1221. Der Stein zu Burhafe.

(S. Sundermann a.a.O. S. 32.)


Am Kirchhofsthore zu Burhafe im Harlland liegt ein großer Stein, welcher durch eines Menschen Hand dorthin getragen worden ist. Das ist so gekommen: Es hat in alten Zeiten zu Burhafe ein Priester gelebt, der sehr fromm und gottesfürchtig war, aber eben deshalb hatte der Teufel seine Lust daran, ihn zu quälen und zu plagen. Eines Tages trat derselbe in der Gestalt [989] des heil. Antonius vor ihn hin, als er gerade in seinem Bücherzimmer studirte, fing an sich mit ihm in ein Gespräch einzulassen und kam so auf die fleischlichen Lüste, bediente sich aber plötzlich lüsterner Bilder und verwandelte sich zuletzt gar in eine schöne Jungfrau, die ihre Arme begehrlich nach dem Priester ausstreckte. Da, in höchster Noth, schaute der Priester aufwärts und erblickte das Bild des Gekreuzigten und hob die Hände flehend zu demselben auf. Sogleich verwandelte sich die Jungfrau unter gräßlichem Geschrei in einen Höllendrachen, der zum offenen Fenster hinausfuhr, Schwefel- und Pestgestank hinterlassend. Ein anderes Mal saß der Priester in seinem Garten und erquickte sich an saftigem Obste. Da erschien der Teufel in Gestalt eines Reisenden, der sich für einen Gärtner ausgab, und bot ihm schöne Weintrauben an. Der Pfarrer kaufte auch welche, allein kaum hatte er davon gekostet, so kam eine Art Wahnsinn über ihn, so daß er seine Kleider auszog und nackend herumspazierte. Das dritte Mal, als der Priester gerade einmal zur Mette in die Kirche gehen wollte, saß Satan über der Kirche in der Luft und machte einen solchen Lärm, daß das ganze Dorf zusammenlief; er machte aber vor den Augen der Leute ein höllisches Blendwerk, also daß sie ihren Priester am Arme eines liderlichen Weibsbildes daherkommen zu sehen glaubten. Darob wurden sie höchlichst erzürnt und stellten den Priester ungebührlich zur Rede. Da betheurte dieser, es sei Alles Blendwerk des Satans gewesen und schwur, so wahr er jenen großen Stein, der dort hinten auf dem Felde liege, allein und ohne Hilfe an die Kirchenthür tragen wolle, so wahr sei er unschuldig an dem, wessen man ihn bezüchtige. Er ergriff auch den Stein und trug ihn ohne sonderliche Mühe an den angegebenen Ort, wo er noch am heutigen Tage liegt, der Teufel aber hat fortan den frommen Mann in Ruhe gelassen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Zweiter Band. Hannover. 1221. Der Stein zu Burhafe. 1221. Der Stein zu Burhafe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-36B2-C