99. An Nanda und Letty Keßler
99. An Nanda und Letty Keßler
Wiedensahl d. 21. Aug. 1871.
Liebe Nanda! Lieb's Lettychen!
Ihr hattet mir auch gar so lange nicht geschrieben, daß ich beinahe gedacht hätte: »Aber nein! Das sind ja rechte abscheuliche Mädchen!« und wollte schon anfangen, recht recht böse zu werden; aber als ich eben anfangen wollte, so zu denken, da schicktet Ihr mir die Briefe und die schönen Bilder und ich dachte: »Nein! Es sind doch wirklich recht nette Mädercher!« und ich wurde gar nicht böse, sondern, im Gegentheil, ich blieb wirklich recht gut. Besonders schön kam mir auf dem einen Gemälde der Tisch vor, wo die Flasche und die Gläser darauf stehen; denn das macht immer viele Freude, wenn etwas Gutes drin ist, was man herauskriegen darf. – Aber wenn ich wieder da bin, so will ich aber auch von Eurem Birnbäumchern eine Birne dazu eßen, eine rechte gute aber. – Und dann komme ich und hole die Letty ab, und die Letty und ich wir holen die Nanda aus der Schule ab, und die Nanda und die Letty und ich wir holen dann vom Meister Jost die Ohrfeigen und die Plätzcher ab, und die Nanda und die Ohrfeigen und die Letty und die Plätzcher und ich wir holen dann vom Obert die Kluntcher ab – und dann gehen wir alle mitsammen zum guten Mamache, die kriegt auch was ab.
Hier schicke ich auch das Rezept zu dem Obstpudding für die Mama; sie soll ihn aber auch nur recht bald zurecht machen; und dann schreibt mir aber auch recht bald, ob er Euch gut geschmeckt hat.
Viele, viele, viele Grüße von
Onkel Wilhelm
[67] Wie man Obstauflauf macht.
WB.