang'! zu scherzen,
Und wenn es liebt, so liebt's den Tod!
Umsonst, umsonst! — Schon nah und näher
Wälzt sich das gier'ge Element,
Und höher steigt und immer höher
Die holde Glut, die mich verbrennt.
[317]Ich will entfliehen — kann nicht wenden
Den Fuß, gebannt von Qual und Lust,
Und drücke selbst mit beiden Händen
Den Flammenpfeil mir in die Brust!
Morgens
O Morgen still und feierlich!
O Berge ganz in Duft versteckt!
Der bleiche Mond verfinstert sich,
Von Wolkenstreifen überdeckt.
Ich aber schreite froh daher:
An meine Liebe denke ich,
Dem Morgen gleich, so still, so hehr,
So friedevoll und feierlich!
Erinnerung
[318]Und hast du recht geliebt einmal,
Sei dir's zur Freude, sei's zur Qual;
O halte das Gedächtniß fest,
Auf daß es nimmer dich verläßt!
Gib ihm, als deinem besten Schatz,
Im tiefsten Herzen einen Platz,
Gleichwie ein liebes Grab man pflegt
Und es mit Blumen eng umhegt.
Und jeden Gruß, den du geschickt,
Und jeden Kuß, der dich erquickt,
Und selbst der Trennung bittern Schmerz,
O schließ' es alles treu ins Herz!
Auf daß, wenn einst nach Jahren spät
Der Frost des Alters dich umweht,
Du an verschwundner Tage Glück
Noch laben magst den müden Blick.
[319]Und wie von Weines edlem Naß
Den Duft bewahrt das leere Faß,
So spielt um dich Erinnerung
Und macht das alte Herz dir jung.
Die Rose welkt wol über Nacht,
Vergänglich ist der Erde Pracht,
Nur was du liebst, o Herz, ist dein;
Das soll dein Trost im Sterben sein.
Das bleiche Kind
Durch einsame Straßen, bei nächtiger Zeit,
Was wallt wie von Lüften getragen?
Es ist ein Kind in weißem Kleid,
Das Haar in den Nacken geschlagen;
Es geht so leis', es geht so sacht,
Als wie der Mond in stiller Nacht;
Es schreitet nicht, es gleitet nur —
Doch hinter ihm weit, o schau die Spur
Von Thränen, o schmerzlichen Thränen!
[320]Auf seiner Stirne leuchtend steht
Ein zerbrochener goldener Reifen,
Um sein schneeweißes Hälslein geht
Ein schmaler blutiger Streifen;
Die kleinen Hände ringt das Kind,
Die Haare flattern in dem Wind,
Stumm ist sein Mund, das Antlitz blaß,
Sein weißes Hemd ist schwer und naß
Von Thränen, o schmerzlichen Thränen!
Es pocht und pocht an jedes Thor
Lautlos, mit gespenstigem Finger,
An jedes Fenster schwebt's empor,
An Erker und an Zwinger:
Und schaut mit Blicken flehend heiß
Die müden Schläfer rings im Kreis,
Und beugt das Knie bis auf den Grund
Und legt den Finger auf den Mund,
Mit Thränen, o schmerzlichen Thränen!
Doch wo es kommt an des Königs Haus,
Es schlummern die Wachen im Thore,
Da wächst das Kind und dehnt sich aus,
Wie Nebel auf dampfendem Moore:
[321]Nun ragt es an den Söller schon,
Nun durch das Fenster husch, am Thron,
Nun an des Königs Bett geschwind —
Da steht es und reckt die Hand, das Kind,
Mit Thränen, o schmerzlichen Thränen!
Und der König erwacht und sieht das Kind,
Und sieht den blutigen Streifen —
„Heda, meine Wachen! ergreift sie, geschwind ...!“
Doch läßt auch der Nebel sich greifen?
Zerflattert ist das Kind wie Schaum —
„Schlaft, gnäd'ger Herr, es war ein Traum,
Still liegt die Stadt und still die Flur —“
Nur weit durch die Gassen, o schau die Spur
Von Thränen, o blutigen Thränen!
In kranker Zeit
Sonette
I.
Schwachherzig ist die Zeit, in der wir leben!
Ein Spielball halb der Schurken, halb der Thoren,
Hat sie den Glauben an sich selbst verloren,
Ihr fehlt der Muth, ihr fehlt die Kraft zum Streben.
[322]Zur Sonne möchte sie sich kühn erheben,
Heimkehren aus dem Äther, neugeboren;
Allein sie hat das Fliegen abgeschworen,
Und bleibt wie Vogel Strauß am Boden kleben.
Armselig Zwitterding von Lust und Schwächen!
Gebeugt, dem Halme gleich, von jedem Winde,
Bist du zur Tugend feig wie zum Verbrechen.
Hohl ist der Kern und morsch die junge Rinde;
Nun weiß ich erst, was die Propheten sprechen:
Es rächt der Väter Sünde sich am Kinde.
II.
Genuß, so klagen sie, ist die Parole
Der Zeit, die nicht mehr lieben kann noch hassen;
Von allen Göttern lange schon verlassen,
Erhob sie den Genuß sich zum Idole.
Ja, thät' sie's nur! Für Scapulier und Stole
Mag der Entbehrung herbe Lehre passen;
Genießen soll der Mensch — so möcht' ich's fassen —,
Doch nie genieß' er sich allein zum Wohle!
[323]Gleichwie der Sonne goldne Strahlen fließen,
Sich selbst zur Lust, der Erde zum Entzücken,
So sei der Mensch, um menschlich zu genießen.
Die jungen Rosen schau', wie sie sich schmücken!
Aus dem Genuß soll andrer Wohlfahrt sprießen;
Daß du beglückt dich fühlest, lern' beglücken.
III.
Ein köstlich Erbtheil ward euch übergeben:
Der Männer Stolz, der Jugend kühnes Hoffen —
Wo sind die Schwerter, die von Siegen troffen,
Die Banner wo, die jubelnd sich erheben?
Was ward daraus? Antwortet, bei dem Leben
Der Ewigen! Ihr aber steht betroffen —
Da, blicket her! Da liegt das Schuldbuch offen,
Lest euer Urtheil drin — und lest's mit Beben!
Dem Thoren gleich, der, wenn die Adern glühen,
Sich eine süße Stunde zu bereiten,
Den Schweiß hinopfert jahrelanger Mühen:
[324]Habt ihr befleckt der Vorzeit Herrlichkeiten,
Und habt, daß neue Lorbeern nie uns blühen,
Im Halm gemäht die Hoffnung künft'ger Zeiten.
IV.
Wir leben im Zeitalter des Realen,
Das, sagt ihr, muß für manches uns entschäd'gen;
Es will die Welt auf einmal sich entled'gen
Von allen unfruchtbaren Idealen.
Nicht länger woll'n wir mit Phantomen prahlen;
Wir sind der Götter müd', davon sie pred'gen,
Der zürnenden sowol als auch der gnäd'gen;
Wer Schulden macht, der soll sie auch bezahlen. —
O thöricht Volk, zu lenken an der Leine
Mit einem Wort! Real! Es macht mich lachen:
Was ihr real nennt, ist nur das Gemeine.
Zwar ohne Holz läßt sich kein Feu'r entfachen;
Doch wächst die Blume nur im Sonnenscheine,
Dem himmlischen, den nie ein Mensch kann machen.
V.
Und wieder klagt mit frommem Augendrehen
Ein anderer: „Weil sich's von Gott verirrte,
Mit schnöder Weltlust üpp'gen Bechern klirrte,
Darum wie Spreu muß dies Geschlecht verwehen.
Was hilft's, dem Ewigen zu widerstehen?
Die Kirche ist der einz'ge gute Hirte,
Sanft ist ihr Joch, gleich einem milden Wirthe
Läßt unerquickt sie keinen fürder gehen.“
— Nun, wer es glaubt, ich will ihn nicht drin stören;
Doch kann man fromm sein auch bei frohen Mienen,
Und kann ein Schurke sein in Trauerflören.
Auch ist es mir von jeher so erschienen,
Als müßte Gott der Welt, sie ihm gehören —
Und nicht der Kirchen braucht's dann, ihm zu dienen.
VI.
Ich lag und schlief auf eines Tempels Stufen,
Der halb bereits in Trümmer war zerfallen;
Da hört' im Traum ich dumpfe Stimmen schallen,
Wie Kampfgeschrei und fernes Weherufen.
Es dröhnt die Flur als wie von Rosseshufen,
Geschwader hört' ich aneinander prallen,
Und sah das Blut in weiten Strömen wallen,
Dem Moste gleich aus übervollen Kufen.
So hielt der Traum mich lange Zeit gebunden;
Doch als ich endlich schaudernd mich erhoben,
Da war der Tempel, drin ich lag, verschwunden.
Und hell und prächtig lächelte von oben
Des Himmels Blau; statt Kampfgewühl und Wunden
Den jungen Tag hört' ich die Lerche loben.
VII.
Phantasten hör' ich rings und Thoren schelten,
Die noch am Traumbild bessrer Tage hangen,
Trotz aller Täuschungen, die uns gleich Schlangen
Mit eklem Gift der Zukunft Wein vergällten.
[327]Und dennoch lass' nicht völlig dich erkälten,
Heißblütig Herz! Sieh dort die Sterne prangen:
Du kannst sie auch dir nicht herunterlangen,
Und dennoch weißt und glaubst du, daß es Welten.
Nacht folgt dem Tage, Regenwolken nässen
Die junge Saat, Gewitterstürme wehen;
Die Sonne aber wandelt fort indessen.
So kann es auch den Menschen wol geschehen,
Daß sie der Wahrheit ein'ge Zeit vergessen;
Doch bleibt sie selbst nicht minder drum bestehen.
VIII.
Vom faulen Holz der Welt Sonette schnitzen,
Zu ihren Zuckungen den Takt scandiren,
Und wenn sie rast, mit Versen sie calmiren,
Sprich selbst, Poet, was kann der Welt es nützen?
Es scheint zu tief dies Übel mir zu sitzen,
Das läßt sich nicht mit Worten mehr curiren;
Hier heißt's dem Feinde auf den Leib marschiren,
Den Degen heißt's und nicht den Griffel spitzen. —
[328]Ich weiß es, ja; doch schreckt es mich mit nichten.
Wol folgt ein jeder höherem Befehle,
Mir aber ward zu singen und zu dichten.
Und also quoll dies Lied mir aus der Seele,
Nicht um der Zeiten wilden Zwist zu schlichten,
Nur daß der Schmach es nicht am Spiegel fehle.
Ich weiss, was mit dir vorgegangen
[329]Ich weiß, was mit dir vorgegangen,
Was hinter diesen Träumen steckt,
Was oft mit Blässe deine Wangen
Und oft mit Purpurglut bedeckt;
Bald will es dir die Brust zersprengen,
Du möchtest jauchzen himmelwärts;
Bald naht's in unbekannten Klängen —
Du weißt es nicht, ist's Lust, ist's Schmerz.
Du weißt es nicht, du kannst nicht ahnen,
Daß es an Kümmerniß und Noth,
An trübe Stunden will gemahnen,
An Seelenschmerz und frühen Tod.
[330]Du bist noch wie die fromme Taube,
Die aus der Hand die Körner pickt,
Du hast noch Liebe, hast noch Glaube,
Bist froh, daß er dich angeblickt.
Daß er dich Ärmste auserkoren,
Daß er dir Liebes hat gesagt —
Er — still die Wände haben Ohren —
Und du bist eine arme Magd.
Was glaubt man nicht in jungen Jahren,
Wenn rein das Herz und rasch das Blut?
So wirst auch du zu spät erfahren,
Wie weh des „Herren“ Gnade thut.
Wie die Künstler berufen werden
Eine Legende
[331]Verflossen war manch tausend Jahr!
Seitdem die Welt erschaffen war
In Schönheit und in rechter Pracht,
Vom Herrn mit aller Lust bedacht. —
Da saß auf einer Wolke klar
Einst eine frohe Engelschar,
Erzählten sich vom Himmelreich,
Von Sonn' und Mond und so dergleich.
Drauf hub von ihnen einer an,
Und sprach: „Wär' es nicht wohlgethan
Einmal zur Erde hinzusehen,
Wie's da den Menschen mag ergehen?
Das muß doch wunderlieblich sein,
[332]Zu sehen, wie sie da sich freun
Ob all der Herrlichkeit umher,
So Gott gemacht zu seiner Ehr';
Wie sie von Herzen jubiliren,
Und ein glückselig Leben führen!“ —
Und wie der Engel also spricht,
Da säumten auch die andern nicht,
Schwangen mit leuchtendem Gefieder
Auf einen hohen Berg sich nieder,
Und wo ihr Auge deutlich sah,
Was unten in der Stadt geschah.
O weh, so viel sie auch geschaut,
Sie fanden nichts, was sie erbaut.
Die Menschen waren voll Verstand,
Dabei schlau, emsig und gewandt;
Doch wußten sie sich nur zu plagen,
Das nannten sie „ihr Glück erjagen“.
Da gab's ein Feilschen, Drängen, Schrein,
Und alles nur um Mein und Dein,
Um Geld und Gut, Macht und Gewinn. —
Auf Markt und Gassen her und hin
Kein schlicht einfältig Menschenkind
Der Engel Blick da unten findt'.
[333]Die Leute hatten Augen zwar,
Und waren blind doch ganz und gar
Für all' die Schönheit und die Pracht,
So Gott der Herr für sie gemacht.
Der König sah nur an sein Scepter,
Grammaticam nur der Präcepter,
Der Schuster seine Pfriem' und Leist,
Der Kriegesknecht sein Schwert zumeist.
Wie solches nun die Engel sahn,
Schauten sie sich erschrocken an.
Nach dem, was von der Menschen Art
Auf Markt und Gassen sie gewahrt,
Thät ihnen alle Lust vergehn,
Die Leute näher anzusehn.
Da faßten sie denn schweren Groll,
Wurden gewalt'gen Zornes voll,
Und flogen graden Wegs sogleich
Zu Gottes Thron ins Himmelreich,
Und riefen: „Herr mit deiner Erden
Muß es noch heute anders werden.
Wir bitten dich, o schau doch hin,
Wie sich verkehrt der Menschen Sinn!“ —
[334]Der Herr mit ernstem Angesicht
In heil'ger Ruhe darauf spricht:
„Ihr, die ihr so des Zornes voll,
Was meint ihr, daß geschehen soll?“ —
Die Engel riefen: „Alsofort
Send' uns hinab zur Erde dort!
Tilg alle Schönheit zu dieser Frist,
Und laß nur stehn was nützlich ist.
Der Sonne nimm den lichten Glanz,
Den Brünnlein ihrer Wellen Tanz.
Laß alle Blumen uns abmähen,
Den Berg mit Heu und Stroh besäen;
Dem Vogel nimm sein Stimmlein zart,
Daß er nur krächz' nach Raben Art;
Und von der Menschen Angesicht,
Daß du so lieblich zugericht't,
Nimm jede Zier und jeden Putz,
Daß es nur dien' zum bloßen Nutz.
Wollen die Menschen sich selber leben,
Brauchst du dir keine Müh' zu geben.“ —
Da lächelt ob der Engel Rath
Der Herr und spricht: „Sind in der That
[335]Auf Erden alle Menschenkinder
Wie ihr da sagt, so arge Sünder:
Nehmt eure Sicheln, flieget hin,
Und thut sofort nach euerm Sinn.“ —
Die Engel hoben ihr Gefieder,
Und schwebten zu der Erde nieder
Mit goldnen Sicheln in den Händen,
Das Amt der Richter zu vollenden.
Da lag dicht vor der Stadt ein Feld
Mit Blumen wonniglich bestellt,
Gerade zu der Rosenblüh'
An einem schönen Morgen früh.
Die Brünnlein durch die Blumen rannen,
Dabei ein Wald von Buchen, Tannen,
Drin manch ein Vogel fröhlich sang. —
Das war ein Rauschen, war ein Klang,
Ein Funkeln in dem Sonnenschein,
Es konnte gar nicht lust'ger sein!
Und all' die Schönheit sollt' auf Erden
Vertilgt nun durch die Engel werden.
Schon wetzten sie die Sicheln schnell,
Da schauten sie zur selben Stell'
[336]Viel kleine Buben keck und frisch,
Die trieben Kurzweil im Gebüsch,
Am Quell und auf dem Wiesenplan.
Die Engel schlichen sich heran,
Und sahen zu der Knaben Spiel.
Da saßen an dem Ufer viel,
Hatten so rechte Herzensfreud'
An dieser Erde Lieblichkeit;
Mit kleinen Stäblein in der Hand,
Sie rissen nach im weichen Sand
Was sie erschaut, mit flinker Hand:
Den spitzen Fels, den runden Hügel,
Den Vogel mit gespreiztem Flügel,
Auch Bäum' und Blumen fehlten nicht;
Sogar des Menschen Angesicht
Mit Nas' und Mund und schlichtem Haar
Durch Strichlein da umrissen war. —
Die andern auch nicht feiern thäten,
Mühten sich ab in Thon zu kneten
Was ihnen vor Augen war bereit,
Wie's eben ging mit Emsigkeit;
Conterfeiten die eignen Brüder,
Den runden Kopf, die vollen Glieder. —
[337]Noch waren da der Kinder mehr,
Die holten grüne Zweiglein her,
Steckten sie rings in Leim und Erden
Als sollt' ein Häuslein daraus werden;
Die Äst' gewölbet sie verschränken,
Blum' und Blättlein darüber henken;
Hei, wie da jauchzt die ganze Schar,
Wenn solch schön Häuslein fertig war. —
Noch waren Knaben auf dem Plan,
Die huben andre Schnurren an:
Der Brüder Art und Mien' und Blick
Ahmten sie nach mit viel Geschick,
Stellten sich an wie alte Leut',
Sprachen bald närrisch, bald gescheidt. —
In Tönen andre jubilirten
Wie an den Vöglein sie's verspürten,
Schlugen den Takt mit Schelmenblicken
Dazu einander auf den Rücken. —
Auch saßen viele auf den Bäumen,
Und was in Erd' und Himmelsräumen
Geschaut sie und gehöret dorten,
Mußten sie künden in hellen Worten;
Reimten zusammen „Freud“ und „Leid“,
Hatten ihr Verslein gleich bereit. —
[338]Wie solches Spiel die Engel sahn,
Hielten sie mit den Sicheln an;
Mußten lachen aus Herzensgrund
Über die Buben klein und rund,
Die sich in ihrer Freudigkeit
Mit Wort und Werken sahn bereit
Des Herren Schöpfung nachzumachen. —
Und ob dem Schau'n und ob dem Lachen
Kam ganz den Engeln aus dem Sinn
Was sie geführt zur Erden hin.
Fingen selber zu spielen an
Mit den Buben auf grünem Plan,
Halfen da bauen und bilden und singen
Und manches schöne Werk vollbringen.
Die Knäblein aber freuten sich
Der Himmelsboten inniglich,
Ließen sich viel von ihnen sagen
Von der Welt Schöpfung und ersten Tagen.
Und als nun gar die Engel ihnen
Erzählten mit verklärten Mienen
Von aller Himmel Herrlichkeit
Und aller Seligen Seligkeit,
Was hörten da die Buben zu!
[339]Hatten auf Erden nicht mehr Ruh',
Wußten nach Kinderart zu schmeicheln
Mit Bitten und mit Händestreicheln,
Daß ihnen zum Versuch nur eben
Die Engel ihre Flügel gäben.
Das hat den Engeln wohlbehagt,
Haben nicht lange nachgefragt,
Nehmen die Flügel sich vom Rücken,
Lieh'n sie den Buben mit frohen Blicken!
Die aber also ausgezieret,
Mit Himmelsrüstzeug ausstaffiret,
Sie flogen lustig auf und fort
Über die Erde hier und dort,
Bis in die Wolken selbst empor;
Klopften sogar ans Himmelsthor,
Bis da Sanct Peter mit Vertrauen
Erlaubt durchs Schlüsselloch zu schauen.
Was dort sie sahn, sie hielten's fest
In ihrem Sinn aufs allerbest'. —
Die Engel, die sie fliegen sahn,
Sie hatten große Lust daran;
Doch als das Spiel währt gar zu lange,
[340]Ward ihnen doch auf Erden bange;
Die Schwingen hatten sie vergeben,
Wie sollten sie zum Himmel schweben?
Umsonst sie ihren Ruf erhoben,
Die Buben hörten's nicht da oben,
Versenkt in Lust und Sonnenschein. —
Jetzt fiel es erst den Engeln ein,
Was sie da alles angerichtet,
Wie sie den Herrn so falsch berichtet,
Wie sie im Eifer ganz verblend't,
Ihm gar gepfuscht ins Regiment.
So setzte reuig sich die Schar
Da wo der Wald am tiefsten war,
Und saßen da und grämten sich,
Und sahn sich an und schämten sich.
Doch Er, der kennt Verdienst und Schuld,
Langmüthig ist und voller Huld,
Er sah der Engel Reu' und Pein,
Und sprach: „Euch soll verziehen sein,
Doch künftighin verdammet nicht;
Ich bin der Herr; mein das Gericht!“ —
Gab ihnen neue Schwingen gleich,
Drauf flogen sie ins Himmelreich.
[341]Und zu den Knaben frisch und gut
Sprach er: „Bewahret euern Muth,
Und seid erfüllt mit Himmelsglut,
Daß ihr fortan den andern Leuten
Der Erde Wunder möget deuten.
Eu'r Auge sei ein klarer Spiegel,
Darin sich zeigt der Schönheit Siegel,
Das ich hab' aufgedrückt der Welt,
Zu meinem Reich sie so bestellt.
Euch aber will ich Künstler heißen,
Weil ihr der Kunst euch sollt befleißen!
Erschlossen werd' auch ferner euch
All meiner Schöpfung weites Reich.
Drum sollt behalten ihr die Schwingen
Zu Lust und Ernst und hohen Dingen,
Draus jeglicher entnehmen mag:
Daß Menschenweisheit arm und schwach,
Daß ich es bin, der diese Welt
Erschuf und lenkt und sie erhält!“ —
Und wie der Herr gesagt solch Wort,
So ist es auch geschehn hinfort: .
Mit leichten Flügeln ausgezieret
Die Buben blieben ausstaffiret,
[342]Konnten nun fliegen aller Orten
Über die Erde hier und dorten,
Sahn vieles rings auf weiter Erden,
Was war, was ist und noch soll werden:
Schlechtes und Rechtes, Schand' und Ruhm,
Dazu viel Schalkheit und Narrenthum;
Und was sie sahn, sie stellten's hin
In ihrem Werk mit treuem Sinn. —
Also, Legende uns erzählt,
Wie Künstler kamen in die Welt.
Noch einen Gang
[343]Noch einen Gang, einen schweren Gang
Hab' ich zu thun:
Die alte, düstre Mauer entlang,
Wo die Todten ruhn,
Zu einem Grab ohne Kreuz und Stein,
Wo keine Cypressen klagen;
Man senkte hier zwei Herzen ein,
Die heiß für mich geschlagen.
's ist trübe Nacht, und ungesehn
Ans Älterngrab ich trete,
Die Trauerweiden hör' ich wehn,
Sie flüstern wie leise Gebete;
[344]Zur vollen Weihrauchwolke schwillt
Der Duft der Lilienblüte,
Ein wehmuthsschweres Seufzen quillt
Schmerzlich aus meinem Gemüthe.
In deutschem Lande sterb' ich nicht,
Nicht hier werd' ich begraben;
Wo die Wüste sich dehnt, das Meer sich bricht,
Werd' ich mein Bette haben.
Doch Nachts entsteigt mein Geist dem Sand,
Irrt über Meer und Berge,
Und segnet liebend und unerkannt,
Doch thränenlos die Särge! —
Lied
Nun sing' zu deinem Ruhme
Ich Lieder keusch und rein,
Du holde Frauenblume,
Geliebtes Leben mein!
[345]Ein Wunder ist geschehen:
Du, der kein Mai gelacht,
Fühlst erst im Herbst das Wehen
Der Liebe angefacht.
Ich weckte späte Blüten,
Die drum nicht minder schön,
Und treu will ich sie hüten,
Daß Früchte draus entstehn;
Rings schwellt im Sonnengolde
Der Traube süße Frucht,
Voll Körner steht die Dolde
An wald'ger Bergesschlucht.
Du, gleich den schlanken Reben,
Rankst dich an mir empor,
Dein fast verwelktes Leben
Steht voll im Blütenflor;
Bald werden Purpurtrauben
Hell schimmern aus dem Grün,
Willst du nur an mich glauben
Frisch, unverzagt und kühn.
[346]Wenn goldne Sterne blinken
Auf blauem Himmelsgrund,
Laß Minnewein uns trinken,
Mein Becher sei dein Mund;
Dann sing' zu deinem Ruhme
Ich manches Lied beim Wein,
Du holde Frauenblume,
Geliebtes Leben mein!
Hier unter den grünen Bäumen
[347]Hier unter den grünen Bäumen,
Von der goldnen Morgensonne durchblitzt,
Wie selig läßt's sich's träumen,
Wenn man so einsam sitzt.
Am Boden spielen die Flittern —
Das Laub und die Seele zittern
Von kühler Morgenluft;
Die Rosen dort am Strauche,
Sie neigen sich dem Hauche,
Und spenden ihren süßen Duft.
Wie fühl' ich nun das Walten
Des schaffenden Geist's, der mich umweht,
Der lieblich in Gestalten
Vor meinem Auge steht!
[348]Recht in der Fülle der Erden
Empfind' ich still als Werden
Den tiefsten Grund des Seins;
Die Rosen, die dort schwanken,
Und in mir die Gedanken,
Sie grüßen sich als Eins!
Hier unter den grünen Bäumen,
Von der goldnen Morgensonne durchblitzt,
Wie selig läßt sich's träumen,
Wenn man so einsam sitzt.
Dann regt sich's mit süßem Klange,
Was ich im Lebensdrange
Verloren schon geglaubt;
Und, fern vom Weltgewühle,
Weht es wie Morgenkühle
Weich um mein sinnend Haupt.
Böser Frühling
Sieh, durch alle Mauerritzen
Drängt mir schon das junge Grün;
Mag nicht mehr im Zimmer sitzen,
Mich um ernste Dinge mühn.
[349]Tausend Vögel hör' ich singen,
Necken mich den ganzen Tag,
Abends bei gelehrten Dingen
Stört mich Nachtigallenschlag.
Wie das schöne Frühlingswetter
Tief mir Geist und Seele trifft,
Wird mir unklar gelber Blätter
Dunkle Hieroglyphenschrift.
Nein, ein Buch aus grünen Blättern,
Das gefällt mir allermeist,
Sonnengoldig sind die Lettern,
Blumenduftig ist ihr Geist.
Weil der Frühling denn gekommen,
Schlag' ich meine Bücher zu;
Sonne wird mir besser frommen,
Und im Walde find' ich Ruh'!
Rüdiger Manesse
1351
[350]Bei Tätweil liegt das Zürcherheer,
Bereit zur blut'gen Schlacht;
Der Ellerbach bedrängt es schwer,
Er hält die Berge ringsumher
Besetzt mit Übermacht.
Und immer enger zieht den Kreis
Der Österreicher nun;
Die Zürcher stehn nach Heldenweis',
Ihr Führer nur macht fort sich leis',
Der Bürgermeister Brun.
[351]Doch Rüdiger Manesse tritt
Vors Zürichbanner hin,
Und ruft: „Verliert den Muth mir nit!
Der rechte Mann weicht keinen Schritt,
Mag auch der Brun entfliehn!“
Der Rüdiger Manesse schwingt
Sein Schwert und ruft darauf:
„Und sind wir auch vom Feind umringt,
Die Nachtigall von Eisen singt
Gar lockend 'dran und drauf'!“
Da bricht im Thal ein Schlagen los,
Ein Schlagen und Gebraus:
Des Herzogs Scharen, dreifach groß,
Sie reißend fliehend vorm Geschoß
Der kühnen Zürcher aus.
Und heimwärts kehrt mit Sang und Klang
Die frohe Heldenschar;
Vorm Zug man hoch sechs Banner schwang,
Die kühnlich man im Streit errang,
Viel Blut auf jedem war.
[352]Nach Zürich ziehn sie freudiglich
Vorbei am Schlößlein Brun's;
Manesse ruft: „Wir lassen dich,
Herr Bürgermeister, nicht im Stich,
Wie du bei Tätweil uns!“
Nach Zürich kehrt mit Sang und Schall
Die Schar zur Morgenstund',
Das Singen scholl im Widerhall
Von Zürichs grünem Schanzenwall,
Das drang zum Herzensgrund.
Dem Rüdiger Manesse lacht
Das Herz im Leib wol auf;
Er reitet froh nach heißer Schlacht
Zum Minnesitz in Waldespracht
In sein Manegg hinauf.
Bettler und Bettlerin
[353]Der Bettler geht mit seiner Frau
Zum Dorf hinein, zum Dorf hinein;
Der Bettler spricht zu seiner Frau:
„Geh' du allein, geh' du allein —
Und sind wir durch, wir treffen dann
Dort hinter'm Dorf uns wieder an
Am Holderzaun, am Holderzaun.“
Er geht nun rechts, sie geht nun links
Von Haus zu Haus, von Haus zu Haus;
Die Frau ist stumm, das Männlein hinkt
Zum Hof hinein, zum Hof hinaus.
Die Schuhe sind im Korn versteckt,
Damit der Bauer nicht entdeckt
Wie arm sie sind, wie arm sie sind.
[354]In Wochen liegt des Schulzen Frau,
O Schelmenglück, o Schelmenglück!
Von schwarz und weißem Kuchen gibt's
Ein großes Stück, ein großes Stück.
Der Pfarrer hat gar Hochzeitsfest,
Er gibt, daß er sich sehen läßt,
Drei Kreuzerlein, drei Kreuzerlein.
Vorm Hirtenhause kräht ein Hahn,
Der legt kein Ei, der legt kein Ei!
Was kümmert das den Bettelmann,
's ist einerlei, 's ist einerlei:
Er jagt ihn auf dem Feld umher,
Ein todter Hahn, der kräht nicht mehr, —
Zum Korb hinein, zum Korb hinein!
Die Frau sitzt schon am Holderzaun,
Ist müde nun, ist müde nun.
Er spricht: „Die Schuh' hol' aus dem Korn,
Jetzt will ich ruhn, jetzt will ich ruhn.“
Die Frau spricht: „Nein, das thu' ich nicht.“
Er schimpft, sie kratzt ihn ins Gesicht, —
Sie prügeln sich, sie prügeln sich!
[355]Schon kämpfen sie mit Hand und Fuß,
Der Korb zerbricht, der Korb zerbricht;
Im Staub liegt Kuchen, Wurst und Brot,
Sie sehn es nicht, sie sehn es nicht, —
Da plötzlich über Stock und Stein
Fliehn Mann und Weib mit flinkem Bein, —
Der Bettelvogt! Der Bettelvogt!
Ein Herz ist immer ein Gewinn
[356]O schätze nie ein Herz gering,
Ist dir's auch nimmer zugethan;
Ein Herz ist stets ein köstlich Ding
Mit seinem Weh und seinem Wahn.
Und liebt dich eines wie es sei,
Misbrauch' es nicht und nimm es hin;
Du wählst ja Schlimmres mancherlei —
Ein Herz ist immer ein Gewinn.
Und triffst du eines kalt und schlimm,
Ein böses Herz, ein hassend Herz:
Dein Auge sei die Sonne ihm,
Die weiße Blumen lockt im März.
[357]Es ist kein Thal so dürr und graus,
Es wächst ein grüner Halm darin;
Drum streue deine Saaten aus —
Ein Herz ist immer ein Gewinn.
Und hat sich eins dir zugewandt,
Das sich in Spötterwitz ergießt,
Liebkos' es nur mit treuer Hand;
Mild wird ein Herz, das Treu' genießt.
Denn manches ist wol brav und gut,
Doch kränkt es oft ein böser Sinn;
Drum steht es wol auf seiner Hut —
Ein Herz ist immer ein Gewinn.
Und hast du, ach! ein Herz erkannt,
Das nicht mehr Blut zur Wange treibt,
Das sich der Ehr' hat abgewandt,
So daß ihm keine Tugend bleibt;
Erscheint dein Geist ihm läuternd Licht,
Und neigt sich flehend zu dir hin:
O Tugendheld, verstoß es nicht —
Ein Herz ist immer ein Gewinn.
Von der Rebe
[358]Frühling hat die Welt bewegt,
Blume blüht und Vogel schlägt,
Nur die Rebe, schlank und schwank,
Weint, als sei sie sehnsuchtkrank;
Alle, die nach Blumen trachten,
Wenig jetzt die Rebe achten.
Sommer sendet Sonnenbrand,
Blume welkt im dürren Sand,
Und die Rebe nur allein
Saugt die Strahlen wonnig ein;
Durch die Glut, die andern schadet,
Wird die Rebe hoch begnadet.
[359]Herbst mit seinen Früchten kommt,
Vieles bringt er, das uns frommt;
Doch als seiner Gaben Rest
Bringt er uns das Lesefest:
Eh' die Stürme alles rauben,
Kommt das Beste, kommen Trauben.
Nun, wo keine Blumen blühn,
Schnee bedeckt das letzte Grün,
Wo erlischt der Sonne Schein,
Winkt die Flasche, winkt der Wein:
Frühling, Sommer, Herbstesgaben
Sind im Flaschengrund begraben.
Freunde, zieht die Pfropfen aus!
Jahres Wonne strömt daraus;
Alles, was das Jahr gebracht,
Hell nun aus dem Glase lacht:
Freuden aller Jahreszeiten
Soll'n uns durch die Kehlen gleiten.
Als die Rebe hat geweint,
War uns wol ein Lieb vereint;
[360]Sommer brachte Ros' und Kuß,
Herbst nahm Ros' uns und Genuß;
Aber Blüte, Lust und Lieben
Sind im Weine uns geblieben!
Griechisches Märchen
[361]Nun glänzt in heimlichem Glanze
Der Osten; dort steigt hervor
Eos auf goldenem Wagen
Aus strahlendem Himmelsthor.
Sie zügelt die eilenden Rosse,
Die eilen geschwind, geschwind,
Schnaubend aus glühenden Nüstern;
Das bringt der Morgenwind.
Was zittern der Göttin die Hände?
Was ist so trüb ihr Gesicht?
Den todten Sohn sucht die Mutter,
Sucht ewig und findet ihn nicht.
[362]Ihn sandt' sie den Troern zu Hülfe,
Da siel er in Achilleus' Hand:
Wo liegt meines Sohnes Leiche
Im fremden, unheiligen Land?
Schnell ist sie vorübergeflogen
Klagend und weinend — und schau:
Überall liegen die Thränen,
Der zitternde Morgenthau!
Die Geiger
I.
Sind zwölf lust'ge Musikanten,
Eine junge wilde Bande,
Ziehn sie mit den tollen Fiedeln
Durch der Heimat kahle Steppen.
In den Kleidern sitzen Flicken,
In den Augen helle Blitze,
[363]Muth im Herzen; doch vor allem
Klänge in den tollen Fiedeln.
Von den Zwölfen trägt ein jeder
Seine gute alte Fiedel,
Und gewiß kein junges Liebchen
Hängt an seinem Halse treuer.
Kosend fallen seine Locken
Um den schlanken Hals des Liebchens,
Wenn der reiche Geigenhäuptling
Wilde Klänge ihr entlocket.
In ihr dunkelbraunes Antlitz
Fall'n die Locken, und sie zittert;
Jubelnd springt der schnelle Bogen,
Jubelnd singt das frohe Liebchen.
II.
Nah' am Dorfe bei den Linden
Dreht und schwingt es sich im Kreise;
Schmucke Dirnen, schlanke Burschen
Jauchzen laut in lust'gem Tanze.
[364]Oben rauschen grüne Wipfel,
Unten rauscht der Töne Fluten;
Gutgestimmt sind alle Geigen,
Frohgelaunt sind alle Fiedler.
Ei, das ist das schmuckste Mädchen,
Die dort mit dem schlanken Burschen
Fröhlich durch die Reihen flattert!
Gar so wonnig lacht ihr Antlitz.
Gar so wonnig blühn die Rosen
Auf dem frischen rothen Munde;
Wenn sie lacht mit ihrem Munde,
Lacht es rasch in Aller Herzen.
Auch die Geiger sitzen fröhlich,
Wenn sie so herüberschauen
Nach der allerflinksten Dirne.
Aber Einem trifft das Herz sie.
„Häuptling“, sagt der eine Geiger,
„Häuptling, diese war mein Mädchen!
Treulos hat sie mich verlassen;
Denkst du's von der schmucken Dirne?
[365]Sieh, mit meinen starken Armen
Hielt ich sie noch jüngst umschlossen;
Thor ich, der die Seele meinte
Mit dem Leib zugleich zu halten!
Wenn sie lachte, lag ein Himmel
Auf dem Antlitz ihr, es strahlte
Sonnenschein ihr aus den Augen,
Und doch war sie falsch im Herzen!“
Wie ein trüber Wolkenschatten
Fliegt es ob des Häuptlings Stirne;
Niemand weiß, woher er komme,
Überall ist Sonnenklarheit.
Und mit dumpfen, hohlen Schalles
Rasch vom hohen Fels ein Bach stürzt —
Lange lief er lustig neckend
Durch den ebnen grünen Boden —
Also stürzen aus der Fiedel
Töne aus der muntern Höhe
Schnell hinab; wie's unten jammert!
Wie es schauert in den Tiefen!
[366]„Wieder muß es sein die Rache,
Die die frohen Geiger singen“,
Spricht der Häuptling. Und die Andern
Stimmen rasch in seine Weise.
Daß sie köstlich sei die Rache,
Ganz den Durst der Seele lösche,
Will sie erst das Herz bethören;
Horch, wie klingt das dennoch seltsam!
Klänge wieder aus so lieben,
Aus so schmeichelsüßen Weisen
Überströmen rasch dein Herz dir;
Zittert es, so ist's vor Freude.
Ist das nicht dieselbe alte,
Ist das nicht die holde Weise,
Die vor einer kleinen Frist noch
Zweier Herzen liebstes Lied war?
Ja, sie ist es, und aufhorchend,
Rasch erkannt hat sie das Mädchen.
Warum ist's denn nimmer fröhlich,
Will nicht lachen, wie vor kurzem?
[367]Zärtlich wie ein Rudel Kinder,
Die sich um den Hals dir hängen,
Weil du frohgelaunt mit ihnen
Spielst auf grünem Waldesboden:
Hängen, drängen sich die Töne
In das zagend bange Herz ihr,
Weil sie ja noch stets gedenk ist
Jener holden Liebesspiele.
Wie ein Rudel froher Kinder
Weinend aus dem Walde ziehet,
Aus dem grünen Walde weinend,
Weil das lust'ge Spiel zu Ende:
Also weinen jetzt die Töne,
Ziehn ins Herz mit tiefem Beben,
Wie ein lauter Angstschrei klingt es —
Weil das lust'ge Spiel zu Ende.
Ei, wie ist doch überhastig
Von der Braut die Lust gewichen,
Wie ein Dieb, der vor den Rächern
Schnell entflieht in Waldesdunkel!
[368]Ei, wie wirst du blaß, Marie!
Süßes Mädchen, macht's das Tanzen?
Und was irren deine Augen
So verstohlen nach den Geigern?
Fürchtest du der wilden Männer
Einen aus der Jubelbande?
Sieh, sie siedeln ja so lustig —
Und du liebst die frohen Weisen!
Ei, wie wirst du blaß, Marie!
Bleich und kalt ist deine Wange;
Bleich und kalt ist auch dein Mündchen —
Herr Gott, hilf! Hier eine Todte!
Laut ertönt der Menge Angstschrei;
Allzumal die Fiedeln schweigen.
Treulos Liebchen! Treulos Liebchen!
Rasch von dannen ziehn die Geiger.
III.
Still und öde liegt die Heide,
Kaum ein Lüftchen treibt vorüber
[369]Durch die Reiser matten Zuges;
Auf der Heide liegt der Mondglanz.
Nur von ferne, schon verhallend,
Hörst du noch als wie von Männern,
Wie von wanderlust'gen Männern,
Rasche Schritte wie im Echo.
Eilig ziehen sie von dannen
Durch die lichte klare Heide,
Weit ist's noch zu ihrem Ziele,
Und nicht weit ist's mehr vom Morgen.
Wenn ermüdet fast die Männer,
Nimmt der Eine rasch die Geige,
Und von neuem geht's im Takte
Mit der frohen raschen Weise.
Also ist die gute Sitte
Bei den wanderlust'gen Fiedlern;
Stets zu Hülfe ist die Geige,
Wer's nur wie die Geiger könnte!
IV.
Sind das frohe Feierklänge
Oder sind es ernste, trübe,
Die herab vom hohen Thurme
In den lauten Tag erschallen?
Mit dem ersten frühen Morgen
Kamen sie aus Luft und Himmel;
Wußt' doch kaum, warum so trübe
Mir so bang' bei ihrem Schall ward!
Ach, es war dasselbe Klingen,
Dem ich oft gelauscht vor Zeiten,
Wenn bei Frühlingslust und Liedern
Man hinaustrug einen Todten.
Ringsum war's der Besten einer
Aus der Bande lust'ger Fiedler,
Darum zogen auch die Zwölfe
Also rasch mit ihren Geigen.
Jetzt, wo ist der Sinn, der rasche?
Kaum die Füße wollen schreiten
[371]Hinter ihrer Bruderleiche;
Träg' und langsam geht die Trauer.
Klar, als hätt' er nichts verbrochen,
Scheint der junge Frühlingsmorgen,
Und doch bettet er zu Grabe
Eine frühe junge Leiche;
Jubelt in den Tag die Lerche,
Schwirrt der Vogel durch die Zweige —
Über'm Weinen lust'ges Singen
Um den Tod die junge Frühe.
Soll der Todte in den Himmel,
Soll der Trauernde vom Grabe
Also einsam, so verlassen
Guten alten Trostes heimgehn?
Spricht's der Häuptling, und zu Arme
Nimmt er seine gute Geige;
Mit den Andern bei den Grüften
Geigt er eine ernste Weise!
Wie ein kalter Regenschauer
Rieselt es in ihre Seelen,
[372]Wie die Töne so erklingen,
Klang um Klang wie eine Klage.
Ihre Herzen krampft die Trauer;
Nun Ade, du todter Bruder!
Also klang der Brüder manchem
Deine eigne gute Weise.
Ihre Trauer stillt die Weise;
Wie ein milder Himmelssegen,
Wie der warme Frühlingsodem
Schmiegt sie sich in ihre Seelen.
Mit den Klängen zieht die Seele,
Seine gute, seine treue,
Aus dem dunkeln Erdengrabe
In den weiten blauen Himmel.
Aus dem Himmel sind sie nimmer,
Solche Klänge, solche Seelen.
Flieget weiter, flieget weiter;
Lebe wohl, geliebter Bruder!
An die Freunde
[373]Alles, was uns lieb ist, lebe!
Und was lebet, sei uns lieb!
Ob kein Glück uns Dauer gebe,
Wenn uns nur das Gold der Rebe,
Wenn uns nur die Freundschaft blieb!
Göttergabe sind die Stunden;
Lebe! lautet ihr Geheiß,
Wenn zum Guten schön verbunden
Sich ein froher Kreis gefunden,
Froh und gut wie dieser Kreis.
[374]Ist er nächstens auch zerstoben,
Sind wir heute doch vereint;
Möge jeder drum erhoben
Gern die gute Stunde loben,
Die uns noch so freundlich scheint!
Luther
[375]Als von des Scheiterhaufens Flammen
Umlodert Huß, der Märt'rer, stand,
Und über seinem Haupt zusammen
Von allen Enden schlug der Brand,
Da hob er still den Blick, den frommen,
Gelassen lächelnd himmelan,
Und sprach: „Aus meiner Asche kommen
Nach hundert Jahren wird ein Schwan!“
Nun hundert Jahre sind entschwunden
Seit Hussens Staub der Wind verstreut;
Wo weilt der Schwan? Wer kann's bekunden?
Kein Auge sah ihn noch bis heut'.
[376]Und hat des Märt'rers Wort gelogen?
Und sprach er nur im Fieberwahn?
O nein, o nein! Auf stillen Wogen
Heran gerudert kommt der Schwan.
Von seines Geistes Flügelschlägen
Belebt die Wasserwüste sich;
Er steuert kühn dem Sturm entgegen,
Und tobt er noch so fürchterlich.
Er rudert still und ohne Zagen
Mit einem Ölzweig seine Bahn;
Ans Ufer will den Ölzweig tragen,
Der Taube Noah's gleich, der Schwan.
Die Eule mit des Geiers Krallen,
Die einst erwürgt die Taube Huß,
Sie hört des Schwanes Fittig schallen,
Und sträubt die Federn voll Verdruß.
Sie lechzet schier nach seinem Blute,
Und kann doch nichts ihm haben an;
Und uferwärts in stillem Muthe
Mit seinem Ölzweig zieht der Schwan.
Nun nimm mich auf, du grünes Waldeszelt!
[377]Nun nimm mich auf, du grünes Waldeszelt,
Und ihr, Dryaden, gebt mir das Geleite —
Scheucht mir den blassen Mann von meiner Seite,
Der unberufen mir sich zugesellt!
O fürchtet nichts! Es ist ein schlechter Held,
Der nicht um Ehre ringt, nur um die Beute;
Erwerben — heißt sein Ziel. Vernünft'ge Leute
Lehrt er, wie man sich schickt, wie man gefällt!
Mir aber hat er jede Lust vergällt!
Wenn ich Genuß, den raschen Renner, reite,
Da hetzt er hinter mich der Sorgen Meute:
Pflicht, Amt, Beruf — das heult um mich und bellt,
Dieweil er vorn mir in die Zügel fällt
Und meint, ein „Morgen“ folge auf das „Heute“.
[378]O still, mein Roß; nur sachte, sachte schreite;
Die haben dir vergebens nachgestellt!
Wie ruhig sich das muth'ge Thier verhält
Auf weichem Moosgrund, den noch nie entweihte
Ein Wort, ein Fluch, aus dem verborgnen Streite
Der gier- und groll- und gramverwirrten Welt!
Halt an, mein Roß, wo's rieselt, rauscht und quellt,
Daß ich im Moos ein Lager mir bereite,
Vergesse, was mich quälte, was mich reute,
Hier, wo Erinn'rung keine Schlinge stellt.
Wie wird das Herz so leicht, so lichterhellt!
Die enge Brust, sie dehnt sich in die Weite,
Mild naht ein Traum; — o, daß er mich begleite,
Wenn labend mich wie Thau der Schlaf befällt!
So nimm mich auf, du grünes Waldeszelt,
Und ihr, Dryaden, gebt mir das Geleite!
Sei still, mein Herz
[379]Sei still, mein Herz, und klage nicht:
Der Frühling kommt, der Frühling naht!
Hervor aus dunkelm Schoose bricht
Der frische Sproß, die grüne Saat.
Es pocht der erste Sonnenstrahl
An jede Brust mit Zauberschlägen,
Daß sich von Licht und Duft und Schall
Im tausendfachen Widerhall
Der Seele Saiten neu bewegen.
Mein Herz, wie schlugst du doch so bang
In langer, trüber Winterzeit,
Und hast verlernt der Lieder Klang,
Der leise löst der Seele Leid.
Was starrst du an den jungen Flor
Der Welt, und wagst es nicht zu hoffen!?
Der Gram, darin dein Muth erfror,
Zerrinnt und drängt und quillt hervor,
Vom Frühlingssonnenstrahl getroffen.
[380]Sahst du den Bach, als eingezwängt
Im Eise stockten seine Wellen?
Nun da er seine Decke sprengt —
Sieh, wie die Ufer überschwellen!
So schwillt empor das alte Leid; —
O laß die Thränen, laß sie strömen!
Die Seele wird so frei, so weit,
Des Frühlings ganze Herrlichkeit
Tief athmend in sich aufzunehmen.
Traf Täunschung dich, traf dich Verlust,
Und sahst du Stern auf Stern erblassen,
Da du dir keiner Schuld bewußt,
Was soll der Gram? Was soll das Hassen?
Blick an den Thau! — Es sind der Nacht
Viel düstre Thränen wol geflossen:
Nun da der lichte Morgen lacht,
Ist's nicht wie Diamantenpracht,
Die auf die Welt dahingegossen?!
Wohl dem, der nicht das Herz verschließt,
Wenn seiner Wünsche Raum zerronnen;
Der das, was ihm verblieb, genießt,
Und wären's nur des Frühlings Wonnen! —
[381]Doch besser, wer sich stolz erhebt
Mit raschem Muth, mit kühnem Sinnen,
Wo neue Kraft die Welt belebt,
Auch wieder hofft und wagt und strebt,
Den höchsten Kampfpreis zu gewinnen.
Unterwegs
Episode aus dem Flüchtlingsleben
Geschrieben 1851 in Orléans
[382]Der Abend kam, wir saßen am Kamin,
Ein ziellos Volk, gewürfelt bunt zusammen,
Vom Schicksalssturm auf Augenblicke hin
Vereint um Eines Herdes düstre Flammen:
Der blinde Bettler mit dem Pudelhund,
Der ihm am Seile leitet durch die Gassen,
Der Invalid, der alte Vagabund,
Vor kurzem aus dem Bagno erst entlassen,
Der Handelsmann, der seinen dürft'gen Kram
Von Haus zu Hause schleppt in Gram und Scham,
Der fremde Flüchtling, in des Glückes Schoos
Jüngst ruhend noch, nun bettelnd heimatlos,
[383]Was alles nur verworren kriecht und bunt
Sich nährt tief auf des Bodens Schlamm und Grund.
Die Nacht war kalt und klar, wild tobte draußen
Der Wintersturm mit unheimlichem Sausen,
Indessen wortlos brütend vor uns hin
Wir in die Kohlen starrten am Kamin.
Zuweilen nur scholl aus dem stummen Chor
Ein roher Witz, ein Seufzer auch empor.
Der blinde Bettler rief: „Heda, mehr Licht,
Frau Wirthin! 's ist ja Nacht, ich sehe nicht.“
„Und kalt ist's auch“, rief unter Fluch und Lärmen
Der Invalid, „wollt ihr, daß ich ins Feuer
Noch meinen Stelzfuß werfe, uns zu wärmen?
Noth thät' es wahrlich, denn der Wein ist theuer.“
„Und gingen die Geschäfte nur etwas“,
Sprach der Hausirer, „ich tränk' auch ein Glas;
Doch immer größer wird die Noth im Volke.“
Er seufzt' und alle schwiegen wie zuvor.
Auf einmal riesig aus der Tabackswolke
[384]Hob sich der greise Vagabund empor.
Um seine Brauen lag es lange schon
Wie eines Wetters unheimliches Drohn,
Und auf der Stirne seine Ader schwoll,
Und donnernd also jetzt sein Wort erscholl:
„Wo liegt die Quelle von des Volkes Noth?
Im Volke selbst und seinem feigen Dulden!
Wollt ihr nicht ewig eure Noth verschulden,
So ruft verzweifelt aus: Brot oder Tod!
Armsel'ge Zeit, wo statt auf Barrikaden
Zu bluten für sein Recht, der freie Mann
Nur auf der Guillotine sterben kann!
Im Bagno nur bei meinen Kameraden
Lebt wie des Elementes wilde Kraft
Noch ungezähmt und frei die Leidenschaft;
Zurück zu ihnen sehne ich mich wieder,
Ich steh' auf dieser Welt sonst ganz allein,
Fast wie der Greis, der mir fällt eben ein.
Noch rieselt kalt es mir durch alle Glieder,
Denk' ich an das, was ich erzählen will.“
Er setzte sich, wir aber horchten still.
„'s war Neunundachtzig beim Bastillensturm,
Die Glocken heulten wild von jedem Thurm
[385]Und um die alte finstre Zwingburg her
Schwoll heulend wie der Sturm des Volkes Meer ...“
„Ihr war't dabei“, warf froh erstaunt ich ein,
„Ihr kämpftet mit in jenen Heldenreih'n?
Das war ein Volk noch, nicht wie die, so heute
Sich ihres Herr'n verkaufen selbst als Beute;
Das wußte noch zu kämpfen, ja zu sterben,
Sobald es galt die Freiheit zu erwerben.“
„Ich war dabei; ein Knabe von neun Jahren,
Kämpft' ich ein Mann in jenen Heldenscharen.
Heiß brütete der Julisonne Glut,
Doch heißer kochte noch in uns das Blut.
Die Veste fiel; was wird, was muß nicht fallen,
Wenn einig sich ein Volk zum Kampf erbebt!
Wie alles kam, bekannt ist es euch Allen;
Doch höret weiter, was ich da erlebt.
Wildflutend stürzte zügellos die Menge
Sich durch die Höfe, Treppen, Keller, Gänge;
Die Opfer suchten wir der Tyrannei,
Und jubelnd riefen wir: Frei seid ihr, frei!
Aus einem Kerker aber stieg ein Greis,
Verwelkt sein Antlitz und das Haar schneeweiß.
[386]Er starrt' uns an, es war ihm wie ein Traum;
Ans Geh'n längst nicht gewöhnt, vermochten kaum
Die Füße seines Leibes Last zu tragen.
Doch nannt' er Straß' und Haus auf unser Fragen
Nach seiner Wohnung, die nun funfzig Jahre,
Fluch den Tyrannen! er nicht mehr gesehn,
Und Männer trugen ihn auf einer Bahre;
Wie ein Triumphzug war es anzusehn.
Wir kamen an; man öffnete, man frug,
Maß dann mit kalt neugierig fremden Blicken
Den Alten, den man auf der Bahre trug,
Und schüttelte den Kopf. Mit festem Nicken
Bestätigte jedoch der mürbe Greis,
Was er verwirrt fast selbst bezweifelt hätte:
'Ja wohl, hier ist's, ich weiß doch, was ich weiß;
Dies ist mein Haus und meine Heimatsstätte.
Wo ist denn meine Frau?' — Noch Viele kamen,
Doch nicht ein Einz'ger kannte ihren Namen;
Man sprach wol was von einer jungen Frau,
Die plötzlich, als verhaftet ward ihr Gatte,
Der Schmerz aufs Todtenbett geworfen hatte,
Doch wußte Niemand mehr etwas genau.
Dreimal schon war das Haus verkauft indessen
Und wem es sonst gehörte längst vergessen.
[387]Wir fragten in der Nachbarschaft umher,
Umsonst! es kannt' ihn Niemand, Niemand mehr.
Hinstarben seine Freunde Jahr um Jahr,
Indeß er lebend wie begraben war;
Zwei Menschenalter schlossen ihre Reih'n,
Und als er wiederkam, stand er allein.
Da brach aus seiner Brust ein stöhnend Ach,
Und aus den Augen ihm ein Thränenbach.
So stand er in sich schmerzgebrochen da,
Indeß die bleiche Menge auf ihn sah.
Dann zuckt' er wie in Wuth, wie krampfhaft rafft'
Er sich empor: 'Was steht ihr da und gafft?
Fluch eurer Freiheit, die mein Bett mir nahm,
Die in die Wüste mich zu stoßen kam!
Mein Kerker war mein einziges Asyl;
Wo ich daheim, bin ich wie im Exil.
Dort war doch eine Spinne mein Gefährte,
Jetzt aber steh' ich einsam auf der Erde.
Hoch leb' der König, der ein Dach mir gab!
Mir bleibt nun keine Heimat als das Grab!'
Wir wagten nicht der Läst'rung ihn zu zeihn,
Stumm wich die Meng', entsetzt; er blieb allein.
Mitleidig nahm ihn Einer in sein Haus,
Dort haucht' er bald die müde Seele aus.“ —
[388]Wir saßen wie erstarrt, als er zu Ende,
Und scheu und schweigend ging ein Jeder fort;
Er aber drückt' sein Haupt in beide Hände
Und murmelte für sich das düstre Wort:
„Wie er steh' ich auf dieser Welt allein,
Ich möchte wieder heim im Bagno sein.“ —
Ich stieg hinauf in meine öde Kammer,
Das Herz so öd' wie sie, nur voll von Jammer,
Und ging zu Bett. Schon schlug es Mitternacht,
Es schwieg der Sturm und ruhig war die Nacht;
Der Vollmond warf gespenstisch hellen Schein,
Und unter wirren Träumen schlief ich ein.
Auf einmal traf mein schlummertrunknes Ohr
Ein wilder Lärm; ich fahre rasch empor,
Man rief: „Gebrochen ist die Tyrannei,
Frei ist das Volk, und frei auch bist du, frei!
Dich schrecken keine Häscher mehr noch Ketten,
Du darfst dich wieder in der Heimat betten.“
Ein Wonneschauer packt da meine Glieder:
Geendet ist das bittere Exil,
In meine Heimat darf ich endlich wieder!
Leb' wohl nun, Frankreich, Dank für dein Asyl!
[389]Wie flieg' ich hin an meines Rheines Strand,
Hinüber in mein deutsches Vaterland!
O heil'ge Muttererde, sei gegrüßt,
Wie meine Mutter selbst sei du geküßt!
Mit deinen Wäldern, Strömen, Au'n und Höh'n
Kein Land auf Erden ist wie du so schön.
Wo nur ein neuer Horizont sich weitet,
Sind deine Reize vor mir ausgebreitet.
Ich aber eile durch sie hin in Hast,
Erst in der Heimat find' ich Ruh' und Rast.
Da steigen schon auf meinem raschen Lauf
Die Kuppen des Thüringerwaldes auf;
Du süßes Reh darin, bist du jetzt zahm,
Das ich zu fangen, ach, vergebens kam?
Und dort ist Halle an der Saale Strande,
Nach altem Lied die schönste Stadt im Lande!
Die alten Zeiten seh' ich alle wieder,
Blick' ich in deinen Spiegel nur hinein,
Du lieber Strom; in unsre Burschenlieder,
Wie rauschtest du so träumerisch darein!
Die rothen Mützen, die Pariserklingen,
Die Schlägerglocken und der Gläser Klingen,
Durch alle Glieder braust es fröhlich mir,
[390]Denk' ich nur dran! Und doch ach, wieder hier,
Hier war es, wo ich von ihr Abschied nahm,
Von ihr! — O Gott, das war ein trüber,
Ein kalter Wintermorgen ... Doch — vorüber!
Heut' ist es Zeit zur Freude, nicht zum Gram.
Sieh, da taucht Leipzig auf; ein Meer von Träumen
Steigt duftend mir aus seinen Lindenbäumen.
Hier trat ich einst als Jüngling in die Welt,
Von tausend Hoffnungen das Herz geschwellt;
O meiner Jugend sel'ge Maienzeit,
Hier kränzte mir die Liebe meine Haare,
Hier schwur ich auf der Freiheit Hochaltare,
Und den ich schwur, ich löste meinen Eid.
Und nun?! — Die ich gepflanzt, die Bäume,
Voll Blüten einst, voll hoffnungsreicher Träume,
Sie sind verwelkt; der Rosen duft'ger Glanz,
Der Myrte Grün, der Eichen stolzer Kranz,
Welk, alles welk! Kaum daß die müde Hand
Sich noch ein Lorbeerreis zum Kranze wand.
Vorbei, vorbei! Mich sehnt's nach jenem Thal,
Wo mich zuerst des Tages holder Strahl
Aus meiner Mutter Auge angelacht,
Wo meines Vaters Hand mich treu bewacht.
Nun ist's erreicht; aus tiefem Grunde rauscht
[391]Die Muld' empor, o wie mein Ohr ihr lauscht!
Wie hastig in das Thal mein Auge sinkt
Und durst'gen Blicks aus jeder Quelle trinkt!
Und blieb' mir auch von allen Lebensbäumen,
Die ich gepflanzt auf meiner Tage Spur,
Auf seinem Kirchhof eine Pappel nur,
Ich wollte süß in ihrem Schatten träumen!
Jetzt geht's bergab; in meinen Schülerjahren
Wie oft nicht bin den Hohlweg ich durchfahren!
Und sieh, es stürzten Thron und Staaten; doch,
Du alter Kirchthurm, du stehst immer noch.
Und dort in jener Mauern engem Raum
Schläft meiner ersten Liebe Kindertraum.
Da ist die Brücke denn, ich trete ein,
Mich grüßt ein jedes Haus, ein jeder Stein,
Nur von den Menschen kennet Niemand mich.
Mich wundert es. Jedoch, der Tag verblich,
Und längst schon dunkelt es; still sind die Gassen,
Der weite Markt schon öde und verlassen,
Doch ganz wie sonst noch. Himmel, was wir lärmten,
Wenn vor dem Jahrmarkt sonst wir kleinen Buben
In froher Ahnung durch die Buden schwärmten
Und spielend fragten: wer vermiethet Stuben?
[392]Vom Rathhausthurme schlägt die zehnte Stunde,
Der Wächter kommt und bläst die erste Runde;
Ganz noch wie sonst. Jetzt bin ich um die Ecke —
Gott, was ich zittre und so froh erschrecke!
Dort ist es, ja dort ist mein Vaterhaus,
Dort über jener Thüre enge Schwelle
That ich den ersten Schritt zur Welt hinaus.
Und jetzt, jetzt kehr' ich draus zu ihr zurück,
Nur reich an Täuschungen und arm an Glück.
Hier steh' ich denn, kein Fenster mehr ist helle;
Sie schlafen schon; ich werde sie erwecken,
Vorsichtig, daß sie nicht zu sehr erschrecken;
Ja, was ich jemals auch an Glück verlor,
Hier blieb mir alles doch noch wie zuvor;
Falsch ist die Welt nur, aber fest und neu
Bleibt ewig Mutterlieb' und Vatertreu' ...
Ich klopfe an, ein unbekannt Gesicht
Macht mir die Thüre auf, man kennt mich nicht ...
„So wird mein Name doch bekannt euch sein,
Denn meine Eltern wohnen hier im Hause.“
Auch der nicht. „Wie? Es kann nicht möglich sein!“
„Doch halt!“ — rief man nach einer kurzen Pause —
[393]„Einst hatten es, wie ich mich jetzt besinne,
Zwei alte Leute dieses Namens inne;
Sie lebten schlecht und recht, als sie der Gram
Um ihren flücht'gen Sohn von hinnen nahm,
Der mit in Dresden war. So, das sind Sie?
Woll'n Sie gefälligst morgen wiederkommen,
Es ist schon spät und alle schlafen sie;
Gewiß; Sie sind uns herzlich dann willkommen.“
Ich stand betäubt von namenlosem Schmerz,
Der Athem stockte mir, laut schlug mein Herz;
Ich fragte nach den Nachbarn noch umher,
Man kannte keinen ihrer Namen mehr ...
Da brach aus meiner Brust ein stöhnend Ach,
Und aus den Augen mir ein Thränenbach.
In fremder Ferne fand ich ein Asyl;
Wo ich daheim, war ich wie im Exil.
Mir blieb in kalter Nacht kein andres Bette
Als meiner Eltern letzte Ruhestätte.
Ja, wo sie schlummern, tief und still und kühl,
Ihr Hügel dort sei auch mein Sterbepfühl;
Vom Himmel wird der sanfte Sternenschein
Mir wie ein Blick aus ihren Augen sein,
Und näßt der kalte Nachtthau mich, ich wähne,
[394]Es sei aus ihrem Auge eine Thräne.
Und weinend schritt von meinem Vaterhaus
Ich zu dem Friedhof vor der Stadt hinaus.
Zur Mulde kam ich, rings die Gegend lag
Im Mondenschein so hell als wie am Tag.
Die Augen schmerzten mir von Thränenglut,
Ich wollte sie erfrischen in der Flut,
Und stieg die Stufen nach dem Fluß hinab.
Welch' Bild war das, das er zurück mir gab?!
Verwelkt mein Antlitz und das Haar schneeweiß,
Herr Gott im Himmel! und ich war ein Greis!
Hinstarben meine Freunde Jahr um Jahr,
Indeß ich fern und wie vergessen war;
Zwei Menschenalter schlossen ihre Reih'n,
Und nun ich wiederkam, stand ich allein.
Da faßte mich verzweifelnd öde Trauer —
Ich sprang hinab, mich packt des Stromes Lauf,
Durch meine Glieder rinnt ein eis'ger Schauer
Und — fieberschweiß gebadet wacht' ich auf.
Und wieder nahm ich meinen Wanderstab;
O wär' mein nächstes Lager doch das Grab!
Du bist mein Letztes
[395]Du bist mein Letztes in der Nacht,
Eh' sich die Lider senken,
Und, wenn ich Morgens kaum erwacht,
Bist du mein erst Gedenken.
Du immer fröhliche Gestalt,
Du Maitag sonder Ende,
In deine sanfte Lieb'sgewalt
Ergeb' ich Herz und Hände.
Du bringst ins müde Herz hinein
Viel reiches Frühlingsleben,
Drum mußt du auch der Frühling sein,
Dem sich mein Herz ergeben.
[396]Du bist mein Letztes in der Nacht,
Eh' sich die Lider senken,
Und wenn ich Morgens kaum erwacht,
Bist du mein erst Gedenken.
Melusine
[397]Des Knaben Traum verläßt mich nicht,
Die Märe von der Melusine;
Mir ist, als wenn des Mondes Licht
Durch deine Fenster schimmernd schiene.
Ich schau' hinein: violenfarb
Kost das Gewand um deine Glieder;
Die Lippen, drum ich flehend warb,
Ich seh' sie dunkel blühend wieder.
Doch schwebt ein Lächeln drauf — bei Gott,
Es liegt das Hassen und das Minnen,
Die Sehnsucht und der bittre Spott
In diesem einen Lächeln drinnen!
[398]Und bangend frag' ich: Gilt mir das?
Dann muß ich dich auf ewig meiden:
Gib ganze Liebe, ganzen Haß,
Doch nicht das Lächeln zwischen beiden.
Heimkehr ins Elsass
[399]Willkomm, ihr heimischen Vogesen!
Noch steht die alte Säule da,
Wo meine Blicke fröhlich lesen
In Stein gehauen: Alsatia.
Wie sehnt' ich mich, das Ziel zu schauen,
Der Heimat erste Station!
Du fuhrest brav durch Welschlands Gauen,
Hab' Dank, du welscher Postillon!
Ade! Auf Lotharingens Hügel
Kehr' um, du lockst mich nicht zurück!
Elsässer Bursch, führ' du die Zügel,
Und stoß ins Horn — ein fröhlich Stück!
[400]Ja, laß ein helles Lied erklingen
Hoch jubelnd in des Himmels Blau,
Ein Vivat unserm Land zu bringen,
Dem Elsaß und dem Rheinthalgau!
Den Berg hinab fährt sacht der Wagen,
O legt ihm nur den Hemmschuh an,
Daß ich mein Elsaß mit Behagen,
Nach Herzenslust betrachten kann.
Willkomm, ihr heimatlichen Thäler,
Beschirmt von hoher Berge Wall,
Und ihr, der Vorzeit graue Mäler,
Ihr segenreichen Schlösser all'!
Willkomm, ihr grünen Rebenhügel,
Wo purpurroth die Traube schwillt,
Wo unter heißer Lüfte Flügel
Des goldnen Weines Feuer quillt!
Sieh, wie vom Himmel reich gesegnet
Das weite Fruchtgebilde sprießt,
Wo kaum ein Fleck dem Aug' begegnet,
Der nicht von Segen überfließt!
[401]Und sieh die trauten Dörflein alle,
Von Obstbaumgärten rings umlacht,
Die Städtchen dort mit Thurm und Walle,
Wo Bürgermuth das Land bewacht!
Und sieh, wie dort im Abendglanze,
Wo silbern blinkt des Rheines Strom,
Aus Straßburgs altem Mauerkranze
Gen Himmel ragt der schlanke Dom!
Du hehres Münster, grauer Zeuge
Der deutschen Kraft und Frömmigkeit!
Ob Alles neuem Tand sich beuge,
Du hältst am Ernst der alten Zeit.
Bewahre du, als treuer Hüter,
Der ehrenfesten Väter Zucht,
Daß unser Volk die höchsten Güter
In Festigkeit und Treue sucht.
Und weiter siehst du dort erglänzen
Des Rheines schillernd Silberband:
Ein Band, o ja! nicht scharfe Grenzen —
Das ganze Rheinthal ist ein Land!
[402]Ob jenseits andre Mächte thronen,
Die Herzen bleiben sich verwandt;
Die hüben und die drüben wohnen,
Sie reichen sich die Bruderhand.
Gesegnet seid, ihr Schwarzwaldgipfel,
Gegrüßt das Volk an euerm Fuß!
Es weht durch alle Wasgauwipfel
Zu euch hinüber trauter Gruß!
Auf, Schwager! Laß dein Horn erklingen
Hoch jubelnd in des Himmels Blau,
Ein Vivat unserm Land zu bringen,
Dem Elsaß und dem Rheinthalgau!
Für meine Söhne
[403]Hehle nimmer mit der Wahrheit!
Bringt sie Leid, nicht bringt sie Reue;
Doch weil Wahrheit eine Perle,
Wirf sie auch nicht vor die Säue.
Blüte edelsten Gemüthes
Ist die Rücksicht; doch zu Zeiten
Sind erfrischend wie Gewitter
Goldne Rücksichtslosigkeiten.
Wackrer heimatlicher Grobheit
Setze deine Stirn entgegen;
Artigen Leutseligkeiten
Gehe schweigend aus den Wegen.
[404]Wo zum Weib du nicht die Tochter
Wagen würdest zu begehren,
Halte dich zu werth, um gastlich
In dem Hause zu verkehren.
Was du immer kannst, zu werden,
Arbeit scheue nicht und Wachen;
Aber hüte deine Seele
Vor dem Carrièremachen.
Wenn der Pöbel aller Sorte
Tanzet um die goldnen Kälber,
Halte fest: du hast vom Leben
Doch am Ende nur dich selber.
Sommermittag
Nun ist es still um Hof und Scheuer,
Und in der Mühle ruht der Stein;
Der Birnenbaum mit blanken Blättern
Steht regungslos im Sonnenschein.
[405]Die Bienen summen so verschlafen;
Und in der offnen Bodenluck',
Benebelt von dem Duft des Heues,
Im grauen Röcklein nickt der Puck.
Der Müller schnarcht und das Gesinde,
Und nur die Tochter wacht im Haus;
Die lachet still, und zieht sich heimlich
Fürsichtig die Pantoffeln aus.
Sie geht und weckt den Müllerburschen,
Der kaum den schweren Augen traut:
„Nun küsse mich, verliebter Junge;
Doch sauber, sauber! Nicht zu laut!“
Im Mai
[406]Es war am ersten Maientag,
Da lag ich träumend im Blütenhag.
Die Vögel sangen in blauer Luft,
Rings um mich wallender Rosenduft.
Und neckend spielte das Sonnenlicht
Durch das zitternde Laub mir ins Angesicht.
Die Kähne zogen auf blauem Fluß —
Da hab' ich verstanden des Frühlings Gruß.
[407]Er sprach: „Du thörichtes Menschenkind,
Horche den Blumen und Well' und Wind!
Nun reden die Bäume, nun redet der Stein —
Dein Loos ist ihres, ihr Loos ist dein!
Die Vögel singen ihr altes Lied —
Du lausche dem Klang, der die Welt durchzieht!
Laß ab vom flüchtigen Kindestraum,
Du bist nicht mehr als Ros' und Baum.
Du bist wie die Welle, der Wind, der Stein,
Du bist wie ein lächelnder Sonnenschein.
Die Welle versprüht und der Wind verweht,
Die Sonne taucht unter, die Rose vergeht.
Der Lenz kehrt wieder, der Schnee zerrinnt —
Schlaf' ein, du thörichtes Menschenkind!“
Todte Liebe
[408]Ich frage nicht, ob wir uns hassen,
Und du, ob wir uns lieben, nicht;
Ich weiß den Schmerz allein zu fassen,
Daß unsrer Seelen Bund zerbricht.
Es war ein Traum, zu bald verronnen,
Ein Morgenschein, zu schnell verhaucht —
Kaum daß in der Erinnrung Bronnen
Empor ein mattes Bild noch taucht!
O forsche nicht, wer sich vergangen,
Ob ich die Schuld, ob du sie trägst:
Was hilft's, wenn dürr die Kränze hangen,
Daß du nach jeder Blüte frägst?
Laß uns vergessen, wie's gekommen,
Daß ich gefunden deine Spur —
Vergangne Lust, was soll sie frommen?
Es bleibt uns ja die Thräne nur.
Einst hab' ich dir mein Herz gegeben —
Ich fordr' es nicht von dir zurück:
O segne Gott dein einsam Leben
Und dein gebrochnes Jugendglück!
[409]Wir sind uns kalt und fremd geworden,
Das Segel winkt, die See geht hohl;
Nach Süden ich und du nach Norden —
Verlornes Herz, leb' wohl, leb' wohl!
Ein Traum
Du stolzes Weib voll irrer Zaubermacht!
An deine Zukunft hab' ich oft gedacht,
Die mir das Herz erfüllt mit düsterm Bangen;
O nie vergess' ich jenen eis'gen Traum,
Von dem gemartert in der Kissen Flaum
Entsetzt ich barg die glühnden Wangen!
Ein Winter war's, gleich diesem trüb' und kalt;
Alleine durch den blätterlosen Wald
Kam ich im späten Abendgold geschritten.
Rings Alles Wildniß, die kein Menschenfuß
Vor mir betrat! ... Da winkt mir wie zum Gruß
Ein Hüttlein aus des Waldes Mitten.
[410]Eintrat ich rasch — Ob mich denn keiner hört?
Nicht oft doch, mein' ich, ihr Bewohner, stört
Ein fremder Schritt das Schweigen dieser Wände.
Halloh, wacht auf! — Da schreitet auf mich zu
Ein blasses Weib ... O Gott, Maria, du
Entflohst an dieser Wildniß Ende?!
Sie reicht die Hand mir — Wenig Jahre nur,
Seit ich begegnet deiner Flammenspur,
Sind hingezogen über deiner Stirne;
Doch weh' dein Auge grüßt mich kalt und todt,
Dein bleiches Antlitz glüht im Abendroth
Wie Schnee auf eines Gletschers Firne!
Bist du gestorben? Deine Hand ist Eis —
Doch nein, wie ehmals pocht dein Herz noch heiß;
Was hat an dir die lichte Welt verbrochen?
Was flohst du trotzig aus der Menschen Bund? ...
Ein schmerzlich Lächeln spielt' um ihren Mund,
Und also hat sie trüb' gesprochen:
„Nie weckte mich in dieser Welt voll Qual
Zum Tag des Lichts ein warmer Sonnenstrahl,
Nicht Glück noch Freude hab' ich je besessen;
[411]Wenn rings der Frühling junge Blüten trieb,
Aufküssend jedes Herz zur Wonne, blieb
Nur ich verloren und vergessen!
Ich wollte trunken durch die Spanne Zeit
Hinfliegen, athmend nur in Seligkeit —
Ihr hießt um mattes Erdenglück mich werben.
Von eurer Lust, der halben, will ich nichts!
Versucher, geh' — du bist ein Kind des Lichts —
In meiner Wildniß laß mich sterben!“
Sie ging. Im Hause ließ sie stehn mich kalt,
Lang' scholl ihr irres Lachen durch den Wald,
Erstarren fühlt' ich meines Herzens Pochen.
Eis meine Stirne, meine Seele Eis! ...
Da wacht' ich auf — im Fieber —, kalt und heiß;
Mir war's als sei mein Herz gebrochen.
Seh' ich dich heut', unselig Zauberweib,
Mit deinem Weh geputzt, wie um den Leib
Der Bühnenheldin Prachtgewänder fluten;
Schau' ich dich buhlen um des Beifalls Zoll
Für deiner Wunden Leid, statt würdevoll
Und groß an ihnen zu verbluten:
[412]So denk' ich oftmals an den alten Traum,
Und wollt', ich säh' dich an der Wildniß Saum
Von deinen todten Hoffnungen umgeben;
Und sähe dich, erstarrt in deinem Weh,
Gen Himmel stumm den Blick, wie Niobe,
Aus deinem Waldeszelt erheben.
Dann bahnt' ich mir durch jeder Wüste Graus
Den Weg zu dir, und schritte stark hinaus,
Mit Purpurglanz den Abend dir zu färben;
Aufküssen wollt' ich dich zum Sonnenlicht:
„Wach' auf, Maria!“ — Oder könnt' ich's nicht,
So wollt' ich einsam mit dir sterben.
Abschied
Nun sind verträumt die flücht'gen Stunden,
Die mich an deine Spur gebannt;
Leb' wohl, verzaubert Inselland,
Dem siegend sich mein Geist entwunden!
Geh' du in deiner Selbstsucht Hallen,
[413]In deiner Öde Nacht zurück:
Dein Bau, o Circe, muß zerfallen,
Und fern von deinen Liedern allen
Taucht neu empor mein Lebensglück!
Aus seines Winters Frost erretten
Wollt' ich dein wahnumflortes Herz —
Doch sieh, du schlugst mit kaltem Scherz
Mich selbst in schnöden Zaubers Ketten!
Was Seel' und Geist an Schätzen hegen,
Hast du in trunknem Spiel geraubt;
Und als ich all den goldnen Segen
Geopfert, trugst du mir entgegen
Ein tödtliches Medusenhaupt.
Fahr' wohl! Ich mag dir nimmer grollen,
Daß du, was tief mein Herz erfreut,
Als welke Blumen ausgestreut
Auf deinen Weg, den dornenvollen.
Die Zeit, ach, fürcht' ich, trüb' und bange,
Da du Verzweiflungszähren weinst,
Und da, in all dem Sehnsuchtsdrange
Verwaist, auf deinem Schmerzensgange
Du arm und hoffnungslos versteinst!
[414]Fahr' wohl, fahr' wohl! Mich ruft die Stunde
Hinweg zu höherm Lebensziel!
Der Menschheit steuert zu mein Kiel,
Mit ihrem Glück und Leid im Bunde!
Ade, verwünschte Zauberhügel,
Wo Circe's Lockung mich umspann!
Die Zukunft leihe mir die Flügel,
Und trage mit verhängtem Zügel
Zu neuen Sonnen mich hinan!
Die junge Mutter
[415]Spät am Abend, früh am Morgen
Muß ich wachen, muß ich sorgen,
Muß ich an der Wiege stehn
Und nach meinem Kindlein sehn.
Keine Ruh' an keinem Tage,
Immer neue Last und Plage;
Ach, wie flohst du doch so weit
Schöne, freie Jugendzeit!
Horch! Was regt sich? Herzig Bübchen,
Blühnde Wangen, feine Grübchen,
Äuglein dunkel wie die Nacht:
Gott, wie mich das selig macht!
Unter jenen Weiden
[416]Es rinnt und rauscht ein Quell im Thal
Dort unter jenen Weiden,
Da leuchtete zum ersten mal
Der Liebe Glück uns Beiden;
Dein Äuglein gab so hellen Glanz,
Davon ward ich bezaubert ganz,
Den Himmel sah
Ich mir so nah
Dort unter jenen Weiden.
Wir saßen Beide still und stumm
Dort unter jenen Weiden,
Und wußten auch gar wohl, warum
Ums Herz so bang uns Beiden.
Hoch über uns im Laube sang
Ein Vöglein süß und wonnebang;
O Lieb', o Leid!
Wir seufzten Beid'
Dort unter jenen Weiden.
[417]Da schlang ich kühn den Arm um dich
Dort unter jenen Weiden;
Ich küßte dich, du küßtest mich,
Ein Herz schlug in uns Beiden;
Und aus der Seele tiefstem Grund
Besiegelte der Liebe Bund
Ein treues Dein,
Ein sel'ges Mein,
Dort unter jenen Weiden.
Drum sitzen wir noch heut' so gern
Dort unter jenen Weiden;
Erblich auch unsrer Jugend Stern
Und schimmert schon uns Beiden
Des Alters Reif im dünnen Haar,
Wir lieben uns noch immerdar
So warm und treu
Wie einst im Mai
Dort unter jenen Weiden.
Ein Rabe
[418]Auf deinen Busen fluten hernieder
Von meinem Haupte die schimmernden Locken:
So glänzt im Schnee des Rabes Gefieder —
Was macht so jäh die Pulse mir stocken?!
Ich bin ja selbst ein finsterer Rabe,
Verflucht, die Botschaft des Unglücks zu bringen;
Wo ich mein Haupt gebettet auch habe,
Es eilt mir nach auf sicheren Schwingen.
Und darum schmerzt mich dein blühend Leben,
Des schuldlosen Busens sanftes Wallen;
Nie wird er kindlich wieder sich heben:
Da ich dran ruhte, bist du verfallen.
Du hattest sanft mich eingewiegt
[419]Du hattest sanft mich eingewiegt
Mit deiner Stimme süßem Klang,
Der Zauber wich, der Traum verfliegt,
Und das Erwachen ist so bang.
Nichts blieb mir, da ich dich verlor:
Erinnrung, Hoffnung, alles schied;
Nur leise noch klingt mir's ins Ohr
Wie ein vergessnes Wiegenlied.
Glühende Asche
Dein Lächeln war mein einzig Glück,
Mein einzig Leiden dein Erblassen,
Ein Blick von dir hielt mich zurück;
Ließ ohne Schmerz mich alles lassen.
[420]Vorbei, vorbei sind jene Zeiten,
Und nur zuweilen still und mild,
Wie Schwäne durch die Fluten gleiten,
Zieht durch die Seele mir ihr Bild.
Den trunknen Blick auf dich gewandt,
Zu deinen Füßen sitz' ich wieder,
Und leise legt sich deine Hand
Auf meine Locken spielend nieder;
Kein Wünschen kennen wir, kein Streben,
Es hemmt bei uns die Zeit den Lauf,
In weiter Ferne wogt das Leben,
Und sein Geräusch weckt uns nicht auf.
Ein Traum ist's nur und schnell verweht
Die flücht'ge Täuschung seiner Bilder;
Doch, wie ein tröstendes Gebet,
Stimmt er die Seele weicher, milder.
Das Leben ließ mein Herz erkalten,
Nur in der Asche glimmt die Glut,
Wo still in seinen tiefsten Falten
Dein heilig Bild begraben ruht.
Zweifel
[421]An deinem Finger, dem weißen, schlanken
Blitzt golden ein schmaler Streif;
All' meine Blicke, meine Gedanken
Bannet der kleine Reif.
Stehst du so stolz, in Sicherheit prangend,
Weil dich ein Talisman schmückt?
Schweift ins Weite dein Blick so verlangend,
Weil die Fessel dich drückt?
Als mich dein Blick beim Scheiden traf
Als mich dein Blick beim Scheiden traf,
Ein Lächeln, das in Schmerz zerflossen,
Da war's, als ob zu ew'gem Schlaf
Die müden Lider mir sich schlossen.
[422]Noch bin ich wieder nicht erwacht,
Mit dir erst wird der Tag erscheinen,
Ein Traum erhellt nur meine Nacht:
Dein Auge seh' ich lächelnd weinen.
Eine Schauspielerin
Nicht an die Scholle kette dein Geschick,
In keinem Boden wirst du Wurzeln schlagen,
Laß nie begehrend ruhen deinen Blick,
Es muß dein Fuß dich rastlos weiter tragen,
Und wirst du matt, so ruh' ein Weilchen aus,
Um deine Kraft zum fernen Weg zu laben;
Doch nirgends baue dir ein bleibend Haus —
Es darf der Künstler keine Heimat haben.
Ein Wandervogel sing' auf jedem Ast
Entzückten Hörern deine besten Lieder;
Wenn du den letzten Ton gespendet hast,
Entfliehe schnell auf leichten Schwingen wieder.
[423]Und ist der Schmerz der Trennung noch so groß,
Süß ist es für die eigne Wahl zu leiden:
Du weihtest dich der Kunst, nun ist dein Loos
Ein fröhlich Kommen und ein traurig Scheiden.
Nur suche dir ein Herz, wo du auch weilst,
Darin sich deins zur sanften Ruhe bettet;
Das dir zur Ferne folgt, wenn du enteilst;
Das Sehnsucht immer fester dir verkettet.
So wandle fort und fort zum Ziel hinan,
Und wähnst du einsam dich in trüben Stunden,
Verzage nicht! Hast du auf deiner Bahn
Doch eine Heimat überall gefunden.
Medea
[424]O stoße mich nicht fort mit strenger Hand:
Ich bin der Mann nicht mehr, den du gekannt.
Mit mir nicht — mit dem Himmel sollst du hadern:
Der mir das Auge gab, der Schönheit Spiegel,
Der warmes Blut mir hauchte in die Adern,
Ihm magst du fluchen; laß dem Zorn die Zügel!
Du weißt, wie wir in der Campagna ritten,
Wie aus dem Hohlweg Hülferufen klang;
Wie meine Hand des Mörders Hals umschlang,
Bis ich dem Mund des röchelnden Banditen
Das gräßliche Geständniß abgerungen:
„Lucretia hat mich zum Mord gedungen.“
[425]Du sahst, wie ich an meines Bruders Leiche
Hintrat, den Finger legte in die Wunde,
Darin das Blut noch rauchte von dem Streiche,
Und wie der Eidschwur klang aus meinem Munde:
„Bei meiner Mutter Schoos, der dich getragen,
Bei ihrer Gruft! Wie hier mein Stahl erschlagen
Das schwarze Werkzeug dieser Höllenthat,
Auch sie soll fallen, die ersann den Rath,
Die gleißend dich bethört mit ihrer Schöne!
Mich strafe Gott, so ich den Eid verhöhne!“ —
Du weißt es, Freund! — Wohlan, ich sah dies Weib,
Das frech geschwelgt in meines Bruders Blut;
Wehrlos vor meinem Dolche lag ihr Leib
Wie vor des Adlers Fuß die Taubenbrut —
Und dennoch lebt sie! Eines Weibes Schöne
Entwaffnete den Zorn, den Haß, die Rache,
Und in mir hallt es, eines Teufels Lache:
Mich strafe Gott, so ich den Eid verhöhne!!
Ich sprengte noch in halber Nacht gen Rom.
Wie flüssigen Metalls ein heißer Strom
Drang mir der Rachedurst in alle Poren;
Wollüstig sah ich funkeln meinen Stahl;
Ich trieb den Rappen blutig mit den Sporen,
[426]Bis daß er keuchend hinsank am Portal.
Todt alle Fenster. Nur ein einzig Licht.
Willkommner Führer wurde mir sein Schimmer:
Beschwingten Fußes stürzt' ich in das Zimmer,
Wie wenn der Panther in die Heerde bricht.
Sie lag auf seidnem Pfühle hingegossen,
Mit hellem Blick, der Mund nur halb geschlossen;
Die zarten Hände spielten hin und wieder
Auf eines fremden Vogels Goldgefieder.
Sie sah den Störer nahn und rief: „Zurück!
Ich kenne dich, das ist Francesco's Blick!“
Da hob sie sich, nicht wie die freche Dirne,
Die man ertappt in ihrer Sünden Pfuhle,
Der man den Kranz gerissen von der Stirne
Und die nun zittert vor dem Richterstuhle —
Nein, hehr und rein wie eines Gottes Traum,
Als wär' ich würdig nicht, des Kleides Saum
Ihr zu berühren — eine Priesterin
Aus Aphrodite's lichten Tempelhallen —
In hohem Zorne trat sie vor mich hin:
„Francesco reizte mich, er ist gefallen.
Du kommst, um ihn zu rächen? — Kecker Thor,
Ruf' seinen Schatten aus der Gruft hervor,
[427]Und seine bleichen Lippen werden sprechen:
'O könnte nochmals so mein Auge brechen!
Ich habe ihren süßen Leib umfangen,
Sie küßte mich, als ich von ihr gegangen,
Ich sank ins Grab im Hochgefühl der Lust,
Ich trug ein Wunderbild in meiner Brust;
Wer wagt sie zu berühren?! — Kecker Thor!
Mein Tod war leicht, sie küßte mich zuvor!'“
Es war das Frechste, was ich jemals hörte,
War eine Lästerung, wie keine gleiche
Die Götter je in ihrer Ruhe störte
Und rächend erdwärts trieb aus ihrem Reiche.
Und dennoch! — Wie sie drohend vor mir stand —
Den weißen Arm erhoben — das Gewand
Zertheilet von des Busens wildem Wogen —
Gebuscht der Brauen reingewölbte Bogen —
Das Aug' im Zorne glühend wunderbar —
Da wußt' ich schaudernd: was sie sprach, ist wahr!
Des Bruders Bild, die Rache sank dahin;
Ich war der Sünder, sie die Richterin.
Ich floh — der schlaffen Hand entglitt der Stahl —,
Nicht eines Wortes mächtig, aus dem Saal:
Als ob der Schönheit Göttin mich gerichtet,
[428]Der frevelnd drang zu ihrem Heiligthume,
Die Hände hob nach einer Wunderblume,
Ich sank zu Boden sinnlos und vernichtet.
Kein hartes Wort, mein Freund! Dein Zorn und Gram
Verletzt mich tiefer nicht als meine Scham. —
Ja, sie wird hingehn — ein Medusenhaupt!
Kein Mann, der nicht dem süßen Zauber glaubt.
Sie wird ihr Herz um junge Seelen spinnen,
Ins Herz des Jünglings hauchen tolle Lust;
Und wenn er reizt den Geist in ihrer Brust,
Kalt wird sie lächeln — und sein Blut wird rinnen. —
Ich weiß es, Freund! — Doch laß mich nochmals gehn,
Noch blutbedeckt von ihres Opfers Wunde,
Gezückten Stahls an ihrem Lager stehn; —
Spricht sie die Lästerung mit frechem Munde:
„Sein Tod war leicht, ich küßte ihn zuvor!“ —
Mir wird es klingen wie ein Himmelschor.
Ich werde wieder in die Kniee fallen
Und wieder reuig meine Brust zerschlagen. —
O daß der Herr zu seinen Wundern allen,
Die unser Hirn mit tollem Grübeln plagen,
[429]Auch dieses höchste schuf! Daß er den Traum
Der Liebe lebend auf die Erde sandte,
Der Hölle Geist in solche Hülle bannte! —
Bleib' hier! Geh' nicht in den gefeiten Raum!
Ein Wetterstrahl, wird sie das Herz dir rühren,
Du kannst der Rache Sendung nicht vollführen!
Und könntest du's — mag sich dein Herz empören —
Des Himmels Wunder darfst du nicht zerstören!
Mädchenlieder
[430]1. Bitte
O nach dem hellen Sterngefunkel,
O nach der goldnen Sonnenpracht,
Gib meinem Herzen nicht dies Dunkel
Und nicht die stille bange Nacht!
O tödte mich, wenn deine Gluten
Mit schnöder Asche sich bedeckt;
Laß langsam nicht ein Herz verbluten,
Das du zum Leben erst erweckt!
2. Schicksal
Das Leben ist ein banger Traum,
Die Freuden fliehn wie Nebelschaum!
Und trifft dich heut' ein Sonnenstrahl,
So trifft dich morgen Noth und Qual.
Und hast ein Röslein du gepflückt,
Wird eine Lilie dir geknickt;
Drum häng' dein Herz allein an das,
Was ewig bleibt ohn' Unterlaß.
3. Das Geständniß
Ja, ich beneide diese lauen Lüfte,
Die tändelnd dir die heißen Schläfe kühlen;
Nicht sehen kann ich, ohne Neid zu fühlen,
Wie sie die goldnen Locken dir zerwühlen!
Ja, ich beneide diese kleinen Sterne,
Die in die stille Kammer zu dir dringen,
Und auf der Sehnsucht lichten Götterschwingen
Dir aller guten Engel Grüße bringen!
[432]Und ich beneide die beglückten Menschen,
Die athmen dürfen frei in deiner Nähe,
Indeß ich fern von dir verzagend stehe
Mit meinem eifersücht'gem Liebeswehe!
4. Dein Auge ist wie Sternennacht
Du hast mir leis' die Hand gedrückt,
Und hast mich fragend angeblickt,
Du lieber, böser, bleicher Mann!
Warum hast du mir das gethan?
Weißt du denn nicht: wem Sternenschein
Dringt in das dunkle Herz hinein,
Der sehnt sich ewig zu den Höhn,
Wo sie so fromm herniedersehn?
Dein Auge ist wie Sternennacht,
Voll zauberhafter Liebespracht;
Nun zieht mir's ewig Herz und Sinn
Zu diesen holden Sternen hin.
5. Dein Gruß
Wie oft im wildempörten Fluß
Ein Blümlein kommt geschwommen,
So hab' ich deinen lieben Gruß
Im Lärm des Tags vernommen.
Es schlägt ein Vöglein Abends spät,
Wenn alles ausgesungen;
So ist dein Gruß, wie ein Gebet,
Mir tief ins Herz gedrungen.
Nun reich' ich über Berg und Thal
Im Geist dir beide Hände,
Und fleh' zu Gott viel tausendmal,
Daß er es gnädig wende!
O dass ich nie geschauet!
[434]O daß ich nie geschauet
Dir in dein Aug' so blau,
O daß ich nie getrauet
Dir, allerschönste Frau!
Du schlangst die goldnen Flechten
Zum Kranz so wunderbar
In manchen wonnigen Nächten
Mir um mein schwarzes Haar.
Wie eine güldne Krone
Lag's auf der Stirne mir,
Und ich, in süßer Frone,
Zu Füßen sank ich dir.
[435]O Locken, süße Schlingen,
Wie allerstärkster Stahl,
Die zärtlich mich umfingen
Viel tausend-, tausendmal!
Sie lösten sich so leise,
Wie Seele sich vom Leib;
Es war die alte Weise —
Sie war ein Weib, ein Weib!
O wunderholde Flechten,
Wem dient ihr jetzt zum Kranz?
Wen sucht ihr nun zu knechten
Mit euerm Zauberglanz?
Kuss und Lied
[436]Von deinen rothen Lippen
Trink' ich den Frühlingsduft,
Und gieß' ihn im Liede wieder
Hinaus in die reine Luft.
Er sinkt in den Kelch der Rose,
Die duftet so süß die Nacht,
Daß sie die Nachtigallen
Alle verliebt gemacht.
Wenn sie so süß nun schlagen
Vor deinem Fensterlein,
Dann weißt du, woher die Töne,
Dann, Herz, o denke mein!
Verrathene Schuld
[437]Auf Devoncastle perlt der Wein
Bei hellem Gläserklange;
Der wilde Graf von Ereskine
Küßt Lady Devon's Wange.
Er küßt sie lächelnd, und er spricht:
„Nun laß die Freude walten,
Der Graf von Devon stört uns nicht,
Sein Haupt hab' ich gespalten.
Er liegt versenkt zu dieser Stund',
Versenkt in Wehr und Waffen,
Wo ihn aus faulem Mooresgrund
Kein Mensch zum Licht wird schaffen.“
[438]„Und schafft kein Mensch ihn mehr zum Licht,
So sind wir baß geborgen“ —
Die schöne Gräfin Devon spricht —:
„Du kannst mich freien morgen.“
Gar lustig klingt es rings im Saal,
Es dröhnen seine Säulen,
Man höret nicht, daß allzumal
Des Grafen Doggen heulen.
Sie heulen drunten an dem Moor,
Wo sie mit ihren Pfoten
Aus tiefem Sumpf gewühlt hervor
Den eingescharrten Todten.
Sie lecken ihn vom Schlamme rein,
Sie scheuchen fort die Raben —
Du wirst, o wilder Ereskine,
Sein schönes Weib nicht haben.
Abendruhe
[439]Mälig ist der Tag verflogen
Und im Dämmern liegt die Welt;
Wolken, die am Mittag zogen,
Rasten nun am Mittagszelt.
In dem Grund die muntre Quelle,
Die durch Feld und Wiesen geht,
Plätschert leise ihre Welle
Wie ein müdes Nachtgebet.
Und am Weg in Busch und Baume
Kaum sich noch ein Blatt bewegt;
Dann und wann nur wie im Traume
Zirpend sich ein Vöglein regt.
Selbst der Wind mit seinem Jagen
Wiegt entschlummert sich im Strauch:
Herz, mein Herz, mit deinem Schlagen
O so ruhe du nun auch!
Sänger und Dichter
[440]Einsam rauscht der Wasserfall
Durch die stillen Felder,
Einsam schlägt die Nachtigall
Durch die stummen Wälder;
Jubilirend, lustig leicht,
Einsam durch die Lüfte steigt
Auf der Leiter ihrer Lieder
Froh die Lerche auf und nieder.
Doch des Menschen Leier sucht
Durch die weite Erde
Herzen auf in ihrer Flucht
Vor der Welt Beschwerde.
[441]Sprudelnd quillt der Lieder Quell
Aus dem Busen frisch und hell;
Lieder wird der Dichter singen,
Wo die Herzen widerklingen.
1. An Elisabeth
Lieder der Sehnsucht
[442]Ich bin mit dir gewandert
Über Berg und Thal,
Ich hab' mit dir gestanden
Im rothen Abendstrahl,
Wo Ströme und Bäume rauschen
Und Berge und Blumen stehn,
Und man aus einem Lande
Weit in das andre kann sehn.
Ich habe dir geruhet
Am Herzen still und dicht
In langen Sommernächten
Mit glänzendem Mondenlicht;
[443]Du hast mich fest umfasset,
Wie Sturm umfaßt den Wald;
Ich habe dich lange gehalten
Mit meiner Augen Gewalt.
Du bist mit mir gefahren
Über den tiefen See;
Du hast im Abendsturme
Gerungen mit dunkelm Weh;
Du hast über mich geweinet,
Bis Nacht dein Auge umfing; —
Du hast mich nicht wiedergesehen,
Seit ich von dir ging.
2. Welch Zauberleben da draußen
Lieder der Sehnsucht
Welch Zauberleben da draußen!
Schneeduft und Abendschein
Um die weißen, stillen Bäume
Bis tief in den Wald hinein.
[444]Weit hinter dem Duft und dem Glühen,
Wo alles dunkel und still,
Ist mir es, als ob die Erde
Sich leise erheben will.
Ich weiß von keinen Bergen
Da gegen Morgen hin,
Ich sehe keine Wolken
Riesig am Himmel ziehn.
Was steht denn da still wie Berge?
Hoch wie die Berge stehn,
Die im Wundersee und dem Rhone
So stolz sich wiedersehn?
Steht da ein Traum am Himmel,
Den meine Seele geträumt?
Oder hat die alte Erde
Sich auf in Schmerzen gebäumt?
3. Meine Augen
Lieder der Sehnsucht
Du hast einst meine Augen
Dein schönes Märchen genannt,
Da hat viel süße Liebe
In unsern Herzen gebrannt.
Nun brennen der Liebe Schmerzen,
Und ich weine so sehr;
Und schön wie ein schönes Märchen
Sind meine Augen nicht mehr.
4. Ich mag dich lieben
Lieder der Sehnsucht
Ich mag dich lieben und soll dich lassen,
Soll nimmermehr zurück
In deines Vaters Palast kommen
Zu meinem verlornen Glück.
Für alle Zeiten sind wir geschieden;
Und fragst du noch nach mir,
So schweigen alle mit finstern Mienen
Und keiner grüßt dich von mir.
[446]Ich mag dich lieben und soll nicht reden,
Soll ewig schweigen nun;
Ich mag dich lieben, und soll nun immer
Als wärst du gestorben, thun.
Und du blühst mit den rothen Rosen
So frisch aus dem Scheiden auf —
Ich mag viel eher selber sterben,
Und höre nicht darauf.
Ich werde dich lieben und von dir reden
Und ewig singen von dir,
Ob du im Leben und im Tode
Nicht wieder fragst nach mir!
- Rechtsinhaber*in
- The Beginnings of Modern Poetry Project
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2024). The Beginnings of German Modern Poetry Corpus. Deutsche Dichter der Gegenwart. Deutsche Dichter der Gegenwart. The Beginnings of German Modern Poetry Corpus. The Beginnings of Modern Poetry Project. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-0014-43E8-9