Vorwort
[4][5]Die Frauenlyrik ist noch jung wie alle Frauenkunst. Sie hat kaum eine Vergangenheit, aber eine Gegenwart und noch mehr — eine Zukunft!
Schweigen lag über dem inneren Leben und Erleben der Frauen. Vereinzelte Gesänge von Frauen, denen wir in alten Büchern begegnen, sind ihnen in den Mund gelegt worden von männlichen Schriftstellern. Wir haben keinen Beweis dafür in der Hand, daß sie selbst diese Gesänge verfaßt und gesungen haben. Vereinzelt, fast rätselhaft, ragt Sappho mit dem Kreise ihrer Jüngerinnen aus der fernen Vergangenheit herüber.
Der Lyrik innerlich nahestehend sind Briefe und Offenbarungen frommer Beghinen und Klosterfrauen des Mittelalters, aus Italien, [6]Deutschland, Schweden und anderen Ländern, jene Dichtungen der Mystik, denen sich heut wieder das literarische Interesse zuwendet. Es war ein seltsames Eiland, das der schöpferischen Phantasiebetätigung der Frauen in einer längeren Zeitepoche einzig offen gehalten war, und es trug seltsame Blüten. Nicht als Offenbarungen ihres Geistes faßte man jene Briefe und Mitteilungen auf, sondern als Offenbarungen Gottes, der jene heiligen Frauen als Sprachrohr gebrauchte. Und es läßt sich von ihnen leicht eine Brücke schlagen zu den Sybillen, zur Pythia und anderen weissagenden Frauen des Altertums. Nur Roswitha von Gandersheim, die noch nicht in dem geheimnisvollen Garten der Mystik wandelte, schrieb Dramen, die als freie Dichtungen aufgefaßt wurden, praktische, lebendige, leicht faßliche Bühnenspiele für die Nonnen ihres Klosters.
Durch Jahrhunderte von diesem Boden getrennt — mehr noch durch Lebensverhältnisse und Weltanschauung getrennt —, der Sappho näher als den schreibenden Frauen des Mittelalters steht unsre heutige Frauenlyrik da. Sie [7]scheint wie aus neuen Quellen hervorgebrochen, fließt reichlich und steigt.
Einige wenige Vorboten haben ein neues Leben angekündigt, Vorboten, denen der Frühling nicht sogleich folgte. Madame de Staël und George Sand in Frankreich.
In Deutschland erstanden um diese Zeit Frauen, innerhalb des Kreises der Klassiker und mehr noch der Romantiker, die, wie uns Briefe und Erinnerungen, Aufzeichnungen von Frauen und Männern verraten, ein lebhaft-geistiges Leben führten. Angeregt von dem lebendigen Kreis in dem sie lebten, die Männer in ihren geistigen Interessen verstehend, regten sie dieselben wiederum an und förderten sie in ihrem Wollen und Streben. Aber zu einem eigentlichen Kunstschaffen jener Frauen ist es noch nicht gekommen. Bettina v. Arnim schrieb „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“ und Luise Hensel ihre rührend einfachen, religiösen Gedichte.
Zwischen ihnen und der Gegenwart liegt eine Zeit, in der eine Reihe schreibender Frauen auftrat, die sich vor allem dem Romane zuwandte, Frauen, welche die Bande der Konvention [8]und ihres eignen, eingeengten Lebens nicht durchbrechen und darum nicht zu freier Künstlerschaft gelangen konnten.
Es ist kein Zufall, daß die meisten dieser Frauen adligen Hausern angehörten. Denn, obgleich sie in dieser Umgebung durch Konvention stark gebunden waren, gewährten ihnen die in ihren Kreisen herrschenden Anschauungen und Sitten doch eine sorgfältigere Geistesbildung und gestatteten ihnen eine geistige Beschäftigung. Aber auch aus bürgerlichen Familien stammten einige dieser romanschreibenden Frauen. Einige fanden ein großes Lesepublikum. Sie schufen sogar einen neuen Typ des Romans, den sogenannten Familienroman, der — wie man sich in einer noch nicht ganz vergangnen Zeit ausdrückte — auch jungen Mädchen in die Hand gegeben werden konnte. In diesen Romanen schilderten Frauen die Welt zumeist, wie sie von Frauen gesehen werden sollte — ohne das Streben nach objektiver Wahrheit, ohne den inneren Drang, tiefer hinter die äußere Erscheinungswelt zu schauen ohne den Wissens- und Schöpfertrieb des Künstlers — und darum stießen sie nicht [9]gegen Sitte und Anschauung und ihr eignes enggebundenes Leben. Nur Annette von Droste-Hülshoff ragt herb und eigenartig aus dem Kreise der schreibenden Frauen heraus als einzige beachtenswerte Dichterin Deutschlands, die in der Literaturgeschichte verzeichnet ist.
Die freie Betätigung aber, die man die Frauen auf manchen Gebieten in unserer Zeit sich erringen ließ, zerbrach viele der alten äußeren Fesseln. Ein neues Leben — von manchen begrüßt, von den meisten geschmäht — brach und bricht sich Bahn. Die geistige Lust, welche die Frauen umweht, beginnt ihr Leben tiefer aufzustacheln und aufzuwühlen bis zu eigenschöpferischer Regsamkeit. Auf dem objektiven, die eigene Persönlichkeit verhüllenden Gebiete des Romans erstanden in jüngster Zeit Schriftstellerinnen, die bereits eine Bereicherung und ein bedeutender Bestandteil unserer gegenwärtigen Literatur geworden sind, z. B. Ricarda Huch, Enrica v. Handel-Mazzetti und manche andere.
Mit den äußeren Fesseln zerbrach und zerbricht auch die Fessel des Schweigens über das eigene, verborgene, unmittelbarste Leben und Er- [10]leben der Frauen. Das anerzogene, tiefst eingeprägte Schamgefühl, das den Frauen gebot, von ihrem eignen Lieben, Hoffen und inneren Leiden zu schweigen, versank fast jäh vor dem dichterischen Bedürfnis der Frauen, dieses innere Leben und Erleben dichterisch herauszugestalten. Die Begriffe waren nicht mehr starr genug, um dieses drängende Leben zurückhalten zu können.
Dieses aber ist das erste Band, das man zerreißen muß, um zu lyrischer Betätigung zu gelangen — die Scheu zu reden von dem tiefsten, geheimen, inneren Erleben.
„Das lyrische Gedicht ist der Chor im Drama des Lebens, der Welt,“ sagt Novalis. Es ist nicht aus dichterischer Phantasie, aus Erfindung geboren, es ist aus Fleisch und Blut, aus geistiger Erhebung und Not, aus dem Leben des Dichtenden selbst geboren.
Und darum wird uns die neue Frauenlyrik, die fast jäh und auf einmal reich hervorgebrochen ist — wie ein Frühling, der plötzlich über Nacht kam, — uns zu tiefst in das Leben der Frauen hineinführen und es uns enthüllen.
[11]Es war meine Absicht, ein Buch zusammenzustellen, das die schönsten Dichtungen der Frauen enthalte, ein schönes und gutes Buch, das uns zeigen sollte, was Frauen dichten und sagen könnten. Aber meine Vorstellung von der Frauenlyrik in ihrer Gesamtheit war nicht klar umrissen. Und erst, da ich Band um Band las und studierte — eine endlose Reihe talentvoller und talentloser Gaben — wurde mir das ihr Eigentümliche klar.
Das äußere Gewand der Gedichte, ihre Versform, Ausdrucksweise und Rhythmus sind verschieden. Wo nicht ganz eigne Wege zu verspüren sind, mehr oder minder anlehnend an die bestehenden Strömungen unserer gegenwärtigen Lyrik oder die einfachere, zum Teil volksliederartige Dichtungsweise der vergehenden Epoche. Aber der Ton in ihnen ist ein anderer — das Leben in ihnen ist ein anderes als in der Lyrik der männlichen Dichter.
Und was ich fand und sich mir mit zwingender Gewißheit aufdrängte, wird vielen befremdend, seltsam und unglaublich scheinen — nämlich, daß die Lyrik der Frauen in ihrer Gesamtheit [12]einen viel traurigeren Ton hat, als die der Männer.
Es ist mehr Schwere in ihnen, heißere Liebe und tieferes Gebundensein, mehr Bedrängtsein, schwererer Kampf, tieferes Verstricktsein in das Schicksal — oft ein Verstricktsein bis zum Erlahmen aller hoffnungsfrohen, schaffenden Kräfte. Eine erschütternde Schwere, Traurigkeit oder Resignation liegt über vielen dieser Gedichtbände, deren Verfasserinnen oft kaum je irgendwo genannt worden sind und genannt werden. Sie haben auch zum größten Teil nicht Aufnahme in diesem Buche gefunden, — aber wer die Seele der Frau studieren wollte, wie sie im Kampf mit ihrem Schicksal lebt und leidet, der sollte an diesen Bänden nicht vorübergehen.
Die Liebe zum Manne nimmt den weitaus größten Raum in der gesamten Frauenlyrik ein. Dagegen verschwindet merkwürdig die geringe Zahl der Gedichte, die dem Kinde gehören. Und welch eine Liebe! Ein unergründlich tiefer Bronnen, ein Hoffen und Erwarten, ein Stürmen und Jauchzen, eine Wildheit der [13]Kräfte und ein schmerzzerschnittener Schrei und lähmende Enttäuschung und Zerbrochensein.
Das sind die Einen! Schicksalsschwere und Gebundensein liegt über ihren Büchern, die von ihrer Liebe erzählen — einer Liebe von der sie leben, an der sie kranken und erlahmen.
Aber da sind noch Andre — und in ihnen liegt die Möglichkeit der Entfaltung und weiterer Ausbreitung höchster menschlich-weiblicher Kräfte. Diese haben ihr Gefühl auch auf die Welt gerichtet. Die Natur mit ihren uns tief verwandten göttlichen Lauten spricht zu ihnen. Sie können ihr Wesen darin wiederfinden und immer wieder läutern und ihre Kräfte erneuern. Sie sehen die Welt und das Leben! Sie fühlen den Geist, der in ihnen und der Welt wirkt und waltet und erheben sich in Augenblicken schon bis zum höchsten, göttlich-menschlichen Fühlen. Es ist ein Umschalten der Gefühle, ein Heraustreten aus der tiefsten Gebundenheit, ein Zerbrechen der innersten Fesseln, ein Erweitern der Liebe zum weltumfassenden Gefühl.
Ich habe nun das Buch zusammengestellt — nicht nach den Dichterinnen — sondern nach [14]Stimmung und Inhalt der Gedichte. Es soll durch die Natur und das Leben führen, durch Frühling und Liebe, durch Mutterschaft, durch traurige Stunden und selbst den Kampf des Lebens, durch Einsamkeit und Andacht und durch Leben und Tod. Ich wollte, daß das Buch eins von denen sei, die man gern bei sich auf dem Tisch liegen habe, um hineinzugreifen — je nach der wechselnden Stimmung und Lage des Lebens, um ein Mitklingen, Mittrauern und Mitfreuen darin zu finden —, die Frauen, um den Widerhall des eigenen Lebens zu suchen — die Männer, um die Seele der Frauen in ihren eigenen Lauten reden zu hören.
Es ist oft geredet und geschrieben worden über Frauenliteratur und Frauenkunst, als läge sie schon als etwas Übersehbares vor uns, und nicht, als sei sie noch ein so jung Gewordenes, ein neu Hervorbrechendes aus uralten Banden, und man hat über ihre Grenzen geurteilt mit verfehlter Kühnheit und verfrühtem Eifer. Ich habe bei meiner Arbeit die Grenzen nicht finden können, trotz der großen, seelischen Gebundenheit Vieler. Denn die Wenigen tragen weiter, [15]nicht die Vielen! Und in ihnen fand ich unbegrenzte Möglichkeiten. Die Grenzen ihrer Kunst sind im Unendlichen verborgen, wie die Grenzen aller Kunst. Aus diesem kommt wieder das neue Leben, das schon Gegenwärtige und noch Zukünftige, das die aufgestellten Grenzen, Lehrsätze und Meinungen zertrümmert, nach dem sich wieder neue Grenzen und Meinungen bilden werden, um von neuem Leben wieder zertrümmert zu werden — und so fort — —
Indem ich nun bedachte, wie kurz noch die Zeit sei, in der die neue Frauenlyrik erstand und die schönen, oft seltsam gefärbten Blüten sah, die sie hervorgebracht hat und das knospende und keimende, noch nicht ganz aufgebrochene Leben und all die Schätze, die man noch im Verborgenen zu ahnen vermag, fragte ich mich erstaunt im Gegensatz zu Jenen:
Dies alles schon jetzt? — —
M. H. Gareth
Im Mai 1911.
Ein Februarnachmittag
Gelbbraune Wiesen — kein Flöckchen Schnee
Am Rande der Bäche, wohin ich auch seh.
Blattlose Sträucher, manch schlanker Baum
Blicken so still in den kahlen Raum,
Trinken ein Licht, das ihr Geäst
Fein und doch scharf erkennen läßt. — —
Ein leiser Frost, der die Bäche hält.
Die Wintersaaten tief grün im Feld. — —
Grellrote Dächer, noch gestern beschneit,
Von jeglichem Stäubchen heute befreit,
Und eine Sonne, die bald zwar enteilt,
Aber schon täglich länger verweilt.
[21]Lachend blick ich ins Land hinein — —
Reizlos soll jetzt meine Heimat sein?
Die ihr in Städten hastet und jagt,
Glaube wohl, daß sie euch gar nichts sagt.
Denn sie verschließt sich allem, was laut,
Gibt sich nur denen, die ihr vertraut.
Bleibt darum fern, ich willige ein,
Bin ja so gern, ach wie gern allein.
Ostern
Christ ist erstanden! Mächtig schwillt
Der Glocken Schall, es anzusagen.
Ein Hauch des Himmels, stark und mild,
Liegt traumhaft über diesen Tagen.
Frohlockend schwebt der Lerche Lied
Im Blauen über allen Landen.
In Tau und Knospen steht das Ried —:
Er ist wahrhaftig auferstanden!
[24]Die Nacht ward lang bei Not und Weh;
Die Hoffnung schlief, statt leis zu singen.
Auf allen Gräbern lag der Schnee
Und Trauer auf der Seele Schwingen.
Nun tagt's; nun quillt's von Licht und Duft;
Frei spielt der Strom mit seinen Banden,
Ein Veilchenbeet ward jede Gruft.
Er ist wahrhaftig auferstanden!
So festlich ist die Welt erneut,
So hell von Lenzlicht übergossen,
Als wandelte durchs Land noch heut
Der Gottessohn mit den Genossen.
Als stünd' er heut noch in der Schar,
Mild segnend, die ihn gläubig fanden:
„Ich bleibe bei euch immerdar — — — “
Er ist wahrhaftig auferstanden!
Wer weint noch still? Wer klagt? Wer fragt,
Warum so heiß die Herzen pochen?
Du Seele, die so tief gezagt,
Wohl dir in diesen Osterwochen!
Und wohl dir, wenn im Abendrot
[25]Die letzten Erdenträume schwanden!
Was ist nun Nacht und Not und Tod?
Er ist wahrhaftig auferstanden!
Lenzerfüllung
Sieh, das fahle Grau am Horizonte
Wird sich bald mit starken Wäldern krönen.
Und der Hügel dort, der stillbesonnte,
Ist schon hellgestirnt mit Tausendschönen.
[28]In den Lüften spielt's wie weiche Geigen,
Und die Winde wehen frohe Takte;
Eine Eiche wiegt sich stolz im Reigen,
Knospenschleier hüllt die göttlich nackte...
Siehst du, wie die Quellen tanzend springen,
Die da lagen in kristallnen Ketten?
Wie sie sich hinaus zu Strömen ringen,
Und ins Freie, Uferlose retten?
Siehst du nicht die tausendschönen Auen?
Fühlst du nicht den großen Lebenswillen
Wie aus unsichtbaren Schalen tauen,
Und empor aus Erdengründen quillen?
Alle, alle goldnen Lebenstriebe
Müssen am Erfüllungstage reifen;
Und aus Herzensengen muß die Liebe
Wachsend in die frohe Weite schweifen.
Laß dich lächelnd von dem Frühling führen,
Gib die Seele frei an seine Sonne!
Offen findst du meines Herzens Türen,
Wo du bergen kannst die Knospenwonne...
Johanneslied
[33]Johannes, warum, sag, bist du gegangen
An diesem wunderbaren Sommertag?
Johannes, warum, sag, bist du geflohen
Vor dieser schönheitschweren Sommernacht?
Wie rauschet die Quelle im Wiesengrund,
Wie dürsten die Blumen, die Erde nach ihr!
Die Quelle, sie bietet den frischen Mund
Der schweigenden Nacht.
Es murmelt die Quelle im Wiesengrund,
In träumender Nacht ein plaudernder Mund — —
Wie meine Seele. Du halfst ihr auf,
Sie strömt in die dunkle Nacht hinaus.
Wie meine Seele. Als sie dich fand,
Von dir gestreichelt mit weicher Hand,
Da hob sie die kranken Augen auf
Und sah zu der eigenen Höhe hinauf,
Und sah wieder frisch in die wachende Welt
Und über ein sonniges Schaffensfeld.
[34]Und was du mir Schönes entgegengebracht,
Es liegt umschlossen von dieser Nacht.
Und meine Seele in Tränen lacht, — —
Johannes — — dir weihe ich diese Nacht.
Mittagszauber
[35]Goldstaub die Luft! — Der stille Park verträumt.
Die Rosen schwer, vom eignen Dufte trunken.
Und jeder Halm von weißem Licht umsäumt.
Und selbst das Erlenlaub in Schlaf versunken.
Es ist so still — nur dann und wann im Hag
Ein Wachtelruf, des Hähers Liebeslocken,
Ein schluchzend abgebrochner Amselschlag,
Ein kurzes Brausen wie versunkne Glocken.
Ich selbst verträumt, das Auge sonnenschwer.
Es flutet über mich mit schwüler Welle,
Ein blauer Falter taumelt um mich her.
Vom Schilfe tönt das Schwirren der Libelle.
In meiner Seele wird es licht und weit,
Ein Schwanken ist's, ein selig Untergehn...
Des Sommertags verlor'ne Einsamkeit
Fühl ich wie gold'ne Nebel mich umwehn.
[36]Noch sieht mein Aug' ein fallend Rosenblatt,
Ein Wasserhuhn ist taumelnd aufgeflogen.
Ich sinke hin — so still und traumesmatt
Und treibe steuerlos auf Traumeswogen.
Irdische Liebe
[41]Weiche, o weiche nicht schaudernd zurück,
Mag auch die Seele dir ahnend erbeben...
Rosen, Rosen will ich dir geben,
Denn mich sendet das purpurne Glück.
In die blühende Welt hinaus,
Wo die nächtlichen Fluren sich breiten,
Will ich auf schwanken Stegen dich leiten — —
Morgen sind wir zu Haus.
Folge mir nach in der Dunkelheit...
Leise, leise durch Gräser und Ranken!
Wo die goldenen Ähren schwanken,
Schläft am Wege das Erdenleid.
Stille des Herzens fiebernden Gang!
Daß wir das purpurne Glück nicht schrecken,
Daß wir das schlafende Leid nicht wecken...
Leise hinunter den Hang!
Unten duftet die Nacht so lau, — —
Oben der Sterne einsame Kreise!
Halte den Atem an — leise, o leise!
Feindliche Schatten durchhuschen die Au,
[42]Leise, daß uns kein Unheil droht!
Denn durch die nachtumschauerten Gründe
Irrt meine schöne Schwester, die Sünde,
Und mein Bruder, der Tod.
Mädchenlied
Wieder die alte Leier!
Sitzt da im Hause ein Freier,
Und sie meinen jetzt drinnen,
Ich möchte mich wohl besinnen
Und, daß auf Liebe die Frauen
[45]Einzig ihr Lebensglück bauen.
— — — — — — — — — — — —
Wär es der Rechte, 's kann sein,
Ich ginge gerne hinein,
Aber mein ganzes Leben
Würd' ich auch dem nicht geben.
Ich behielt mir zurück
Sicher ein gutes Stück.
Daß auf die Liebe die Frauen
Einzig ihr Lebensglück bauen,
Nein, das glaube ich nimmer.
Sagt man's auch immer und immer
„Glück“ — sind meine jungen Glieder
Und meine Brust voll Lieder
Und meine Freude am Leben
Und meine Lust zu streben.
Wenn mich die Liebe will,
So halte sie bei mir still;
Wenn sie mich einst verläßt —
Ich halte sie sicher nicht fest.
— — — — — — — — — — — —
Ja, richtig der Freier im Haus!
[46]Der kommt wohl auch ohne mich aus.
— — — — — — — — — — — —
Vor mir die blühende Welt,
Jauchzend eil' ich ins Feld.
In den Binsen
Langsam und zagend folgt ich dir nach
In die rauschenden Binsen...
Nickende Lilien standen am Bach
Zwischen den Wasserlinsen.
Und so sicher und stark dein Arm,
Rings ein seliges Raunen, —
Und die Sonne lockte so warm:
„Schlaf auf goldenen Daunen.“
Näher und näher zum Teich heran,
Immer verstrickter die Loden...
Und du lachtest mich sonnig an:
„Lug und Trug ist der Boden.
[52]Zitternde Quellchen schon hier und dort
Aus verborgenen Gründen! —
Halte dich fest — gleich sind wir am Ort,
Wo wir die Lilien finden.“
Meine Seele war ganz Vertrau'n,
Und mir sprühten die Wangen...
Ach, ich wäre durch Nacht und Grau'n
Gläubig mit dir gegangen.
Sonder Furcht vor dem schwankenden Rain,
Vor den tückischen Bronnen, —
Immer dir nach in die Binsen hinein
Ganz verträumt und versonnen.
Drüben sah ich in silbernem Flor
Sich die Binsen erhellen, —
Eine Natter züngelt empor,
Höher sprühen die Quellen,
Weicher der Grund... Dir nach, dir nach!
Hielt mich ein Zauber gebunden?
Aber die nickenden Lilien am Bach
Haben wir nicht gefunden.
Enttäuschung
[53]Schwer war mein Herz von leisbewußtem Glück
An jenem Abend, als du auf mein Haupt
Und auf mein langes, dunkles Mädchenhaar
Mir deine schmale, weiße Hand gelegt.
Schwer war mein Herz. Und meine Stirne sank
So tief herab, daß du die Tränen nicht
Erraten solltest, die verstohlen mir
In's Auge stiegen aus der Seele Grund.
Aus meiner Seele, die in Sehnsucht schwoll,
In knospend junger, scheuer Mädchenliebe,
Und die in Andacht, betend fast geharrt
Des Segens, der aus deinen Händen rann, —
Der Weihe ihres tiefgeheimen Glücks.
Da sah ich auf. Und — spielen sah ich dich
Mit meinem Haar, — so wie man lächelnd spielt
Mit Frauenhaaren. Und noch tiefer sank
Die Stirn mir nieder, heißer stiegen noch
[54]Die Tränen auf. Nicht andachtsweich und fromm,
— O nein! — Von deinem Lächeln war
Mein scheues Beten wie entzweigerissen.
Brautlied
[58]Glieder bei Gliedern gelöst,
Schlaf in die Lider geflößt,
Herzen, die ruhiger pochen,
Und kein Wort mehr gesprochen,
Nur in befriedigter Brust
Eins noch des andern bewußt.
Lippen, die küßten sich wund,
Küßten die Herzen gesund,
Weg das Siechen und Sehnen,
Seufzer und Küsse und Tränen.
Liebe ward wieder ein Kind,
Schuldlos, wie Selige sind.
Horch und die Glocke erscholl,
Mahnt, daß die Stunde nun voll.
Leicht wie Flaum ist das Leben,
Das sich der Liebe gegeben.
Sterne, o neiget den Blick
Auf ein vollkommnes Geschick!
[59]Droben rudert ein Schwan
Milchweißschimmernde Bahn,
Hell das Gefieder von Sternen
Zieht er durch himmlische Fernen,
Rudert nach Traumland voraus,
Sucht der Glückseligen Haus.
Weile, du goldener Schwan.
Stunde, den Flügel halt an.
Über dem bräutlichen Dache
Leis beziehet die Wache.
Bleibt in der Sel'gen Revier —
Traumland und Glücksland sind hier.
Eros
[60]O, wie stark du bist!
Dich zwingen nicht Stürme zur Erde,
Du kennst nicht Müh' noch Beschwerde,
Steigst immer bergan, bergauf,
Keiner hemmt dir den Lauf!
O, wie stark du bist!
Trittst du in die Versammlung herein,
Meint man, du müßtest ihr König sein,
So frei und so frank
Ist dein Gang.
O, wie stark du bist!
Den Stolz und die Stärke, die lieb' ich an dir.
Trägst sie wie einer Krone Zier,
Wie ein edel, unsichtbar Schwert;
Das Leben hat dich zu streiten gelehrt.
Das Leben gab dir den siegenden Mut,
Kühn ist dein Auge und flammend dein Blut.
Wärst du in alten Zeiten geboren,
Dich hätten die Helden zum Führer erkoren!
Hätten dich auf dem Schilde getragen,
[61]Hättest die Schlachten für sie geschlagen,
Hättest die Feinde gezwungen zur Frone,
Säßest auf goldnem strahlenden Throne.
O, wie stark du bist.
Meine Wünsche möcht' ich wie zwei Schwingen,
Liebster, dir an deine Schultern heften,
Daß sie dich im Sturme vorwärts trügen
Durch die Luft mit ihren Wunderkräften,
Daß die Mauern vor dir niederstürzten,
All' die starken Walle, die uns trennen,
Daß du kämest, wenn vom Rot des Abends
Lichterloh des Westens Wolken brennen,
Daß du trätest in mein stilles Zimmer,
Froh und stark mit unserem Glück beladen,
Wie dereinst des Himmels sel'ge Boten
Zu den Darbenden und Armen traten.
Rondo
[65]Wie zärtlich sich dein Nacken biegt,
Wie flimmernd dir das Wildhaar fliegt!
Dein Auge siegt!
Und wie dein Mund mich singend rief,
Als ich in meinen Tränen tief
Und gnadlos schlief:
„Tritt aus dem Traum der dich umspannt!
Sieh hin, das weite Herbstesland
Ist bunt entbrannt...
So bunt, so bunt von totem Laub!
Ein trotzig Lodern, eh der Staub
Es nimmt zum Raub.
Mein Blut ist jung, die Stunde lacht —
Vielleicht, vielleicht kommt über Nacht
Das Sterben sacht.
Und sind auch alle Blüten tot,
Schau nur, wie in Korallen rot
Die Esche loht!
[66]Die Beeren reih ich dir zum Kranz,
Du wirst von ihrem Feuerglanz
Umronnen ganz.
Und wieder lachen lernt dein Herz,
Die Ketten brech ich altem Schmerz
Mit jungem Scherz.
Denn starke Lust ist wie ein Held:
Den Grimmen, der die Sichel hält,
Jagt sie ins Feld.
Zu Gipfeln führt sie uns hindann,
Das Lachen klingt wie Glocken an —
Frei ist die Bahn!“...
Heimat
Rück naher, Lieber, laß uns niedersitzen,
Von deiner Heimat sollst du mir erzählen,
Indes ich innig fasse deine Hand,
Vom Dörfchen sprich mir, fern im Frankenland.
[67]Wo fröhlich dir am Baum in junger Sonne
Des Heimaterdreichs deine Kraft erblüht.
Ach, wurzellos, vor jedem Wind getrieben,
Wuchs in der Brust mein heimatloses Lieben.
Sieh, zwischen uns steht tausendjähr'ges Weinen,
Verlorner Jammer des gehaßten Volks;
Und wo du zugreifst und das Glück umfaßt:
Muß ich erst umschaun auf die Leidenslast.
Ein aufgescheuchtes Heer von fremden Vögeln,
Die jeder Gassenbube frech verjagt:
Die Heimatlosen wir vom Stamm der Juden
An fremden Tischen, die zum Spott uns luden.
Doch wenn ich still mich an die Brust dir schmiege,
Dein blonder Bart mein dunkles Kraushaar küßt:
Könnt' aller Haß vor jenem Glanz versinken!
In Liebe, Heimat, Heimat sich die Seele trinken!
O du!
[70]Setze dich nieder an meiner Seite,
Und deine beiden Hände breite
Mir über die Stirne
Und über die feuchten Augen.
In meinem Hirne
Sieht's übel aus,
Ich finde nicht ein noch aus,
Ich will es dir beichten.
Laß die Hand auf den Augen, den müden. —
Sieh — ich mag nicht mit Worten spielen,
Du mußt es so fühlen:
All die Gedanken, die dich verklagen,
Die Stimmen, die dich zu lästern wagen,
Besprich sie zum Frieden — —
Deine Hand, deine heilige Hand,
Die mir das Messer ins Herz gerannt,
Wie ein Kind, das die schneidende Waffe nicht kennt,
Nicht weiß, daß Feuer brennt,
Laß sie ruhn auf der fiebernden Schläfe.
Komm! Rücke näher heran,
Du geliebtester Mann —
[71]Ganz nah, ganz dicht sollst du sitzen,
Mich vor mir selber beschützen — —
Daß uns ein Blitzstrahl jetzt träfe!
Mich lockt deine Stimme
Mich ruft deine Stimme aus Nacht und Not,
Aus der Tiefe, darin die Flamme loht, —
Sie gellt hinauf in den schimmernden Saal;
Bleich werden die Gäste beim Hochzeitsmahl.
Ein Schatten fiel in des Festes Glanz, —
Aus dem Haar lös' ich den Myrtenkranz;
Ab setz ich das Glas mit dem glühroten Wein;
Mich ruft deine Stimme aus feuriger Pein.
Sie ruft mich hinweg aus dem sonnigen Licht;
Am Finger der güldene Reif zerbricht,
Auf der Stirne brennt mir das Kainsmal, —
Mich lockt deine Stimme in ewiger Qual.
[76]Rosen und Myrten, die mir zum Gruß
Am Boden duften, zertritt mein Fuß,
Den seidenen Schleier reiß ich entzwei...
Ich komme, Unseliger — ich bin frei!
Und mit der Hand, die den Goldreif trug
Scheuch ich den Geier in seinem Flug — —
In die Flamme der Hölle riefst du mich,
Und meine Träne rinnt über dich...
Verlassen
Wie in der Silberkaskade
Glitzernd die Sonne sich bricht! —
Mutter, o schließe das Fenster,
Mutter, mich tötet das Licht.
Leg auf die glühenden Augen,
Mutter, die kühlende Hand,
Mutter, o lehr mich vergessen,
Daß meine Sonne entschwand.
Leuchtender Tag ist's gewesen,
Ganz wie zum Lieben gemacht,
Aber die Nacht ist gekommen,
Mutter, die dunkelste Nacht.
Seit ich am sonnigen Hange
Ströme des Glückes einst sog,
[91]Mutter, da haß ich die Sonne,
Weil sie mich schmeichelnd betrog.
Doch wie das Dunkel so traulich
Mir um die Seele sich schlingt,
Mutter, als wollt es verbergen,
Was in mir zittert und ringt.
Mutter, drum aus dem Gemache
Bann mir den feurigen Schein, —
Laß mich mit meinen Gedanken,
Mutter, im Dunkel allein.
Zuflucht
Keine Hütte dürfen wir uns bauen,
Drum nach einem Grabe ging ich schauen.
Bat den alten Berg, uns einzulassen,
Weil uns Menschen und Gestirne hassen.
Sprach der Gute: Mögt ihr zwei denn kommen,
Wenn mein Haupt im Abendrot entglommen.
Wo noch keines Menschen Fuß gegangen,
Wilden Vogels Kralle nur gehangen,
Will ich auftun euch die schwarze Pforte
Und den kühlen Gang zum Bergeshorte.
[95]Heimlich wachsen dort die mächt'gen Steine:
Weicher Onyx und Kristall, der reine.
Der Granaten trauliches Gefunkel
Wärmt die Luft und leuchtet mild ins Dunkel.
Wollt ihr aus dem Drang des Tales schwinden,
Legt euch dahin, niemand wird euch finden.
Sollt den Lärm der Tiefe nicht mehr hören,
Niemand weckt euch, niemand wird euch stören
Als vielleicht das Murmeltier, das fette,
Wenn es leise schnarcht im Winterbette
Oder Sommernachts zum Zeitvertreibe
Einsam tanzt auf eurem weichen Leibe.
Tritt nicht ein
Tritt nicht, wenn ich gestorben bin,
Tritt nicht in die Totenkammer hinein,
Daß nicht dein Auge, von Mitleid feucht,
Sich senk' auf mein schlummerndes Lid vielleicht,
[97]Daß nicht leis zuckend sich deine Hand
Leg' auf mein Herz, das die Ruhe fand,
Daß nicht eine Träne sich dir entringt
Und brennend auf meine Stirne sinkt,
Daß nicht ein Wort von der Lippe dir tönt
Und dumpf durch mein starrendes Hirn erdröhnt,
Tritt nicht in die Kammer, von ferne steh,
Sprich ein Gebet mir und weiter geh.
Tritt leise auf, geh vorüber sacht,
Daß nicht bei deinem Schritt erwacht
All das, was endlich zur Ruhe kam:
Bitterer Gram,
Brennendes Herzweh, verzehrende Glut,
Die erloschen ruht! —
All das Leid um dich,
Das erblich.
O wenn ich werde gestorben sein,
Tritt nicht in die Totenkammer ein!
Die Tote spricht:
[98]Siehe, ich liege in Myrtenblüten
Und blassen, knospigen Rosen.
Neun dicke Kerzen in silbernen Leuchtern
Werfen roten, zuckenden Schein
Auf mein weißes, scharfes Gesicht.
Du hast es mir so feierlich gemacht,
Wie's meine andachtsvolle Seele liebte
Im Leben, das sie überwunden hat.
Damals, als ich nach Feiern durstig war,
Drücktest du Dornen in mein weiches Haar,
Daß es mir rot und warm stirnabwärts rann.
Da war ich deine arme, kleine, blasse,
Dornengekrönte Königin.
Mein Purpur war mein eignes junges Blut...
Nun willst du mich mit Myrten überschütten,
Mit blassen, knospigen Rosen,
Daß du die Wundenmale nicht sehen mußt,
Die du in mein geduldig Fleisch geritzt.
Gutmachen soll die letzte Totenweihe
Der bittren Lebensstunden lange Pein.
Zu spät, mein Freund, um dir und mir
Wiederzugeben, was verloren ist.
Vom Schlafe...
Vom Schlafe bin ich jäh erwacht:
Es heult mein Hund in dunkler Nacht.
Er heult im Traum so dumpf und bang!
Aus weiter Ferne ein Weheklang...
Ums Fenster nächtiges Grauen spinnt:
Leis raunend singt Novemberwind
Ein Sterbelied der kranken Welt — — —
Und morgen fegt der Sturm das Feld,
Und morgen deckt den Hag der Schnee...
Mir ist so weh, zum Sterben weh!
Mir ist, als hörte ich nimmermehr
In Frühlingslüften der Vögel Heer, —
Als grüben sie bald im Totenschrein
Mich in die kalte Erde ein,
Und schlafen müßt ich da Jahr und Tag,
Und niemand hielte mir Totenklag...
[105]Und niemand segnet mein Grab, — vielleicht,
Daß noch mein Hund auf den Kirchhof schleicht
Und einsam hält da die Leichenwacht
Und bange heult durch die Winternacht! — — —
Jäh um Mitternacht bin ich erwacht
Jäh um Mitternacht bin ich erwacht,
Neben mir mein Kind im Traume lacht,
Und der Mond mit hartem weißen Schein
Schaut durchs Fenster ins Gemach herein.
Wie das Mondlicht auf dem Köpfchen spielt,
Fast als ob's die heißen Härchen kühlt,
[107]Die ihm feucht die kleine Stirn umkleben;
Plötzlich durch sein Antlitz zuckt ein Beben,
Und in leisem Wimmern stöhnt der Mund,
Recht als litt's in tiefster Seele Grund.
Mählich stirbt der leise Jammerton,
Wie er schnell gekommen, schnell entflohn,
Nur ein schwerer Seufzer aus der Brust
Langsam gleitet. Wieder dann zur Lust
Glätten sich die süßen Kinderzüge
Tief im Schlaf. Mir ist, als ob es früge:
Was so schwer beschattet mir den Sinn,
Ist dies Leid für immer nun dahin?...
Lächelnd dann, als ob es Engel küßten,
Bettet's tiefer sich an Mütterbrüsten,
Und das Mondlicht gleitet drüber hin,
Kalt und weiß. Mir zittert's durch den Sinn:
Schattenbilder sind's von deinem Leben,
Die im Traum dir durch die Seele schweben,
Schattenbilder nur von Glück und Leid,
Das sich perlgleich aneinanderreiht,
Bis die weiße Perlenschnur zerrinnt
In den Sand der Ewigkeit, mein Kind!
Mein lieb Töchterlein
Klein-Snüfi! süße kleine Elfe,
Wo bist du?
Still! da ist sie in ihrem Wunderland
Unter der roten Buche an Eichhörnchens Grab,
— Halb zerfallen in moosigem Grün,
Grau-Gitterlein hält's umspannt.
[112]Auf dem Kreuzlein tanzt der Sonnenschein,
— Klatscht's mit den feinen Händchen hinein.
O du süßes kleines Elfchen!
Husch! — flattert Eichhörnleins Seelchen im Baum?
Flügel hat's doch und Äuglein braun
Und ein wunderschönes rotes Schwänzchen.
Mein Elfchen macht's Mündchen auf und sinnt —
Zu Fangegrüßchen die Fingerlein küßt's —
Horch! silbertönend: „Rotschwänzchen, du bist's?“
Du kleiner Räuber, laß Mücklein und Raupen,
Willst du nicht süße Frühlingstrauben
Für dich und alle deine Kleinen?
Weg ist Klein-Snüfi durch Hummeln und Bienen;
Mit ros'gen Wänglein kehrt sie wieder
Zu dem versteckten Märchenreich,
In ihren Ärmchen ruhen weich
Goldregen und blaue Glyzinen.
Oo du süße, süße, kleine Elfe,
In deinem heimlichen Himmelreich,
Da werden alle Wunder lebendig.
Kinderland
[113]Bleib im Kinderland,
Bleib im Engelsstand,
Seliger verklärter Leib,
Schöner viel als Mann und Weib.
Tierlein kommt und spricht dich an,
Denn dein Sinn ist aufgetan.
Lang und glücklich ist dein Tag,
Sonne nicht zur Ruhe mag
Überm Kinderland.
Kommt die Nacht herauf,
Sternlein mit zu Hauf
Freundlich grad herunterzielen,
Wollen mit dem Kinde spielen.
In die Ecke Strumpf und Schuh!
Sandmann schließt die Läden zu,
Nur am Baum die Edelsteine
Leuchten fort mit sanftem Scheine
Überm Kinderland.
Wenn der Rauchfrost fällt,
Zucker wird die Welt:
Kriecht das Zwerglein aus dem Fels,
[114]Bär mit braunem Zottelpelz,
Hängen all voll weißer Zäpfchen,
Schlange kommt und leert dein Näpfchen.
Alle dir verwandt,
All im Kinderland.
Schleichst du je hinaus,
Findst nicht mehr nach Haus.
Draußen weht der Wind so stark,
Weht dem Kind durch Bein und Mark,
Tierlein kommt noch zu dir her,
Aber du verstehst's nicht mehr.
Irrst im Wald nach frischem Trank,
Rote Beeren machen krank,
Immer mußt du draußen stehen,
Immer suchen, fragen, flehen,
Bist und bleibst verbannt,
Fern vom Kinderland.
Sie ging hinab in den Garten
[115]Sie ging hinab in den Garten
Im roten Gewand
Eine Lilie in weißer Hand —
Sie wollte das Leben erwarten.
„Rein ist meine junge Seele,
Meine Träume sind rein —
Gott, lasse mich glücklich sein,
Doch ohne Schuld und Fehle.“ —
Bleib stehen, Kind, bleib stehen
Vor der goldenen Tür!
Das Glück kommt nimmer zu dir.
Du sollst nicht weitergehen.
Wer will deine Seele schonen,
Die weiß ist und rein?
Wer kennt deinen Edelstein?
Wer sieht deine funkelnden Kronen?
Wer wird deiner Träume Gestalten
Liebend verstehn?
Wer wird dir zur Seite gehn
Und dein Haupt beschirmen und halten?
[116]Wer wird seinen Mantel schlagen
Um dein sehnendes Herz?
Wer panzert es leuchtend in Erz,
Um die Speere der Welt zu ertragen?
Du sollst nicht weitergehen
In die blühende Pracht.
Dein Herz verblutet vor Nacht —
Du gläubiges Kind — bleib stehen!
Lilien
In dem Gemach, verhangen
Rings mit Gardinen rot,
Liegt ein krankes Kindlein gefangen,
Liegt ein armes Kindlein am Tod.
Es ist Winter im Land, doch der Maien
Hat Grüße ans Bett gesandt,
Rosen und Lilien, im Freien
Gewachsen, am Adriastrand.
[117]Auf der Decke von Seide
Ist ausgelegt eine Pracht;
Was je nur zur Augenweide
Seiner Kinder der Reichtum erdacht:
Goldig gefiederte Pfauen,
Lämmer, weißer als Schnee,
Und die schönste der Puppenfrauen
Und das reizendste Puppenbébé.
Doch nur nach der Blumenvase
Das Kind wie sehnend blickt;
Den vergehenden Lilien im Glase
Gleicht sein Köpflein, schmerzgeknickt.
Die Mutter mag es nicht denken,
Noch spricht sie mit zitterndem Mund
Von nichts als von Spielen, Geschenken;
Und so nah, so nah ist die Stund...
Horch, ein Stimmlein vom Kissen
Lispelt matt und verträumt:
„Mutter, willst du's auch wissen,
Was mir hat Schönes geträumt?
[118]Ich war im Wald spazieren,
Im grünen, grünen Wald allein,
Hab geredet mit allen Tieren
Und gepflückt soviel Blumen fein.
Da war eine schöne, schöne Lilie,
Die hab ich mir angeschaut,
Steigt ein weißes Kind aus der Lilie
Und sagt: Du bist meine Braut.“
„Liebling! Was träumst du für Sachen?
Braut! Da hat's wohl noch Zeit!“
Lacht die Mutter; beim Lachen
Bricht ihr das Herz vor Leid.
Und plötzlich schließt sie die Kleine
In ihre Arme mit Beben ein...
Es kommt im Dämmerscheine
Ein weißes Kind herein.
Selige Stunde
[122]Wir waren Kinder, große Kinder, ich und du,
Und spielten: „Ganz alleine auf der Welt“;
Wir haben uns kein stolzes Schloß dazu,
Nur unter alten Buchen eine Bank erwählt.
Weit ausgebreitet lag ein grüner Wiesenrain,
Aus dunklen Tälern floß herab der Frieden.
Tiefselig so in unserm Sonnenschein
Wir voller Unschuld niederknieten,
Und schauten lachend in das blaue Himmelslicht
Und sahn uns in die Augen — immer wieder,
Halb wußten wir's, halb wußten wir es nicht.
Im Sang der tausend süßen Vogellieder,
O Gott, wie war die weite, weite Welt so schön! —
So still die Wälder, wie sie nie geschwiegen —
So lind die Lüfte, wie sie nimmer wehn —
Wie sie im trauten Märchenland nur wiegen.
Zwei Königskinder. — Königskinder: — ich und du.
Wir spielten: „Ganz alleine auf der Welt“,
Und haben uns kein stolzes Schloß dazu,
Nur unter Buchen eine Märchenbank erwählt.
Pans Grab
[127]Im Birkicht steht ein Opferstein,
Der sammelt den Tau des Himmels ein
In seinen moosigen Rinnen.
Da weben weißkreuzige Spinnen
Ihr duftiges Elfenlinnen.
Da opfert die Sonne ihr goldigstes Licht,
Und die Nacht entschleiert ihr Sternengesicht.
Die weißen Birken wehn feierlich,
Und die Pfaffenhütchen verneigen sich.
Vom Lupinenfeld und vom Himbeerbruch
Schwingt sich ein süßer Opfergeruch.
Die Wiese am Walde ist schattenblau,
Die Herbstzeitlosen taumeln im Tau.
Im Rohre duckt sich der Kormoran.
Leise, leise nur darfst du dich nahn...
Hochheiliges Schweigen am Opferstein
Schläfert alles Lebendige ein.
Leben im Tode und Sterben im Sein,
Frieden des Grabes macht dich so klein...
Leise, ganz leise darfst du dich nahn, —
Unter dem Steine schlummert Pan.
Mittagsstille
[129]Komm, laß uns wandern,
Eng einer gedrückt an den andern,
Durch die Felder, von Segen schwer,
Durch ein wogendes Ährenmeer
Unter wonnigen Erntedüften
Tief in den schweigenden Mittag hinein,
Wir beide allein.
Horch! — Kein Hauch in den Lüften,
Ein Klirren nur, wenn sich die Halme regen
Als jauchzten sie schon der Sense entgegen.
Wie der Mohn am Gelände flammt!
Wie ein Saum von purpurnem Samt,
Ein Strom von Blut, den wir durchschreiten müssen —
Halte dich fest auf den Füßen!
Die Sonne sticht und die Luft drückt schwer,
Dein Arm in dem meinen lastet sehr,
So brennend heiß unsere Hände,
Und noch immer des Wegs kein Ende!
Tiefer das Korn sich zu Boden neigt,
Stärker das Düften aufwärts steigt
Aus goldenem Opferbecken.
[130]Tritt leise! Halt deinen Atem an,
Geliebter Mann,
Daß wir den großen Pan nicht wecken.
Heidemoor
Öd ist es und wüst ist es rings umher,
Öd ist es und fahl in der Heide Gebiet,
Wo moorige Rinnsale langsam und schwer
Die Wasser schleppen hinunter ins Meer,
Die verkrüppeltes Zwergholz am Ufer umkniet.
O trauriges Land voll Nebelgequalm,
Das selten die Sonne in Himmelsblau schaut!
Gespenstisch im Rohre rauscht Halm an Halm,
Wenn die Frösche beginnen den Abendpsalm,
Wenn der Dunst um Heide und Ginster braut.
Das ist im Lande die böse Stund,
Da hebt sich empor, was Ruhe nicht fand,
Da sucht nach Worten der Toten Mund,
Zu tun ihr Leid den Lebendigen kund —
Und wehe jeglichem, der sie verstand!
[131]Denn ihr Hauch löscht aus alle Jugendkraft,
Daß jäh deine Lippe das Lachen vergißt,
Daß stumm du dich beugst in des Grames Haft,
Bis Liebe, Hoffen und Leidenschaft
So welk und tot wie die Heide ist.
Territet
[136]Komm, schau hinaus mit mir auf diese blaue Wasserfläche,
Die weiße Sternenreigen blitzend übertanzen
Wie ringelreihnde Grazienkinder
In leichte, lichte Sonnenschleier eingehüllt;
Die zähneblitzend mit dem Sonnenlächeln
Und weichen Gliedern hin sich schmiegend,
Vereinen Luft und Wasser zu dem Schönheitganzen.
Schau du hinaus mit mir in jene duft'gen Berge
Die am Savoyerufer diesen blauen See
Mit einem Silberkranz umdrangen,
Die lichten Segel und die schnee'gen Möven
Sich in dem Saphirglanze widerspiegeln.
Und sieh hinauf zu diesen stolzen Felsenhängen,
Die wie Kristall und Edelsteine glühen
In ihrer herbstlich reichen Farbenpracht.
Ja schau hinaus mit mir in diese Welt voll Wunder
Und reich mir deine beiden lieben Hände
Und schau mich an mit deinen klugen Augen,
[137]Die als zwei herbstlich goldenbraune Lichter,
Mit all der Pracht sich einend, leuchten —
Und alle Schönheit sieghaft überstrahlen.
Auf der Sternwarte
Es sank der Sonnenball in Wolkenbändern;
Am Firmamente stieg empor die Nacht;
Und da verlassen uns der Wärmespender,
Hat er den Mond, die Sterne uns gebracht.
Hoch oben stand ich auf der Warte Höhen,
Rings unter mir ein zahllos Häusermeer.
So tief, so fern erschien der Großstadt Wehen,
Kein Laut des Lebens wagte sich hierher.
Dort sah von oben ich das wirre Eilen, —
Wie Mensch an Mensch geschäftig vorwärts drängt;
Ich sah hinein in enger Straßen Zeilen,
Darein des Mondes Strahlen sich gesenkt.
Der Großstadt Lichterketten sah ich funkeln,
Den Strom, der still und schön die Stadt durchfließt,
Sah Wald und Feld und Baum und Strauch im Dunkeln
[138]Und manchen Turm, der stolz den Himmel grüßt,
— — Hinauf hab' ich geschaut zu all den Sternen,
Zum Mond mit seinem silberhellen Schein.
Mir ward so leicht, als müßten jene Fernen
Und nicht die Erde meine Heimat sein.
Mir schien, ich schwebte frei im Weltenraume,
Gelöst von dem, was mich hier unten hält.
Gewißheit ward, was ich ersehnt im Traume:
Dort oben liegt der Seele Wunderwelt.
Höchster Norden
Berge dort von schwärzestem Metall,
Doch sehr flach, — am kalten Boden klebend,
Denn die Erde scheint erstarrt im All,
Und ihr Atem geht nicht hoch, nicht hebend.
Und vom Grat der Berge starren Flecken
Weißen Schnees
Wie tote Riesenaugen.
Längst gebrochne Blicke recken
[139]Sich noch aufwärts, und sie saugen
Fahlen Himmels Gletscherbläue in ihr ewiges Gefäß.
Weiter an der Felsen Lehne
Liegt ein Schneefeld wie der Rücken
Vom vereisten Urwelt-Rind.
Dehnt sich zum See, wo in knirschenden Stücken
Schollen sich schieben, — vorwärts rücken
Wie kristallerstarrte Kähne,
Die dem Tod ein Spiegel sind.
Kalte Stille. — Aber dort
Sah ich schmale Felsenspalte
Einen Strauch, einen blassen, tragen,
Wie ein leises, ein schüchternes Wort,
Das die Erde in ersten Tagen
Ihrer kargen Kindheit lallte.
An den Sturm
[140]Deiner Flügel, Sturmwind,
Die über den Schnee der Alpe
Im Vorüberfluge streifen,
Entgürte dich.
Aus Felsenschluchten brichst du hervor,
Wie aus den sieben Siegeln des himmlischen Buches
Die Vernichtung,
Und singst dich nicht müde
An deinem Zornlied.
Aber hier auf dem geborst'nen Leib des Felsens
Geselle dich zu mir,
Daß sich dein Auge
Wie ein Abgrund vor mir auftut,
Der Jahrhunderte verschlang.
Verachte mich nicht,
Weil ich Mensch bin
Und dein entfesseltes Gewand
Mit gebeugtem Haupt und Knie
Und abwehrenden Händen
Bebend verehre:
Du bist meiner Seele nicht fremd,
[141]Ein lebendige Kette
Sinnaustauschender Geister
Trägt deine Stimme
An die widerhallende Mauer, meine Brust.
Aber legst du dein Ohr
An dies tönende Gewölbe,
Schatzkammer meines Herzens,
So vernimmst du den singenden Chor
Meiner Gefühle.
Wie das rauschende Atmen
Eines schlummernden Waldes bei Nacht
Klingt jetzt sein beruhigtes Lied.
Aber aus der Tiefe des Gesanges
Immer und immer
Drängt ein Laut sich hervor
Wie des Sommergewitters
Erster verkündender Ton.
Fällt dann das mächtige Echo,
Von Lieb oder Hassen erregt,
Verwandter Gemüter ein,
Füllt das Brausen mein Ohr bis zum Rand,
Daß ich dich selber nicht höre
Hart über meinem Haupte.
Und wenn ich tot bin,
[142]Und du, der Unsterbliche,
Über dem sinkenden Hügel meines Grabes
Wie von Anfang hinschwebst,
Flammt noch unerloschen,
An der Fackel auch meines Geistes
Genährt, eine Leuchte,
Die die Funken verflackernder Brände
Sammelt und trägt.
Von Hand zu Hand geh'nd
In der Zukunft Jahrhunderte.
Sturm und Flamme
[143]Laß dich umfassen, flackernde Lohe,
Die aus dem Fünkchen des Herdes entsprang
Wachse gen Himmel, räche dich, hohe,
Dienende Sklavin warst du so lang.
Schmählich zu niederer Arbeit gefangen,
Krochst du, gebundenen Fittigs, am Grund,
Breite die Arme zu heißem Umfangen,
Küsse, küsse mit loderndem Mund!
[143]Tochter des Himmels, nun kenn ich dich wieder,
Rührst mit der Stirn an der Wolken Rand,
Purpurn und golden streckst du die Glieder,
Denen entsunken das Knechtsgewand.
Laß dich mich tragen, laß dich mich fassen,
Wachse, wachse im Arme mir!
Laß uns zertreten, sie, die wir hassen,
Freigewordene Sklaven wir!
Wie sie sich wehren in machtlosem Neide
Gegen den Sturm und sein Flammenlieb!
Götter der Erde sind wir jetzt beide,
Weißt du, was da, wo wir herrschten, blieb?
Oftmals, die schlafenden Funken zu wecken,
Hat uns der singende Kessel erzählt
Von jener Nacht einst voll lodernder Schrecken,
Wenn mit dem Sturm sich die Flamme vermählt.
Götter der Erde sind wir geworden,
Doch im Jauchzen hauch ich dir's zu:
Wenn wir zu Ende mit Sengen und Morden,
Sinken mußt mit den Sinkenden du.
Laß uns durchschwelgen die selige, rasche,
[144]Glühende Stunde, eh' sie entwich;
Morgen durch eine Wüste von Asche
Streifet der Nachtwind, klagend um dich.
Still, als Funken liegst du gebettet,
Horchend umkreis ich dein Grabgemach,
Bis dich aufs Neue mein Atem entkettet,
Küssend zu loderndem Leben dich wach.
Einstmals aber im letzten Entflammen,
Ehe der Erdball in Schlacken zerfällt,
Schmelzen im glühenden Kuß wir zusammen;
Totenfackel der sterbenden Welt.
Meeresschöpfung
[147]Wogen rauschen und rollen den Sand,
Berge hoch aufwärts am dürftigen Strand,
Düne, endlose Düne!
Stürme heulen, es tobt der Nord,
Zischend schreitet das Sandmeer fort,
Düne, endlose Düne. —
Da kommt der Lenz mit dem Sonnenschein,
Lächelt viel knospige Triebe hinein,
Schmückt die sandige Düne.
Busch auf Busch, wie es wächst und lacht!
Heideblumen in farbiger Pracht, —
Düne, grünende Düne!
Birken und Erlen flüstern im Rund,
Eiche wurzelt im sandigen Grund
Waldgewordener Düne.
Wurzeln vielarmig strecken sie aus,
Stützen und tragen das freundliche Haus,
Fischerhaus hoch auf der Düne.
Berge sterben vergessen im Meer,
Welle nur trägt ihr Gedenken her,
[148]Sand ihr Anfang und Ende.
Aber Natur in urewiger Kraft,
Formt und ändert, tötet und schafft,
Endlose Fülle des Lebens! —
Am livischen Strand
Die weite See lag friedumsponnen.
Wir wandelten am Abend auf den Dünen,
Und in dem endlos fernen Raum
Verwob sich alles golddurchschienen.
Wir schaufelten im weichen Sande,
Der wie Topas aus grüner Heide lugte,
Und Lachen klang, und helle Lust,
Wenn eins im Sand Versteck sich suchte.
War still die Sonne, feuerglühend,
Verscheidend bis zum Meer hinabgesunken,
Vier flinke Möwen, flogen wir
Zum Wasser, freud- und schönheitstrunken.
[151]Wo Land und Meer im alten Spiele
Des wechselvollen Dein und Mein befangen,
Da schauten wir erwartungsvoll
Zur Sonne hin, mit heißen Wangen.
O Glück! wenn sie in grünem Strahle
Erlosch, als Weckruf ihrer Abendröte,
Die Düne stürmten wir hinaus
Ob zweimal sich das Wunder böte.
Was wahrnehmbar im Farbenspiele
Der hingewichne Glanz dem Aug entfaltet,
Erstand im Spiegel der Idee
Zu geist'ger Sonne umgestaltet.
Der Menschheit ungestilltes Suchen, —
Als grüner Strahl erwachte es zum Leben
Dem Seherblick. Da stand im Licht:
„Euch sei das dritte Reich gegeben.“
Frau Sorge
Es locken die Berge in hehrer Pracht
Die Quelle murmelt, die Sonne lacht.
Ich wandre in frühester Morgenstund
Mit fröhlichem Herzen durch Waldesgrund.
Da — fällt ein Schatten mir über den Weg
Verdunkelt die Sonne, versperrt den Steg:
Die Sorge, die graue Sorge! —
[167]Und suche ich nach des Tages Last
Bei meinen Büchern Erholung und Rast —
Und grüble ich über den Rätseln des Seins
Und fühl' ich mit unsern Dichtern mich eins —
Da drängt sich dazwischen die hagre Gestalt
Umklammert den Geist mit brutaler Gewalt
Die Sorge, die graue Sorge! —
Und regen Gedanken sich hinter der Stirn
Und will mein mit Zahlen gefülltes Hirn
Versuchen zu formen ein Lied, einen Sang —
Da — starr wird mein Blick und das Auge bang —
Ich fühl ihres Atems erkältenden Hauch —
Da ist sie schon wieder, jetzt seh ich sie auch:
Die Sorge, die graue Sorge! —
Sie steht mit mir auf und schläft mit mir ein
Oft sind wir beide ganz allein. —
Ich schleudre ihr meinen Hass ins Gesicht —
Sie lächelt nur höhnisch und weicht doch nicht —
Es bannt sie kein Fluchen und kein Gebet —
Ob sie bis ans Ende mal mit mir geht?
Die Sorge, die graue Sorge? —
Meine stillen und verträumten Gärten!
[174]Weiches Wolkengrau und müdes Leuchten
Manchmal rieseln lautlos feine Tröpfchen,
Und die Blüten in den stillen Gärten
Neigen scheu im Perlenschmuck die Köpfchen.
Auf den Straßen, die mich zu den Zielen,
Zu den Zielen meines Alltags leiten
Wird mich heute, wenn ich weiter wandre
Nicht der Staub, der läst'ge Staub begleiten.
Und ich käme wohl ein gut Stück weiter
Heut mit meinen rüstigen Gefährten,
Doch es locken mich mit Zaubermitteln
Meine stillen und verträumten Gärten.
Blasses Wolkengrau und müdes Leuchten
Und ich weiß, an solchen bleichen Tagen
Hat die Frau, die meine Seele küßte
Da ich Kind war — mir noch viel zu sagen.
[175]Und ich suche, suche meine Sehnsucht
Und die Blüten neigen ihre Köpfchen
Und das fahle Licht der grauen Wolken
Spiegelt sich in tausend feinen Tröpfchen.
Und ich suche, suche meine Sehnsucht —
Und sie läßt mich immer länger warten.
Warum horch ich nach dem Lärm der Straße
Selbst in meinem stillen Zaubergarten?
Sind das Stimmen wohl, die draußen riefen,
Stimmen meiner wandernden Gefährten?
Soll ich folgen — soll ich sie vergessen —
Meine stillen und verträumten Gärten?
Die Zeit will Kampf
Die Zeit will Kampf, — ich aber möchte träumen,
Des Lebens Märkten endlos weit entrückt
Hier unter meinen hohen alten Bäumen,
In meinen trauten lautlos stillen Räumen,
Wo mich kein Straßenlärm und Staub bedrückt.
[176]Die Zeit will Kampf, hab ich ein Recht zu rasten,
Jetzt wo ich endlich, endlich einmal frei! —
Ich sehe andere mit schweren Lasten,
Auf staub'ger Straße ohne Hoffnung hasten,
Und höre manchen müden dumpfen Schrei
Die Zeit will Kampf, ruft Männer und ruft Frauen,
Und viele säumen, viele hören nicht,
Jetzt wo es gilt, für Kommende zu bauen,
Daß ich sie rufen könnte, all die Lauen,
Zu denen mahnend kein Gewissen spricht
Vom guten Kampf — — auch ich, ich möchte träumen,
Des Lebens Märkten endlos weit entrückt,
Hier unter meinen hohen alten Bäumen,
In meinen trauten, lautlos stillen Räumen
Wo mich kein Straßenlärm und Staub bedrückt.
Wer soll sich Ruhe bewahren?
[177]Wer soll sich Ruhe bewahren
In dieser lebendigen Zeit?
Von widerstreitenden Fragen
Sind alle Gemüter zerrissen,
Und kaum hat einer verkündet
Die Lösung, den richtigen Weg,
So stürzen von neuem sich Scharen
Und wehren und warnen und schelten
Und zeigen den rechten Weg.
Wo, sagt mir, wo sollen wir wandern?
Wer ist hier Autorität? —
Gehe zurück in die Kammer
Und frage, wozu dich treibt,
Von allem Streiten entledigt,
In der Stille dein Herz.
Denn schrieb man auch Bücher dagegen
Und lächelte drüber mit Spott
Und stritt mit gelehrten Systemen, —
[178]— Wisse, — es kommen die Tage,
Da schreibt man andere Bücher
Und lächelt mit Spott über jene
Und hat die Systeme geändert.
Ein Lied vom Ende der Not
[181]Dumpf liegt der Herbsttag und schwer
Über Gehöften und Feld,
Gärten, verlassen und leer,
Eine freudlose Welt. —
Menschen mit stumpfem Sinn
Ruhn von der Arbeit aus,
Fröstelnd durch naßkalten Tag
Eil' ich von Haus zu Haus.
Nirgends auf meinem Weg
Die öde Straße entlang,
Lockt mich ein froher Schein,
Grüßt mich ein fröhlicher Klang.
Dreschmaschinengesumm, —
Ich kenne den Ton,
Kenne das surrende Lied
Seit frühester Jugend schon.
Immer rief es mir zu:
Was willst du, hier ist keine Not,
[182]Allen in meinem Bereich
Schaff ich von jeher das Brot. —
Brot! Die Maschine summt —
Herbsttag drückt müde und schwer,
Rings die Gehöfte, das Feld,
Alles so öde, so leer. —
Brot? Und mein Denken enteilt —
Ich träume von einer Zeit,
Die alle Müden dereinst
Von ihrer Stumpfheit befreit.
Jubelnd ertönt mir ein Lied,
Ein Lied vom Ende der Not,
Da alle Menschen geladen
Zu Freude, Wissen und Brot.
Du armes Herz
[193]Du armes Herz bist noch nicht tot
Und willst noch nicht versteinen?
Ich hörte beim Brausen der Alltagsnot
Nicht mehr dein stilles Weinen.
Ich hab dich vergessen, du schlugst so leis,
Ich hatte so viel zu sorgen;
Ich hielt dich in deinem Sarge von Eis
Für alle Zeiten geborgen.
Was hast du mir für Not gebracht,
Mit heißem Bangen und Pochen!
Wir haben gejauchzt, geweint, gelacht,
Bis endlich du schluchzend gebrochen.
Die Räder des Lebens rollen fort
Auch über gebrochene Herzen,
Über Blumen und Hoffnungen, die verdorrt,
Und über begrabene Schmerzen.
Du kennst es ja, du kennst es doch,
Laß ab, laß ab zu weinen;
[194]Es ist ja das alte Leben noch. —
Lern' endlich doch versteinen!
Die Spur im Sande
[199]— — Abseits vom breiten Pfade
Irrte auch ich,
Denn ich verstand nicht
Das Tun der Menschen.
Da nahm die Wüste mich auf —
Und durch den Sand
Schritt ich mit blutenden Füßen
Weiter und weiter,
Und ich sah nicht zurück,
Wo der bläuliche Nebel
In endlosen Weiten
Die Dörfer der Menschen verschlang.
Da kreiste am Himmel
Mit ausgebreiteten Schwingen
Ein Riesengeier,
Die Einsamkeit.
Da sank die Sonne
Mit brandigem Schimmer,
Und Schatten huschten vorüber
Wie abgeschiedene Geister.
Da brachen aus ihren Höhlen
Die Tiere der Wüste,
[200]Und ihr Gebrüll
Durchtoste das Sandmeer,
Lüstern nach Raub.
Und mir entgegen
Grinste der Hunger,
Grinste der Durst
Und die seelentötende Einsamkeit.
Und ich in der Wüste
Der einzige Mensch.
Da höhnte der Geist:
„So sprich, warum bist du
Dem Pfade der Menschen entflohn —
Dem breiten Pfade
Durch Weizenfelder? — “
Und ich neigte die Stirne und sprach:
„Ich habe nicht Teil an ihnen.“
Und wieder höhnte her Geist:
„Daß du entwichen,
Dem eigenen Geschlecht,
Ist nun dein Fluch —
[201]Denn die einsamen Pfade
Führen zum Tod...
Du dürstest nach Menschen
Und stirbst am Durste...“
Und ich wanderte weiter,
Umbrüllt von hungrigen Tieren,
Umflattert von irrenden Schatten —
Und es höhnten die Steine am Weg:
„Der einzige Mensch!“
Und weiter und weiter —
Endlos der Himmel,
Endlos die Wüste,
Und mitten darinnen
Ein kleines, klopfendes Herz!
Umfiebert die Stirn,
Vertrocknet die Lippe,
Keuchend der Atem! — —
Da stieg mir der Wahnsinn empor.
Und ich küßte am Wege den Stein.
„O hätte Menschenfuß
Dich je betreten!
[202]O wäre auf diesem Pfade
Ein andrer gewandelt!
O einmal nur
Ein Kinderlachen,
Ein Glockentönen,
Bevor ich sterbe — —
Mich dürstet nach Menschen.“
Da — vor mir im dünnen Sande
Auf glatten Felsen
— Barmherziger Gott! —
Eine Menschenspur!
Und weinend brach ich ins Knie.
Nicht mehr der einzige Mensch
Ein anderer vor mir!
Wohin sein Pfad?
Verschlang ihn die Wüste?
Kehrte er heimwärts
Zu seinem Geschlecht?
Schritt er im Wahnsinn?
Schritt er, von Sehnsucht beschwingt,
Nach leuchtenden Zielen?
So rede, rede,
Heilige Spur! — —
[203]Doch die Einsamkeit sprach:
„Wozu die Frage? —
Ein Mensch, ein Mensch,
Der gelitten wie du
Und geirrt wie du!
Ein Mensch in der Wüste,
Abseits vom Pfade
Der Weizenfelder,
Suchend das Licht!“ — —
Da wich der Wahnsinn
Da strahlte die Nacht,
Da stand der Himmel in Flammen —
Und wund geküßt
Auf nacktem Stein
Hab' ich die brennende Lippe...
Ein Mensch in der Wüste!
Im Sand eine Spur! — —
Hab' Dank, o Fremdling...
Die Stirn am Boden
Die Stirn am Boden, einsam ohn' Begreifen
Befrag' ich dich mit Fragen ohne Wort —
Still rauscht das Korn; die Rose glüht und dorrt —
Um mich ein unabänderliches Reifen.
[209]Werd' ich die Stimme heute noch vernehmen;
Lautlosen Trost, Erfüllung ohne Schein,
Des Rausches Perlen ohne goldnen Wein,
Gewähr der Liebe ohne Blut und Schemen?
Willst du dich der gefangnen Sehnsucht geben,
Die noch bedarf, der jeder Hauch ein Gib?
Muß erst der Leib der Seele Licht zulieb
Sich wandeln büßend für ihr rein'res Leben?
Doch wenn du dich in diesem Kreis mir weihest
Daß ich dich fasse mit des Lebens Hauch,
So dringe durch der Bilder Schein und Rauch
Und gib ein Zeichen — gib mir, daß du seiest!
Ich blicke auf. Zu weißer Wolken Bogen
Baut sich die Welt, ein frommgewölbter Saal —
Ich lausche tief. In ewigem Choral
Bewegen rhythmisch sich des Kornes Wogen.
Buddha
[210]Buddha starrt schwarz und schweigend und groß
Der ringenden Nacht in den samtenen Schoß,
Dahinter die Abendgluten
Am Himmel zitternd verbluten.
So hat er gestarrt vom ersten Tag
In tausende sehnender Herzen Schlag,
So hat er gestarrt und geschwiegen,
Wenn zum Himmel die Wünsche stiegen.
Und er starrt noch immer — die Dschungelnacht
Wächst höher und höher in grüner Pracht,
Und flüsternd die Bäume sich neigen,
Sie kennen des Buddha Schweigen.
Sie wissen nur eines frommt den Sinn,
Nichts sehnen, nichts wünschen, am Boden hin
Wunschlos und traumlos schwanken —,
Flüchtig wie Blumenranken.
Einen Tag dem Buddha die Stirn umziehn
Und dann vermodern und dann verglühn.
[211]Nirwana, das große Traumes-Nichts,
Verschlingt unersättlich den Born des Lichts.
...Und den Urwald durchraunt ein Neigen —
Der Buddha lächelt im Schweigen.
Bergpsalm
[212]Noch wurzle ich in der Erde
Die breit zu meinen Füßen ruht.
Und Liebe nährt mich, wie das Kind die Milch,
Und immer tiefer schlagen meine Wurzeln.
Der Baum wird knorrig, steif und fest,
Doch wenn der Wind kommt, fängt er an zu rauschen:
O, Menschen, Menschen, Menschen,
Ihr kommt und geht und nützt die Zeit,
Mir aber scheint, ich stünde fest,
Versinnend meine Zeit,
Die ich gewinnen will, indem ich sie verliere.
[212]Gewinne ich so auch den Gott, den ich verlor?
Ich streckte meine Äste aus,
All meine Zweige gen den Himmel.
Vom Abendrot und Morgenrot
Weht mir herüber ungemessne Zeit.
Hört auf zu zählen.
Nur Vergänglichkeit muß zählen.
Was ist, besteht!
Im Rhythmus schreitet fort die Ewigkeit.
[213]Allmacht und Ewigkeit!
Es reißt sich meine Seele los so wie ein Vogel
Und fliegt, und fliegt
Zum Gott der Allmacht und der Ewigkeit.
— Was kommst du Vogel wieder,
Dürstend und schlaff,
Und sinkst zum Erdreich und hinein
Und trinkst? —
— Kalt ist die Welt,
Allmacht, Weisheit und Ewigkeit.
Ich suchte Liebe.
Verschmachten muß man droben,
Doch alles, was hier drunten Wärme hat
Und lebt und liebt muß sterben.
Ich aber liebe und will ewig leben! —
Gebet
Herr, wenn du jemals gegen mich verstummtest!
Wenn dieser stillen Zwiesprach' Seligkeit
In nichts versänke! Ach, wie würd ich messen
Den dunklen Abgrund dann — voll Todesleid?
Denn meiner Stille warst du der Beleber,
Auf meinen stumpfen Wassern du der Glanz.
In meinen öden Stunden — du der Inhalt,
Auf meiner wunden Stirne du der Kranz.
Du bliebst bei mir, als alle mich verließen,
Als ich allein in meiner Feste Saal,
Als keine Schritte mehr auf meinen Fliesen,
Als welk die Gärten und die Wälder fahl.
[226]Da sprächst du mir von einem ew'gen Pfade,
Von neuer Jugend und von tiefrem Glück,
Von größrer Liebe! Herr, die sel'ge Gnade
Der stummen Zwiesprach, nimm sie nicht zurück!
Wie könntest du so furchtbar mich verstoßen?
Die dein Geschöpf und nur in dir gedeiht?
Wenn du verstummtest! Ach wie könnt ich fassen
Den dunklen Abgrund dann — voll Todesleid.
Ich danke dir, o Unergründlicher
Ich danke dir, o Unergründlicher —
In dieser einen Stunde dank ich dir,
Daß du mir Leben gabst!
O sieh mich an! Ich knie vor deinem Thron;
Die eh'rnen Fesseln habe ich zersprengt,
Die Arme heb ich frei zum Licht empor
Und danke dir. —
Ich danke dir für diesen warmen Odem,
Der als ein Opferhauch für deine Größe
Sich lautlos über meine Lippen drängt.
[231]Ich danke dir für dieses Auges Tor,
Durch das sich alle deine Wunder drängten,
Um hier in meiner engen Menschenbrust
Die ganze Welt sich leuchtend auszubau'n.
Ich danke dir für diese tiefe Glut,
Die wie der Freiheit Flammenzeichen brennt
In meiner Brust,
In der die finstern Kerker meiner Leiden
Zusammenstürzen und gen Himmel lodern.
Und ob kein Funken dieser heil'gen Glut
Zurückgelangt in deinen Weltenraum,
Ob nichts der Nachwelt jemals künden wird:
Hier schlug ein Herz, das heiß die Welt umschloß!
— Ich fühle doch in dieser ew'gen Stunde
Die ganze Größe deines Riesenwerkes,
Ich fühle deinen Schöpferhauch im Busen,
Und ewig bin ich — ewig wie dein Werk.
Herbst
[235]Willkommen, mein stolzer, mein wilder Gesell!
Zieh' den Wolkenschleier, den dunkeln,
Der Sonn' übers Antlitz — sie lacht so grell —
Laß das Gold deiner Lieder funkeln —
Greif' in die Harfe — wie tönt sie schrill —
Die kreischenden Vögel werden still.
Treib' die Blätter hinweg, sie sind versengt,
Der Blumen schreiende Pracht —
O die Glut, die der Erde die Farben mengt,
O die Glut — wie sie elend macht!
Nimm sie mit auf wehendem Flügel,
Du Sturm, mit verhängtem Zügel.
Wenn dein heiliger Zorn sie reingefegt,
Die Welt, von Liebe und Sünde,
Wenn, des Schmucks beraubt, sie sich kaum bewegt,
Dann schmilzt dir im Herzen die Rinde —
Mein Herbst, dann sitzest du wie einst —
Die Wildheit zerbrochen, am Grab — und weinst.
Allerseelen
Krächzt, ihr Raben, schreit, ihr Vögel,
Ach, ihr singt mir grade recht,
Und du, dichter Nebel, spinne,
Spinne diese Erde ein;
[238]Spinne, spinne einen Schleier
Um uns arme Menschenleben,
Daß wir uns nicht schämen brauchen,
Schämen unsrer nackten Not.
Und ihr Raben, und ihr Krähen,
Singt, ihr singt mir grade recht,
Daß ich nicht das Weinen höre,
Weinen der versenkten Götter
In der dumpfen Menschennot.
Krächzt, ihr schwarzen Totenvögel,
Denn mir weint das Herz nach innen,
Weinet um gestorbnes Gut — — —
Fort, — bringt mir die Totenlichter,
Menschen, laßt die Lichter brennen,
Denn das Herz lebt nur in Flammen,
Laßt die Lichter aufwärts steigen,
Denn das Herz lebt nur im Steigen,
Laßt uns brennen, laßt uns brennen!
Kalt und dunkel ist der Tod!
Advent
[241]Höre, die Kinder draußen
Singen ein altes Lied,
Lind wie des Frühlings Brausen
In deine Brust es zieht,
Und in dem frühen Dunkel
Lieblich ein Lichtlein brennt —
Noch ist des Sternes Gefunkel:
Lichtlein nur des Advent!
Bist doch einst selbst gegangen
In seinem zitternden Schein,
Hast an der Mutter gehangen:
Lasse das Lichtlein herein!
Gib denen draußen, die singen,
Äpfel und Honigseim! —
Wieder will dir erklingen
Ewiger Sehnsucht Reim!
Hat dir so vieles versprochen,
Leben, das dich gelockt!
Hat dir so vieles gebrochen,
Weiß dir die Schläfe beflockt.
[242]Hart wurden weiche Hände,
Die sich der Arbeit geweiht,
Falte sie ruhig am Ende,
Sie ist erfüllet, die Zeit!
Dämmerung sinkt hernieder,
Aber die Hoffnung wacht.
Leise verhallen die Lieder,
Leise erhellt sich die Nacht.
Was deines Lebens Ringen —
Fühle dem Frieden dich nah!
Müssen die Kinder es singen:
Siehe, dein König ist da?!
Weihnachtslied
Heut ist die Nacht, die Wundernacht,
Des wollen wir uns herzlich freuen.
Im Stroh das schönste Kindlein lacht,
Wir wollen ihm Lieder weihen.
Wir wollen grüßen die Mutter gut.
O Mutter, sollst an Kreuz und Blut
Am heutigen Tag nicht denken;
Sollst freun dich, daß dein heil'ger Christ
So schön und hold und liebreich ist,
Und gar nichts darf dich kränken.
[245]Wir danken dir, o Herre treu,
Daß du ein Kind bist kommen.
Nun ist uns alle Furcht und Scheu,
Alle Schand ist uns genommen.
Ein Tüchlein arm den Leib verdeckt,
Der in die Höll den Satan schreckt,
Und die die Welt gestalten,
Die Hände, überm Herzlein zart
Ruhn sie so schwach, nach Kinderart
Zur Bitte still gefalten.
O Kind, tu auf die Händchen dein!
Wir bringen dir unsere Herzen.
Sonst sind sie wüst, heut sind sie rein
Wie weiße Opferkerzen.
Das aus der Krippe strahlt, das Licht,
Verändert gar das Weltgewicht,
Heut ist nicht Schuld noch Fehle.
Heut müssen Wölfe Lämmer sein,
Jed Dörnlein trägt eine Lilie rein,
Einen Engel jede Seele.
Heut ist die Zeit, die Wunderzeit,
Der Winter ward zum Maien.
[246]Gott ward ein Kind, eine Mutter die Maid,
Und wir Sünder singen den zweien.
Das harte Stroh im Kripplein rauscht,
Das zarte Kind im Kripplein lauscht,
Süß hat das Lied geklungen.
Kind, kommst du richten einst mit Macht,
Denk, daß wir dir in heil'ger Nacht
Dies Krippenlied gesungen.
Ruth
[249]Seht ihr den Weg im Abendschatten
Die beiden Frauen einsam schreiten?
Die Mutter des verlornen Gatten
Des jungen Weibes Hand geleiten?
Naemis Haar hat Gram gebleicht,
Ihr Haupt des Lebens Last gebückt,
Indessen Ruth der Palme gleicht,
Die frisch des Frühlings Krone schmückt.
Sie wandern bang der Nacht entgegen,
Da spricht Naemi an der Wende
Des Wegs: Empfange meinen Segen,
Daß ich, o Ruth, dich heimwärts sende!
Ist auch dein Trost wie Balsam lind,
Nicht ferner teile meine Not,
Denn meines Lebens Tag verrinnt,
Und bitter ist der Fremde Brot.
Nicht folge mir in öde Ferne,
Laß meine Hand aus deiner sinken,
Es sind des Heimatlandes Sterne,
Die freundlich dir zu bleiben winken! —
[250]Der Greisin mildem Segenswort
Neigt Ruth ihr weinend Angesicht,
Doch wendet nicht den Fuß sie fort
Und ihre Lippe flehend spricht:
Laß deine müde Hand mich fassen,
Ist nicht mein Gott zugleich der deine?
Ich will mit dir die Heimat lassen,
Es sei dein Volk hinfort das meine.
Solang du mir ins Antlitz siehst,
Bist du nicht trostlos noch allein,
Wo dir der Tod die Augen schließt,
Da will auch ich begraben sein.
Salomo
[253]Mein Haar ist grau, sprach Salomo im Harme,
Und lässig dünkt mich meiner Pulse Klopfen;
Die straffen Muskeln werden schlaff im Arme;
Das Blut, einst frischen Stromes, schleicht in Tropfen.
Ich hatte Tag für Tag an Lust und Schätzen,
Was Tyrus und was Indien auserlesen;
Mein war die Welt, die Sinne zu ergötzen —
Was ist's gewesen?
Den Becher, der von Liebe schäumt, kredenzten
Mir Weiber jung und schön aus allen Zonen;
An meines Lebens Himmel Sterne glänzten
Zahlreich wie das Gestein in meinen Kronen;
Doch ihre Zeit ist um, und sie erbleichen.
Ein leid'ger Mahner, lichtet sich mein Scheitel,
Die Lust, die ich gedungen, fühl ich weichen —
Alles ist eitel.
Was ich genoß, bespülte wie die Welle
Mein Herz und hinterließ ihm keine Spuren,
Die ich so oft empfing auf meiner Schwelle,
[254]Die Freuden fliehn davon, ein Heer von Huren.
Was ich besaß, die gier'ge Schande raffte,
Den Wahn des Hasses wie die Kraft zum Lieben,
Und vom Gewinn, den sie mir einst verschaffte,
Ist nichts geblieben.
Mir wurden Freunde, doch die treusten Herzen
Kann eine Mitternacht in Gift verkehren.
Ich konnte weinen; doch die tiefsten Schmerzen
Sah ich wie Wachs am Lichte sich verzehren.
Mit überdrüss'ger Hand verschwend ich heute,
Was gestern ich mit Goldeslast erhandelt.
Was tät ich, das mich nimmermehr gereute?
Die Zeit nicht wandelt?
Nichts Neues kündet mir der junge Morgen,
Und ewig lernt die Sonne nichts als Scheinen.
Der Menschen Stirne furchen gleiche Sorgen,
Die Toren lachen, und die Schwachen weinen.
Das Lied des Lebens könnt ich schlafend raunen,
Sein edler Schlußreim heißt: enttäuschter Glaube,
Fern möcht ich ruhn von Gottes Weltenlaunen,
Staub neben Staube.
Wettläuferin
[255]In ihrer Schlankheit sind die hundert Spiele
Der Kindertage noch belebt und wach;
Herb wie die Hüften männlicher Gespiele
Sind auch die ihren und in Keuschheit flach.
Die leichten Arme, die im Laufe schwanken,
Gleich Weidenzweigen, die ein Wind durchfliegt,
In die noch niemals stärkere Arme sanken,
Sie kennen nur ein kindisches Umranken
Des Nackens, der im Kampfspiel unterliegt.
Die Füße, die sich wie beschwingt erheben,
Mit Luft und mit Arenasand vertraut,
Sie rühren sich in stetem Takt und streben
Nicht minder schnell als jene der Epheben,
Dem Ziel zu, das der helle Blick schon schaut.
Es lächelt leis der Mund, der nur vom Siege,
Von Palmen träumt, — und ob wohl der Gewinn
Ihr wehend in geschwenkter Hand bald fliege
Über die Mädchen und die Knaben hin.
Phantasie auf dem Palatin
[256]Heut bin ich römische Kaiserin! —
Räume, gefügt aus felshohen Wänden
Hundertfach aneinander gereiht,
Hallen, — Stufen mit Marmorgeländen, —
Alles für mich — für mich liegt's bereit!
Vielfarbene Steine schimmern hernieder,
Säulen glänzen von Bronze und Gold, —
Tausend Spiegel werfen es wider,
Was sich in Bildern gestaltend entrollt.
Tausend Fackeln sprühn in den Gängen,
Die sich zum alten Palaste ziehn,
Tausend Sklaven warten und drängen
Heute sich meinen Befehlen hin. —
Gestern noch gellte der Kampf auf den Treppen;
Ah — noch ist mir als röche ich Blut; —
Juble! Heut schleifen vielleicht meine Schleppen
Dort, wo das Haupt der Besiegten geruht! — —
Schafft von der Loggia die Statuenreihen!
Freier will ich zum Forum den Blick. —
Wie sie dort unten die Rostra umschreien. —
Heil, Imperator! Ich winke dir Glück! —
[257]Gestern noch eine der Vogelfreien, —
Heute von tausend Schmeichlern umringt,
Morgen — ? Ich will der Venus weihen,
Daß sie des Kaisers Liebe mir zwingt!
Die Hexe
Felsen über meiner stillen Klause,
Dräu' noch mehr, damit ich sichrer hause!
Sonne, keinen Strahl auf meine Schwelle!
Doch im Tale scheine morgenhelle!
[260]Stecht mit scharfem Dorn, ihr wilden Ranken!
Schäume, Wildbach! Allen will ich danken!
Nicht genugsam kann die Nacht mich decken.
Meine einz'ge Waffe ist der Schrecken.
Gebt sie mir! — Und ruhig will ich harren,
Daß sie bittend nah'n, die stolzen Narren.
Kreise zieh' ich, murmle Zauberworte —:
Nehmt und glaubt — und weicht von diesem Orte!
Geht nur hin! Ihr denkt ja all im Scheiden:
Dennoch sollst den Flammentod du leiden!
— Undankbare! Eure Wunden heilt' ich,
Zu den Siechen tief im Tale eilt' ich.
Gut! Wohl kenn ich unheilvolle Kräfte,
Mischen kann ich nächt'ger Pflanzen Säfte,
Euch verderben kann ich. Stille! — Schritte!
Eine Frau tritt aus des Waldes Mitte,
In den Arm ein blasses Kind gebettet — —:
„Mutter, sei getrost! Es wird gerettet!“
Im Strohkranz
[261]Einen Strohkranz trag' ich, einen unsichtbaren,
Immer noch wie damals in den gelben Haaren,
Wo ich blaß und steinern und so tief in Schanden
Hab' im Büßerhemde an der Tür gestanden.
Meine bloßen Füße auf verschneiten Stufen,
Wagt' ich arme Seele Gott nicht anzurufen.
Nur die müde Kerze bebend konnt' ich halten,
Als die Frauen strenge mir vorüberwallten.
Um nicht meiner Buße härnes Kleid zu streifen,
Sah ich sie des Mantels bunten Saum ergreifen.
Und dann ist auch einer scheu vorbeigegangen,
Der im toten Frühling selig mich umfangen.
Einen Strohkranz trag' ich, einen unsichtbaren,
Stets seit jener Stunde in den gelben Haaren,
Werd' ihn tragen, bis ich meine Augen schließe,
Und dann wird sie kommen aus dem Paradiese,
Naht die Gottesmutter mir mit leisen Schritten,
Sieht die milde Fraue, was ich hier gelitten —:
Ihre Arme wird sie mir entgegenstrecken,
Mit dem Silberschleier meinen Strohkranz decken.
Die Königin
[262]Es saß die Königin steif am Spinett,
Der Reifrock bläht sich weit. Im Haar der Reiher nickt,
Und Diamanten glänzen und Rubin
Am Schneppenmieder, reich mit Gold gestickt,
Die schlanken Finger spielen Menuett,
Ein krächzend Stücklein, hart und ohne Ton.
Sie spielte falsch. Bedford und Leicester sahn
Sich heimlich an. Sie lächelten voll Hohn.
Und neigten doch vor der Gebiet'rin sich
Und applaudierten mit beschuhter Hand,
Und lobten ihre hohe Meisterschaft
Und ihren königlichen Kunstverstand.
„Viel Dank, Mylords!“ Die Königin brach ab —
Dumpfrollend scholl ein Trommelwirbel her,
Ein Zügenglöcklein wimmerte von fern,
Als ob ein Mensch in letzten Nöten wär.
„Lord Leicester!“ sprach erstaunt Elisabeth,
„Was will die Glocke und das Klaggeläut?“ —
[263]„Es ist für Essex, große Königin,“
Sprach süß der Lord, „man richtete ihn heut.“
„Ach — so — für Essex! Das vergaß ich ganz!“
Und höhnisch zog sie bogengleich den Mund.
„Er war Rebell!“ — Doch ihr im Herzen lebt
Erinnerung an eine andre Stund.
Da lag in Essex' starken Armen sie,
Ganz selbstvergessen, drängend, Brust an Brust,
Und Mund an Mund! Wie stand so blutig rot
Vor ihren Augen die vergangne Lust.
Doch zeigt sie nichts. Ihr Angesicht bleibt hart,
Graukalt das Aug', das Herz so bettelarm.
— „Man spielt ja Pyramus und Thispe heut —
Ein lustig Stück! — Graf Leicester — Euren Arm!“ —
Rembrandt
[264]Er starb in Lumpen, der so königlich
Schönheit und Licht verschenkt. Der niemals karg,
Starb als ein Bettler. Ja — er trank sich tot,
Und man begrub ihn — in der Armen Sarg.
Den Pinsel hinterließ er — farbenschwer,
Den Malerkittel grau und schlecht genäht,
Und ein paar Bilder an die Wand gelehnt,
Und ein paar Bilder, von der Welt verschmäht.
Der goldne Becher, aus dem Saskia
Ihm bot der Liebe Trank, dahin — zerschellt —
Nichts blieb ihm, als sein stolzes Königtum,
Das ihn verschloß in seine eigne Welt.
Nichts blieb ihm, als die nackte Wirklichkeit,
Nichts blieb ihm, als das schnödeste Vergessen.
Entthront, verachtet, ausgehöhnt, verarmt —
Nichts blieb ihm, als sein Können unermessen.
Verlassen starb er, in der Menschen Acht,
Der Purpurtraum war längst von ihm gewichen,
Erloschen der Juwelen Zauberschein;
Brokat und Samt und Krönungskleid — verblichen.
Das weiche Licht im schimmernden Gemach —
[265]Vorbei — dahin! Der seidne Vorhang riß.
Ihm blieb ein schmutzig Stüblein unterm Dach,
Die grelle Sonne und die Finsternis.
Da ging die Schönheit, die er heiß geliebt,
Vorbei am Markt und trat zum Armen
Und gab ihm ihren letzten Himmelstraum,
Und ihrer Güte heiligstes Erbarmen.
Sie lehrte ihn der Armut tiefen Sinn,
Sie zeigte ihm das wahre Menschentum,
Das tiefverhüllte. — Für das Katzengold
Des Tagesbeifalls gab sie ew'gen Ruhm.
Wir aber danken ihm das tiefe Schaun,
Wir danken ihm das Menschenangesicht,
Wir danken ihm der Seele goldnen Schein,
Der durch die Falten und das Alter bricht.
Das Schloß in Spanien
[266]O, wenn ich doch ein Fräulein wär,
Ein Edelfräulein reich!
Ich trüg einen seidnen Mantel schwer
Und Schühlein sammetweich.
Ade dann Besen, Rocken, Herd!
Du alter Krug, zerbrich!
Die große Frau zu Nonnenwert
Wär nicht so stolz wie ich.
Hätt ich Ohrringlein, Halsgeschmeid
Und einen Federhut
Und einen Reifrock ellenweit,
Wie stünd mir das so gut!
Ich ließ die Hände in dem Schoß
Von früh bis abends ruhn,
Mein goldbetreßter Dienertroß
Hätt Wunder was zu tun.
Meine Mutter ist nicht klug! Die will,
Ich soll den Rumpolt frein.
Der Rumpolt nehm' die Isebill!
Ich mag keinen Bauern! Nein!
[267]Paßt auf! Bald fährt der Wagen für,
Mit Schimmeln sechs bespannt,
Ein edler Graf geht ein zur Tür
Und wirbt um meine Hand.
Wohl auf sein Schloß in Spanien
Führt er mich stattlich dar.
Auf hohem Schloß in Spanien,
Da leb ich wunderbar.
Eß nichts als lauter Gutelein,
Blitzkuchen und Pastet;
Mein Tisch, der muß ganz golden sein
Und auch mein Himmelbett.
Daß ich ein armes Mägdlein bin,
Das ist mir bitter leid.
Nach großen Dingen steht mein Sinn,
Nach Glanz und Herrlichkeit.
Nach hohen Dingen steht mein Sinn,
Bin hübsch und klug und fein,
Drum will ich keine Bäuerin,
Ich will ein Fräulein sein.
Ach Gott, wer leiht zwölf Taler mir,
Ich möcht auf Reisen gehn.
[268]Es kann ja doch kein Mädel hier,
Kein Bursch kann mich verstehn.
Gret, steig du nur wie 'n Pfau einher,
Beth, kräusle dir den Schopf!
Ich hab' im kleinen Finger mehr
Als ihr im ganzen Kopf!
Morphium
Ja, schlafen, schlafen! seufzt der Kranke schwer, —
Er nimmt den Trunk, er lächelt: „Schlafen, schlafen!“
Nun glättet sich der Schmerzen wildes Meer,
Und seine matte Seele treibt zum Hafen.
Die Rechte sinkt zurück — der trockne Mund
Scheint durstig noch den kühlen Trunk zu schlürfen, —
Ein Atemzug, so schwer und krank und wund! —
„O, eine Ewigkeit nur schlafen dürfen!“
Ein mattes Glimmen noch im trüben Blick,
Ein traumhaft Dehnen durch die kranken Glieder!
Und immer weiter taucht der Geist zurück.
Und immer tiefer senken sich die Lider.
[270]Er gleitet heimwärts in ein schön'res Land...
Schon sieht er purpurn sich die Nacht erhellen,
Und weich und wiegend an den fremden Strand
Trägt ihn der Kahn durch blaue Nebelwellen.
Wohin? — Er wiegt und gleitet immerzu,
Ein ziellos Dämmern ist's und Weiterschweben,
Und aus dem Dunkel taucht die große Ruh
Und nimmt an ihre Brust sein krankes Leben —
Und küßt ihn lind; da wird das Herz ihm weit,
Er lacht im Traum, die Qualen sind verflogen...
Und hinter ihm versinkt sein großes Leid,
Und vor ihm schwingt das Glück den Irisbogen.
Doch plötzlich bebt er... das Bewußtsein loht
Im trüben Blick und auf den blassen Zügen...
Er ist erwacht, und das Gespenst der Not
Schreit ihm ins Ohr, daß seine Träume lügen.
Da fährt er auf — sein Blick so fremd und schwer,
Als ob ihn schon des Todes Pfeile trafen...
Die schlaffe Rechte tastet wild umher, —
„Den Trank — gebt mir den Trank! — Ach, schlafen, schlafen!“
In der Fabrik
[271]Mit Rad und Riemen, Schaft und Schraube droht
Polypengleich das schwarze Ungeheuer
Und wirft die Schlacken aus wie flüssig Feuer
Und taucht den Mittag in ein falbes Rot.
Ein Wutgeheul! Der Riesenkörper bebt...
Ein hundertarmig Ineinandergreifen,
Ein tückisch Vorwärtsschießen, Rückwärtsschleifen,
Von einer einz'gen großen Kraft belebt!
Und um den Herrn der Knechte dunkle Schar
In Ruß und Rauch... die Riesenhämmer klingen,
Die Funken tanzen, und die Räder singen
Das große Lied der Arbeit und Gefahr.
Im Schlund der Esse loht es purpurbraun...
Und wo die Räder hart und stählern blitzen,
Seh' ich ein Weib mit heißen Augen sitzen
Und fest und saugend mir ins Antlitz schaun.
Der nackte Arm wie ein verdorrtes Scheit,
Finster die Stirn und rauchgeschwärzt die Wange...
[272]Sie neigt sich mir, — sie spricht mit wildem Klange:
„Ich bin die graue Not, ich bin das Leid.
Herrin des Weltalls ich — wie keine war!
Sahst du schon je so eifrig die Vasallen
Durch Glut und Rauch für ihre Herrin wallen,
Unsichtbar, stets den Opferkranz im Haar?
Ja, ich bin stark, und mein das größte Reich!
Mein Hauch bewegt die tosenden Maschinen,
Mein Blick allein heißt tausend Arme dienen
Und macht die kecksten Männerstirnen bleich.“
Sie springt empor, sie bebt — ihr Auge lacht...
Die Achsen kreischen, und die Hebel krümmen
Sich von der Last, die roten Essen glimmen,
Durch Rad und Riemen tobt die wilde Jagd.
Die Menschen keuchen: „Arbeit nur und Brot!“
Und durch das Wutgeheul, Schleifen und Krachen
Hör' ich ein leises, sieggewohntes Lachen:
„Herrin des Weltalls ich — die graue Not!“
Hesperus
[275]O fühlst du, wie nach Sonnenuntergang
Ein tiefer Atem durch die Landschaft geht?
Versunken hinter hohem Bergeshang
Der glühnde Ball, der Hitze Brand verweht.
Die harte Last des Tages sinkt herab,
Der Pflug steht still, der Sense Schwirren ruht,
In kühler Herberg lehnt der Wanderstab,
Die Herde trinkt sich Kühlung aus der Flut.
Entschirrt die Rosse, jochbefreit der Stier,
Die Amsel sitzt schon schweigend im Geheg,
Ein großes Stillesein für Mensch und Tier,
Ein großes Heimwärtsziehn auf Feld und Steg.
Ob roten Dächern steigt der blaue Rauch,
Als sei's von Opferkerzen, himmelwärts,
Es träumt der Strom in seines Nebels Hauch,
Im Abendzwielicht träumt das Menschenherz.
In seine Arme schließt der Mann das Weib,
Das Kindlein schlummert an der Mutter Brust,
[276]In süßer Müdigkeit streckt sich der Leib,
Und seines Daseins wird der Mensch bewußt.
Einst bist auch du getröstet und befreit,
Wie heiß auch Mittagsglühen auf dir lag,
Denn diese Stunde tiefer Heiligkeit
Hat Gott gegeben jedem schweren Tag.
Nacht
So düster die Welt, ein finstres Revier,
Gestalten drängen und schieben,
Viel bleierne Nebel lasten schwer
Und Dünste schleichen — gleich Dieben.
Ein trostloses Auge, blicket die Nacht
Hernieder in stummem Verzagen,
Wie konnte sie dieses grausige Bild
Die endlosen Jahre ertragen?
Wie ein Schrei gesammelter Leidenschaft
Schlägt aufwärts die glühende Lohe
[278]Der Essen — und färbt mit trübem Blut
Das Himmelsantlitz, das hohe.
Kein Stern scheint nieder in all das Weh,
Nur diese sündigen Flammen,
Die flackern je und je empor
Und sinken kraftlos zusammen.
Wo gibt es ein Licht für soviel Nacht?
Und wo eine Hand, eine reine?
Ach! ahnst du den Jammer, verborgene Macht?
So erlös' uns vom Übel — erscheine —!
In dem Dunkel
[287]Als ich noch ein kleines Mädchen,
Hegt' ich einen stillen Plan,
Wollte mir ein Häuschen bauen
Ganz versteckt im grünen Dickicht,
Wo die Blumen und die Vögel
Sicher mit mir plaudern würden,
Und die lauten Spielgefährten
Nimmermehr mich finden könnten.
Nur die liebsten meiner Puppen
Und die schönsten Bilderbücher
Wollt' ich in dem Häuschen dulden. —
Und ich schleppte schwere Ziegeln
Heimlich in dem Puppenwagen
Nun herbei, — mit vieler Mühe
Legt' ich seufzend Stein auf Stein. —
Aber spröde blieb der Ziegel,
Und je höher meiner kleinen
Hände Bauwerk wuchs, je leichter
Ward es Opfer jeden Anpralls,
Ob ich selbst die Mauer prüfte,
Ob der Sturm sie nachts erfaßte,
[288]Immer wieder ward zu Trümmern
Meine Hoffnung — und ich weinte; —
Sinnend, was wohl Mauern bindet,
Wenn die Großen Hauser bauen.
Kinderträume wurden Wahrheit. —
Was ich einstens heiß ersehnte,
Immer hab' ich's noch errungen.
— — — — — — — — — —
Dort mein Häuschen an der Lehne!
Fest gefügt, und manches drinnen
Schwer erkämpft — doch meinem Herzen
Eben darum um so teurer.
Und auch liebe Kinderträume
Huschen manchmal noch vorüber,
Schaukeln in den schlanken Ästen,
Nicken aus den bunten Blüten,
Winken von der nahen Wiese. —
Ja nun weiß ich, was sie bindet,
Meine Mauern, — und noch vieles,
Was das kleine Kinderköpfchen
Einstens quälte, ist mir klar.
Aber ach! manch andre Rätsel
Bot es mir, das ernste Leben,
[289]Und wie heute sitz' ich grübelnd
Oft, und starre stumm ins Dunkel.
Wie der Bau der Welt sich fügte?
— — — — — — — — — —
Und dort oben jene Welten?
— — — — — — — — — —
Nachtluft spielt mit meinen Flechten,
Kühlt die Stirn mir leise, leise. —
O die tiefe, tiefe Stille!
Ewigkeit scheint mich zu grüßen,
Aber stumm huscht sie vorüber,
Läßt mich einsam in dem Dunkel.
Heimatlos
[293]Hör mich, Mutter, höre mich in deinem dunklen Grabe,
Sage mir, wo ich Verirrter meine Heimat habe.
Wenn ich schlafe unter deinem Trauerweidenbaume,
Zeige mir das Land, das süße Vaterland, im Traume.
Laß mich meine Sterne sehen, eine milde Sonne
Durch das Meer des Himmels segeln, junger Saatenwonne,
Und die Wasser jubelnd hoch von meinen Bergen stieben;
Meine Brüder, meine Schwestern zeig mir, die mich lieben.
Wär' der Weg auch noch so weit, ich will ihn gerne gehen;
Wär' er noch so hoch und steil, ich will ihn gern bestehen.
Denn ich mag nicht, mag nicht länger in der Fremde weilen,
Ich bin krank im Herzen, nur die Heimat kann mich heilen!
Käm' ich auch als Bettler zu der vielgeliebten Stelle,
[294]Legen will ich mich auf meines Vaterhauses Schwelle;
Küsse werden, Tränen auf die alten Steine brennen,
Die mich besser als die Menschen in der Fremde kennen.
— „Kind, dein Vaterland ist ferne und der Weg ist weiter,
Als die Erde weit ist, und die Nacht ist dein Begleiter.
An der Pforte wird die Ewigkeit dich still begrüßen
Und die Wanderschuh dir lösen von den wunden Füßen.“
Horror vacui
Ein brennendes Sodom liegt hinter mir;
Die Flammen rasen in freier Gier —
Sie sind wie Fackeln auf meinem Wege,
Und doch verwirren sich rings die Stege...
Und weithin hör ich in lautem Entsetzen
[295]Die Rosse der Leidenschaft stampfen und hetzen.
— Ich möchte die Welt der Menschen verlassen,
Auf Höhen die Einsamkeit umfassen;
Ich möchte zu Fremdem und kaum Geahnten,
Auf Gründe, die niemals Menschen bahnten!
Vor mir die Leere! — Ich muß sie durchmessen,
Um das wilde Irrlicht des Scheins zu vergessen;
... Es tanzt in Flammen — es will mich locken —
Am Weg seh ich grinsend die Lüge hocken.
Ich stürme vorbei, — es peitscht mich Grauen,
Ich will nicht zur Rechten, zur Linken schauen.
Find ich die Höhen? find ich die Weiten?
Find ich entfliehende Seligkeiten?
Find ich ein Bett in vergessener Tiefe,
Damit ich das grause Wissen verschliefe?
Ach, daß ich schliefe, um nicht zu wissen
Von all den Fragen und Zweifeln und Rissen,
Die durch das Leben wühlen und klaffen
Und nur die Qual und die Sehnsucht schaffen...
Denn das Herrlichste ist dem Gesetz verfallen:
Der Tod setzt an alle Schönheit die Krallen,
Und hinter dem Leben grinst der Schrecken:
Das Gerippe der Leere aus tausend Verstecken...
— — — — — — — — — — — — —
[296]Wie Sodom brennt hinter mir kurzes Glück —
Es stäubt die Asche — ich schau nicht zurück —
Und was da vor mir am Wege lockt,
Daß manchmal entzückt noch mein Atem stockt:
An allem erkenn ich das Kainszeichen
Des Grauens, dem die Lebendigsten weichen.
— — — — — — — — — — — — —
Die Vielen sind blind; die Wenigen schauen,
Die aber sehn hinter den Dingen das Grauen.
Die Vielen sind taub, — die Wenigen hören,
Die aber vernehmen aus Lebenschören,
Aus den Harfen der Liebe, die lockend werben,
Immer den zitternden Grundton vom Sterben...
Thanatos
Zuweilen hört mein Herz in tiefer Nacht,
Wenn alles schläft und nur sein Hämmern wacht,
In weiter Ferne einen dumpfen Schritt.
Durch fremde, dunkle Länder kommt er her,
Die Erde schläft. Es träumt und ruht das Meer,
Und deshalb hör' ich jenen leisen Tritt.
Der Tag verschlang ihn. Meiner Jugend Schlaf
War also tief, daß ihn der Klang nicht traf.
Nun aber — lieg' ich bange Stunden wach.
Ein Wandrer kommt, der lang schon nach mir sucht,
Das ew'ge Schicksal hat mich ihm verbucht,
Er weiß es, wo mein einsam Lager steht.
[301]Ganz stetig kommt er näher. Unverwandt
Hält er die Richtung durch das finstre Land,
Und lauter, immer lauter dröhnt sein Fuß,
Ich weiß es, eines Nachts, nicht allzu fern,
Wird wie der Donner laut der dumpfe Gang,
Und kennen werd' ich meiner Tage Herrn,
Der bittre Tod! — Stets hielt er mich am Strang.
Nicht lange mehr
Nicht lange mehr — die Flut rinnt schwarz und still,
Seit über ihr das goldne Licht verglommen
Und aller Farben Inbrunst hingenommen —
Nicht lang für den mehr, der hinüber will.
Ihn hält kein Ruf, kein Schein, der liebend winkt,
Kein Wellenblitz, kein Ufer will ihn ziehn —
Die Nacht blickt stumpf und schweigend wider ihn;
Kein Zittern streift ihn, ob sein Nachen sinkt.
[304]Nicht lange mehr — da er vom Ufer stieß,
Als ihn der Morgen glühend hell umwand,
Als er das Ruder griff mit junger Hand
Und jeder Schlag ein goldnes Zeichen ließ.
Wie lang — in seinen Adern sang das Blut
Des Morgens und der Rosen Farbe gleich,
Und Röte schlug in das besonnte Reich
Aus seines Traumes starker Morgenglut. —
Dir sagt in dieser schwarzen Nacht kein Licht,
Ob, der hinübertreibt mit matter Hand,
Ob er es ist, der stark am Ruder stand —
Der Herr allein erkennt sein Angesicht.
Nun seufze ich dir noch ein letztes Lied
Nun seufze ich dir noch ein letztes Lied,
Das Herz ist so gramvoll, die Sinne müd,
Nur liegen möcht' ich und ruhn.
So ist es zu Ende, so Lust als Leid,
[305]Es kommt die Stille nach Sturmeszeit,
Wohl besser, wir schlafen nun.
Tief wollen wir schlafen, nicht wünschen mehr,
Es liebte das lebende Herz zu sehr
Und liebte zu böser Zeit.
's ist Raum auf der Erde, wir können gehn,
Die Augen weit offen, uns doch nicht sehn;
Ach freilich, die Welt ist so weit.
Und ob sie uns einen, das Land, die Stadt,
Ob engerer Raum noch umfaßt uns hat —
Ach, dennoch auf ewig fern.
So schwindet das Blau, das das Aug' entzückt,
Ein Traumbild, viel weiter dem Sinn entrückt
Als jemals der fernste Stern.
So schwindet ein Glück, das geahnt bestand,
So löst sich ein niemals geschlungenes Band,
Das härter als Ketten drückt.
Ich kann dir nicht zürnen, noch zürn ich mir —
Du wirst mir zum Nichts und zu nichts ich dir —
Das Blau, das den Himmel schmückt.
Der Selbstmörder
[306]Ich nahe deinen sanften Uferbänken,
Geliebter Strom, den Mord in meiner Brust.
Er soll mit Blut die keusche Welle tränken,
Die nur vom Himmel über ihr gewußt.
Wie lauter gleitet sie und ahnungslos!
Ich starre hin und muß die Augen schließen —
Mich selber seh ich still in ihrem Schoß
Vorüberfließen.
Sprichst du von Frieden oder Todesschrecken?
Was kündest du mir, bleiches Angesicht?
Noch hab ich Macht, dich wieder aufzuwecken,
Ich weiß das Wort, das diesen Zauber bricht.
Ich öffne wieder dir das goldne Tor
Und weise dir die grünen Lebensbäume,
Die Blumen auch im bunten Freudenflor,
Die falschen Träume.
Viel süße Düfte ihrem Kelch entschweben;
O sprecht, wann haltet ihr uns Armen Wort?
Es hat getrogen hier im Erdenleben,
Löst ihr es ein in einem schönen Dort?
[307]Wo find ich diese warme Freundeshand,
Die ihr verspracht, nach der ich ach! zeitlebens
Durchwandert habe manches ferne Land,
Und stets vergebens?
Wo ist der Endreim meiner liebsten Lieder?
Das Echo meinem einsamen Gesang?
Nur Steine schicken ihn mir fühllos wieder,
Kein Laut der Seele bricht aus diesem Klang.
Wo ist genug? In meines Durstes Glut
Hab ich zum Born des Wissens mich gebogen;
Doch wie einst Tantalus, hat mich die Flut
Gehöhnt, betrogen.
Trostloser Schall ist die Musik der Sterne
Dem Darbenden, den nur die Sonne speist;
Kein Balsam träuft aus jener Himmelsferne
Auf Wunden, die der Zahn des Mangels reißt.
Nur du, mitleid'ger Freund der Menschennot,
Schlaf, Grab des Kummers, Trockner aller Tränen,
Du kommst gewandelt mit dem Abendrot
Und stillst das Sehnen.
[308]Was hat von meinem Lager dich getrieben?
Was tat ich? was verwirfst du mein Gebet?
In meine Stirn hat sich der Tod geschrieben,
Seit mir dein Flügel nächtelang nicht weht.
Find ich dich hier? Mir war, als ob mein Ohr
Die alten Wiegenlieder murmelnd trafen;
Du singst sie aus der Welle mir hervor —
Da werd ich schlafen.
Mein Schwesterlein
An meine Schwester Fatime
Oft schleichst du in mein Kämmerlein
In tiefer Nacht so still herein,
Als ob der Mond erscheine:
[318]„Was treibst du hier so ganz allein?“
Ach! Schwesterlein, mein Schwesterlein,
Ich klag um dich und weine!
Und wenn ich dich umfassen will,
Auf daß mein Aug sich heiß und still
An deinem Anblick labe,
So halt ich bebend nur im Arm
Den Mondenstrahl. — Wie bin ich arm,
Seit ich dich nicht mehr habe!
Oft grüß ich dich, mein Schwesterlein,
Wenn hoch, hoch über Berges Rain
Die Firne Lichter blinken.
Und wüßt ich, wo mein Christus ruht,
Ich liefe barfuß durch die Flut
Und ohne zu versinken.
Und klagen würd' ich ihm mein Leid,
Und schrill durch alle Ewigkeit
Ertönte da mein Flehen:
— „O wecke auf mein Schwesterlein
Wie einst Jairus' Töchterlein,
Daß wir uns wiedersehen!“
Schattenbild vergangener Zeiten
Den Morgenhimmel färbt ein mattes Rot —
Den Morgennebel hebt der helle Tag,
Der helle Tag.
Ich geh allein hinaus mit meiner Not
Und such und seh, ob ich dich finden mag
Am hellen Tag.
Das goldne Feld erglänzt im Sonnenstrahl,
Und in der Heide blüht das Heidekraut.
Da fielen weiche Klänge durch die Luft,
So sehnsuchtsvoll! Es ist ein Gruß von dir,
Ein Gruß von dir! —
Wie kenn ich sie! Wie kenn ich den, der ruft.
Und wär ich tot, der Ruf käm' doch zu mir,
Ein Gruß von dir.
[325]Das goldne Feld erglänzt im Sonnenstrahl,
Und in der Heide blüht das Heidekraut.
O Gott, du bist's! Du brichst mir ganz das Herz,
Laß sein, laß sein! Find ich dich überall?
Ach, überall!
Du schweigst und siehst so traurig niederwärts,
Ach hört' ich deiner Stimme süßen Schall
Ein einzig Mal!
Das Feld erglänzt im goldnen Sonnenstrahl,
Und auf der Heide blüht das Heidekraut.
Du sprachst! Jawohl, du sprachst — ich hab's gehört.
Hätt'st du doch nie gesprochen so in Schmerz!
Ach, so in Schmerz!
Was tat ich nur? War ich denn ganz betört?
Laß sein, laß sein, du brichst mir ja das Herz,
Ja, ganz das Herz.
Das goldne Feld erglänzt im Sonnenstrahl,
Und in der Heide blüht das Heidekraut.